3.2 STANDORTFAKTOREN

3.2 STANDORTFAKTOREN 3.2 STANDORTFAKTOREN

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3.2 STANDORTFAKTOREN 3.2.1 Standortentscheidungen Die beobachtbare räumliche Struktur eines Wirtschaftsraumes ist das Ergebnis der Entscheidungen vieler Akteure. Drei wichtige Gruppen können dabei unterschieden werden: Unternehmen, private Haushalte und die öffentliche Hand (Staat) 3.2.1.1 Unternehmen Unternehmen (èGlossar) treffen eindeutig raumwirksame Entscheidungen – Standortentscheidungen. Dabei legen die Unternehmen fest, wo im Raum sie Produktions-, Handels-, Forschungs- oder Verwaltungsaktivitäten durchführen. Dies kann entweder an einem Standort durchgeführt oder auf mehrere verteilt werden. Im ersten Fall spricht man von Einbetriebsunternehmen, im zweiten von Mehrbetriebsunternehmen. Mehrbetriebsunternehmen können sich an verschiedenen Betriebsstandorten verschiedene Unternehmensfunktionen – Produktion, Forschung, Verwaltung, Vertrieb, usw. - ansiedeln, oder auch jeden einzelnen Betrieb mit allen Funktionen ausstatten. Das Zusammenwirken der einzelnen Betriebe (èGlossar) zur Realisierung des Unternehmensziels muss durch Liefer-, Informations- und Kontrollbeziehungen zwischen den Betrieben bewerkstelligt werden (Maier/Tödtling, 1992). Doch nicht nur Standortentscheidungen sind raumwirksame Entscheidungen von Unternehmen. Mit vielen anderen Entscheidungen strukturieren die Unternehmen den Raum und gestalten so die Rahmenbedingungen für die Entscheidungen anderer Unternehmen oder anderer Akteure mit. Das Vertriebsnetz eines Unternehmens beeinflusst die räumliche Struktur des Absatzmarktes und die Lagerhaltungspolitik die räumliche Ausdehnung des Beschaffungsmarktes. Die Lohnpolitik wirkt auf das regionale Einkommen zurück und bestimmt auch den Umkreis, in dem Arbeitskräfte für das Unternehmen mobilisiert werden können. Das regionale Einkommen wiederum beeinflusst die Nachfrage nach anderen Produkten, die entweder aus der selben Region oder aus einer anderen Region stammen. 3.2.1.2 Private Haushalte Ähnlich wie Unternehmen treffen auch private Haushalte Standortentscheidungen. Verlagert ein Haushalt seinen Wohnort, spricht man von Migration. Private Haushalte sind üblicherweise in ein komplexes Netz räumlicher Beziehungen eingebunden. Sie haben einen bestimmten Arbeitsplatz, erwerben verschiedene Produkte in verschiedenen Geschäften oder besuchen Kultur- und Unterhaltungsveranstaltungen. Eine der wichtigsten Beziehungen eines Menschen ist jene zur Arbeit. Da die Erwerbstätigen nur in den seltensten Fällen direkt am Standort ihrer Wohnung auch arbeiten, sind sie üblicherweise gezwungen, die Diskrepanz zwischen Wohnstandort und Arbeitsstandort zu überbrücken – Pendlerbewegung sind die Folge. Sie ergibt sich direkt aus dem Spannungsverhältnis der Standortentscheidungen von privaten Haushalten (Wohnort) und Unternehmen (Arbeitsort). Durch das Pendeln von Menschen können (größere) Unternehmen jene Zahl an Arbeitskräften an einem Standort versammeln, die sie für die Produktion benötigen. 3.2.1.3 Die öffentliche Hand Die öffentliche Hand trifft auf mehrfache Weise raumwirksame Entscheidungen. Sie bestimmt einerseits die Qualität verschiedener Standorte wesentlich mit und trifft andererseits selbst 44 Standortfaktoren der Unternehmen

<strong>3.2</strong> <strong>STANDORTFAKTOREN</strong><br />

<strong>3.2</strong>.1 Standortentscheidungen<br />

Die beobachtbare räumliche Struktur eines Wirtschaftsraumes ist das Ergebnis der Entscheidungen<br />

vieler Akteure. Drei wichtige Gruppen können dabei unterschieden werden: Unternehmen, private<br />

Haushalte und die öffentliche Hand (Staat)<br />

<strong>3.2</strong>.1.1 Unternehmen<br />

Unternehmen (èGlossar) treffen eindeutig raumwirksame Entscheidungen – Standortentscheidungen.<br />

