16.07.2014 Aufrufe

September 08 - sonos - Schweizerischer Verband für das ...

September 08 - sonos - Schweizerischer Verband für das ...

September 08 - sonos - Schweizerischer Verband für das ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Schweiz. <strong>Verband</strong> <strong>für</strong> Gehörlosenund<br />

Hörgeschädigten-Organisationen<br />

Association Suisse pour organisations<br />

de sourds et malentendants<br />

Associazione Svizzera per organizzazioni<br />

a favore delle persone audiolese<br />

102. Jahrgang<br />

Nr. 9 <strong>September</strong> 20<strong>08</strong><br />

4<br />

13<br />

17<br />

20<br />

Take off in die Berufswelt<br />

Bettina Tschudi mit grossartigem KV-Abschluss<br />

Sind Schwerhörige ohne<br />

Kultur?<br />

Podiumsdiskussion in Zürich liefert Ansätze von Antworten<br />

Interview mit Martina Lorenz<br />

Rückblick auf ein spannendes Leben unter Gehörlosen<br />

Gottesdienste mit Übersetzung<br />

in Gebärdensprache<br />

Projekt in der City-Kirche St. Jakob in Zürich


Leserbriefe<br />

Mit grossem lnteresse habe ich den Artikel<br />

in Ihrer Zeitschrift über die beiden gehörlosen<br />

Glarner Frauen, die <strong>für</strong> die Untertitelung<br />

von Fernsehsendungen Unterschriften<br />

gesammelt haben, in Prag gelesen. Ich verstehe<br />

etwas Deutsch, spreche aber vor<br />

allem tschechisch, denn <strong>das</strong> ist ja hier<br />

meine Landessprache. Nun möchte ich<br />

einen Lesebrief an die <strong>sonos</strong>-Zeitschrift<br />

schreiben, um Ihnen zu veranschaulichen,<br />

wie es mit den Fernsehuntertitelungen in<br />

der Tschechischen Republik im Vergleich zu<br />

den Schweizer Privatsendern gehandhabt<br />

wird.<br />

Hier in der Tschechischen Republik werden<br />

Privatfernsehsendungen täglich etwa zu<br />

15% mit Untertiteln versehen via Teletext<br />

ausgestrahlt. Ich habe mir gedacht, <strong>das</strong>s<br />

die Schweiz ein reiches Land sei und deshalb<br />

wohl viel mehr Sendungen untertitelt<br />

angeboten würden als hier in der Tschechischen<br />

Republik. Es hat mich deshalb sehr<br />

überrascht, wie Sie in Ihrer Zeitung schildern,<br />

<strong>das</strong>s Schweizer Hörbehinderte die<br />

mangelhafte Untertitelung beklagen.<br />

Bei uns in Prag werden bei den zwei<br />

bekannten Privatfernsehkanälen wie NOVA<br />

und PRIMA eben um die 15 % der Sendungen<br />

mit Untertitelungen ausgestrahlt.<br />

Demgegenüber werden beim Tschechischen<br />

Staatsfernsehen rund 70% aller Sendungen<br />

untertitelt. Beim Staatsfernsehen<br />

wird zudem an allen Werktagen, d.h. von<br />

Montag bis Freitag, <strong>das</strong> Gesundheitsmagazin<br />

Sama doma mit einer Dolmetschereinblendung<br />

in die Gebärdensprache übersetzt.<br />

Nachrichten werden auch zum Teil in<br />

der Gebärdensprache ausgestrahlt.<br />

Bestimmt werden beim Staatsfernsehen<br />

bald einmal alle Sendungen zu 100% untertitelt.<br />

Dies wird Schritt <strong>für</strong> Schritt aufgebaut.<br />

Für viele hörbehinderte Menschen in der<br />

Tschechischen Republik tragen die Untertitelungen<br />

und Gebärdensprachdolmetscheinblendungen<br />

beim Privat- und Staatsfernsehen<br />

zur besseren Integration recht<br />

wesentlich bei. Nun hoffe ich, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

Schweizer Privat- und Staatsfernsehen<br />

einen Blick in die Tschechische Republik<br />

wirft und damit einen Schritt vorwärts zu<br />

einem hörbehindertengerechteren Zugang<br />

zu den Fernsehmedien ermöglicht wird.<br />

5. August 20<strong>08</strong><br />

Marcela Sulcová, hörbehindert<br />

Balbinova 14/192, 120 00 Praha / Prag 2<br />

Solidaritäts-Kundgebung und Unterschriften-Aktion<br />

<strong>für</strong> Fernseh-Untertitelungen<br />

auf Schweizer Privatfernsehen<br />

am Samstag, 25. Oktober 20<strong>08</strong> von 10 bis<br />

16 Uhr im Volksgarten Glarus<br />

Programmangebot:<br />

• Unterschriften-Aktion<br />

• Demo. Aufstellen (Banner)<br />

• Gebärdentreff (Plaudern)<br />

• Verpflegung vorhanden<br />

Es ist schön, wenn viele Gehörlose und<br />

Schwerhörige mit ihren Angehörigen und<br />

weiteren Interessierten nach Glarus<br />

kommen.<br />

Bitte Datum nicht verpassen und Info weitergeben<br />

(Fax, E-Mail, SMS)! Besten Dank.<br />

Herzliche Grüsse<br />

Gertrud Wyss<br />

Fax: 055 640 37 86<br />

Rolf Ruf aus Oberweningen teilt am 3.<br />

August 20<strong>08</strong> mit, <strong>das</strong>s nicht der Zürcher<br />

Mimenchor unter der Leitung von Rolf<br />

Kuhn sondern die freiwillige Spielgruppe<br />

aus Basel unter der Leitung von Rolf Ruf<br />

den Psalm 119 dargeboten haben.<br />

Die <strong>sonos</strong>-Redaktion entschuldigt sich <strong>für</strong><br />

