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24.07.2014 Aufrufe

Zu den Machtstrukturen und deren methodischen Apparaten zählen die Quantifizierungen und damit eine vermeintliche Logik der Zahl. Diese Methode, die Welt und ihre Bewegungen als Quantitätsverhältnisse zu beschreiben, folgt ökonomischen Kriterien. Die Frage, die im Raum steht ist jene, ob sich etwas rechnet oder nicht. Was sich nicht mehr rechnet, läuft Gefahr zu verschwinden. Die Übernahme der Quantifizierung als Beschreibungsfigur für die Wissensproduktion und die gesellschaftlichen Verhältnisse im Kontext dieser Wissensproduktion tendiert dazu, mit der Logik der Zahl auch die gleichen ökonomischen Kriterien als Entscheidungsgrundlage für die Frage nach dem Wert oder der Wertlosigkeit von Wissensproduktion in den Vordergrund zu stellen. Für eine Gleichstellungspolitik, die jenseits dieser ökonomischen Kriterien ansetzen sollte, bedeutet dies einen sehr sensiblen Umgang mit der Logik der Quantifizierung, um nicht zum Erfüllungsgehilfen hegemonialer Strukturen zu werden, die von eben dieser Gleichstellungspolitik hinterfragt werden sollten. Gehört es zum Selbstverständnis von Gleichstellungspolitik, gegen das faktische Unrecht die Stimme zu erheben und gegen die Benachteiligung von Bevölkerungsgruppen und Personen den Anspruch auf deren Recht geltend zu machen, so läuft dieselbe Gleichstellungspolitik Gefahr, unter dem Paradigma der Quantifizierung den Anspruch auf Recht mit dem Fortschreiben des Unrechts zu verbinden. Gleichstellungspolitik nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die Forderung, die damit im Raum steht, gilt einer Gleichstellungspolitik, die auch dann aktiv wird, wenn es sich nicht rechnet und wenn alle Zahlen und Verhältnismäßigkeiten dagegen stehen. VORTRÄGE Vor diesem Hintergrund scheint Vorsicht geboten, sich im Kontext der Gleichstellungspolitik auf Quantifizierungen zu einigen, um den emanzipativen und partizipativen Kern der 47

Wer weiß was? Gleichstellungspolitik und Geschlechterwissen in wissenssoziologischer Perspektive* • Prof. Dr. Angelika Wetterer, Universität Graz 1. Zum Auftakt: Spielarten von Geschlechterwissen In der Gründungszeit von Frauenforschung und Frauenpolitik wäre die Frage nach dem Verhältnis von Gleichstellungspolitik und Geschlechterwissen, die mich im Folgenden beschäftigen wird, recht schnell beantwortet gewesen. In den 1970er und frühen 1980er Jahren schien nicht nur selbstverständlich, dass Frauenforschung und Frauenpolitik zusammengehören, weil die eine dieser zwei ‚ungleichen Schwestern‘ in praktisch-politische Maßnahmen übersetzt, was die andere herausgefunden hat über die Grundlagen und Reproduktionsweisen der Ungleichheit im Geschlechterverhältnis. Auch die Annahme, dass beide im Erfahrungswissen der Frauen einen gemeinsamen Ausgangs- und Bezugspunkt haben, war weithin akzeptiert. Ganz so einverständlich und schwesterlich sind die Beziehungen schon im Verlauf der 1980er Jahre nicht mehr gewesen, und sie sind es heute weniger denn je. Nach mehr als dreißig Jahren Frauenforschung und Frauenpolitik ist nicht nur der Dialog zwischen deren jeweiligen Nachfolgerinnen schwierig geworden; schwierig geworden ist auch deren Dialog mit den ‚normalen‘ Gesellschaftsmitgliedern, mit den Frauen und Männer auf der Straße, die sich nicht in der glücklichen Lage befinden, Gender Studies studiert zu haben. Das Gender-ExpertInnenwissen, das im Zuge der Professionalisierung der Gleichstellungspolitik erarbeitet worden ist, ist aus der Perspektive feministischer Theorie und Gesellschaftsana- * Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um die gekürzte und im letzten Abschnitt neu akzentuierte Fassung eines Aufsatzes, der unter dem Titel „Gleichstellungspolitik im Spannungsfeld unterschiedlicher Spielarten von Geschlechterwissen. Eine wissenssoziologische Rekonstruktion“ zuerst erschienen ist in: Gender. Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, Heft 2/2009: 45–60. 48

Zu den Machtstrukturen und deren methodischen<br />

Apparaten zählen die Quantifizierungen<br />

und damit eine vermeintliche Logik der Zahl.<br />

Diese Methode, die Welt und ihre Bewegungen<br />

als Quantitätsverhältnisse zu beschreiben,<br />

folgt ökonomischen Kriterien. Die Frage, die<br />

im Raum steht ist jene, ob sich etwas rechnet<br />

oder nicht. Was sich nicht mehr rechnet, läuft<br />

Gefahr zu verschwinden. Die Übernahme der<br />

Quantifizierung als Beschreibungsfigur für die<br />

Wissensproduktion und die gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse im Kontext dieser Wissensproduktion<br />

tendiert dazu, mit der Logik der Zahl<br />

auch die gleichen ökonomischen Kriterien als<br />

Entscheidungsgrundlage für die Frage nach<br />

dem Wert oder der Wertlosigkeit von Wissensproduktion<br />

in den Vordergrund zu stellen. Für<br />

eine Gleichstellungspolitik, die jenseits dieser<br />

ökonomischen Kriterien ansetzen sollte, bedeutet<br />

dies einen sehr sensiblen Umgang mit<br />

der Logik der Quantifizierung, um nicht zum<br />

Erfüllungsgehilfen hegemonialer Strukturen zu<br />

werden, die von eben dieser Gleichstellungspolitik<br />

hinterfragt werden sollten. Gehört es zum<br />

Selbstverständnis von Gleichstellungspolitik,<br />

gegen das faktische Unrecht die Stimme zu<br />

erheben und gegen die Benachteiligung von<br />

Bevölkerungsgruppen und Personen den Anspruch<br />

auf deren Recht geltend zu machen, so<br />

läuft dieselbe Gleichstellungspolitik Gefahr,<br />

unter dem Paradigma der Quantifizierung den<br />

Anspruch auf Recht mit dem Fortschreiben des<br />

Unrechts zu verbinden.<br />

Gleichstellungspolitik nicht in Vergessenheit<br />

geraten zu lassen. Die Forderung, die damit im<br />

Raum steht, gilt einer Gleichstellungspolitik,<br />

die auch dann aktiv wird, wenn es sich nicht<br />

rechnet und wenn alle Zahlen und Verhältnismäßigkeiten<br />

dagegen stehen.<br />

VORTRÄGE<br />

Vor diesem Hintergrund scheint Vorsicht<br />

geboten, sich im Kontext der Gleichstellungspolitik<br />

auf Quantifizierungen zu einigen, um<br />

den emanzipativen und partizipativen Kern der<br />

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