Dabei legen die Unternehmen fest, wo im Raum sie Produktions-, Handels-, Forschungs- oder<br />

Verwaltungsaktivitäten durchführen. Dies kann entweder an einem Standort durchgeführt oder auf<br />

mehrere verteilt werden. Im ersten Fall spricht man von Einbetriebsunternehmen, im zweiten von<br />

Mehrbetriebsunternehmen. Mehrbetriebsunternehmen können sich an verschiedenen<br />

Betriebsstandorten verschiedene Unternehmensfunktionen – Produktion, Forschung, Verwaltung,<br />

Vertrieb, usw. - ansiedeln, oder auch jeden einzelnen Betrieb mit allen Funktionen ausstatten. Das<br />

Zusammenwirken der einzelnen Betriebe (èGlossar) zur Realisierung des Unternehmensziels muss durch<br />

Liefer-, Informations- und Kontrollbeziehungen zwischen den Betrieben bewerkstelligt werden<br />

(Maier/Tödtling, 1992).<br />

Doch nicht nur Standortentscheidungen sind raumwirksame Entscheidungen von Unternehmen. Mit<br />

vielen anderen Entscheidungen strukturieren die Unternehmen den Raum und gestalten so die<br />

Rahmenbedingungen für die Entscheidungen anderer Unternehmen oder anderer Akteure mit. Das<br />

Vertriebsnetz eines Unternehmens beeinflusst die räumliche Struktur des Absatzmarktes und die<br />

Lagerhaltungspolitik die räumliche Ausdehnung des Beschaffungsmarktes. Die Lohnpolitik wirkt auf<br />

das regionale Einkommen zurück und bestimmt auch den Umkreis, in dem Arbeitskräfte für das<br />

Unternehmen mobilisiert werden können. Das regionale Einkommen wiederum beeinflusst die<br />

Nachfrage nach anderen Produkten, die entweder aus der selben Region oder aus einer anderen<br />

Region stammen.<br />

<strong>3.2</strong>.1.2 Private Haushalte<br />

Ähnlich wie Unternehmen treffen auch private Haushalte Standortentscheidungen. Verlagert ein<br />

Haushalt seinen Wohnort, spricht man von Migration. Private Haushalte sind üblicherweise in ein<br />

komplexes Netz räumlicher Beziehungen eingebunden. Sie haben einen bestimmten Arbeitsplatz,<br />

erwerben verschiedene Produkte in verschiedenen Geschäften oder besuchen Kultur- und<br />

Unterhaltungsveranstaltungen.<br />

Eine der wichtigsten Beziehungen eines Menschen ist jene zur Arbeit. Da die Erwerbstätigen nur in<br />

den seltensten Fällen direkt am Standort ihrer Wohnung auch arbeiten, sind sie üblicherweise<br />

gezwungen, die Diskrepanz zwischen Wohnstandort und Arbeitsstandort zu überbrücken –<br />

Pendlerbewegung sind die Folge. Sie ergibt sich direkt aus dem Spannungsverhältnis der<br />

Standortentscheidungen von privaten Haushalten (Wohnort) und Unternehmen (Arbeitsort). Durch<br />

das Pendeln von Menschen können (größere) Unternehmen jene Zahl an Arbeitskräften an einem<br />

Standort versammeln, die sie für die Produktion benötigen.<br />

<strong>3.2</strong>.1.3 Die öffentliche Hand<br />

Die öffentliche Hand trifft auf mehrfache Weise raumwirksame Entscheidungen. Sie bestimmt<br />

einerseits die Qualität verschiedener Standorte wesentlich mit und trifft andererseits selbst<br />

44<br />

Standortfaktoren der Unternehmen


Standortentscheidungen bei der Ansiedlung öffentlicher Einrichtungen. Der Staat strukturiert somit<br />

die politischen und sozialen Rahmenbedingungen für das Zusammenleben von Menschen und deren<br />

wirtschaftlichen Tätigkeiten. Er erhebt Steuern und Abgaben, die lokal und regional beträchtlich<br />

differieren können, erlässt eine Rechtsordnung, unterhält Einrichtungen zur Durchsetzung dieser<br />

Rechtsordnung und stellt eine Reihe von öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung.<br />

Eine der wichtigsten Aufgaben der öffentlichen Hand ist die Bereitstellung verschiedener<br />