<strong>das</strong> Versehen und bittet alle Leserinnen<br />

und Leser darum, von der Richtigstellung<br />

Kenntnis zu nehmen.<br />

Bildungsangebote 20<strong>08</strong><br />

Herbstferien <strong>für</strong> alleinerziehende gehörlose<br />

und hörbehinderte Väter oder Mütter mit<br />

ihren Kindern<br />

Wochenpauschale vom 12. bis<br />

18. Oktober 20<strong>08</strong><br />

Ein super günstiges, einmaliges Angebot!<br />

Gebärdensprachkunst<br />

Wochenendkurs 31. Oktober bis<br />

2. November 20<strong>08</strong><br />

Leitung: Rolf Lanicca<br />

Berichtigung zum Artikel über den<br />

Abschiedsgottesdienst von Heinrich Beglinger<br />

Tanne - Gebärden <strong>für</strong><br />

mehrfach sinnesbehinderte<br />

Menschen<br />

Nachschlagewerk mit Internetunterstützung<br />

Im Zentrum Tanne <strong>für</strong> hörsehbehinderte,<br />

mehrfachbehinderte Kinder, Jugendliche<br />

und Erwachsene sind die Gebärden überarbeitet<br />

und neu dokumentiert worden. Die<br />

Tanne-Gebärden sind eine Sammlung von<br />

450 Einzelgebärden. Sie können keiner<br />

Gebärdensprache zugeordnet werden.<br />

Die Gebärden sind auf die speziellen Kommunikationsbedürfnisse<br />

von taubblinden,<br />

hörsehbehinderten Personen abgestimmt.<br />

In den meisten Fällen bedeutet dies, <strong>das</strong>s<br />

die Gebärden nicht im freien Raum, sondern<br />

durch Hand-Hand-Kontakt oder Hand-<br />

Körper-Kontakt ausgeführt werden. In<br />

einigen wenigen Fällen gibt es <strong>für</strong> blinde<br />

oder stark sehbehinderte Personen eine<br />

taktile Variante, welche von der Normalgebärde<br />

abweicht.<br />

Die Tanne-Gebärden können auch von<br />

mehrfachbehinderten Personen benutzt<br />

werden, die zwar nicht taubblind bzw. hörsehbehindert<br />

sind, aber ebenfalls über<br />

keine Lautsprache verfügen. Die Gebärdensammlung<br />

ist in einem Nachschlagewerk<br />

dokumentiert und kann im Zentrum<br />

Tanne bezogen werden. Ergänzend dazu<br />

kann die Gebärden-Datenbank im Internet<br />

benutzt werden.<br />

Besuchen Sie die Tanne-Homepage und<br />

lassen Sie sich überraschen!<br />

Filzen mit der Nadel<br />

Wochenendkurs vom 29. bis 30. November<br />

20<strong>08</strong><br />

Leitung: Rita Zimmermann<br />

Alle Zimmer verfügen neu über Dusche und<br />

WC!<br />

Weitere Auskunft und Anmeldung:<br />

Fontana Passugg, Bildung und Kultur <strong>für</strong><br />

Gehörlose, Schwerhörige, Ertaubte, CI-Träger<br />

und Hörende<br />

7062 Passugg-Araschgen<br />

Schreibtelefon <strong>08</strong>1 250 50 56,<br />

www.fontana-passugg.ch


Editorial<br />

Liebe Leserin und lieber Leser<br />

Es ist schon fast zur Tradition geworden,<br />

<strong>das</strong>s <strong>sonos</strong> nach der zweimonatigen Sommerpause<br />

als eines der Schwerpunktthemen<br />

in der <strong>September</strong>ausgabe über<br />

Erfolge aus der Berufsschule <strong>für</strong> Hörgeschädigte<br />

BSFH berichtet. Mit dieser Tradition<br />

wollen wir nicht brechen. Bettina Tschudi<br />

verrät in ihrem Interview so einiges aus<br />

ihrem jungen und zweifellos nicht alltäglichen<br />

Leben.<br />

Nicht eine Tradition, sondern eine nüchterne<br />

Realität ist, <strong>das</strong>s <strong>für</strong> die meisten Schulabgängerinnen<br />

und Schulabgänger nach den<br />

letzten Schulferienwochen die berufliche<br />

Realität mit dem ersten Arbeitstag im Lehrbetrieb<br />

begonnen hat. Alle diese Auszubildenden<br />

haben ein wichtiges Etappenziel in<br />

ihrem jungen Leben erreicht. Trauriger sieht<br />

es <strong>für</strong> all diejenigen aus, die noch keinen<br />

Lehrvertrag „an Land ziehen konnten“. Dies<br />

ist umso betrüblicher, da wir immer noch auf<br />

den Wogen der Hochkonjunktur schweben<br />

und eigentlich die Jugend an dieser prosperierenden<br />

Zeit teilhaben sollte. Wenn es<br />

jetzt nicht klappt, wie soll es dann funktionieren,<br />

wenn der bereits vielerorts angekündigte<br />

wirtschaftliche Abschwung auch in der<br />

Schweiz Einzug hält?<br />

Das positive Beispiel Bettina Tschudi zeigt<br />

eindrücklich, <strong>das</strong>s auch Menschen mit einer<br />

Behinderung, wenn ihnen die Möglichkeiten<br />

dazu gegeben wird, die Chance packen und<br />

sich erfolgreich auf dem hartumkämpften<br />

Arbeitsmarkt durchaus behaupten und<br />

durchsetzen können. Bravo!<br />

Der August war geprägt von den olympischen<br />

Sommerspielen in Peking. Fast drei<br />

Wochen lang wurde praktisch rund um die<br />

Uhr über fabelhafte Bestleistungen und<br />

Rekordergebnisse berichtet. Es schien fast<br />

so, <strong>das</strong>s vor allem im Schwimmsport neue<br />

Weltrekorde wie am Fliessband erzielt<br />

würden. Aber eine Schwimmerin hat mit<br />

Sicherheit einen ganz persönlichen Rekord<br />

aufgestellt. Die beinamputierte Südafrikanerin<br />

Natalie du Toit durfte nicht nur als<br />

Flaggenträgerin die Südafrikanische Delegation<br />

an den Erföffnungsfeierlichkeiten der<br />

olympischen Spiele anführen, sondern sie<br />

startete als Behinderte bei den Nichtbehinderten<br />

im 10km-Schwimmwettbewerb, der<br />

zum erstenmal an olympischen Spielen ausgetragen<br />

wurde. Am Schluss belegte sie den<br />

hervorragenden 16. Schlussrang. Dieses<br />

Beispiel macht Mut und Hoffnung <strong>für</strong> alle<br />

Betroffenen.<br />

Die <strong>sonos</strong>-Rekation hat die Sommermonate<br />

optimal genutzt und Sie, liebe Leserinnen<br />

und Leser, werden feststellen, <strong>das</strong>s eine<br />

Vielzahl von interessanten und informativen<br />

Artikeln <strong>für</strong> die neueste Ausgabe unserer<br />

<strong>Verband</strong>szeitschrift geschrieben worden<br />

sind. Lassen Sie sich überraschen.<br />

Roger Ruggli<br />

Redaktor<br />

Impressum<br />

Zeitschrift <strong>sonos</strong><br />

Erscheint Erscheint monatlich monatlich<br />

Herausgeber<br />

Herausgeber<br />

<strong>sonos</strong> <strong>sonos</strong><br />

<strong>Schweizerischer</strong> <strong>Verband</strong> <strong>Verband</strong> <strong>für</strong> <strong>für</strong> Gehörlosen-<br />

Gehörlosenund<br />

und Hörgeschädigten-Organisationen<br />

Feldeggstrasse 69 69<br />

Postfach Postfach 1332 1332<br />

8032 8032 Zürich Zürich<br />

Telefon Telefon 044 044421 42140 4010<br />

10<br />

Fax Fax 044 044421 42140 4012<br />

12<br />

E-Mail E-Mail<br />

info@<strong>sonos</strong>-info.ch<br />

www.<strong>sonos</strong>-info.ch<br />

Redaktion Redaktion<br />

Redaktion Redaktion <strong>sonos</strong> <strong>sonos</strong><br />

Feldeggstrasse 69 69<br />

Postfach Postfach 1332 1332<br />

8032 8032 Zürich Zürich<br />

Telefon Telefon 044 044421 42140 4010<br />

10<br />

Fax Fax 044 044421 42140 4012<br />

12<br />

E-Mail E-Mail<br />

info@<strong>sonos</strong>-info.ch<br />

www.<strong>sonos</strong>-info.ch<br />

Inserate, Inserate, Abonnentenverwaltung<br />

<strong>sonos</strong> <strong>sonos</strong><br />

Feldeggstrasse 69 69<br />

Postfach Postfach 1332 1332<br />

8032 8032 Zürich Zürich<br />

Telefon Telefon 044 044421 42140 4010<br />

10<br />

Fax Fax 044 044421 42140 4012<br />

12<br />

E-Mail E-Mail<br />

info@<strong>sonos</strong>-info.ch<br />

Druck Druck und und Spedition Spedition<br />

Bartel Bartel Druck Druck<br />

Bahnhofstrasse 15 15<br />

8750 8750 Glarus Glarus<br />

<strong>sonos</strong> <strong>sonos</strong> verwendet verwendet bei bei Personen Personen zur zur<br />

