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Leitfaden - bei der Spastikerhilfe Berlin eG

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LEITFADEN 3<br />

Inhalt<br />

Allgemeiner Teil<br />

Anmerkungen zum <strong>Leitfaden</strong> 5<br />

Herr N.: Kommunikation mit Menschen mit schweren Behin<strong>der</strong>ungen 5<br />

Das Projekt Unterstütze Kommunikation – Information – Bildung 7<br />

Aufgaben und Ziele des Projektes 7<br />

Das Medium Persönliches Dialogbuch 8<br />

Grundlegende Aspekte<br />

Das mehrdimensionale Phänomen Behin<strong>der</strong>ung / schwer(st)e Behin<strong>der</strong>ung 9<br />

Das Phänomen Kommunikation als Verhalten in einer<br />

zwischenpersönlichen Situation 12<br />

Was verstehen wir unter Verstehen? 19<br />

Nachbemerkungen 19<br />

Spezieller Teil<br />

Vorbemerkung 21<br />

Das Persönliche Dialogbuch - Ar<strong>bei</strong>tsschritte im Überblick 22<br />

Das Persönliche Dialogbuch Schritt für Schritt 23<br />

Die Orientierungs- und Planungsphase 23<br />

Schritt 1 23<br />

Die Idee / Anregung zu einem Persönlichen Dialogbuch 23<br />

Das Einbeziehen <strong>der</strong> Lebensbereiche <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Person 23<br />

Die Regelungen zum Datenschutz 23<br />

Schritt 2 24<br />

Der erste Runde Tisch 24<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tsplanung 24<br />

Die Durchführungsphase<br />

Schritt 1 25<br />

Die Informationssammlung<br />

Schritt 2 50<br />

Die Aufbereitung und Darstellung <strong>der</strong> Informationen aus den<br />

verschiedenen Lebensbereichen<br />

Schritt 3 58<br />

Die Rückvermittlung <strong>der</strong> Ergebnisse aus den jeweiligen Lebensbereichen<br />

an die jeweilig dort Befragten zur Beurteilung und Entscheidung<br />

Schritt 4 58<br />

Die Zusammenführung und Darstellung aller Informationen aus allen<br />

an <strong>der</strong> Erstellung des Persönlichen Dialogbuchs beteiligten Lebensbereichen<br />

in einem vorläufigen Persönlichen Dialogbuch und die anschließende<br />

Rückvermittlung an alle Befragten dort zur Beurteilung und Entscheidung<br />

Schritt 5 58<br />

Der zweite Runde Tisch<br />

Die Abschlussphase 59<br />

Schritt 1 59<br />

Die Erstellung des Persönlichen Dialogbuches<br />

Schritt 2 59<br />

Die Rückvermittlung an alle an <strong>der</strong> Erstellung des Persönlichen Dialogbuchs<br />

beteiligten Lebensbereiche und Befragten dort zur Beurteilung und Freigabe<br />

des Persönlichen Dialogbuches für die Praxis<br />

Impressum 61


LEITFADEN<br />

Allgemeiner Teil<br />

5<br />

Allgemeiner Teil<br />

Herr N.: Kommunikation mit Menschen mit schweren Behin<strong>der</strong>ungen: 1 u. 2<br />

Anmerkung zum <strong>Leitfaden</strong><br />

Der <strong>Leitfaden</strong> soll als Orientierungshilfe und Anregung zur selbständigen Erstellung<br />

eines Mediums in Wort und Bild – dem Persönlichen Dialogbuch – zur Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Kommunikation mit Menschen mit schwer(st)en Behin<strong>der</strong>ungen dienen. Er spiegelt<br />

die Sichtweisen, das Herangehen, die Erfahrungen und Erkenntnisse (aber auch Fragen<br />

und Probleme) aller Beteiligten auf dem Weg von <strong>der</strong> Idee bis zur Erstellung von Persönlichen<br />

Dialogbüchern für zwölf Menschen mit schweren, wenn auch sehr unterschiedlichen<br />

Arten von Behin<strong>der</strong>ungen wi<strong>der</strong>. Das soll mit dem <strong>Leitfaden</strong> vermittelt<br />

werden, und zwar mit dem deutlichen Hinweis, da<strong>bei</strong> nichts ungeprüft und unkritisch<br />

zu übernehmen, son<strong>der</strong>n zu schauen, was verän<strong>der</strong>ungs- und verbesserungswürdig<br />

erscheint.<br />

Herr N. ist ein junger Erwachsener, <strong>der</strong> schwerst-mehrfach behin<strong>der</strong>t ist. Er lebt in einem<br />

Wohnheim für Behin<strong>der</strong>te, besucht regelmäßig seine Familie, hat über Einzelbetreuung<br />

einen erweiterten Umweltbezug in verschiedenen Sozialgruppen und <strong>der</strong>en Aktivitäten.<br />

Eines unter vielen Problemen und Herausfor<strong>der</strong>ungen ist die Kommunikation, weil die<br />

Kommunikationspartner - Herr N. auf <strong>der</strong> einen Seite, Angehörige, Professionelle und<br />

an<strong>der</strong>e auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite – auf unterschiedliche Weisen kommunizieren und dadurch<br />

den jeweils an<strong>der</strong>en schwer o<strong>der</strong> nicht verstehen.<br />

Bevor man aus den verschiedenen Lebensbereiche begann, sich regelmäßig und intensiv<br />

miteinan<strong>der</strong> auszutauschen, hatte man in jedem dieser Bereiche seine Praxis<br />

und damit Sicht und Erfahrung. Dadurch ergaben sich auch voneinan<strong>der</strong> abweichende<br />

Formen und natürlich lebensbereichsbezogen auch unterschiedliche Inhalte <strong>der</strong> Kommunikation<br />

mit Herrn N. und ein auf Grund zuweilen unterschiedlicher Interpretationen<br />

seines Verhaltens ein unterschiedliches Verständnis von <strong>der</strong> Bedeutung seiner Äußerungen.<br />

Damit einher ging zwangsläufig auch ein unterschiedliches Eingehen, ein unterschiedlicher<br />

Umgang mit Herrn N. Und je nachdem, wie man glaubte Herrn N. zu<br />

verstehen, bzw. was er verstehe o<strong>der</strong> nicht verstehe, gestaltete sich natürlich die Kommunikation<br />

mit ihm.<br />

Es sind erfahrungsgemäß oftmals zufällige Umstände o<strong>der</strong> Ereignisse, die dazu führen,<br />

dass eingefahrene Routine und oftmals damit einhergehende Stagnation hinterfragt<br />

und aufgebrochen werden. So war es auch im Fall von Herrn N. Eine Betreuerin berichtete<br />

von einer Situation, aus <strong>der</strong> sie den Schluss zog, dass Herr N. möglicherweise mehr an<br />

lautsprachlichen Äußerungen verstehe, als allgemein hin angenommen wurde. Als<br />

Kriterium galt ihr das von Herrn N. auf ihre Ansprache hin gezeigte Verhalten, welches<br />

ganz im Sinn <strong>der</strong> an ihn gerichteten Worte war. Das war Anlass für alle mit Herrn N.<br />

befassten Personen im institutionellen und privaten Bereich, sich über eine Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Kommunikation mit Herrn N. Gedanken zu machen:<br />

Es wurden Informationen aus den unterschiedlichen Bereichen und dort von den<br />

Personen, die Umgang mit Herrn N. pflegen, zusammengeführt und zur Verbesserung<br />

1 Zusammenfassung nach den Schil<strong>der</strong>ungen von <strong>der</strong> Mutter von Herrn N.<br />

2 Zum Behin<strong>der</strong>ungsbegriff dazu im <strong>Leitfaden</strong>: Das mehrdimensionale Phänomen Behin<strong>der</strong>ung /schwer(st)e Behin<strong>der</strong>ung


6<br />

<strong>der</strong> Kommunikation mit Herrn N. in einem sogenannten ICH-Buch nie<strong>der</strong>gelegt. In<br />

diesem Buch sind Informationen über Alltagsabläufe und Routinehandlungen z. B.<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Versorgung, <strong>der</strong> Pflege, dem Handling, über Verhaltensweisen von Herrn N.<br />

und <strong>der</strong>en Bedeutung und die dazu möglichen Verhaltensalternativen für die mit<br />

ihm im Kontakt befindlichen Personen aufgelistet.<br />

Das sollte die Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten mit Herrn N. verbessern<br />

helfen: helfen, ihn besser zu verstehen und besser sich ihm verständlich zu machen:<br />

~ Durch den intensiven Informationsaustausch <strong>der</strong> vormals mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

getrennt voneinan<strong>der</strong> agierenden Bereiche konnte ein gemeinsames Verständnis<br />

darüber erreicht werden, was Herrn Ns. Verhaltensweisen bedeuten könn(t)en, was<br />

sie kommunizieren und wie besser miteinan<strong>der</strong> kommuniziert werden könne.<br />

~ Dieses gemeinsame und für alle über das Medium ICH-Buch zugängliche Wissen<br />

hat strukturell (wie) und inhaltlich (was) die Kommunikation zwischen Herrn N. und<br />

seinen Begleitpersonen verbessert: Das Verhalten <strong>der</strong> Beteiligten zueinan<strong>der</strong> (Herr<br />

N. – Begleitpersonen) erscheint sicherer, eindeutiger und im Effekt erfolgreicher.<br />

Daher darf wohl, solcher Erfahrungen eingedenk, mit Winfried MALL gesagt werden,<br />

dass das Problem von Herrn N. nicht darin bestand und besteht, dass er, <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>te<br />

Partner, „nicht kommunizieren könnte“ 4 son<strong>der</strong>n darin, dass wir oftmals „keinen Sinn<br />

für seine Weise, sich zu äußern“ 5 hätten, und daher nicht wüssten wie „adäquat darauf<br />

zu antworten“ 6 wäre.<br />

An<strong>der</strong>s gesagt: Wir erkennen oftmals (begreifen, verstehen, erfassen) die „Weise“<br />

(das Wie), in <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>te Partner äußert, nicht als Kommunikation (an)<br />

und können demgemäß diese Äußerungen nicht ihrer möglichen Bedeutung (das Was)<br />

nach erkennen (begreifen, verstehen, erfassen).<br />

Dazu zwei Beispiele zum Ausdruck von Langeweile<br />

„ ... Wenn ich mich langweile, klopfe ich mir mit einer Hand auf den Oberschenkel.<br />

Wird mein Langeweile weiterhin ignoriert, stampfe ich mit meinem Fuß dazu.“ 7<br />

Situation:<br />

Herr B. liegt in seinem Bett o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Couch bzw. sitzt im Sessel o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Couch.<br />

Verhalten:<br />

- Herr Berg wechselt beständig von einer liegenden in eine aufrechte Stellung<br />

hin und zurück.<br />

- Im Sitzen streckt er abwechselnd die Beine von sich und zieht sie wie<strong>der</strong> heran.<br />

Da<strong>bei</strong> schaukelt er mit dem Rumpf vor und zurück. Seine Mimik wirkt grimmassierend.<br />

Gelegentlich kratzt er an für ihn erreichbaren Objekten wie Wand, Kissen, Seitenbrett<br />

<strong>der</strong> Couch, o<strong>der</strong> reibt die Hände ineinan<strong>der</strong>. 8<br />

3 Ein solches Medium kann „ ... eine hervorragende Basis zur Verbesserung von gegenseitigem Verständnis<br />

und zur Erhöhung von Lebensqualität” sein. (BRAUN, Ursula u. VOLLBRACHT, Timo: Ein Ich-Buch für Paule.<br />

In: Unterstützte Kommunikation 02/09 S.37.)<br />

4 MALL, Winfried: Muss man Kommunikation erst lernen? Kommunikation ohne Voraussetzungen.<br />

Unter: www. winfried-mall.de/pdf/kommunikation_lernen.pdf S. 1 und 2<br />

5 ebenda<br />

6 ebenda<br />

7 BRAUN, Ursula u. VOLLBRACHT, Timo: Ein Ich-Buch für Paule. In: Unterstützte Kommunikation 02/09 S.35<br />

8 Persönliches Dialogbuch Herr Berg S.37


LEITFADEN<br />

Allgemeiner Teil<br />

7<br />

Das Projekt Unterstützte Kommunikation – Information – Bildung<br />

Aufgaben und Ziele des Projektes<br />

Mit dem Projekt war für Betreuungspersonen aus einer Einrichtung <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe<br />

im Leistungstyp För<strong>der</strong>bereich / Einrichtungsart Tagesför<strong>der</strong>stätte für Menschen<br />

mit Körper- und Mehrfachbehin<strong>der</strong>ungen die Möglichkeit gegeben, sich über einen<br />

bestimmten Zeitraum intensiv mit Fragen zur Kommunikation von und mit Menschen<br />

mit schwer(st)en Behin<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong>en verschiedenen Lebensbereichen wie Elternhaus,<br />

Wohneinrichtung, Tageseinrichtung befassen zu können.<br />

Die Personen, um die es im Projekt geht, sind alle erwachsen und gelten auf Grund ihres<br />

hohen und bleibenden Grades an personellem Unterstützungsbedarf in allen Lebensbereichen<br />

und <strong>bei</strong> allen Aktivitäten als schwer(st) behin<strong>der</strong>t. Sie haben schon von <strong>der</strong><br />

Frühför<strong>der</strong>ung an ihre Lebens- und Lernerfahrungen im geson<strong>der</strong>ten und beson<strong>der</strong>en<br />

Rahmen von Son<strong>der</strong>kin<strong>der</strong>tagesstätte und dann Son<strong>der</strong>schule gemacht, an die sich für<br />

diejenigen, die als „nicht werkstattfähig“ gelten, Einrichtungen wie <strong>der</strong> För<strong>der</strong>bereich<br />

unter dem Dach einer WfbM 9 bzw. Tagesför<strong>der</strong>stätten, Beschäftigungstagesstätten<br />

etc. anschließen. Sie wohnen zumeist schon seit vielen Jahren in Wohneinrichtungen,<br />

in wenigen Fällen noch im Elternhaus und besuchen in ihrer Freizeit zu Unternehmungen<br />

vielleicht Clubs für Behin<strong>der</strong>te. Ihre Lebens- und Lerngeschichte, ihre früheren und<br />

gegenwärtigen Entwicklungsmöglichkeiten und Betätigungen sind davon geprägt. 10<br />

Sie haben unter den erschwerten Entwicklungsbedingungen auf <strong>der</strong> ihnen möglichen<br />

und ihnen ermöglichten Art und Weise (d. h. ihres Behin<strong>der</strong>tseins und Behin<strong>der</strong>twerdens)<br />

gelernt, sich zu verhalten, zu kommunizieren: Auch wenn ihre Verhaltensweisen und<br />

Ausdrucksformen vielleicht manchmal fremd und unverständlich erscheinen mögen,<br />

sind das unter den je gegebenen subjektiven und objektiven Bedingungen ihre individuellen<br />

Möglichkeiten und ihre Kompetenzen, den lebensnotwendigen und in einer<br />

Weise für sie funktionalen Austausch mit ihrer materiellen und vor allem sozialen<br />

Umwelt zu vollziehen.<br />

9WfbM: Werkstatt für behin<strong>der</strong>te Menschen<br />

10 Die Biographie dieser Menschen ist in starkem Maße vom jeweilig herrschenden Verständnis von Behin<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong><br />

daraus resultierenden Praxis geprägt: Ausson<strong>der</strong>ung und Beson<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lebensverhältnisse von Behin<strong>der</strong>ten o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong>en Normalisierung – Integration, Inklusion – eine Defizit- o<strong>der</strong> Kompetenzorientierung, Behin<strong>der</strong>ung als Gegenstand<br />

<strong>der</strong> Medizin o<strong>der</strong> / und Son<strong>der</strong>pädagogik o<strong>der</strong> als bio-psycho-soziales und damit interdisziplinäres Phänomen, weil <strong>der</strong><br />

Mensch nur in dieser bio-psycho-sozialen Einheit existiert und gedacht werden kann: Das alles macht einen fundamentalen<br />

Unterschied aus mit weit reichenden Konsequenzen für das Leben <strong>der</strong> Betroffenen.<br />

Die verschiedenen Lebensbereiche, die von ihrer Art her unterschiedlichen Personen,<br />

die jeweiligen Strukturen, Abläufe, Angebote stellen unterschiedliche Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an die behin<strong>der</strong>ten Menschen, auf die hin diese sich einstellen und verhalten müssen.<br />

Sie können das, was sie erleben, was sie wollen, nicht wollen, was sie freut, ärgert o<strong>der</strong><br />

ängstigt usw. nicht auf herkömmliche Weise kommunizieren. Die behin<strong>der</strong>ten Menschen<br />

sind darauf angewiesen, dass ihre Umwelt sich bemüht, zu verstehen, was ihr Verhalten<br />

zum Ausdruck bringen könnte. Das setzt voraus, dass ihr Verhalten differenziert wahrgenommen<br />

und ebenso differenziert gedeutet werden will.<br />

Die Erfahrungen lehren, dass eine solche Person von ihrer Umwelt sowohl übereinstimmend<br />

als auch unterschiedlich wahrgenommen und verstanden werden kann. Oft ist<br />

in Abhängigkeit des Grads <strong>der</strong> Vertrautheit (z. B. Dauer <strong>der</strong> Bekanntheit, Bindung zwischen<br />

Eltern und ihren Kin<strong>der</strong>n) ein unterschiedlicher Grad an Differenziertheit <strong>der</strong><br />

Wahrnehmung und <strong>der</strong> Interpretationen des Verhaltens zu verzeichnen.<br />

Oftmals steht <strong>bei</strong>m Informationsaustausch zwischen den Lebensbereichen ein „fallweises<br />

Problemgeschehen“ im Vor<strong>der</strong>grund, d. h. ein Austausch findet in <strong>der</strong> Regel dann statt,<br />

wenn <strong>der</strong> Bedarf dafür <strong>bei</strong> Angehörigen und / o<strong>der</strong> Professionellen entsteht. Da<strong>bei</strong> wird<br />

das Verhalten <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Person vorwiegend nur unter dem Aspekt von sozialer<br />

Auffälligkeit o<strong>der</strong> Problematik nicht aber unter kommunikativen Aspekten betrachtet,<br />

wenn es bestimmte Vorstellungen davon gibt, was Kommunikation sei und das gezeigte<br />

Verhalten daher nicht als individuelle Form von Kommunikation verstanden wird.<br />

Insofern erscheint es sinnvoll, das Verhalten einer Person einmal unter dem Gesichtspunkt<br />

von Kommunikation zu thematisieren und dazu das gewachsene Wissen, die Erfahrungen<br />

und Ideen aus den verschiedenen Lebensbereichen und <strong>der</strong> verschiedenen Personen<br />

dort untereinan<strong>der</strong> auszutauschen und für die Beteiligten nutzbar zu machen, um eine<br />

möglichst umfassende Kenntnis über das Kommunizieren von und mit <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten<br />

Person gewinnen zu können. Dazu ist zum einen erfor<strong>der</strong>lich:<br />

~ Informationen über die Kommunikation mit dieser Personen aus den verschiedenen<br />

Lebensbereichen, an denen sie teilhaben, und dort wie<strong>der</strong>um von verschiedenen<br />

Personen (Angehörige, Bekannte, Betreuungspersonen, Therapeuten usw.) einzuholen<br />

unter <strong>der</strong> Fragestellung:


8<br />

In welchen Situationen werden welche Verhaltensweisen beobachtet, wie werden diese<br />

interpretiert / welche Bedeutung wird ihnen <strong>bei</strong>gemessen (was kommunizieren sie<br />

uns) und wie wird darauf reagiert ?<br />

~ diese Informationen allen Beteiligten zu vermitteln unter <strong>der</strong> Fragestellung:<br />

Welche Übereinstimmungen / Nichtübereinstimmungen gibt es und welche<br />

ergänzenden Erkenntnisse / Erfahrungen können aus welchen Lebensbereichen<br />

eingebracht werden ?<br />

~ sich durch intensiven Erfahrungs- und Wissensaustausch zur Beantwortung <strong>der</strong><br />

o.g. Fragestellungen gegenseitig zu bilden, um die Kommunikation zwischen <strong>der</strong><br />

behin<strong>der</strong>ten Person und denen, die mit ihr in den verschiedenen Lebensbereichen<br />

den Alltag teilen, verbessern zu helfen.<br />

~ für die behin<strong>der</strong>te Person ein Medium in Wort und Bild herzustellen, um das Wissen<br />

und die Erfahrungen aus den unterschiedlichen Lebensbereichen zur Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Kommunikation mit dem behin<strong>der</strong>ten Partner einan<strong>der</strong> und an an<strong>der</strong>e vermitteln<br />

und nutzen zu können.<br />

Mit einem solchen Medium soll unter an<strong>der</strong>em auch verhin<strong>der</strong>t werden, dass dieses<br />

Wissen immer wie<strong>der</strong> verloren gehen kann (z. B. durch Personalwechsel o<strong>der</strong> Wechsel<br />

des behin<strong>der</strong>ten Menschen in eine an<strong>der</strong>e Einrichtung).<br />

Das Medium Persönliches Dialogbuch<br />

Ideen leitend für die Erstellung eines Mediums, das ein Kommunikationspartner zur<br />

Unterstützung in <strong>der</strong> Kommunikation mit <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Person nutzen kann, ist das<br />

Ich-Buch:<br />

„Ich-Bücher werden ... erstellt, um die zentralen Informationen über den Besitzer dieses<br />

Buches an neue und unvertraute Partner weiterzugeben und beschreiben z. B. seine<br />

Kommunikationsformen und –hilfsmittel, Vorlieben und Abneigungen, täglichen Routinen<br />

und nennen die wichtigsten Bezugspersonen und Daten. Ein Ich- Buch wird<br />

idealer weise zum selbständigen Erzählen verwendet, wenn ein unterstützt kommunizieren<strong>der</strong><br />

Mensch einen neuen Partner kennen lernt.“ 11<br />

Analog zur obigen Aussage könnte man sagen:<br />

Persönliche Dialogbücher werden erstellt, um Informationen über den Besitzer dieses<br />

Buches weiterzugeben und beschreiben diejenigen seiner Verhaltensweisen, die für<br />

Personen, die den Besitzer des Dialogbuches kennen, einen bestimmten Sinn haben<br />

und die wissen, wie sie adäquat darauf reagieren können. Ein Dialogbuch wird idealer<br />

weise zum Verstehen <strong>der</strong> Bedeutungen <strong>der</strong> darin beschriebenen Verhaltensweisen<br />

einer Person verwendet und zur Beschreibung von Möglichkeiten <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Person,<br />

sich selbst daraufhin verhalten zu können. Es soll Hilfe zum gegenseitigen Verständnis,<br />

zum Dialog 12 sein.<br />

Die Art und Weise, wie die behin<strong>der</strong>te Person sich verhält, ist ihre Kommunikation und<br />

<strong>der</strong> unseren gegenüber gleichberechtigt: Es ist ihre Sprache 13 , die es in unsere zu<br />

übersetzen gilt.<br />

Wir können die Person, um die es geht, zumal die Person auf keinerlei Art und Weise<br />

Selbstauskünfte zu geben vermag, nur aus unserer (Außen-) Perspektive erleben. Wir<br />

können und wollen daher keine Aussagen aus einer vermeintlichen Innenperspektive<br />

<strong>der</strong> Person (scheinbare Ich-Aussagen) machen.<br />

11 BRAUN, Ursula u. VOLLBRACHT, Timo: Ein Ich-Buch für Paule. In: Unterstützte Kommunikation 02/09 S.33<br />

12 Über den Dialog siehe Nachbemerkung<br />

13 Mit Sprache ist hier nicht das System menschliche Sprache gemeint, son<strong>der</strong>n alle äußeren und unmittelbar mit den<br />

Sinnen wahrnehmbare Verhaltensweisen, die eine Kommunikationsfunktion erfüllen können.