Infrastruktureinrichtungen. Von diesen kann eine beträchtliche raumdifferenzierende Wirkung<br />

ausgehen. Die Ausgestaltung des Straßen-, Eisenbahn- und Kommunikationsnetzes bewirkt, dass<br />

manche Standorte für bestimmte Funktionen besser geeignet sind als andere. Art und Qualität von<br />

Schulen und Universitäten bestimmen das Bildungsniveau von Arbeitskräften, die wiederum als<br />

Standortvorteile bzw. -nachteile wirken können.<br />

Dabei ist zu beachten, dass der Staat weder ein homogener Akteur ist, noch außerhalb der<br />

wirtschaftlichen Tätigkeit steht. Die verschiedenen Ebenen der Verwaltung, seien sie nun territorialer<br />

(Gemeinde, Land, Bund) oder funktionaler Art (verschiedene Ministerien, Abteilungen, Sektionen),<br />

verfolgen oft unterschiedliche Ziele und konkurrieren miteinander um Ressourcen und Kompetenzen.<br />

Über eigene wirtschaftliche Tätigkeit, Steuereinnahmen, Interessensvertretungen und sonstigen<br />

politischen Druck ist der Staat von seinen eigenen wirtschaftssteuernden Maßnahmen selbst<br />

betroffen und in das Wirtschaftsgefüge eingebunden. Bei der Ansiedelung von öffentlichen<br />

Einrichtungen unterliegt der Staat ähnlichen Restriktionen und Erfordernissen wie die privaten<br />

Haushalte. Der Staat muss daher als einer von mehreren Akteuren betrachtet werden, der<br />

raumwirksame Entscheidungen trifft.<br />

<strong>3.2</strong>.1.4 Überschneidungen<br />

Obwohl diese Klassifikation recht einleuchtend und logisch wirkt, wirft sie bei genauerer Betrachtung<br />

doch einige Probleme auf. Einerseits existieren Überschneidungen zwischen den drei Typen von<br />

Standortentscheidungsträgern, andererseits ist es oft schwierig, die einzelne Entscheidungseinheit zu<br />

identifizieren. Dies ist vor allem dann der Fall wenn der Staat Eigentümer eines Unternehmens ist<br />

oder ein privates Unternehmen gemeinnützige Ziele verfolgt.<br />

Für diese Studie stellt die oben beschriebene Einteilung einen ausreichenden Einstieg in die<br />

unternehmerische Standortwahl dar.<br />

<strong>3.2</strong>.2 Unternehmerische Standortwahl<br />

In der Standortlehre geht es zum einen um die Frage, inwieweit die Lokalisierung des Unternehmens<br />

einen Einfluss auf den Betriebserfolg hat. Zum anderen sind auch Wirkungen des Unternehmens auf<br />

seine Standortumgebung von Interesse.<br />

<strong>3.2</strong>.2.1 Standort und Unternehmenserfolg<br />

Unternehmen sind offene Systeme, die mit ihrer ökonomischen, gesellschaftlichen und natürlichen<br />

Umwelt in vielfältiger Form in Beziehung stehen. Von besonderer Bedeutung sind die Beziehungen zu<br />

Beschaffungs- und Absatzmarkt. Das Unternehmen als produktionsbezogene Einheit bezieht vom<br />

Beschaffungsmarkt die Produktionsfaktoren, Vorprodukte, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und<br />

verschiedene Dienstleistungen, die es zur Erstellung seiner Güter oder Dienste benötigt. Diese<br />

verkauft es am Absatzmarkt je nach Produkt oder Dienstleistung an andere Betriebe, öffentliche oder<br />

private Haushalte (Maier/Tödtling, 1992).<br />

Ein erheblicher Teil der (wirtschaftlichen) Beziehungen eines Unternehmens ist standortabhängig und<br />

beeinflusst damit potenziell die Standortwahl des Unternehmens. Allerdings müssen dafür, dass ein<br />

bestimmter Standortfaktor für ein Unternehmen von Bedeutung ist, zwei Bedingungen erfüllt sein.<br />

45<br />

Standortfaktoren der Unternehmen


Der entsprechende Faktor muss sich in den Kosten oder Erlösen des Unternehmens auswirken, wobei<br />

einerseits auch nichtmonetäre Kosten wie Zeitkosten, Unannehmlichkeit, usw. gemeint sind,<br />

andererseits auch mittel- und langfristige Auswirkungen etwa aufgrund beeinträchtigter<br />

Innovationsfähigkeit. Der Faktor muss in Verfügbarkeit, Qualität oder Preis räumlich differieren.<br />