Vereinfachung abwechslungsweise die die<br />

weibliche weibliche oder oder männliche männliche Form, Form,<br />

angesprochen sind sind beide beide Geschlechter.<br />

Nachdruck Nachdruck nur nur mit mit Genehmigung der der<br />

Redaktion, Redaktion, unter unter Hinweis Hinweis auf auf die die Quelle Quelle<br />

und und mit mit Zustellung Zustellung eines eines Belegexemplars.<br />

Die Die veröffentlichten Artikel Artikel von von Gastautoren<br />

Gastautoren<br />

geben geben nicht nicht in in jedem jedem Fall Fall die die Auffassung Auffassung des des<br />

Herausgebers wieder. wieder.<br />

Die nächste Ausgabe erscheint<br />

am am 1. 1. Oktober Juni 20<strong>08</strong> 20<strong>08</strong><br />

Redaktionsschluss:<br />

15. 15. <strong>September</strong> Mai 20<strong>08</strong> 20<strong>08</strong><br />

33


Take off in die Berufswelt<br />

Bettina Tschudi aus Dielsdorf hat die KV-<br />

Ausbildung mit einer bravourösen Lehrabschlussprüfung<br />

erfolgreich abgeschlossen.<br />

Die 21-jährige Kauffrau und ihre<br />

Mutter empfangen am Mittwoch, 23. Juli<br />

20<strong>08</strong>, Roger Ruggli von der <strong>sonos</strong>-Redaktion<br />

zum vereinbarten Interview-Termin.<br />

Erfolgreicher Take-off <strong>für</strong> Bettina Tschudi in die<br />

Berufswelt<br />

Schon nach wenigen Augenblicken des<br />

gegenseitigen Kennenlernens erzählt Bettina<br />

aus ihrem nicht immer einfach verlaufenen<br />

jungen Leben.<br />

<strong>sonos</strong>: Ich kann mich mit Ihnen problemlos<br />

unterhalten und Ihre Aussprache ist perfekt.<br />

Es fällt überhaupt nicht auf, <strong>das</strong>s Sie<br />

eine Hörschädigung haben. Wieso nicht?<br />

Bettina: Ich bin am 11. April 1987 als Frühgeburt<br />

mit einem Gewicht von 1250 Gramm<br />

zwei Monate zu früh auf die Welt<br />

gekommen. Schon kurz nach meiner<br />

Geburt stellten die Ärzte bei mir ein Nierenproblem<br />

fest, welches medikamentös<br />

behandelt werden musste. Aufgrund<br />

meiner nicht 100%-ig funktionierenden<br />

Nierentätigkeiten konnte <strong>das</strong> verabreichte<br />

Medikament (Garramycin) nicht restlos<br />

abgebaut und aus dem Körper ausgeschieden<br />

bzw. durch den Harn abtransportiert<br />

werden. Dies hatte verheerende<br />

Folgen <strong>für</strong> mich. Praktisch alle Hörhärchen<br />

in beiden Ohren wurden bis auf ganz<br />

wenige an den Rändern zerstört. Dies<br />

führte bei mir zu einer hochgradigen<br />

Schwerhörigkeit auf beiden Ohren.<br />

Die Mutter von Bettina, Silvia Tschudi, erinnert<br />

sich: Die Geburt von Bettina wirbelte<br />

<strong>das</strong> ganze Familienleben vollkommen<br />

durcheinander. Die Diagnose der Schwerhörigkeit<br />

und der Nierenprobleme führten<br />

zu einschneidenden Änderungen im Familiensystem.<br />

Sie brauchte einfach viel mehr<br />

Zuwendung und Unterstützung als ihre<br />

Schwester und ihr Bruder. Dabei mussten<br />

wir Eltern aber aufpassen, <strong>das</strong>s unsere<br />

beiden anderen Kinder nicht zu kurz<br />

kamen. Rückblickend dürfen wir aber mit<br />

Stolz und Anerkennung sagen, <strong>das</strong>s Bettina<br />

von ihren beiden Geschwistern immer voll<br />

und ganz akzeptiert und integriert wurde.<br />

Sie haben sich <strong>für</strong> ihre Schwester immer<br />

eingesetzt und engagiert.<br />

Nierentransplantation mit 7<br />

Jahren<br />

Der 18. April 1994 ein einschneidendes<br />

Datum <strong>für</strong> die Familie Tschudi. Die Nieren<br />

von Bettina versagten immer mehr und<br />

mehr. Alle waren sich einig. Helfen konnte<br />

eigentlich nur eine Lebendspende.<br />

Umfangreiche medizinische Abklärungen<br />

ergaben, <strong>das</strong>s die Mutter oder der Vater<br />

von Bettina als geeignete Spender in Frage<br />

kommen. Bettinas Vater hat sich, da bei<br />

ihm die Voraussetzungen noch besser als<br />

bei der Mutter waren, entschieden, eine<br />

seiner Nieren <strong>für</strong> Bettina zu spenden. Am<br />

18. April 1994 war der grosse Tag der Operation.<br />

Bei Bettina wurden beide defekten<br />

Nieren entfernt und durch <strong>das</strong> Transplantat<br />

der vom Vater gespendeten Niere ersetzt.<br />

Glücklicherweise mit ganz grossem Erfolg.<br />

Ein starkes Team: Bettina zusammen mit ihrer Mutter Silvia Tschudi<br />

Dem Vater geht es heute Gott sei Dank,<br />

auch nur mit einer Niere, ohne Einschränkung<br />

seiner Lebensqualität in Kauf nehmen<br />

zu müssen, hervorragend. Bettina, und die<br />

Eltern sind natürlich überglücklich, <strong>das</strong>s<br />

die Operation so erfolgreich verlief und<br />

Bettinas Körper die transplantierte Niere<br />

akzeptiert und es zu keinen Abstossreaktionen<br />

bis heute gekommen ist. So blieb<br />

Bettina von der extrem zeitaufwändigen<br />

Dialyse verschont und <strong>das</strong> Leben von ihr<br />

konnte einigermassen normale Bahnen<br />

annehmen.<br />

Aber wieso hören Sie dann heute so gut<br />

und wieso können sie sich so hervorragend<br />

lautsprachlich ausdrücken?<br />

Bettina: Einesteils genoss ich eine sehr<br />

gute Früherziehung bei Frau Heidi Heldstab<br />

im Kinderspital. Meine Eltern fuhren zwei<br />

Mal in der Woche mit mir in die Therapie.<br />

Meine Mutter arbeitete mit mir auch<br />

intensiv zu Hause, wobei sie auch von<br />

meinem Vater unterstützt wurde. Es steckt<br />

sehr viel Arbeit dahinter. Rund acht<br />

Bundesordner mit Zeichnungen <strong>für</strong> die<br />

Erlernung des Grundwortschatzes zeugen<br />

noch heute davon.<br />

Andererseits bin ich seit dem Jahr 2003<br />

links mit einem Cochlea Implantat versorgt.<br />

Ab und zu trage ich noch rechts zusätzlich<br />

ein Hörgerät. Dank dem CI kann ich heute<br />

hören, und ich bin nicht mehr darauf angewiesen<br />

von den Lippen abzulesen. Ich kann<br />

heute praktisch uneingeschränkt kommunizieren<br />

und mich mit anderen Menschen<br />

austauschen. Auch telefonieren ist möglich.<br />

Darüber bin ich extrem froh und glücklich.<br />

Bis jetzt konnte ich mich noch nicht <strong>für</strong><br />

<strong>das</strong> zweite Cochlea Implantat entscheiden.


