September 08 - sonos - Schweizerischer Verband für das ...
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Schweiz. <strong>Verband</strong> <strong>für</strong> Gehörlosenund<br />
Hörgeschädigten-Organisationen<br />
Association Suisse pour organisations<br />
de sourds et malentendants<br />
Associazione Svizzera per organizzazioni<br />
a favore delle persone audiolese<br />
102. Jahrgang<br />
Nr. 9 <strong>September</strong> 20<strong>08</strong><br />
4<br />
13<br />
17<br />
20<br />
Take off in die Berufswelt<br />
Bettina Tschudi mit grossartigem KV-Abschluss<br />
Sind Schwerhörige ohne<br />
Kultur?<br />
Podiumsdiskussion in Zürich liefert Ansätze von Antworten<br />
Interview mit Martina Lorenz<br />
Rückblick auf ein spannendes Leben unter Gehörlosen<br />
Gottesdienste mit Übersetzung<br />
in Gebärdensprache<br />
Projekt in der City-Kirche St. Jakob in Zürich
Leserbriefe<br />
Mit grossem lnteresse habe ich den Artikel<br />
in Ihrer Zeitschrift über die beiden gehörlosen<br />
Glarner Frauen, die <strong>für</strong> die Untertitelung<br />
von Fernsehsendungen Unterschriften<br />
gesammelt haben, in Prag gelesen. Ich verstehe<br />
etwas Deutsch, spreche aber vor<br />
allem tschechisch, denn <strong>das</strong> ist ja hier<br />
meine Landessprache. Nun möchte ich<br />
einen Lesebrief an die <strong>sonos</strong>-Zeitschrift<br />
schreiben, um Ihnen zu veranschaulichen,<br />
wie es mit den Fernsehuntertitelungen in<br />
der Tschechischen Republik im Vergleich zu<br />
den Schweizer Privatsendern gehandhabt<br />
wird.<br />
Hier in der Tschechischen Republik werden<br />
Privatfernsehsendungen täglich etwa zu<br />
15% mit Untertiteln versehen via Teletext<br />
ausgestrahlt. Ich habe mir gedacht, <strong>das</strong>s<br />
die Schweiz ein reiches Land sei und deshalb<br />
wohl viel mehr Sendungen untertitelt<br />
angeboten würden als hier in der Tschechischen<br />
Republik. Es hat mich deshalb sehr<br />
überrascht, wie Sie in Ihrer Zeitung schildern,<br />
<strong>das</strong>s Schweizer Hörbehinderte die<br />
mangelhafte Untertitelung beklagen.<br />
Bei uns in Prag werden bei den zwei<br />
bekannten Privatfernsehkanälen wie NOVA<br />
und PRIMA eben um die 15 % der Sendungen<br />
mit Untertitelungen ausgestrahlt.<br />
Demgegenüber werden beim Tschechischen<br />
Staatsfernsehen rund 70% aller Sendungen<br />
untertitelt. Beim Staatsfernsehen<br />
wird zudem an allen Werktagen, d.h. von<br />
Montag bis Freitag, <strong>das</strong> Gesundheitsmagazin<br />
Sama doma mit einer Dolmetschereinblendung<br />
in die Gebärdensprache übersetzt.<br />
Nachrichten werden auch zum Teil in<br />
der Gebärdensprache ausgestrahlt.<br />
Bestimmt werden beim Staatsfernsehen<br />
bald einmal alle Sendungen zu 100% untertitelt.<br />
Dies wird Schritt <strong>für</strong> Schritt aufgebaut.<br />
Für viele hörbehinderte Menschen in der<br />
Tschechischen Republik tragen die Untertitelungen<br />
und Gebärdensprachdolmetscheinblendungen<br />
beim Privat- und Staatsfernsehen<br />
zur besseren Integration recht<br />
wesentlich bei. Nun hoffe ich, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />
Schweizer Privat- und Staatsfernsehen<br />
einen Blick in die Tschechische Republik<br />
wirft und damit einen Schritt vorwärts zu<br />
einem hörbehindertengerechteren Zugang<br />
zu den Fernsehmedien ermöglicht wird.<br />
5. August 20<strong>08</strong><br />
Marcela Sulcová, hörbehindert<br />
Balbinova 14/192, 120 00 Praha / Prag 2<br />
Solidaritäts-Kundgebung und Unterschriften-Aktion<br />
<strong>für</strong> Fernseh-Untertitelungen<br />
auf Schweizer Privatfernsehen<br />
am Samstag, 25. Oktober 20<strong>08</strong> von 10 bis<br />
16 Uhr im Volksgarten Glarus<br />
Programmangebot:<br />
• Unterschriften-Aktion<br />
• Demo. Aufstellen (Banner)<br />
• Gebärdentreff (Plaudern)<br />
• Verpflegung vorhanden<br />
Es ist schön, wenn viele Gehörlose und<br />
Schwerhörige mit ihren Angehörigen und<br />
weiteren Interessierten nach Glarus<br />
kommen.<br />
Bitte Datum nicht verpassen und Info weitergeben<br />
(Fax, E-Mail, SMS)! Besten Dank.<br />
Herzliche Grüsse<br />
Gertrud Wyss<br />
Fax: 055 640 37 86<br />
Rolf Ruf aus Oberweningen teilt am 3.<br />
August 20<strong>08</strong> mit, <strong>das</strong>s nicht der Zürcher<br />
Mimenchor unter der Leitung von Rolf<br />
Kuhn sondern die freiwillige Spielgruppe<br />
aus Basel unter der Leitung von Rolf Ruf<br />
den Psalm 119 dargeboten haben.<br />
Die <strong>sonos</strong>-Redaktion entschuldigt sich <strong>für</strong><br />
<strong>das</strong> Versehen und bittet alle Leserinnen<br />
und Leser darum, von der Richtigstellung<br />
Kenntnis zu nehmen.<br />
Bildungsangebote 20<strong>08</strong><br />
Herbstferien <strong>für</strong> alleinerziehende gehörlose<br />
und hörbehinderte Väter oder Mütter mit<br />
ihren Kindern<br />
Wochenpauschale vom 12. bis<br />
18. Oktober 20<strong>08</strong><br />
Ein super günstiges, einmaliges Angebot!<br />
Gebärdensprachkunst<br />
Wochenendkurs 31. Oktober bis<br />
2. November 20<strong>08</strong><br />
Leitung: Rolf Lanicca<br />
Berichtigung zum Artikel über den<br />
Abschiedsgottesdienst von Heinrich Beglinger<br />
Tanne - Gebärden <strong>für</strong><br />
mehrfach sinnesbehinderte<br />
Menschen<br />
Nachschlagewerk mit Internetunterstützung<br />
Im Zentrum Tanne <strong>für</strong> hörsehbehinderte,<br />
mehrfachbehinderte Kinder, Jugendliche<br />
und Erwachsene sind die Gebärden überarbeitet<br />
und neu dokumentiert worden. Die<br />
Tanne-Gebärden sind eine Sammlung von<br />
450 Einzelgebärden. Sie können keiner<br />
Gebärdensprache zugeordnet werden.<br />
Die Gebärden sind auf die speziellen Kommunikationsbedürfnisse<br />
von taubblinden,<br />
hörsehbehinderten Personen abgestimmt.<br />
In den meisten Fällen bedeutet dies, <strong>das</strong>s<br />
die Gebärden nicht im freien Raum, sondern<br />
durch Hand-Hand-Kontakt oder Hand-<br />
Körper-Kontakt ausgeführt werden. In<br />
einigen wenigen Fällen gibt es <strong>für</strong> blinde<br />
oder stark sehbehinderte Personen eine<br />
taktile Variante, welche von der Normalgebärde<br />
abweicht.<br />
Die Tanne-Gebärden können auch von<br />
mehrfachbehinderten Personen benutzt<br />
werden, die zwar nicht taubblind bzw. hörsehbehindert<br />
sind, aber ebenfalls über<br />
keine Lautsprache verfügen. Die Gebärdensammlung<br />
ist in einem Nachschlagewerk<br />
dokumentiert und kann im Zentrum<br />
Tanne bezogen werden. Ergänzend dazu<br />
kann die Gebärden-Datenbank im Internet<br />
benutzt werden.<br />
Besuchen Sie die Tanne-Homepage und<br />
lassen Sie sich überraschen!<br />
Filzen mit der Nadel<br />
Wochenendkurs vom 29. bis 30. November<br />
20<strong>08</strong><br />
Leitung: Rita Zimmermann<br />
Alle Zimmer verfügen neu über Dusche und<br />
WC!<br />
Weitere Auskunft und Anmeldung:<br />
Fontana Passugg, Bildung und Kultur <strong>für</strong><br />
Gehörlose, Schwerhörige, Ertaubte, CI-Träger<br />
und Hörende<br />
7062 Passugg-Araschgen<br />
Schreibtelefon <strong>08</strong>1 250 50 56,<br />
www.fontana-passugg.ch
Editorial<br />
Liebe Leserin und lieber Leser<br />
Es ist schon fast zur Tradition geworden,<br />
<strong>das</strong>s <strong>sonos</strong> nach der zweimonatigen Sommerpause<br />
als eines der Schwerpunktthemen<br />
in der <strong>September</strong>ausgabe über<br />
Erfolge aus der Berufsschule <strong>für</strong> Hörgeschädigte<br />
BSFH berichtet. Mit dieser Tradition<br />
wollen wir nicht brechen. Bettina Tschudi<br />
verrät in ihrem Interview so einiges aus<br />
ihrem jungen und zweifellos nicht alltäglichen<br />
Leben.<br />
Nicht eine Tradition, sondern eine nüchterne<br />
Realität ist, <strong>das</strong>s <strong>für</strong> die meisten Schulabgängerinnen<br />
und Schulabgänger nach den<br />
letzten Schulferienwochen die berufliche<br />
Realität mit dem ersten Arbeitstag im Lehrbetrieb<br />
begonnen hat. Alle diese Auszubildenden<br />
haben ein wichtiges Etappenziel in<br />
ihrem jungen Leben erreicht. Trauriger sieht<br />
es <strong>für</strong> all diejenigen aus, die noch keinen<br />
Lehrvertrag „an Land ziehen konnten“. Dies<br />
ist umso betrüblicher, da wir immer noch auf<br />
den Wogen der Hochkonjunktur schweben<br />
und eigentlich die Jugend an dieser prosperierenden<br />
Zeit teilhaben sollte. Wenn es<br />
jetzt nicht klappt, wie soll es dann funktionieren,<br />
wenn der bereits vielerorts angekündigte<br />
wirtschaftliche Abschwung auch in der<br />
Schweiz Einzug hält?<br />
Das positive Beispiel Bettina Tschudi zeigt<br />
eindrücklich, <strong>das</strong>s auch Menschen mit einer<br />
Behinderung, wenn ihnen die Möglichkeiten<br />
dazu gegeben wird, die Chance packen und<br />
sich erfolgreich auf dem hartumkämpften<br />
Arbeitsmarkt durchaus behaupten und<br />
durchsetzen können. Bravo!<br />
Der August war geprägt von den olympischen<br />
Sommerspielen in Peking. Fast drei<br />
Wochen lang wurde praktisch rund um die<br />
Uhr über fabelhafte Bestleistungen und<br />
Rekordergebnisse berichtet. Es schien fast<br />
so, <strong>das</strong>s vor allem im Schwimmsport neue<br />
Weltrekorde wie am Fliessband erzielt<br />
würden. Aber eine Schwimmerin hat mit<br />
Sicherheit einen ganz persönlichen Rekord<br />
aufgestellt. Die beinamputierte Südafrikanerin<br />
Natalie du Toit durfte nicht nur als<br />
Flaggenträgerin die Südafrikanische Delegation<br />
an den Erföffnungsfeierlichkeiten der<br />
olympischen Spiele anführen, sondern sie<br />
startete als Behinderte bei den Nichtbehinderten<br />
im 10km-Schwimmwettbewerb, der<br />
zum erstenmal an olympischen Spielen ausgetragen<br />
wurde. Am Schluss belegte sie den<br />
hervorragenden 16. Schlussrang. Dieses<br />
Beispiel macht Mut und Hoffnung <strong>für</strong> alle<br />
Betroffenen.<br />
Die <strong>sonos</strong>-Rekation hat die Sommermonate<br />
optimal genutzt und Sie, liebe Leserinnen<br />
und Leser, werden feststellen, <strong>das</strong>s eine<br />
Vielzahl von interessanten und informativen<br />
Artikeln <strong>für</strong> die neueste Ausgabe unserer<br />
<strong>Verband</strong>szeitschrift geschrieben worden<br />
sind. Lassen Sie sich überraschen.<br />
Roger Ruggli<br />
Redaktor<br />
Impressum<br />
Zeitschrift <strong>sonos</strong><br />
Erscheint Erscheint monatlich monatlich<br />
Herausgeber<br />
Herausgeber<br />
<strong>sonos</strong> <strong>sonos</strong><br />
<strong>Schweizerischer</strong> <strong>Verband</strong> <strong>Verband</strong> <strong>für</strong> <strong>für</strong> Gehörlosen-<br />
Gehörlosenund<br />
und Hörgeschädigten-Organisationen<br />
Feldeggstrasse 69 69<br />
Postfach Postfach 1332 1332<br />
8032 8032 Zürich Zürich<br />
Telefon Telefon 044 044421 42140 4010<br />
10<br />
Fax Fax 044 044421 42140 4012<br />
12<br />
E-Mail E-Mail<br />
info@<strong>sonos</strong>-info.ch<br />
www.<strong>sonos</strong>-info.ch<br />
Redaktion Redaktion<br />
Redaktion Redaktion <strong>sonos</strong> <strong>sonos</strong><br />
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Druck Druck und und Spedition Spedition<br />
Bartel Bartel Druck Druck<br />
Bahnhofstrasse 15 15<br />
8750 8750 Glarus Glarus<br />
<strong>sonos</strong> <strong>sonos</strong> verwendet verwendet bei bei Personen Personen zur zur<br />
Vereinfachung abwechslungsweise die die<br />
weibliche weibliche oder oder männliche männliche Form, Form,<br />
angesprochen sind sind beide beide Geschlechter.<br />
Nachdruck Nachdruck nur nur mit mit Genehmigung der der<br />
Redaktion, Redaktion, unter unter Hinweis Hinweis auf auf die die Quelle Quelle<br />
und und mit mit Zustellung Zustellung eines eines Belegexemplars.<br />
Die Die veröffentlichten Artikel Artikel von von Gastautoren<br />
Gastautoren<br />
geben geben nicht nicht in in jedem jedem Fall Fall die die Auffassung Auffassung des des<br />
Herausgebers wieder. wieder.<br />
Die nächste Ausgabe erscheint<br />
am am 1. 1. Oktober Juni 20<strong>08</strong> 20<strong>08</strong><br />
Redaktionsschluss:<br />
15. 15. <strong>September</strong> Mai 20<strong>08</strong> 20<strong>08</strong><br />
33
Take off in die Berufswelt<br />
Bettina Tschudi aus Dielsdorf hat die KV-<br />
Ausbildung mit einer bravourösen Lehrabschlussprüfung<br />
erfolgreich abgeschlossen.<br />
Die 21-jährige Kauffrau und ihre<br />
Mutter empfangen am Mittwoch, 23. Juli<br />
20<strong>08</strong>, Roger Ruggli von der <strong>sonos</strong>-Redaktion<br />
zum vereinbarten Interview-Termin.<br />
Erfolgreicher Take-off <strong>für</strong> Bettina Tschudi in die<br />
Berufswelt<br />
Schon nach wenigen Augenblicken des<br />
gegenseitigen Kennenlernens erzählt Bettina<br />
aus ihrem nicht immer einfach verlaufenen<br />
jungen Leben.<br />
<strong>sonos</strong>: Ich kann mich mit Ihnen problemlos<br />
unterhalten und Ihre Aussprache ist perfekt.<br />
Es fällt überhaupt nicht auf, <strong>das</strong>s Sie<br />
eine Hörschädigung haben. Wieso nicht?<br />
Bettina: Ich bin am 11. April 1987 als Frühgeburt<br />
mit einem Gewicht von 1250 Gramm<br />
zwei Monate zu früh auf die Welt<br />
gekommen. Schon kurz nach meiner<br />
Geburt stellten die Ärzte bei mir ein Nierenproblem<br />
fest, welches medikamentös<br />
behandelt werden musste. Aufgrund<br />
meiner nicht 100%-ig funktionierenden<br />
Nierentätigkeiten konnte <strong>das</strong> verabreichte<br />
Medikament (Garramycin) nicht restlos<br />
abgebaut und aus dem Körper ausgeschieden<br />
bzw. durch den Harn abtransportiert<br />
werden. Dies hatte verheerende<br />
Folgen <strong>für</strong> mich. Praktisch alle Hörhärchen<br />
in beiden Ohren wurden bis auf ganz<br />
wenige an den Rändern zerstört. Dies<br />
führte bei mir zu einer hochgradigen<br />
Schwerhörigkeit auf beiden Ohren.<br />
Die Mutter von Bettina, Silvia Tschudi, erinnert<br />
sich: Die Geburt von Bettina wirbelte<br />
<strong>das</strong> ganze Familienleben vollkommen<br />
durcheinander. Die Diagnose der Schwerhörigkeit<br />
und der Nierenprobleme führten<br />
zu einschneidenden Änderungen im Familiensystem.<br />
Sie brauchte einfach viel mehr<br />
Zuwendung und Unterstützung als ihre<br />
Schwester und ihr Bruder. Dabei mussten<br />
wir Eltern aber aufpassen, <strong>das</strong>s unsere<br />
beiden anderen Kinder nicht zu kurz<br />
kamen. Rückblickend dürfen wir aber mit<br />
Stolz und Anerkennung sagen, <strong>das</strong>s Bettina<br />
von ihren beiden Geschwistern immer voll<br />
und ganz akzeptiert und integriert wurde.<br />
Sie haben sich <strong>für</strong> ihre Schwester immer<br />
eingesetzt und engagiert.<br />
Nierentransplantation mit 7<br />
Jahren<br />
Der 18. April 1994 ein einschneidendes<br />
Datum <strong>für</strong> die Familie Tschudi. Die Nieren<br />
von Bettina versagten immer mehr und<br />
mehr. Alle waren sich einig. Helfen konnte<br />
eigentlich nur eine Lebendspende.<br />
Umfangreiche medizinische Abklärungen<br />
ergaben, <strong>das</strong>s die Mutter oder der Vater<br />
von Bettina als geeignete Spender in Frage<br />
kommen. Bettinas Vater hat sich, da bei<br />
ihm die Voraussetzungen noch besser als<br />
bei der Mutter waren, entschieden, eine<br />
seiner Nieren <strong>für</strong> Bettina zu spenden. Am<br />
18. April 1994 war der grosse Tag der Operation.<br />
Bei Bettina wurden beide defekten<br />
Nieren entfernt und durch <strong>das</strong> Transplantat<br />
der vom Vater gespendeten Niere ersetzt.<br />
Glücklicherweise mit ganz grossem Erfolg.<br />
Ein starkes Team: Bettina zusammen mit ihrer Mutter Silvia Tschudi<br />
Dem Vater geht es heute Gott sei Dank,<br />
auch nur mit einer Niere, ohne Einschränkung<br />
seiner Lebensqualität in Kauf nehmen<br />
zu müssen, hervorragend. Bettina, und die<br />
Eltern sind natürlich überglücklich, <strong>das</strong>s<br />
die Operation so erfolgreich verlief und<br />
Bettinas Körper die transplantierte Niere<br />
akzeptiert und es zu keinen Abstossreaktionen<br />
bis heute gekommen ist. So blieb<br />
Bettina von der extrem zeitaufwändigen<br />
Dialyse verschont und <strong>das</strong> Leben von ihr<br />
konnte einigermassen normale Bahnen<br />
annehmen.<br />
Aber wieso hören Sie dann heute so gut<br />
und wieso können sie sich so hervorragend<br />
lautsprachlich ausdrücken?<br />
Bettina: Einesteils genoss ich eine sehr<br />
gute Früherziehung bei Frau Heidi Heldstab<br />
im Kinderspital. Meine Eltern fuhren zwei<br />
Mal in der Woche mit mir in die Therapie.<br />
Meine Mutter arbeitete mit mir auch<br />
intensiv zu Hause, wobei sie auch von<br />
meinem Vater unterstützt wurde. Es steckt<br />
sehr viel Arbeit dahinter. Rund acht<br />
Bundesordner mit Zeichnungen <strong>für</strong> die<br />
Erlernung des Grundwortschatzes zeugen<br />
noch heute davon.<br />
Andererseits bin ich seit dem Jahr 2003<br />
links mit einem Cochlea Implantat versorgt.<br />
Ab und zu trage ich noch rechts zusätzlich<br />
ein Hörgerät. Dank dem CI kann ich heute<br />
hören, und ich bin nicht mehr darauf angewiesen<br />
von den Lippen abzulesen. Ich kann<br />
heute praktisch uneingeschränkt kommunizieren<br />
und mich mit anderen Menschen<br />
austauschen. Auch telefonieren ist möglich.<br />
Darüber bin ich extrem froh und glücklich.<br />
Bis jetzt konnte ich mich noch nicht <strong>für</strong><br />
<strong>das</strong> zweite Cochlea Implantat entscheiden.