LEITFADEN<br />

Allgemeiner Teil<br />

9<br />

Wir können beschreiben, was wir von <strong>der</strong> Person wahrnehmen, was wir davon verstehen<br />

bzw. zu verstehen glauben, und wir können beschreiben, wie wir uns ihr (daraufhin)<br />

gegenüber verhalten.<br />

Niemand kann allerdings davon ausgehen, eine an<strong>der</strong>e Person vollständig beschreiben,<br />

verstehen und dies zu Papier bringen zu können. Alle Informationen im Persönlichen<br />

Dialogbuch können in diesem Sinne lediglich eine intersubjektive Annäherung und<br />

nicht als objektive Wahrheit verstanden werden. Die Darstellung im Persönlichen Dialogbuch<br />

entspricht zudem immer einer „Momentaufnahme“, <strong>bei</strong> <strong>der</strong> ein „Vorher“ und<br />

ein „Nachher“ nicht, bzw. nur begrenzt darstellbar ist.<br />

Das Dialogbuch bietet Orientierungshilfen. Es soll Anregung für das Umfeld / die begleitenden<br />

Personen sein, um sich mit dem Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung intensiver auseinan<strong>der</strong>zusetzen<br />

und zu einem grundlegenden, differenzierten und ganzheitlichen<br />

Verständnis <strong>der</strong> Person zu gelangen. Es soll zudem Anhaltspunkte für die weitere eigene<br />

dialogische Auseinan<strong>der</strong>setzung und Anknüpfungspunkte für einen Ausbau <strong>der</strong> Kommunikationsmöglichkeiten<br />

eröffnen.<br />

Persönliche Dialogbücher sind deshalb nicht als abgeschlossen zu betrachten; sie sollen<br />

und müssen offen sein für Neues, für Ergänzungen o<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen. Dazu bedarf<br />

es des fortgesetzten Miteinan<strong>der</strong>s <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Erstellung eines Persönlichen Dialogbuchs<br />

beteiligten Lebensbereiche. Mit dem Persönlichen Dialogbuch wird die Person, um die<br />

es geht, nicht festgeschrieben, nicht auf ihre aktuelle Kommunikation fixiert.<br />

Grundlegende Aspekte<br />

Kommunikation mit Menschen mit schweren Behin<strong>der</strong>ungen ist erfahrungsgemäß nicht<br />

immer problemlos, zuweilen sogar mit einem hohen Risiko nicht gelingen<strong>der</strong> Kommunikation<br />

(Entgleisen des Dialogs) verbunden, und es stellt daher eine große Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

dar, den behin<strong>der</strong>ten Partner zu verstehen und selbst von ihm verstanden zu werden,<br />

insbeson<strong>der</strong>e dann, wenn seine Sprache so gänzlich von <strong>der</strong> unseren verschieden erscheint<br />

und wir die kommunikativen Aspekte seines Verhaltens erkennen und deuten<br />

müssen.<br />

Das mehrdimensionale Phänomen Behin<strong>der</strong>ung / schwer(st)e Behin<strong>der</strong>ung<br />

Wir stützen uns <strong>bei</strong>m Behin<strong>der</strong>ungsbegriff bzw. in <strong>der</strong> Auffassung von dem, was unter<br />

Behin<strong>der</strong>ung zu verstehen sei, auf die Internationale Klassifikation <strong>der</strong> Funktionsfähigkeit,<br />

Behin<strong>der</strong>ung und Gesundheit (ICF) <strong>der</strong> Weltgesundheitsorganisation (WHO):<br />

„Insbeson<strong>der</strong>e ist sich die WHO darüber bewusst, dass ... Begriffe als Stigma o<strong>der</strong> Etikette<br />

wirken können. ... Es bleibt die schwierige Frage, wie man Menschen am besten<br />

bezeichnen kann, welche ein gewisses Maß an funktionalen Einschränkungen o<strong>der</strong> Begrenzungen<br />

erfahren. Die ICF verwendet den Begriff ,Behin<strong>der</strong>ung’, um ein mehrdimensionales<br />

Phänomen zu bezeichnen, das aus <strong>der</strong> Interaktion (Hervorhebung v. Verf. d. <strong>Leitfaden</strong>s)<br />

zwischen Menschen und ihrer materiellen und sozialen Umwelt resultiert.“ 14<br />

Behin<strong>der</strong>ung ist demnach nicht ein diagnostischer Begriff, <strong>der</strong> sich auf an einem Menschen<br />

feststellbare Merkmale o<strong>der</strong> Eigenschaften bezieht, son<strong>der</strong>n ein Begriff, <strong>der</strong> auf<br />

das mögliche Resultat verweist, das aus dem Verhältnis zwischen <strong>der</strong> Person (die im<br />

üblichen Sprachgebrauch als behin<strong>der</strong>t bezeichnet, bzw. <strong>der</strong> eine Behin<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong><br />

schwere Behin<strong>der</strong>ung etc. zugeschrieben wird) und ihrer Umwelt entstand und entsteht.<br />

(Das Adjektiv schwer und seine Höchstform schwerst beschreibt eigentlich eine schwierige<br />

Interaktion zwischen einer behin<strong>der</strong>ten Person und ihrer materiellen und sozialen<br />

Umwelt und nicht die Person selbst).<br />

14 Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2001: ICF: Internationale Klassifikation <strong>der</strong> Funktionsfähigkeit, Behin<strong>der</strong>ung und<br />

Gesundheit. Dt. Fassung. 2005. Herausgeber: Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information. S. 310 f


10<br />

Und Angehörige wie Professionelle wissen sehr gut, dass diese Umwelt sich für die<br />

Betroffenen, die Behin<strong>der</strong>ten, sowohl för<strong>der</strong>lich als auch hin<strong>der</strong>lich hinsichtlich ihrer<br />

Entwicklungs- Lern- und Betätigungsmöglichkeiten erweisen kann.<br />

Insofern muss genau dieses Verhältnis zwischen Person und ihrer Umwelt immer im<br />

Fokus <strong>der</strong> Betrachtung sein und bleiben. Wir sind es jedoch gewohnt, und es erscheint<br />

so augenfällig, die individuellen„Beeinträchtigungen von Körperfunktionen und -<br />

strukturen“ 15 mit Behin<strong>der</strong>ung gleichzusetzen und diese ausschließlich an <strong>der</strong> Person<br />

festzumachen.<br />

Aus einer Beeinträchtigung einer Körperfunktion und -struktur einer Person können,<br />

müssen jedoch nicht notwendigerweise „Schwierigkeiten (erwachsen; v. Verf. d. <strong>Leitfaden</strong>s),<br />

die ein Mensch haben kann, … Aktivität(en) durchzuführen“ 16 und / o<strong>der</strong> „ein<br />

Problem, das ein Mensch im Hinblick auf sein Einbezogensein in Lebenssituationen<br />

erleben kann.“ 17<br />

Ob und inwieweit die Durchführung von Aktivitäten und das Einbezogensein in Situationen<br />

problematisch ist und damit eine Herausfor<strong>der</strong>ung darstellt, steht sicherlich im<br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> Art und dem Ausmaß individueller Beeinträchtigung einerseits<br />

und <strong>der</strong> Umwelt 18 an<strong>der</strong>erseits, darauf in adäquater Weise reagieren zu können.<br />

Aktivitäts- und Teilhabeproblem sind ihrer Natur nach nicht immer so einfach und<br />

gegebenenfalls dann relativ einfach zu lösen wie in dem von <strong>der</strong> Generaldirektorin <strong>der</strong><br />

WHO Gro BRUNDTLAND gegebenen Beispiel: „Eine Person im Rollstuhl stoße auf<br />

Schwierigkeiten, in ihr Bürogebäude zu gelangen, weil keine Lifte o<strong>der</strong> Rampen eingebaut<br />

wurden. (Die) ICF identifiziere den Schwerpunkt <strong>der</strong> Intervention: Es sei das Gebäude,<br />

und nicht die Person sollte genötigt werden, einen an<strong>der</strong>en Ar<strong>bei</strong>tsplatz zu finden.“ 19<br />

Deutlich jedoch wird in diesem Beispiel <strong>der</strong> Denkansatz: Der Fokus liegt nicht primär<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> von Aktivitäts- und Teilhabeproblemen betroffenen Person, son<strong>der</strong>n ist ressourcenorientiert<br />

auf dessen materielle und soziale Umwelt gerichtet: Das gilt auch für den<br />

Bereich Kommunikation!<br />

Gemäß ICF wird Kommunikation 20 als Aktivität(en) aufgefasst: „Kommunizieren als<br />

Sen<strong>der</strong>“ 21 und „Kommunizieren als Empfänger“ 22 .<br />

Beeinträchtigungen dieser Aktivitäten haben verschiedene Ursachen, Ausprägungen<br />

und Folgen. Menschen, die aus unterschiedlichen Ursachen nicht in herkömmlicher 23<br />

Form kommunizieren können, sind darauf angewiesen, dass an<strong>der</strong>e Formen, in denen<br />

sie sich äußern, zum einen überhaupt als Kommunikation und zum an<strong>der</strong>en als jeweils<br />

höchst individuelle / persönliche Formen von Kommunikation akzeptiert und verstanden<br />

werden. Damit wird auch <strong>der</strong> Teilhabeaspekt berührt. Wenn nicht herkömmliche 24<br />

Formen, in denen eine Person sich äußert, nicht erkannt und verstanden werden als<br />

<strong>der</strong>en Kommunikation, wird die Teilhabe einer solchen Person an Kommunikation, ihr<br />

Einbezogensein und Einbezogenwerden in eine kommunikative Situation beeinträchtigt.<br />

Es ist - wie eingangs mit den Worten von Winfried MALL beschrieben - nicht primär die<br />

behin<strong>der</strong>te Person, die sich zuvör<strong>der</strong>st verän<strong>der</strong>n müsse, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>en Umwelt, die<br />

einen „Sinn“ für den Sinn dessen, was sie am Gegenüber wahrnimmt, entwickeln muss.<br />

Jedes Individuum ist objektiv eingebettet in ein System von sozialen Wechselbeziehungen<br />

hierarchisch geordneter Umwelten. Dem schwer(st)behin<strong>der</strong>ten Menschen erschließt<br />

sich die Welt im Wesentlichen nur über und durch die unmittelbare Person-zu-Person-<br />

Beziehung. Was in dieser Beziehung für den behin<strong>der</strong>ten Menschen an Weltzugang<br />

eröffnet wird, was kommuniziert wird, hängt - sofern die Voraussetzungen übergeordneter<br />

Ebenen das erlauben - also in hohem Maße von <strong>der</strong> den behin<strong>der</strong>ten Menschen<br />

begleitenden Person ab.<br />

15Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2001: ICF: Internationale Klassifikation <strong>der</strong> Funktionsfähigkeit, Behin<strong>der</strong>ung<br />

und Gesundheit. Dt. Fassung. 2005. Herausgeber: Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information.<br />

S. 13: „Körperfunktionen sind physiologische Funktionen von Körpersystemen (einschließlich psychologische Funktionen).<br />

Körperstrukturen sind anatomische Teile des Körpers, wie Organe, Gliedmaßen und ihre Bestandteile.<br />

Eine Schädigung ist eine Beeinträchtigungen einer Körperfunktion o<strong>der</strong> -struktur, wie z.B. eine wesentliche Abweichung<br />

o<strong>der</strong> ein Verlust“<br />

16 ebenda. S. 16: „Eine Aktivität ist die Durchführung einer Aufgabe o<strong>der</strong> einer Handlung (Aktion) durch einen Menschen.“<br />

17 ebenda. S. 16: „Partizipation [Teilhabe] ist das Einbezogensein in eine Lebenssituation.“<br />

18 d.s.u.a. Wertvorstellungen, Einstellungen, verfügbares Wissen, Erfahrung, Ressourcen in gesellschaftlicher wie persönlicher<br />

Hinsicht<br />

19 BRUNDTLAND, Gro Harlem: WHO Conference on Health and Disability (2002). In: KEEL, Bruno: „Die ICF und ihre Bedeutung<br />

für das Gesundheitswesen“ S. 2. Unter: 2004Bruno_KeelArtikel_ICF_klassification<br />

20 Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2001: ICF: Internationale Klassifikation <strong>der</strong> Funktionsfähigkeit, Behin<strong>der</strong>ung und<br />

Gesundheit. Dt. Fassung. 2005. Herausgeber: Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information<br />

S.167: „Dieses Kapitel befasst sich mit allgemeinen und spezifischen Merkmalen <strong>der</strong> Kommunikation mittels Sprache,<br />

Zeichen und Symbolen, einschließlich des Verstehens und Produzierens von Mitteilungen sowie <strong>der</strong> Konversation und<br />

des Gebrauchs von Kommunikationsgeräten und- techniken.“<br />

21 ebenda. S. 167 f<br />

22 ebenda. S. 168 f<br />

23 Mit herkömmlich sind hier ganz pragmatisch all die diejenigen Formen gemeint, die dem Grunde nach voraussetzungslos<br />

ihrer Bedeutung nach verstanden werden (können), für die wir i. d. R. bereits einen „Sinn“ haben.<br />

24 Mit nicht herkömmlich sind hier ganz pragmatisch all diejenigen Formen gemeint, die eben nicht voraussetzungslos<br />

ihrer Bedeutung nach verstanden werden (können), für die wir i. d. R. noch keinen „Sinn“ haben und diesen erst<br />

systematisch entwickeln müssen. (s. dazu Herr N.: Kommunikation mit Menschen mit schweren Behin<strong>der</strong>ungen;<br />

Beispiel Langeweile).


LEITFADEN<br />

Allgemeiner Teil<br />

11<br />

Schaubild 1<br />

Einbettung des Individuums in das System <strong>der</strong> sozialen Wechselbeziehungen in Anlehnung an BRONFENBRENNERS Modell <strong>der</strong> Hierarchie von Umwelten<br />

(Verän<strong>der</strong>ungen / Ergänzungen v. Verf. d. <strong>Leitfaden</strong>s):<br />

MAKROSYSTEM (Gesellschaft)<br />

politische, ökonomische, rechtliche Verhältnisse, kulturspezifisches Wertesystem, vorherrschendes Menschenbild:<br />

wertende Klassifikation von Menschengruppen wie normal, abweichend, behin<strong>der</strong>t<br />

EXOSYSTEM<br />

gesellschaftliche Institutionen wie Behörden, Verbände, Vereine, konfessionelle Institutionen und <strong>der</strong>en Einrichtungen, formelle Gruppen an<strong>der</strong>e Art<br />

MESOSYSTEM<br />

Art und Weise <strong>der</strong> Wechselbeziehungen zwischen den Lebensbereichen, an denen die Person teilhat:<br />

Orte <strong>der</strong> unmittelbaren Lebenslage und -praxis <strong>der</strong> Person<br />

Lebensbereich* Elternhaus<br />

Situationen +<br />

(Eröffnung, Entwicklung, Pflege, Behin<strong>der</strong>ung von<br />

Aktivitäts- und Teilhabemöglichkeiten in Abhängigkeit<br />

vom Entwicklungsstand <strong>der</strong> Umwelten)<br />

Behin<strong>der</strong>te Person<br />

Lebensbereich** Wohnheim<br />

für Behin<strong>der</strong>te<br />

Situationen +<br />

Lebensbereich** Tageseinrichtung<br />

für Behin<strong>der</strong>te<br />

Situationen +<br />

Aktivitäten und Teilhabe<br />

(aktuelle, mögliche und <strong>der</strong>en<br />

Beeinträchtigungen)<br />

Lebensbereich** Freizeitclub<br />

für Behin<strong>der</strong>te<br />

Situationen +<br />

+ soziale (Gruppen, Einzelpersonen) und sachliche Zusammenhänge (Art und Aufgabe des Lebensbereiches, Strukturen, Ausstattung, Angebote- Abläufe usw.)<br />

Legende: = hierarchische Wechselbeziehungen; = gleichberechtigte Wechselbeziehungen;<br />

= Aktivitäten, Teilhabe, Rollen, Beziehungen auf personaler Ebene:Interaktion-Kommunikation in konkreten Situationen (zwischenpersönlichen Situationen).<br />

* Es gibt keine Elternhäuser für Behin<strong>der</strong>te, nur Elternhäuser ! ** Lebenswirklichkeit gesellschaftliche Segregation


12<br />

Das Phänomen Kommunikation als Verhalten in einer zwischenpersönlichen Situation<br />

> Kommunikation und Verhalten<br />

> Verhalten unter dem Aspekt von Entwicklung<br />

> Lernen als Aspekt von Entwicklung in Form von Verän<strong>der</strong>ung<br />

des individuellen Verhaltens<br />

> Kommunikation und Verhalten<br />

„ ,Kommunikation’ ist ein universelles Konzept. Es bezieht sich auf ein breites Spektrum<br />

von Phänomenen, für die gemeinsam ist, dass Informationen innerhalb und zwischen<br />

biologischen Systemen ausgetauscht werden 25 . Von Interesse ist „in welcher Weise<br />

Individuen ... <strong>der</strong> Species Homo sapiens sich verständigen und welches die Gesetzmäßigkeiten<br />

solcher Verständigung sind.“ 26<br />

„In einer sehr weiten Definition sprechen WATZLAWICK, BEAVIN und JACKSON (1971)<br />

je<strong>der</strong> Art von Verhalten ... kommunikative Bedeutung zu. Indem man sich nicht nicht<br />

verhalten könne, könne man auch nicht nicht kommunizieren. ... Die Aussage, nicht<br />

nicht kommunizieren zu können, hieße somit: Ich kann nicht verhin<strong>der</strong>n, dass an<strong>der</strong>e<br />

Personen einen Eindruck von mir gewinnen.“ 27<br />

„Verhalten hat vor allem eine Eigenschaft, die so grundlegend ist, dass sie oft übersehen<br />

wird: Verhalten hat kein Gegenteil, o<strong>der</strong>, um es noch simpler auszudrücken: Man<br />

kann sich nicht nicht verhalten.“ 28<br />

Der Begriff Verhalten ist ein zentraler aber auch sehr allgemeiner Begriff und hat in<br />

unterschiedlichen Bereichen (wie Physik, Chemie, Kybernetik, Soziologie, Biologie,<br />

Psychologie, Pädagogik) und auch umgangssprachlich unterschiedliche Bedeutungen:<br />

Verhalten leben<strong>der</strong> Systeme wird zumeist definiert als Gesamtheit aller in bestimmter<br />

Weise organisierter Aktivitäten von lebenden Organismen (das schließt den Menschen<br />

mit ein) zur Herstellung <strong>der</strong> Verbindung mit dem sie umgebenden Milieu.<br />

25 ELLGRING, Heiner: Kommunikation. S. 196: Unter: opus.bibliothek.uniwuerzburg.de/volltexte/2010/5020<br />

26 ebenda.<br />

27 ebenda. S. 200<br />

28 WATZLAWICK, Paul; BEAVIN H., Janet; JACKSON, Don D.: Menschliche Kommunikation (1980)<br />

S. 51: Menschliche Kommunikation (1980) S. 51<br />

Diese Verbindung des Individuums mit seiner sozialen, sachlichen und natürlichen<br />

Umwelt ist nicht statisch son<strong>der</strong>n ein kontinuierlicher Strom von sehr unterschiedlichen<br />

Ereignissen und Ergebnissen:<br />

Ein heftiges Einatmen o<strong>der</strong> einen Brief schreiben, wird gleichermaßen unter Verhalten<br />

subsumiert. Verhalten kann – wie im Beispiel ausgeführt - von sehr unterschiedlicher<br />

Komplexität (Größe) sein.<br />

Das gilt auch in Bezug auf Kommunikation:<br />

Ein z.B. unbewusstes Hochziehen <strong>der</strong> Augenbrauen o<strong>der</strong> eine bewusste sprachliche<br />

Äußerung ist gleichermaßen Verhalten und in einer zwischenpersönlichen Situation<br />

dann auch immer Kommunikation.<br />

Was sinnvollerweise als Einheit (Lidschlag, Beugen eines Fingers, Sägen eines Brettes<br />

o<strong>der</strong> einen Stuhl herstellen usw.) aus dem (beobachtbaren) Verhaltensstrom herausgeglie<strong>der</strong>t<br />

wird, wird u. a. durch praktische Erwägungen in Bezug auf den verhaltensrelevanten<br />

Kontext bestimmt:<br />

„Im Rahmen einer ... Hospitation in einem Pflegeheim für Menschen im Wachkoma<br />

lerne ich Herrn T. kennen. ... Beim ersten Kontakt bleibe ich an <strong>der</strong> rechten Seite von<br />

Herrn T.´s Bett, ... Ich lege meine Hand auf seine, streiche mit den Handflächen seine<br />

<strong>bei</strong>den Arme von den Schultern bis über die Fingerspitzen hinaus aus, vermittle mit<br />

den Händen eine leichte Vibration in seinen Körper Beides versuche ich, in sein Ausatmen<br />

hinein anzubieten. ... Er atmet in langen Zügen relativ gleichmäßig, zwischendurch<br />

verhält er den Atem o<strong>der</strong> seufzt auf. Auch im Wachkoma äußert sich ein Mensch, zeigt<br />

Verhalten, das sich evtl. än<strong>der</strong>t, und das Resonanz in mir hervorruft: Er hat die Augen<br />

offen o<strong>der</strong> geschlossen, den Blick vielleicht gerichtet o<strong>der</strong> ungerichtet. Die Spannung<br />

seiner Muskeln än<strong>der</strong>t sich, ebenso Körperhaltung und Mimik. Er hat Puls, ... und Körpertemperatur,<br />

er wechselt zwischen Schlaf und Wachsein, ... Und vor allem: Er atmet, und<br />

<strong>der</strong> Rhythmus seines Atems ... teilt mir etwas mit von seiner Art und Weise, in <strong>der</strong> Welt<br />

zu sein.“ 29<br />

29 MALL, Winfried. Das Lächeln des Herrn T. Basale Kommunikation <strong>bei</strong> Menschen im Wachkoma. In: Wachkoma und danach,<br />

Heft 2/2001. Unter: www. winfried-mall.de/pdf/herr_t.pdf S. 1 - 3


LEITFADEN<br />

Allgemeiner Teil<br />

13<br />

Schaubild 2 30<br />

Verhalten als innere und äußere Aktivität des Individuums zum und im lebensnotwendigen Austausch mit <strong>der</strong> Umwelt:<br />