Einerseits habe ich Respekt vor dem<br />

grossen Aufwand und vor der Vorstellung,<br />

wie es dann wäre, auf einmal beidseitig zu<br />

hören. Andererseits ist ein ganz wichtiger<br />

Grund, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> Infektionsrisiko wegen<br />

der unterdrückten Immunabwehr in Folge<br />

der Nierenmedikamente nicht abschätzen<br />

kann. Und dann habe ich auch noch ein bisschen<br />

Angst, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> rechte Ohr mit<br />

der besseren Resthörfähigkeit als links<br />

ganz verlieren könnte. Super ist, <strong>das</strong>s ich<br />

heute ein ganz normales Gespräch hören<br />

und mitverfolgen kann. Ich bin praktisch<br />

nicht mehr darauf angewiesen von den<br />

Lippen abzulesen. Übrigens <strong>das</strong> Lippenablesen<br />

habe ich selber und ohne spezielle<br />

Fachhilfe erlernt.<br />

Silvia Tschudi: Es war <strong>für</strong> uns ein gewaltiges<br />

Ereignis, als wir dankbar feststellen<br />

durften, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> CI funktionierte. Es war<br />

wie Tag und Nacht zum Hörgerät. Bettina<br />

konnte endlich vieles neu entdecken. Das<br />

Gezwitscher der Amsel oder <strong>das</strong> Bellen<br />

unseres Hundes. Sie kann heute sogar<br />

Fernsehsendungen problemlos ansehen<br />

und vor allem hören, und sie ist dabei nicht<br />

mehr auf die Untertitelungen angewiesen.<br />

Aber <strong>das</strong> Wichtigste <strong>für</strong> uns als Familie war<br />