Einerseits habe ich Respekt vor dem<br />
grossen Aufwand und vor der Vorstellung,<br />
wie es dann wäre, auf einmal beidseitig zu<br />
hören. Andererseits ist ein ganz wichtiger<br />
Grund, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> Infektionsrisiko wegen<br />
der unterdrückten Immunabwehr in Folge<br />
der Nierenmedikamente nicht abschätzen<br />
kann. Und dann habe ich auch noch ein bisschen<br />
Angst, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> rechte Ohr mit<br />
der besseren Resthörfähigkeit als links<br />
ganz verlieren könnte. Super ist, <strong>das</strong>s ich<br />
heute ein ganz normales Gespräch hören<br />
und mitverfolgen kann. Ich bin praktisch<br />
nicht mehr darauf angewiesen von den<br />
Lippen abzulesen. Übrigens <strong>das</strong> Lippenablesen<br />
habe ich selber und ohne spezielle<br />
Fachhilfe erlernt.<br />
Silvia Tschudi: Es war <strong>für</strong> uns ein gewaltiges<br />
Ereignis, als wir dankbar feststellen<br />
durften, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> CI funktionierte. Es war<br />
wie Tag und Nacht zum Hörgerät. Bettina<br />
konnte endlich vieles neu entdecken. Das<br />
Gezwitscher der Amsel oder <strong>das</strong> Bellen<br />
unseres Hundes. Sie kann heute sogar<br />
Fernsehsendungen problemlos ansehen<br />
und vor allem hören, und sie ist dabei nicht<br />
mehr auf die Untertitelungen angewiesen.<br />
Aber <strong>das</strong> Wichtigste <strong>für</strong> uns als Familie war<br />
und ist, <strong>das</strong>s Bettina an den täglichen Familiengesprächen<br />
am Esstisch endlich uneingeschränkt<br />
teilnehmen und mitreden kann.<br />
Bettina was können Sie uns über die Schulzeit<br />
und den dabei gemachten Erfahrungen<br />
erzählen?<br />
Ich habe den Sprachheilkindergarten<br />
besucht. Bei mir wurde nebst meiner Hörbeeinträchtigung<br />
auch noch ein schwaches<br />
POS-Syndrom diagnostiziert. Anschliessend<br />
besuchte ich ganz normal die 1. bis 6.<br />
Primarschulklasse an der öffentlichen<br />
Schule in Dielsdorf. Die Sekundarschule<br />
sowie <strong>das</strong> 10. Schuljahr absolvierte ich in<br />
Zürich an einer Privatschule. Die Finanzierung<br />
der Privatschule wurde dank deren<br />
Heilpädagogischen Lehrtätigkeit durch die<br />
IV und andererseits durch die Schulgemeinde<br />
Dielsdorf übernommen.<br />
Tochter. Ich als Mutter hatte einfach keine<br />
Kraft mehr, mich immer und immer wieder<br />
zu wehren und um unsere Rechte zu<br />
kämpfen.<br />
Mit dem Wechsel in die Oberstufe und<br />
damit auch der Schulbehörde, ergab sich<br />
eine Neubeurteilung der Situation. Die<br />
Oberstufenschulbehörde erkannte, <strong>das</strong>s<br />
sie keine optimale Möglichkeit <strong>für</strong> meine<br />
Ausbildung schaffen konnte und<br />
beschloss, meine Ausbildung in der Privatschule<br />
mit Heilpädagogen und Kleinklassen<br />
von max. 12 Schülern zu unterstützen.<br />
Die Beschulung an der Privatschule<br />
war <strong>für</strong> uns als Eltern und vor allem<br />
<strong>für</strong> Bettina die optimale und nachhaltigste<br />
Lösung. Bettina lebte von Tag zu Tag mehr<br />
auf. Selbständig fuhr sie jeden Tag mit dem<br />
Zug nach Zürich in die Schule. Mit der neugewonnenen<br />
Freude an der Schule und am<br />
Lernen stellte sich der Erfolg von guten bis<br />
sehr guten Leistungen von selbst ein.<br />
Bettina und wie verlief dann Ihre berufliche<br />
Ausbildung?<br />
Hauptsitz des Reiseanbieters Kuoni einen<br />
neuen Lehrvertrag auf Niveau-Stufe „E“<br />
bekam. Die Ausbildung verlief ohne grössere<br />
Probleme. Im Lehrbetrieb gab es <strong>für</strong><br />
mich keine Sonderstellung. Wichtig aber<br />
war, <strong>das</strong>s der Lehrbetrieb, alle Mitarbeitenden,<br />
die in meinem Umfeld tätig waren,<br />
optimal informierte, was und wie ich hören<br />
kann, dies mit Unterstützung meiner<br />
Betreuerin. Ich erlebte, <strong>das</strong>s alle, die mit<br />
mir zusammenarbeiteten, sich immer sehr<br />
viel Mühe gaben, so <strong>das</strong>s die Kommunikation<br />
immer bestmöglich garantiert war. Ich<br />
war und bin an meiner Arbeitsstelle sehr<br />
gut integriert. Glücklich bin ich natürlich,<br />
<strong>das</strong>s ich die Lehrabschlussprüfung mit der<br />
guten Note von 4,9 erfolgreich abschliessen<br />
konnte. Gefreut habe ich mich<br />
auch, <strong>das</strong>s ich jetzt nach der Ausbildung<br />
weiterhin bei Kuoni als vollwertige Mitarbeiterin<br />
tätig sein kann. Ich arbeite nach<br />
den Sommerferien in der Finanzabteilung<br />
von Kuoni.<br />
Silvia Tschudi: Wir Eltern sind sehr dankbar,<br />
<strong>das</strong>s Kuoni unserer Tochter eine Chance<br />
gab, ihren Berufswunsch zu erfüllen.<br />
Dankbar sind wir besonders auch<br />
gegenüber den Lehrlingsbetreuern sowie<br />
den Arbeitskolleginnen und -kollegen von<br />
Bettina. Sie sind wesentlich daran beteiligt,<br />
<strong>das</strong>s sich Bettina von der ersten Stunde an<br />
am Arbeitsplatz wohl fühlte und nun eine<br />
erfolgreiche Lehre absolvieren konnte.<br />
Silvia Tschudi: Wir als Eltern stellten fest,<br />
<strong>das</strong>s Bettina an der öffentlichen Schule<br />
zusehends immer mit mehr Schwierigkeiten<br />
konfrontiert war. So wurde sie durch<br />
die Mitschülerinnen und Mitschüler gehänselt<br />
und schikaniert. Ebenfalls mussten wir<br />
ernüchternd zur Kenntnis nehmen, <strong>das</strong>s<br />
Bettina durch den Lehrkörper in der Mittelstufe<br />
nur mangelnde Unterstützung erhielt.<br />
Die Lehrerschaft hatte einfach kein<br />
„G’spüri“ <strong>für</strong> die Behinderung unserer<br />
Bettina auf dem Rollfeld des Flughafens von Cattania auf Sizilien<br />
Es brauchte zwei Anläufe. Die KV-Lehre bei<br />
meinem ersten Ausbildungsbetrieb habe<br />
ich nach einem Jahr abgebrochen. Der<br />
Grund da<strong>für</strong> war eigentlich banal. Ich hatte<br />
einen Lehrvertrag <strong>für</strong> die KV-Ausbildung<br />
auf Niveau-Stufe „B“. Durch die Lehrerschaft<br />
an der Berufsschule wurde mir signalisiert,<br />
<strong>das</strong>s ich durchaus die Fähigkeiten<br />
hätte, die KV-Ausbildung auf der Niveau-<br />
Stufe „E“ abzuschliessen. Mein damaliger<br />
Lehrbetrieb wollte aber, wegen dem damit<br />
verbundenen Mehraufwand, keine Änderung<br />
des Ausbildungsverhältnisses eingehen,<br />
was ich sehr bedauerte und schade<br />
fand. Ich hatte aber Glück, <strong>das</strong>s ich am<br />
Sehr froh sind wir aber auch, <strong>das</strong>s es die<br />
Berufsschule <strong>für</strong> Hörgeschädigte BSFH<br />
gibt. Die Schulleitung und die Lehrerschaft<br />
hat sich enorm engagiert und Bettina<br />
konnte total von den Kleinklassen profitieren.<br />
Bettina war an der BSFH nicht die<br />
einzige Schülerin mit einer Hörbeeinträchtigung.<br />
So gab es keine Isolation, und es<br />
existierten auch keine „Feindbilder“! Inte-<br />
5
grative Beschulung mag ja gut und recht<br />
sein. Aber eines muss man sich immer klar<br />
vor Augen führen. Bei der integrativen<br />
Beschulung ist die Behinderte immer die<br />
Einzige unter vielen und dies führt zwangsläufig<br />
oder oftmals in die Isolation. Für uns<br />
ist es einfach super, <strong>das</strong>s es die BSFH gibt.<br />
Eine wirklich starke Schule, die den speziellen<br />
Bedürfnissen von hörgeschädigten<br />
Schülerinnen und Schüler total gerecht<br />
wird.<br />
Bettina was machen Sie in Ihrer Freizeit,<br />
welche Hobbys haben Sie?<br />
Während meiner Lehrzeit hatte ich überhaupt<br />
keine Zeit <strong>für</strong> irgendeine Freizeitbeschäftigung<br />
oder gar ein Hobby. Ich musste<br />
mich voll und ganz <strong>für</strong> meine Ausbildung<br />
engagieren. Für etwas anderes hatte ich<br />
einfach keine Zeit. Früher war ich in der<br />
Pfadi, und ich hatte auch <strong>das</strong> Glück, <strong>das</strong>s<br />
ich viel reiten konnte.<br />
Bettina und zum Schluss, welchen Traum<br />
oder Wunsch haben Sie?<br />
Mein grösster Wunsch wäre <strong>für</strong> mich, wenn<br />
ich alles hören könnte. Es gibt einfach<br />
Situationen, wo ich einfach an meine<br />
Grenzen stosse. Schön wäre es, wenn ich<br />
die Vielfalt der Musik voll und ganz erleben<br />
und uneingeschränkt hören und geniessen<br />
könnte.<br />
Mit den allerbesten Wünschen <strong>für</strong> die<br />
berufliche und private Zukunft von Bettina<br />
bedankt sich Roger Ruggli <strong>für</strong> <strong>das</strong> interessante<br />
Gespräch und die spannenden Informationen.<br />
57. Delegierten<br />
von Integration<br />
Bei herrlichstem Sommerwetter findet am<br />
Dienstag, 24. Juni 20<strong>08</strong> die 57. Delegiertenversammlung<br />
von Integration Handicap<br />
im bernischen Zollikofen statt. Martin L.<br />
Ryser, CEO der Stiftung <strong>für</strong> berufliche Integration<br />
GEWA, und Gastgeber der Delegiertenversammlung,<br />
empfängt die<br />
ankommenden Gäste aus nah und fern<br />
persönlich und mit grosser Herzlichkeit<br />
auf dem grossen Firmengelände, um ihnen<br />
den Weg zum Konferenzbereich zu zeigen.<br />
[rr]<br />
Bettina in der Pfadi<br />
Bettina, welches Verhältnis haben Sie zur<br />
Gebärdensprache?<br />
In der Pfadi hatte ich Kontakt zu gebärdensprachlich<br />
orientierten Kindern und<br />
Jugendlichen. An diesen Zusammenkünften<br />
lernte ich einige Gebärden. Aber mehr auch<br />
nicht. Auch während meiner Schulzeit an<br />
der BSFH hatte ich praktisch keinen Kontakt<br />
zu den Gehörlosen und gebärdensprachlich<br />
orientierten Mitschülerinnen<br />
und Mitschülern. Die Gehörlosen blieben<br />
eigentlich immer unter sich und kommunizierten<br />
an und <strong>für</strong> sich immer in der Gebärdensprache,<br />
die ich nicht verstand. Meine<br />
schwerhörigen Freundinnen und Freunde<br />
sind alle lautsprachlich orientiert.<br />
Silvia Tschudi: Wir als Eltern wollten bei der<br />
Erziehung von Bettina ein Ziel erreichen.<br />
Sie sollte sich in der Welt der Hörenden<br />
zurecht finden. Dies war auch der Grund<br />
da<strong>für</strong>, <strong>das</strong>s wir uns an der Lautsprache orientierten.<br />
Die uneingeschränkte Kommunikation<br />
ist in der Berufswelt, aber auch im<br />
privaten Umfeld von ganz zentraler Bedeutung<br />
und ungemein wichtig.<br />
Dies ist nun bereits <strong>das</strong> dritte Mal, <strong>das</strong>s in<br />
der <strong>September</strong>ausgabe unserer <strong>Verband</strong>szeitschrift<br />
ein Schwerpunktartikel<br />
erscheint, der auf Werdegang und<br />
Geschichte junger hörbehinderter Personen,<br />
die an der BSFH die Berufsschulausbildung<br />
absolviert haben, Bezug nimmt.<br />
Mit diesen Reportagen möchten wir uns<br />
neben den Fachleuten, die <strong>sonos</strong> als Mitgliederorganisationen<br />
angehören, bewusst<br />
auch an ein jüngeres Zielpublikum wenden.<br />
Wir freuen uns deshalb auch sehr über alle<br />
Zuschriften, Rückmeldungen, Fragen etc.<br />
(bitte per E-Mail an: lk@<strong>sonos</strong>-info.ch).<br />
Souverän und kompetent führt Marc F. Suter durch die<br />
Delegiertenversammlung<br />
Zu Beginn der Versammlung bedankt sich<br />
Marc F. Suter, Präsident von Integration<br />
Handicap, bei Martin L. Ryser <strong>für</strong> die grosszügig<br />
gewährte Gastfreundschaft. Die Innovationskraft<br />
der Stiftung <strong>für</strong> Integration<br />
GEWA ist heute mit Sicherheit über die<br />
Kantonsgrenzen von Bern hinaus landesweit<br />
bekannt.<br />
Marc. F. Suter: „Ich freue mich sehr, im<br />
zweiten Teil der Delegiertenversammlung<br />
von Martin L. Ryser zu hören, welche Erfahrungen<br />
seine Stiftung bei der Eingliederung<br />
von psychisch Beeinträchtigten gemacht<br />
hat.“<br />
Marc. F. Suter begrüsst alle anwesenden<br />
Delegierten ganz herzlich und eröffnet den<br />
statutarischen Teil der Versammlung.<br />
Die statutarischen Geschäfte<br />
Das Protokoll der letztjährigen Delegiertenversammlung<br />
wird von den anwesenden<br />
Delegierten stillschweigend genehmigt.<br />
Einstimmig werden auch die Jahresrechnung<br />
sowie der Revisorenbericht von den<br />
Delegierten angenommen bzw. verabschiedet.
Neu in den Zentralvorstand werden Frank<br />
Buchter, Pfarrer und Co-Präsident des<br />
Schweizerischen Blindenbundes SBb<br />
sowie Peter Spreiter, Sozialarbeiter, Vizeversammlung<br />
Handicap<br />
Versammlungs-<br />
Rundschau<br />
Marc. F. Suter geht unter anderem in<br />
seinem Rückblick nochmals auf die 5. Revision<br />
des Invalidenversicherungsgesetzes<br />
(IVG), welche von Volk und Ständen recht<br />
deutlich angenommen und in der Zwischenzeit<br />
in Kraft gesetzt wurde, ein. „Das<br />
medial gross angekündigte Ziel, <strong>das</strong>s nun<br />
die Integration von Behinderten und Leistungsbeeinträchtigten<br />
in den beruflichen<br />
Arbeitsprozess optimiert und nachhaltig<br />
gesteigert werden soll, konnte auf jeden<br />
Fall bis heute noch nicht erreicht und<br />
umgesetzt werden. Vor der in Aussicht<br />
gestellten Prognose im Zusammenhang mit<br />
der vor allem von Otto Ineichen ins Rampenlicht<br />
gerückten sog. Jobpasserelle, <strong>das</strong>s<br />
bis zu 5’000 Arbeitsplätzen <strong>für</strong> Behinderte<br />
erhalten und/oder neu geschaffen werden<br />
sollen, muss die Zahl von effektiv 13 Personen,<br />
die bisher vermittelt werden<br />
konnten, als äusserst bescheide Leistung<br />
angesehen werden. Die Bereitschaft bei<br />
den privaten wie öffentlichen Arbeitgebern,<br />
Mitarbeitenden trotz ihrer Beeinträchtigung<br />
eine Chance zu geben, ist noch nicht<br />
sehr ausgeprägt. Es braucht zweifellos<br />
noch sehr viel positive Überzeugungsarbeit<br />
und vor allem viele gute Beispiele, die<br />
Schule machen.“ Marc Fr. Suter ist aber<br />
nach wie vor überzeugt, <strong>das</strong>s man rund um<br />
die Problematik der Integration optimistisch<br />
sein solle und auch sein dürfe.<br />
von Integration Handicap werde er sich<br />
da<strong>für</strong> einsetzen, <strong>das</strong>s eine Verschlechterung<br />
der Leistungen <strong>für</strong> die Versicherten<br />
verhindert werden könne. Es zeichne sich<br />
aber jetzt schon ab, <strong>das</strong>s es bei externen<br />
ambulanten Leistungen (z.B. Spitex) eine<br />
Verschlechterung <strong>für</strong> die Versicherten<br />
geben werde. In Zukunft müsste mit<br />
grosser Wahrscheinlichkeit ein Anteil an<br />
den pflegerischen Aufwendungen von den<br />
Versicherten selber übernommen werden.<br />
Weiter informiert Georges Pestalozzi über<br />
den aktuellen Stand zum Pilot-Projekt Assistenz-Budget.<br />
„Sobald die Schlussauswertung<br />
der Pilotphase vorliegt, wird aufgrund<br />
der vorliegenden Resultate ein Entscheid<br />
über die Weiterführung oder über die Einstellung<br />
gefällt. Integration Handicap hofft,<br />
<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Projekt Assistenz-Budget definitiv<br />
weitergeführt werden kann.“<br />
zeigen, ob die abgegebenen Versprechungen<br />
der Kantone nun auch eingehalten<br />
und erfüllt werden. Werden die bestehenden<br />
Leistungen nach dem „Garantie-<br />
Ablauf“ auch tatsächlich weiter erbracht?<br />
Speziell die Situation der Finanzierung von<br />
Sonderschulmassnahmen muss ganz aufmerksam<br />
verfolgt werden.“<br />
Ergänzungswahl in den Zentralvorstand<br />
Marc F. Suter führt aus, <strong>das</strong>s Dr. iur. Victor<br />
G. Schulthess, Vize-Präsident von Integration<br />
Handicap, seinen Rücktritt eingereicht<br />
habe. Marc. F. Suter würdigt den seit dem<br />
1993 im Vorstand engagierten Victor G.<br />
Schulthess als eine kompetente und sachkundige<br />
Persönlichkeit. Er erwähnt: „Victor<br />
G. Schulthess hat sich in all den Jahren<br />
immer voll und ganz hinter die „Integrations-Idee“<br />
gestellt.“ Als Zeichen der Wertschätzung<br />
<strong>für</strong> die unzähligen geleisteten<br />
Stunden, in denen sich Victor G. Schulthess<br />
<strong>für</strong> die Betroffenen eingesetzt hat, überreicht<br />
ihm Marc F. Suter ein „gehaltvolles“<br />
Abschiedsgeschenk. Die Versammlungsteilnehmenden<br />
danken und verabschieden<br />
Victor G. Schulthess mit einem grossen<br />
herzlichen Applaus.<br />
Georges Pestalozzi, Leiter des Rechtsdienstes von<br />
Integration<br />
Georges Pestalozzi, Leiter des Rechtsdienstes<br />
von Integration Handicap, erklärt<br />
gegenüber den VersammlungsteilnehmerInnen,<br />
<strong>das</strong>s ganz aktuell ein weiteres wichtiges<br />
Sozialversicherungsproblem behandelt<br />
werde. Konkret gehe es um die Revision<br />
der Pflegefinanzierung. Als Vertreter<br />
Thomas Bickel, Zentralsekretär von Integration Handicap.<br />
Thomas Bickel, Zentralsekretär von Integration<br />
Handicap, orientiert, <strong>das</strong>s vor 14<br />
Tagen die Kantonalen Sozialdirektorinnen<br />
und Sozialdirektoren entschieden hätten,<br />
<strong>das</strong>s ein Entwurf <strong>für</strong> ein Bundessozialhilfegesetz<br />
ausgearbeitet werden solle. „Die<br />
Mehrzahl der Kantone wehrt sich aber mit<br />
Händen und Füssen gegen eine Bundeslösung,<br />
vor allem auch deshalb, weil der<br />
wichtige Bereich Qualitätsstandards in der<br />
Diskussion total ausgeklammert wird,“<br />
macht er geltend.<br />
Unter anderem weist Thomas Bickel noch<br />
daraufhin, <strong>das</strong>s nach 15-jährigen „Leidensweg“<br />
der NFA am 1. Januar 20<strong>08</strong> nun in<br />
Kraft gesetzt worden sei. „Es wird sich<br />
Victor G. Schulthess tritt nach 19 Jahren Engagement<br />
aus dem Zentralvorstand von Integration Handicap<br />
zurück.<br />
7
präsident der Schweizerischen Vereinigung<br />
der Gelähmten/Association Suisse des Paralysés<br />
ASPr, durch die anwesenden Delegierten<br />
einstimmig gewählt.<br />
Zur neuen Vize-Präsidentin von Integration<br />
Handicap wird Dr. iur. Klara Reber, Mitglied<br />
der Geschäftsleitung von Integration Handicap,<br />
einstimmig und mit grossem<br />
Applaus gewählt.<br />
Abstimmungskampagne über<br />
die IV-Zusatzfinanzierung<br />
Der Zentralvorstand hat entschieden, <strong>das</strong>s<br />
sich Integration Handicap aktiv an der Kampagne<br />
der Behindertenorganisationen und<br />
zwar auch finanziell beteiligen soll. Die<br />
Geschäftsleitung (Ausschluss des Zentralvorstands)<br />
stellt zuhanden der Delegiertenversammlung<br />
den Antrag, <strong>das</strong>s ihr die<br />
Ermächtigung erteilt wird, den zur Verfügung<br />
stehenden Beitrag an die Abstimmungskampagne<br />
auf insgesamt CHF<br />
50’000.— zu erhöhen bzw. zu maximieren.<br />
Marc. F. Suter informiert: „Die politische<br />
Ausgangslage ist aus meiner Sicht klar.<br />
Sollte es nicht gelingen, <strong>das</strong>s die IV-<br />
Finanzen nicht gesunden können, wird der<br />
Ruf nach Abbau von Leistungen unüberhörbar<br />
werden. Dies hätte zwangsläufig zur<br />
Folge, <strong>das</strong>s die Behinderten noch mehr die<br />
Leidtragenden wären. Ohne Geld wird am<br />
Inhalt der IV weiter geschraubt. Verlieren<br />
wir die Abstimmung, bin ich davon überzeugt,<br />
<strong>das</strong>s der nächste Hammer mit<br />
Bestimmtheit kommen wird. Unser Engagement<br />
und unser Beschluss über die Finanzierung<br />
der Abstimmungskampagne soll<br />
eine Signalwirkung haben.“<br />
Der Antrag des Zentralvorstandes wird einstimmig<br />
bei zwei Enthaltungen angenommen.<br />
Dies obwohl von einigen Delegierten<br />
klar zum Ausdruck gebracht wurde,<br />
<strong>das</strong>s es eigentlich unverständlich sei, <strong>das</strong>s<br />
die Behinderten und die Betroffenen<br />
wieder einmal mehr einen Abstimmungskampf<br />
führen sollen.<br />
Mit dem besten Dank an alle Mitarbeitenden<br />
von Integration Handicap <strong>für</strong> die<br />
stets sehr kompetent und motiviert<br />
erbrachten Dienstleistungen sowie den<br />
Delegierten <strong>für</strong> <strong>das</strong> ihm und dem Zentralvorstand<br />
entgegengebrachte Vertrauen<br />
schliesst Marc F. Suter den statutarischen<br />
Teil der 57. Delegiertenversammlung.<br />
Erste Erfahrungen mit der<br />
Umsetzung der 5. IV-Revision<br />
am Beispiel der Integrationsmassnahmen<br />
Martin L. Ryser stellt zusammen mit seinem Team<br />
die vielfältigen Geschäftsfelder der erfolgreichen<br />
Stiftung vor.<br />
Martin L. Ryser, Vorsitzender der<br />
Geschäftsleitung, stellt zusammen mit<br />
seinem Team die 10 Geschäftsfelder in 16<br />
verschiedenen Abteilung der Stiftung <strong>für</strong><br />
berufliche Integration GEWA vor. Aktuell<br />
werden insgesamt 350 Menschen mit Leistungsbeeinträchtigungen,<br />
davon 100 MitarbeiterInnen<br />
in Beruflichen Massnahmen<br />
und weitere 25 MitarbeiterInnen in einer<br />
Ausbildung beschäftigt. Zudem sind in der<br />
GEWA 100 Fachleute im Führungsteam und<br />
18 MitarbeiterInnen im Unternehmenskader<br />
angestellt. Die Gesamtleitung der<br />
GEWA obliegt dem Stiftungsrat mit 5 Mitgliedern<br />
sowie 4 Geschäftsleitungsmitgliedern.<br />
Die GEWA ist der grösste Arbeitgeber <strong>für</strong><br />
Menschen mit psychisch bedingten Leistungseinschränkungen<br />
und betreibt die<br />
zweitgrösste Werkstatt <strong>für</strong> leistungseingeschränkte<br />
Menschen im Kanton Bern.<br />
Martin L. Ryser betont, <strong>das</strong>s bis zum heutigen<br />
Zeitpunkt keine finanziellen Beiträge<br />
des Standortkantons entrichtet wurden.<br />
Das Unternehmensziel der Stiftung sei, die<br />
berufliche Integration von Menschen mit<br />
vorwiegend psychisch bedingten Leistungseinschränkungen.<br />
Martin L. Ryser erklärt: „Die Zusammenarbeit<br />
mit der IV-Stelle Bern bei der berufli-<br />
chen Integration ist vertraglich geregelt.<br />
Bevor aber der Auftrag an die GEWA durch<br />
die IV-Stelle erteilt wurde, mussten wir<br />
unsere zu erbringenden Dienstleistungen<br />
vorgängig offerieren. Bereits sind die<br />
ersten Menschen zur Abklärung in unsere<br />
Institution eingetreten. Die Zuweisung der<br />
wieder Einzugliedernden erfolgt bei der<br />
GEWA in den normalen Betriebsstrukturen.<br />
Die Versicherten arbeiten zusammen mit<br />
anderen Mitarbeitenden in den verschiedenen<br />
Teams innerhalb der GEWA. Erste<br />
gemachte Erfahrungen zeigen aber, <strong>das</strong>s<br />
dies sehr schwierig ist. Vor dem Eintritt<br />
erkundigt sich in der Regel die IV-Stelle, ob<br />
es einen freien Platz <strong>für</strong> ein Belastbarkeitstraining<br />
hat. Zudem wird festgelegt, welche<br />
Ziele erreicht bzw. verfolgt werden sollen<br />
und ein Mal pro Woche findet ein Gespräch<br />
statt, in welchem die Zielvorgaben überprüft<br />
werden.“<br />
Erfahrungen der IV-<br />
Stelle Bern<br />
Michael Schnyder, Abteilungschef Berufliche<br />
Eingliederung der IV-Stelle Bern,<br />
informiert in seinem Referat über die Massnahmen<br />
zur beruflichen Integration. Dabei<br />
unterscheidet die IV zwei Stossrichtungen<br />
bei den Integrationsmassnahmen. Auf der<br />
einen Seite gibt es Massnahmen zur sozialberuflichen<br />
Rehabilitation und auf der<br />
anderen Seite gibt es die Beschäftigungsmassnahmen.<br />
• Massnahmen zur sozialberuflichen<br />
Rehabilitation<br />
Aufbau der Eingliederungsfähigkeit<br />
durch: Gewöhnung an den Arbeitsprozess,<br />
Aufbau der Arbeitsmotivation, Stabilisierung<br />
der Persönlichkeit, Einüben<br />
sozialer Grundelemente<br />
• Beschäftigungsmassnahmen<br />
zur Aufrechterhaltung einer Tagesstruktur<br />
wo dies notwendig ist, um<br />
dadurch die verbliebene Restarbeitsfähigkeit<br />
aktiv aufrecht zu halten<br />
Michael Schnyder erklärt ausführlich, wie<br />
die Integrationsmassnahmen in der freien<br />
Wirtschaft nun umgesetzt werden sollten.<br />
Grundsätzlich habe die IV da<strong>für</strong> einen maximalen<br />
zeitlichen Rahmen von einem Jahr<br />
vorgesehen. Wichtig sei aber, <strong>das</strong>s die<br />
Arbeitskraft bei der IV-Stelle angemeldet<br />
sei und sie die Voraussetzung <strong>für</strong> eine Integrationsmassnahme<br />
erfülle. Im Betrieb<br />
müsse zu Beginn der Integrationsmassnahme<br />
die Arbeitskraft ein Belastbarkeitstraining<br />
absolvieren und anschliessend<br />
erfolge ein zielgerichtetes Aufbautraining.
