Download - Gesis
Download - Gesis
Download - Gesis
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ne verschwindet, worauf ich am Ende meiner<br />
Überlegungen zurückkommen werde. Problematisch<br />
ist auch, dass ihm ein Wissensbegriff zugrunde<br />
liegt, der in mehrfacher Hinsicht defizitär<br />
ist. Zu den Defiziten dieses Wissensbegriffs<br />
gehört das Ausblenden all der Wissensformen,<br />
die nicht kognitiv und sprachförmig sind, sondern<br />
ein praktisches Können darstellen, an dem<br />
der Körper und die Sinne maßgeblich beteiligt<br />
sind. Zu ihnen gehört die Annahme, Wissen sei<br />
eine kontextunabhängige und gleichsam ortlose<br />
Ressource, die die Akteure im Kopf aufbewahren,<br />
wo sie durch Schulung und Training<br />
verbessert und vermehrt und dann wieder in die<br />
eine oder andere Praxis mitgenommen werden<br />
kann. Und zu ihnen gehört, dass der in wissenssoziologischer<br />
Perspektive grundlegende<br />
Zusammenhang von Wissen und Handeln kaum<br />
in den Blick kommt und deshalb unberücksichtigt<br />
bleibt, dass das in der Praxis jeweils handlungsrelevante<br />
Wissen nicht zu trennen ist vom<br />
sozialen Standort seiner ‚TrägerInnen‘ und dem<br />
sozialen Feld, in dem sie agieren und sich zu<br />
behaupten suchen (vgl. Dölling 2003; Andresen<br />
und Dölling 2005).<br />
Meine folgenden Überlegungen stellen den<br />
Versuch dar, diese Defizite abzubauen und der<br />
ebenso ort- wie körperlosen Hierarchie des<br />
Besser-Wissens ein mehrdimensionales Analysemodell<br />
gegenüber zu stellen, das zunächst einmal<br />
nach der qualitativen Differenz zwischen<br />
verschiedenen Spielarten von Geschlechterwissen<br />
fragt. Die These, die meinen Ausführungen<br />
zugrunde liegt, ist, dass wir es bei den drei<br />
zuvor genannten Formen von Geschlechterwissen<br />
mit qualitativ verschiedenen Typen von<br />
Wissen zu tun haben und dass die Unterschiede<br />
zwischen ihnen darauf zurückzuführen sind,<br />
dass sie eingebunden sind in unterschiedliche<br />
Konstellationen sozialer Praxis. Die Frage<br />
„Wer weiß was?“ lässt sich in dieser Perspektive<br />
nur dann hinreichend beantworten, wenn<br />
man eine Reihe weiterer Fragen einbezieht: die<br />
Frage „Wer tut was?“, die Frage, in welchem<br />
sozialen Feld und in welcher sozialen Position<br />
jemand etwas tut und weiß, und – last but not<br />
least – die Frage, wie etwas gewusst wird, wie<br />
es bekannt, vertraut, präsent, verstanden oder<br />
selbstverständlich ist (vgl. Hirschauer 2008).<br />
Ich beginne mit einem kurzen Blick auf den<br />
Zusammenhang von Wissen und Handeln und<br />
werde mich dann Schritt für Schritt den drei<br />
Spielarten von Geschlechterwissen zuwenden<br />
und zu klären suchen, worin sie sich voneinander<br />
unterscheiden, warum sie sich nicht<br />
leicht ineinander übersetzen lassen und weshalb<br />
infolgedessen der Wissenstransfer aus der<br />
Geschlechterforschung in die Gesellschaft weit<br />
schwieriger ist als in der Hierarchie des Besser-<br />
Wissens angenommen.<br />
2. Wissen, Handlungsrelevanz<br />
und Anerkennung<br />
Theoretischer Ausgangspunkt meiner Überlegungen<br />
ist die Wissenssoziologie in der Tradition<br />
von Alfred Schütz (1972) und Peter L.<br />
Berger/Thomas Luckmann (1969), deren Quintessenz<br />
Uwe Schimank auf die kurze Formel<br />
gebracht hat, „dass Handeln auf Wissen beruht<br />
und Wissen eine soziale Konstruktion ist“<br />
(Schimank 2006, 57). Mit Blick auf die zuvor<br />
genannten drei Spielarten von Geschlechter-<br />
50