Person (Organismus)<br />

materielle und soziale Umwelt (Umgebendes Milieu)<br />

O R G A N I S A T I O N<br />

individueller Strukturen- und Funktionen<br />

inneres Verhalten<br />

innerpsychische und -<br />

physische Aktivität:<br />

kognitive, emotionale<br />

motivationale und dem<br />

zugrunde liegende biopsychische<br />

// an<strong>der</strong>e<br />

organismische Prozesse zur<br />

Steuerung <strong>der</strong> Lebensaktivität<br />

Wahrnehmungstätigkeit<br />

<strong>der</strong> Person<br />

äußeres<br />

Verhalten<br />

<strong>der</strong> Person<br />

A N P A S S U N G<br />

an Umweltbedingungen<br />

im Rahmen <strong>der</strong><br />

individuellen<br />

Möglichkeiten 31<br />

Auswirkungen<br />

auf<br />

die Person<br />

Einwirkungen<br />

<strong>der</strong> Person<br />

konkrete<br />

Situation / en<br />

30 Nach NOLTING, Hans-Peter /PAULUS, Peter: Psychologie lernen (1990) S. 43 (Verän<strong>der</strong>ungen / Ergänzungen v. Verf. d. <strong>Leitfaden</strong>s)<br />

31 Auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> stammesgeschichtlich vorgegebenen Organisation.


14<br />

„Wenn man also akzeptiert, dass alles Verhalten in einer zwischenpersönlichen<br />

Situation Mitteilungscharakter hat, d. h. Kommunikation ist, so folgt daraus, dass<br />

man, wie immer man es auch versuchen mag, nicht nicht kommunizieren kann.<br />

Handeln o<strong>der</strong> Nichthandeln, Worte o<strong>der</strong> Schweigen haben alle Mitteilungscharakter:<br />

Sie beeinflussen an<strong>der</strong>e, und diese an<strong>der</strong>en können ihrerseits nicht nicht auf diese<br />

Kommunikation reagieren und kommunizieren damit selbst.“ 32<br />

Verhalten an und für sich hat demnach noch keinen „Mitteilungscharakter“, ist noch<br />

nicht „Kommunikation“, weil es auf niemanden wirken, niemanden „beeinflussen“<br />

kann. Nur das zwischen Personen von ihnen jeweils gezeigte und für sie wechselseitig<br />

wahrnehmbare Verhalten hat „Mitteilungscharakter“, ist „Kommunikation“, kann<br />

gegenseitig wirken, „beeinflussen“ d .h. sie stehen im Dialog, womit nicht gleichzeitig<br />

ausgesagt ist, ob und in welchem Maße dies den Beteiligten jeweils bewusst wird<br />

und sie sich daraufhin bewusst zueinan<strong>der</strong> verhalten.<br />

Mit dem Ansatz von WATZLAWICK, BEAVIN und JACKSON wird die Position des Empfängers<br />

eingenommen. „Für diesen ist alles, was er an seinem Gegenüber wahrnimmt,<br />

interpretierbar, unabhängig davon, ob dieser es gewollt o<strong>der</strong> ungewollt ausdrückt.“ 35<br />

Aus dieser Perspektive ist Kommunikation also nicht an ein bestimmtes Verhalten<br />

gebunden, ein Verhalten, das Merkmale wie etwa Intentionalität, Partnerorientierung<br />

und (verbale) symbolische Interaktion aufweist, was im allgemeinen Verständnis mit<br />

dem Begriff Kommunikation assoziiert wird.<br />

WATZLAWICK, BEAVIN und JACKSON heben in ihrem Ansatz nicht auf bestimmte<br />

(äußerlich wahrnehmbare) Verhaltensweisen ab, denen ein Kommunikationswert<br />

zugeschrieben wird: Verhalten allgemein ist einfach identisch mit Lebensaktivität, und<br />

diese ist - sofern äußerlich wahrnehmbar - in einer zwischenpersönlichen Situation<br />

gleichsam auch Kommunikation.<br />

Schaubild 3 33<br />

Person A<br />

Person B<br />

inneres Verhalten<br />

innerpsychische und -physische<br />

Aktivität:<br />

kognitive, emotionale<br />

motivationale und dem zugrunde<br />

liegende bio-psychische // an<strong>der</strong>e<br />

organismische Prozesse zur<br />

Steuerung <strong>der</strong> Lebensaktivtät<br />

wahrnehmen<br />

(empfangen)<br />

sich<br />

verhalten<br />

äußeres Verhalten<br />

Verhalten in einer<br />

zwischenpersönlichen Situation<br />

ist Kommunikation<br />

Man kann nicht nicht<br />

“<br />

kommunizieren.” 34<br />

sich<br />

verhalten<br />

(senden)<br />

wahrnehmen<br />

inneres Verhalten<br />

innerpsychische und -physische<br />

Aktivität:<br />

kognitive, emotionale<br />

motivationale und dem zugrunde<br />

liegende bio-psychische // an<strong>der</strong>e<br />

organismische Prozesse zur<br />

Steuerung <strong>der</strong> Lebensaktivität<br />

(senden)<br />

äußeres Verhalten<br />

(empfangen)<br />

Zwischenpersönliche Situation<br />

32 WATZLAWICK, Paul; BEAVIN H., Janet; JACKSON, Don D.: Menschliche Kommunikation (1980) S. 51<br />

33 Nach NOLTING, Hans-Peter /PAULUS, Peter: Psychologie lernen (1990) S. 60 (Verän<strong>der</strong>ungen / Ergänzungen v. Verf. d. <strong>Leitfaden</strong>s)<br />

34 WATZLAWICK, Paul; BEAVIN H., Janet; JACKSON, Don D.: Menschliche Kommunikation (1980) S. 53 (sog. metakommunikatives Axiom)<br />

35 LINKE, Angelika / NUSSBAUMER, Markus / PORTMANN Paul R.: Studienbuch Linguistik (1991) S.174


LEITFADEN<br />

Allgemeiner Teil<br />

15<br />

Schaubild 4 36 Verhalten Kommunikation Unterstützung <strong>der</strong> Kommunikation<br />

Differenzierungs-Ebenen Kommunikation Unterstützung <strong>der</strong> Kommunikation<br />

1<br />

2<br />

äußeres<br />

intentional<br />

Handeln<br />

partnerorientiert<br />

Verhalten<br />

in einer zwischenpersönlicher Situation<br />

nicht intentional<br />

(z. B. schlafen, niesen)<br />

= intentionales Verhalten<br />

nicht partnerorientiert<br />

(z. B. allein kochen, Garten umgraben)<br />

nicht konventionelle Verhaltensweisen:<br />

Unterstützung in Form von<br />

Informationen über das Verhalten<br />

<strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Person und das<br />

ihrer Umwelt:<br />

- Verhalten <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Person<br />

- Situation<br />

- Interpretation und<br />

- Reaktion / Handeln des Partners<br />

3<br />

4<br />

symbolisch<br />

Kommunikation<br />

Interaktion<br />

= partnerorientiertes Verhalten<br />

nicht symbolisch<br />

(z. B. einan<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Straße ausweichen,<br />

Blickkontakt haben, Blicke tauschen)<br />

= symbolische Interaktion<br />

lautsprachersetzende (nicht symbolische aber konventionelle<br />

bzw.konventionalisierte Kommunikationsformen<br />

für die behin<strong>der</strong>te Person z. B. bestimmte<br />

abrufbare Kopfbewegung o<strong>der</strong> -haltung / Augenbewegung,-stellung<br />

für Bejahung / Verneinung)<br />

verbal<br />

nicht verbal (z. B. den Vogel zeigen, Kopfschütteln)<br />

5<br />

Sprachliche Kommunikation<br />

verbale Kommunikation (z. B. diskutieren)<br />

Schriftsprache<br />

lautsprachergänzende / lautsprachersetzende (symbolische Kommunikationsformen<br />

für die behin<strong>der</strong>te Person z. B. die Bliss-Symbol-Kommunikations Methode)<br />

lautsprachbegleitende nonverbal-vokale Kommunikation (z. B. Lautstärke, Betonung) und<br />

lautsprachbegleitende nonverbal-nonvokale Kommunikation (z. B. das Gesprochene mit Gesten unterstreichen)<br />

36 LINKE, Angelika / NUSSBAUMER, Markus / PORTMANN Paul R.: Studienbuch Linguistik (1991) S. 173 (Verän<strong>der</strong>ungen / Ergänzungen v. Verf. d. <strong>Leitfaden</strong>s: kursiv u. Füllfarben)


16<br />

> Verhalten unter dem Aspekt von Entwicklung<br />

In Anlehnung an das Axiom von P. WATZLAWICK könnte man auch sagen:<br />

Man kann sich nicht nicht entwickeln.<br />

Die Entwicklung von Menschen mit schweren Schädigungen und Beeinträchtigungen<br />

erfolgt wie <strong>bei</strong> jedem Menschen als interaktiver Prozess von Reifen und Lernen in einer<br />

sozial vermittelten Umwelt, allerdings unter erschwerten bzw. gestörten Entwicklungs-<br />

Bedingungen. Resultat dessen können die als Ausdruck scheinbar individueller Behin<strong>der</strong>ung<br />

zutage tretenden höchst individuellen Formen des Verhaltens und mithin auch<br />

<strong>der</strong> Kommunikation sein.<br />

Entwicklung <strong>bei</strong>nhaltet allgemeine alterstypische (biologische) und streng individuelle<br />

(persönliche) Aspekte und bezieht sich auf solche Vorgänge wie Reifung, und Lernen.<br />

Lernen wie<strong>der</strong>um hat mindestens zwei Dimensionen: Entwicklung individueller<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten (Kompetenz-Dimension 37 ) und individuelle Sinn-Bildung<br />

(Sinn-Dimension 38 ). Entwicklung kann nur als ganzheitlicher bio-psycho-sozialer Prozess<br />

gedacht werden. Er vollzieht sich notwendigerweise und ist ebenso Kennzeichen für<br />

Leben wie Verhalten und Kommunikation.<br />

Gibt es - aus welchen Ursachen und auf welcher Ebene (biologische, psychische, soziale)<br />

auch immer - Störungen in diesem Prozess, so wirkt sich das auf die Ebenen selbst und<br />

die Art und Weise ihres Zusammenwirkens aus; kurz: Verhalten - Kommunikation sind<br />

in ihren Erscheinungsformen und Funktionen Ausdruck eines (relativ) ungestörten o<strong>der</strong><br />

eben eines (extrem) gestörten Entwicklungsprozesses, dessen ontogenetisch entwicklungsoffene<br />

Komponente das Lernen ist.<br />

37 Kompetenzen können in soziale und sachliche Kompetenzen eingeteilt werden: Soziale Kompetenzen werden als<br />

spezifische Verhaltensweisen in Bezug auf Interaktionen zwischen Menschen innerhalb eines bestimmten Umfeldes und<br />

/ o<strong>der</strong> innerhalb eines bestimmten Ereigniszusammenhanges verstanden, durch die <strong>der</strong> Grad sozialer Kompetenz angezeigt<br />

wird. Soziale Kompetenz meint die von einer Person erlangte Anpassung an die Regeln sozialer Verkehrsformen innerhalb<br />

eines bestimmten Kulturkreises (hier z. B. innerhalb <strong>der</strong> Gemeinschaft <strong>der</strong> Sozialgruppen von Tages-, Wohneinrichtungen<br />

etc:), <strong>der</strong> die Person angehört. Soziale Kompetenz bezieht sich auf angemessene Verhaltens-Darstellung im sozialen<br />

Raum.<br />

Sachliche Kompetenzen werden als spezifische Verhaltensweisen in Bezug auf kognitive und psychomotorische Leistungen<br />

im Rahmen unterschiedlicher Arten von Aktivitäten verstanden, durch die <strong>der</strong> Grad sachadäquater Aufgabendurchführung<br />

angezeigt wird. Sachliche Kompetenzen umfassen alle kognitiven und psychomotorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten,<br />

die zur Bewältigung des sachlichen Aspektes einer Aktivität erfor<strong>der</strong>liche sind; mit den Merkmalen <strong>der</strong> Planungs-,<br />

Ausführungs- und Kontrollfähigkeit. Diese können <strong>bei</strong> einer (behin<strong>der</strong>ten) Person im Einzelnen in sehr unterschiedlichen<br />

Graden entwickelt bzw. beeinträchtigt sein.<br />

38 Mit individuellem o<strong>der</strong> persönlichem Sinn wird die ganz individuell eigene Bedeutsamkeit (Wichtigkeit, Gewichtung,<br />

Wert) von Sachverhalten, Aktivitäten, Dingen, Beziehungen usw., die sie für eine Person haben, verstanden. Das setzt<br />

keine Intentionalität - Rationalität voraus, dass die Person also darum weiß. Beispielsweise können zu Verletzungen<br />

führende Autostimulationen den persönlichen Sinn einer als befriedigend erlebten Aktivität haben (weil sie funktional<br />

eine systemstabilisierende sensorische Input-Funktion erfüllen) aber objektiv zu körperlichen Schädigungen führen.


LEITFADEN<br />

Allgemeiner Teil<br />

17<br />

> Lernen als Aspekt von Entwicklung in Form von Verän<strong>der</strong>ung<br />

des individuellen Verhaltens<br />

Mit Lernen bezeichnen wir die<br />

„Verän<strong>der</strong>ung individuellen Verhaltens aufgrund wie<strong>der</strong>holter Erfahrungen, die<br />

unbewusst registriert und / o<strong>der</strong> bewusst verar<strong>bei</strong>tet werden (Hervorhbg. v. Verf. d.<br />

<strong>Leitfaden</strong>s) und da<strong>bei</strong> ausgeschlossen ist, dass dieselben Verhaltensän<strong>der</strong>ungen auf<br />

1. angeborene Reaktionstendenzen (Instinkthandlungen)<br />

2. biologische Reifungsprozesse* (Ar<strong>bei</strong>t angeborener funktioneller Systeme und<br />

<strong>der</strong>en Entwicklung, Markscheidenreifung, Entwicklung des ZNS)<br />

In einer zwischenpersönlichen Situation, in <strong>der</strong> sich die Personen ja objektiv zueinan<strong>der</strong><br />

verhalten, mithin kommunizieren, lernen die Beteiligten notwendigerweise auch:<br />

Die an <strong>der</strong> Interaktion-Kommunikation beteiligten Personen beeinflussen einan<strong>der</strong><br />

durch ihre individuellen Verhaltensweisen / Kommunikationsformen.<br />

Wir dürfen davon ausgehen, dass die behin<strong>der</strong>ten Personen, um die es hier geht, eine<br />

lange Lerngeschichte hinter sich haben, in <strong>der</strong> sie gelernt haben, sich auf ihre Umwelt<br />

einzustellen, sich in ihr zu verhalten, mit ihr zu kommunizieren. Für die diese Menschen<br />

begleitenden Personen gilt natürlich ebenfalls, dass sie gelernt haben, sich mit <strong>der</strong><br />

behin<strong>der</strong>ten Person in irgendeiner Weise zu verständigen, sie mehr o<strong>der</strong> weniger zu<br />

verstehen.<br />

und<br />

3. vorübergehen<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen des Organismuszustandes (z. B. Ermüdung,<br />

Erregung, physiologische Gewöhnung, Medikamente, biologische Bedürfnisse,<br />

Erkrankungen u. a.) zurückzuführen sind“ 39<br />

Lernen ist <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung und Verhalten das Resultat.<br />

Lernen ist immer ein einheitlicher Prozess, <strong>der</strong> - wenn auch abhängig vom Lerngegenstand<br />

(Inhalt), <strong>der</strong> Lernsituation (Umstände) und inneren Lernvoraussetzungen<br />

(physiologische, psychologische) - immer kognitive, affektive und psychomotorische<br />

Aspekte umfasst.<br />

* Reifungsprozesse können sich nur im Austausch mit <strong>der</strong> Umwelt vollziehen. Durch ungünstige Umweltbedingungen<br />

können Reifungsprozesse nachhaltig und auch verhaltensrelevant gestört werden z.B. durch sensorische Deprivation.<br />

39 FRÖHLICH, WERNER D. : Wörterbuch zur Psychologie (1997) S. 257 f


18<br />

Entwicklung als Reifen und Lernen (Lernen als reversible Verhaltensän<strong>der</strong>ung; in einer zwischenpersönlichen Situation als reversible Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kommunikation):<br />

Schaubild 5 40<br />

Reifen<br />

künftige Entwicklung <strong>der</strong> Person:<br />

künftiges Reifen,<br />

Lernen und Verhalten<br />

Lernen<br />

PERSON<br />

UMWELT<br />

gegenwärtiger Entwicklungsstand:<br />

bisheriges Reifen / Lernen<br />

inneres Verhalten<br />

innerpsychische und<br />

-physische Aktivität:<br />

kognitive, emotionale motivationale<br />

und dem zugrunde liegende<br />

bio-psychische u. an<strong>der</strong>e<br />

organismische Prozesse zur<br />

Steuerung <strong>der</strong> Lebensaktivtät<br />

interne ORGANISATION<br />

von Strukturen<br />

und Funktionen<br />

Wahrnehmungstätgikeit<br />

(Aktitvität)<br />

äußeres<br />

Verhalten<br />

(Aktitvität)<br />

Einwirkungen<br />

<strong>der</strong> Umwelt<br />

auf die Person<br />

Auswirkungen<br />

des Verhaltens<br />

<strong>der</strong> Person auf<br />

ihre Umwelt<br />

Einbezogensein in<br />

konkrete Situationen<br />

externe ANPASSUNG<br />

an die Umweltbedingungen<br />

Reifen<br />

findet seinen Ausdruck im gegenwärtigen<br />

Verhalten (Kommunikation)<br />

Bisherige Entwicklung <strong>der</strong> Person:<br />

bisheriges Reifen, Lernen und Verhalten<br />

Lernen<br />

Leistung des Organismus<br />

(hier: einer Person)<br />

als Voraussetzung für den<br />

und Resultat aus dem<br />

Austauschprozess mit <strong>der</strong><br />

Umwelt<br />

Zusammenwirken biologischer, psychischer und sozialer Faktoren<br />

40 Nach NOLTING, Hans-Peter / PAULUS, Peter: Psychologie lernen (1990) S. 96 (Verän<strong>der</strong>ungen und Ergänzungen v. Verf. d. <strong>Leitfaden</strong>s)


LEITFADEN<br />

Allgemeiner Teil<br />

19<br />

Was verstehen wir unter Verstehen ?<br />

Verstehen muss unseres Erachtens in einem weit gefassten Sinn aufgefasst werden:<br />

gleichermaßen in rationaler wie emotionaler Weise offen werden für das Gegenüber,<br />

nämlich für „seine Weise sich zu äußern“ (MALL), sich <strong>der</strong> Wirkung und des Eindrucks<br />

dieser Weise auf sich als Wahrnehmenden, bewusst werden und als „Anzeichen“ 41 von<br />

etwas bzw. als „Signal“ 42 für etwas begreifen, würdigen und aufzuklären versuchen<br />

und in diesem Sinn sich einlassen, darauf eingehen, antworten und handeln.<br />

„Was verstehen wir, wenn von ,Verstehen’ die Rede ist ? Entspricht dem einen Wort<br />

auch ein Begriff ? ... Am häufigsten wird das Wort Verstehen im Zusammenhang mit<br />

dem Auffassen von Sprachlichem verwendet: den Sinn einer Äußerung, einer fremde<br />

Sprache ... verstehen. Es wird aber nicht nur Sprache verstanden. Auch Musik und<br />

Bildhaftes, Mimik, Gebärden und Tanz ... können ... Gegenstände des Verstehens sein,<br />

womit deutlich gemacht werden soll, dass die Aktivität des Verstehens keine bloß<br />

sprachlich-kognitive ist, son<strong>der</strong>n in vielfältiger Weise über das rational-intellektuelle<br />

Begreifen hinausweist. .... Aber nicht immer sind es objektivierbare sachliche Gehalte,<br />

welche zum Gegenstand des Verstehens werden. Es gibt auch das Verstehen von<br />

Menschen, ihrer Handlungen, Motive und Gefühle .... Schließlich ist jedes mitmenschlich<br />

gerichtete Verstehen immer auch begleitet von <strong>der</strong> subjektiv erlebten Fähigkeit, sich<br />

in einen Menschen einzufühlen .... .“ 43<br />

Es geht, um es noch einmal mit Winfried MALL zu sagen, für die Person, um die es geht,<br />

einen „Sinn“ für <strong>der</strong>en „Weise, sich zu äußern“ zu entwickeln und zu wissen, wie „adäquat<br />

darauf zu antworten“ sei.<br />

Nachbemerkung<br />

Zum Thema Verhalten – Kommunikation – Dialog in Bezug auf Menschen mit schwer(st)en<br />

Behin<strong>der</strong>ungen bestehen durchaus noch unterschiedliche, ja diametral entgegen gesetzte<br />

Positionen: das Postulat <strong>der</strong> grundsätzlichen Fähigkeit zur Kommunikation steht dem<br />

Postulat <strong>der</strong> möglichen Unfähigkeit zur Kommunikation gegenüber. Jedes dieser Postulate<br />

hat weit reichende Konsequenzen für die Betroffenen.<br />

Eine dritte jedoch nicht unproblematische Position, die man lei<strong>der</strong> oft <strong>bei</strong> Professionellen<br />

in Einrichtungen aber auch <strong>bei</strong> Angehörigen findet, ist die, dass man selbst die behin<strong>der</strong>te<br />

Person doch gut verstehe und daher ein Medium gleich welcher Art, das die Kommunikation<br />

unterstützen könnte, völlig überflüssig erscheine. Man spüre und wisse einfach,<br />

was <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e meine, brauche etc. Das kann sein. Dennoch, wird die betroffene Person<br />

objektiv dadurch in ihren Aktivitäts- und Teilhabe-möglichkeiten beeinträchtigt, behin<strong>der</strong>t,<br />

wenn solche „Wissenden“ glauben, sich im alleinigen Besitz <strong>der</strong> Deutungskompetenz<br />

und Deutungshoheit auf die betroffene Person hin wähnen zu können und zu dürfen.<br />

Unterstützte Kommunikation, Unterstützung <strong>der</strong> Kommunikation hat die Aufgabe, das,<br />

was Kommunikation bewirken soll, zu beför<strong>der</strong>n: „Etymologisch bedeutet ‚kommunizieren’<br />

neben ,mitteilen’ auch ,gemeinschaftliches Tun’. Insofern ist Kommunikation<br />

auch Vermittlung mit dem Gemeinwesen“ 44 (Hervorhebungen v. Verf. d. <strong>Leitfaden</strong>s).<br />

Ich-Bücher o<strong>der</strong> hier Dialogbücher (bzw. an<strong>der</strong>e Unterstützungsmittel gemäß individueller<br />

Entwicklung und damit Bedarfssituation) sollen und können zu eben diesem<br />

Zweck <strong>der</strong> Vermittlung mit dem Gemeinwesen (d. i. Teilhabe und Aktivität als Sen<strong>der</strong><br />

und Empfänger) <strong>bei</strong>tragen helfen.<br />

41 Die Begriffe „Anzeichen“ und „Signal“ (später „Ausdruck“ und „Appell“) gebraucht Karl BÜHLER in Anwendung auf die<br />

Funktion von (sprachlichen) Zeichen. Hier sollen die Begriffe generell auf beobachtbares Verhalten bezogen werden: Ein<br />