Die Idee sei, <strong>das</strong>s jeder Versicherter<br />
Anspruch auf Integrationsmassnahmen von<br />
einem Jahr habe. Schnyder weist darauf<br />
hin, <strong>das</strong>s in anderen Kantonen auch unterschiedliche<br />
Modelle zur Anwendung<br />
gebracht würden.<br />
Michael Schnyder betont, <strong>das</strong>s die Invalidenversicherung<br />
nur mit diesen Massnahmen<br />
alleine nicht gerettet werden<br />
könne. Da<strong>für</strong> brauche es wesentlich mehr.<br />
Er als Abteilungschef der IV-Stelle Bern<br />
habe aber einen klaren Auftrag zur bestmöglichen<br />
Umsetzung der Integrationsmassnahmen<br />
erhalten. Aus betriebswirtschaftlichen<br />
Überlegungen seien die<br />
zusätzlichen Kosten, die die Integrationsmassnahmen<br />
verursachten aus<br />
seiner Sicht vertretbar und zu<br />
rechtfertigen. Gelinge es nämlich,<br />
nur eine Rente zu verhindern,<br />
seien soviel Rentenleistungen<br />
gespart worden, wie die Personalkosten<br />
<strong>für</strong> ein ganzes Jahr ausmachen<br />
würden.<br />
Abschliessend an seine Darlegungen<br />
weist Michael Schnyder<br />
noch auf einen ganz wichtigen<br />
Aspekt hin: „Es muss rasch reagiert<br />
werden. Es darf einfach nicht mehr zugewartet<br />
werden, bis eine Person definitiv<br />
arbeitsunfähig geworden ist.“<br />
Deshalb gilt:<br />
• Wann melden bei der IV-Stelle?<br />
Nach 4 Wochen gesundheitsbedingter<br />
Abwesenheit mit Risiko auf Chronifizierung<br />
• Wer meldet?<br />
Versicherte Person bzw. gesetzlicher Vertreter,<br />
im gemeinsamen Haushalt<br />
lebende Familienangehörige, Sozialdienste,<br />
Ärzte, KTG-UV-Versicherungen,<br />
Arbeitgeber, Einrichtung der beruflichen<br />
Vorsorge, Arbeitslosenversicherung,<br />
Militärversicherung<br />
Marc F. Suter bedankt sich bei den beiden<br />
Referenten Martin L. Ryser und Michael<br />
Schnyder <strong>für</strong> die aufschlussreichen Ausführungen,<br />
wie die 5. IV-Revision nun konkret<br />
in der Praxis umgesetzt wird. Ob dies<br />
der richtige Weg ist, wird sich aber erst<br />
später zeigen. Auf Einladung des Gastgebers<br />
der Stiftung <strong>für</strong> berufliche Integration<br />
haben die Versammlungsteilnehmer beim<br />
offerierten Apéro noch intensiv Gelegenheit<br />
über die neuen Umsetzungsideen der<br />
Integrationsmassnahmen ausgiebig untereinander<br />
zu diskutieren.<br />
Beim anschliessenden Rundgang durch<br />
verschiedene Räumlichkeiten bringt die<br />
<strong>sonos</strong>-Redaktion in Erfahrung, <strong>das</strong>s bei der<br />
GEWA auch hörbehinderte Menschen Programme<br />
absolvieren. Der von der GEWA<br />
eingeschlagene Weg wirkt insgesamt aussichtsreich.<br />
Es bleibt zu hoffen, <strong>das</strong>s die<br />
betroffenen Menschen mit dem so erworbenen<br />
Rüstzeug ihren Platz in der Arbeitswelt<br />
behalten bzw. finden können.<br />
[rr]<br />
Generalversammlung Zürcher Fürsorgeverein<br />
<strong>für</strong> Gehörlose vom 30. Juni 20<strong>08</strong><br />
Wie im vergangenen Jahr findet die diesjährige<br />
Generalversammlung des Zürcher<br />
Fürsorgevereins <strong>für</strong> Gehörlose in der<br />
Hochschule <strong>für</strong> Heilpädagogik HfH statt.<br />
Vor Beginn der statutarischen Geschäfte<br />
wird den zahlreichen Versammlungsteilnehmenden<br />
bei herrlichem Sommerwetter<br />
auf der Terrasse der HfH ein erfrischender<br />
Apéro serviert. Die Generalversammlungsbesucherinnen<br />
und -besucher geniessen<br />
<strong>das</strong> fast mediterrane Ambiente und die<br />
ungezwungene Atomsphäre zu ausgiebigen<br />
Gesprächen und um sich gegenseitig<br />
kennen zu lernen.<br />
Trotz der hochsommerlichen Temperaturen<br />
in der Aula der HfH eröffnet Doris Weber,<br />
Präsidentin des Zürcher Fürsorgevereins<br />
<strong>für</strong> Gehörlose, pünktlich die Jahresversammlung<br />
mit den statutarischen<br />
Geschäften. Zu Beginn nimmt Doris Weber<br />
Bezug auf die soeben erschienene Chronik<br />
„Gehörlos in Zürich“ - 25 Jahre Stiftung<br />
Treffpunkt der Gehörlosen TdG 1980 - 2005.<br />
Dieses Buch ist von Gehörlosen <strong>für</strong> Gehörlose<br />
(und Hörende) geschrieben und<br />
ermöglicht eine Zeitreise in die Vergangenheit<br />
und zeigt eindrücklich auf, was die<br />
Gemeinschaft in den letzten 25 Jahren alles<br />
erreicht hat. Unter anderem geht Doris<br />
Weber speziell auf <strong>das</strong> Vor- und Schlusswort<br />
von Benno Caramore bzw. auf seine<br />
„Emanzipationsgeschichte“ ein, in welcher<br />
er <strong>das</strong> Problem - wie kann man sich aus der<br />
Umklammerung der Fachhilfe lösen - aufnimmt.<br />
Mit Charme und grosser Souveränität leitet Doris<br />
Weber, die Präsidentin des Zürcher Fürsorgevereins<br />
<strong>für</strong> Gehörlose, die Jahresversammlung.<br />
Doris Weber heisst die Versammlungsteilnehmenden<br />
ganz herzlich willkommen. Mit<br />
sichtlich grosser Freude und Stolz begrüsst<br />
Doris Weber die höchste Zürcherin, die<br />
Kantonsratspräsidentin Frau Regula Thalmann,<br />
und heisst sie ebenfalls ganz herzlich<br />
willkommen. Auch die beiden anwesenden<br />
Gebärdensprachdolmeterinnen,<br />
Karin Alpweg und Barbara Spörri, werden<br />
herzlich willkommen geheissen sowie den<br />
Gastreferent, der gehörlos geborene<br />
Waadtländer Politiker Pierrot Auger-Micou.<br />
Grusswort der Kantonsratspräsidentin<br />
Regula Thalmann-<br />
Meyer<br />
Regula Thalmann gibt in ihrer Grussbotschaft<br />
zu bedenken: „Sehen bedeutet noch<br />
nicht, auch wirklich wahrzunehmen. Hören<br />
bedeutet noch nicht, auch wirklich<br />
zuzuhören. Nicht hören können, ist <strong>das</strong><br />
Handicap etlicher Mitglieder des Zürcher<br />
Fürsorgevereins <strong>für</strong> Gehörlose. Nicht<br />
zuhören können, ist ein Handicap, an dem<br />
viel mehr Menschen leiden. Auch in der<br />
Politik.“<br />
Regula Thalmann erwähnt, <strong>das</strong>s sie gerne<br />
zu der heutigen Generalversammlung<br />
gekommen sei. Zumal es in ihrem Leben<br />
bisher drei Berührungspunkte mit dem<br />
Handicap „Gehörlos“ gegeben habe. Einerseits<br />
habe sie als Bezirksrichterin am<br />
Gericht 1:1 erfahren, was es <strong>für</strong> Betroffene<br />
tatsächlich heisse, sich nur in Gebärden-<br />
9
sprache mitteilen zu können. Anderseits<br />
habe ihre Tochter eine Zusatzausbildung in<br />
Gehörlosenpädagogik an der HfH abgeschlossen.<br />
Schliesslich habe sie sich selbst<br />
in der Politik mit Gehörlosigkeit und Hörbehinderung<br />
auseinandergesetzt.<br />
Grussbotschaft von Regula Thalmann, der Kantonsratspräsidentin<br />
des Kantons Zürich.<br />
Regula Thalmann betont gegenüber den<br />
Anwesenden: „Mit meinem Kommen will<br />
ich ein Zeichen setzen. Ein Zeichen da<strong>für</strong>,<br />
<strong>das</strong>s die Politik bereit ist, ihnen zuzuhören<br />
und die besonderen Probleme, die sie<br />
haben wahrzunehmen. Ein gutes Zeichen<br />
da<strong>für</strong>, <strong>das</strong>s die Politik gewillt ist, den<br />
Gehörlosen zuzuhören, hat der Verfassungsrat<br />
gesetzt. In Art. 12 der neuen Kantonsverfassung<br />
ist ihre Muttersprache, die<br />
Gebärdensprache, ausdrücklich anerkannt<br />
worden. Ein weiteres Zeichen hat dieses<br />
Jahr im Januar der Kantonsrat gesetzt. Er<br />
hat <strong>das</strong> Gesetz über <strong>das</strong> Zentrum <strong>für</strong> Gehör<br />
und Sprache verabschiedet. Im Zentrumsrat<br />
wird neu mindestens eine Person<br />
mit einer Hör- oder Sprachbehinderung vertreten<br />
sein. Somit wird im obersten Leitungsgremium<br />
ihre Stimme gehört werden.<br />
Beide Neuerungen, welche ich erwähnt<br />
habe, sind gute Zeichen. Sie geben Hoffnung.<br />
Damit aber die Hoffnungen erfüllt<br />
werden, muss auch gehandelt werden.“<br />
Konkret nimmt Regula Thalmann Bezug auf<br />
die folgenden drei Punkte:<br />
• Die Gehörlosen und Hörbehinderten sind<br />
auf dem richtigen Weg. Sie setzen nämlich<br />
auf Eigeninitiative und auf die Arbeit<br />
in Fach- und Arbeitsgruppen.<br />
• Konkrete Anliegen an die Gemeinschaft<br />
formulieren, sei dies in der Bildungspolitik,<br />
in der Sozialpolitik oder in der<br />
Arbeitsmarktpolitik. Wer konkret wird,<br />
dem hört man eher zu.<br />
• Nicht entmutigen lassen, wenn Widerstand<br />
gegen die Anliegen erwächst.<br />
Demokratie ist die Staatsform der<br />
Beharrlichkeit.<br />
Regula Thalmann meint abschliessend:<br />
„Das berechtigte Ziel ist es, trotz der Behinderung<br />
am Leben der Gemeinschaft teilzuhaben.<br />
Integration braucht beide. Diejenigen,<br />
die sich integrieren wollen und die<br />
Gemeinschaft. Wenn sich beide zuhören,<br />
kommen wir mit Beharrlichkeit Schritt <strong>für</strong><br />
Schritt weiter.“<br />
Highlights der Vereinsgeschäfte<br />
Die Präsidentin des Zürcher Fürsorgevereins<br />
<strong>für</strong> Gehörlose, Doris Weber, führt mit<br />
viel Übersicht und der notwendigen Souveränität<br />
kompetent durch die traktandierten<br />
Versammlungsgeschäfte. Die wichtigsten<br />
Vereinsgegebenheiten aus dem Jahr<br />
2007 sind im Jahresbericht schriftlich festgehalten<br />
und den Vereinsmitgliedern zur<br />
Verfügung gestellt worden. Doris Weber<br />
erwähnt aus dem Geschäftsbericht 2007,<br />
<strong>das</strong>s ein Austausch zwischen dem Vorstand<br />
und dem Team der Beratungsstelle stattgefunden<br />
habe und dabei die strategische<br />
und visionäre Positionierung des Vereins<br />
diskutiert worden sei. Der eingeleitete Prozess,<br />
wie sich die Beratungsstelle im<br />
Umfeld von Bedürfnissen und des Gehörlosenwesen<br />
bestmöglich einbringen könne,<br />
solle auch in den nächsten Monaten weitergehen.<br />
Unter anderem erwähnt Doris<br />
Weber noch, <strong>das</strong>s es sie sehr freue, wenn<br />
gegenüber dem Verein von aussen Annerkennung<br />
<strong>für</strong> die gute geleistete Arbeit entgegengebracht<br />
werde. Von der Max Bircher-Stiftung<br />
habe der grosszügige Betrag<br />
von Fr. 40’000.— in verdankenswerter<br />
Weise entgegengenommen werden dürfen.<br />
Die Leiterin der Fachstelle, Anna Leutwyler,<br />
hebt in ihrem Jahresrückblick die Vielseitigkeit<br />
der angebotenen Dienstleistungen und<br />
der Beratungsstelle hervor. „Das Bedürfnis<br />
nach einer kompetenten und umfassenden<br />
Beratung ist ausgewiesen. Im Jahr 2007<br />
führte die Beratungsstelle 239 Klientendossiers<br />
und es wurden insgesamt 169<br />
Kurzberatungen durchgeführt sowie 9<br />
Familienberatungen.“<br />
Anna Leutwyler weist daraufhin, <strong>das</strong>s die<br />
Arbeit auf der Beratungsstelle, eine Arbeit<br />
der kleinen Schritte und der Beharrlichkeit<br />
sei. Die grosse Unbekannte sei, was bringe<br />
nun die eingeführte 5. IVG-Revision <strong>für</strong> die<br />
Betroffenen. Ihre Schlussfolgerung lautet<br />
derzeit: „Die Behinderten warten immer<br />
noch auf einen Job. Das Ziel ist und bleibt,<br />
die Wiedereingliederung in die Erwerbstätigkeit.<br />
Wir müssen beharrlich sein und<br />
weiterarbeiten. Brückenschlagen, bis endlich<br />
die Gleichberechtigung umgesetzt ist.“<br />
Erwähnt werden schliesslich noch die Eröffnungen<br />
der Beratungsstelle in Schaffhausen<br />
und Olten (<strong>sonos</strong> berichtete ausführlich<br />
darüber). Damit konnten regionale<br />
Unterversorgungen geschlossen werden.<br />
Für die Betroffenen ist damit eine markante<br />
Qualitätssteigerung erzielt worden. Bleibt<br />
nur zu hoffen, <strong>das</strong>s die einjährige Pilotphase<br />
<strong>für</strong> die Beratungsstelle in Olten zu<br />
einer definitiven Lösung führen wird.<br />
Ein Sorgenkind bleibt nach den Aussagen<br />
von Anna Leutwyler nach wie vor <strong>das</strong> Engagement<br />
in der Freiwilligenarbeit. Die Freiwilligenarbeit<br />
gewinnt an Ansehen und<br />
trotzdem möchten immer weniger diese<br />
wichtige Arbeit leisten.<br />
Die Jahresberichte der Präsidentin und der<br />
Fachstelle werden einstimmig genehmigt.<br />
Ebenfalls wird die durch den Quästor,<br />
Ralph Hort präsentierte Vereinsrechnung,<br />
welche ein positives Jahresergebnis von Fr.<br />
77’647.— ausweist, einstimmig angenommen.<br />
Vize-Präsident Jan Keller gratuliert Doris Weber zur glanzvollen<br />
Wiederwahl als Präsidentin des ZfVG.<br />
Unter dem Tranktandum Wahlen wird der<br />
gesamte Vorstand wiedergewählt. Der Vizepräsident,<br />
Jan Keller, schlägt der Versammlung<br />
vor, <strong>das</strong>s die charmante und engagierte<br />
Doris Weber in ihrem Amt als Präsidentin<br />
bestätigt und wieder gewählt wird.<br />
Mit grossem Applaus folgen die Anwesenden<br />
der Wahlempfehlung von Jan Keller.<br />
Doris Weber wird einstimmig als Präsidentin<br />
gewählt.<br />
Erfolgreiche Diplomanden<br />
Doris Weber und Anna Leutwyler gratulieren<br />
stellvertretend im Namen des ganzen<br />
Teams der Beratungsstelle Doris Hermann<br />
und Rolf Zimmermann <strong>für</strong> ihre sehr erfolgreichen<br />
beruflichen Weiterbildungsabschlüsse.<br />
Doris Hermann hat <strong>das</strong> eidgenössisch<br />
anerkannte Diplom als dipl. Sozialpädagogin<br />
HF an der Höheren Fachschule
<strong>für</strong> Sozialpädagogik Luzern (hsl) erworben.<br />
In ihrer Diplomarbeit bearbeitete sie <strong>das</strong><br />
Thema; „Aufgaben gehörloser Sozialpädagoginnen<br />
und Sozialpädagogen in der<br />
Frühförderung gehörloser Kinder“.<br />
Rolf Zimmermann hat den Fachausweis als<br />
Personalberater mit eidgenössischem<br />
Fachausweis erhalten. Wahrlich eine grandiose<br />
Leistung, die mit einer kleinen Laudatio<br />
von Anna Leutwyler herausgehoben<br />
wird.<br />
«Lieber Rolf<br />
Als erster Hörbehinderter hast Du es<br />
geschafft an einer Fachhochschule einen<br />
eidgenössischen Ausweis mit gesetzlich<br />
geschütztem Titel zu erlangen.<br />
Wir wissen um Deine Anstrengungen und<br />
Deinem Einsatz, Dir unter hörenden StudienkollegInnen<br />
und DozentInnen einen<br />
Platz zu verschaffen.<br />
Vor der Prüfung telefonierte ich mit Deinem<br />
Schulleiter. Er erzählte, <strong>das</strong>s er im Hinblick<br />
auf einen hörbehinderten Studenten einen<br />
Gebärdensprachkurs beim SGB besucht<br />
habe. Er musste aber „gestehen“, <strong>das</strong>s er<br />
während dem ganzen Studium nicht mehr<br />
daran gedacht habe, <strong>das</strong>s Du dieser Betroffene<br />
bist!<br />
Du bringst zur Erfüllung Deiner Aufgabe<br />
alles mit, was es <strong>für</strong> eine qualifizierte Arbeit<br />
an einer Fachstelle braucht: <strong>das</strong> eigene<br />
Betroffensein, Empathie, die Berufserfahrung<br />
in der freien Wirtschaft und mit<br />
diesem Abschluss nun auch <strong>das</strong> notwendige<br />
Fachwissen.<br />
Wir gratulieren Dir von ganzem Herzen!<br />
Das Team der Beratungsstelle.»<br />
Mit einem herzlichen Dankeschön an alle<br />
Mitarbeitenden der Beratungsstelle und<br />
die Mitglieder des Vorstandes <strong>für</strong> die gute<br />
und stets konstruktive Zusammenarbeit<br />
schliesst Doris Weber den statuarischen<br />
Teil der Generalversammlung.<br />
Referat von Pierrot Auger-<br />
Micou, gehörloser Gemeinderat<br />
in Mathod VD<br />
Nach einer kurzen Erfrischungspause<br />
erzählt der gehörlos geborene Pierrot<br />
Auger-Micou über seine Rolle als Politiker,<br />
seine Anliegen und Ziele. Pierrot Auger-<br />
Mocou arbeitet beim Schweizerischen<br />
Gehörlosenbund SGB-FSS in Lausanne und<br />
ist Einwohnerrat im Waadtländer Dorf<br />
Mathod. Er ist eine engagierte Persönlichkeit.<br />
Pierrot Auger-Micou informiert: „Als Politiker<br />
musste ich ganz unten anfangen und<br />
in meiner Tätigkeit in der Legislative hatte<br />
ich die Chance viel Neues dazu zu lernen.<br />
Eines war aber gleich von Anfang an klar,<br />
ohne die Unterstützung und die Begleitung<br />
von GebärdensprachdolmetscherInnen<br />
wäre mein neues Amt gar nicht auszuüben.<br />
Der Eintritt in den Einwohnerrat von<br />
Mathod erfolgte Mitte 2006. Mir macht die<br />
politische Arbeit sehr viel Spass und<br />
Freude. Ich könnte mir sehr gut vorstellen,<br />
<strong>das</strong>s ich im Jahr 2011 als Gemeinderat kandidieren<br />
werde. Ob dies aber aufgrund<br />
meiner Behinderung überhaupt möglich<br />
sein wird, ist äusserst fraglich. Der Grund<br />
<strong>für</strong> eine Nichtwahl ist aber nicht meine<br />
Behinderung selbst, sondern die enormen<br />
Kosten, die wegen der vielen Gebärdensprachdolmetscheinsätzen<br />
entstehen<br />
würden. Der Gemeinderat tagt wöchentlich<br />
in der Regel 3 Stunden lang. In dieser Zeit<br />
müssten dann eigentlich immer zwei<br />
GebärdensprachdolmetscherInnen anwesend<br />
sein. Es ist daher äusserst fraglich, ob<br />
diese sehr hohe Kosten überhaupt durch<br />
Dritte übernommen werden können.“<br />
Pierrot Auger-Micou weist in seinem<br />
Referat darauf hin, <strong>das</strong>s in seiner Wohngemeinde<br />
Mathod insgesamt 559 Einwohnerinnen<br />
und Einwohner leben, davon seien 3<br />
Gehörlose sowie 8 Gebärdensprachkundige.<br />
Ausführlich nimmt Pierrot Auger-<br />
Micou Bezug auf <strong>das</strong> staatspolitische<br />
System der Schweiz und macht dabei -<br />
zwecks besseren Verständnisses - immer<br />
wieder interessante Vergleiche zwischen<br />
den nationalen und den kommunalen<br />
Gegebenheiten.<br />
Nach dem informativen Polit-Exkurs beantwortet<br />
Pierrot Auger-Micou die zahlreichen<br />
Fragen aus dem Publikum und nimmt Stellung<br />
zu abgegebenen Statements. Hier die<br />
Flash lights:<br />
Der gehörlose Politiker, Pierrot Auger-Micou stellt<br />
anschaulich <strong>das</strong> politische System der Schweiz dar.<br />
Kurzporträt von Pierrot Auger-<br />
Micou<br />
• gehörlos seit Geburt<br />
• Bürger von Meyrin / Genf<br />
• verheiratet, 2 Kinder<br />
• gehörlose Familie<br />
• aufgewachsen in Genf<br />
• Schule im Institut St. Joseph<br />
Gehörlosenschule in Freiburg<br />
• wohnhaft in Mathod seit 2000<br />
Berufliche Tätigkeiten - SGB-<br />
FSS Lausanne<br />
• Layouter der Gehörlosenzeitung „fais-moi<br />
signe“ seit 1995<br />
• Soziokultureller Animator im Bereich<br />
„Animation und Bildung“ seit 2002<br />
• Gebärdensprachlehrer <strong>für</strong> Privatpersonen,<br />
<strong>für</strong> Angestellte im Gehörlosenwesen<br />
und <strong>für</strong> Dolmetscher seit 1988<br />
Politisches Engagement und<br />
Tätigkeiten<br />
• Vermutlich einziger gehörloser Einwohnerrat<br />
in der Schweiz<br />
• Interesse an der Politik seit 2000<br />
• Grosse Unterstützung durch Gewerkschaften<br />
• keine Parteizugehörigkeit (parteilos)<br />
• Medienpräsenz: Zeitung von Orbe,<br />
Zeitung von Yverdon, 24 heures,<br />
Migrosmagazin, Visuellplus etc.<br />
Die beiden glücklichen und strahlenden Neudiplomierten,<br />
Doris Hermann und Rolf Zimmermann.<br />
11
„Wie erfolgte die Aufnahme in den Einwohnerrat<br />
von Mathod?“<br />
Pierrot Auger-Micou: „Am Anfang waren die Menschen<br />
natürlich sehr erstaunt. Heute hat sich<br />
aber vieles wieder beruhigt und einer Normalität<br />
Platz gemacht. Die grösste Herausforderung war<br />
sicher diejenige, <strong>das</strong>s an den Sitzungen immer<br />
GebärdensprachdolmetscherInnen anwesend<br />
sind. Aber ohne deren Anwesenheit hätte ich<br />
überhaupt keine Chance den Sitzungsverlauf mitzuverfolgen.“<br />
„Wenn keine GebärdensprachdolmetscherInnen<br />
anwesend sind, könntest du dich da nicht schriftlich<br />
mitteilen?“<br />
Impressionen<br />
Die Stellenleiterin der<br />
Beratungsstelle,<br />
Anna Leutwyler und<br />
der gehörlose Einwohnerrat<br />
von<br />
Mathod, Pierrot<br />
Auger-Micou, beim<br />
Apéro.<br />
Pierrot Auger-Micou: „Das ist in einer grossen<br />
Gruppe überhaupt nicht möglich. Das wäre viel<br />
zu umständlich und vor allem viel zu zeitintensiv.<br />
Ich stelle aber mit Genugtuung fest, <strong>das</strong>s ich von<br />
allen Seiten sehr unterstützt werde.“<br />
„Wie kannst du dich in einer Gruppe von 20 Teilnehmenden<br />
erfolgreich einbringen?“<br />
Pierrot Auger-Micou: „Ich bin ein sehr ruhiger<br />
Typ. Auch wenn es innerlich ab und zu brodelt.<br />
Ich habe gelernt zu warten und alles zuerst sich<br />
setzen zu lassen. Ich pflege und schätze den Austausch.“<br />
Kantonsratspräsidentin<br />
Regula Thalmann<br />
und die ZfVG-<br />
Präsidentin Doris<br />
Weber.<br />
„Gibst du dein politisches Wissen weiter?“<br />
Pierrot Auger-Micou: „Selbstverständlich versuche<br />
ich <strong>das</strong>, langsam und Schritt <strong>für</strong> Schritt. Ich<br />
habe aber festgestellt, <strong>das</strong>s bei den Gehörlosen<br />
<strong>das</strong> Interesse an der Politik nicht sehr hoch ist.“<br />
„Wenn du jetzt Gemeinderat werden möchtest,<br />
könnte es tatsächlich so sein, <strong>das</strong>s du wegen den<br />
hohen anfallenden Gebärdensprachdolmetschkosten<br />
nicht gewählt würdest?“<br />
Pierrot Auger-Micou: „Ja, <strong>das</strong> wäre durchaus<br />
denkbar. Die anfallenden Kosten wären enorm<br />
und die Frage der Kostenübernahme bzw. der<br />
Finanzierung ist völlig offen. Wahrscheinlich<br />
müsste dies mit Gemeindesteuergeldern finanziert<br />
werden. Eigentlich undenkbar.“<br />
Angeregte Diskussion<br />
vor der Generalversammlung.<br />
„Fühlst du dich, oder besser gefragt, bist du integriert?“<br />
Pierrot Auger-Micou: „Frührer habe ich in Genf<br />
gewohnt. In einer Grossstadt verschwindet man<br />
eher in der Anonymität. In meiner jetzigen<br />
Gemeinde Mathod ist <strong>das</strong> total anders. In diesem<br />
kleinen Dorf kennt man sich einfach und hier<br />
fühle ich mich wirklich integriert.“<br />
Mit grossem Applaus werden die interessanten<br />
Ausführungen von Pierrot Auger-Micou durch die<br />
Versammlungsteilnehmer verdankt. Doris Weber<br />
bedankt sich bei Pierrot Auger-Micou <strong>für</strong> sein<br />
engagiertes Referat und natürlich <strong>für</strong> seine<br />
Bereitschaft extra aus dem Welschland in die<br />
Deutschschweiz zu kommen.<br />
Die Generalversammlung<br />
wird auch von<br />
der am 14. <strong>September</strong><br />
1915 geborenen<br />
gehörlosen<br />
Bertha Schneiter aus<br />
Turbenthal ausgesprochen<br />
aufmerksam<br />
und interessiert<br />
verfolgt.<br />
[rr]
Sind Schwerhörige<br />
ohne Kultur?<br />
Wir schreiben und sprechen viel von der<br />
Gehörlosenkultur - wie ist <strong>das</strong> bei den<br />
Schwerhörigen? Ist die Gehörlosenkultur<br />
offen <strong>für</strong> Schwerhörige? Im Podium äussern<br />
sich Schwerhörige und Gehörlose<br />
dazu. Ein interessanter Austausch - <strong>für</strong><br />
mehr Gemeinsamkeit?<br />
Im Clubraum der Roten Fabrik in Zürich-<br />
Wollishofen treffen sich am Mittwoch, 16.<br />
Juli 20<strong>08</strong>, auf Einladung der „kofo zürich“,<br />
des Gehörlosen- und Sportvereins und in<br />
Zusammenarbeit mit „sichtbar GEHÖR-<br />
LOSE ZÜRICH“ eine wirklich grosse Anzahl<br />
von interessierten Zuhörenden und<br />
Zuschauenden, um auf die vielfältigen Kulturaspekte<br />
im Hörbehindertenbereich Antworten<br />
erhalten und allenfalls neue<br />
Erkenntnisse gewinnen.<br />
Gian-Reto Janki moderiert gekonnt und souverän die spannende<br />
und interessante Podiumsveranstaltung.<br />
Gian-Reto Janki eröffnet die kofo-Veranstaltung<br />
und begrüsst die Besucherinnen und<br />
Besucher sowie die beiden anwesenden<br />
Gebärdendolmetscherinnen, Barbara<br />
Bucher und Johanna Wüthrich. Gian-Reto<br />
Janki meint einleitend: „Heute haben wir<br />
ein ganz spezielles Thema ausgewählt.<br />
Haben Schwerhörige auch eine Kultur?<br />
Dieser Frage wollen wir in der heutigen<br />
Podiumsveranstaltung vertieft nachgehen<br />
und gemeinsam darüber diskutieren.“<br />
Gian-Reto Janki heisst seine Gäste und<br />
Podiumsteilnehmenden, Lizabeta Simonaj,<br />
Michael Gebhard und Dieter Spörri ganz<br />
herzlich willkommen.<br />
Vor Beginn der eigentlichen Podiumsdiskussion<br />
erläutert Gian-Reto Janki, was<br />
eigentlich Kultur bedeutet und wie Kultur<br />
definiert wird. „Kultur ist etwas von Menschenhand<br />
erschaffenes, und sie hat mit<br />
Recht, Moral, Wissenschaft und Religion zu<br />
tun.“ Janki weist darauf hin, <strong>das</strong>s fünf<br />
Aspekte mit einbezogen werden müssen,<br />
um in einer Gruppe zu einer zuverlässigen<br />
Kultur zu gelangen. Es braucht - als wichtigsten<br />
Aspekt <strong>für</strong> Gehörlose - die Sprache<br />
und sodann die Identität, Verhaltensregeln,<br />
Traditionen und Werte.“<br />
Etwas provokativ stellt Janki zwei Thesen<br />
auf:<br />
„Ohne Gebärdensprache gibt es keine<br />
Gehörlosenkultur“<br />
oder ist es viel mehr so<br />
„Ohne Gehörlosenkultur gibt es keine<br />