Nur wenn beide Vorraussetzungen zutreffen, ergeben sich für das Unternehmen an verschiedenen<br />

Standorten unterschiedliche Bedingungen und es sollte diese in der Standortwahl berücksichtigen.<br />

Für die meisten Unternehmen sind die Beziehungen zu Beschaffungs- und Absatzmarkt die<br />

wichtigsten Verbindungen zur Umwelt. In diesen beiden Bereichen sind vor allem die folgenden<br />

Faktoren räumlich unterschiedlich verfügbar:<br />

• Inputs: natürliche Ressourcen, Arbeitskräfte, Lieferanten von Gütern und Diensten und<br />

Informationen.<br />

• Outputs: Marktzugang (in Bezug auf Transportkosten, Marktpotenzial und Informationen<br />

und Kontakte zur Geschäftsanbahnung).<br />

Da sowohl der Marktzugang als auch die Verfügbarkeit und der Preis von Inputs normalerweise nach<br />

Standorten variieren, bilden sie eine wichtige Grundlage für die Standortentscheidung. Ähnliches gilt<br />

auch für Informationen, die vor allem für die Innovationsfähigkeit von Betrieben und damit für ihre<br />

mittelfristige Konkurrenzfähigkeit von Bedeutung sind.<br />

Doch der Erfolg eines Unternehmens hängt nicht nur vom Standort ab. Auch die Entwicklung einer<br />

Stadt oder einer Region wird in hohem Maße von dort angesiedelten Unternehmen beeinflusst.<br />

Jedoch wird auf die Wirkung von Unternehmen auf ihre Umgebung in dieser Studie nicht näher<br />

eingegangen.<br />

Die Standortentscheidung ist also aufgrund der Vielzahl der zu berücksichtigenden Faktoren komplex<br />

und schwierig. Sie stellt somit hohe Anforderungen an die Such-, Analyse- und Planungstechniken<br />

des Unternehmens.<br />

<strong>3.2</strong>.2.2 Grundsätze der Standortanalyse<br />

Neoklassische Ansätze gehen von einem vollkommen informierten, mobilen und rational handelnden<br />

Unternehmen aus, das auf der Suche nach gewinnmaximierenden, allenfalls auch<br />

kostenminimierenden Standorten ist. Dieser Ansatz zeigt wie sich Unternehmen unter bestimmten<br />

Bedingungen verhalten sollten.<br />

Behaviouristische Ansätze berücksichtigen Unterschiede in der Fähigkeit zur rationalen Planung<br />

(Informationssuche und -verarbeitung) sowie in der Ressourcenverfügbarkeit und der Mobilität von<br />

Unternehmen. Es zeigt sich, dass Unternehmen anstatt Optimierungskalkülen zumeist vereinfachte<br />

Erfahrungsregeln (Heuristiken) anwenden.<br />

Für die New Economy lassen sich keine allgemein zutreffenden Aussagen tätigen. Es hängt sehr oft<br />

von der Größe, Branche und dem Informationsstand (über den Markt) des jeweiligen Unternehmens<br />

ab, ob und wie ein möglicher Unternehmensstandort gefunden wird. Hierbei lässt sich eine gewisse<br />

Ähnlichkeit zur Old Economy nicht verleugnen (siehe Kapitel 2.2 Definition New Economy).<br />

<strong>3.2</strong>.2.3 Kleinunternehmen<br />

Nachdem in den 60er und 70er Jahren das Mehrbetriebsunternehmen und seine räumliche<br />

Arbeitsteilung im Vordergrund gestanden sind, haben in den 80er Jahren kleine und mittlere<br />

Unternehmen eine stärkere Bedeutung in der Wirtschaft erlangt. Als ein möglicher Grund der bis<br />

heute andauernden Entwicklung wird meist angeführt, dass beschäftigungslose Arbeitskräfte<br />

mangels sonstiger Alternativen versuchen, Unternehmungen zu gründen und dass durch<br />

Rationalisierung und Aufgabe wenig profitabler Produktionssparten von Großunternehmen auch<br />

wiederum verstärkt, Marktlücken für Kleinunternehmen entstehen.<br />

46<br />

Standortfaktoren der Unternehmen


Großunternehmen (Mehrbetriebsunternehmen) unterscheiden sich von Kleinunternehmen in der<br />

Standortentscheidung hinsichtlich mehrerer Aspekte. Sie haben zum einen aufgrund einer besseren<br />

Ausstattung mit einschlägigen Funktionen und qualifizierten Arbeitskräften eine bessere Fähigkeit der<br />