und ist, <strong>das</strong>s Bettina an den täglichen Familiengesprächen<br />

am Esstisch endlich uneingeschränkt<br />

teilnehmen und mitreden kann.<br />

Bettina was können Sie uns über die Schulzeit<br />

und den dabei gemachten Erfahrungen<br />

erzählen?<br />

Ich habe den Sprachheilkindergarten<br />

besucht. Bei mir wurde nebst meiner Hörbeeinträchtigung<br />

auch noch ein schwaches<br />

POS-Syndrom diagnostiziert. Anschliessend<br />

besuchte ich ganz normal die 1. bis 6.<br />

Primarschulklasse an der öffentlichen<br />

Schule in Dielsdorf. Die Sekundarschule<br />

sowie <strong>das</strong> 10. Schuljahr absolvierte ich in<br />

Zürich an einer Privatschule. Die Finanzierung<br />

der Privatschule wurde dank deren<br />

Heilpädagogischen Lehrtätigkeit durch die<br />

IV und andererseits durch die Schulgemeinde<br />

Dielsdorf übernommen.<br />

Tochter. Ich als Mutter hatte einfach keine<br />

Kraft mehr, mich immer und immer wieder<br />

zu wehren und um unsere Rechte zu<br />

kämpfen.<br />

Mit dem Wechsel in die Oberstufe und<br />

damit auch der Schulbehörde, ergab sich<br />

eine Neubeurteilung der Situation. Die<br />

Oberstufenschulbehörde erkannte, <strong>das</strong>s<br />

sie keine optimale Möglichkeit <strong>für</strong> meine<br />

Ausbildung schaffen konnte und<br />

beschloss, meine Ausbildung in der Privatschule<br />

mit Heilpädagogen und Kleinklassen<br />

von max. 12 Schülern zu unterstützen.<br />

Die Beschulung an der Privatschule<br />

war <strong>für</strong> uns als Eltern und vor allem<br />

<strong>für</strong> Bettina die optimale und nachhaltigste<br />

Lösung. Bettina lebte von Tag zu Tag mehr<br />

auf. Selbständig fuhr sie jeden Tag mit dem<br />

Zug nach Zürich in die Schule. Mit der neugewonnenen<br />

Freude an der Schule und am<br />

Lernen stellte sich der Erfolg von guten bis<br />

sehr guten Leistungen von selbst ein.<br />

Bettina und wie verlief dann Ihre berufliche<br />

Ausbildung?<br />

Hauptsitz des Reiseanbieters Kuoni einen<br />

neuen Lehrvertrag auf Niveau-Stufe „E“<br />

bekam. Die Ausbildung verlief ohne grössere<br />

Probleme. Im Lehrbetrieb gab es <strong>für</strong><br />

mich keine Sonderstellung. Wichtig aber<br />

war, <strong>das</strong>s der Lehrbetrieb, alle Mitarbeitenden,<br />

die in meinem Umfeld tätig waren,<br />

optimal informierte, was und wie ich hören<br />

kann, dies mit Unterstützung meiner<br />

Betreuerin. Ich erlebte, <strong>das</strong>s alle, die mit<br />

mir zusammenarbeiteten, sich immer sehr<br />

viel Mühe gaben, so <strong>das</strong>s die Kommunikation<br />

immer bestmöglich garantiert war. Ich<br />

war und bin an meiner Arbeitsstelle sehr<br />

gut integriert. Glücklich bin ich natürlich,<br />

<strong>das</strong>s ich die Lehrabschlussprüfung mit der<br />

guten Note von 4,9 erfolgreich abschliessen<br />

konnte. Gefreut habe ich mich<br />

auch, <strong>das</strong>s ich jetzt nach der Ausbildung<br />

weiterhin bei Kuoni als vollwertige Mitarbeiterin<br />

tätig sein kann. Ich arbeite nach<br />

den Sommerferien in der Finanzabteilung<br />

von Kuoni.<br />

Silvia Tschudi: Wir Eltern sind sehr dankbar,<br />

<strong>das</strong>s Kuoni unserer Tochter eine Chance<br />

gab, ihren Berufswunsch zu erfüllen.<br />

Dankbar sind wir besonders auch<br />

gegenüber den Lehrlingsbetreuern sowie<br />

den Arbeitskolleginnen und -kollegen von<br />

Bettina. Sie sind wesentlich daran beteiligt,<br />

<strong>das</strong>s sich Bettina von der ersten Stunde an<br />

am Arbeitsplatz wohl fühlte und nun eine<br />

erfolgreiche Lehre absolvieren konnte.<br />

Silvia Tschudi: Wir als Eltern stellten fest,<br />

<strong>das</strong>s Bettina an der öffentlichen Schule<br />

zusehends immer mit mehr Schwierigkeiten<br />

konfrontiert war. So wurde sie durch<br />

die Mitschülerinnen und Mitschüler gehänselt<br />

und schikaniert. Ebenfalls mussten wir<br />

ernüchternd zur Kenntnis nehmen, <strong>das</strong>s<br />

Bettina durch den Lehrkörper in der Mittelstufe<br />

nur mangelnde Unterstützung erhielt.<br />

Die Lehrerschaft hatte einfach kein<br />

„G’spüri“ <strong>für</strong> die Behinderung unserer<br />

Bettina auf dem Rollfeld des Flughafens von Cattania auf Sizilien<br />

Es brauchte zwei Anläufe. Die KV-Lehre bei<br />

meinem ersten Ausbildungsbetrieb habe<br />

ich nach einem Jahr abgebrochen. Der<br />

Grund da<strong>für</strong> war eigentlich banal. Ich hatte<br />

einen Lehrvertrag <strong>für</strong> die KV-Ausbildung<br />

auf Niveau-Stufe „B“. Durch die Lehrerschaft<br />

an der Berufsschule wurde mir signalisiert,<br />

<strong>das</strong>s ich durchaus die Fähigkeiten<br />

hätte, die KV-Ausbildung auf der Niveau-<br />

Stufe „E“ abzuschliessen. Mein damaliger<br />

Lehrbetrieb wollte aber, wegen dem damit<br />

verbundenen Mehraufwand, keine Änderung<br />

des Ausbildungsverhältnisses eingehen,<br />

was ich sehr bedauerte und schade<br />

fand. Ich hatte aber Glück, <strong>das</strong>s ich am<br />

Sehr froh sind wir aber auch, <strong>das</strong>s es die<br />

Berufsschule <strong>für</strong> Hörgeschädigte BSFH<br />

gibt. Die Schulleitung und die Lehrerschaft<br />

hat sich enorm engagiert und Bettina<br />

konnte total von den Kleinklassen profitieren.<br />

Bettina war an der BSFH nicht die<br />

einzige Schülerin mit einer Hörbeeinträchtigung.<br />

So gab es keine Isolation, und es<br />

existierten auch keine „Feindbilder“! Inte-<br />

5


grative Beschulung mag ja gut und recht<br />

sein. Aber eines muss man sich immer klar<br />

vor Augen führen. Bei der integrativen<br />

Beschulung ist die Behinderte immer die<br />

Einzige unter vielen und dies führt zwangsläufig<br />

oder oftmals in die Isolation. Für uns<br />

ist es einfach super, <strong>das</strong>s es die BSFH gibt.<br />

Eine wirklich starke Schule, die den speziellen<br />

Bedürfnissen von hörgeschädigten<br />

Schülerinnen und Schüler total gerecht<br />

wird.<br />

Bettina was machen Sie in Ihrer Freizeit,<br />

welche Hobbys haben Sie?<br />

Während meiner Lehrzeit hatte ich überhaupt<br />

keine Zeit <strong>für</strong> irgendeine Freizeitbeschäftigung<br />

oder gar ein Hobby. Ich musste<br />

mich voll und ganz <strong>für</strong> meine Ausbildung<br />

engagieren. Für etwas anderes hatte ich<br />

einfach keine Zeit. Früher war ich in der<br />

Pfadi, und ich hatte auch <strong>das</strong> Glück, <strong>das</strong>s<br />

ich viel reiten konnte.<br />

Bettina und zum Schluss, welchen Traum<br />

oder Wunsch haben Sie?<br />

Mein grösster Wunsch wäre <strong>für</strong> mich, wenn<br />

ich alles hören könnte. Es gibt einfach<br />

Situationen, wo ich einfach an meine<br />

Grenzen stosse. Schön wäre es, wenn ich<br />

die Vielfalt der Musik voll und ganz erleben<br />

und uneingeschränkt hören und geniessen<br />

könnte.<br />

Mit den allerbesten Wünschen <strong>für</strong> die<br />

berufliche und private Zukunft von Bettina<br />

bedankt sich Roger Ruggli <strong>für</strong> <strong>das</strong> interessante<br />

Gespräch und die spannenden Informationen.<br />

57. Delegierten<br />

von Integration<br />

Bei herrlichstem Sommerwetter findet am<br />

Dienstag, 24. Juni 20<strong>08</strong> die 57. Delegiertenversammlung<br />

von Integration Handicap<br />

im bernischen Zollikofen statt. Martin L.<br />

Ryser, CEO der Stiftung <strong>für</strong> berufliche Integration<br />

GEWA, und Gastgeber der Delegiertenversammlung,<br />

empfängt die<br />

ankommenden Gäste aus nah und fern<br />

persönlich und mit grosser Herzlichkeit<br />

auf dem grossen Firmengelände, um ihnen<br />

den Weg zum Konferenzbereich zu zeigen.<br />

[rr]<br />

Bettina in der Pfadi<br />

Bettina, welches Verhältnis haben Sie zur<br />

Gebärdensprache?<br />

In der Pfadi hatte ich Kontakt zu gebärdensprachlich<br />

orientierten Kindern und<br />

Jugendlichen. An diesen Zusammenkünften<br />

lernte ich einige Gebärden. Aber mehr auch<br />

nicht. Auch während meiner Schulzeit an<br />

der BSFH hatte ich praktisch keinen Kontakt<br />

zu den Gehörlosen und gebärdensprachlich<br />

orientierten Mitschülerinnen<br />

und Mitschülern. Die Gehörlosen blieben<br />

eigentlich immer unter sich und kommunizierten<br />

an und <strong>für</strong> sich immer in der Gebärdensprache,<br />

die ich nicht verstand. Meine<br />

schwerhörigen Freundinnen und Freunde<br />

sind alle lautsprachlich orientiert.<br />

Silvia Tschudi: Wir als Eltern wollten bei der<br />

Erziehung von Bettina ein Ziel erreichen.<br />

Sie sollte sich in der Welt der Hörenden<br />

zurecht finden. Dies war auch der Grund<br />

da<strong>für</strong>, <strong>das</strong>s wir uns an der Lautsprache orientierten.<br />

Die uneingeschränkte Kommunikation<br />

ist in der Berufswelt, aber auch im<br />

privaten Umfeld von ganz zentraler Bedeutung<br />

und ungemein wichtig.<br />

Dies ist nun bereits <strong>das</strong> dritte Mal, <strong>das</strong>s in<br />

der <strong>September</strong>ausgabe unserer <strong>Verband</strong>szeitschrift<br />

ein Schwerpunktartikel<br />

erscheint, der auf Werdegang und<br />

Geschichte junger hörbehinderter Personen,<br />

die an der BSFH die Berufsschulausbildung<br />

absolviert haben, Bezug nimmt.<br />

Mit diesen Reportagen möchten wir uns<br />

neben den Fachleuten, die <strong>sonos</strong> als Mitgliederorganisationen<br />

angehören, bewusst<br />

auch an ein jüngeres Zielpublikum wenden.<br />

Wir freuen uns deshalb auch sehr über alle<br />

Zuschriften, Rückmeldungen, Fragen etc.<br />

(bitte per E-Mail an: lk@<strong>sonos</strong>-info.ch).<br />

Souverän und kompetent führt Marc F. Suter durch die<br />

Delegiertenversammlung<br />

Zu Beginn der Versammlung bedankt sich<br />

Marc F. Suter, Präsident von Integration<br />

Handicap, bei Martin L. Ryser <strong>für</strong> die grosszügig<br />

gewährte Gastfreundschaft. Die Innovationskraft<br />

der Stiftung <strong>für</strong> Integration<br />

GEWA ist heute mit Sicherheit über die<br />

Kantonsgrenzen von Bern hinaus landesweit<br />

bekannt.<br />

Marc. F. Suter: „Ich freue mich sehr, im<br />

zweiten Teil der Delegiertenversammlung<br />

von Martin L. Ryser zu hören, welche Erfahrungen<br />

seine Stiftung bei der Eingliederung<br />

von psychisch Beeinträchtigten gemacht<br />

hat.“<br />

Marc. F. Suter begrüsst alle anwesenden<br />

Delegierten ganz herzlich und eröffnet den<br />

statutarischen Teil der Versammlung.<br />

Die statutarischen Geschäfte<br />

Das Protokoll der letztjährigen Delegiertenversammlung<br />

wird von den anwesenden<br />

Delegierten stillschweigend genehmigt.<br />

Einstimmig werden auch die Jahresrechnung<br />

sowie der Revisorenbericht von den<br />

Delegierten angenommen bzw. verabschiedet.