Gebärdensprache“<br />
Janki meint: „Es ist noch nicht allzu lange<br />
her, als die Gebärdensprache unterdrückt<br />
wurde. Nur in den Vereinen war es möglich,<br />
untereinander die Gebärdensprache zu<br />
benutzen und mit ihr zu kommunizieren.<br />
Die Vereine waren <strong>das</strong> Zentrum <strong>für</strong> die<br />
Gehörlosen und in den Vereinen war es<br />
möglich, wichtige Werte der Gehörlosen zu<br />
pflegen und zu erhalten.“<br />
Janki fragt: „Die Heimat der Gehörlosen ist<br />
der Verein. Wie sieht <strong>das</strong> nun konkret bei<br />
den Schwerhörigen aus?“<br />
Podiums-Diskussion<br />
Die drei Podiumsteilnehmenden stellen<br />
sich kurz dem Publikum vor.<br />
Lizabeta Simonaj: „Aufgewachsen bin ich<br />
als Gehörlose. Als Kind wurde ich mit<br />
einem Cochlea Implantat versorgt. Dieses<br />
wurde dann indes auf meinen Wunsch hin<br />
wieder entfernt. Als klar gebärdensprachlich<br />
orientierte Gehörlose engagiere ich<br />
Gian-Reto Janki<br />
mit seinen<br />
Gästen auf dem<br />
Podium. Lizabeta<br />
Simonaj,<br />
Michael Gebhard<br />
und Dieter<br />
Spörri v.l.n.r.<br />
mich als Mitglied im IGGH-Vorstand (Interessengemeinschaft<br />
Gehörlose, Hör- und<br />
Sprachbehinderte) in Bern.<br />
Michael Gebhard: „Ich bin ohne Kontakt zu<br />
Gehörlosen aufgewachsen und integrativ<br />
beschult worden. Ich engagiere mich seit<br />
einem Jahr bei VUGS und zudem habe ich<br />
ein ganz grosses Interesse an der Politik.“<br />
Dieter Spörri: „In meinem zweiten Lebensjahr<br />
wurde festgestellt, <strong>das</strong>s ich nur eine<br />
Hörfähigkeit von 10% habe. Die gesamte<br />
Schulzeit verbrachte ich im Landenhof und<br />
absolvierte danach eine Uhrmacher-Lehre.<br />
Nach dem Abschluss meiner Lehrzeit hatte<br />
ich erstmals Kontakt zu Gehörlosen. Ich<br />
habe mich in verschiedenen Vereinen <strong>für</strong><br />
die Belange der Schwerhörigkeit engagiert.<br />
Heute bin ich viel näher bei den Gehörlosen<br />
als bei den Schwerhörigen.“<br />
Michael Gebhard: „Im 19. Jahrhundert gab<br />
es in der Pädagogik keine Trennung zwischen<br />
den Gehörlosen und den Schwerhörigen.<br />
Erst im 20. Jahrhundert wurde<br />
getrennt beschult. Aufgrund meiner<br />
geschichtlichen Recherchen stelle ich fest,<br />
<strong>das</strong>s die Schwerhörigen wesentlich heterogener<br />
als die Gehörlosen sind. Und eines<br />
kann auch klar ausgesagt werden, <strong>das</strong>s die<br />
Geburtsschwerhörigen immer am flexibelsten<br />
waren. Um die Frage nach der Schwerhörigenkultur<br />
zu beantworten, muss zuerst<br />
geklärt werden, wer ist eigentlich der<br />
Träger dieser Kultur. Sind es vielleicht die<br />
Älteren der Schwerhörigen? Die Frage lässt<br />
sich nur sehr schwer beantworten. Das Ziel<br />
der Schwerhörigen ist es, klar und deutlich<br />
kommunizieren zu können. Und <strong>das</strong> Ziel<br />
der Gehörlosen ist es, in der Gebärdensprache<br />
zu kommunizieren. Ich denke<br />
wichtig ist es, <strong>das</strong>s sich sowohl die Schwerhörigen<br />
wie auch die Gehörlosen einfach<br />
wohl fühlen. Es gibt kein richtig und falsch,<br />
eigentlich ist alles offen.“
Lizabeta Simonaj und Michael Gebhard informieren über kulturelle<br />
Aspekte aus dem Schwerhörigen- und dem Gehörlosenbereich.<br />
Lizabeta Simonaj: „Vor 10 Jahren wurde die<br />
IGGH gegründet. Viele Veranstaltungen<br />
wurden organisiert und durchgeführt. Die<br />
IGGH war offen <strong>für</strong> alle Interessierten und<br />
niemand wurde ausgeschlossen. Seit<br />
einigen Monaten gibt es aber interne Spannungen.<br />
Der Grund da<strong>für</strong> ist, <strong>das</strong>s in der<br />
IGGH zuviel die Lautsprache benutzt wird.<br />
Dieser Umstand finden die Gehörlosen sehr<br />
schwierig, weil dadurch der kommunikative<br />
Austausch erschwert wird. Grundsätzlich<br />
wollen wir aber <strong>für</strong> alle Gruppierungen<br />
offen sein.“<br />
Michael Gebhard: „Historisch betrachtet<br />
wurde der Begriff Gehörlosenkultur in den<br />
60er Jahren des letzten Jahrhunderts<br />
geprägt. Ich denke, <strong>das</strong>s jetzt eine neue<br />
Kultur oder eine neue Form der Kultur<br />
kommen wird. Ich denke der Status<br />
«gehörlos» oder «schwerhörig» weist nicht<br />
den Weg zur Kultur. Ich denke, es muss<br />
zuerst die Grundsatzfrage, dürfen Schwerhörige<br />
bei den Gehörlosen mitmachen,<br />
geklärt werden.“<br />
Dieter Spörri: „Ich denke, <strong>das</strong>s die angebotenen<br />
Programme bei den Gehörlosen-<br />
Organisationen vielseitiger und attraktiver<br />
sind als dies bei den Schwerhörigen-Organisationen<br />
der Fall ist. Sicher ist dies meine<br />
subjektive Meinung. Ich weiss, <strong>das</strong>s sich<br />
pro audito im Verlaufe der letzten Jahren<br />
sehr um interessante Veranstaltungen<br />
bemüht hat, aber ich habe dort einfach<br />
nicht mitgemacht.“<br />
Lizabeta Simonaj: „Bei mir ist es ganz klar,<br />
ich fühle mich ganz eindeutig viel mehr zu<br />
den Gehörlosen hingezogen.“<br />
Ablesen - ist <strong>das</strong> ein Kulturbestandteil<br />
der Schwerhörigen?<br />
Gian-Reto Janki stellt zu Beginn der Podiumsdiskussion<br />
die wichtige Kernfrage, ob<br />
<strong>das</strong> Ablesen ein Kulturbestandteil bei den<br />
Schwerhörigen sei.<br />
Dieter Spörri: „Ja, <strong>das</strong><br />
Ablesen ist ein wesentlicher<br />
Bestandteil bei den<br />
Schwerhörigen.“<br />
Michael Gebhard: „Das<br />
Ablesen war früher die<br />
treibende Kraft <strong>für</strong> die<br />
Schwerhörigen. Es war der<br />
eigentliche Lockvogel <strong>für</strong><br />
die Gewinnung von neuen<br />
Vereinsmitgliedern. Das<br />
Ablesen wurde zur Tradition<br />
mit eigenem Regelwerk,<br />
und es symbolisierte,<br />
im gleichen Boot zu<br />
sitzen. Ich muss aber<br />
betonen, <strong>das</strong>s meines Wissens entsprechende<br />
empirische Untersuchungen<br />
fehlen.“<br />
Lizabeta Simonaj: „Das Ablesen ist und war<br />
nie meine Muttersprache. Es gibt so viele<br />
verschiedene Mundbilder. Man denke hier<br />
auch vor allem an die Männer mit Bärten<br />
und Schnäuzen. Grosse Probleme entstehen<br />
auch beim Ablesen von Fremdwörtern<br />
oder wenn in einer anderen Sprache<br />
geredet wird. Ich denke, die Schwerhörigen<br />
wurden bzw. werden von ihren hörenden<br />
Eltern stark beeinflusst.“<br />
Kann etwas Gemeinsames<br />
entstehen?<br />
Gian-Reto Janki möchte von seinen drei<br />
Gästen wissen, ob zwischen den Gehörlosen<br />
und den Schwerhörigen auch etwas<br />
Gemeinsames entstehen kann?<br />
Dieter Spörri kennt sowohl die speziellen Gegebenheit<br />
bei den Schwerhörigen wie bei den Gehörlosen<br />
sehr genau.<br />
Dieter Spörri: „Aus meiner Erfahrung kann<br />
ich sicher bestätigen, <strong>das</strong>s die Schwerhörigen<br />
bei den Gehörlosen jederzeit herzlich<br />
willkommen sind. Das Positive ist auf<br />
jeden Fall, <strong>das</strong>s es zu gegenseitigen Hilfestellungen<br />
kommt. Das gegenseitige<br />
Helfen ist <strong>das</strong> Beste und fördert die Kom-<br />
munikation.“<br />
Lizabeta Simonaj: „Wir bei der IGGH fördern<br />
die Zusammenarbeit zwischen den<br />
Gehörlosen und den Schwerhörigen.<br />
Wichtig ist aber, <strong>das</strong>s die Kommunikation<br />
klappt. Es darf einfach keine Missverständnisse<br />
geben.“<br />
Dieter Spörri: „Ich denke, wir müssen<br />
bestehende Vorurteile abbauen. Dazu<br />
braucht es unbedingt mehr Toleranz und<br />
ein gegenseitiges Engagement sowie ein<br />
Mitmachen. Es muss zwingend eine Vertrauensbasis<br />
geschaffen werden.“<br />
Michael Gebhard: „Ich denke auch, <strong>das</strong>s<br />
Toleranz sehr wichtig ist. In der Vergangenheit<br />
wurde ja <strong>das</strong> Gemeinsame schon praktiziert.<br />
Wieso sollte es jetzt nicht mehr<br />
funktionieren? Ich denke, es braucht dazu<br />
aber zwei starke Dachorganisationen mit<br />
ihren jeweiligen Anlaufstellen.“<br />
Mischkultur - Soll es sie<br />
geben?<br />
Gian-Reto Janki wirft die Frage auf: „Ist es<br />
sinnvoll, <strong>das</strong>s es eine Mischkultur gibt?“<br />
Dieter Spörri: „Eine Mischkultur ist aus<br />
meiner Sicht nur dann möglich, wenn wir,<br />
d.h. die Gehörlosen und die Schwerhörigen,<br />
starke Wurzeln haben. Sinnbildlich<br />
vergleiche ich die Mischkultur mit<br />
einem grossen starken Baum mit 700’000<br />
Ästen. Jetzt ist aber der Boden noch karg<br />
und leer. Aber vielleicht strahlt der Baum in<br />
100 Jahren in vollem Glanz.“<br />
Michael Gebhard: „Ich bin da wesentlich<br />
optimistischer. Ich denke, es braucht eine<br />
Identität und eine Verwurzelung. Es stellt<br />
sich die Frage, wer sind wir und von was<br />
grenzen wir uns ab? Oder sind wir schlussendlich<br />
nur einfach eine von vielen<br />
Gruppen im Behindertenwesen?“<br />
Lizabeta Simonaj: „Ich denke einfach, <strong>das</strong>s<br />
sich die Schwerhörigen gegenüber den<br />
Gehörlosen zu fest abgrenzen. Zudem<br />
gestaltet es sich <strong>für</strong> eine gute Kommunikation<br />
schwierig, wenn die Schwerhörigen<br />
nicht gebärden können.“<br />
Gian-Reto schliesst mit diesen interessanten<br />
Voten die Podiumsdiskussion und<br />
bedankt sich bei seinen Gästen <strong>für</strong> <strong>das</strong><br />
engagierte Mitwirken.<br />
Nach einer kurzen Pause beantworten Lizabeta<br />
Simonaj, Michael Gebhard und Dieter<br />
Spörri Fragen aus dem Publikum.
Interessante und facettenreiche<br />
Wortmeldungen aus dem<br />
Publikum<br />
Gian-Reto Janki stellt eingangs die etwas provokativ<br />
formulierte Frage: „Geht die Schwerhörigenkultur<br />
zu wenig in die Tiefe?“<br />
Ein Besucherin meint: „In meinem Leben<br />
habe ich bereits sieben Hörstürze gehabt.<br />
Heute bin ich vollständig gehörlos. Das vor<br />
Jahren implantierte Cochlea Implantat funktioniert<br />
bei mir nicht und wurde später<br />
wieder entfernt. In meinem Leben habe ich<br />
mich in allen Gruppierungen sowohl bei den<br />
Gehörlosen wie auch bei den Schwerhörigen<br />
bewegt. Mein ganz grosses Glück war zweifelsfrei,<br />
<strong>das</strong>s ich meine guten lautsprachlichen<br />
Fähigkeiten bis heute behalten konnte.<br />
Die angebotenen Intensiv-Kurse <strong>für</strong> die Lautsprache<br />
wie auch <strong>für</strong> <strong>das</strong> Ablesen erachte ich<br />
aber nicht als kulturelle Eigenart, sondern<br />
vielmehr als reine Weiterbildung zur Pflege<br />
der Sprache. Für wichtig halte ich die gemeinsamen<br />
Treffen, wie sie beispielsweise in Fontana<br />
Passugg angeboten und durchgeführt<br />
werden. Die Schwerhörigen haben gemäss<br />
Stellungnahmen vom Landenhof kein<br />
Bedürfnis die Gebärdensprache zu erlernen.<br />
Früher war die Gebärdensprache einfach verboten.<br />
Es wäre aber gut, wenn die Schwerhörigen<br />
ebenfalls die Gebärdensprache<br />
beherrschen würden. Ich denke, <strong>das</strong>s viele<br />
Schwerhörige sich ihrer Identität nicht<br />
bewusst sind.“<br />
Dieter Spörri: „Die Schwerhörigen sind in der<br />
Regel sehr gute Schauspieler und zudem<br />
tragen sie oftmals ihre Hörhilfen nicht. Ich<br />
frage mich, wieso wird am Landenhof nicht<br />
über die Gehörlosenkultur unterrichtet?“<br />
Michael Gebhard: „Ich bin sicher, <strong>das</strong>s die<br />
Schwerhörigen eine Kultur haben. Offen ist<br />
aber, ob sie eine eigene Sprache entwickelt<br />
haben. Zudem wäre es wirklich wünschenswert<br />
und gut, wenn an den Schulen über die<br />
Gehörlosenkultur als eigentliches Schulfach<br />
unterrichtet würde. Ich denke, <strong>das</strong>s sich bei<br />
dieser Frage die Betroffen einschalten und<br />
aktiv werden müssen.“<br />
Das zahlreich anwesende Publikum verfolgt aufmerksam die<br />
interessanten Wortmeldungen aus dem Publikum.<br />
Ein junger Mann erzählt: „Mein Vater<br />
wollte, <strong>das</strong>s ich wegen den besseren<br />
zukünftigen Berufschancen unter allen<br />
Umständen lautsprachlich aufwachse. So<br />
erhielt ich Hörgeräte, die aber wegen<br />
meiner angeborenen Empfindlichkeit nicht<br />
optimal eingesetzt werden konnten. Gegen<br />
die Implantation eines CI wehrte ich mich<br />
trotz des auf mich ausgeübten Druckes<br />
immer erfolgreich. Für mich ist ganz klar,<br />
<strong>das</strong>s die Gebärdensprache meine Muttersprache<br />
ist. Ich erwarte von meinem<br />
Umfeld, <strong>das</strong>s es mich als Mensch so akzeptiert,<br />
wie ich bin und ich auch als gebärdensprachlich<br />
orientierter Mensch einfach<br />
okay bin. Dazu braucht es aber gegenseitigen<br />
Respekt und den Willen sich zu verstehen.“<br />
Eine junge Frau erzählt: „Ich bin als Gehörlose<br />
geboren. Meine Eltern sind ebenfalls<br />
gehörlos. Ich stelle fest, <strong>das</strong>s es beidseitig<br />
Spannungen zwischen den Schwerhörigen<br />
und den Gehörlosen gibt. Die Schwerhörigen<br />
nehmen nach meiner Wahrnehmung<br />
keine Rücksicht auf die Gehörlosen,<br />
und sie sind überhaupt nicht tolerant.<br />
Zudem sprechen die Schwerhörigen extrem<br />
schnell und orientieren sich eigentlich<br />
immer an den Hörenden. Dabei sollte doch<br />
erkannt werden, <strong>das</strong>s Schwerhörigkeit und<br />
Gehörlosigkeit ganz eng beieinander<br />
liegen. Die beiden Gruppen müssen lernen<br />
miteinander auszukommen, sei dies in der<br />
Schule oder in den Vereinen. Ich denke,<br />
eine reine Gehörlosenkultur hat es wahrscheinlich<br />
nie gegeben.“<br />
Manche offenen Fragen<br />
bleiben bestehen<br />
Noch viele der Anwesenden wollten sich zu<br />
Wort melden. Aber Gian-Reto Janki muss<br />
die Podiumsveranstaltung wegen der fortgeschrittenen<br />
Zeit zum Abschluss bringen.<br />
„Die heutige Diskussion zeigt mir, <strong>das</strong>s es<br />
keine schlüssigen Antworten auf die Kulturfragen<br />
gegeben hat. Nach wie vor<br />
bestehen Konflikte zwischen den Schwerhörigen<br />
und den Gehörlosen, die leider bis<br />
heute nicht abgebaut und beseitigt werden<br />
konnten.“<br />
Nach der<br />
heutigen<br />
Podiumsveranstaltung<br />
kann die<br />
Schlussfolgerung<br />
gezogen<br />
w erden,<br />
<strong>das</strong>s es<br />
ideal wäre, wenn in der Schweiz die Gebärdensprache<br />
endlich als Selbstverständlichkeit<br />
angesehen würde. Leider ist es aber<br />
heute nach wie vor so, <strong>das</strong>s die Gebärdensprache<br />
ein eigentliches Mauerblümchen<strong>das</strong>ein<br />
fristet. Demgegenüber wird die Versorgung<br />
mittels Cochlea Implantat durch<br />
die Invalidenversicherung finanziell sehr<br />
stark unterstützt. Zwischen diesen beiden<br />
Gegebenheiten hat sich noch lange kein<br />
Gleichgewicht eingestellt.<br />
Die Schwerhörigen unter sich stehen der<br />
Kulturfrage wahrscheinlich sehr ambivalent<br />
gegenüber. Dies vor allem deshalb, da<br />
sie mit einer Resthörfähigkeit geboren und<br />
somit meistens lautsprachlich orientiert<br />
erzogen werden bzw. heranwachsen.<br />
Die hörende Welt bildet wohl im Moment<br />
<strong>das</strong> Hauptproblem, damit eine Annährung<br />
der Gehörlosen- und Schwerhörigenkultur<br />
vollzogen werden könnte. Damit ein Kulturwandel<br />
entsteht, sollte dieser sichtbar<br />
gemacht werden können. Heute spricht<br />
man vor allem von Gehörlosenkultur bzw.<br />
der Kultur der Benutzer der Gebärdensprache.<br />
Am 16. Juli 20<strong>08</strong> ist spürbar<br />
geworden, <strong>das</strong>s Schwerhörige Grenzgänger<br />
zwischen der Hörenden- und der<br />
Gehörlosenkultur sind, aber stark den<br />
Wunsch verspüren, sich in einer eigenen<br />
Kultur zuhause fühlen zu können.<br />
Innovation, Veränderung und Bildung sind<br />
nur möglich, weil sich <strong>das</strong> Leben ständig<br />
selbst weiterentwickelt und verändert.<br />
Diese an sich lapidare Gegebenheit trifft<br />
sowohl auf alle Natur- als auch auf alle Geisteswissenschaften<br />
zu. Permanentes<br />
Ungleichgewicht ist ebenso unmöglich wie<br />
dauerndes Gleichgewicht. Das Verständnis<br />
dieses Zusammenhangs wird seit jeher<br />
fruchtbringend genutzt in Pädagogik, Bildung,<br />
Wissenschaft und Politik. Auch in<br />
kulturellen Belangen wird <strong>das</strong> spürbar. Das<br />
an der Veranstaltung vom 16. Juli 20<strong>08</strong><br />
offensichtlich gewordene Ungleichgewicht<br />
wird deshalb voraussichtlich dazu beitragen,<br />
<strong>das</strong>s sich im Bereich der Gehörlosen-<br />
und Schwerhörigenkultur eine Veränderung<br />
und Entwicklung abzeichnen<br />
wird.<br />
Gian-Reto Janki schliesst mit dem Hinweis<br />
auf die nächste kofo-Veranstaltung vom<br />
Mittwoch, 24. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, die heutige<br />
Podiumsveranstaltung. Er bedankt sich bei<br />
seinen drei Gästen, Lizabeta Simonaj,<br />
Michael Gebhard und Dieter Spörri, ganz<br />
herzlich <strong>für</strong> ihre Bereitschaft sich als Podiumsteilnehmende<br />
zur Verfügung zu stellen<br />
und sich <strong>für</strong> <strong>das</strong> spannende Thema<br />
„Kultur“ zu engagieren und zu begeistern.<br />
15
Was versteht man eigentlich gemeinhin<br />
unter Kultur? Kultur ist ein Begriff, der oft<br />
in ganz verschiedenem Zusammenhang<br />
verwendet wird und heute je länger je<br />
mehr in fast allen Lebensbereichen eine<br />
Rolle spielt. Im nachfolgenden kurzen<br />
Exkurs soll deshalb versucht werden, den<br />
theoretisch wissenschaftlichen Aspekten<br />
dieses wichtigen Begriffs in generellabstrakter<br />
Weise etwas Rechnung zu<br />
tragen.<br />
Definition von Kultur<br />
Kultur ist ein Satz von erlernten, <strong>für</strong> die<br />
Gesellschaft wichtigen Grundannahmen<br />
oder „erfahrungsbedingten Deutungsmuster,<br />
auf deren Grundlage einzelne Mitglieder<br />
wie soziale Institutionen dieser<br />
Gruppe handeln, d.h. Ziele setzen und<br />
Schritte zur Realisierung dieser Ziele<br />
planen und Durchführen“ (Trommsdorff<br />
1987, S.25 in Hofstede, 2006).<br />
Kultur - Begriffsklärung<br />
Meyer Taschenlexikon (1985)<br />
Meyers Taschenlexikon (1985) „Kultur<br />
[lat.], <strong>das</strong> von Menschen zu bestimmten<br />
Zeiten in abgrenzbaren Regionen in Auseinandersetzung<br />
mit der Umwelt in ihrem Handeln<br />
Hervorgebrachte (Sprache, Religion,<br />
Ethik, Institutionen [Familie, Staat u.a.],<br />
Recht, Technik, Kunst, Musik, Philosophie,<br />
Wissenschaften), auch der Prozess des<br />
Hervorbringens der verschiedenen Kulturinhalte<br />
und -modelle (Normensysteme<br />
und Zielvorstellungen) und entsprechender<br />
individueller und gesellschaftlicher<br />
Lebens- und Handlungsformen.<br />
- Im Anschluss an Herders Humanitätsideal<br />
und/oder Hegels Philosophie des objektiven<br />
Geistes wird Kultur z. T. nur noch als<br />
die Summe der geistigen Errungenschaften<br />
einer Zeit, eines Volkes oder der „Menschheit“<br />
verstanden (Idealisierung des Kulturbegriffs).<br />
Der Kulturbegriff in den empirischen Kulturwissenschaften<br />
(v.a. Ethnologie, Kulturanthropologie)<br />
wird als Summe der als<br />
typisch feststellbaren Lebensformen einer<br />
Bevölkerung bestimmt.“<br />
Alexander Thomas (2003)<br />
Thomas (2003, S. 21) schreibt: „Es gibt<br />
unzählige Definitionen von Kultur. So<br />
haben Kroeber und Kluckhohn bereits 1952<br />
über 150 gezählt und diese miteinander<br />
verglichen. (…) Alle Forscher aber, die sich<br />
theoretisch mit dem Kulturbegriff beschäftigen,<br />
sind sich einig, <strong>das</strong>s Kultur einen<br />
sehr weiten Bereich umfasst, der von Menschen<br />
hergestellten Gegenständen, Werk-<br />
zeugen und so weiter über Werte, Ideen,<br />
Weltbilder, Sprache und Philosophien bis<br />
hin zur Art und Weise des Umgangs mit<br />
belebten und unbelebten Dingen, Subjekten<br />
wie Objekten, reicht.“<br />
Da sich Thomas v. a. mit der interkulturellen<br />
Zusammenarbeit auseinander setzt<br />
und uns dies auch besonders interessiert,<br />
erwähnen wir hier noch eine weitere Definition:<br />
„Kultur ist ein universelles Phänomen.<br />
Alle Menschen leben in einer spezifischen<br />
Kultur und entwickeln sie weiter. Kultur<br />
strukturiert ein <strong>für</strong> die Bevölkerung spezifisches<br />
Handlungsfeld, <strong>das</strong> von geschaffenen<br />
und genutzten Objekten bis hin zu<br />
Institutionen, Ideen und Werten reicht.<br />
Kultur manifestiert sich immer in einem <strong>für</strong><br />
eine Nation, Gesellschaft, Organisation<br />
oder Gruppe typischen Orientierungssystem.<br />
Dieses Orientierungssystem wird aus<br />
spezifischen Symbolen (z. Bsp. Sprache,<br />
Gestik, Mimik, Kleidung, Begrüssungsritualen)<br />
gebildet und in der jeweiligen<br />
Gesellschaft, Organisation oder Gruppe<br />
tradiert, <strong>das</strong> heisst an die nachfolgende<br />
Generation weitergegeben. Das Orientierungssystem<br />
definiert <strong>für</strong> alle Mitglieder<br />
ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft oder<br />
Gruppe und ermöglicht ihnen ihre ganz<br />
eigene Umweltbewältigung. Kultur beeinflusst<br />
<strong>das</strong> Wahrnehmen, Denken, Werten<br />
und Handeln aller Mitglieder der jeweiligen<br />
Gesellschaft.“ (A. Thomas, 2003, S. 22)<br />
Geert Hofstede (2006)<br />
Hofstede (2006, S. 3) spricht von mentaler<br />
Software in Analogie zur Computer Programmierung.<br />
Die Quellen dieser mentalen<br />
Programme liegen laut Hofstede im<br />
sozialen Umfeld, in dem jeder Einzelne aufwächst<br />
und seine Lebenserfahrung sammelt.<br />
„Ein gängiger Begriff <strong>für</strong> eine solche<br />
mentale Software ist Kultur. Dieses Wort<br />
hat mehrere Bedeutungen; sie sind alle aus<br />
seinem lateinischen Ursprung abgeleitet,<br />
der <strong>das</strong> Bestellen des Bodens bezeichnet.<br />
In den meisten westlichen Sprachen<br />
bedeutet „Kultur“ gemeinhin „Zivilisation“<br />
oder „Verfeinerung des Geistes“ und insbesondere<br />
die Ergebnisse dieser Verfeinerung<br />
wie Bildung, Kunst und Literatur. Das ist<br />
Kultur im engeren Sinne. Kultur als mentale<br />
Software bezieht sich jedoch auf eine viel<br />
weiter gefasste, unter Soziologen und - im<br />
Besonderen - unter Anthropologen übliche<br />
Bedeutung des Wortes.“ So verwendet Hofstede<br />
den Begriff Kultur nicht nur als Tätigkeit,<br />
die den Geist verfeinert, sondern auch<br />
mit gewöhnlichen und niedrigen Dingen<br />
des Lebens (Grüssen, Essen, <strong>das</strong> Zeigen<br />
oder Nichtzeigen von Gefühlen usw.). Er<br />
sieht es als kollektives Phänomen, <strong>das</strong><br />
erlernt wird. „Kultur besteht aus den ungeschriebenen<br />
Regeln des sozialen Spiels.<br />
Sie ist die kollektive Programmierung des<br />
Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe<br />
oder Kategorie von Menschen von einer<br />
anderen unterscheidet.“ (Hofstede, 2006<br />
S. 4)<br />
Kulturelle Unterschiede manifestieren sich<br />
auf verschiedene Weise. Hofstede fasst<br />
diese Manifestationen in vier Begriffe<br />
zusammen: Symbole, Helden, Rituale und<br />
Werte. Diese stellt er mit einem ‚Zwiebelmodell’<br />
dar. Die ‚Werte’ sind die am tiefsten<br />
gehenden Manifestationen von Kultur,<br />
‚Symbole’ die oberflächlichsten.<br />
„Zwiebeldiagramm“ nach Hofstede<br />
... <strong>das</strong> Zwiebeldiagramm<br />
nach<br />
Hofstede<br />
(2006, S. 8)<br />
Symbole<br />
Sind Worte, Gesten, Bilder oder Objekte die<br />
eine bestimmte Bedeutung haben, die nur<br />
von denjenigen anerkannt wird, die der<br />
gleichen Kultur angehören. Sie entwickeln<br />
sich rasch, alte verschwinden und werden<br />
regelmässig von Angehörigen einer<br />
anderen kulturellen Gruppe nachgeahmt.<br />
Helden und Heldinnen<br />
Sind Personen, lebendige oder tote, echte<br />
oder fiktive, die Eigenschaften besitzen die<br />
in einer Kultur hoch angesehen sind. Sie<br />
dienen als Verhaltensvorbilder.<br />
Rituale<br />
Sind kollektive Tätigkeiten z.B. soziale und<br />
religiöse Zeremonien. Innerhalb einer<br />
Kultur gelten sie als sozial notwendig,<br />
obwohl sie zur Erreichung eines angestrebten<br />
Zieles eigentlich überflüssig sind.<br />
Sie werden daher um ihrer selbst willen<br />
ausgeübt. Diese drei Begriffe werden als<br />
Praktiken zusammengefasst. Sie sind <strong>für</strong><br />
Aussenstehende erkennbar, ihre kulturelle<br />
Bedeutung ist aber nicht sichtbar. Diese<br />
liegt in der Art und Weise wie die Praktiken<br />
von Insidern interpretiert werden.<br />
Werte/Normen<br />
Sie bezeichnen die allgemeine Neigung,<br />
bestimmte Umstände anderen vorzuziehen.<br />
Es sind Gefühle mit einer Orientierung<br />
zum Plus- oder zum Minuspol hin. Im<br />
Diagramm bilden sie den Kern der Kultur.