Informationssuche und -verarbeitung. Zum zweiten sind Standortentscheidungen aufgrund der<br />

Unternehmensgröße und der häufigeren Investitionsentscheidungen auch wesentlich öfter zu treffen.<br />

Schließlich gibt es aufgrund der größeren finanziellen Ressourcen auch eine größere Reichweite der<br />

Informationssuche und einen größeren Aktionsradius (Kapitalmobilität) dieser Unternehmungen.<br />

Für Kleinunternehmen (èGlossar) stellt sich der Zusammenhang zum Standort völlig anders dar als für<br />

Großunternehmen. Während Großunternehmen sich Standorte entsprechend ihrer Zielsetzungen<br />

aktiv suchen, ist bei Kleinunternehmen die Gründung und Entwicklung in hohem Maße als Ergebnis<br />

des standörtlichen Umfeldes (des lokalen „Milieus“) zu betrachten.<br />

Kleinunternehmen bestehen vielfach nur aus einer Betriebsstätte, sind also Ein-Betriebs-<br />

Unternehmen. Sie werden zumeist von ihrem Eigentümer geführt und haben definitionsgemäß<br />

niedrige Umsatz- und Beschäftigungszahlen.<br />

In Kleinunternehmen werden Standortentscheidungen seltener gefällt als in Großunternehmen, oft<br />

überhaupt nur in der Gründungsphase. In der übrigen Zeit stehen in den Kleinunternehmen die<br />

Fragen des täglichen Betriebs im Vordergrund und es bleibt nur selten Zeit für mittel- und langfristige<br />

Planung.<br />

In der Gründerphase ist das Unternehmen mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert<br />

(Finanzierung, Produktentwicklung, Marktaufbau), sodass das Standortproblem trotz der erheblichen<br />

langfristigen Wirkungen zu diesem Zeitpunkt als vergleichsweise gering erscheint. Aufgrund der<br />

geringen funktionalen Ausdifferenzierung in Kleinunternehmen beschränkt sich die<br />

Informationssuche auf das lokale und regionale Umfeld des Wohn- oder bisherigen Arbeitsortes, da<br />

hier die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen (oft informeller Art) am dichtesten sind. Der<br />

Standort wird daher sowohl aufgrund dieser räumlichen „Informationsbasis“ als auch aufgrund<br />

familiärer und sozialer Bindungen häufig in der Nähe des Wohnstandortes des Unternehmens<br />

gewählt.<br />

Trotz des relativ geringen Stellenwertes des Standortes im Entscheidungsprozess besitzt diese<br />

Entscheidung eine hohe Bedeutung für Kleinunternehmen, weil diese von den lokalen und regionalen<br />

Faktoren in besonders hohem Maße abhängig sind. Letzteres betrifft sowohl die Arbeitskräfte und<br />

deren Qualifikation als auch die Dichte von Lieferanten und Diensten sowie den Absatzmarkt. Wie<br />

Analysen in verschiedenen Ländern belegt haben, sind die Bedingungen des regionalen Umfeldes<br />

(des „Milieus“) sowohl für die Generierung als auch die Dynamik von Kleinunternehmen besonders<br />

wichtig.<br />

Als wichtige Einflussfaktoren für die Neugründungstätigkeit von Kleinunternehmen gelten zum einen<br />

Faktoren, die die Entwicklung von Neugründungen günstig beeinflussen. Zur ersten Gruppe zählen<br />

die regionalen Branchen-, Betriebsgrößen- und Qualifikationsstrukturen.<br />

Zur zweiten Gruppe zählen lokale Faktoren, die einen Einfluss auf die Entwicklung des<br />

neugegründeten Unternehmens haben. Hiezu werden der Zugang zu Risikokapital, zu Märkten, die<br />

Verfügbarkeit geeigneter Grundstücke, die lokale Politik, sowie die allgemeine Einstellung zum<br />

Unternehmertum gezählt.<br />

Die Größe und Dynamik des lokalen Marktes ist insbesondere für Dienstleistungsunternehmen von<br />

Bedeutung. Große und dynamische Zentren bieten somit ein günstigeres Umfeld für Neugründungen<br />

als wirtschaftsschwache und stagnierende Regionen. Eine nicht unerhebliche Bedeutung kommt<br />

dabei der Politik in Bezug auf den Erfolg von Neugründungen zu. Dies deshalb, weil die öffentliche<br />

Hand durch entsprechende Programme und Maßnahmen die Möglichkeit hat, einige der genannten<br />