Neu in den Zentralvorstand werden Frank<br />

Buchter, Pfarrer und Co-Präsident des<br />

Schweizerischen Blindenbundes SBb<br />

sowie Peter Spreiter, Sozialarbeiter, Vizeversammlung<br />

Handicap<br />

Versammlungs-<br />

Rundschau<br />

Marc. F. Suter geht unter anderem in<br />

seinem Rückblick nochmals auf die 5. Revision<br />

des Invalidenversicherungsgesetzes<br />

(IVG), welche von Volk und Ständen recht<br />

deutlich angenommen und in der Zwischenzeit<br />

in Kraft gesetzt wurde, ein. „Das<br />

medial gross angekündigte Ziel, <strong>das</strong>s nun<br />

die Integration von Behinderten und Leistungsbeeinträchtigten<br />

in den beruflichen<br />

Arbeitsprozess optimiert und nachhaltig<br />

gesteigert werden soll, konnte auf jeden<br />

Fall bis heute noch nicht erreicht und<br />

umgesetzt werden. Vor der in Aussicht<br />

gestellten Prognose im Zusammenhang mit<br />

der vor allem von Otto Ineichen ins Rampenlicht<br />

gerückten sog. Jobpasserelle, <strong>das</strong>s<br />

bis zu 5’000 Arbeitsplätzen <strong>für</strong> Behinderte<br />

erhalten und/oder neu geschaffen werden<br />

sollen, muss die Zahl von effektiv 13 Personen,<br />

die bisher vermittelt werden<br />

konnten, als äusserst bescheide Leistung<br />

angesehen werden. Die Bereitschaft bei<br />

den privaten wie öffentlichen Arbeitgebern,<br />

Mitarbeitenden trotz ihrer Beeinträchtigung<br />

eine Chance zu geben, ist noch nicht<br />

sehr ausgeprägt. Es braucht zweifellos<br />

noch sehr viel positive Überzeugungsarbeit<br />

und vor allem viele gute Beispiele, die<br />

Schule machen.“ Marc Fr. Suter ist aber<br />

nach wie vor überzeugt, <strong>das</strong>s man rund um<br />

die Problematik der Integration optimistisch<br />

sein solle und auch sein dürfe.<br />

von Integration Handicap werde er sich<br />

da<strong>für</strong> einsetzen, <strong>das</strong>s eine Verschlechterung<br />

der Leistungen <strong>für</strong> die Versicherten<br />

verhindert werden könne. Es zeichne sich<br />

aber jetzt schon ab, <strong>das</strong>s es bei externen<br />

ambulanten Leistungen (z.B. Spitex) eine<br />

Verschlechterung <strong>für</strong> die Versicherten<br />

geben werde. In Zukunft müsste mit<br />

grosser Wahrscheinlichkeit ein Anteil an<br />

den pflegerischen Aufwendungen von den<br />

Versicherten selber übernommen werden.<br />

Weiter informiert Georges Pestalozzi über<br />

den aktuellen Stand zum Pilot-Projekt Assistenz-Budget.<br />

„Sobald die Schlussauswertung<br />

der Pilotphase vorliegt, wird aufgrund<br />

der vorliegenden Resultate ein Entscheid<br />

über die Weiterführung oder über die Einstellung<br />

gefällt. Integration Handicap hofft,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Projekt Assistenz-Budget definitiv<br />

weitergeführt werden kann.“<br />

zeigen, ob die abgegebenen Versprechungen<br />

der Kantone nun auch eingehalten<br />

und erfüllt werden. Werden die bestehenden<br />

Leistungen nach dem „Garantie-<br />

Ablauf“ auch tatsächlich weiter erbracht?<br />

Speziell die Situation der Finanzierung von<br />

Sonderschulmassnahmen muss ganz aufmerksam<br />

verfolgt werden.“<br />

Ergänzungswahl in den Zentralvorstand<br />

Marc F. Suter führt aus, <strong>das</strong>s Dr. iur. Victor<br />

G. Schulthess, Vize-Präsident von Integration<br />

Handicap, seinen Rücktritt eingereicht<br />

habe. Marc. F. Suter würdigt den seit dem<br />

1993 im Vorstand engagierten Victor G.<br />

Schulthess als eine kompetente und sachkundige<br />

Persönlichkeit. Er erwähnt: „Victor<br />

G. Schulthess hat sich in all den Jahren<br />

immer voll und ganz hinter die „Integrations-Idee“<br />

gestellt.“ Als Zeichen der Wertschätzung<br />

<strong>für</strong> die unzähligen geleisteten<br />

Stunden, in denen sich Victor G. Schulthess<br />

<strong>für</strong> die Betroffenen eingesetzt hat, überreicht<br />

ihm Marc F. Suter ein „gehaltvolles“<br />

Abschiedsgeschenk. Die Versammlungsteilnehmenden<br />

danken und verabschieden<br />

Victor G. Schulthess mit einem grossen<br />

herzlichen Applaus.<br />

Georges Pestalozzi, Leiter des Rechtsdienstes von<br />

Integration<br />

Georges Pestalozzi, Leiter des Rechtsdienstes<br />

von Integration Handicap, erklärt<br />

gegenüber den VersammlungsteilnehmerInnen,<br />

<strong>das</strong>s ganz aktuell ein weiteres wichtiges<br />

Sozialversicherungsproblem behandelt<br />

werde. Konkret gehe es um die Revision<br />

der Pflegefinanzierung. Als Vertreter<br />

Thomas Bickel, Zentralsekretär von Integration Handicap.<br />

Thomas Bickel, Zentralsekretär von Integration<br />

Handicap, orientiert, <strong>das</strong>s vor 14<br />

Tagen die Kantonalen Sozialdirektorinnen<br />

und Sozialdirektoren entschieden hätten,<br />

<strong>das</strong>s ein Entwurf <strong>für</strong> ein Bundessozialhilfegesetz<br />

ausgearbeitet werden solle. „Die<br />

Mehrzahl der Kantone wehrt sich aber mit<br />

Händen und Füssen gegen eine Bundeslösung,<br />

vor allem auch deshalb, weil der<br />

wichtige Bereich Qualitätsstandards in der<br />

Diskussion total ausgeklammert wird,“<br />

macht er geltend.<br />

Unter anderem weist Thomas Bickel noch<br />

daraufhin, <strong>das</strong>s nach 15-jährigen „Leidensweg“<br />

der NFA am 1. Januar 20<strong>08</strong> nun in<br />

Kraft gesetzt worden sei. „Es wird sich<br />

Victor G. Schulthess tritt nach 19 Jahren Engagement<br />

aus dem Zentralvorstand von Integration Handicap<br />

zurück.<br />

7


präsident der Schweizerischen Vereinigung<br />

der Gelähmten/Association Suisse des Paralysés<br />

ASPr, durch die anwesenden Delegierten<br />

einstimmig gewählt.<br />

Zur neuen Vize-Präsidentin von Integration<br />

Handicap wird Dr. iur. Klara Reber, Mitglied<br />

der Geschäftsleitung von Integration Handicap,<br />

einstimmig und mit grossem<br />

Applaus gewählt.<br />

Abstimmungskampagne über<br />

die IV-Zusatzfinanzierung<br />

Der Zentralvorstand hat entschieden, <strong>das</strong>s<br />

sich Integration Handicap aktiv an der Kampagne<br />

der Behindertenorganisationen und<br />

zwar auch finanziell beteiligen soll. Die<br />

Geschäftsleitung (Ausschluss des Zentralvorstands)<br />

stellt zuhanden der Delegiertenversammlung<br />

den Antrag, <strong>das</strong>s ihr die<br />

Ermächtigung erteilt wird, den zur Verfügung<br />

stehenden Beitrag an die Abstimmungskampagne<br />

auf insgesamt CHF<br />

50’000.— zu erhöhen bzw. zu maximieren.<br />

Marc. F. Suter informiert: „Die politische<br />

Ausgangslage ist aus meiner Sicht klar.<br />

Sollte es nicht gelingen, <strong>das</strong>s die IV-<br />

Finanzen nicht gesunden können, wird der<br />

Ruf nach Abbau von Leistungen unüberhörbar<br />

werden. Dies hätte zwangsläufig zur<br />

Folge, <strong>das</strong>s die Behinderten noch mehr die<br />

Leidtragenden wären. Ohne Geld wird am<br />

Inhalt der IV weiter geschraubt. Verlieren<br />

wir die Abstimmung, bin ich davon überzeugt,<br />

<strong>das</strong>s der nächste Hammer mit<br />

Bestimmtheit kommen wird. Unser Engagement<br />

und unser Beschluss über die Finanzierung<br />

der Abstimmungskampagne soll<br />

eine Signalwirkung haben.“<br />

Der Antrag des Zentralvorstandes wird einstimmig<br />

bei zwei Enthaltungen angenommen.<br />

Dies obwohl von einigen Delegierten<br />

klar zum Ausdruck gebracht wurde,<br />

<strong>das</strong>s es eigentlich unverständlich sei, <strong>das</strong>s<br />