Kulturstandards<br />
Wenn Kultur als ein sinnstiftendes Orientierungssystem<br />
aufgefasst wird, <strong>das</strong> <strong>für</strong> die<br />
Angehörigen einer Nation, Sprach- respektive<br />
Kultureinheit gültig ist, so können kulturspezifische<br />
Orientierungsmerkmale<br />
definiert werden, die von Personen der<br />
einen oder anderen Kultur angewendet<br />
werden, um in bestimmten Begegnungssituationen<br />
oder zur Lösung spezifischer Probleme<br />
aktiviert zu werden. Diese Verhaltensweisen<br />
können als Orientierungsmuster<br />
zur Lösung komplexer Probleme<br />
gesehen werden, in denen unterschiedlichen<br />
Kulturstandards wirksam werden.<br />
Letztere werden von A. Thomas durch folgende<br />
Merkmale definiert:<br />
• „Kulturstandards sind Arten des Wahrnehmens,<br />
Denkens, Wertens und Handelns,<br />
die von der Mehrzahl der Mitglieder<br />
einer bestimmten Kultur <strong>für</strong> sich<br />
und andere als normal, typisch und verbindlich<br />
angesehen werden.<br />
• Eigenes und fremdes Verhalten wird aufgrund<br />
dieser Kulturstandards gesteuert,<br />
reguliert und beurteilt.<br />
• Kulturstandards besitzen Regulationsfunktion<br />
in einem weiten Bereich der<br />
Situationsbewältigung und des<br />
Umgangs mit Personen.<br />
• Die individuelle und gruppenspezifische<br />
Art und Weise des Umgangs mit Kulturstandards<br />
zur Verhaltensregulation kann<br />
innerhalb eines gewissen Toleranzbereichs<br />
variieren.<br />
• Verhaltensweisen, die sich ausserhalb<br />
der bereichsspezifischen Grenzen<br />
bewegen, werden von der sozialen<br />
Umwelt abgelehnt und sanktioniert. (A.<br />
Thomas, 2005, S. 25)<br />
Zentrale Kulturstandards lassen sich als<br />
solche definieren, wenn sie nicht nur bei<br />
eng begrenzten Problemstellungen und<br />
spezifischen Handlungsfeldern, sondern<br />
als bereichsübergreifende kulturspezifische<br />
Orientierungen wirksam werden. Sie<br />
sind <strong>für</strong> <strong>das</strong> Handeln der Menschen in einer<br />
bestimmten Nation oder in einem<br />
bestimmten Kulturraum unverwechselbar<br />
und charakteristisch.<br />
Litaraturangaben:<br />
Alexander Thomas, Eva–Ulrike Kinast, Sylvia<br />
Schroll-Machl (Hrsg.), 2003: Handbuch interkulturelle<br />
Kommunikation und Kooperation, Band 1:<br />
Grundlagen und Praxisfelder, Vandenhoeck &<br />
Ruprecht, Göttingen<br />
Geert Hofstede, 2006: Lokales Denken, globales<br />
Handeln Interkulturelle Zusammenarbeit und<br />
globales Management; Beck-Wirtschaftsberater<br />
im dtv, München<br />
[rr]<br />
Interview mit Martina Lorenz<br />
Martina Lorenz engagierte sich fast<br />
während eines Vierteljahrhunderts als<br />
Seelsorgerin <strong>für</strong> die gehörlosen und hörbehinderten<br />
Menschen in unserem Land.<br />
Aber wer ist Martina Lorenz, die Ordensfrau<br />
aus dem luzernischen Kriens? Auf<br />
Einladung von Léonie Kaiser, der<br />
Geschäftsführerin von <strong>sonos</strong>, kommt Martina<br />
Lorenz am Dienstag, 5. August 20<strong>08</strong>,<br />
zum vereinbarten Interview nach Zürich<br />
auf die <strong>sonos</strong>-Geschäftsstelle. In einer<br />
sehr herzlichen Atmosphäre entsteht<br />
schon nach wenigen Minuten ein äusserst<br />
interessanter Dialog. Martina Lorenz<br />
erzählt freimütig aus ihrem spannenden<br />
und von viel Liebe und Aufopferung<br />
erfüllten Leben.<br />
<strong>sonos</strong>: Können sie ein paar Angaben zu<br />
Ihrem Lebenslauf machen: Wo sind Sie<br />
geboren und aufgewachsen? Welche<br />
Schulen und Ausbildungen haben Sie<br />
absolviert? Haben Sie Geschwister? Was ist<br />
Ihnen aus Ihrer Kindheit besonders im<br />
Gedächtnis haften geblieben?<br />
Ich bin im Walliserdorf Törbel 1500 Meter<br />
über Meer geboren. Dort habe ich auch die<br />
Schule besucht. Es galt damals schon als<br />
Fortschritt, <strong>das</strong>s ich nach der Grundschule<br />
zwei weitere Jahre anhängen konnte im<br />
französisch sprechenden Teil des Wallis<br />
und so die französische Sprache erlernen<br />
durfte. Ich hatte 9 Geschwister. Eine<br />
meiner Schwestern ist im Kindesalter verstorben.<br />
Was mir besonders im Gedächtnis haften<br />
blieb, ist, <strong>das</strong>s es eine Selbstverständlichkeit<br />
war mitzuhelfen bei kleineren Arbeiten<br />
im Haus und auf dem Feld. Jede Hilfe<br />
konnte gebraucht werden. Wir haben nie<br />
Hunger gelitten, aber unsere Eltern mussten<br />
wirklich jeden Batzen zusammen tun,<br />
um über die Runden zu kommen. Denn <strong>das</strong><br />
Leben brachte meinen Eltern und der<br />
ganzen Familie wirklich grosse Anforderungen,<br />
was ich später noch ausführen<br />
möchte. Meine Eltern waren Bergbauern.<br />
Das Geld reichte indes nicht und so musste<br />
mein Vater noch einer Arbeit als Fabrikarbeiter<br />
im Tal bei der „Lonza“ in Visp nachgehen.<br />
Er legte deshalb jeden Tag über<br />
zwei Stunden zu Fuss zurück, nur um nach<br />
Stalden zu gelangen wo ein „Lonza Bus“<br />
die Arbeiter mitnahm in den Betrieb nach<br />
Visp.<br />
Martina Lorenz beim Interview auf der <strong>sonos</strong>-<br />
Geschäftsstelle.<br />
Sind Sie schon in Ihrer Kindheit gehörlosen<br />
Menschen begegnet bzw. wann haben Sie<br />
angefangen, sich mit dem Thema Gehörlosigkeit<br />
zu beschäftigen?<br />
Ich bin praktisch seit meiner Geburt mit<br />
gehörlosen Menschen verbunden. Ich bin<br />
mit drei gehörlos geborenen Brüdern aufgewachsen.<br />
Ich war sozusagen umrahmt<br />
von der Gehörlosigkeit meiner Brüder.<br />
Einer war zwei Jahre älter und der andere<br />
zwei Jahre jünger als ich. Der dritte gehörlose<br />
Bruder war 9 Jahre älter als ich und<br />
ging in Zürich in die Gehörlosenschule,<br />
denn meine Eltern hatten zu Beginn ihrer<br />
Ehe in Zürich gelebt. Ich fühlte mich oft als<br />
Dolmetscherin, weil die Brüder fragten<br />
mich immer wieder, worüber denn die<br />
Hörenden sprechen würden. Für mich war<br />
es von Kindheit an eine Selbstverständlichkeit<br />
diesen Dienst zu tun und so gleichsam<br />
als Brückenbauerin zwischen zwei Welten<br />
zu walten. Was mir noch sehr präsent ist,<br />
sind die langen Trennungen von meinen<br />
Brüdern. Sie mussten alle eine Hörbehindertenschule<br />
besuchen. Damals gab es die<br />
IV noch nicht. Das Schuldgeld musste von<br />
meinen Eltern aufgebracht werden. So<br />
konnten die Kinder damals nur in den<br />
grossen Sommerferien heimkommen. An<br />
Weihnachten beispielsweise mussten<br />
meine gehörlosen Brüder immer in diesen<br />
Schulen bleiben. Das war hart <strong>für</strong> die<br />
betroffenen Kinder, aber auch <strong>für</strong> die<br />
Familie, die diese Trennung mittragen<br />
musste.<br />
Was ist ausschlaggebend <strong>für</strong> Ihren Entscheid<br />
gewesen in der Gehörlosenseelsorge<br />
tätig zu sein?<br />
17
Geprägt von diesen Erfahrungen war es <strong>für</strong><br />
mich auch ein Anliegen in die Gehörlosenseelsorge<br />
einzusteigen, als ich da<strong>für</strong> angefragt<br />
wurde. Ich wusste, <strong>das</strong>s die Gehörlosen<br />
auf spiritueller Ebene wenig mitbekommen,<br />
wenn sie einen Gottesdienst<br />
besuchen oder an einer kirchlichen Feier<br />
teilnahmen. Dazu etwas beizutragen, <strong>das</strong>s<br />
Menschen, die durch ihr Schicksal auf<br />
vieles verzichten mussten, auf geistiger<br />
Ebene Nahrung bekommen, war mein<br />
Anliegen. Und ich bin froh, <strong>das</strong>s ich diesen<br />
Entscheid getroffen habe.<br />
Was war ausschlaggebend da<strong>für</strong>, <strong>das</strong>s Sie<br />
in eine Klostergemeinschaft eingetreten<br />
sind?<br />
Der Entscheid, in eine Klostergemeinschaft<br />
einzutreten, hat verschiedene Aspekte. Da<br />
war sicher einmal mein Kontakt mit<br />
Ordensschwestern, während meinem<br />
Welschlandaufenthalt. Der Alltag generell<br />
war in jener Zeit - im Gegensatz zu heute -<br />
auch sehr geprägt und verbunden mit dem<br />
Glaubensleben. Die kirchlichen Feiern im<br />
Dorf waren immer auch Höhepunkte, die<br />
mir wichtig waren. Ein weiterer Punkt war,<br />
ich wollte mich <strong>für</strong> ein Ideal einsetzen. Ich<br />
wollte etwas bewirken. Ich wollte helfen<br />
und mich möglichst auch in der weiten Welt<br />
<strong>für</strong> diese Ideale einsetzen. So trat ich<br />
bereits in recht jungen Jahren in die Klostergemeinschaft<br />
ein. Nach meiner Ausbildung<br />
und Einführung ins Klosterleben war<br />
es mir erlaubt, auf unsere damalige Niederlassung<br />
nach Rhodesien - dem heutigen<br />
Zimbabwe - zu gehen. Dort war ich dann 10<br />
Jahre bei der Mambo Press tätig.<br />
Wie lange haben Sie nun als katholische<br />
Gehörlosenseelsorgerin in der Nordwestschweiz<br />
gearbeitet und welches sind die<br />
Schwerpunkte, die Sie gesetzt haben?<br />
24 Jahre lang habe ich mich immer wieder<br />
auf den Weg gemacht in den Kanton Solothurn.<br />
Ich habe mich dort mit Gehörlosen<br />
getroffen. Wir haben zusammen Gottesdienst<br />
gefeiert. Dazu kamen auch die<br />
Besuche im Spital, in Altersheimen oder<br />
sonstige Begegnungen, wenn es die Situation<br />
erforderte. Der Schwerpunkt bei dieser<br />
Aufgabe war die gute Zusammenarbeit mit<br />
meinem reformierten Kollegen Heinrich<br />
Beglinger. In diesen 24 Jahren hatten wir<br />
eine tolle Zusammenarbeit. Wie ich dies<br />
bereits bei seiner Verabschiedung sagte: er<br />
war <strong>für</strong> mich ein guter Bruder und Freund.<br />
Uns beiden war es ein Grundanliegen, uns<br />
<strong>für</strong> die Würde des Menschen einzusetzen<br />
und uns mit denjenigen Menschen auf den<br />
Weg zu begeben, die uns anvertraut waren.<br />
In meinen Gottesdiensten habe ich wenn<br />
ich wenn immer möglich visuelle Mittel eingesetzt.<br />
Beispielsweise mit farbigen<br />
Tüchern den Andachtsraum gestaltet oder<br />
sonst Anschauungsmaterial eingesetzt, um<br />
<strong>das</strong> was ich sagen wollte, verständlicher zu<br />
machen. Das ist enorm wichtig, wenn man<br />
gehörlose Menschen eine angemessene<br />
Form von Spiritualität erleben lassen<br />
möchte. Ganz wesentlich ist auch, <strong>das</strong> den<br />
Gottesdienst umrahmende gesellige<br />
Zusammensein mit Betroffenen. Dies ist in<br />
der Gehörlosenseelsorge ebenfalls sehr<br />
zentral.<br />
Welches sind die Meilensteine, wenn Sie<br />
jetzt auf Ihr Leben bzw. Ihr Berufsleben<br />
blicken?<br />
Meilensteine gibt es viele, so <strong>das</strong>s ich mich<br />
in der Aufzählung doch etwas einschränken<br />
möchte. Als ersten Meilenstein möchte ich<br />
meinen Eintritt in eine Klostergemeinschaft<br />
nennen. Das war etwas Besonderes in<br />
unserem Dorf. Denn dies hatte es bei uns<br />
damals lange Zeit nicht mehr gegeben. Ein<br />
weiterer Meilenstein war dann die Aussendung<br />
nach Zimbabwe. In den 10 Jahren, die<br />
ich dort verbracht habe, gäbe es auch viele<br />
Meilensteine zu erwähnen. Eine weitere<br />
grosse Herausforderung bildete dann <strong>für</strong><br />
mich die Rückkehr in die Schweiz. Nach der<br />
langen Zeit in Afrika fühlte ich mich plötzlich<br />
fremd hier. Ich musste mich wieder an<br />
die Verhältnisse und Gegebenheiten in der<br />
Schweiz gewöhnen. Das ist mir in der<br />
ersten Zeit nicht nur leicht gefallen. Ich<br />
spürte damals, <strong>das</strong>s eine Neuorientierung<br />
anstand. So nahm ich ein Studium auf und<br />
bereitete mich damit auf meine neuen Aufgaben<br />
in der Seelsorge vor. Ich war dann in<br />
der katholischen Kirchgemeinde zuerst in<br />
Bülach und dann in Emmen bei Luzern<br />
tätig. Gleichzeitig war ich aber immer auch<br />
in der Gehörlosenseelsorge aktiv. Natürlich<br />
gäbe es auch sehr viele Meilensteine in der<br />
Ordensgemeinschaft zu erwähnen. Es<br />
würde zu weit führen, wenn ich jetzt über<br />
alle Meilensteine in meinem Leben<br />
berichten würde. Es waren viele.<br />
Was ist Ihnen als besonders positiv und<br />
was als negativ in der Erinnerung haften<br />
geblieben bzw. welche Hochs und Tiefs<br />
haben Sie bei Ihrer Arbeit als Gehörlosenseelsorgerin<br />
bzw. in der Glaubenskongregation<br />
er- und durchlebt?<br />
Als besonders positiv ist mir eine Gegebenheit<br />
noch sehr präsent. Die meisten Gehörlosen<br />
haben mich als eine von ihnen angenommen.<br />
Da war zum Beispiel eine Frau,<br />
die nach mehr als zwei Jahren nicht<br />
glauben wollte, <strong>das</strong>s ich hörend bin. Auch<br />
an einen jungen Mann erinnere ich mich,<br />
der mich getestet hat. Er war gehörlos und<br />
sagte plötzlich und ganz unerwartet etwas<br />
ganz laut, um zu erkennen, ob ich darauf<br />
reagieren würde. Als er dann bemerkte,<br />
<strong>das</strong>s ich den Kopf in die Richtung, wo er<br />
war, gewendet habe, hat er mir erst<br />
geglaubt, <strong>das</strong>s ich hörend bin. Die Gehörlosen<br />
haben mir immer wieder gesagt, ich<br />
würde zu ihnen gehören, ich sei ein Mitglied<br />
ihrer Gemeinschaft. Das war eine sehr<br />
schöne Erfahrung. Gleichzeitig stimmt es<br />
mich aber auch oft traurig, <strong>das</strong>s bei den<br />
Gehörlosen häufig die Toleranz fehlt in<br />
Bezug auf unterschiedliche Ansichten im<br />
Zusammenhang mit der Gebärdensprache<br />
oder der Lautsprache.<br />
Zu den Hochs in der Kongregation gehören<br />
<strong>für</strong> mich dann vor allem die gemeinsamen<br />
Feiern, die gelungenen Gespräche und <strong>das</strong><br />
Austauschen über Gott und die Welt. Was<br />
zum eher schmerzlicheren Teil gehört ist,<br />
<strong>das</strong>s wir sagen müssen, es ist absehbar,<br />
<strong>das</strong>s unsere Aufgabe in ein paar Jahren zu<br />
Ende geht, weil der Nachwuchs fehlt.<br />
Was sind nach Ihrer Einschätzung die wichtigsten<br />
Anliegen der Gehörlosenseelsorge<br />
in der heutigen Zeit?<br />
Da gibt es ein grosses Anliegen. Ein Miteinander<br />
der verschiedenen Konfessionen und<br />
nicht ein Gegeneinander. Wenn uns dies<br />
nicht gelingt, haben wir unseren Auftrag<br />
verfehlt. Wir haben es dann nicht begriffen,<br />
was unsere Sendung ist.<br />
Unsere LeserInnen interessieren sich sicher<br />
auch <strong>für</strong> Ihr Privatleben bzw. <strong>das</strong> Leben in<br />
einer Glaubensgemeinschaft. Was möchten<br />
Sie dazu bekannt geben bzw. wie sieht so<br />
ein Tag in etwa aus?<br />
Ich lebe in einer kleinen Gemeinschaft mit<br />
drei Schwestern zusammen. Der Name<br />
unserer Kongregation ist Missions- und<br />
Anbetungsschwestern der heiligen Familie.<br />
Unser Orden wurde vor 70 Jahren<br />
gegründet im Hinblick, <strong>das</strong>s wir in die Missionsländer<br />
gehen und da mit den Patres<br />
zusammenarbeiten.<br />
In der Schweizer Niederlassung sind wir<br />
noch 19 Schwestern. Die meisten von uns<br />
waren in einem Missionseinsatz. Vor 17<br />
Jahren haben wir noch einen Aufbruch<br />
gewagt. So leben wir 4 Schwestern mitten
in einem Wohnquartier. Wir haben da auch<br />
eine kleine Kapelle, die wir zur Verfügung<br />
stellen <strong>für</strong> Gruppen von aussen. Dieses<br />
Angebot wird auch genutzt. Zweimal am<br />
Tag kommen wir Schwestern auch in dieser<br />
Kapelle zusammen, um miteinander zu<br />
beten und in Stille da zu sein vor Gott. Ein<br />
Nachmittag während der Woche gehört<br />
uns. Dann tauschen wir aus - sei es über ein<br />
Buch oder über einen Bibeltext. Wenn wir<br />
Gäste im Hause haben, essen sie mit uns<br />
zusammen. Sie sind auch eingeladen an<br />
unseren Gebetszeiten teilzunehmen. Bis<br />
zur Pensionierung haben die meisten<br />
Schwestern in ihrem Beruf gearbeitet. Was<br />
ich noch erwähnen möchte, ist, <strong>das</strong>s wir bei<br />
unserem Eintritt in die Gemeinschaft ja<br />
gesagt haben zu gewissen Verpflichtungen.<br />
So verzichten wir z.B. auf unseren Lohn.<br />
Dieser geht in die Gemeinschaftskasse.<br />
Aus diesem „Topf“ unterstützen wir unsere<br />
Mitschwestern in den Missionsgebieten.<br />
Wir haben aber ein Taschengeld, über <strong>das</strong><br />
wir frei verfügen können. Dies soll auch ein<br />
Zeichen der Solidarität sein mit Menschen,<br />
die viel weniger haben als wir.<br />
Was werden Sie nun nach Ihrer Pensionierung<br />
machen?<br />
Wie in einer Familie wird man auch im Kloster<br />
nicht pensioniert. Zumal wir keinen<br />
Nachwuchs haben, wollen wir schon noch<br />
ein wenig dran bleiben.<br />
Welche Bedeutung hat <strong>sonos</strong> als schweizerischer<br />
Dachverband der Fachhilfe <strong>für</strong> Sie<br />
persönlich?<br />
Ich war selber 8 Jahre im <strong>sonos</strong>-Vorstand<br />
tätig von 1990-1998. Es waren auch stürmische<br />
Zeiten, die ich da miterlebt habe.<br />
Neben allen „up and downs“, die <strong>sonos</strong><br />
hatte, habe ich den Eindruck, ist der <strong>Verband</strong><br />
bei allem doch bodenständig. So<br />
kann ich wünschen, <strong>das</strong>s diese Bodenständigkeit<br />
auch in Zukunft nebst allen<br />
Stürmen erhalten bleibt.<br />
Wo sehen Sie die Chancen heute <strong>für</strong> den<br />
<strong>Verband</strong> <strong>sonos</strong>?<br />
Martina Lorenz freut sich sichtlich über den von Léonie Kaiser überreichten Blumenstrauss.<br />
Eine ganz grosse Chance sehe ich, wenn<br />
<strong>sonos</strong> zum Brückenbauer werden könnte<br />
zwischen der Fach- und der Selbsthilfe.<br />
Lassen Sie mich <strong>das</strong> an einem Beispiel verdeutlichen.<br />
Als junge Schwester erlebte ich<br />
es, <strong>das</strong>s sich die Ordensgemeinschaften<br />
gegenseitig die Kandidatinnen „abjagten“.<br />
Jede Gemeinschaft wollte die meisten Eintritte<br />
verzeichnen können. Wir haben wenig<br />
miteinander ausgetauscht, wenig<br />
gemeinsam gemacht in all diesen verschiedenen<br />
Ordensgemeinschaften. Heute<br />
spüren wir aber, wir brauchen einander.<br />
Denn wir alle haben die gleichen Probleme.<br />
Wir arbeiten ja alle auf <strong>das</strong> gleiche Ziel hin<br />
und <strong>für</strong> den gleichen Auftraggeber. Vielleicht<br />
wäre vieles einfacher gewesen, wenn<br />
wir dies schon früher gemacht hätten. Aus<br />
dieser Erkenntnis heraus finde ich, wäre es<br />
eine ganz wichtige Aufgabe von <strong>sonos</strong><br />
heute, die verschiedenen Akteure und<br />
Kräfte im Gehörlosen- und Hörbehindertenwesen<br />
bündeln zu helfen.<br />
Wo liegen die grössten Probleme nach Ihrer<br />
Einschätzung heute im Gehörlosen- bzw.<br />
Hörbehindertenwesen?<br />
Die Sparmassnahmen und die Arbeitslosigkeit.<br />
Zu weiteren Problemen kann es auch<br />
kommen, wenn Gehörlose Kontakt nur<br />
unter ihres gleichen pflegen. Denn ich bin<br />
überzeugt, nur im Dialog können Verbindungen<br />
geschaffen werden, zwischen den<br />
Kulturen und zwischen den Religionen, was<br />
<strong>für</strong> den Frieden im Grossen wie im Kleinen<br />
sehr wesentlich ist.<br />
Gibt es sonst noch etwas, was Sie den LeserInnen<br />
der <strong>Verband</strong>szeitschrift <strong>sonos</strong> gerne<br />
mitteilen würden?<br />
Ich möchte abschliessend auf die philosophischen<br />
Gedanken von Martin Buber hinweisen,<br />
dessen Aussagen ich ganz wichtig<br />
finde. „Ich werde am Du“, sagt Martin<br />
Buber. Das bedeutet im Zusammenhang<br />
mit dem Hörbehindertenwesen: Ob hörend<br />
oder hörbehindert ist es so, <strong>das</strong>s wir einander<br />
viel zu geben haben. Nehmen wir die<br />
Chance hier und heute wahr, aufeinander<br />
zuzugehen und uns weniger voneinander<br />
abzukapseln.<br />
Obwohl Martina Lorenz nun kein offizielles<br />
Amt in der Gehörlosengemeinschaft mehr<br />
innehat, sind wir zuversichtlich, <strong>das</strong>s sie<br />
sich mit ihrer gewinnenden Art noch ganz<br />
lange <strong>für</strong> die Gehörlosen in der Schweiz<br />
einbringen wird. Wir wünschen Martina<br />
Lorenz auf ihrem weiteren Lebensweg von<br />
Herzen nur Gutes und hoffen, <strong>das</strong>s sie noch<br />
viele glückliche und schöne Momente<br />
erleben und geniessen kann. Léonie Kaiser<br />
und Roger Ruggli bedanken sich bei Martina<br />
Lorenz <strong>für</strong> <strong>das</strong> offene und herzliche<br />
Gespräch.<br />
[lk/rr]<br />
Martin Buber wurde<br />