Engpässe zu reduzieren. Dies betrifft etwa die Unterstützung beim Faktor Risikokapital, bei den<br />

Betriebsräumlichkeiten aber auch beim Faktor Information und Beratung.<br />

47<br />

Standortfaktoren der Unternehmen


Viele Städte und Regionen haben aus diesem Grund Maßnahmen ergriffen, um<br />

Unternehmensgründungen zu unterstützen. Diese reichen von der finanziellen Unterstützung, über<br />

die Bereitstellung von Gebäuden über spezielle Ausbildungsprogramme bis hin zu speziellen<br />

Beratungseinrichtungen (siehe Kapitel 4.3 Institutionen in Politik und Wirtschaft). In gebündelter<br />

Form werden solche Maßnahmen oft in Form von Gründerzentren (èGlossar) angeboten (siehe Kapitel<br />

4.5 Strategische Projekte in der Stadt Wien).<br />

Schließlich gilt die Einstellung zum Unternehmertum und die unternehmerische Tradition in einer<br />

Region als wichtiger jedoch schwer zu quantifizierender Milieu-Faktor, der Unternehmensgründungen<br />

fördert. So wird die überdurchschnittliche Dynamik von Kleinunternehmen in einzelnen<br />

europäischen Regionen auf solche soziale und kulturelle Faktoren zurückgeführt.<br />

<strong>3.2</strong>.2.4 Innovative Milieus (èGlossar)<br />

Während ursprünglich der Innovationsprozess aus der Sicht des einzelnen Unternehmens und die<br />

jeweiligen Standortfaktoren in früheren Forschungsarbeiten untersucht wurden, stellt der Milieu-<br />

Ansatz die innovative Region in den Vordergrund. Das innovative Unternehmen wird gleichsam als<br />

das Produkt seiner lokalen Umgebung betrachtet, und letzteres als der eigentliche Innovator<br />

angesehen.<br />

Ausgangspunkt für diesen Ansatz ist die Beobachtung, dass es in den USA aber auch in Europa<br />

Regionen mit einer sehr hohen Dichte von Hochtechnologiebetrieben und innovativen Aktivitäten<br />

gibt.<br />

Bezüglich ihrer Entstehung und Hauptakteure sind im einzelnen große Unterschiede zwischen<br />

innovativen Regionen festzustellen. Zum einen gibt es solche, die im großen und ganzen autonom in<br />

der Nähe bestimmter Universitäten entstanden sind (Silicon Valley (èGlossar) ). Zum anderen gibt es<br />

Technologieparks (èGlossar) , die als solche geplant und von der öffentlichen Hand unterstützt wurden<br />

(Cambridge, Grenoble, Berlin u. Karlsruhe). Sowohl in ihrer Größe und Dynamik als auch in ihrer<br />

Wirkung auf die gesamte Region sind diese Entwicklungen stark unterschiedlich. (siehe Kapitel 3.<strong>3.2</strong><br />

New Economy Cluster in Europa)<br />

Da jede dieser untersuchten Gebiete ihre eigene Geschichte und ihre Besonderheiten aufweist ist es<br />

schwierig eine Generalisierung vorzunehmen. Dennoch lassen sich einige gemeinsame Charakteristika<br />

erkennen:<br />

• Innovation wird als arbeitsteiliger und kollektiver Prozess gesehen in denen eine Vielzahl<br />

von Akteuren eingebunden sind.<br />

• Diese Akteure bilden Netzwerke, in die das einzelne Unternehmen eingebunden ist und die<br />

immer auch eine lokale Verankerung aufweisen.<br />

• Der Milieu-Ansatz ist kein geographischer, sondern ein kultureller. Erst die Kohärenz<br />

zwischen Produktionssystem, Kultur und Hauptakteuren lässt das Milieu entstehen.<br />

• Die Synergie von Faktoren und nicht das Vorhandensein einzelner Faktoren wird für den<br />