Verhalten ist „Symptom (Anzeichen) kraft seiner Abhängigkeit vom Sen<strong>der</strong>, dessen Innerlichkeit (physische und psychische<br />

Befindlichkeit; Anm. v. Verf. d. <strong>Leitfaden</strong>s) es ausdrückt, und es ist „Signal ... an den“ ... Empfänger, „dessen äußeres und<br />

inneres Verhalten es steuert ... .“ (In „ ... “ Gesetztes aus BÜHLER, Karl: Sprachtheorie. S. 28)<br />

42 ebenda<br />

43 REUSSER, Kurt: Verstehen lernen als psychologischer Prozess und als didaktische Aufgabe. Beiträge zur Lehrerbildung<br />

7,1989, 2, S.131 – 147. In: STARY, Joachim / KRETSCHMER, Horst: Umgang mit wissenschaftlicher Literatur (1998) S.112<br />

44 JANTZEN, W.: Allgemeine Behin<strong>der</strong>tenpädagogik, Bd. 2 (1990) S. 212


20<br />

Georg FEUSER hat in seinem 1991 an <strong>der</strong> Universität Innsbruck gehaltenen Vortrag 45<br />

„Wi<strong>der</strong> die Vernunft <strong>der</strong> Euthanasie“ im Rahmen <strong>der</strong> Reihe „Wissenschaft und Verantwortlichkeit“<br />

über den untrennbaren Zusammenhang von Leben - Verhalten -<br />

Kommunikation(-sfähigkeit) - Dialog (-fähigkeit und -notwendigkeit) gesprochen:<br />

„Die Einschränkung <strong>der</strong> ärztlichen Behandlungspflicht wird ... auch dann als gegeben<br />

angesehen, wenn es, ,trotz <strong>der</strong> Behandlung ausgeschlossen ist, dass das Neugeborene<br />

jemals die Fähigkeit zur Kommunikation mit <strong>der</strong> Umwelt erlangt ... ‘ 46 (Hervorhebung<br />

v. Verf. d. <strong>Leitfaden</strong>s)<br />

und 40er Jahren aufgezeigt, dass eine quantitativ wie qualitativ unzureichende Absicherung<br />

des Dialogs zu erheblichen psycho-somatischen und psychischen Entwicklungsstörungen<br />

führt und in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres den sog.<br />

psychischen Hospitalismus bedingt. Diese Ar<strong>bei</strong>ten gaben dem Begriff eine<br />

spezifische Bedeutung von beson<strong>der</strong>er Tragweite.“ 48<br />

Pat MIRENDA formulierte das in sehr pointierter Weise „ ... breathing is the only<br />

prerequisite that is relevant to communication. Breathing equals life, and life equals<br />

communication. It is that simple.“ 49<br />

Schon René SPITZ verweist darauf, dass als Kommunikation ,jede erkennbare, bewusste<br />

o<strong>der</strong> unbewusste, gerichtete o<strong>der</strong> nicht-gerichtete Verhaltensän<strong>der</strong>ung bezeichnet<br />

werden (kann; G.F.), mittels <strong>der</strong>er ein Mensch (o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Menschen) die Wahrnehmung,<br />

Gefühle, Affekte, Gedanken o<strong>der</strong> Handlungen an<strong>der</strong>er absichtlich o<strong>der</strong> unabsichtlich<br />

beeinflusst’. 47 Kommunikation ist also nicht etwas, was ausschließlich das schwer<br />

behin<strong>der</strong>te Kind zu leisten hätte, son<strong>der</strong>n aus Gesichtspunkten <strong>der</strong> Entwicklung von<br />

Kommunikation primär das, wie die soziale Gemeinschaft Verhaltensän<strong>der</strong>ungen eines<br />

ihrer Mitglie<strong>der</strong> interpretiert und danach handelt.<br />

Mit ,Dialog’ bezeichnen wir die Gesamtheit jener Austauschprozesse zwischen Individuen<br />

einer Gattung, die den innerartlichen Verkehr regeln …. . Auf menschlichem Niveau<br />

sind dialogische Grundfunktionen auf biologischer Ebene in Form von angeborenen<br />

Auslösemechanismen (AAM) im Artgedächtnis abgesichert; z. B. Auslösung <strong>der</strong> sog.<br />

Lächelreaktion <strong>bei</strong>m Säugling durch Präsentation <strong>der</strong> Augen-Stirn-Partie im Vis-à-vis-<br />

Kontakt o<strong>der</strong> durch eine Maske, die auf einen Kreis mit zwei markanten Punkten reduziert<br />

sein kann. Das zeigt, dass <strong>der</strong> Mensch nicht erst im Laufe seiner Entwicklung<br />

als sozusagen höhere psychische Funktion sozial wird, son<strong>der</strong>n schon auf <strong>der</strong> Ebene<br />

seiner biologischen Verfasstheit sozial ist. Der Dialog ist von SPITZ selbst als wechselseitig<br />

stimulieren<strong>der</strong> Rückkopplungsprozess innerhalb <strong>der</strong> Dyade von Mutter und Kind beschrieben<br />

worden, in dem die emotionale Komponente eine beson<strong>der</strong>e Rolle spielt. Er<br />

ist subjektiv Sinn stiftend und durch die ihm ... innewohnenden Momente <strong>der</strong> Bindung<br />

wesentliches Moment <strong>der</strong> Angstfreiheit. Wo <strong>der</strong> Dialog ,entgleist’, d. h. Beziehungsund<br />

Bindungsqualität verloren geht, resultiert und dominiert Angst. Im Kontext <strong>der</strong><br />

Entwicklungspsychologie hat beson<strong>der</strong>s René SPITZ in seinen Forschungen in den 30er<br />

45 FEUSER, G.: o. g. Vortrag. S. 4 u.9. Unter: bidok.uibk.ac.at./library/feuser-euthanasie.html<br />

46 ebenda S. 4 Fußnote 5: EINBECKER EMPFEHLUNG. In: Geburtshilfe und Frauenheilkunde S. 665<br />

47 ebenda S. 4 Fußnote 8: SPITZ, R.: Verschiedene Werke<br />

48 ebenda S. 9 Fußnote 6<br />

49 MIRENDA, Pat (1993): AAC. Bonding the uncertain mosaic. In: AAC 9/93, 3-10.<br />

Unter: www. son<strong>der</strong>paed-forum/thementext/ja-nein.html (Frei übersetzt v. Verf.d. <strong>Leitfaden</strong>s: „Atmen ist die einzige<br />

bedeutsame Voraussetzung für Kommunikation. Atmen ist Leben und Leben ist Kommunikation. So einfach ist das.“)


LEITFADEN<br />

Spezieller Teil<br />

21<br />

Spezieller Teil<br />

Vorbemerkung<br />

Vorangestellt sei noch einmal, dass alles, was nachfolgend beschrieben wird, als<br />

Orientierungshilfe und nicht als Handlungsvorschrift verstanden werden sollte. Jegliche<br />

Überlegungen, Erfahrungen, Erkenntnisse, die zu einem praktikablen und nützlichen<br />

Medium zur Unterstützung <strong>der</strong> Kommunikation mit schwer(st) behin<strong>der</strong>ten Menschen<br />

<strong>bei</strong>tragen helfen, sind zu begrüßen.<br />

Ein Persönliches Dialogbuch kann nur aus dem engen und gleichberechtigten Zusammenwirken<br />

<strong>der</strong>jenigen entstehen, die die Person kennen, für die ein Persönliches<br />

Dialogbuch erstellt werden soll. Hat diese Person an verschiedenen Lebensbereichen<br />

teil, so sollten sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen einan<strong>der</strong> kommunizieren, um zu<br />

einem möglichst umfassenden und gemeinsamen Wissen über die betreffende Person<br />

zu gelangen.<br />

Die Initiatoren für ein Persönliches Dialogbuch für die infrage kommende Person (die<br />

im Folgenden mit Frau / Herr NN bezeichnet wird) können selbstverständlich gleichermaßen<br />

Angehörige wie professíonelle Begleitpersonen sein.<br />

Wer immer auch die Anregung zur Erstellung eines Persönlichen Dialogbuches gibt,<br />

dem fällt die Aufgabe zu, die Idee an jemanden heranzutragen, <strong>der</strong> Interesse hat und<br />

bereit ist, die Zeit zu investieren, die Ar<strong>bei</strong>t (mit) durchzuführen (Planung, Organisation,<br />

Informationssammlung, Zusammenführung und Darstellung <strong>der</strong> Informationen für<br />

die Beteiligten, Nie<strong>der</strong>legung im und Gestaltung des Persönlichen Dialogbuches).<br />

Wie schon im Allgemeinen Teil des <strong>Leitfaden</strong>s an verschiedenen Stellen ausgeführt,<br />

kommunizieren die Personen, um die es geht (Frau / Herr NN), nicht o<strong>der</strong> in geringerem<br />

Maße auf eine herkömmliche Weise, die ihre Kommunikationspartner herausfor<strong>der</strong>t,<br />

einen „Sinn“ dafür zu entwickeln.<br />

Als Bezug für den <strong>Leitfaden</strong> dient das Persönliche Dialogbuch von Herrn Berg.


22<br />

Das Persönliche Dialogbuch -<br />

Ar<strong>bei</strong>tsschritte im Überblick<br />

Schaubild 6<br />

Ar<strong>bei</strong>tsphasen und -schritte<br />

Initiative zu einem Persönlichen Dialogbuch<br />

A<br />

Orientierungs und<br />

Planungsphase<br />

Schritt 1<br />

- Die Idee / Anregung zu einem Persönlichen Dialogbuch<br />

- Das Einbeziehen <strong>der</strong> Lebensbereiche, an denen die behin<strong>der</strong>te Person teilhat<br />

- Der Datenschutz<br />

Schritt 2<br />

- Der erste Runde Tisch<br />

- Die Ar<strong>bei</strong>tsplanung<br />

B<br />

Durchführungsphase<br />

Schritt 1<br />

Die Informationssammlung<br />

Schritt 2<br />

Die Aufbereitung und Darstellung <strong>der</strong> Informationen aus den verschiedenen Lebensbereichen<br />

Schritt 3<br />

Die Rückvermittlung <strong>der</strong> Ergebnisse aus den jeweiligen Lebensbereichen an die jeweilig dort<br />

Befragten zur Beurteilung und Entscheidung<br />

Schritt 4<br />

Die Zusammenführung und Darstellung aller Informationen aus allen beteiligten Lebensbereichen<br />

in einem vorläufigen Persönlichen Dialogbuch und Rückvermittlung<br />

an alle Befragten dort zur Beurteilung und Entscheidung<br />

Schritt 5<br />

Der zweite Runde Tisch<br />

C<br />

Abschlussphase<br />

Schritt 1<br />

Die Erstellung des Persönlichen Dialogbuches<br />

Schritt 2<br />

Die Rückvermittlung an alle an <strong>der</strong> Erstellung des Persönlichen Dialogbuchs beteiligten<br />

Lebensbereiche und Befragten dort zur Beurteilung und Freigabe des Persönlichen Dialogbuchs<br />

D<br />

Nutzung im Alltag<br />

Praxistest<br />

Persönliches<br />

Dialogbuch


LEITFADEN<br />

Spezieller Teil<br />

23<br />

Das Persönliche Dialogbuch Schritt für Schritt<br />

Die Erstellung eines Persönlichen Dialogbuches glie<strong>der</strong>t(e) sich in drei Phasen von<br />

unterschiedlicher Dauer. Es sollen hier jedoch keine Angaben o<strong>der</strong> gar Vorgaben über<br />

<strong>der</strong>en zeitliche Erstreckung gemacht werden, weil viele nicht kalkulierbare Faktoren<br />

den Projektverlauf und damit den Entstehungsprozess eines Persönlichen Dialogbuches<br />

mit beeinflussten, was diejenigen, die sich künftig mit <strong>der</strong> Problematik und Erstellung<br />

von Dialogbüchern befassen wollen, aber erwägen mögen.<br />

Die Orientierungs- und Planungsphase<br />

Diese Phase glie<strong>der</strong>t sich in zwei Schritte und schließt mit einer (vorläufigen) Ar<strong>bei</strong>tsplanung<br />

ab. Wie im jeweilig konkreten Fall am besten vorzugehen ist, darüber kann<br />

natürlich an dieser Stelle nichts gesagt werden. Insofern können die Aussagen hierzu<br />

nur recht allgemein sein.<br />

Schritt 1<br />

Die Idee / Anregung zu einem Persönlichen Dialogbuch<br />

Die Idee, Anregung, ein Persönliches Dialogbuch für jemanden erstellen zu wollen, kann<br />

selbstverständlich von je<strong>der</strong> Person, die die /den Betreffende/n kennt, eingebracht<br />

werden. In <strong>der</strong> Regel werden das wohl professionelle Begleitpersonen <strong>der</strong> infrage kommenden<br />

Person sein. Bei Einrichtungen, die auch Menschen betreuen / för<strong>der</strong>n, die<br />

kaum o<strong>der</strong> nicht lautsprachlich o<strong>der</strong> nicht in an<strong>der</strong>er lautsprachäquivalenter Form<br />

(Gebärdensprache, Schriftsprache) kommunizieren, darf davon ausgegangen werden,<br />

dass das pädagogische Ar<strong>bei</strong>tsfeld Unterstützte Kommunikation zumindest bekannt<br />

ist. Gibt es praktische Erfahrungen darin, so wird es wahrscheinlich leichter sein, das<br />

Vorhaben Persönliches Dialogbuch für Frau / Herrn NN zu realisieren.<br />

Die Person, die die Idee hat, Anregung gibt – wenn sie die Planung und Durchführung<br />

des Vorhabens nicht allein verantwortet -, hat die Aufgabe, dafür Interessenten und<br />

Unterstützer zu „werben“.<br />

Das Einbeziehen <strong>der</strong> Lebensbereiche <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Person<br />

Der Einbezug von Lebensbereichen, an denen Frau / Herr NN teilhat, muss von einer<br />

Stelle (Einzelperson / Einrichtung) organisiert werden. Dazu sollte zuerst eine persönliche<br />

Kontaktaufnahme erfolgen, <strong>bei</strong> <strong>der</strong> das Vorhaben vorgestellt, erläutert und begründet<br />

wird: Der wünschenswerte und mögliche Nutzen des Vorhabens für alle Beteiligten<br />

zielt auf die Verbesserung <strong>der</strong> Kommunikation zwischen Frau/Herrn NN und <strong>der</strong> sie<br />

begleitenden Person/en. Und unter Verbesserung sollte zuallererst verstanden werden,<br />

dass<br />

~ durch den intensiven Informationsaustausch <strong>der</strong> vormals mehr o<strong>der</strong> weniger getrennt<br />

voneinan<strong>der</strong> agierenden Bereiche ein gemeinsames Verständnis darüber erreicht<br />

werden kann, was die Verhaltensweisen von Frau / Herrn NN kommunizieren<br />

~ darauf adäquat - strukturell (wie wird kommuniziert ?) und inhaltlich (was wird<br />

kommuniziert ?) – eingegangen werden kann<br />

~ dieses gemeinsame und für alle über das Medium Persönliches Dialogbuch zugängliche<br />

Wissen helfen kann, die Kommunikation zwischen Frau / Herrn NN<br />

und ihren Begleitpersonen zu optimieren, was die Beziehung zueinan<strong>der</strong> sicherer,<br />

eindeutiger und im Effekt erfolgreicher machen kann.<br />

Wenn diese Inhalte vermittelbar sind und auf Interesse st0ßen, sollte <strong>der</strong> Durchführung<br />

des Vorhabens eigentlich nichts mehr im Wege stehen dürfen.<br />

Die Regelungen zum Datenschutz (Datenschutz unbedingt beachten und gewährleisten!)<br />

Es ist unbedingt auf datenschutzrechtliche Regelungen zu achten: alle Beteiligten<br />

müssen schriftlich ihr Einverständnis erklären, dass sie z. B. auf Fotos o<strong>der</strong> in Videos im<br />

Persönlichen Dialogbuch abgebildet werden dürfen, das ja ein einer Öffentlichkeit zugängliches<br />

Medium ist. Das soll nur ein Hinweis sein. Die Regelungen im Einzelnen<br />

müssen am jeweiligen Ort in Erfahrung gebracht werden. Während <strong>der</strong> Durchführungsphase<br />

ist immer wie<strong>der</strong> zu prüfen, ob die datenschutzrechtlichen Regelungen konsequent<br />

eingehalten werden (weitere als die bis dato bekannten Bereiche / Personen könnten<br />

hinzukommen).


24<br />

Schritt 2<br />

Der erste Runde Tisch<br />

Der (erste) Runde Tisch hat zur Aufgabe, die Interessenten aus den verschiedenen<br />

Lebensbereichen miteinan<strong>der</strong> bekannt zu machen, sofern das noch nicht <strong>der</strong> Fall ist<br />

und nach nochmaliger Vorstellung des Vorhabens, Fragen und Diskussion zum Thema<br />

Raum zu geben. Es sollte allen Fragen, Bedenken, Anregungen, Erfahrungen, Meinungen,<br />

Ansichten etc. aus dem Kreis <strong>der</strong> Beteiligten gebührende Aufmerksamkeit und Offenheit<br />

entgegen gebracht werden. Eine offene und gleichberechtigt geführte Diskussion, in<br />

<strong>der</strong>en Ergebnis alle Beteiligten von <strong>der</strong> Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit des Vorhabens<br />

überzeugt sind, ist eine wesentliche Grundlage für die kommende Ar<strong>bei</strong>t.<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tsplanung<br />

Das Ergebnis <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsplanung ist ein zwar noch vorläufiger Ar<strong>bei</strong>tplan, in dem <strong>der</strong><br />

Ablauf (was tut ? wie tun ? wann tun ? – ungefähre zeitliche Strukturierung und Zeitrahmen)<br />

und die persönlichen Verantwortungen (wer tut was ?) für die Durchführungsphase<br />

festgelegt werden sollten.<br />

Die allseitig abzustimmende und dann abgestimmte Ar<strong>bei</strong>tsplanung ist Ausdruck für<br />

die verbindliche Teilnahme am Vorhaben <strong>der</strong> am Runden Tisch Beteiligten; damit kann<br />

die Durchführungsphase beginnen.


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

25<br />

Die Durchführungsphase<br />

Schritt 1<br />

Die Informationssammlung<br />

> Die zu erhebenden Daten<br />

> Die Beobachtung und Beschreibung<br />

> Die Interpretationen und die Bedeutungskategorien (Von Interpretationen<br />

zu Kategorien)<br />

> Die mündliche Befragung<br />

> Der Einsatz technischer Mittel<br />

Den vereinbarten möglichen Terminen entsprechend, wird die Informationssammlung<br />

durchgeführt. Die Person/en, die die Informationen einholt / einholen, sollten sinnvollerweise<br />

jeweils ein Ergebnis- und Beschluss-Protokoll je Treffen anfertigen.<br />

Diese Protokolle dienen dem Nachvollzug <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t und können für die Planung und<br />

Durchführung weiterer Vorhaben hilfreich sein.<br />

> Die zu erhebenden Daten<br />

>> Der Bezugsrahmen für die Datengewinnung<br />

>> Die Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ganzheit Zwischenpersönliche Situation in vier Komponenten<br />

>> Die Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ganzheit Zwischenpersönliche Situation in Momentaufnahmen<br />

aus einem Prozess<br />

>> Die Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ganzheit Zwischenpersönliche Situation in ein Folgeverhältnis<br />

<strong>der</strong> vier Komponenten<br />

>> Die Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ganzheit Zwischenpersönliche Situation in Momentaufnahmen<br />

aus einem Prozess<br />

>> Der Bezugsrahmen für die Datengewinnung<br />

Der Bezugsrahmen für die Gewinnung <strong>der</strong> Daten ist - wie schon an an<strong>der</strong>er Stelle<br />

ausgeführt 50 - <strong>der</strong> Ansatz des Philosophen, Kommunikationswissenschaftlers und<br />

Psychotherapeuten Paul WATZLAWICK:<br />

„Wenn man also akzeptiert, dass alles Verhalten in einer zwischenpersönlichen<br />

Situation Mitteilungscharakter hat, d. h. Kommunikation ist, (Hervorhebung v. Verf.<br />

d. <strong>Leitfaden</strong>s) so folgt daraus, dass man, wie immer man es auch versuchen mag, nicht<br />

nicht kommunizieren kann. Handeln o<strong>der</strong> Nichthandeln, Worte o<strong>der</strong> Schweigen haben<br />

alle Mitteilungscharakter: Sie beeinflussen an<strong>der</strong>e, und diese an<strong>der</strong>en können ihrerseits<br />

nicht nicht auf diese Kommunikation reagieren und kommunizieren damit selbst.“ 51<br />

Diesem Ansatz folgend, wird <strong>der</strong> von WATZLAWICK, BEAVIN und JACKSON beschriebene<br />

Zusammenhang notwendigerweise Gegenstand <strong>der</strong> Betrachtung sein. Wenn also im<br />

Weiteren fast ausschließlich von Verhalten / Handlung die Rede sein wird, so ist das<br />

immer auf eine „zwischenpersönliche Situation“ bezogen, in <strong>der</strong> die Begriffe mit dem<br />

Begriff Kommunikation synonym gebraucht werden.<br />

Die Daten bestehen hier aus den die Angaben von Angehörigen, professionellen<br />

Betreuungs- / Begleitpersonen (TherapeutInnen etc.) und an<strong>der</strong>en Personen über<br />

zwischenpersönliche Situationen, die für ein Persönliches Dialogbuch für Frau / Herrn<br />

NN relevant sind. Die Angaben <strong>bei</strong>nhalten vom Grundsatz her im Wesentlichen vier<br />

Komponenten <strong>der</strong> Ganzheit Zwischenpersönliche Situation.<br />

50 Siehe dazu Persaönliches Dialogbuch Allgemeiner Teil. Grundlegende Aspekte. Das Phänomen Kommunikation<br />

als Verhalten in einer zwischenpersönlichen Situation<br />

51 WATZLAWICK, Paul; BEAVIN, Janet H.; JACKSON, Don D.: Menschliche Kommunikation (1980) S. 51.


26<br />

>> Die Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ganzheit Zwischenpersönliche Situation in vier Komponenten<br />

- Die vier Komponenten in ihrem Zusammenhang<br />

- Die vier Komponenten im Einzelnen<br />

- Die Komponente Situation<br />

- Die vier Komponenten in ihrem Zusammenhang<br />

Schaubild 7<br />

Die Komponente Situation<br />

ist <strong>der</strong> direkten Beobachtung zugänglich:<br />

Äußeres Verhalten / Handlung an<strong>der</strong>er Personen,<br />

zeitlich- räumliche Strukturen, Abläufe<br />

und Ereignisse, materielle Gegebenheiten<br />

und ggf. die Ausgangssituation, in <strong>der</strong> sich<br />

Frau / Herr NN befindet, aus <strong>der</strong> heraus ihr /<br />

sein Verhalten zum Gegenstand <strong>der</strong> Betrachtung<br />

wird<br />

Situation<br />

Verhalten<br />

(singuläre / kombinierte<br />

Verhaltensweisen)<br />

Die Komponente Verhalten<br />

ist <strong>der</strong> direkten Beobachtung zugänglich:<br />

Äußeres Verhalten<br />

Die Komponente Interpretation<br />

ist <strong>der</strong> direkten Beobachtung nicht zugänglich:<br />

Inneres Verhalten<br />

Interpretationen<br />

(Einschätzung, Eindruck,<br />

Wirkung)<br />

Handlung<br />

Die Komponente Handlung<br />

ist <strong>der</strong> direkten Beobachtung zugänglich:<br />

Äußeres Verhalten


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

27<br />

- Die vier Komponenten im Einzelnen<br />

Schaubild 8<br />

Als Situationen sind überdauernde bzw. zeitweilige o<strong>der</strong> aktuelle<br />