1878 in Wien geboren und starb 1965 in<br />
Jerusalem. Er war ein österreichisch-israelischer<br />
jüdischer Religionsphilosoph. In<br />
seinem philosophischen Werken kommt<br />
bei Buber vor allem <strong>das</strong> Thema des Dialogs<br />
als anthropologisches Prinzip des Menschen<br />
zum Ausdruck. Sein Hauptwerk trägt<br />
den Titel „Ich und Du“ und behandelt <strong>das</strong><br />
Verhältnis des Menschen zu Gott und zum<br />
Mitmenschen als existentielle, dialogische<br />
und religiöse Prinzipien.<br />
19
Gottesdienste mit Übersetzung in<br />
die Gebärdensprache<br />
An der Medienorientierung vom Dienstag,<br />
12. August 20<strong>08</strong>, informiert die reformierte<br />
Kirchgemeinde Zürich Aussersihl über<br />
besondere geplante Aktivitäten in der<br />
City-Kirche Offener St. Jakob, am Stauffacher<br />
in Zürich.<br />
Stephanie Raschle übersetzt <strong>das</strong> Orgelspiel in die<br />
Gebärdensprache.<br />
Die anwesenden Medienschaffenden und<br />
Kirchenvertreter werden durch ein Orgelspiel,<br />
von Sascha Rüegg, Organist und Kantor<br />
Kirche St. Jakob, herzlich in der City-<br />
Kirche willkommen geheissen. Das nicht<br />
alltägliche und sicher aussergewöhnliche<br />
ist aber, <strong>das</strong>s die Orgelmusik in die<br />
Gebärdensprache übersetzt wird. Anselm<br />
Burr, Pfarrer in der City-Kirche, begrüsst die<br />
Anwesenden ganz herzlich zur Medienorientierung.<br />
Speziell begrüsst Pfarrer Anselm<br />
Burr die beiden Gebärdensprachdolmetscherinnen,<br />
Stephanie Raschle und Petra<br />
Zingg sowie Léonie Kaiser, Geschäftsführerin<br />
von <strong>sonos</strong> und Peter Hemmi als Vertreter<br />
der Zeitschrift visuell-plus.<br />
Aus Sicht der Gehörlosen und Hörbehinderten<br />
steht natürlich die Orientierung<br />
über die geplanten Gottesdienste mit Übersetzung<br />
in die Gebärdensprache im Fokus<br />
der Berichterstattung.<br />
Pfarrer Anselm Burr: „Das Kerngeschäft<br />
und der Hauptauftrag der Kirche, ist die<br />
Verkündung.“ Burr informiert: „In der<br />
Schweiz leben über 8’000 gehörlose Menschen.<br />
Allein im Grossraum Zürich leben<br />
schätzungsweise 2’000 Gehörlose. Bisher<br />
konnten die Gehörlosen von den normalen<br />
Gottesdiensten der Landenskirchen nur<br />
bedingt profitieren. Die grosse Einschränkung<br />
ist, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> gesprochene Wort nicht<br />
in ihre Muttersprache - der Gebärden-<br />
sprache - übersetzt wurde und wird. Dies<br />
soll sich nun aber ändern. Versuchsweise<br />
wird ab <strong>September</strong> 20<strong>08</strong> während eines<br />
halben Jahres, jeweils am 1. Sonntag im<br />
Monat, der Gottesdienst in der City-Kirche<br />
Offener St. Jakob simultan in die Gebärdensprache<br />
übersetzt. Selbstverständlich<br />
muss sich niemand vorgängig anmelden.<br />
Wer Lust hat, kommt einfach ganz normal<br />
in den Gottesdienst und ist dazu herzlich<br />
eingeladen. Ich bin sicher, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> neue<br />
Angebot auch ein Gewinn <strong>für</strong> die Hörenden<br />
werden wird. Ganz nach der biblischen<br />
Redewendung „und siehe des Herrn Wort<br />
geschah“. Ich denke, ein Bedürfnis nach<br />
gebärdensprachübersetzten Gottesdiensten<br />
ist ausgewiesen und <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Projekt<br />
über die Versuchsphase hinaus definitiv<br />
weitergeführt werden wird. Das Fernziel ist,<br />
<strong>das</strong>s in Zukunft auf dem Stadtgebiet von<br />
Zürich an jedem Sonntag in irgendeiner<br />
Kirche ein Gottesdienst mit Gebärdensprachübersetzung<br />
stattfindet.“<br />
Pfarrer Anselm Burr bedankt sich bei der<br />
Geschäftsführerin von <strong>sonos</strong>, Léonie<br />
Kaiser, die wesentlich dazu beigetragen<br />
hat, <strong>das</strong>s dieses Projekt überhaupt realisiert<br />
werden konnte. Die anfallenden<br />
Kosten <strong>für</strong> die durch die Stiftung Procom<br />
vermittelten Gebärdensprachdolmetscher-<br />
Innen werden während der Versuchsphase<br />
durch die Kirchgemeinde übernommen. Mit<br />
den beiden Gehörlosenpfarrämter des Kantons<br />
Zürich findet ein gegenseitiger Austausch<br />
über die gemachten Erfahrungen<br />
statt.<br />
Die City-Kirche Offener St. Jakob am Stauffacher<br />
in Zürich lädt Gehörlose und<br />
Hörende zum gemeinsamen Gottesdienst<br />
ein. Ab dem <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, jeweils am 1.<br />
Sonntag im Monat.<br />
„Was <strong>für</strong> die einen kostbarstes Gut ist, ist<br />
<strong>für</strong> andere ein Handicap: die Stille.“<br />
[rr]<br />
Pfarrer Anselm Burr will <strong>für</strong> alle Menschen eine<br />
offene Kirche und da<strong>für</strong> engagiert er sich täglich.<br />
Interview mit Anselm Burr zu den<br />
6 Gottesdiensten mit Gebärdensprachübersetzung<br />
von <strong>September</strong><br />
20<strong>08</strong> bis Februar 2009<br />
<strong>sonos</strong>: Zwischen <strong>September</strong> 20<strong>08</strong> und<br />
Februar 2009 soll jeweils am ersten<br />
Sonntag eines Monats ein Gottesdienst in<br />
der City-Kirche Offener St. Jakob am Stauffacher<br />
in Zürich in die Gebärdensprache<br />
übersetzt werden. Wie ist diese Idee entstanden<br />
und welche Ziele möchten Sie mit<br />
dieser Aktion erreichen?<br />
Es gibt Ideen, die schlagen ein wie eine<br />
Bombe - und man setzt sie um. Viele Vorhaben<br />
in meinem Leben und in meiner<br />
Arbeit an der City-Kirche am Stauffacher<br />
haben aber eine eher lange Entstehungszeit.<br />
Gottesdienste mit Gebärdensprache -<br />
diese Idee entstand allmählich. Wie ein<br />
Bach, der aus verschiedenen Quellen<br />
gespiesen wird.<br />
Da ist zunächst die Geschichte unserer<br />
Kirche: seit jener mittelalterlichen Kapelle<br />
im sog. ‚Siechenhauses’ ist der Name St.<br />
Jakob verbunden mit dem Schicksal<br />
benachteiligter Menschen. Zunächst mit<br />
Kranken, sozial Schwachen, dann Fremden<br />
- also Menschen, die gegenüber anderen<br />
mit einem Handicap leben müssen.<br />
Schon als ich vor 35 Jahren meine erste<br />
Pfarrstelle (am Universitäts-Spital Basel)<br />
antrat, war es mir ein Anliegen, Wortsprache<br />
und Zeichensprache ausgewogen<br />
im Gottesdienst einzusetzen. Es war mir<br />
wichtig, nicht nur zu reden, sondern auch<br />
den Raum, die Präsentation der Feier<br />
gestalterisch zu durchdringen.<br />
Gebärdensprache ist <strong>für</strong> mich eine Art Performance.<br />
In der City-Kirche - so sagen wir<br />
immer wieder - sind Künstler die Men-
schen, auf die wir vornehmlich achten<br />
wollen.<br />
Eines Tages bekam ich von der Geschäftsführerin<br />
von <strong>sonos</strong> die Einladung zu einem<br />
Konzert, <strong>das</strong> in Gebärdensprache übersetzt<br />
wurde. Die Aufführung, <strong>das</strong> Zusammenspiel<br />
von Musik und bewegten Zeichen hat<br />
mich beeindruckt.<br />
Zuletzt: im Zürcher Kirchenboten erschien<br />
ein eindrücklicher Artikel mit Fotos über<br />
<strong>das</strong> Unser-Vater in Gebärdensprache.<br />
Alle dies liess in mir die Überzeugung<br />
wachsen, <strong>das</strong>s ein von Gebärdensprache<br />
begleiteter Gottesdienst ein Gewinn, eine<br />
Vertiefung sein könnte <strong>für</strong> Hörende und<br />
Nichthörende.<br />
Stehen die sechs Gottesdienste, die in<br />
Gebärdensprache übersetzt werden in<br />
einem thematischen inneren Zusammenhang<br />
und wenn ja, wie lautet der Titel?<br />
Nein, es ist keine Fortsetzungsreihe<br />
geplant. Das zeichnet die Arbeit am<br />
Offenen St. Jakob auch aus. Man kann<br />
anonym kommen und gehen. Wir versuchen<br />
nicht, eine neue Gehörlosen-<br />
Gemeinde zu gründen. Wir haben nicht die<br />
Erwartung, <strong>das</strong>s jemand gleich mehrere<br />
dieser Gottesdienste besuchen sollte. Es<br />
ist ein Angebot <strong>für</strong> Menschen, die <strong>das</strong> aus<br />
irgendeinem Grund erleben wollen. Die<br />
Idee ist: wenn Gehörlose spontan einen<br />
Gottesdienst miterleben wollen, dann<br />
haben sie einmal im Monat in der Kirche St.<br />
Jakob am Stauffacher die Gelegenheit<br />
dazu. Man muss sich weder anmelden noch<br />
Plätze reservieren. Die Kirche ist bestens<br />
mit den öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
erreichbar. Die Dolmetscherin wird von uns<br />
aufgeboten. Und wenn keine Menschen mit<br />
Hörbehinderung kommen, dann ist <strong>das</strong><br />
nicht tragisch. Die Performance des Gebärdens<br />
vertieft <strong>das</strong> Hören aller - wir alle sind<br />
ja etwas ‚hörgeschädigt’ oder ‚begriffsstutzig’<br />
oder ‚schwer von Begriff’. Das<br />
Evangelium ist etwas Elementares - und<br />
dies kommt in der Gebärdensprache sehr<br />
gut zum Ausdruck.<br />
Ist die Gehörlosenseelsorge in Ihr Projekt<br />
involviert bzw. wenn ja in welcher Form?<br />
Natürlich habe ich <strong>das</strong> Vorhaben zuallererst<br />
mit den Kollegen von der Gehörlosenseelsorge<br />
besprochen. Sie haben schnell<br />
verstanden, <strong>das</strong>s wir keine Konkurrenz <strong>für</strong><br />
ihre Arbeit sind. Das Gehörlosenpfarramt<br />
lädt mehr als 30 mal pro Jahr zu ganz speziellen<br />
Gottesdiensten an verschiedenen<br />
Orten des Kantons ein. Da steht dann die<br />
Pflege der Gemeinschaft im Vordergrund.<br />
Man verbringt einen grossen Teil des Tages<br />
miteinander. In der City-Kirche wollen wir<br />
keine ‚Spezial-Gemeinde’ aufbauen. Wir<br />
wollen eine unaufgeregte Selbstverständlichkeit<br />
schaffen, die Einzelne benützen<br />
können: In einer der vielen Kirchen der<br />
Stadt soll es einmal im Monat einen Gottesdienst<br />
mit Übersetzung in die Gebärdensprache<br />
geben. Die Erfahrungen, die wir<br />
dabei machen, werden wir mit Fachleuten<br />
aus der Gehörlosenarbeit besprechen und<br />
auswerten.<br />
Haben Sie im Lauf Ihrer bisherigen Tätigkeiten<br />
als Pfarrer schon Aufgaben im<br />
Zusammenhang mit gehörlosen Menschen<br />
wahrgenommen bzw. wie haben sich diese<br />
Kontakte aus Ihrer Sicht gestaltet?<br />
Seit einigen Jahren werde ich immer wieder<br />
eingeladen, Gottesdienste mit Seh- und<br />
Hörbehinderten zu gestalten. Ganz eindrückliche<br />
Erfahrungen habe ich dabei<br />
gesammelt. Mir gefällt vor allem die Reduktion<br />
der Wörter zugunsten der elementaren<br />
Präsenz. Anders gesagt: <strong>das</strong> Hören steht in<br />
diesen Gottesdiensten im Vordergrund -<br />
und dieses Hören wird überraschender<br />
weise nicht durch die Menge der gesprochenen<br />
Wörter sichergestellt.<br />
Als junger Pfarrer hatte ich viel mit geistig<br />
behinderten Menschen zu tun. Hörbehinderte<br />
sind nicht geistig behindert - <strong>das</strong> ist<br />
klar. Dennoch: auch dort ist mir dieses Elementare<br />
in der Begegnung mit dem Heiligen<br />
besonders aufgefallen.<br />
Wo genau nehmen Sie an, liegen die Hauptprobleme<br />
<strong>für</strong> gehörlose und schwer hörgeschädigte<br />
Menschen und wie könnten aus<br />
Ihrer Sicht Ansatzpunkte <strong>für</strong> eine angemessene<br />
Unterstützung bzw. eine verbesserte<br />
Integration aussehen?<br />
Irgendwie scheint mir die Frage falsch<br />
gestellt. Aber <strong>das</strong> fordert mich heraus,<br />
nochmals deutlich zu sagen, um was es mir<br />
geht: ich möchte nicht ein Problem oder<br />
Defizit der Gehörlosen ausgleichen, den<br />
zahlreichen Hilfestellungen ein weiteres<br />
Angebot anfügen. Ich möchte die Gebärdensprache<br />
als Gewinn <strong>für</strong> den Gottesdienst,<br />
<strong>für</strong> <strong>das</strong> Elementare des Evangeliums,<br />
<strong>für</strong> die Arbeit an der Predigt erleben.<br />
Als Gewinn <strong>für</strong> Gehörlose und Hörende -<br />
und nicht als ‚gütige’ oder ‚gnädige’ Hilfeleistung<br />
der einen <strong>für</strong> die anderen.<br />
Ob dabei dann ein Stück Integration herausschaut?<br />
Ich lasse mich überraschen.<br />
Das bedeutet auch: es ist eine offene Frage,<br />
wer wen was wann integriert. Ich bin überzeugt,<br />
<strong>das</strong>s die Gebärdensprache allen<br />
Menschen beim Verstehen hilft und - wie<br />
alle Sprachen - <strong>das</strong> Risiko des Missverständnisses<br />
in sich trägt. Verstehen - sich<br />
selbst und den anderen - ist eine wesentliche<br />
Vorraussetzung zur Integration.<br />
Was soll aus Ihrer heutigen Einschätzung<br />
die Hauptbotschaft bilden, die Sie mit der<br />
Aktion der sechs Gottesdienste, die in<br />
Gebärdensprache übersetzt werden, erreichen<br />
möchten?<br />
Tut mir leid - ich verbinde keine Hauptbotschaft<br />
damit. Ich will mit anderen<br />
zusammen eine Erfahrung machen, die<br />
mich hoffentlich bereichert. Die Erfahrung<br />
des Elementaren. Wenn ich jetzt schon <strong>das</strong><br />
Resultat wüsste, dann könnte ich eine<br />
Hauptbotschaft verkünden. Ich bin aber bis<br />
jetzt nur neugierig. Ich will - um es ganz<br />
simpel zu sagen - wissen, wie man von Gott<br />
mit den Händen spricht.<br />
Sind Betroffene in die Gestaltung der sechs<br />
Gottesdienste mit GebärdensprachdolmetscherInnen<br />
einbezogen?<br />
Wie alle anderen GottesdienstbesucherInnen<br />
auch: sie feiern mit. Sie sind aber<br />
weder <strong>das</strong> Thema noch die Verantwortlichen.<br />
Ich werde Augen und Ohren offen<br />
halten. Wenn sich Leute zusammentun und<br />
dieses Anliegen weiter verfolgen, dann<br />
werden eines Tages vielleicht weitere Veranstaltungen<br />
in unserer Kirche in die<br />
Gebärdensprache übersetzt werden. Oder<br />
andere Kirchen nehmen diesen Anstoss<br />
auf: es wäre doch denkbar und vielleicht<br />
sogar wünschbar, <strong>das</strong>s jeden Sonntag in<br />
einer der Kirchen dieser grossen Stadt<br />
Gehörlose einen Gottesdienst besuchen<br />
können, dessen Sprache sie verstehen.<br />
Haben Sie schon einmal an einem Gottesdienst<br />
der Gehörlosenseelsorge teilgenommen<br />
und wenn ja, wie haben Sie diese<br />
Feier und <strong>das</strong> kirchliche Zusammensein von<br />
gehörlosen Menschen erlebt? Fliessen aus<br />
diesen Erlebnissen, die Sie hier allenfalls<br />
gemacht haben, Erkenntnisse in die sechs<br />
Gottesdienste mit GebärdensprachdolmetscherInnen<br />
ein?<br />
Nein, bis jetzt nicht. Allerdings habe ich<br />
schon öfters an Tagungen erlebt, <strong>das</strong>s<br />
gebärdet wurde. Durchs Fernsehen und<br />
grosse öffentliche Veranstaltungen wird die<br />
Gebärdensprache heute immer bekannter.<br />
Sie bringt – zumindest in der Vorbereitung<br />
der Veranstaltung - auch eine gewisse Verlangsamung<br />
und damit Vertiefung der Kommunikation<br />
zu Stande. Das tut gut in einer<br />
Zeit, in der Kommunikation immer<br />
schneller und damit oft oberflächlicher<br />
wird.<br />
21
Haben Sie sich mit der 5. IVG-Revision, die<br />
mittlerweile seit einem halben Jahr in Kraft<br />
ist, befasst? Was ist Ihre persönliche Meinung<br />
dazu bzw. zur Situation rund um die<br />
Invalidenversicherung?<br />
Ich habe mich damit nicht detailliert<br />
befasst.<br />
In Gehörlosenkreisen ist Ihre Person allenfalls<br />
nicht sehr bekannt. Sagen Sie doch<br />
noch ein paar persönliche Dinge über sich,<br />
wer Sie sind, was Ihnen wichtig ist als<br />
Pfarrer -und eventuell wenn Sie möchten -<br />
auch sonst im Leben?<br />
Es geht nicht um meine Person. Die vorläufig<br />
6 Gottesdienste werden teilweise<br />
auch von meinem Kollegen gestaltet. Als<br />
Pilgerpfarrer kennt man ihn in der ganzen<br />
Schweiz und weit darüber hinaus. Beide<br />
sind wir daran interessiert, <strong>das</strong>s die Gottesdienste<br />
in der City-Kirche Offener St. Jakob<br />
als ‚Gesamtkunstwerk’ gestaltet und erlebt<br />
werden können.<br />
Der Kirchenraum ist hell und farbig, ein<br />
eigentlicher Lebensraum. Ich selber bin ein<br />
eher visueller Typ: Zeichen, Gebärden,<br />
Gestaltung generell bedeuten mir viel. Ich<br />
verspreche mir durch die Gebärdensprache<br />
eine Bereicherung des Gesamterlebnisses<br />
Gottesdienst.<br />
Die City-Kirche Offener St. Jakob<br />
am Stauffacher in Zürichlädt Gehörlose<br />
und Hörende zum gemeinsamen<br />
Gottesdienst ein. Ab dem<br />
<strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, jeweils am 1.<br />
Sonntag im Monat.<br />
Hintergrundinformationen zur<br />
City-Kirche offener St. Jakob<br />
Von England her über Holland nach<br />
Deutschland kommend, haben seit Mitte<br />
der 1980er Jahre in zahlreichen Städten<br />
City-Kirchen von sich reden gemacht.<br />
Was steckt dahinter?<br />
In den meisten europäischen Stadtzentren<br />
trifft man auf <strong>das</strong>selbe Bild: Die grossen<br />
Kathedralen stehen nach wie vor dort, wo<br />
sie einst gut besucht waren, in ehemals<br />
dicht bevölkerten Quartieren. Seit die<br />
Wohnhäuser in den Stadtzentren immer<br />
mehr in Büro-und Geschäftshäuser umgewandelt<br />
wurden, wurde ihre Erhaltung<br />
jedoch <strong>für</strong> die immer kleiner werdenden<br />
Kirchgemeinden zur finanziellen Belastung.<br />
So sind in England und Holland, wo<br />
die Kirchgemeinden auf freiwillige<br />
Spenden angewiesen sind, bereits zahlreiche<br />
Gotteshäuser aufgegeben, einer<br />
neuen Nutzung (Parkhaus, Museum etc.)<br />
zugeführt oder gar abgerissen worden.<br />
Auch in der Schweiz wird man sich in den<br />
kommenden Jahren zu diesem Problem<br />
Gedanken machen müssen.<br />
City-Kirche<br />
Das Modell «City-Kirche» will diese Entwicklung<br />
aufhalten; es will einen anderen<br />
Weg aufzeigen. City-Kirchen positionieren<br />
sich selbstbewusst im städtischen Gefüge<br />
von Angebot und Nachfrage. Neben<br />
Konsum- und Musentempeln, neben Repräsentationsbauten<br />
politischer und wirtschaftlicher<br />
Macht treten die City-Kirchen<br />
als Gotteshäuser <strong>für</strong> die Unverfügbarkeit<br />
des Menschen ein: Der Mensch ist gerade<br />
dadurch Mensch, <strong>das</strong>s er nicht sich selbst<br />
gehört, sondern Gott, der alle Menschen zu<br />
Brüdern und Schwestern macht.<br />
City-Kirchen gibt es in ganz unterschiedlichen<br />
Versionen, je nach Situation vor Ort.<br />
Jede einzelne ist ein Unikat. Gemeinsam ist<br />
den City-Kirchen, <strong>das</strong>s sie werktags<br />
geöffnet sind. Dies ermöglicht den heute<br />
noch immer in ihrer Freiheit bedrohten Zeitgenossen/<br />
-innen die ganze Woche hindurch<br />
mitten in der Stadt einen Raum zu<br />
finden, in dem sie ganz zu sich selbst<br />
kommen können. Mit Ausstellungen, Konzerten,<br />
Events möchte die City-Kirche eine<br />
in die ganze Stadt ausstrahlende Plattform<br />
schaffen <strong>für</strong> den Dialog unterschiedlicher<br />
Versuche zur Sinngebung des Lebens. Sie<br />
möchte auf diese Weise auch Themen zur<br />
Sprache bringen, die in unserer Gesellschaft<br />
keine Stimme haben.<br />
Offener St. Jakob<br />
Die City-Kirche «Offener St. Jakob»: Wenige<br />
Monate nachdem Anselm Burr sein Amt<br />
Anfang der 90er Jahre in der Kirchgemeinde<br />
Aussersihl angetreten hatte, sprach sich<br />
<strong>das</strong> Zürcher Stimmvolk in einer zweiten<br />
Abstimmung <strong>für</strong> die definitive Schliessung<br />
des Quartiers und Kulturzentrums Kanzlei<br />
aus. Der Besuch der alljährlichen Konferenzen<br />
<strong>für</strong> Stadtkirchenarbeit sensibilisierte<br />
ihn <strong>für</strong> die Möglichkeiten einer so<br />
zentral gelegenen, grossen Kirche. Ermutigt<br />
durch praktische Erfahrungen in der<br />
Kirche zu St. Peter in Zürich und der Stadtkirche<br />
in Winterthur war es seine Vision,<br />
<strong>das</strong>s der «Offene St. Jakob» in die Lücke<br />
springen und einem Teil der heimatlos<br />
gewordenen kulturellen Initiativen Raum<br />
bieten könnte. Um auch Mitglieder anderer<br />
Religionen und Konfessionen sowie religionslose<br />
Menschen zum Mitgestalten zu<br />
animieren, wurde der Verein «Forum<br />
Offener St. Jakob» gegründet. Eine enorme<br />
Belebung der Kirche zu St. Jakob war die<br />
Folge. Durch eine Vielfalt von Aktivitäten<br />
hat sie sich einen Platz im Bewusstsein der<br />
in der Stadt Zürich lebenden Menschen<br />
geschaffen.