Innovationsprozess als wesentlich erachtet.<br />

<strong>3.2</strong>.3 Harte/Weiche Standortfaktoren<br />

Standortfaktoren sind die für die Standortwahl maßgeblichen Einflussgrößen, die sich aus den örtlich<br />

gegebenen Sachverhalten und Bedingungen ergeben.<br />

Insgesamt findet man in der Literatur drei Arten von Standortfaktoren: harte Standortfaktoren,<br />

weiche unternehmensbezogene Faktoren und weiche personenbezogene Faktoren. Diese decken das<br />

gesamte Spektrum möglicher standortrelevanter Bedingungen für unternehmerische Standortentscheidungen<br />

ab.<br />

48<br />

Standortfaktoren der Unternehmen


<strong>3.2</strong>.3.1 Harte Standortfaktoren<br />

Harte Standortfaktoren erfuhren mit der Veränderung der Produktionsbedingungen, den technischen<br />

und gesellschaftlichen Neuerungen zwar einen Wandel ihres Bedeutungsgehaltes, haben aber ihre<br />

zentrale Position als Kriterien bei der unternehmerischen Standortwahl beibehalten. Die wichtigsten<br />

harten Standortfaktoren sind: Flächenverfügbarkeit, Steuern und Abgaben, Subventionen,<br />

Verkehrsanbindung, Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, Absatzmarkt, Nähe zu Zulieferern,<br />

Nähe zu Forschungseinrichtungen, Verwaltungsflexibilität und -schnelligkeit und Unternehmensfreundlichkeit<br />

der kommunalen Verwaltung.<br />

<strong>3.2</strong>.<strong>3.2</strong> Weiche unternehmensbezogene Faktoren<br />

Weiche unternehmensbezogene Faktoren sind von unmittelbarer Wirksamkeit für die<br />

Unternehmenstätigkeit. Dazu gehören beispielsweise das Verhalten der öffentlichen Verwaltung oder<br />

politischer Entscheidungsträger, die Arbeitnehmermentalität oder das Wirtschaftsklima. Auch<br />

„Bilder“, die mit einem Unternehmen oder einer Stadt als Wirtschaftsstandort, bewusst oder<br />

unbewusst, in Beziehung gebracht werden – wie z.B. das Image der Region – gehören zu dieser<br />

Kategorie weicher Standortfaktoren.<br />

<strong>3.2</strong>.3.3 Weiche personenbezogene Faktoren<br />

Zu den weichen personenbezogenen Faktoren gehören die persönlichen Präferenzen der Entscheider<br />

und die Präferenzen der Beschäftigten. Beides sind subjektive Einschätzungen über die Lebens- und<br />

Arbeitsbedingungen am Standort. Die Ansichten von Arbeitnehmern – beispielsweise über<br />

Landschafts- und Stadtqualitäten, über die Wohnsituation, Bildungsmöglichkeiten und das<br />

Kulturangebot – können vermittelt in Standortüberlegungen eingehen, wenn Unternehmer sich in<br />

ihrer Standortentscheidung daran ausrichten. Unternehmerische Entscheider orientieren sich häufig<br />

an ähnlichen Gegebenheiten wie die abhängigen Beschäftigten, nur können ihre subjektiven<br />

Vorlieben direkt für die Standortwahl von Betrieben maßgeblich sein. Freizeit- und Erlebnisqualitäten,<br />

das Bildungs- und Kulturangebot oder regionale Bindungen sind – genauso wie bei den<br />

Arbeitnehmern – unter die Rubrik „persönliche Präferenzen“ einzuordnen.<br />

<strong>3.2</strong>.4 Beziehungen zwischen Standortfaktoren<br />

<strong>3.2</strong>.4.1 Beziehungen zwischen harten und weichen Faktoren<br />

In vielen Branchen gibt es einen erheblichen Mangel an Arbeitskräften mit besonderen<br />

Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt. Dieser harte Faktor (Verfügbarkeit von Arbeitskräften) wird<br />

von Unternehmen als einer der wichtigsten Faktoren genannt. Dabei lässt sich erkennen, dass die<br />

gesuchten Arbeitskräfte in Regionen mit guten weichen Faktoren leichter zu bekommen sind als in<br />

unattraktiven Gegenden. Somit steht der weiche Faktor „Wohn- und Arbeitsortpräferenzen von<br />

Arbeitnehmern“ in direktem Zusammenhang mit dem harten Faktor „Arbeitsmarkt“.<br />

<strong>3.2</strong>.4.2 Zeitliche und räumliche Rückkoppelung<br />

Regionen in denen die harten Standortbedingungen einmal sehr gut waren, haben sich vor allem die<br />

weichen Qualitäten im Laufe der Zeit drastisch verschlechtert (z.B. im Ruhrgebiet). Dort, wo die<br />

weichen Faktoren besonders gut waren haben sie im Laufe der Zeit durch Zuwanderung in die<br />

Ballungsräume an Qualität eingebüsst. Gleichzeitig haben sich viele harte Faktoren<br />