äußere Gegebenheiten zu verstehen, die das Verhalten von<br />

Frau / Herrn NN beeinflussen. Situationen können direkt ein<br />

Situation / en<br />

Verhalten bewirken 52 (veranlassen, hervorrufen).<br />

Gegebenenfalls wird <strong>der</strong> Situation auch ein Verhalten von Frau /<br />

Herrn NN als Ausgangssituation für ein nachfolgendes Verhalten,<br />

das von Interesse ist, mit zugeordnet (siehe dazu: Die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Komponente Situation).<br />

Beispiel für Ausgangssituation:<br />

Frau / Herr NN sitzt Situation i. e. S (hier eine Handlung).: P. for<strong>der</strong>t auf, aufzustehen<br />

Verhalten: Frau / Herr NN bleibt sitzen Handlung (-smöglichkeit): P. for<strong>der</strong>t erneut auf<br />

Die Komponente Situation repräsentiert hier alle wahrnehmbaren je aktuellen äußeren<br />

Gegebenheiten (wie soziale, materiell-gegenständliche, räumlich-zeitliche), die - beobachtungsgestützt<br />

- einen Bezug zum je aktuell wahrnehmbaren Verhalten von Frau / Herr NN haben (bzw.<br />

mutmaßlich haben könnten).<br />

Mit Situation sind hier sicher erkannte und / o<strong>der</strong> nachvollziehbar vermutete Rahmenbedingungen<br />

für das aktuelle Verhalten von Frau / Herrn NN gemeint.<br />

Im Fokus stehen die von einer Beobachtungsperson<br />

unvermittelt 53 wahrnehmbaren<br />

- sichtbaren<br />

Verhalten<br />

- hörbaren<br />

- fühlbaren Verhaltensweisen<br />

- sowie die Atmung von Frau / Herrn NN<br />

Die Komponente Verhalten repräsentiert hier Frau / Herrn NN und <strong>der</strong>en / dessen äußerliches<br />

zunächst unvermittelt wahrnehmbares (nicht herkömmliches) konkretes nonverbal - vokales und<br />

nonverbal - nonvokales Verhalten. Mit Verhalten ist hier <strong>der</strong> Verhaltenstypus äußerliches Verhalten<br />

von Frau / Herrn NN gemeint, die darüber keine Auskunft zu geben vermag. (Die Person kann<br />

auf keine Weise zu ihrem Verhalten – inneres wie äußeres - Stellung nehmen).<br />

52 Eine Situation kann: 1. ein Verhalten direkt auslösen (ein plötzliches Geräusch lässt Frau / Herrn NN zusammenschrecken),<br />

2. ein Hinweis auf den - bereits schon einmal / mehrfach erfahrenen - Effekt des Verhaltens sein (wenn Person A etwas<br />

for<strong>der</strong>t und Frau /Herr NN dem nicht nachkommt, lässt A von <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung ab und NN behält ihre / seine gewünschte<br />

Ruhe; wenn das Person B tut, kommt NN dem nach, weil B nicht nachlässt bzw. Alternativen anbietet) o<strong>der</strong> auch<br />

3. ein Anreiz sein (ein Verhalten wird in Erwartung einer möglichen Belohnung gezeigt).<br />

53 Unvermittelt wird eine Beobachtung dann genannt, wenn sie ohne technische Hilfsmittel (z .B. audiovisuelle Aufzeichnung)<br />

also unmittelbar durch die Sinne (vornehmlich über Auge und Ohr) erfolgt. Das ist i. d. R. die Form <strong>der</strong> Beobachtung<br />

im Alltag.<br />

Schaubild 8 a<br />

Interpretation<br />

/ en<br />

(Einschätzung,<br />

Eindruck, Wirkung)<br />

Die Beobachtungsperson interpretiert die von ihr<br />

wahrgenommenen Verhaltensweisen von Frau / Herrn<br />

NN ihrer möglichen Bedeutung / en nach.<br />

Die Interpretationen erfolgen auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong><br />

Einschätzung, des Eindrucks, <strong>der</strong> Wirkung, welche die<br />

Verhaltensweisen von Frau / Herrn NN auf <strong>der</strong>en / dessen<br />

soziale und / o<strong>der</strong> sachliche Umwelt ausüben.<br />

Die Komponente Interpretation repräsentiert hier eine Person / Personen, die Frau / Herrn NN<br />

wahrnimmt / wahrnehmen und das von ihr / ihnen wahrgenommene Verhalten von Frau / Herrn<br />

NN seiner möglichen Bedeutung nach interpretiert / interpretieren. Das Ergebnis <strong>der</strong> Interpretation<br />

ist die auf einen Begriff (Kategorie) gebrachte Bedeutung einzelner Verhaltensweisen bzw. <strong>der</strong>en<br />

Kombination. Interpretation bezieht sich hier auf den Verhaltenstypus inneres willkürliches<br />

Verhalten einer Person, die darüber Auskunft zu geben vermag - Begründung für die Interpretation.<br />

Handlung / en<br />

Der Verhaltenstyp Handlung 54 zeichnet sich dadurch aus, dass<br />

das Verhalten auf die Erreichung eines Ziels gerichtet ist.<br />

Die Komponente Handlung repräsentiert hier eine Person / Personen, die aktiv o<strong>der</strong> reaktiv mit<br />

(direkt) o<strong>der</strong> in Bezug auf (indirekt) Frau / Herrn NN handelt. Mit Handlung ist hier <strong>der</strong> Verhaltenstypus<br />

äußeres willkürliches Verhalten einer Person gemeint, die darüber Auskunft zu geben vermag. (Die<br />

handelnde Person kann Stellung zu ihrer Handlung nehmen, eine Handlungsbegründung geben).<br />

54 Zu unterscheiden sind zwei Handlungstypen: <strong>der</strong> erste Typus, „geht aus einem geordneten Zusammenwirken kognitiver<br />

u. emotionaler Faktoren hervor, wo<strong>bei</strong> ein Erwägen verschiedener Motive bzw. zu erwarten<strong>der</strong> Handlungsfolgen<br />

stattfindet.“ Der zweite Typus ist die „aus einem starken momentanen Antrieb folgende, zwar auch zielgerichtete aber<br />

... ‘unüberlegte’ sog. ... Affekthandlung“ (DORSCH et al: Psychologisches Wörterbuch. 1994). Der erste Typus wird im<br />

Gegensatz zum zweiten auch als „Wahlhandlung“ bezeichnet. Die Unterscheidung soll hier zwar genannt werden,<br />

jedoch nicht Gegenstand in <strong>der</strong> Betrachtung sein.


28<br />

- Die Komponente Situation 55<br />

Die äußere Situation kann, muss aber nicht in jedem Fall Anlass (Auslöser, Anreiz, Hinweis) für ein von Frau / Herrn NN gezeigtes Verhalten sein.<br />

Schaubild 9<br />

Beispiel 1<br />

Hier könnte die Situation direkt verhaltensrelevant für das Verhalten von Frau / Herrn NN sein (Hypothesen: Frau / Herr NN fühlt sich gestört. Sie / er möchte das nicht,<br />

wozu sie aufgefor<strong>der</strong>t wird. Sie / er mag die Art und Weise von Person A nicht usw., usf.). Die Interpretation <strong>der</strong> Kommunikationspartnerin / des Kommunikationspartners<br />

lautet spontan möglicherweise: Verweigerung.<br />

SITUATION<br />

VERHALTEN<br />

HANDLUNG<br />

Essraum, Ende <strong>der</strong> Mittagspause;<br />

Frau / Herrn NN sitzt noch mit<br />

an<strong>der</strong>en zusammen am Tisch<br />

Person A for<strong>der</strong>t NN auf,<br />

aufzustehen und mitzukommen<br />

Frau / Herr NN<br />

dreht sich abrupt weg<br />

und bleibt sitzen<br />

INTERPRE-<br />

TATION<br />

seitens Person A<br />

Verweigerung<br />

Person A wie<strong>der</strong>holt die<br />

Auffor<strong>der</strong>ung mit<br />

Nachdruck<br />

Schaubild 9 a<br />

Beispiel 2<br />

In diesem Fall ist die die konkrete Situation nicht verhaltensrelevant, sie veranlasst das Verhalten nicht (Frau / Herr NN hat vielleicht Zahnschmerzen o. ä.)<br />

SITUATION<br />

VERHALTEN<br />

HANDLUNG<br />

kein erkennbarer äußerer Anlass für<br />

das Verhalten von Frau / Herrn NN<br />

Frau / Herr NN<br />

beginnt heftig zu weinen<br />

INTERPRE-<br />

TATION<br />

seitens Person A<br />

Unwohlsein, Schmerzen<br />

Person A versucht herauszufinden,<br />

was Frau / Herr NN<br />

Schmerzen bereiten könnte<br />

55 Die Komponente Situation Der Begriff wird in <strong>der</strong> pädagogischen und psychologischen Fachliteratur - je nach theoretischer Konzeption - unterschiedlich mit teilweise gegensätzlichen Bestimmungen gefasst.<br />

Hier wird <strong>der</strong> Situationsbegriff ausschließlich auf beobachtbare, d. h. äußere soziale, personale und sachlich-materielle Zusammenhänge angewandt.


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

29<br />

>> Die Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ganzheit Zwischenpersönliche Situation in ein Folgeverhältnis <strong>der</strong> vier Komponenten<br />

Für die Beobachtungsperson ist es i. d. R. praktikabel und sinnvoll, die vier dynamischen Komponenten in dem unten aufgeführten Folgeverhältnis aber dann auch in<br />

Bezug auf <strong>der</strong>en Wechselwirkung untereinan<strong>der</strong> hin zu betrachten und zu beurteilen.<br />

Schaubild 10<br />

Frau / Herr NN wirkt auf Person A ggf. Person B<br />

(d. h. kommuniziert) (teilnehmende Beobachtung) (nicht teilnehmende Beobachtung) 56<br />

SITUATION VERHALTEN INTERPRETATION<br />

HANDLUNG<br />

Kann / muss jedoch nicht<br />

verhaltensrelevant sein:<br />

-Ruft ein Verhalten direkt hervor<br />

(Situation Verhalten)<br />

-Ruft kein Verhalten direkt hervor<br />

(Situation .... Verhalten)<br />

-Kann streng situationsgebunden sein<br />

(Situation A Verhalten A)<br />

-Kann in verschiedenen Situationen<br />

auftreten (Situation A, B, C Verhalten A)<br />

-Kann situationsübergreifend / -unabhängig<br />

auftreten (n Situationen Verhalten A)<br />

Erfolgt unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Situation:<br />

-Verhalten eindeutig interpretierbar<br />

(Verhalten A Bedeutung A)<br />

-Verhalten mehrdeutig interpretierbar<br />

(Verhalten A Bedeutung A, B, C, D, ... )<br />

-Ist / scheint erfor<strong>der</strong>lich zu sein<br />

-Ist / scheint nicht erfor<strong>der</strong>lich zu sein<br />

-Erfolgt / erfolgt nicht<br />

Rückwirkung <strong>der</strong> Handlung / Handlungsunterlassung von Person A auf Frau /Herrn NN und fallweise auf die Situation<br />

56 I. d. R. ist im Alltag die beobachtende Person zum einen auch gleichzeitig in Interaktion und Kommunikation mit <strong>der</strong> beobachteten Person. Es handelt sich da<strong>bei</strong> um die sogenannte teilnehmende Beobachtung (Person A). Eine nicht teilnehmende<br />

Beobachtung (Person B) ist dann hilfreich bzw. erfor<strong>der</strong>lich, wenn die Ergebnisse aus <strong>der</strong> teilnehmenden Beobachtung unbefriedigend sind.


30<br />

>> Die Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ganzheit Zwischenpersönliche Situation in Momentaufnahmen aus einem Prozess<br />

Die hier drei- bzw. viergliedrige Folge ist eine aus einem fortlaufenden Prozess 57 herausgehobene quasi statische Momentaufnahme.<br />

Schaubild 11<br />

Prozess („Ereignisfolgen“ 58 )<br />

H S V I H S V I H S V I<br />

Ereignis-Glie<strong>der</strong><br />

Ereignis<br />

Ausschnitt (Momentaufnahme) aus dem Prozess<br />

Die drei- bzw. viergliedrige Folge als Beobachtungseinheit<br />

SITUATION VERHALTEN HANDLUNG<br />

INTERPRETATION<br />

Diese Momentaufnahme bildet dann eine sinnvolle Einheit, ein Ereignis, wenn gewisse<br />

Regelhaftigkeiten (Muster) erkennbar werden:<br />

In einer bestimmten o<strong>der</strong> bestimmten Situationen bzw. situationsübergreifend /<br />

situationsunabhängig verhält sich Frau / Herr NN in ähnlicher o<strong>der</strong> gleicher Weise,<br />

wovon die Beobachtungsperson annimmt, das dann als Ausdruck von ... / Signal für ...<br />

interpretieren zu dürfen, dem Verhalten also Bedeutungen <strong>bei</strong>misst, woraus sie ihr<br />

Handeln (als Antwortverhalten) ableiten kann. Die Handlung / Handlungsunterlassung<br />

ist letztlich als Konsequenz auf das Verhalten zu verstehen. Sie kommuniziert Frau /<br />

Herrn NN etwas, das wie<strong>der</strong>um kurz - o<strong>der</strong> auch langfristig - ihr / sein Verhalten (ihre<br />

/ seine Kommunikation) beeinflusst / steuert.<br />

57 gemäß WATZLAWICK, P.; BEAVIN, JANET H.; JACKSON, Don. D: Menschliche Kommunikation (1980) S. 57 „ ... ein ununterbrochener Austausch von Mitteilungen.“<br />

(Solange eben die zwischenpersönliche Situation vorgängig ist; Anm. v. Verf. d. <strong>Leitfaden</strong>s).<br />

58 ebenda S. 57 ff


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

31<br />

> Die Beobachtung und Beschreibung<br />

>> Aspekte <strong>der</strong> Beobachtung<br />

>> Aspekte <strong>der</strong> Beschreibung<br />

>> Aspekte <strong>der</strong> Beobachtung<br />

- Die gewohnheitsmäßige und / o<strong>der</strong> gelenkte Wahrnehmung <strong>der</strong> Umgebung<br />

- Systematik <strong>der</strong> (Alltags-) Beobachtung<br />

- Bestimmungsmerkmale von Verhalten 1<br />

Mittels <strong>der</strong> Beobachtung wird festgestellt, was ist (genauer: was von <strong>der</strong> Beobachtungsperson<br />

wie wahrgenommen wird) und mittels <strong>der</strong> Beschreibung werden die Beobachtungsergebnisse<br />

(schriftlich o<strong>der</strong> / und an<strong>der</strong>weitig) dargestellt. Die Beschreibung<br />

orientiert sich an <strong>der</strong> Beobachtung und diese wie<strong>der</strong>um daran, wie <strong>der</strong> Gegenstand<br />

<strong>der</strong> Beobachtung 59 aufgefasst wird.<br />

Wie schon im Allgemeinen Teil angeführt, bestehe nach Winfried Mall das Problem<br />

nicht darin, dass <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>te Partner, „nicht kommunizieren könnte“ 60 son<strong>der</strong>n<br />

darin, dass wir oftmals „keinen Sinn für seine Weise, sich zu äußern“ 61 hätten, und<br />

daher nicht wüssten, wie „adäquat darauf zu antworten“ 62 wäre.<br />

Das bedeutet, dass den Erscheinungsform <strong>der</strong> Äußerungen, dem äußeren Verhalten<br />

von Frau / Herrn NN (= ihre / seine „Weise, sich zu äußern“), das ja in einer zwischenpersönlichen<br />

Situation immer Kommunikation ist, die auch verstanden werden will,<br />

große Aufmerksamkeit <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Beobachtung und Beschreibung zukommen muss, um<br />

Wesentliches (Bedeutungsvolles) von Unwesentlichem (Unbedeutendes) unterscheiden<br />

zu können, was jedoch nicht generell, son<strong>der</strong>n nur in Bezug auf eine je konkrete Person<br />

hin beantwortet werden kann.<br />

- Bestimmungsmerkmale von Verhalten 2<br />

- Kommunikative Muster (Verhalten - Interpretation – Handlung)<br />

- Die gewohnheitsmäßige und /o<strong>der</strong> gelenkte Wahrnehmung <strong>der</strong> Umgebung<br />

Die Angehörigen und / o<strong>der</strong> professionellen Betreuungs- / Begleitpersonen von Frau /<br />

Herrn NN und ggf. weitere Personen, die Frau / Herrn NN kennen, beschreiben i. d. R.<br />

auf <strong>der</strong> Grundlage ihrer gewohnheitsmäßigen Wahrnehmung das Verhalten von Frau<br />

/ Herrn NN während <strong>der</strong> eigenen Interaktion-Kommunikation und / o<strong>der</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>er<br />

mit Frau / Herrn NN in <strong>der</strong>en /dessen Lebensbereich/en und in alltäglichen / üblichen<br />

Situationen. Die gewohnheitsmäßige Wahrnehmung wird auch als Alltagsbeobachtung<br />

bezeichnet (im Gegensatz zur Beobachtung i. e. S., die bewusst und nach bestimmten<br />

Regeln zu diagnostischen Zwecken und / o<strong>der</strong> zwecks Intervention vorgenommen wird).<br />

Im Weiteren soll hier dennoch ohne Unterscheidung nur mehr von Beobachtung gesprochen<br />

werden.<br />

59 An dieser Stelle sei noch einmal auf den Zusammenhang und die Beschreibung <strong>der</strong> vier Komponenten als<br />

Glie<strong>der</strong>ungsmomente einer zwischenpersönlichen Situation zum Erfassen <strong>der</strong> vorgängigen Kommunikation verwiesen.<br />

60MALL, Winfried: Muss man Kommunikation erst lernen ? Kommunikation ohne Voraussetzungen. Unter: www.winfried<br />

mall.de/pdf/kommunikation_lernen.pdf S. 1 und 2<br />

61 ebenda<br />

62 ebenda


32<br />

- Systematik <strong>der</strong> Beobachtung 63<br />

Die Alltagsbeobachtung, also die gewohnheitsmäßige Wahrnehmung <strong>der</strong> Umgebung, ist die erste Informationsgrundlage, um Informationen über zwischenpersönliche<br />

Situationen zu erhalten.<br />

Schaubild 12<br />

Unstrukturierte (zufällige) 64 Beobachtung<br />

Strukturierte (zielorientierte) 65 Beobachtung<br />

- gewohnheitsmäßige Wahrnehmung <strong>der</strong> Umgebung - - gezielte Wahrnehmung <strong>der</strong> Umgebung -<br />

Teilnehmende Beobachtung 66 Nicht teilnehmende Beobachtung 67<br />

Teilnehmende Beobachtung<br />

Nicht teilnehmende Beobachtung<br />

Die beobachtende Person nimmt mehr o<strong>der</strong> Die beobachtende Person nimmt nicht Die beobachtende Person nimmt mehr o<strong>der</strong> Die beobachtende Person nimmt nicht<br />

weniger unmittelbar am Geschehen teil unmittelbar am Geschehen teil weniger unmittelbar am Geschehen teil unmittelbar am Geschehen teil<br />

Unvermittelte<br />

Beobachtung<br />

Vermittelte<br />

Beobachtung<br />

Unvermittelte<br />

Beobachtung<br />

Vermittelte<br />

Beobachtung<br />

Unvermittelte<br />

Beobachtung<br />

Vermittelte<br />

Beobachtung<br />

Unvermittelte<br />

Beobachtung<br />

Vermittelte<br />

Beobachtung<br />

(Beobachtung ohne<br />

Hilfe technischer<br />

Instrumente)<br />

(Beobachtung mit<br />

Hilfe technischer<br />

Instrumente)<br />

(Beobachtung ohne<br />

Hilfe technischer<br />

Instrumente)<br />

(Beobachtung mit<br />

Hilfe technischer<br />

Instrumente)<br />

(Beobachtung ohne<br />

Hilfe technischer<br />

Instrumente)<br />

(Beobachtung mit<br />

Hilfe technischer<br />

Instrumente)<br />

(Beobachtung ohne<br />

Hilfe technischer<br />

Instrumente)<br />

(Beobachtung mit<br />

Hilfe technischer<br />

Instrumente)<br />

63 In <strong>der</strong> Literatur gibt es verschiedene und in sich weiter differenzierte Ansätze zu einer Systematisierung von Verhaltensbeobachtung. In den Lebensbereichen folgen Beobachtungen wohl üblicherweise den in <strong>der</strong> obigen Tabelle aufgeführten<br />

Formen. I. d. R. erfolgen Beobachtungen im Alltag teilnehmend (Beobachter und beobachtete Person befinden sich in unmittelbarer Interaktion - Kommunikation), eher unstrukturiert (zufällig) und unvermittelt, also ohne technische Hilfsmittel.<br />

64 Mit <strong>der</strong> unstrukturierten Beobachtung sind hier subjektive Einschätzung, subjektiver Eindruck und subjektive Wirkung des Wahrgenommen mitgemeint!<br />

65 Mit <strong>der</strong> strukturierten Beobachtung ist es möglich, Beobachtungsergebnisse aus <strong>der</strong> unstrukturierten Beobachtung zu überprüfen. Das ist dann erfor<strong>der</strong>lich, wenn diese als unsicher erscheinen bzw. dann, wenn bestimmte Annahmen überprüft<br />

werden sollen.<br />

66 Beobachter / in nimmt direkt am Geschehen teil, d. h. steht in direkter Interaktion-Kommunikation mit Frau / Herrn NN.<br />

67 Beobachter / in nimmt nicht direkt am Geschehen teil, d. h. steht nicht in direkter Interaktion-Kommunikation mit Frau / Herrn NN.