Der Teufel liegt im Detail<br />
Die 5. IVG-Revision ist mit Problemen<br />
behaftet, die man in den Griff bekommen<br />
muss. Im Fokus der Bemühungen sollten<br />
stets die IV-Fälle stehe.<br />
Text: Ruedi Schläppi in Schweizer Versicherung<br />
Nr. 8, August 20<strong>08</strong><br />
Seit Monaten werden im Zuge der Umsetzung<br />
der 5. IVG-Revision erfreuliche Meldungen<br />
laut, wie<br />
• die IV-Fälle konnten aufgrund der 4. und<br />
schliesslich auch infolge der Massnahmen<br />
der 5. Revision [Früherfassung<br />
und Frühintervention, kurz (FeFi)] drastisch<br />
gesenkt werden;<br />
• bezüglich der FeFi, dem Kernstück der 5.<br />
IVG-Revision, gingen in den ersten vier<br />
Monaten seit ihrer Inkraftsetzung per 1.<br />
Januar 20<strong>08</strong> bei den kantonalen IV-<br />
Stellen bereits 2’500 Meldungen zur Mithilfe<br />
ein.<br />
Diese Zahlen würden alle Erwartungen<br />
übertreffen, bestätigte BSV-Vizedirektor<br />
Alard du Bois-Reymond anlässlich einer<br />
durch den Schweizerischen Versicherungsverband<br />
(SVV) und die IV-Stellen-Konferenz<br />
(IVSK) organisierten Tagung in Zug. Jedoch<br />
blieb die Frage offen, mit welchen Massnahmen<br />
diese gemeldeten „Versicherungsfälle“<br />
weiter bearbeitet werden.<br />
Hilfesuchende abschieben<br />
Einmal mehr konnte man an dieser Tagung<br />
den Eindruck gewinnen, <strong>das</strong>s die Anliegen<br />
der betroffenen Versicherten zu wenig<br />
berücksichtigt werden. So stellte man nur<br />
die „guten“ Beispiele (optimale Ausgangslage<br />
der Betroffenen) als massgeblich dar.<br />
In den Diskussionen wurde meist der<br />
Begriff „Versicherungsfälle“ verwendet.<br />
Doch Seminarteilnehmende wiesen darauf<br />
hin, <strong>das</strong>s durch die Modalitäten der 5. IVG-<br />
Revision viele Hilfesuchende an die Sozialhilfe<br />
abgeschoben würden.<br />
Dies steht im Gegensatz zu früher, wo es<br />
angeblich umgekehrt gelaufen sei. Weshalb<br />
unter anderem wegen dem so<br />
genannten „Drehtüreffekt“ die 5. IVG-Revision<br />
angestrebt worden war. Meldungen<br />
über wachsende Ausgaben bei der Sozialhilfe<br />
reissen indes nicht ab. Mit vielfältigen<br />
Massnahmen versuchen die Berufsgruppe<br />
der Sozialarbeiter und die Sozialbehörde,<br />
den Schaden zu begrenzen. Unter<br />
anderem, indem versucht wird, Sozialhilfeempfänger<br />
mit der Androhung von Budgetkürzungen<br />
zur vermehrten Stellensuche zu<br />
bewegen.<br />
Immer wieder werden an den Informationsveranstaltungen<br />
zur Umsetzung der 5. IVG-<br />
Revision Rezepte verteilt, deren Zutaten<br />
den Eindruck erwecken sollten, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />
Grundproblem - die Schwierigkeit, IV-Fälle<br />
zu vermeiden - damit in den Griff zu<br />
bekommen sei. Einerseits propagieren die<br />
beteiligten Institutionen Invalidenversicherung,<br />
Arbeitslosenversicherung/RAV-Beratung<br />
und Sozialhilfe immer wieder <strong>das</strong> vor<br />
mehreren Jahren lancierte Zusammenarbeitsprogramm<br />
IIZ (Interinstitutionelle<br />
Zusammenarbeit). Andererseits versuchen<br />
die Institutionen Invalidenversicherung (via<br />
IVSK), Krankentaggeld- und Pensionskassen-Versicherer<br />
die unbedingt erforderliche<br />
Zusammenarbeit vie iiz-plus (www.iizplus.ch)<br />
zu fördern. Dies unter Einbezug<br />
der Arbeitgeber.<br />
Schwierige Zusammenarbeit<br />
Dass die Zusammenarbeit vor allem unter<br />
den Krankentaggeld-Versicherern nicht<br />
ganz einfach ist, zeigen die Führungsrespektive<br />
die <strong>Verband</strong>sstrukturen dieser<br />
Versicherungs-Zweiggesellschaften. Sie<br />
sind unter drei Dachverbänden weitgehend<br />
voneinander unabhängig organisiert; den<br />
SVV, Santésuisse (Soziale Krankenversicherer,<br />
die auch Taggeldversicherungen<br />
nach VVG anbieten) und RVK (Rückversicherung,<br />
<strong>Verband</strong> und Kompetenz <strong>für</strong><br />
kleine und mittlere Krankversicherer).<br />
Erschwerend komme hinzu, <strong>das</strong>s die<br />
betriebliche Krankentaggeld-Versicherung<br />
noch immer nicht obligatorisch sei, heisst<br />
es in Fachkreisen.<br />
Auch die Pensionskassen, ebenfalls wichtige<br />
Partner in der angestrebten Zusammenarbeit<br />
iiz-plus, sind zerstreute Einzelversicherer,<br />
wenn nicht gar Einzelkämpfer,<br />
die in Verbänden/Organisation wie SVV,<br />
ASIP (<strong>Schweizerischer</strong> Pensionskassenverband)<br />
und/oder SPV/VPD (Schweizer Personalvorsorge/Verlag<br />
Personalvorsorge<br />
und Sozialversicherung AG) zusammenstehen.<br />
Sicher ist: Im Zusammenhang mit der<br />
Umsetzung der 5. IVG-Revision stehen<br />
noch Feinarbeiten an. Zurzeit sind die verschiedenen<br />
involvierten Institutionen<br />
gefordert herauszufinden, welche Positionen<br />
mit welchen Massnahem sie in<br />
diesem im Moment doch sehr unübersichtlichem<br />
und komplexen Räderwerk einnehmen<br />
wollen, oder müssen. Neben dem<br />
Spardruck, Wissenstransfer, Zeitdruck,<br />
Fachpersonalmangel, den Aus- und Weiterbildungsperspektiven,<br />
verschiedenen<br />
Formen von Case Management, etc. darf<br />
man die Ausgangslage der betroffenen<br />
Menschen selbst nicht vergessen zu<br />
berücksichtigen.<br />
Unwillkommene Ablenkung<br />
Nicht selten werden unter dem Aspekt des<br />
Projektes iiz-MAMAG die Sozialhilfeempfänger,<br />
während sie durch entsprechende<br />
Massnahmen zur Marktfähigkeit gebracht<br />
werden sollen, schikaniert. So wurden<br />
etwa einem Sozialhilfeempfänger in der<br />
Deutschschweiz, dem durch psychotherapeutische<br />
Massnahmen ein Wiederaufbau<br />
seiner Tagesstruktur ermöglicht werden<br />
sollte, im gleichen Atemzug die Wegspesen<br />
<strong>für</strong> die erforderliche Therapie um monatlich<br />
40 Franken gekürzt. Wer in dieser Branche<br />
tätig ist, weiss, <strong>das</strong>s <strong>für</strong> die Betroffenen<br />
bereits eine Budgetkürzung in dieser Höhe<br />
nicht unerheblich ist und <strong>für</strong> Unruhe<br />
sorgen kann.<br />
Im Rahmen der Umsetzung der 5. IVG-Revision<br />
werden immer wieder kritische<br />
Stimmen laut, die den stärkeren Einbezug<br />
der Arbeitgeber verlangen. Sicher ist, <strong>das</strong>s<br />
man auch diese Gruppe von Mitwirkenden<br />
im positiven Sinn gewinnen muss. Die<br />
Früherfassung soll letztlich nicht dazu<br />
dienen, <strong>das</strong>s ein Arbeitgeber früher<br />
Kenntnis davon hat, <strong>das</strong>s sein arbeitsunfähiger<br />
Mitarbeiter ein gesundheitlich<br />
bedingter Problemfall ist, und dies gegebenenfalls<br />
früher als bisher zur Kündigung<br />
führt.<br />
Komplexer als erwartet<br />
Dass die Revision bereits in der Konstruktion<br />
komplexer ist als erwartet, zeigt sich<br />
auch beim Betrachten des seit Anfang Jahr<br />
geltenden Gesetzes. Gemäss Artikel 18a<br />
IVG werden zugunsten von Versicherten in<br />
der Regel via Arbeitgeber Einarbeitungszuschüsse<br />
<strong>für</strong> maximal 180 Tage gewährt.<br />
Diese Zuschüsse haben Lohnersatzcharakter,<br />
weshalb in Abs. 3 des besagten IVG-<br />
Artikels festgehalten wird, <strong>das</strong>s darauf<br />
auch Sozialversicherungsbeiträge (AHV, IV,<br />
EO/MSE, ALV und UVG) zu bezahlen sind.<br />
Offenbar ist dem Gesetzgeber, sprich den<br />
Parlamentariern, entgangen, <strong>das</strong>s während<br />
einer solchen Eingliederungsphase <strong>für</strong> die<br />
Betroffenen auch Pensionskassenbeiträge<br />
(BVG) fällig werden; und die sind meist<br />
nicht gering. Vielleicht zeigt dies, <strong>das</strong>s in<br />
23<br />
Soziales und<br />
Politik
den Diskussionen um die Revision der<br />
erkrankte oder verunfallte Patient nicht im<br />
Zentrum der Sache stand? Somit muss auch<br />
während einer Genesungsphase die einzugliedernde<br />
Person um ihr Recht kämpfen,<br />
weil allgemein die BVG-Welt bloss Status der<br />
Erwerbsunfähigkeit (also den Invaliditätsfall)<br />
kennt. Die Leistung „Prämienbefreiung“,<br />
etwa bei BVG-Versicherungslösung in der<br />
Phase der Arbeitsunfähigkeit, ist in der Regel<br />
noch immer im Einzelfall bei jeder Pensionskasse<br />
abzuklären.<br />
Chance nutzen<br />
Allein schon diese Aspekte zeigen, <strong>das</strong>s der<br />
Teufel im Detail liegt. Die beteiligten Parteien<br />
samt Politik sind aufgefordert, bei der Umsetzung<br />
der 6. IVG-Revision über die Bücher zu<br />
gehen, um ein besseres Funktionieren der<br />
Koordination im Sinne der Betroffenen zu<br />
ermöglichen.<br />
Gegen verstaatlichte<br />
Hörhilfen<br />
Text: Daniel Friedli in Aargauer Zeitung vom 30. Juli 20<strong>08</strong><br />
Die IV will künftig selber entscheiden, an<br />
welche Hörgeräte sie etwas zahlt. Doch die<br />
Branche will dabei nicht mitmachen.<br />
Geschätzte 160’000 SchweizererInnen leben<br />
mit einem Hörgerät, viele davon unterstützt<br />
von der IV. Schon seit längerem ist klar, <strong>das</strong>s<br />
sich <strong>für</strong> sie nächstes Jahr einiges ändern wird.<br />
Weil sich die Kosten der Sozialwerke <strong>für</strong> Hörgeräte<br />
in den letzten Jahren verdoppelt<br />
haben, will <strong>das</strong> Bundesamt <strong>für</strong> Sozialversicherungen<br />
(BSV) die Notbremse ziehen: eine<br />
internationale Ausschreibung der Geräte soll<br />
die Preise drücken.<br />
Mittlerweile hat <strong>das</strong> BSV die Branche nun<br />
informiert, wie es dabei im Detail vorgehen<br />
will: neu sollen AHV und IV die Hörgeräte<br />
selber einkaufen, wobei der Bund nur noch<br />
maximal vier Hersteller zu berücksichtigen<br />
gedenkt. Die Hörbehinderten erhalten<br />
sodann nicht mehr einfach eine Vergütung <strong>für</strong><br />
<strong>das</strong> gewählte Gerät. Unterstützung gibt es<br />
nur noch, wenn sie ein Gerät eines Vertragslieferanten<br />
des BSV auswählen. Abgewickelt<br />
wird <strong>das</strong> System über ein im Auftrag des BSV<br />
betriebenes Logistikzentrum. Es bestellt die<br />
ausgewählten Geräte, rechnet sie ab und gibt<br />
sie an die Fachgeschäfte weiter. Auch Reparaturen<br />
und Garantiefälle sollen über dieses<br />
Zentrum laufen.<br />
Existenzangst in der Branche<br />
Kein Wunder, haben die Akustiker da<strong>für</strong><br />
wenig Gehör. „Das BSV will damit einen<br />
ganzen Markt verstaatlichen“, protestiert<br />
Stefan Born, Präsident der Hörgeräte Fachhändler.<br />
Er spricht von einem Eingriff in die<br />
Wirtschaftsfreiheit, der die Fachgeschäfte<br />
zur reinen Abgabestelle degradiere-<br />
und <strong>für</strong> sie einschneidende finanzielle<br />
Folgen habe. Denn sie würden<br />
sowohl ihre Verkaufsmarge wie auch die<br />
beim Einkauf anfallenden Mengenrabatte<br />
an die IV verlieren. Laut Born wäre<br />
rigoroses Sparen die Folge, auch bei<br />
Beratungsqualität und Service. Ebenso<br />
heftig ist der Protest der Hörgeräte-Hersteller,<br />
von denen einige um ihre Existenz<br />
<strong>für</strong>chten. „Wer in der Ausschreibung<br />
nicht berücksichtigt wird, der kann sein<br />
Geschäft schliessen“, sagt Martin Hofer,<br />
Präsident des Hersteller-<strong>Verband</strong>es HSM.<br />
Denn ausserhalb der Sozialwerke gibt es<br />
in der Schweiz <strong>für</strong> Hörgeräte schlicht<br />
keinen richtigen Markt. Treffen könnte es<br />
auch Schweizer Produzenten wie Oticon<br />
in Solothurn oder Bernafon in Bern.<br />
Den Druck verlagern<br />
Beim BSV weist man diese Bedenken<br />
zurück. „Die Sorge der Branche betrifft<br />
primär ihre eigenen Gewinne“, sagt Sprecher<br />
Rolf Camenzind. Denn mit der Ausschreibung<br />
werde die Branche unter Konkurrenz-<br />
und Preisdruck gesetzt. Solange<br />
die Akustiker mit teuren Geräten höhere<br />
Margen erzielen können, hätten sie<br />
schlicht kein Interesse daran, günstigere<br />
Geräte zu verkaufen. Unter dem Strich<br />
erhofft sich <strong>das</strong> Amt vom neuen System<br />
Einsparungen von bis zu 20 Millionen<br />
Franken im Jahr und will darum nun<br />
schnell Nägel mit Köpfen machen: Schon<br />
in wenigen Wochen soll die Ausschreibung<br />
starten.<br />
Widerstand absehbar<br />
Dazu gilt es freilich auch noch politischen<br />
Widerstand zu überwinden. „Ich erachte<br />
diese Pläne als verfehlt und bin auch<br />
ziemlich erstaunt, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> BSV auf eine<br />
solche Idee kommt“, meint die Aargauer<br />
CVP-Nationalrätin Ruth Humbel, die in<br />
dieser Sache bereits eine kritische Interpellation<br />
an den Bundesrat gerichtet hat.<br />
Ihrer Meinung nach sollen die Kosten<br />
durch mehr Wettbewerb sinken und nicht<br />
durch staatlich festgesetzte Höchstpreise.<br />
Und auch die Branche selber will dem<br />
Systemwechsel nicht tatenlos zusehen.<br />
„Wir sind bereit, die Wahlfreiheit notfalls<br />
bis vor Bundesgericht zu erstreiten“,<br />
kündigt Born an. Und damit es erst gar<br />
nicht so weit kommt, wird in der Branche<br />
auch damit geliebäugelt, sich der Ausschreibung<br />
zu verweigern - und <strong>das</strong><br />
System ins Leere laufen zu lassen.<br />
Rüge an die Maturitätskommission<br />
wegen Behandlung eines<br />
Behinderten<br />
NZZ vom 4. August 20<strong>08</strong><br />
Das Bundesverwaltungsgericht wirft der<br />
Schweizerischen Maturitätskommission im<br />
Zusammenhang mit der Behandlung eines<br />
körperbehinderten Kandidaten eine Verletzung<br />
der Würde des Menschen vor und verlangt<br />
eine kostenlose Wiederholung der Prüfungen<br />
in den Bereichen Naturwissenschaften<br />
sowie Geistes- und Sozialwissenschaften.<br />
Der Entscheid kann nicht ans Bundesgericht<br />
weiter gezogen werden.<br />
Dem Kandidaten waren mit Rücksicht auf<br />
seine Behinderung im Fach Geschichte und<br />
Geografie zwei zusätzliche Stunden Prüfungszeit<br />
zugestanden worden, doch blieb er<br />
während dieser Zeit im Hörsaal weitgehend<br />
sich selbst überlassen. Da er sich alleine<br />
nicht zur Toilette begeben konnte, kam es zu<br />
einem <strong>für</strong> den Betroffenen äusserst unangenehmen<br />
Zwischenfall, den <strong>das</strong> Gericht wie<br />
folgt kommentiert: „Die Tatsache, <strong>das</strong>s ein<br />
Prüfungskandidat sich gezwungen sieht, in<br />
seine Hose zu urinieren, weil er den Prüfungsraum<br />
infolge seiner Behinderung nicht<br />
verlassen kann, verletzt nun aber in klarer<br />
Weise <strong>das</strong> in Art. 7 Bundesverfassung statuierte<br />
Gebot zur Achtung der Würde des Menschen.“<br />
Es liegt laut dem Urteil aus Bern auf<br />
der Hand, <strong>das</strong>s nach einem solchen Zwischenfall<br />
keine konzentrierte Prüfungsleistung<br />
mehr erbracht werden kann, weshalb<br />
die Prüfung wiederholt werden muss. Obwohl<br />
es den Vorfall auch als Benachteiligung im<br />
Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes<br />
wertet, lehnt es <strong>das</strong> Bundesverwaltungsgericht<br />
ab, die Prüfung einfach <strong>für</strong><br />
bestanden zu erklären, da es an einem gültigen<br />
Examensergebnis fehlt.<br />
Wiederholt werden muss auch die Prüfung in<br />
Physik, weil die Maturitätskommission dem<br />
behinderten Kandidaten zwar einen Note-<br />
Taker zur Verfügung stellte, um bei der grafischen<br />
Umsetzung von Formeln und Skizzen<br />
zu helfen. Die Anordnung wurde jedoch erst<br />
elfeinhalb Stunden vor Beginn der Prüfung<br />
per E-Mail mitgeteilt, was nach Auffassung<br />
des Bundesverwaltungsgerichts mit Blick auf<br />
reguläre Examensbedingungen zu kurzfristig<br />
war (vgl. Urteil B-7914/2007 vom 15.7.20<strong>08</strong> –<br />
rechtskräftig).<br />
Arbeitslosenversicherungsgesetz:<br />
Bundesgesetz schlägt<br />
Einsparungen vor<br />
Text: Tages-Anzeiger vom 26. Juni 20<strong>08</strong><br />
Der Bundesrat passt seinen Gesetzesvorschlag<br />
zur Revision der Arbeitslosenversicherung<br />
an. Nach der Vernehmlassung zur Avig-
Teilrevision hat der Bundesrat bei den Eckwerten<br />
zur Vorlage einige Anpassungen<br />
vorgenommen. Er kam dabei den bürgerlichen<br />
Parteien entgegen, indem er die ausgabenseitigen<br />
Einsparungen um 50 Millionen<br />
erhöhte und die befristete Beitragserhöhung<br />
halbierte.<br />
Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard<br />
legte vor den Medien noch einmal dar, <strong>das</strong>s<br />
die dem Arbeitslosenversicherungsgesetz<br />
(Avig) zu Grunde liegende Annahme von<br />
durchschnittlich 100 000 Arbeitslosen sich<br />
als zu tief erwiesen habe. Derzeit beträgt<br />
die Darlehensschuld der Arbeitslosenversicherung<br />
(ALV) 4,8 Milliarden Franken. Um<br />
<strong>das</strong> finanzielle Gleichgewicht wieder herzustellen<br />
und die Schulden abzubauen, sei<br />
eine Teilrevision nötig, sagte Leuthard. Die<br />
Vernehmlasser hätten diese mehrheitlich<br />
auch be<strong>für</strong>wortet. Auch die Beitragserhöhung<br />
um 0,2 Prozentpunkte, die je zur<br />
Hälfte von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite<br />
getragen werden soll, werde gemäss<br />
Vernehmlassung verbreitet be<strong>für</strong>wortet.<br />
Die Erhöhung wird allerdings von FDP und<br />
SVP sowie einigen Kantonen und Wirtschaftsverbänden<br />
abgelehnt. Auf der<br />
anderen Seite werden die geplanten Leistungskürzungen<br />
von bürgerlichen Parteien<br />
und Arbeitgeberorganisationen<br />
begrüsst, während Sozialdemokraten,<br />
Grüne und Arbeitnehmerorganisationen<br />
diesen kritisch gegenüber stehen.<br />
Auf Grund der Vernehmlassung hat der<br />
Bundesrat die Einsparungen auf der Leistungsseite<br />
von 481 auf 533 Millionen<br />
Franken erhöht. Für eine 400-tägige<br />
Bezugsdauer muss künftig während 18<br />
Monaten in die Arbeitslosenversicherung<br />
(ALV) einbezahlt werden, in der Vernehmlassungsvorlage<br />
waren 12 Monate vorgesehen.<br />
Hingegen wird die Wartezeit <strong>für</strong> alle<br />
Ausbildungsabgänger ohne einbezahlten<br />
Beiträge auf 120 Tage festgesetzt, auf die<br />
vorgeschlagene Verlängerung auf 260 Wartetage<br />
wird verzichtet.<br />
Bei den geplanten Beitragserhöhungen<br />
kam der Bundesrat den bürgerlichen Parteien<br />
entgegen. Zwar sollen die ordentlichen<br />
Beiträge <strong>für</strong> den Rechnungsausgleich<br />
wie vorgesehen auf 2,3 Prozent erhöht<br />
werden, was Mehreinnahmen von 486 Millionen<br />
Franken bringt. Die befristete Beitragserhöhung<br />
soll jedoch nur 0,1 und nicht<br />
wie ursprünglich vorgesehen ebenfalls 0,2<br />
Prozent betragen, so<strong>das</strong>s jährlich 230 Millionen<br />
Franken <strong>für</strong> den Schuldenabbau aufgewendet<br />
werden können. Das ebenfalls<br />
umstrittene Solidaritätsprozent soll in der<br />
Vorlage bleiben.<br />
«In Kürze»<br />
ZDF mit mehr Untertiteln<br />
Über 3600 Sendungen im ZDF-Programm<br />
mit rund 126’000 Sendeminuten waren im<br />
vergangenen Jahr mit Videotext untertitelt.<br />
Dies bedeutet gegenüber 2006 eine Steigerung<br />
von 5000 Sendeminuten. Das ZDF<br />
arbeite daran, dieses Angebot <strong>für</strong> hörbehinderte<br />
Menschen noch weiter auszubauen,<br />
kündigte ZDF-Intendant Markus Schächter<br />
in Mainz an.<br />
Paralympics 20<strong>08</strong> vom 6. bis 17. <strong>September</strong><br />
20<strong>08</strong> in Peking<br />
Erstmals senden ARD und ZDF bei den diesjährigen<br />
Paralympics eine Tageszusammenfassung,<br />
um der immer größer werdenden<br />
Zuschauerzahl gerecht zu werden. Denn<br />
während 1960, bei der Erstauflage der<br />
Olympischen Spiele <strong>für</strong> Menschen mit<br />
Behinderungen, gerade einmal 400 Athleten<br />
teilnahmen, waren es 2004 schon<br />
rund 4000 Teilnehmer. 88 Stunden gibt es<br />
deshalb in diesem Jahr aus Peking zu<br />
sehen. ARD und ZDF berichten im täglichen<br />
Wechsel mindestens drei Stunden pro Tag<br />
über die Paralympics. Auch die Eröffnungsfeier<br />
können die Zuschauer am 6. <strong>September</strong><br />
von 13.45 Uhr bis 16.15 Uhr verfolgen.<br />
Unter anderem wirken gehörlose<br />
Mädchen aus Jinan bei dieser Zeremonie<br />
mit und werden der tausendarmigen Gottheit<br />
Avalokitesvara Bodhisattva die<br />
Reverenz erweisen. Diese Gottheit steht im<br />
Buddhismus <strong>für</strong> Mitgefühl, Güte und Barmherzigkeit<br />
und ist Schutzpatronin von -<br />
Tibet.<br />
Seit 1960 werden die Sommer- sowie<br />
Winter-Paralympics alle vier Jahre veranstaltet.<br />
Für die Organisation und die Entwicklung<br />
ist <strong>das</strong> Internationale Paralympische<br />
Komitee verantwortlich. Der IPC wurde<br />
1989 in Düsseldorf gegründet und hat<br />
seinen Sitz in Bonn.<br />
Ergänzungsleistungen <strong>für</strong> 257 000 Menschen<br />
In der Schweiz haben im Jahr 2007 mehr als<br />
eine Viertelmillion Menschen Ergänzungsleistungen<br />
bezogen. Dies sind 1,5 Prozent<br />