(Flächenverfügbarkeit, Arbeitsmarkt) ebenfalls verschlechtert. Städte oder Räume in denen die<br />

Standortbedingungen gut sind, bieten bessere Entwicklungsvoraussetzungen und ziehen gleichzeitig<br />

solche Unternehmen an, die entsprechende Bedingungen besonders nachfragen. Diese erhöhte<br />

Nachfrage führt wiederum zu einer weiteren Verbesserung dieser Qualitäten durch wirtschaftliche<br />

49<br />

Standortfaktoren der Unternehmen


Prosperität. Dies führt allerdings in der Regel bis zu einer gewissen Grenze, bei der sich das System<br />

durch Überlastungserscheinungen zu regulieren beginnt.<br />

<strong>3.2</strong>.4.3 Bedeutungswandel von Standortfaktoren<br />

Mit der zunehmenden Veränderung der Produktionsbedingungen, der Tertiärisierung, dem<br />

technischen, gesellschaftlichen und politischen Wandel, haben harte Standortfaktoren einen Wandel<br />

ihres Bedeutungsgehaltes erfahren. Am deutlichsten zeigt sich dies am Faktor Verkehrsanbindung.<br />

Ursprünglich war die Lagegunst von Flüssen abhängig, später von Eisenbahnlinien oder Autobahnen.<br />

Heute rücken die immateriellen Verkehrsbeziehungen (Telekommunikation) immer mehr in den<br />

Vordergrund.<br />

Auch bei den weichen Standortfaktoren ist der Bedeutungswandel offensichtlich. Manche Städte, die<br />

früher Hochburgen der Kultur waren, bei denen die Angebote und Einrichtungen mit dem<br />

gesellschaftlichen Wandel aber nicht Schritt hielten, machen heute einen unmodernen Eindruck.<br />

Städte können demgegenüber an Attraktivität gewinnen, wenn sie auch dem Kulturbedürfnis<br />

nachwachsender Generationen gerecht werden. Dieser Bedeutungswandel ist in vielen anderen<br />

Bereichen zu beobachten (Freizeiteinrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten).<br />

<strong>3.2</strong>.4.4 Substitutionsmöglichkeiten<br />

Standortentscheidungen sind in der Regel durch einen Komplex unterschiedlicher Faktoren bestimmt.<br />

In den seltensten Fällen wird jeder der wichtigen Faktoren gleich ausgeprägt sein. Meist ist der<br />

bestehende oder zukünftige Standort ein Kompromiss aus guten und weniger guten<br />

Standortfaktoren. Die Substitution schlechter weicher Faktoren durch gute harte Faktoren gelingt in<br />

der Regel den wirtschaftlichen und kommunalen Akteure sehr gut. Die Möglichkeit schlechte harte<br />

Faktoren durch gute weiche Faktoren bzw. schlechte weiche Faktoren mit anderen weichen Faktoren<br />

zu kompensieren wurde empirisch noch nicht nachgewiesen. Da verschiedene Branchen den<br />

Standortfaktoren unterschiedliche Bedeutung zumessen, gibt es auch keine generelle Substitution<br />

oder Kompensation. Als Folge der spezifischen Defizite und Stärken der Städte und Regionen<br />

ergeben sich jeweils unterschiedliche Affinitäten zu Branchen.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass anscheinend ein direkter Zusammenhang zwischen<br />

dem Phänomen der New Economy und der zunehmenden Bedeutung von weichen Standortfaktoren<br />

besteht. Zwar haben die harten Standortfaktoren noch immer große Bedeutung für Unternehmen<br />

im allgemeinen und jenen der New Economy im speziellen, doch zeigt sich, dass nun beide Kriterien<br />

gleichberechtigt und als nicht voneinander trennbar anzusehen sind. Im Anschluss an dieses Kapitel<br />

wird versucht empirisch darzustellen welche Arten von Standortfaktoren für Unternehmen der New<br />

Economy in Europa bzw. in Wien kennzeichnend sind.<br />

<strong>3.2</strong>.5 Quellen<br />

Lichtenberger, E.: Stadtgeographie. Stuttgart, 1991.<br />

Grabow, B., Henckel, D., Hollbach-Gröming, B.: Weiche Standortfaktoren. Stuttgart, 1995.<br />

Maier, G., Tödtling, F.: Regional- und Stadtökonomik. Wien, 1992.<br />

Fischer, C.F.: Standortanforderungen neugegründeter High-Tech-Unternehmen in Bayern.<br />

München, 1998.<br />

50<br />

Standortfaktoren der Unternehmen

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