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

33<br />

- Bestimmungsmerkmale von Verhalten 1<br />

Schaubild 13<br />

VERHALTEN<br />

W - FRAGEN ASPEKT Beispiel 68 Beispiel 68<br />

Was 70 Aktivität schlägt sich (ins Gesicht) lächelt wendet sich zu lautiert zappelt<br />

(Person o<strong>der</strong> Objekt)<br />

Womit Mittel mit <strong>der</strong> Faust - - mit den Händen<br />

Wie Intensität heftig zufrieden aufgeregt<br />

Wie oft / häufig Häufigkeit mehrmals - -<br />

Wie lange Dauer 15 Sekunden lang - -<br />

Wann Zeitpunkt nach dem Frühstück - -<br />

Woraufhin Anlass Auffor<strong>der</strong>ung aufzustehen - -<br />

Wo Ort Essraum - -<br />

SITUATION<br />

Wer mit beteiligte Person / en Person A (for<strong>der</strong>t auf) - -<br />

Wozu 71 Ergebnis / Wirkung Person A entfernt sich und - -<br />

NN stellt das Verhalten ein<br />

HANDLUNG<br />

ABLEHNUNG (ablehnen)<br />

und / o<strong>der</strong> auch ÄRGER<br />

(sich ärgern)<br />

FREUDE (sich freuen)<br />

INTERPRETATION<br />

68 Praxis<strong>bei</strong>spiel.<br />

69 Nach allen Fragewörtern kann gedanklich stehen: W ~ tut ?<br />

70 BRAUN, Ursula und VOLLBRACHT, Timo: Ein Ich-Buch für Paule. In: Unterstützte Kommunikation 2 / 09 S. 33.<br />

71 Hier ist kein subjektiv beabsichtigtes, son<strong>der</strong>n das objektive Ergebnis gemeint: Wozu führt(e) das Verhalten?


34<br />

- Bestimmungsmerkmale von Verhalten 2<br />

-- Erscheinungsformen und Funktion von Verhalten<br />

-- Kommunikative Muster (Verhalten - Interpretation – Handlung)<br />

-- Kommunikative Muster (Verhalten - Interpretation – Handlung)<br />

Schaubild 14 72<br />

-- Erscheinungsformen und Funktion von Verhalten<br />

Erscheinungsformen des Verhaltens ergeben sich schon allein aus den strukturellen<br />

und funktionellen körperlichen Voraussetzungen. Bewegungen, Haltungen, Lautäußerungen<br />

(i. e. S. dann Gestik, Mimik, Blickverhalten, Stimmklang usw.) werden<br />

dadurch bestimmt.<br />

Bei Menschen mit schweren Behin<strong>der</strong>ungen (Frau / Herr NN) kann es behin<strong>der</strong>ungsbedingt<br />

zu Erscheinungsformen kommen, die dem Beobachter ungewöhnlich, fremd,<br />

eigen erscheinen. Ein Lächeln kann auf Grund einer neuromuskulären Beeinträchtigung<br />

<strong>bei</strong>spielsweise stark verzerrt (Grimasse) erscheinen und (spontan) von seiner Erscheinungsform<br />

her als Lächeln nicht o<strong>der</strong> nur schwer erkannt und daher ebenso dessen<br />

Funktion wie z. B. (nonverbale freundliche) Zuwendung <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Person gegenüber<br />

nicht o<strong>der</strong> nur schwer erkannt o<strong>der</strong> auch fehl interpretiert werden.<br />

In Bezug auf die funktionale Seite des Verhaltens gibt es noch einen an<strong>der</strong>en, aber<br />

sehr wesentlichen Aspekt. Verhaltensweisen von Frau / Herrn NN werden vom Kommunikationspartner<br />

interpretiert und sich dieser Interpretation gemäß gegenüber<br />

Frau / Herrn NN verhalten - verbale und / o<strong>der</strong> materielle Handlung bzw.Handlungsunterlassung<br />

– (s. die drei- bzw. viergliedrige Folge <strong>der</strong> Komponenten einer zwischenpersönlichen<br />

Situation). Es darf angenommen werden, dass langfristig wie<strong>der</strong>holt<br />

gleiche wi<strong>der</strong>spruchsfreie Interpretationen und Handlungen (letztere als für Frau /<br />

Herrn NN erfahrbare Konsequenz) in Bezug auf gleiches bzw. ähnliches Verhalten zu<br />

relativ stabilen Kommunikations-Mustern führen.<br />

Frau / Herr NN<br />

Person A<br />

Verhalten ( V ) Handlung ( H )<br />

Interpretation<br />

( I )<br />

Wirkung, Eindruck<br />

erfahrbare Konsequenz ( K )<br />

Zwischenpersönliche Situation: Herausbildung kommunikativer Muster<br />

<strong>bei</strong> je regelhaften Zusammenhängen von V I H K<br />

72 Bei diesem und den folgenden Beispielen wird auf die blockweise Darstellung und die Komponente Situation verzichtet.


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

35<br />

Schaubild 15: Beispiele zu Paule 73<br />

VERHALTEN * von PAULE<br />

Handlung von Person A<br />

nähere Bestimmungen<br />

Aktivität<br />

Bsp. 1<br />

- anfangen zu - lächeln<br />

- zufriedene - Laute von sich geben<br />

- aufgeregt mit den Händen - zappeln<br />

Interpretation /<br />

Wirkung /<br />

Eindruck:<br />

Freude<br />

keine nähere Ausführung dazu +<br />

Bsp. 2 keine nähere Ausführung dazu +<br />

- sich dem an<strong>der</strong>en - zuwenden<br />

- aufgeregt mit den Händen - zappeln<br />

- da<strong>bei</strong> den an<strong>der</strong>en - anlachen<br />

Interpretation /<br />

Wirkung /<br />

Eindruck:<br />

QUATSCH machen /<br />

TOBEN (wollen + )<br />

wahrscheinlich aber als Appell interpretiert,<br />

dem, wenn möglich, nachgekommen wird: +<br />

„Ich werde sehr gern gekitzelt und gedrückt.<br />

Man kann richtig mit mir toben.“ 73 a<br />

* Zur Verdeutlichung sind hier die eigentlichen Aktivitäten (Was tut die Person ? Lächeln, Laute von sich geben, usw.) von näheren Bestimmungen getrennt aufgeführt.<br />

+ Anmerkung v. Verf. d. <strong>Leitfaden</strong>s<br />

73 und 73 a BRAUN, Ursula und VOLLBRACHT, Timo S.: Ein Ich-Buch für Paule. In: Unterstützte Kommunikation 2 / 09 S. 35.


36<br />

Schaubild 16: Beispiele zu Herrn Berg 74<br />

VERHALTEN * von Herrn BERG Handlung von Person A<br />

nähere Bestimmungen<br />

Aktivität<br />

Bsp. 1<br />

- sitzen<br />

- umher - schauen<br />

--gerichtet auf das Umgebungsgeschehen - schauen<br />

- Blick wirkt wach<br />

- wirkt insgesamt ruhig und entspannt<br />

Interpretation:<br />

Ausdruck / Zustand<br />

von<br />

Wohlbefinden<br />

kein Handlungserfor<strong>der</strong>nis. Kontaktaufnahme und<br />

Unterbreiten eines Angebotes gut möglich<br />

Bsp. 2<br />

- sitzen<br />

- umher - schauen<br />

- ab und zu kurzzeitig - Augen schließen<br />

- Augen geschlossen<br />

halten<br />

- etwas hören und<br />

Augen öffnen<br />

Interpretation:<br />

Ausdruck eines<br />

Zustandes von Bereitschaft,<br />

auf kleine Verän<strong>der</strong>ungen in<br />

<strong>der</strong> Umwelt zu reagieren:<br />

AUFMERKSAMKEIT<br />

kein Handlungserfor<strong>der</strong>nis, jedoch Ansprache,<br />

Erläuterung <strong>der</strong> Situation und, wenn möglich und<br />

sinnvoll, aktives Einbeziehen in die Situation<br />

* Zur Verdeutlichung sind auch hier die eigentlichen Aktivitäten (Was tut die Person ? Sitzen, zappeln, schauen usw.) von näheren Bestimmungen getrennt aufgeführt.<br />

74 Persönliches Dialogbuch Herr Berg: Basis-Kategorie Wohlbefinden und Kategorie Aufmerksamkeit.


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

37<br />

>> Aspekte <strong>der</strong> Beschreibung<br />

- Die Beschreibung 1<br />

- Die Beschreibung 2<br />

- Die Beschreibung 1<br />

Die Beobachtungsperson nimmt statische 75 wie dynamische 76 Verhaltensweisen bzw. <strong>der</strong>en wechselseitigen Übergang wahr.<br />

Schaubild 17<br />

Wahrnehmung<br />

Sinnesbereich des Empfängers und<br />

Verhaltensbereich des Sen<strong>der</strong>s<br />

Bereich<br />

Beschreibung<br />

Verhaltensausführung (<strong>bei</strong>spielhaft)<br />

Glie<strong>der</strong>ungsmomente: räumlich, zeitlich - wie Phasen, Perioden, Dauer, Wie<strong>der</strong>holung,<br />

Unterbrechung - und Intensität, Stärke<br />

- qualifizierbar: was, wo, wie, wie sehr<br />

- quantifizierbar: wann, wie lange, wie oft, an<strong>der</strong>e Dimensionen<br />

hörbares<br />

Verhalten<br />

Laute (stimmlich erzeugte hörbare Äußerungen)<br />

Geräusche (an<strong>der</strong>e als stimmlich erzeugte hörbare<br />

Äußerungen; körpereigen und / o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s erzeugt)<br />

Unspezifisch: lautieren (ggf. lautmalende Beschreibung).<br />

Spezifisch: lachen, weinen, schreien, jammern, wimmern, brummen, summen, usw.<br />

Zähneknirschen, an<strong>der</strong>e mit dem Mund erzeugte Geräusche.<br />

Händeklatschen. Mit <strong>der</strong> Hand / <strong>der</strong> Faust auf etwas klopfen, an etwas kratzen,<br />

über etwas streichen. An<strong>der</strong>es<br />

75 Statisch ist relativ zu verstehen; Körperhaltungen wie stehen, sitzen, liegen, knien z. B. können als momentan „statische“ Verhaltensweisen betrachtet werden.<br />

76 Als dynamische Verhaltensweisen können alle ortsgebundenen Bewegungen, Fortbewegungen und Lautproduktionen (wie mit <strong>der</strong> Zunge schnalzen, Zähnknirschen, Lautieren, Sprechen, Singen) betrachtet werden.


38<br />

Fortsetzung Schaubild 17<br />

Wahrnehmung<br />

Verhaltensbereich<br />

Beschreibung<br />

Ausführung (<strong>bei</strong>spielhaft)<br />

sichtbares<br />

Verhalten<br />

Im Wesentlichen Bewegungen und Haltungen als<br />

quasi-statische Momente von Bewegungen (Kinesik)<br />

Gesicht<br />

Augenregion<br />

Augen<br />

Augenausdruck (allgemeiner Eindruck)<br />

Blickverhalten (einschließlich Blick ins<br />

Gesicht – sog. Blickkontakt)<br />

an<strong>der</strong>e (mimische) Regionen<br />

Gesichtsausdruck (allgemeiner Eindruck)<br />

Gesichtspartien<br />

Kiefer<br />

Mund<br />

Lippen<br />

Zunge<br />

Wange<br />

Nase - Nasenflügel<br />

Stirn<br />

Augenbrauen<br />

Augen halb / ganz geöffnet bzw. geschlossen, (wie<strong>der</strong>holt) halb / ganz öffnen bzw. schließen usw., tränen<br />

Wach, müde, abwesend, trüb, hell, fröhlich, traurig, ängstlich, interessiert, lebendig, offen, abweisend. starr,<br />

aufblitzen, etc.<br />

Blickrichtung halten / wechseln (spezifizieren: z. B. von Person zu Objekt und zurück bzw. unspezifisch diffus<br />

ohne erkennbaren Fokus). Verfolgt Personen, Gegenstände. Anblicken von ... (abreißend, konstant). Wegblicken<br />

von. Blick erwi<strong>der</strong>n.<br />

Offen, verschlossen, entspannt, schlaff, angespannt, ängstlich, freudig, überrascht etc.,<br />

blass / erblassen, gerötet / erröten, erschlaffen<br />

Aufeinan<strong>der</strong> gepresst, Kaubewegungen, (wie<strong>der</strong>holt) öffnen / schließen<br />

(leicht, ganz, weit) geschlossen / geöffnet, Speichelfluss<br />

Zusammengekniffen, geschürzt, in Bewegung<br />

Im Mund befindlich, heraushängend, Zunge herausstrecken, Zunge in Bewegung<br />

Glatt, gebläht / aufblähen, gerötet / erröten<br />

Rümpfen. - Gebläht / blähen<br />

Glatt, gerunzelt / runzeln<br />

Zusammen-, hochgezogen / zusammen-, hochziehen<br />

Rumpf und Extremitäten<br />

Kopf<br />

Rumpf<br />

Arme (einer, <strong>bei</strong>de)<br />

Mittig aufrecht, geneigt in Richtung ... , gedreht in Richtung ... , neigen, drehen, schütteln,<br />

hin- und herwerfen (Jaktationen), usw.<br />

Aufgerichtet, überstreckt, geneigt, gebeugt gekrümmt, zusammengesunken, gedreht, aufrichten,<br />

strecken, überstrecken, drehen, neigen Tonus, soweit n. Beobachtung beurteilbar: hoch, mittel, niedrig<br />

In Streckung am Rumpf angelehnt, in Streckung überkreuzt, stark gebeugt mit kopfwärts<br />

gerichteten Unterarmen, strecken, beugen, an<strong>der</strong>s bewegen, usw.


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

39<br />

Fortsetzung Schaubild 17<br />

Wahrnehmung<br />

Verhaltensbereich<br />

Beschreibung<br />

Ausführung (<strong>bei</strong>spielhaft)<br />

sichtbares<br />

Verhalten<br />

Hände (eine, <strong>bei</strong>de; auf sich selbst - Körper, eigene<br />

Kleidung- und / o<strong>der</strong> auf Objekte bezogen)<br />

Finger (einer, mehrere; auf sich selbst - Körper,<br />

eigene Kleidung - und / o<strong>der</strong> auf Objekte bezogen)<br />

Beine / Füße<br />

In Ruhe : geöffnet, geschlossen, gefaustet, auf dem Schoß liegend. In Bewegung: aneinan<strong>der</strong> reiben,<br />

wirken, wedeln , von sich wegdrücken, wegschieben, zu sich heranziehen, streichen, kratzen, klopfen,<br />

schlagen<br />

Stellung <strong>der</strong> Finger : gebeugt, gestreckt. Bewegungen <strong>der</strong> Finger : diffus, reiben aneinan<strong>der</strong>, bohren<br />

(z. B. am / an den, im / in den Auge / n). Finger am Mundraum, an den Lippen, im Mund, in den Mund<br />

nehmen<br />

In Analogie zu den oberen Extremitäten beschreiben<br />

sichtbares-fühlbares<br />

Verhalten<br />

Frau / Herr NN<br />

berührt Person A<br />

Raum-, Distanz-, Berührungsverhalten<br />

und Stellung von Frau / Herrn NN zu Person A<br />

etc. (Proxemik):<br />

Sich annähern, sich entfernen, nahe, entfernt, gegenüber, seitlich sein. In Kontakt kommen (Körperregion<br />

– eigene / mit <strong>der</strong> des Kommunikationspartners: berühren, anfassen an <strong>der</strong> Hand / am Arm, ziehen an<br />

<strong>der</strong> Kleidung, streicheln, tatschen, tätscheln, schlagen, boxen, stoßen, drücken), Kontakt lösen<br />

fühlbares<br />

Verhalten<br />

(auch Temperatur,<br />

Schweiß)<br />

Person A berührt<br />

Frau / Herrn NN<br />

und umgekehrt<br />

Körperspannung ( Tonus )<br />

Körpertemperatur / Hautoberfläche<br />

Wechselnd, hoch, mittel, niedrig, schlaff<br />

Kühl, warm, verschwitzt u. a.<br />

Atmung<br />

Regelmäßig, unregelmäßig, tief, flach, stoßweise, beschleunigt, verlangsamt, innehalten, röcheln,<br />

schnaufen


40<br />

- Die Beschreibung 2<br />

Die Beobachtungsperson nimmt sowohl einfache wie komplexe Verhaltensweisen<br />

wahr.<br />

Für solche, von den Formaspekten her gesehen, komplexe Verhaltensweisen eignet sich<br />

die verbale Beschreibung nur bedingt. Hier können Visualisierungen (Fotos o<strong>der</strong><br />

audiovisuelle Aufzeichnungen) mehr leisten als nur verbale Beschreibungen des<br />

betreffenden Verhaltens.<br />

Einfache Verhaltensweisen lassen sich leicht beschreiben, so dass <strong>der</strong> Adressat auf<br />

Grund <strong>der</strong> Beschreibung unschwer eine Vorstellung vom Verhalten gewinnen und in<br />

<strong>der</strong> Realität eine Übereinstimmung zwischen beschriebenem und tatsächlichem<br />

Verhalten erkennen kann wie z. B.:<br />

~ Person hat ihren Mund geöffnet / geschlossen<br />

~ Person hat ihre Augen geöffnet<br />

~ Person wendet ihren Kopf nach rechts (von ihr aus gesehen)<br />

~ Person schaukelt mit dem Rumpf leicht und rhythmisch vor und zurück<br />

Komplexere Verhaltensweisen lassen sich nicht so leicht beschreiben, so dass <strong>der</strong><br />

Adressat nicht ohne Weiteres eine Vorstellung vom Verhalten gewinnen und in <strong>der</strong><br />

Realität eine Übereinstimmung zwischen beschriebenem und tatsächlichem Verhalten<br />

erkennen kann.<br />

Beispiel Herr Berg:<br />

Das Verhalten wird von Beobachtungspersonen beschrieben als ein „Ineinan<strong>der</strong>wringen“<br />

o<strong>der</strong> auch „Ineinan<strong>der</strong>reiben“ <strong>der</strong> Hände:<br />

Die Handinnenflächen liegen aufeinan<strong>der</strong>. Die obere Hand ist da<strong>bei</strong> um ca. 90 Grad mit<br />

den Fingerspitzen gegenüber <strong>der</strong> unteren Hand in Richtung <strong>der</strong>en Daumen gedreht.<br />

Die Finger <strong>bei</strong><strong>der</strong> Hände sind gebeugt und berühren da<strong>bei</strong> die Handaußenfläche <strong>der</strong><br />

jeweilig an<strong>der</strong>en Hand. Als „Wringen“ o<strong>der</strong> „Reiben“ werden dann unterschiedliche<br />

Bewegungen <strong>der</strong> Hände beschrieben, <strong>der</strong>en Gemeinsamkeit darin besteht, dass die o.b.<br />

Lage <strong>der</strong> Hände und Finger zueinan<strong>der</strong> sich vom Grund her nicht o<strong>der</strong> nur minimal verän<strong>der</strong>t.<br />

Die Intensität <strong>der</strong> Bewegung jedoch (Bewegungsgeschwindigkeit und Druck<br />

<strong>der</strong> Hände aufeinan<strong>der</strong>) korrespondierend mit <strong>der</strong> Intensität von Hin- und Herbewegungen<br />

z. B. des Kopfes (hier nicht näher beschrieben), ist ausschlaggebend für die Interpretation<br />

in den Polen positiv / neutral - negativ.


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

41<br />

> Die Interpretation und die Bedeutungskategorien (Von Interpretationen zu Kategorien)<br />

>> Die Gewinnung von Kategorien<br />

>> Die Zusammenfassung von Interpretationen mit gleichem Bedeutungsgehalt in<br />

einer Kategorie<br />

>> Die Klassifizierung von Kategorien<br />

Mittels <strong>der</strong> Kategorien werden die Interpretationen beobachteter Verhaltensweisen<br />

von Frau / Herrn NN auf einen (Alltags-) Begriff gebracht. Jedoch lassen sich nicht alle<br />

Verhaltensweisen von Frau / Herrn NN ja unbedingt umstandslos und dazu noch eindeutig<br />

Bedeutungskategorien (wie z. B. Freude, Zustimmung, Aufmerksamkeit, Kontaktbedürfnis<br />

usw. usf.) zuordnen. Als Annäherung und Vorbereitung zur Bildung von Kategorien<br />

kann die polige Unterscheidung und Zuordnung von Verhalten hilfreich sein.<br />

Schaubild 18: Beispiel Frau M. 77<br />

Situation<br />

Verhaltensweisen<br />

- Frau M. wird angesprochen<br />

(verbale und taktile Signalisation)<br />

- lässt Berührung zu<br />

- Durchführung einer Aktivität mit behin<strong>der</strong>ungsbedingt<br />

notwendiger physischer Führungshilfe<br />

an Armen o<strong>der</strong> Händen, um in Kontakt mit<br />

einem Objekt (z. B. einem Ar<strong>bei</strong>tsmittel zur<br />

Durchführung eines Beschäftigungsangebotes)<br />

kommen zu können<br />

- lässt Führung von Arm / Hand zu<br />

- lässt im Tonus nach (keine o<strong>der</strong> geringe Beugetendenz <strong>der</strong><br />

Ellenbogengelenke)<br />

- hält den Kopf kurzzeitig mittig<br />

- hält Augen geöffnet<br />

- Mimik wirkt entspannt (insbeson<strong>der</strong>e Augenbrauen, Stirn)<br />

- hat Mund leicht geöffnet o<strong>der</strong> geschlossen<br />

- zieht die Arme stark zurück in Beugehaltung<br />

- wendet den Kopf ab<br />

- Mimik wirkt angespannt<br />

- Mittagessen; nach erfolgter positiv beantworteter<br />

Ansprache (s. o.) wird Frau M. die<br />

Nahrung mit dem Löffel dargereicht<br />

INTERPRETATION<br />

- hält den Kopf kurzzeitig mittig<br />

- öffnet den Mund <strong>bei</strong> Lippenkontakt mit dem Löffel<br />

- nimmt Nahrung auf<br />

- kaut, schluckt<br />

neutral / positiv<br />

(Gelassenheit, Offenheit, Annäherung, Beharrung, Bejahung,<br />

dem Augenschein nach angenehm anmutend)<br />

- wendet den Kopf ab<br />

- hält <strong>bei</strong> Lippenkontakt mit dem Löffel den Mund geschlossen<br />

negativ<br />

(Ver- / Anspannung, Rückzug, Abwehr, Beharrung, Verneinung,<br />

dem Augenschein nach unangenehm anmutend)<br />

77 Beispiel aus <strong>der</strong> Praxis


42<br />

>> Die Gewinnung von Kategorien a<br />

Eine Bedeutungs-Kategorie kann durch eine o<strong>der</strong> mehrere Verhaltensweisen<br />