die Behinderten und die Betroffenen<br />

wieder einmal mehr einen Abstimmungskampf<br />

führen sollen.<br />

Mit dem besten Dank an alle Mitarbeitenden<br />

von Integration Handicap <strong>für</strong> die<br />

stets sehr kompetent und motiviert<br />

erbrachten Dienstleistungen sowie den<br />

Delegierten <strong>für</strong> <strong>das</strong> ihm und dem Zentralvorstand<br />

entgegengebrachte Vertrauen<br />

schliesst Marc F. Suter den statutarischen<br />

Teil der 57. Delegiertenversammlung.<br />

Erste Erfahrungen mit der<br />

Umsetzung der 5. IV-Revision<br />

am Beispiel der Integrationsmassnahmen<br />

Martin L. Ryser stellt zusammen mit seinem Team<br />

die vielfältigen Geschäftsfelder der erfolgreichen<br />

Stiftung vor.<br />

Martin L. Ryser, Vorsitzender der<br />

Geschäftsleitung, stellt zusammen mit<br />

seinem Team die 10 Geschäftsfelder in 16<br />

verschiedenen Abteilung der Stiftung <strong>für</strong><br />

berufliche Integration GEWA vor. Aktuell<br />

werden insgesamt 350 Menschen mit Leistungsbeeinträchtigungen,<br />

davon 100 MitarbeiterInnen<br />

in Beruflichen Massnahmen<br />

und weitere 25 MitarbeiterInnen in einer<br />

Ausbildung beschäftigt. Zudem sind in der<br />

GEWA 100 Fachleute im Führungsteam und<br />

18 MitarbeiterInnen im Unternehmenskader<br />

angestellt. Die Gesamtleitung der<br />

GEWA obliegt dem Stiftungsrat mit 5 Mitgliedern<br />

sowie 4 Geschäftsleitungsmitgliedern.<br />

Die GEWA ist der grösste Arbeitgeber <strong>für</strong><br />

Menschen mit psychisch bedingten Leistungseinschränkungen<br />

und betreibt die<br />

zweitgrösste Werkstatt <strong>für</strong> leistungseingeschränkte<br />

Menschen im Kanton Bern.<br />

Martin L. Ryser betont, <strong>das</strong>s bis zum heutigen<br />

Zeitpunkt keine finanziellen Beiträge<br />

des Standortkantons entrichtet wurden.<br />

Das Unternehmensziel der Stiftung sei, die<br />

berufliche Integration von Menschen mit<br />

vorwiegend psychisch bedingten Leistungseinschränkungen.<br />

Martin L. Ryser erklärt: „Die Zusammenarbeit<br />

mit der IV-Stelle Bern bei der berufli-<br />

chen Integration ist vertraglich geregelt.<br />

Bevor aber der Auftrag an die GEWA durch<br />

die IV-Stelle erteilt wurde, mussten wir<br />

unsere zu erbringenden Dienstleistungen<br />

vorgängig offerieren. Bereits sind die<br />

ersten Menschen zur Abklärung in unsere<br />

Institution eingetreten. Die Zuweisung der<br />

wieder Einzugliedernden erfolgt bei der<br />

GEWA in den normalen Betriebsstrukturen.<br />

Die Versicherten arbeiten zusammen mit<br />

anderen Mitarbeitenden in den verschiedenen<br />

Teams innerhalb der GEWA. Erste<br />

gemachte Erfahrungen zeigen aber, <strong>das</strong>s<br />

dies sehr schwierig ist. Vor dem Eintritt<br />

erkundigt sich in der Regel die IV-Stelle, ob<br />

es einen freien Platz <strong>für</strong> ein Belastbarkeitstraining<br />

hat. Zudem wird festgelegt, welche<br />

Ziele erreicht bzw. verfolgt werden sollen<br />

und ein Mal pro Woche findet ein Gespräch<br />

statt, in welchem die Zielvorgaben überprüft<br />

werden.“<br />

Erfahrungen der IV-<br />

Stelle Bern<br />

Michael Schnyder, Abteilungschef Berufliche<br />

Eingliederung der IV-Stelle Bern,<br />

informiert in seinem Referat über die Massnahmen<br />

zur beruflichen Integration. Dabei<br />

unterscheidet die IV zwei Stossrichtungen<br />

bei den Integrationsmassnahmen. Auf der<br />

einen Seite gibt es Massnahmen zur sozialberuflichen<br />

Rehabilitation und auf der<br />

anderen Seite gibt es die Beschäftigungsmassnahmen.<br />

• Massnahmen zur sozialberuflichen<br />

Rehabilitation<br />

Aufbau der Eingliederungsfähigkeit<br />

durch: Gewöhnung an den Arbeitsprozess,<br />

Aufbau der Arbeitsmotivation, Stabilisierung<br />

der Persönlichkeit, Einüben<br />

sozialer Grundelemente<br />

• Beschäftigungsmassnahmen<br />

zur Aufrechterhaltung einer Tagesstruktur<br />

wo dies notwendig ist, um<br />

dadurch die verbliebene Restarbeitsfähigkeit<br />

aktiv aufrecht zu halten<br />

Michael Schnyder erklärt ausführlich, wie<br />

die Integrationsmassnahmen in der freien<br />

Wirtschaft nun umgesetzt werden sollten.<br />

Grundsätzlich habe die IV da<strong>für</strong> einen maximalen<br />

zeitlichen Rahmen von einem Jahr<br />

vorgesehen. Wichtig sei aber, <strong>das</strong>s die<br />

Arbeitskraft bei der IV-Stelle angemeldet<br />

sei und sie die Voraussetzung <strong>für</strong> eine Integrationsmassnahme<br />

erfülle. Im Betrieb<br />

müsse zu Beginn der Integrationsmassnahme<br />

die Arbeitskraft ein Belastbarkeitstraining<br />

absolvieren und anschliessend<br />

erfolge ein zielgerichtetes Aufbautraining.