mehr als im Jahr zuvor, was die tiefste<br />
Zuwachsrate seit zehn Jahren ergibt. Dies<br />
teilte <strong>das</strong> Bundesamt <strong>für</strong> Sozialversicherungen<br />
mit. Der Grund liegt bei den abnehmenden<br />
Zahlen bei den IV-Neurentnern.<br />
Allerdings ist der Bedarf nach Ergänzungsleistungen<br />
bei den IV-Rentenbezügern mit<br />
32 Prozent immer noch hoch. Bei der AHV<br />
erhielten hingegen nur 12 Prozent Ergänzungsleistungen.<br />
Abstimmungskampagne IV-Zusatzfinanzierung<br />
Das Massnahmenpaket zur Sanierung der<br />
IV durch Mehreinnahmen stellt ein absolut<br />
zentrales Anliegen der Behindertenorganisationen<br />
dar. Die Behindertenorganisationen<br />
werden deshalb eine eigenständige<br />
Kampagne führen und eine Vorreiterrolle<br />
gegenüber anderen be<strong>für</strong>wortenden<br />
Kreisen übernehmen müssen. Am 1. Juli<br />
20<strong>08</strong> ist in Bern diesbezüglich ein Verein<br />
gegründet worden, dem bereits rund zwei<br />
Dutzend Behindertenorganisationen<br />
angehören. Ob <strong>sonos</strong> sich auch aktiv beteiligen<br />
wird, entscheidet der <strong>sonos</strong>-Vorstand<br />
am 4. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>.<br />
Sprechende Bancomaten bei der Credit<br />
Suisse<br />
Die Grossbank Credit Suisse hat 209 sprechende<br />
Bancomaten in Betrieb genommen.<br />
Das Angebot richtet sich an Menschen mit<br />
Sehbehinderung. Die Bancomaten stehen<br />
an häufig frequentierten Standorten in<br />
allen Regionen der Schweiz wie die CS am<br />
21. Juli 20<strong>08</strong> bekanntgab. Die Bancomaten<br />
führen sehbehinderte und blinde BenutzerInnen<br />
in Deutsch, Italienisch, Französisch<br />
oder Englisch durch die angebotenen<br />
Dienstleistungen. Das Projekt ist Bestandteil<br />
des Programms <strong>für</strong> einen behindertengerechteren<br />
Zugang, <strong>das</strong> sich die CS mehrere<br />
Millionen Franken kosten lässt. Die<br />
Installation wurde in Zusammenarbeit mit<br />
Interessenvertretern durchgeführt, etwa<br />
mit der Schweizerischen Blindenbibliothek,<br />
dem Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband<br />
sowie dem Schweizerischen<br />
Blindenbund.<br />
Behindertenverband vom Bundesgericht<br />
zurückgewiesen<br />
Beim Um- oder Neubau eines öffentlich<br />
zugänglichen Gebäudes müssen nur diejenigen<br />
Gebäude- und Anlageteile behindertengerecht<br />
gestaltet werden, die vom Bauvorhaben<br />
tatsächlich betroffen sind. Übrige<br />
Gebäudeteile müssen laut einem vor<br />
kurzem veröffentlichten Bundesgerichtsentscheid<br />
nicht saniert werden (vgl. Urteil<br />
Bundesgericht 1C_48/20<strong>08</strong> vom 9. Juli<br />
20<strong>08</strong>).<br />
IV-Ermässigungen auf einen Blick im Netz<br />
Eine Übersicht über sämtliche IV-Ermässigungen<br />
in der Stadt Zürich sind online<br />
abrufbar auf www.iv-ermaessigung.ch. Die<br />
frisch aktualisierte Website präsentiert<br />
zahlreiche Angebote sowie Tipps zu kulturellen<br />
Veranstaltungen.<br />
25
Leben und<br />
Glauben<br />
Liebe Leserin<br />
Liebe Leser<br />
Auf dem Bild „stehen“ Sie im Kreuzgang<br />
des Klosters Kappel. Einige kennen diesen<br />
Anblick sicher, vielleicht vom Jahresausflug<br />
der Gehörlosengemeinschaft des Aargaus.<br />
Der besondere Ort, zu dem sich eine Reise<br />
immerwieder lohnt, hat einen schönen<br />
Namen: Haus der Stille und Besinnung.<br />
In der Gegend rundherum hat es Wiesen,<br />
wenig Autos, keine Hektik. Aber dieses<br />
Haus möchte Raum geben nicht nur <strong>für</strong> die<br />
äussere Ruhe, sondern vor allem <strong>für</strong> die<br />
innere Ruhe, die innere Stille und Besinnung.<br />
Es ist ein Kloster. Schon vor langer<br />
Zeit haben hier die Menschen die innere<br />
Stille und die innere Besinnung gesucht<br />
und geübt. Manchmal denken wir vielleicht:<br />
Wer im Kloster lebt, muss ein ganz<br />
besonderer Mensch sein, vielleicht ganz<br />
besonders fromm und schon fast etwas<br />
„heilig“. Ich habe eine kurze Geschichte<br />
gefunden, die uns daran erinnert, <strong>das</strong>s im<br />
Kloster Menschen leben wie Du und ich.<br />
Eine Klostervorsteherin redet mit einer<br />
Frau, die gerne in <strong>das</strong> Kloster eintreten<br />
würde. Diese junge Frau erzählt von sich<br />
und sagt, wie gut und fromm sie ist - sie<br />
stellt sich in den strahlendsten Farben vor.<br />
Die Klosterfrau soll ihr geantwortet haben:<br />
„Ich glaube, Sie bleiben besser in der Welt.<br />
Die Welt braucht Heilige. Wir hier im Kloster<br />
wollen erst heilig werden.“ Das bedeutet<br />
eben: Im Kloster sind Menschen, die miteinander<br />
auf dem Weg sind. Sie haben<br />
nicht schon alles gefunden, sondern sind<br />
auf der Suche, wie wir (vielleicht) auch. Ein<br />
Unterschied ist, <strong>das</strong>s man an einem Ort der<br />
besonderen Besinnung eben mehr Zeit hat<br />
<strong>für</strong> diese Suche nach dem, was unser Leben<br />
trägt, nach dem, was wirklich wichtig ist <strong>für</strong><br />
uns, nach den tiefen Fragen unseres Menschenlebens.<br />
Kappel war früher ein Zisterzienserkloster.<br />
Die Brüder und Schwestern dieses Ordens<br />
haben eine tiefe Verbindung zum Heiligen<br />
Benedikt. Von ihm kommen die Regeln <strong>für</strong><br />
ihr Zusammenleben. Am Anfang all seiner<br />
verschiedenen Regeln hat er geschrieben:<br />
Neige Deines Herzens Ohr.<br />
Das ist ein schönes Bild <strong>für</strong> mich: Wir sollen<br />
mit dem Herzen, mit dem Inneren hören. Es<br />
erinnert mich an einen anderen bekannten<br />
Vers. Diesen hat kein Heiliger gesagt, sondern<br />
ein Prinz. Und zwar „der kleine Prinz“.<br />
Im gleichnamigen Buch von Antoine de Saint-<br />
Exupéry steht der bekannte Satz: „Man sieht<br />
nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche<br />
bleibt den Augen verborgen.“ Ich denke,<br />
viele Menschen, die den Weg in ein Kloster<br />
gegangen sind, früher oder heute im Kloster<br />
leben, möchten genau dies lernen und leben:<br />
Das Wahrnehmen mit dem Herzen. In unserer<br />
Gesellschaft ist <strong>das</strong> Äussere sehr wichtig. Die<br />
Kleider, <strong>das</strong> Aussehen, die Arbeitsstelle.<br />
Doch ich denke, wir alle, alle Menschen -<br />
wenn wir auf unser Herz „schauen“, dann<br />
spüren wir, dann wissen wir alle: Das wirklich<br />
Wichtige ist im Inneren von uns allen. Darum<br />
ist es so gut, wenn wir alle uns Zeit nehmen<br />
können, immer wenn es möglich ist, ins Haus<br />
der inneren Ruhe und Besinnung zu gehen.<br />
Wir können leider nicht immer in ein schönes<br />
Kloster wie z.B. Kappel reisen, aber wir<br />
können dieses „Haus“ mitnehmen – in<br />
Gedanken, im Innern. Und dann zuhause<br />
oder bei der Arbeit eine Pause machen und<br />
uns vorstellen: Jetzt öffne ich die schöne<br />
grosse Türe zu meinem Haus der Besinnung.<br />
Und ich schliesse die Türe hinter mir und<br />
habe Zeit <strong>für</strong> mich. Für mein Herz, <strong>für</strong> meine<br />
Seele. Ich kann aufatmen, ausatmen, einatmen.<br />
Ich kann Kraft schöpfen. Vielleicht<br />
fühle ich mich plötzlich erleichtert. Vielleicht<br />
merke ich den Boden unter mir, wie er mich<br />
trägt und ich Halt habe. Vielleicht spüre ich<br />
<strong>das</strong> Leben in mir. Gott sei Dank!<br />
Annegret Behr<br />
Gesprächsgruppe<br />
<strong>für</strong> gehörlose und<br />
hörbehinderte<br />
Eltern<br />
Ziel der Gesprächsgruppe<br />
Gehörlose und hörbehinderte Eltern, wohnhaft<br />
im Kanton Aargau, erhalten die Gelegenheit,<br />
ihre Erfahrung in der Kindererziehung<br />
untereinander auszutauschen<br />
und über Erziehungsfragen zu diskutieren.<br />
Beispiele von Themen sind; Früherfassung,<br />
allgemeine Erziehungsfragen, Einschulung<br />
der Kinder, Lehrstellensuche, Problem mit<br />
der Schule, usw.<br />
Die Gruppe wird von Gerda Winteler, dipl.<br />
sozio-kulturelle Animatorin/HFS, begleitet.<br />
Bei Bedarf werden zu bestimmten Fragestellungen<br />
externe Fachpersonen beigezogen.<br />
Die Kommunikationsform ist entsprechend<br />
der hörbehinderten Situation angepasst<br />
(Gebärden- oder Lautsprache). Es wird in<br />
hochdeutsch kommuniziert.<br />
Anforderungen<br />
• Hörbehinderte oder gehörlose Eltern<br />
• Die Gesprächsgruppe wird ohne Kinder<br />
geführt<br />
• Das Mitmachen in der Gruppe ist<br />
kostenlos<br />
• Das Eintreten in die Gruppe ist jederzeit<br />
möglich<br />
• Die Gruppengespräche finden 1 bis 2 Mal<br />
im Monat statt<br />
• Das Projekt dauert von Juni 20<strong>08</strong> bis Juni<br />
2010<br />
Nächstes Treffen der Gruppe<br />
Datum: Donnerstag, 4. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>,<br />
19.00 bis 21.00 Uhr<br />
Ort: pro infirmis Rheinfelden, Diana<br />
strasse 1, 4310 Rheinfelden<br />
(im Gruppenraum)<br />
Das Projekt wird unterstützt von:<br />
Auskunft und Anmeldung:<br />
pro infirmis Rheinfelden Dianastrasse 1<br />
4310 Rheinfelden<br />
Telefon 061 836 95 95 Fax 061 836 95 99
Kirchliche Veranstaltungen<br />
Katholische Gehörlosengemeinden<br />
REGION AARGAU<br />
Kath. Gehörlosenseelsorge im Kt. Aargau<br />
Schönaustr. 21, Kanti Foyer, 5400 Baden<br />
Peter Schmitz-Hübsch<br />
Gehörlosenseelsorger<br />
Gian Reto Janki<br />
Gehörlosen-Jugendarbeiter<br />
Tel. 056 222 30 86<br />
Fax 056 222 30 57<br />
E-Mail kath.gl-seelsorge.aa@bluewin.ch<br />
www.ag.kath.ch<br />
Oekumenische Gehörlosen-Jugendarbeit<br />
Zürich und Aargau<br />
Gian-Reto Janki, Jugendarbeiter, gehörlos,<br />
Auf der Mauer 13, 8001 Zürich<br />
Telescrit 044 252 51 56<br />
Fax 044 252 51 55<br />
E-Mail jugend.gehoerlos@kirchen.ch<br />
REGION ZÜRICH<br />
Katholische Gehörlosenseelsorge Zürich<br />
Beckenhofstrasse 16, 8006 Zürich<br />
Briefadresse: PF 407, 8035 Zürich<br />
Telescrit 044 360 51 53<br />
Tel. 044 360 51 51<br />
Fax 044 360 51 52<br />
E-Mail info@gehoerlosenseelsorgezh.ch<br />
www.gehoerlosenseelsorgezh.ch<br />
Sonntag, 14. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 10.00 Uhr<br />
Katholischer Gottesdienst mit hörender<br />
Gemeinde St. Marien, Oberwinterthur<br />
REGION BASEL<br />
Katholische Hörbehindertenseelsorge KHS<br />
Basel, Häslirain 31, 4147 Aesch BL<br />
Tel. 061 751 35 00<br />
Fax 061 751 35 02<br />
E-Mail khs.rk@bluewin.ch<br />
Samstag, 20. <strong>September</strong>, 18.00 Uhr<br />
Wir treffen uns am Vorabend des Eidg. Dank-<br />
Buss- und Bettages im Pfarreiheim St. Franziskus<br />
in Riehen zum Gottesdienst und<br />
anschliessendem Beisammen sein.<br />
REGION ST.GALLEN<br />
Katholische Gehörlosenseelsorge<br />
des Bistums St.Gallen<br />
Klosterhof 6b, 9001 St.Gallen<br />
Dorothee Buschor Brunner<br />
Gehörlosenseelsorgerin<br />
Tel. 071 227 34 61<br />
Fax 071 227 33 41<br />
E-Mail gehoerlosenseelsorge@bistum-stgallen.ch<br />
Sonntag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 11.00 Uhr<br />
Bettagsausflug mit ökumenischem Gottesdienst<br />
in der Kapelle Triesenberg-Malbun,<br />
anschliessend Mittagessen im Alpenhotel.<br />
Evangelische Gehörlosengemeinden<br />
REGION AARGAU<br />
Reformierte Gehörlosenseelsorge<br />
im Kanton Aargau<br />
Pfrn. Annegret Behr<br />
Spalenvorstadt 18, 4051 Basel<br />
Tel. 061 262 28 02<br />
Fax 061 262 28 02<br />
E-Mail anna.behr@graviton.ch<br />
www.ref-ag.ch<br />
Sonntag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.15 Uhr<br />
Ref. Gottesdienst im Ref. Kirchgemeindehaus<br />
Baden<br />
REGION ZüRICH<br />
Kant. Pfarramt <strong>für</strong> Gehörlose Zürich,<br />
Oerlikonerstr. 98, 8057 Zürich<br />
Ref. Gehörlosengemeinde des<br />
Kantons Zürich<br />
Fax 044 311 90 89<br />
E-Mail gehoerlosenpfarramt.zh@ref.ch<br />
Samstag, 6. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.30 Uhr<br />
10 Jahre Jubiläum, ökum. Jugendarbeit<br />
Gehörlosenkirche Zürich-Oerlikon<br />
Sonntag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.30 Uhr<br />
Bettag, Ökum. Gottesdienst, Gehörlosenkirche<br />
Oerlikon<br />
GEHÖERLOSENGEMEINDE<br />
ST.GALLEN - APPENZELL - GLARUS - THUR-<br />
GAU - GRAUBÜNDEN - SCHAFFHAUSEN<br />
Pfarrer Achim Menges,<br />
oberer Graben 31,<br />
9000 St.Gallen<br />
Tel. 071 227 05 70<br />
Fax 071 227 05 79<br />
SMS/Mobile 079 235 36 48<br />
E-Mail gehoerlosenseelsorge@ref-sg.ch<br />
www.gehoerlosenseelsorge.ch<br />
Sonntag, 7. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>. 09.30 Uhr<br />
Gottesdienst in Nesslau, evang. Kirche<br />
(mit der hörenden Gemeinde)<br />
L. Schullerus, A. Menges<br />
Dienstag, 9. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 16.00 Uhr<br />
Senioren-Andacht in Trogen, Haus Vorderdorf<br />
(Gehörlosenheim) A. Menges<br />
Freitag, 19. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 09.00 Uhr<br />
Jugendgottesdienst <strong>für</strong> die Sprachheilschule<br />
St. Gallen, evang. Kirche Rotmonten<br />
A. Menges<br />
Bettag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong><br />
Ostschweizer Bettag, Ausfl ug und Gottesdienst<br />
(Malbun FL) Team<br />
Dienstag, 23.<strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 16.00 Uhr<br />
Senioren-Andacht in Trogen, Haus Vorderdorf<br />
(Gehörlosenheim) J. Manser<br />
REFORMIERTES GEHÖRLOSENPFARRAMT<br />
DER NORDWESTSCHWEIZ<br />
Pfr. Anita Kohler<br />
Friedenssrasse 14<br />
4144 Arlesheim<br />
Tel. 061 701 22 45<br />
E-Mail: anita.kohler@ref-aargau.ch<br />
anita.kohler@gmx.ch<br />
Sonntag, 7. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 10.00 Uhr<br />
Pauluskirche, Grundstrasse 18 in Olten<br />
Sonntag, 14. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.15 Uhr<br />
Reformierte Kirche, Schulstrasse in Sissach<br />
Sonntag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.15 Uhr<br />
Reformierte Kirchengemeindehaus, Oelrainstrasse<br />
21 in Baden<br />
Sonntag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 10.00 Uhr<br />
katholischer Gottesdienst<br />
Gemeindehaus Zwinglikirche, Berchtold<br />
Haller-Stube in Grenchen<br />
Sonntag, 28. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.30 Uhr<br />
Im Gemeindezentrum Breite, Farnsburgerstrasse<br />
58 in Basel<br />
REGION BERN, JURA<br />
Ref.-Kirchen Bern-Jura-Solothurn<br />
Bereich Sozial-Diakonie<br />
Schwarztorstrasse 20; Postfach 5461<br />
3001 Bern<br />
Tel. 031 385 17 17<br />
E-Mail: isabelle.strauss@refbejuso.ch<br />
Montag, 8. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 20.00 Uhr<br />
Stiftung Uetendorfberg<br />
Pfarrerin Franziska Bracher<br />
Dienstag, 9. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.30 Uhr<br />
Belp, Wohnheim<br />
Pfarrerin Franziska Bracher<br />
Sonntag, 14. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.00 Uhr<br />
mit Abendmahl<br />
Frutigen, Kirchgemeindehaus<br />
Diakon Andreas Fankhauser<br />
Mittwoch, 17. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 15.00 Uhr<br />
Heimstätte Bärau, Kirchli<br />
Diakon Andreas Fankhauser<br />
Sonntag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.00 Uhr<br />
mit Abendmahl<br />
Bern, Marienkirche, Wylerstrasse 24,<br />
3014 Bern<br />
ökumenischer Gottesdienst zum Bettag<br />
Pfarrerin Susanne Bieler und Fridolin Noser<br />
27
Kostenlose Filmworkshops zum<br />
Thema „Respekt!“<br />
Die Schweizer Jugendfilmtage unterstützen<br />
Schulklassen und Jugendgruppen bei der<br />
Erstellung eines Filmes zum Thema<br />
„Respekt!“. Die so produzierten Filme werden<br />
mit grosser Wahrscheinlichkeit an den 33.<br />
Schweizer Jugendfilmtagen im März 2009 vor<br />
grossem Publikum aufgeführt. Die Workshops<br />
stehen auch Jugendlichen mit Behinderungen<br />
offen.<br />
„Respekt ist der Kitt unserer Gesellschaft“<br />
Ziel der Workshops ist es, <strong>das</strong>s die Jugendlichen<br />
zum Thema Respekt ihren eigenen<br />
Standpunkt entwickeln können, ihr Verhalten<br />
hinterfragen und dies in einen Film übersetzen.<br />
Die Filmarbeit ist dabei vor allem<br />
Teamarbeit, und <strong>das</strong> heisst, sich auseinandersetzen<br />
mit andern. Die Workshops sind<br />
eine Hilfe, Themen wie Respekt zwischen<br />
Jungen und Mädchen, Jugendgewalt, Aussenseiter/innen<br />
oder Behinderungen mit der<br />
Klasse anzugehen und zu verarbeiten. Als<br />
Lohn winkt dabei der grosse Auftritt an den<br />
Jugendfilmtagen 2009 mit einer professionellen<br />
Jury aus der Filmwelt und tollen<br />
Preisen.<br />
Jugendliche mit Behinderung? Willkommen!<br />
Unser Wunsch ist, nicht nur über Respekt und<br />
Behinderung zu sprechen, sondern mit<br />
unseren Workshops auch Jugendlichen mit<br />
Behinderung einen Zugang zum Filmen zu<br />
ermöglichen. Aus diesem Grund suchen wir<br />
Gruppen von Jugendlichen (Schulklassen,<br />
Wohngruppen, Vereine, Jugendorganisationen),<br />
die Lust haben, selber einen Film<br />
zum Thema Respekt zu erstellen. Die teilnehmenden<br />
Gruppen erhalten drei Tage inhaltliche<br />
und filmspezifische Unterstützung<br />
durch kompetente Fachpersonen. Die Workshops<br />
sind individuell planbar: Die Fachpersonen<br />
kommen zu vereinbarten Terminen zu<br />
den Gruppen in die Schule, den Jugendtreff<br />
oder nach Hause. Die Filme werden bis Ende<br />
Jahr fertig gestellt, von einer Vorjury bewertet<br />
und mit grosser Wahrscheinlichkeit an den<br />
Schweizer Jugendfilmtagen vorgeführt.<br />
Auch wenn Kenntnisse im Filme machen<br />
sicher von Vorteil sind, kann <strong>das</strong> Angebot<br />
auch ohne Vorkenntnisse benutzt werden:<br />
Wichtiger ist der Wille und die Lust, sich auf<br />
<strong>das</strong> Medium Film und <strong>das</strong> Thema Respekt einzulassen.<br />
Anmeldung und Detailinformationen auf:<br />
www.jugendfilmtage.ch/workshops.<br />
Am Montag, 8. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong> findet in<br />
Zürich der Einführungstag „Von der Idee zum<br />
Film“ <strong>für</strong> die verantwortlichen Personen der<br />
Gruppen statt. Für Fragen steht Patric Schatzmann,<br />
Festivalleitung, gerne zur Verfügung:<br />
E-Mail: patric.schatzmann@jugendfilmtage.ch<br />
Telefon: 044 366 50 12, von Montag bis Mittwoch.<br />
Schweizer Jugendfilmtage<br />
Langstrasse 14, Postfach, 8026 Zürich<br />
Telefon: +41 44 366 50 10<br />
Fax: +41 44 366 50 15<br />
E-Mail: info@jugendfilmtage.ch<br />
www.jugendfilmtage.ch<br />
3. CI Forum St. Gallen der CI Interessengemeinschaft<br />
Schweiz (CI IG Schweiz), Samstag, 8. November 20<strong>08</strong><br />
Tagung <strong>für</strong> CI-TrägerInnen, Eltern von CI-Kindern und weiteren am CI interessierten Personen<br />
Programm<br />
09.00 – 10.00 Uhr Anmeldung, Kaffee und Gipfeli<br />
10.00 – 10.15 Uhr Begrüssung<br />
Hans-Jörg Studer, Präsident der CI IG Schweiz<br />
Bruno Schlegel, Direktor der SHS St. Gallen<br />
10.15 – 11.10 Dr. Bodo Bertram<br />
CI-Centrum Hannover<br />
Therapeutische Unterstützung von Kindern und Erwachsenen mit CI<br />
11.30 – 12.15 Edith Egloff<br />
Audioagogin, Gerontologin FH<br />
Auswirkungen einer Cochlea-Implantation auf die Partnerschaft<br />
12.15 – 13.30 Stehlunch<br />
Individueller Besuch bei den aussstellenden Herstellerfirmen:<br />
Fachpersonen beantworten persönliche Fragen<br />
ab 13.00 – 14.00 Prof. Dr. Peter Lienhard<br />
Mittendrin – und doch immer wieder draussen?<br />
Forschungsbericht zur beruflichen und sozialen Intergration<br />
junger hörgeschädigter Erwachsener<br />
14.00 – 14.30 Prof. lic. phil. Emanuela Wertli, Dipl. päd. Mireille Audeoud<br />
Befindensqualität hörbehinderter Kinder in Schule und Freizeit<br />
Neue Forschungsarbeit der Hochschule <strong>für</strong> Heilpädagogik, Zürich<br />
14.45 – 15.15 Prof. Dr. Rudolf Probst<br />
Direktor der HNO Klinik Universitätsspital Zürich<br />
Restgehör und trotzdem ein CI?<br />
15.15 – 16.00 Podium mit allen ReferentInnen<br />
Moderation: Clemens Wäger, Vertreter der SVEHK in der<br />
CI IG Schweiz<br />
16.15 Schlusswort / Ende der Tagung<br />
Eine Höranlage im Plenumssaal ist<br />
installiert, die Veranstaltung wird von<br />
einer Schriftdolmetscherin mitgeschrieben.<br />
Anmeldeschluss:<br />
Samstag, 3. November 20<strong>08</strong><br />
Die TeilnehmerInnenzahl ist begrenzt.<br />
Der Unkostenbeitrag kann an der<br />
Tagung bezahlt werden. Der Mittagslunch<br />
ist inbegriffen.<br />
Erwachsene Fr. 40.-<br />
Elternpaare Fr. 60.-<br />
Kinder werden von einem Team der<br />
Sprachheilschule St. Gallen betreut<br />
und nehmen gratis teil.<br />
Alle TeilnehmerInnen des letztjährigen<br />
Forums sowie alle, die dazu eine Einladung<br />
erhalten haben, sind auf unserer<br />
Adressliste und erhalten <strong>das</strong> Programm<br />
automatisch.<br />
CI Interessengemeinschaft Schweiz<br />
Feldeggstrasse 69<br />
Postfach 1332<br />
8032 Zürich<br />
Telefon 044 363 12 00<br />
Fax 044 363 13 03<br />
info@cochlea-implantat.ch<br />
www.cochlea-implantat.ch