(Kombinationen von Verhaltensweisen) indiziert sein.<br />

>> Die Zusammenfassung von Interpretationen mit gleichem Bedeutungsgehalt<br />

in einer Kategorie<br />

Verhaltensweisen (einzelne o<strong>der</strong> in Kombination), die vom Gehalt her als bedeutungsgleich<br />

interpretiert werden, können in einer Bedeutungskategorie zusammengefasst<br />

werden.<br />

Schaubild 19: Index-System - Beispiel 18<br />

Schaubild 20: Beispiele<br />

VERHALTEN<br />

Interpretationen von Verhalten<br />

Kategorie<br />

KATEGORIE<br />

Bereich<br />

sichtbares Verhalten<br />

Beobachtung konkreter<br />

Verhaltensweisen<br />

sitzt und streckt abwechselnd<br />

die Beine von sich und zieht sie<br />

wie<strong>der</strong> heran<br />

schaukelt da<strong>bei</strong> mit dem Rumpf<br />

vor und zurück<br />

kratzt gelegentlich an erreichbaren<br />

Objekten<br />

„grimassiert“<br />

„Vorfreude auf etwas“, „freudig“,<br />

„Freude über etwas“, „freut sich (auf / über)“<br />

„ärgerlich“, „ärgert sich (über)“,<br />

„verärgert (sein)“<br />

„langweilt sich“, „ihr / ihm ist langweilig“,<br />

„gelangweilt (sein)“<br />

FREUDE<br />

ÄRGER<br />

LANGEWEILE<br />

hörbares Verhalten<br />

Ø<br />

LANGEWEILE<br />

fühlbares Verhalten<br />

Ø<br />

Atmung<br />

Ø<br />

78 Siehe dazu: Persönliches Dialogbuch Herr Berg; Kategorie Langeweile.


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

43<br />

>> Die Klassifizierung von Kategorien<br />

- Basis-Kategorien<br />

- Weitere Kategorien<br />

- Basis-Kategorien 79<br />

-- Die (sechs) Basis-Kategorien im Überblick<br />

-- Die (sechs) Basis-Kategorien im Einzelnen<br />

-- Die (sechs) Basis-Kategorien im Überblick<br />

Zu Beginn eines Dialogbuchs sollten einige grundsätzliche Fragen beantwortet werden<br />

können. Sind Verhaltensweisen beobachtbar, die:<br />

~ als Kontaktaufnahme interpretiert werden könnten ?<br />

~ als Reaktion / en auf Kontaktaufnahme zu ihr / ihm interpretiert werden könnten ?<br />

~ den Eindruck erwecken, dass sie / er sich wohl fühle<br />

~ den Eindruck erwecken, dass sie / er sich unwohl fühle ?<br />

~ als Zustimmung interpretiert werden könnten ?<br />

~ als Ablehnung interpretiert werden könnten ?<br />

Die Beantwortung dieser Fragen soll je<strong>der</strong> Person möglichst schnell und unkompliziert<br />

einen Zugang zu Frau / Herrn NN ermöglichen und vielleicht anfängliche Ratlosigkeit<br />

und / o<strong>der</strong> Missverständnisse vermeiden o<strong>der</strong> verringern helfen.<br />

-- Die (sechs) Basis-Kategorien im Einzelnen 80<br />

Kontaktaufnahme<br />

Definition und Beobachtungsgrundlage<br />

Die Kategorie bezieht sich auf diejenigen beobachtbaren Verhaltensweisen von Frau /<br />

Herrn NN, welche von <strong>der</strong> sie / ihn beobachtenden Person als Kontaktaufnahme zu<br />

jemandem interpretiert werden.<br />

Reaktion / en auf Kontaktaufnahme<br />

Definition und Beobachtungsgrundlage<br />

Die Kategorie bezieht sich auf diejenigen beobachtbaren Verhaltensweisen von Frau /<br />

Herrn NN, welche von <strong>der</strong> sie / ihn beobachtenden Person als Reaktion auf Ansprache<br />

an Frau / Herrn NN interpretiert werden (z. B. aufmerken, sich orientieren).<br />

Wohlbefinden<br />

Definition und Beobachtungsgrundlage<br />

Die Kategorie bezieht sich auf diejenigen beobachtbaren Verhaltensweisen von Frau /<br />

Herrn NN, welche <strong>bei</strong> <strong>der</strong> die sie / ihn beobachtende Person den Eindruck gewinnt, dass<br />

Frau / Herrn NN sich innerhalb des gegenwärtigen Umfeldes und / o<strong>der</strong> des vorgängigen<br />

Ereigniszusammenhanges in einem von ihr / ihm subjektiv befriedigend erlebten körperlichen<br />

und psychischen Zustand befinde. Die zwischenpersönliche Situation ist da<strong>bei</strong><br />

interaktionsfrei. Die beobachtende Person nimmt Frau / Herrn NN aus <strong>der</strong> räumlichen<br />

Distanz wahr.<br />

79 Die Kategorien „Kontaktaufnahme – Reaktion/en auf Kontaktaufnahme“, „Wohlbefinden“ – „Unwohlsein“,<br />

„Zustimmung“ – „Ablehnung“ werden hier wegen ihrer Wichtigkeit als „Basis“ - Kategorien bezeichnet.<br />

80 Die Entscheidung darüber, welche und wie viele Kategorien zu Basiskategorien zu rechnen sind, liegt <strong>bei</strong> denjenigen,<br />

die ein Persönliches Dialogbuch erstellen wollen.


44<br />

Unwohlsein<br />

Definition und Beobachtungsgrundlage<br />

Die Kategorie bezieht sich auf diejenigen beobachtbaren Verhaltensweisen von Frau<br />

/ Herrn NN, welche <strong>bei</strong> <strong>der</strong> die sie / ihn beobachtende Person den Eindruck gewinnt,<br />

dass Frau / Herrn NN sich innerhalb des gegenwärtigen Umfeldes und / o<strong>der</strong> vorgängigen<br />

Ereigniszusammenhanges in einem von ihr / ihm subjektiv unbefriedigend erlebten<br />

körperlichen und psychischen Zustand befinde. Die zwischenpersönliche Situation ist<br />

da<strong>bei</strong> interaktionsfrei. Die beobachtende Person nimmt Frau / Herrn NN aus <strong>der</strong> räumlichen<br />

Distanz wahr.<br />

Zustimmung<br />

Definition und Beobachtungsgrundlage<br />

Die Kategorie bezieht sich auf beobachtbare Verhaltensweisen von Frau / Herrn NN in<br />

interaktiven Situationen, in denen die sie / ihn beobachtende Person den Eindruck<br />

gewinnt, dass Frau / Herrn NN auf die jeweilige Situation als Ganzes bzw. auf bestimmte<br />

Momente positiv reagiere (tendenzielle bzw. eindeutige Hin - zu - Reaktion).<br />

- Weitere Kategorien<br />

Alle weiteren Verhaltensweisen mit erkannten o<strong>der</strong> vermuteten voneinan<strong>der</strong> abgrenzbaren<br />

Bedeutungen werden jeweils in weiteren eigenen Kategorien zusammengefasst.<br />

Zwei Beispiele aus dem Persönlichen Dialogbuch Herr Berg:<br />

Kategorie<br />

Situation 1:<br />

Verhalten:<br />

Handlungsmöglichkeit:<br />

Wunsch / Bedürfnis<br />

Mittagessen<br />

Herr Berg zieht wie<strong>der</strong>holt die Hand <strong>der</strong> Unterstützungsperson, die den<br />

Löffel mit <strong>der</strong> Speise hält, zu sich an den Mund und schiebt sie sogleich<br />

wie<strong>der</strong> weg. Da<strong>bei</strong> dreht er auch öfter den Kopf zur Seite. (Die beobachtende<br />

Person interpretiert das als „Wunsch nach etwas an<strong>der</strong>em als<br />

nach dem, was ihm gerade angeboten wird“).<br />

Man kann als Alternative etwas an<strong>der</strong>es zu essen o<strong>der</strong> etwas zu trinken<br />

anbieten.<br />

Ablehnung<br />

Definition und Beobachtungsgrundlage<br />

Die Kategorie bezieht sich auf beobachtbare Verhaltensweisen von Frau / Herrn NN in<br />

interaktiven Situationen, in denen die sie / ihn beobachtende Person den Eindruck<br />

gewinnt, dass Frau / Herrn NN auf die jeweilige Situation als Ganzes bzw. auf bestimmte<br />

Momente darin negativ reagiere (tendenzielle bzw. eindeutige Weg - von - Reaktion).<br />

Situation 2:<br />

Verhalten:<br />

Handlungsmöglichkeit:<br />

Herr Berg sitzt am gedeckten Tisch. Neben ihm sitzt eine Person.<br />

Herr Berg berührt o<strong>der</strong> kratzt leicht die Hand o<strong>der</strong> den Arm <strong>der</strong> Person,<br />

die neben ihm sitzt.<br />

Ansprechen, dass man verstanden habe, dass er mit dem Essen beginnen<br />

bzw. es fortsetzen wolle und leistet dementsprechend Unterstützung.<br />

81 Es wird hier nicht unterschieden zwischen teilnehmen<strong>der</strong> (die beobachtende Person ist selbst am Interaktionsgeschehen<br />

beteiligt) und nicht teilnehmen<strong>der</strong> Beobachtung (die beobachtende Person nimmt selbst nicht am Interaktionsgeschehen<br />

teil).


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

45<br />

Kategorie<br />

Situation:<br />

Verhalten:<br />

Aufmerksamkeit<br />

Die Situation ist nicht interaktiv, aber es geschieht etwas in <strong>der</strong> unmittelbaren<br />

Umgebung (z. B. eine Person betritt den Raum, o<strong>der</strong> es findet dort<br />

zwischen an<strong>der</strong>en ein Gespräch o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>e Aktivität statt, o<strong>der</strong> es<br />

entsteht ein Geräusch durch eine angeschaltete Maschine im Werkstattbereich<br />

u. ä.).<br />

Herr Berg sitzt und schaut umher. Sein Blick wirkt wach, und er schaut<br />

gerichtet auf das Umgebungsgeschehen. Da<strong>bei</strong> wirkt er ruhig und<br />

entspannt.<br />

> Die mündliche Befragung<br />

>> Der Gegenstand <strong>der</strong> Befragung<br />

>> Das Erfragen <strong>der</strong> Basiskategorien<br />

>> Der generelle Ablauf einer Befragung (Von tatsächlichen Sachverhalten<br />

zur Darstellung <strong>der</strong> Sachverhalte)<br />

Handlungs- Man kann Herrn Berg ansprechen, ihm die Situation erläutern o<strong>der</strong> auch<br />

möglichkeit: versuchen, <strong>der</strong> Situation entsprechend, ihn mit einzubeziehen.<br />

Grundlage <strong>der</strong> Informationssammlung bildet die mündliche Befragung <strong>der</strong> Personen,<br />

die Frau / Herrn NN kennen. Die Befragung sollte gleichsam wie ein persönliches Gespräch<br />

verstanden und geführt werden.<br />

Die Informationen, die die befragten Personen übermitteln, stützen sich zuerst einmal<br />

auf <strong>der</strong>en Erinnerungen. In Zweifelsfällen, <strong>bei</strong> Unschärfen und Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten<br />

sollte daher die Möglichkeit gegeben sein, gezielte Beobachtungen entwe<strong>der</strong> durch die<br />

interviewende o<strong>der</strong> die befragte Person selbst o<strong>der</strong> auch eine dritte Person durchzuführen.


46<br />

>> Der Gegenstand <strong>der</strong> Befragung<br />

Die vier Komponenten und <strong>der</strong>en wechselseitige Zusammenhänge (repräsentiert durch<br />

diese Doppelpfeile; d. h. die Befragung kann von je<strong>der</strong> Komponente ausgehen<br />

und zu je<strong>der</strong> Komponente hinführen, um sich dem Gesamtzusammenhang anzunähern)<br />

bilden den Gegenstand <strong>der</strong> Befragung.<br />

Schaubild 21<br />

Frau / Herr NN und Person NN<br />

in zwischenpersönlichen Situationen<br />

Frau / Herr NN verhält sich<br />

(kommuniziert damit etwas)<br />

- sichtbares<br />

Lebensbereiche<br />

und die konkreten<br />

Situationen dort<br />

Zwischenpersönliche<br />

Situationen<br />

(s. Watzlawick, Beavin, Jackson)<br />

Weisen von<br />

Frau / Herrn NN,<br />

sich zu äußern<br />

(s. Mall)<br />

- hörbares<br />

- fühlbares<br />

Verhalten und die<br />

- Atmung<br />

Interpretationen<br />

des Verhaltens / <strong>der</strong><br />

Verhaltensweisen<br />

Einen Sinn<br />

haben für die Weisen von<br />

Frau / Herrn NN, sich zu äußern<br />

(s. Mall)<br />

Antworten<br />

auf die Weisen von<br />

Frau / Herrn NN, sich zu äußern<br />

(s. Mall)<br />

Handlungen als<br />

Reaktionenauf die<br />

Verhaltensweisen<br />

Person NN interpretiert das Verhalten von<br />

Frau / Herrn NN (Zuschreibung einer Bedeutung)<br />

(Verhalten wird als Ausdruck eines Zustandes /<br />

einer Befindlichkeit o<strong>der</strong> direkt als Appell zum<br />

Handeln verstanden)<br />

Person NN handelt gemäß ihrer<br />

Interpretationen


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

47<br />

Die Befragung muss nicht zwingend dem rechten Schema folgen. Es kann ebenso<br />

sinnvoll und zielführend sein die Komponenten in an<strong>der</strong>er als <strong>der</strong> obigen Abfolge<br />

nach zu erfragen:<br />

SITUATION VERHALTEN HANDLUNG<br />

INTERPRETATION<br />

Schaubild 22: Beispiele für mögliche, nicht festgelegte Fragerichtungen<br />

VERHALTEN<br />

INTERPRETATION<br />

Welche Verhaltensweisen können beobachtet werden und welche davon<br />

haben eine / welche Bedeutung? (Welchen Bedeutungen entsprechen welche<br />

Verhaltensweisen ?)*<br />

SITUATION<br />

VERHALTEN<br />

INTERPRETATION<br />

In welchen Situationen wird welches Verhalten beobachtet, und was bedeutet das Verhalten<br />

dann ? (Welches Verhalten tritt in welchen Situationen in welchen Bedeutungen auf ?<br />

Welche Bedeutung / en hat welches Verhalten in welchen Situationen ?)**<br />

VERHALTEN<br />

HANDLUNG<br />

INTERPRETATION<br />

Welche Handlungen folgen auf welches Verhalten mit welcher Bedeutung ?<br />

SITUATION<br />

VERHALTEN<br />

Gibt es ausschließlich situationsgebundene o<strong>der</strong> auch (verallgemeinerte)<br />

situationsübergreifende /-unabhängige Verhaltensweisen ?<br />

( … ) * und ( … ) ** : Beispiele für alternative Fragemöglichkeiten<br />

und<br />

: Fragerichtungen<br />

Schaubild 22 a: Festgelegte Fragerichtung Basiskategorien (siehe auch nachfolgendes Schaubild 23)<br />

BASIS-<br />

KATEGORIEN<br />

VERHALTEN<br />

Welchen Bedeutungskategorien entsprechen welche Verhaltensweisen ?


48<br />

>> Die Erfragung <strong>der</strong> Basiskategorien<br />

Einzig die Basiskategorien werden vorgegeben und gefragt, ob und welche Verhaltensweisen<br />

diese indizieren.<br />

Schaubild 23<br />

Hier wird die Basiskategorie Kontaktaufnahme durch drei sichtbare Verhaltensweisen indiziert.<br />

VERHALTEN<br />

Bereich<br />

konkrete Verhaltensweisen<br />

BASISKATEGORIEN<br />

sichtbares Verhalten<br />

Beschreibung von Verhaltensweise A<br />

Beschreibung von Verhaltensweise B<br />

Beschreibung von Verhaltensweise C<br />

- Kontaktaufnahme hörbares Verhalten Weiter verfahren wie oben :<br />

Weiter verfahren wie oben<br />

<strong>bei</strong> Kontaktaufnahme:<br />

- Reaktion auf Kontaktaufnahme<br />

- Wohlbefinden fühlbares Verhalten<br />

- Unwohlsein<br />

- Zustimmung<br />

Atmung


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

49<br />

>> Der generelle Ablauf einer Befragung (Von tatsächlichen Sachverhalten zur<br />

Darstellung <strong>der</strong> Sachverhalte)<br />

> Der Einsatz technischer Mittel<br />

Die technische Ausstattung, die vorhandenen Kenntnisse, Erfahrungen und die damit<br />

verbundenen Möglichkeiten sind sicherlich sehr unterschiedlich. Dennoch darf heute<br />

wohl davon ausgegangen werden, dass zumindest Bildkameras, wenn nicht sogar auch<br />

Camcor<strong>der</strong> verfügbar sind.<br />

Schaubild 24<br />

Interviewer / in<br />

Gesprächssituation<br />

Fragen,<br />

Schil<strong>der</strong>ungen,<br />

Rückfragen<br />

Befragte Person / en<br />

Wie schon angedeutet, kann es zum besseren Verständnis sinnvoll o<strong>der</strong> vielleicht sogar<br />

notwendig sein, die verbale Darstellung visuell zu illustrieren.<br />

Dazu können je nach den vorhandenen Möglichkeiten Bil<strong>der</strong>serien 82 und Videosequenzen<br />

entwe<strong>der</strong> in das Dialogbuch selbst eingefügt o<strong>der</strong> mit entsprechen<strong>der</strong> Kennzeichnung<br />

dort dem Dialogbuch <strong>bei</strong>gefügt werden.<br />

Informationsaufnahme<br />

Informationsübermittlung<br />

(= erfragen)<br />

(= berichten)<br />

Informationsspeicherung<br />

(= protokollieren <strong>der</strong> Darstellungen seitens<br />

<strong>der</strong> befragten Person/en)<br />

Informationsspeicherung<br />

(= erinnern an / ggf. aktuell überprüfen von<br />

zwischenpersönlicher / en Situation / en)<br />

Informationsbear<strong>bei</strong>tung<br />

(= ordnen entsprechend dem Aufbau<br />

und Inhalt des<br />

Persönlichen Dialogbuches)<br />

Wahrnehmung und Interpretation<br />

(= beobachten von zwischenpersönlichen<br />

Situationen)<br />

Darstellung zwischenpersönlicher<br />

Situationen<br />

(= schriftlich und - so erfor<strong>der</strong>lich - visuell<br />

die aufbereiteten Informationen im<br />

Persönlichen Dialogbuch präsentieren)<br />

Tatsächliche zwischenpersönliche<br />

Situationen<br />

(= Beisammensein von Frau / Herr NN<br />

mit an<strong>der</strong>er / en Person / en)<br />

82 Mit Bil<strong>der</strong>serien zwischen vier und sechs Bil<strong>der</strong>n (Beginn, Mitte und Ende einer Verhaltenssequenz mit Bedeutung) je<br />

Serie können Sequenzen zumeist so visualisiert werden, dass NutzerInnen des Dialogbuches eine Vorstellung vom<br />

Verhalten von Frau / Herrn NN gewinnen können.


50<br />

Schritt 2<br />

Die Aufbereitung aller Arten von Informationen aus den verschiedenen Lebensbereichen<br />

und <strong>der</strong>en Darstellung von <strong>der</strong> o<strong>der</strong> den im Ar<strong>bei</strong>tsplan benannten Person / en<br />

> Einige formale Aspekte<br />

> Einige inhaltliche Aspekte<br />

> Einige formale Aspekte<br />

>> Die Glie<strong>der</strong>ung des Persönlichen Dialogbuches<br />

>> Visualisierungen<br />

>> Die Glie<strong>der</strong>ung des Persönlichen Dialogbuches<br />

Mit <strong>der</strong> mündlichen Befragung und gegebenenfalls visuellen und / o<strong>der</strong> audiovisuellen<br />

Darstellung zwischenpersönlicher Situationen aus den verschiedenen Lebensbereichen<br />

ist die Informationssammlung soweit abgeschlossen, dass die Informationen zusammengeführt<br />

und aufbereitet werden können. Die Aufbereitung <strong>der</strong> Informationen<br />

erfolgt nach formalen und inhaltlichen Aspekten 83 , wo<strong>bei</strong> <strong>bei</strong>de Aspekte nicht als<br />

völlig getrennt voneinan<strong>der</strong> zu verstehen sind.<br />

- Allgemeine Beschreibung<br />

-- Grundsätze des Dialogbuches<br />

-- Idee, Ziel und Zweck des Dialogbuches<br />

-- Für wen ist das Dialogbuch gedacht?<br />

-- Wie ist das Dialogbuch inhaltlich aufgebaut?<br />

-- Wie ist das Dialogbuch zu verstehen?<br />

-- Kategorien<br />

--- Basiskategorien<br />

--- Weitere Kategorien<br />

- Konkrete Beschreibung und Visualisierung<br />

-- Befragte Lebensbereiche und Erhebungsdaten<br />

-- Kategorien – Basiskategorien<br />

1. Kontaktaufnahme<br />

1.1. Definition und Beobachtungsgrundlage<br />

1.2. Verhalten von Frau / Herrn NN aus <strong>der</strong> Distanz zur / zu an<strong>der</strong>en Person / en<br />

1.3. Handlungsmöglichkeiten<br />

1.4. An<strong>der</strong>e Interpretationsmöglichkeiten<br />

Fortsetzung: Basiskategorien 1. Kontaktaufnahme<br />

83 Als Modell dient das Persönliche Dialogbuch Herr Berg. Wie schon eingangs erwähnt, soll dieses Dialogbuch als<br />

Orientierungshilfe dienen und keine Vorschrift darstellen. Die Entscheidung, wie differenziert die Glie<strong>der</strong>ung und<br />

Darstellung letztlich sein soll, liegt <strong>bei</strong> denjenigen, die ein Dialogbuch erstellen wollen. Als Kriterien sollten da<strong>bei</strong><br />

die Brauchbarkeit im Alltag - wie Handhabbarkeit und Verständlichkeit - , die begriffliche Konsistenz und ein gedanklich<br />

nachvollziehbarer (theoretischer) Bezugsrahmen gelten.<br />

1.1. wie oben<br />

1.2. Verhalten von Frau / Herrn NN im Nahraum zur / zu an<strong>der</strong>en Person / en<br />

1.3. u. 1. 4. formal weiter wie oben


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

51<br />

2. Reaktionen von Frau / Herrn NN auf Kontaktaufnahme<br />

2.1. Definition und Beobachtungsgrundlage<br />

2.2. Situation: Ansprache aus <strong>der</strong> Distanz<br />

2.3. Verhalten<br />

2.4.Handlungsmöglichkeiten<br />

2.5. An<strong>der</strong>e Interpretationen<br />

Fortsetzung: Basiskategorien 2. Reaktionen von Frau / Herrn NN auf Kontaktaufnahme<br />

2.1. wie oben<br />

2.2. Situation: Ansprache im Nahraum<br />

2.3. bis 2.5. formal weiter wie oben<br />

3. Wohlbefinden<br />

3.1. Definition und Beobachtungsgrundlage<br />

3.2. Verhalten<br />

3.3. Handlungsmöglichkeiten<br />

3.4.An<strong>der</strong>e Interpretationsmöglichkeiten<br />

4. Unwohlsein<br />

4.1. Definition und Beobachtungsgrundlage<br />

4.2. bis 4. 4. formal weiter wie oben<br />

5. Zustimmung.<br />

5.1. Definition und Beobachtungsgrundlage<br />

5.2. Situation<br />

5.3. Verhalten<br />

5.4.Handlungsmöglichkeiten<br />

5.5. An<strong>der</strong>e Interpretationsmöglichkeiten<br />

6. Ablehnung<br />

6.1. bis 6.5. formal weiter wie <strong>bei</strong> Zustimmung<br />

Die Reihenfolge <strong>der</strong> Beschreibungen von Kategorien – Basiskategorien und Weiteren<br />

Kategorien folgen in <strong>der</strong> Regel wie unten aufgeführt<br />

Schaubild 25<br />

KATEGORIE:<br />

Bei situationsübergreifendem Verhalten beginnt die Beschreibung mit dem Verhalten<br />

Schaubild 25 a<br />

KATEGORIE:<br />

SITUATION VERHALTEN HANDLUNG<br />

VERHALTEN<br />

HANDLUNG<br />

-- Weitere Kategorien


52<br />

>> Visualisierungen<br />

Können aus technischen Gründen keine Fotos in das Dialogbuch selbst eingefügt<br />

werden, so sollte an entsprechen<strong>der</strong> Stelle ein Verweis auf das Bildmaterial vorgenommen<br />

werden. Desgleichen für etwaige audiovisuelle Darstellungen.<br />

Schaubild 26: Beispiel<br />

Kategorie<br />

(Benennung)<br />

Situation<br />

(Beschreibung)<br />

Verhalten von Frau / Herrn NN<br />

(Beschreibung)<br />

Visualisierungen (Fotos) eingefügt:<br />

Hinweise auf Visualisierungen, wenn<br />

nicht an entsprechen<strong>der</strong> Stelle einfügbar:<br />

- Bil<strong>der</strong>: Seite ..., Nummer / n ...<br />

- Video: Seite ..., Nummer / n ...<br />

Handlungsmöglichkeiten<br />

(Beschreibung)<br />

An<strong>der</strong>e Interpretationen<br />

(Benennung)<br />

Seitenzahl


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

53<br />

> Einige inhaltliche Aspekte<br />

>> Verhalten / Verhaltensweisen als Kommunikation interpretiert<br />

>> Verhalten an<strong>der</strong>s interpretiert<br />

>> Beschreibung von Verhalten / Verhaltensweisen<br />

>> Verhalten / Verhaltensweisen als Kommunikation interpretiert<br />

Der / die Kommunikationspartner / in versteht / interpretiert das von ihr / ihm beobachtete<br />

aktuelle Verhalten von Frau / Herrn NN als Ausdruck ihres / seines Zustandes,<br />

ihrer / seiner Befindlichkeit und / o<strong>der</strong> als Appell an die Kommunikationspartnerin /<br />

den Kommunikationspartner (Verhalten hat für die Beobachtungsperson Auffor<strong>der</strong>ungscharakter).<br />

Schaubild 27: Beispiel 84<br />

Zwischenpersönliche Situation<br />

(s. Watzlawick, Beavin, Jackson)<br />

Mittagessen:<br />

Die Unterstützungsperson sitzt<br />

während des Essens neben Herrn<br />

Berg und füllt den Löffel bzw. nimmt<br />

die Speise mit <strong>der</strong> Gabel auf und hält<br />

dann ihren Arm so, dass Herr Berg ihn<br />

anfassen und festhalten kann.<br />

Weisen von Herrn B.,<br />

sich zu äußern<br />

(s. Mall)<br />

Herr Berg ergreift und führt den<br />

Arm <strong>der</strong> Unterstützungsperson in einer<br />

Weise, dass <strong>der</strong> Löffel seinen Mund<br />

erreicht und er die Speise aufnehmen<br />

kann. Sobald er die Speise aufgenommen<br />

hat, lässt er den Arm wie<strong>der</strong><br />

los.<br />

Einen Sinn<br />

haben für<br />

die Weisen<br />

von Herrn B.,<br />

sich zu äußern<br />

(s. Mall)<br />

Hr. B. tut mit / lässt sich ein<br />

(Kategorie: Zustimmung)<br />

Antworten auf die Weisen<br />

von Herrn B., sich zu äußern<br />

(Mall)<br />

Die gemeinsame Aktivität<br />

(Unterstützung / Mittun) kann<br />

fortgesetzt werden<br />

Konsequenz / Rückmeldung ( Versuch einer Versprachlichung ):<br />

„Ich verstehe Ihr Verhalten, Herr B., als Ihre Weise, in <strong>der</strong> Sie Zustimmung äußern: ,Ja, ich möchte essen und die Form <strong>der</strong> Unterstützung ist dafür geeignet’.“<br />

84 Dialogbuch Herr Berg: Basiskategorie Zustimmung.


54<br />

>> Verhalten an<strong>der</strong>s interpretiert 85 :<br />

Dasselbe Beispiel: Herr Berg 86<br />

Schaubild 28<br />

Natürlich kann Verhalten<br />

unterschiedlich interpretiert<br />

werden; hier z. B.:<br />

als soziale Kompetenz 87<br />

als sachliche Kompetenz 88<br />

als Teilselbständigkeit<br />

als psychomotorische Kompetenz<br />

als Handlung 89<br />

als Ausdruck von (Hunger haben)<br />

u. a. m.<br />

Soziale<br />

Kompetenz<br />

(hier: Bereitschaft zur<br />

Aktivitätskoordination)<br />

Grad <strong>der</strong><br />

Selbständigkeit<br />

(hier: teilselbständig)<br />

Ausdruck von<br />

(hier: Hunger haben)<br />

Verhalten<br />

Herr Berg ergreift und führt den Arm <strong>der</strong><br />

Unterstützungsperson in einer Weise, dass <strong>der</strong><br />

Löffel seinen Mund erreicht und er die Speise<br />

aufnehmen kann. Sobald er die Speise<br />

aufgenommen hat, lässt er den Arm wie<strong>der</strong> los.<br />

Sachliche<br />

Kompetenz<br />

Psychomotorische<br />

Fähigkeit<br />

Verhaltenstyp<br />

(hier: Handlung)<br />

85 Diese Fassungen überschreiten natürlich den sonst für das Persönliche Dialogbuch geltenden engeren Definitionsrahmen<br />

für Verhalten und Handlung (siehe dazu im <strong>Leitfaden</strong> Schaubild 8 und Schaubild 8 a).<br />

86 Dialogbuch Herr Berg: Zustimmung.<br />

87 Soziale Kompetenzen werden als spezifische Verhaltensweisen in Bezug auf Interaktionen zwischen Menschen innerhalb<br />

eines bestimmten Umfeldes und / o<strong>der</strong> innerhalb eines bestimmten Ereigniszusammenhanges verstanden (hier: die<br />

Fähigkeit, die eigene Aktivität mit <strong>der</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Person zu koordinieren).<br />

88 Sachliche Kompetenzen werden als spezifische Verhaltensweisen in Bezug auf kognitive und psychomotorische<br />

Leistungen im Rahmen unterschiedlicher Arten von Aktivitäten verstanden, durch die <strong>der</strong> Grad sachadäquater<br />

Aufgabendurchführung angezeigt wird. Sachliche Kompetenzen umfassen alle kognitiven und psychomotorischen<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zur Bewältigung des sachlichen Aspektes einer Aktivität erfor<strong>der</strong>liche sind; mit den<br />

Merkmalen <strong>der</strong> Planungs-, Ausführungs- und Kontrollfähigkeit. Diese können <strong>bei</strong> einer (behin<strong>der</strong>ten) Person im Einzelnen<br />

in sehr unterschiedlichen Graden entwickelt bzw. beeinträchtigt sein.<br />

89 Zielgerichtetes Verhalten gegenüber Einzelreaktionen auf Reflexebene, Verhaltensreihen in Form von Impulsivbewegungen<br />

o<strong>der</strong> Ruhe und Gleichgewichtszuständen wie Schlaf, ruhiger Wachzustand.


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

55<br />

>> Beschreibung von Verhalten / Verhaltensweisen (eingeschlossen Verhalten und<br />

Handlungen in <strong>der</strong> Komponente Situation und die Komponente Handlung)<br />

(siehe dazu auch Abschnitt Die Durchführungsphase. Schritt 1. Informationssammlung.<br />

> Die Beobachtung und Beschreibung. >> Aspekte <strong>der</strong> Beschreibung.<br />

- Die Beschreibung 1 und 2)<br />

Das Ziel aller Beschreibung liegt in <strong>der</strong> intersubjektiven Verständigung über das Verhalten<br />

von Frau / Herrn NN. Die NutzerInnen des Persönlichen Dialogbuches sollen durch die<br />

Beschreibung eine möglichst lebendige Vorstellung vom Verhalten gewinnen und durch<br />

die Beschreibung das Beschriebene in <strong>der</strong> Realität auch erkennen können.<br />

- Beschreibung nach Beobachtung<br />

- Beschreibung nach Beobachtung<br />

- Beschreibung nach subjektivem Eindruck<br />

- Beschreibung in Alltagssprache (Ausdruck)<br />

- Form <strong>der</strong> Beschreibung<br />

Der Begriff Beschreiben hat zweierlei Bedeutungen:<br />

Zum einen wird er in <strong>der</strong> Bedeutung von etwas feststellen, was ist, im Sinn von ermitteln<br />

und zum an<strong>der</strong>en in <strong>der</strong> Bedeutung von feststellen, was ist, im Sinn von schil<strong>der</strong>n, gebraucht.<br />

Bei <strong>der</strong> Informationssammlung für das Persönliche Dialogbuch geht es eher um die<br />

zweite Bedeutung von Beschreiben. Die Beobachtungsperson schil<strong>der</strong>t aus ihrer Erinnerung<br />

heraus: z. B. eine Reihe von Situationen, in <strong>der</strong> sich die Beteiligten befinden, situationsgebundene<br />

/ situationsübergreifende Verhaltensweisen von Frau Herrn / NN und<br />

die möglichen Handlungen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Person / en als Reaktion auf eben diese Verhaltensweisen<br />

von Frau / Herrn NN.<br />

Bei Unschärfen / Unsicherheiten / Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten kann es um ein Beschreiben<br />

im Sinn von Ermitteln gehen, indem die Beobachtungsperson in <strong>der</strong> mündlichen Befragung<br />

beschreibt, was getan wird, um eine Aussage / Annahme zu überprüfen. Beispielsweise<br />

wird bewusst eine Situation her<strong>bei</strong>geführt, um festzustellen, ob diese wirklich,<br />

wie angenommen, für ein bestimmtes Verhalten relevant ist. Diese „Ermittlungs“<br />

- Beschreibung geht allerdings nicht mit in das Persönliche Dialogbuch ein. Im Persönlichen<br />

Dialogbuch sind nur die Ergebnisse dessen in <strong>der</strong> bekannten Form aufgeführt.<br />

Die Beobachtung ist die Grundlage für die Beschreibung von Verhalten. Alle <strong>der</strong> sichtbaren,<br />

hörbaren, fühlbaren Wahrnehmung zugänglichen Verhaltensweisen sind Beobachtungsgegenstand.<br />

(Die Atmung nimmt da<strong>bei</strong> eine Son<strong>der</strong>stellung ein, weil sie allen<br />

drei Wahrnehmungsbereichen zugeordnet werden kann – deutlich sichtbares regelmäßiges<br />

Heben und Senken des Brustkorbes, deutlich hörbare Ausatmungsgeräusche,<br />

deutlich spürbare Flankenatmung usw. usf.). Die Beschreibung vermittelt, was eine<br />

Person tut (Verben): gähnen, gehen, sitzen, aufstehen, mit den Zähnen knirschen, lächeln,<br />

usw.<br />

- Beschreibung nach subjektiven Eindruck<br />

Auch hier ist zuallererst die Beobachtung Grundlage für die Beschreibung mit dem<br />

Unterschied, dass hier Qualifizierungen des Verhaltens mit einfließen und als solche<br />

durch den Einschub von Verben wie wirken, scheinen kenntlich gemacht werden (z. B.<br />

... wirkt statt ist angespannt, verkrampft). Die Beschreibung vermittelt, wie das Verhalten<br />

einer Person auf die an<strong>der</strong>e Person wirkt, welchen Eindruck sie gewinnt.<br />

- Beschreibung in Alltagssprache (Ausdruck)<br />

Die Beschreibung sollte in einer Sprache erfolgen, die Fachtermini und Jargon vermeidet.<br />

Wenn es zum Verständnis o<strong>der</strong> zur Illustration unvermeidlich o<strong>der</strong> sinnvoll erscheint,<br />

werden die entsprechenden Begriffe o<strong>der</strong> Aussagen in Klammern <strong>der</strong> Beschreibung<br />

anfügt o<strong>der</strong> stehen für sich mit eingeklammerter Erklärung.


56<br />

Beispiele:<br />

Beispiele zu Fachterminus:<br />

Verhalten (Beschreibung<br />

nach Beobachtung)<br />

Person sitzt im Rollstuhl, Rumpf und Kopf werden<br />

plötzlich stark zurückgebeugt - Überstreckung - und<br />

die Arme werden am Rumpf angewinkelt und weisen<br />

nach oben (einschießen<strong>der</strong> Opisthotonus; dieser tritt<br />

u. a. <strong>bei</strong> Positionsverän<strong>der</strong>ung auf, <strong>bei</strong> starker Erregung,<br />

ist Ausdruck eines emotionalen Zustandes)<br />

Hier könnte auch so verfahren werden, dass statt einer Verhaltensbeschreibung <strong>der</strong><br />

Fachterminus mit in Klammern angefügter Erklärung im Persönlichen Dialogbuch<br />

unter Verhalten aufgeführt wird:<br />

Kategorie<br />

Situation<br />

Verhalten<br />

Handlungsmöglichkeit<br />

An<strong>der</strong>e Interpretationsmöglichkeiten<br />

Beispiel zu Jargon:<br />

Unsicherheitsgefühl / Angst<br />

Transfer aus dem Rollstuhl (wenn sinnvoll, näher<br />

beschreiben, wie das vor sich geht)<br />

Opisthotonus (Tritt u. a. <strong>bei</strong> Positionsverän<strong>der</strong>ung<br />

auf, <strong>bei</strong> starker Erregung, ist Ausdruck eines<br />

emotionalen Zustandes)<br />

beschreiben<br />

Freude, Überraschung, Schreck, Angst<br />

Verhalten (Beschreibung nach subjektivem Eindruck) wirkt uninteressiert (anstelle<br />

von: „schaltet auf Durchzug“)<br />

- Form <strong>der</strong> Beschreibung<br />

-- Wortartengebrauch<br />

-- Genauigkeit<br />

Bei <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Beschreibung geht es zum einen um die Wortarten, mittels <strong>der</strong>er<br />

beschrieben wird, und zum an<strong>der</strong>en um Genauigkeit <strong>der</strong> Beschreibung.<br />

-- Wortartengebrauch<br />

Im Deutschen ist die Neigung groß, anstelle von Verben Substantive o<strong>der</strong> Substantivierungen<br />

von Verben zu gebrauchen.<br />

Beispiele<br />

Verbale Beschreibung:<br />

dreht ihren / seinen Kopf<br />

Substantivische Beschreibung: Kopfdrehung<br />

Drehung des Kopfes<br />

Drehen des Kopfes<br />

Beim Gebrauch von Adjektiven und Adverbien muss zwischen Wertungen (nicht direkt<br />

wahrnehmbar) und Beobachtbarem (direkt wahrnehmbar) unterschieden werden.<br />

Beispiele<br />

lacht: hämisch, verlegen (nicht direkt wahrnehmbar)<br />

spricht: laut, leise 90 (direkt wahrnehmbar)<br />

Lächeln:<br />

verhaltenes, verlegenes (nicht direkt wahrnehmbar)<br />

Drehung des Kopfes: schnelle, langsame 91 (direkt wahrnehmbar)<br />

-- Genauigkeit <strong>der</strong> Beschreibung<br />

Hier<strong>bei</strong> geht es u. a. um zeitliche Zusammenhänge und Intensitätsgrade. Verhaltensweisen<br />

können gleichzeitig, ungleichzeitig o<strong>der</strong> alternativ auftreten, da<strong>bei</strong> von unterschiedlicher<br />

Intensität (stark, schwach), Dauer (kurzzeitig, anhaltend) und Häufigkeit<br />

(einmalig, wie<strong>der</strong>holt) sein. Sofern das von Bedeutung ist, geht es in die Beschreibung<br />

mit ein.<br />

90Unterliegt in gewissem Grade natürlich auch dem subjektivem Empfinden.<br />

91 s. o.


LEITFADEN<br />

Durchführungsphase<br />

57<br />

Beispiel Herr Berg 92<br />

Beispiel Paule 93<br />

Kategorie<br />

Ablehnung<br />

Situationen<br />

Dem Grunde nach können es alle denkbaren interaktiven Situationen sein, in<br />

denen Herr Berg sich ablehnend verhalten könnte<br />

Verhalten<br />

Herr Berg dreht seinen Kopf seitlich weg;<br />

dreht er da<strong>bei</strong> auch den Oberkörper noch weg,<br />

wird das als Ausdruck starker Ablehnung interpretiert<br />

Schmerzen:<br />

Wenn ich Schmerzen habe, werde ich unruhig, zapple mit den Händen, stampfe mit<br />

meinem Fuß und fange an, zu weinen o<strong>der</strong> zu schreien. Manchmal versuche ich mit<br />

meinen Händen zu zeigen, warum ich Schmerzen habe (z. B. wenn mein Korsett zu<br />

eng ist).<br />

An<strong>der</strong>e Reaktionsformen, die Herr Berg einzeln o<strong>der</strong> in Kombination zeigt:<br />

>Hand gefaustet vor <strong>der</strong> Brust gehalten<br />

> mit <strong>der</strong> Hand Gegenstände (Tasse, Löffel, Werkzeug …) wegschiebe<br />

> mit <strong>der</strong> Hand die Hand <strong>der</strong> Person wegschieben, die versucht, mit Herrn Berg<br />

in Kontakt zu treten o<strong>der</strong> sich bereits im Kontakt befindet<br />

> Arm wird <strong>bei</strong> Berührung zurückgezogen<br />

> mit dem Arm eine „Abwehrbewegung“ machen und Körper seitlich wegdrehen<br />

> mit <strong>der</strong> Handaußenfläche o<strong>der</strong> den Fingerknöcheln gegen Gegenstand<br />

(Stuhllehne, Tisch) schlagen<br />

Die Intensität des Verhaltens kann Auskunft über die Stärke <strong>der</strong> Ablehnung geben<br />

92 Persönliches Dialogbuch Herr Berg; Basiskategorie Ablehnung. 93 BRAUN, Ursula u. VOLLBRACHT, Timo: Ein Ich-Buch für Paule. In: Unterstützte Kommunikation 02 / 09 S. 35.


58<br />

Schritt 3<br />

Die Rückvermittlung <strong>der</strong> Ergebnisse aus <strong>der</strong> Befragung aus den jeweiligen Lebensbereichen<br />

an die jeweilig dort Befragten zur Beurteilung und Entscheidung.<br />

Grad <strong>der</strong> Übereinstimmungen nach Abschluss des zweiten Runden Tisches<br />

Schaubild 29<br />

Bei <strong>der</strong> Rückvermittlung <strong>der</strong> Ergebnisse aus <strong>der</strong> Befragung und <strong>der</strong>en zusammenfassen<strong>der</strong><br />

Darstellung haben die Befragten aus dem jeweiligen Lebensbereich die<br />

Möglichkeit zur Überprüfung, Beurteilung und Vornahme ggf. notwendiger Korrekturen<br />

und / o<strong>der</strong> Ergänzungen.<br />

Schritt 4<br />

Die Zusammenführung und Darstellung aller Informationen aus den an <strong>der</strong> Erstellung<br />

des Persönlichen Dialogbuchs beteiligten Lebensbereichen in einem vorläufigen Persönlichen<br />

Dialogbuch und die anschließende Rückvermittlung an alle Befragten dort<br />

zur Beurteilung und Entscheidung<br />

Hier wird allen Personen, die zu einem Persönlichen Dialogbuch für Frau / Herrn NN<br />

<strong>bei</strong>getragen haben, dessen vorläufige Fassung zur Ansicht, Überprüfung, Beurteilung<br />

und Vornahme ggf. notwendiger Korrekturen und / o<strong>der</strong> Ergänzungen übergeben. Die<br />

Ergebnisse werden wie<strong>der</strong>um in die noch vorläufige Fassung eingear<strong>bei</strong>tet.<br />

Ebene <strong>der</strong><br />

Beobachtung<br />

Ebene <strong>der</strong><br />

Interpretation<br />

Menge <strong>der</strong> beobachteten<br />

Verhaltensweisen<br />

Übereinstimmende Menge<br />

beobachteter Verhaltensweisen<br />

Menge <strong>der</strong> interpretierten 94<br />

Verhaltensweisen<br />

Menge <strong>der</strong> Bedeutungen 95<br />

Menge <strong>der</strong><br />

übereinstimmenden<br />

Bedeutungen<br />

Schritt 5<br />

Der zweite Runde Tisch<br />

Mit dem zweiten Runden Tisch wird die Durchführungsphase abgeschlossen. Alle<br />

Beteiligten haben hier noch einmal die Möglichkeit, sich untereinan<strong>der</strong> über alle<br />

entstandenen Fragen und Probleme auszutauschen, diesbezügliche Vorschläge zu<br />

unterbreiten und gemeinsam Einfluss auf die formale Gestaltung und inhaltliche<br />

Ausführung des Persönlichen Dialogbuches zu nehmen.<br />

Resümee:<br />

Die Erfahrungen im Projektverlauf zeigten, dass in geringem Umfang Nichtübereinstimmungen<br />

von Verhaltensweisen mit Bedeutungen zu verzeichnen waren und dass<br />

es einige Nicht-Übereinstimmungen in Bezug auf die Bedeutungskategorien gab.<br />

Bei einer poligen Interpretation und Zuordnung <strong>der</strong> beobachteten Verhaltensweisen<br />

(positiv / neutral ----- negativ) jedoch lagen die Übereinstimmungen <strong>bei</strong> nahezu 100%.<br />

94 Funktionale Bestimmung als Ausdruck und / o<strong>der</strong> Appell<br />

95 Inhaltliche Bestimmung als Bedeutungskategorie


LEITFADEN<br />

Abschlußphase<br />

59<br />

Die Abschlussphase<br />

Schritt 1<br />

Die Erstellung des Persönlichen Dialogbuches<br />

Nach Abschluss des zweiten Runden Tisches kann das Persönliche Dialogbuch – wie<br />

dort besprochen und abgestimmt - für Frau / Herrn NN erstellt werden.<br />

Schritt 2<br />

Die Rückvermittlung an alle an <strong>der</strong> Erstellung des Persönlichen Dialogbuchs beteiligten<br />

Lebensbereiche und Befragten dort zur Beurteilung und Freigabe des Persönlichen<br />

Dialogbuches für die Praxis<br />

Das Persönliche Dialogbuch in vorliegen<strong>der</strong> Form wird an alle Befragten aller beteiligten<br />

Lebensbereiche zur Beurteilung und Freigabe mit vorgelegt. 96 Nach <strong>der</strong> Freigabe kann<br />

das Dialogbuch im Alltag genutzt und erprobt werden.<br />

Die Erfahrungen im Projekt lehren, dass ein wie<strong>der</strong>holt intensiver und gleichberechtigter<br />

Austausch aller Beteiligten zu Ergebnissen führt, die von allen gleichermaßen akzeptiert<br />

und genutzt werden können.<br />

96 Erfahrungsgemäß wird auf Grund des vorangegangenen intensiven Austausches zwischen den Beteiligten und <strong>der</strong>en<br />

aktiven Mitwirkung <strong>bei</strong> allen inhaltlichen und gestalterischen Fragen und Problemen das Persönliche Dialogbuch für die<br />

Anwendung freigegeben.


<strong>Spastikerhilfe</strong><br />

<strong>Berlin</strong> <strong>eG</strong>

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