Die Idee sei, <strong>das</strong>s jeder Versicherter<br />

Anspruch auf Integrationsmassnahmen von<br />

einem Jahr habe. Schnyder weist darauf<br />

hin, <strong>das</strong>s in anderen Kantonen auch unterschiedliche<br />

Modelle zur Anwendung<br />

gebracht würden.<br />

Michael Schnyder betont, <strong>das</strong>s die Invalidenversicherung<br />

nur mit diesen Massnahmen<br />

alleine nicht gerettet werden<br />

könne. Da<strong>für</strong> brauche es wesentlich mehr.<br />

Er als Abteilungschef der IV-Stelle Bern<br />

habe aber einen klaren Auftrag zur bestmöglichen<br />

Umsetzung der Integrationsmassnahmen<br />

erhalten. Aus betriebswirtschaftlichen<br />

Überlegungen seien die<br />

zusätzlichen Kosten, die die Integrationsmassnahmen<br />

verursachten aus<br />

seiner Sicht vertretbar und zu<br />

rechtfertigen. Gelinge es nämlich,<br />

nur eine Rente zu verhindern,<br />

seien soviel Rentenleistungen<br />

gespart worden, wie die Personalkosten<br />

<strong>für</strong> ein ganzes Jahr ausmachen<br />

würden.<br />

Abschliessend an seine Darlegungen<br />

weist Michael Schnyder<br />

noch auf einen ganz wichtigen<br />

Aspekt hin: „Es muss rasch reagiert<br />

werden. Es darf einfach nicht mehr zugewartet<br />

werden, bis eine Person definitiv<br />

arbeitsunfähig geworden ist.“<br />

Deshalb gilt:<br />

• Wann melden bei der IV-Stelle?<br />

Nach 4 Wochen gesundheitsbedingter<br />

Abwesenheit mit Risiko auf Chronifizierung<br />

• Wer meldet?<br />

Versicherte Person bzw. gesetzlicher Vertreter,<br />

im gemeinsamen Haushalt<br />

lebende Familienangehörige, Sozialdienste,<br />

Ärzte, KTG-UV-Versicherungen,<br />

Arbeitgeber, Einrichtung der beruflichen<br />

Vorsorge, Arbeitslosenversicherung,<br />

Militärversicherung<br />

Marc F. Suter bedankt sich bei den beiden<br />

Referenten Martin L. Ryser und Michael<br />

Schnyder <strong>für</strong> die aufschlussreichen Ausführungen,<br />

wie die 5. IV-Revision nun konkret<br />

in der Praxis umgesetzt wird. Ob dies<br />

der richtige Weg ist, wird sich aber erst<br />

später zeigen. Auf Einladung des Gastgebers<br />

der Stiftung <strong>für</strong> berufliche Integration<br />

haben die Versammlungsteilnehmer beim<br />

offerierten Apéro noch intensiv Gelegenheit<br />

über die neuen Umsetzungsideen der<br />

Integrationsmassnahmen ausgiebig untereinander<br />

zu diskutieren.<br />

Beim anschliessenden Rundgang durch<br />

verschiedene Räumlichkeiten bringt die<br />

<strong>sonos</strong>-Redaktion in Erfahrung, <strong>das</strong>s bei der<br />

GEWA auch hörbehinderte Menschen Programme<br />

absolvieren. Der von der GEWA<br />

eingeschlagene Weg wirkt insgesamt aussichtsreich.<br />

Es bleibt zu hoffen, <strong>das</strong>s die<br />

betroffenen Menschen mit dem so erworbenen<br />

Rüstzeug ihren Platz in der Arbeitswelt<br />

behalten bzw. finden können.<br />

[rr]<br />

Generalversammlung Zürcher Fürsorgeverein<br />

<strong>für</strong> Gehörlose vom 30. Juni 20<strong>08</strong><br />

Wie im vergangenen Jahr findet die diesjährige<br />

Generalversammlung des Zürcher<br />

Fürsorgevereins <strong>für</strong> Gehörlose in der<br />

Hochschule <strong>für</strong> Heilpädagogik HfH statt.<br />

Vor Beginn der statutarischen Geschäfte<br />

wird den zahlreichen Versammlungsteilnehmenden<br />

bei herrlichem Sommerwetter<br />

auf der Terrasse der HfH ein erfrischender<br />

Apéro serviert. Die Generalversammlungsbesucherinnen<br />

und -besucher geniessen<br />

<strong>das</strong> fast mediterrane Ambiente und die<br />

ungezwungene Atomsphäre zu ausgiebigen<br />

Gesprächen und um sich gegenseitig<br />

kennen zu lernen.<br />

Trotz der hochsommerlichen Temperaturen<br />

in der Aula der HfH eröffnet Doris Weber,<br />

Präsidentin des Zürcher Fürsorgevereins<br />

<strong>für</strong> Gehörlose, pünktlich die Jahresversammlung<br />

mit den statutarischen<br />

Geschäften. Zu Beginn nimmt Doris Weber<br />

Bezug auf die soeben erschienene Chronik<br />

„Gehörlos in Zürich“ - 25 Jahre Stiftung<br />

Treffpunkt der Gehörlosen TdG 1980 - 2005.<br />

Dieses Buch ist von Gehörlosen <strong>für</strong> Gehörlose<br />

(und Hörende) geschrieben und<br />

ermöglicht eine Zeitreise in die Vergangenheit<br />

und zeigt eindrücklich auf, was die<br />

Gemeinschaft in den letzten 25 Jahren alles<br />

erreicht hat. Unter anderem geht Doris<br />

Weber speziell auf <strong>das</strong> Vor- und Schlusswort<br />

von Benno Caramore bzw. auf seine<br />

„Emanzipationsgeschichte“ ein, in welcher<br />

er <strong>das</strong> Problem - wie kann man sich aus der<br />

Umklammerung der Fachhilfe lösen - aufnimmt.<br />

Mit Charme und grosser Souveränität leitet Doris<br />

Weber, die Präsidentin des Zürcher Fürsorgevereins<br />

<strong>für</strong> Gehörlose, die Jahresversammlung.<br />

Doris Weber heisst die Versammlungsteilnehmenden<br />

ganz herzlich willkommen. Mit<br />

sichtlich grosser Freude und Stolz begrüsst<br />

Doris Weber die höchste Zürcherin, die<br />

Kantonsratspräsidentin Frau Regula Thalmann,<br />

und heisst sie ebenfalls ganz herzlich<br />

willkommen. Auch die beiden anwesenden<br />

Gebärdensprachdolmeterinnen,<br />

Karin Alpweg und Barbara Spörri, werden<br />

herzlich willkommen geheissen sowie den<br />

Gastreferent, der gehörlos geborene<br />

Waadtländer Politiker Pierrot Auger-Micou.<br />

Grusswort der Kantonsratspräsidentin<br />

Regula Thalmann-<br />

Meyer<br />

Regula Thalmann gibt in ihrer Grussbotschaft<br />

zu bedenken: „Sehen bedeutet noch<br />

nicht, auch wirklich wahrzunehmen. Hören<br />

bedeutet noch nicht, auch wirklich<br />

zuzuhören. Nicht hören können, ist <strong>das</strong><br />

Handicap etlicher Mitglieder des Zürcher<br />

Fürsorgevereins <strong>für</strong> Gehörlose. Nicht<br />

zuhören können, ist ein Handicap, an dem<br />

viel mehr Menschen leiden. Auch in der<br />

Politik.“<br />

Regula Thalmann erwähnt, <strong>das</strong>s sie gerne<br />

zu der heutigen Generalversammlung<br />

gekommen sei. Zumal es in ihrem Leben<br />

bisher drei Berührungspunkte mit dem<br />

Handicap „Gehörlos“ gegeben habe. Einerseits<br />

habe sie als Bezirksrichterin am<br />

Gericht 1:1 erfahren, was es <strong>für</strong> Betroffene<br />

tatsächlich heisse, sich nur in Gebärden-<br />

9


sprache mitteilen zu können. Anderseits<br />

habe ihre Tochter eine Zusatzausbildung in<br />

Gehörlosenpädagogik an der HfH abgeschlossen.<br />

Schliesslich habe sie sich selbst<br />

in der Politik mit Gehörlosigkeit und Hörbehinderung<br />

auseinandergesetzt.<br />

Grussbotschaft von Regula Thalmann, der Kantonsratspräsidentin<br />

des Kantons Zürich.<br />

Regula Thalmann betont gegenüber den<br />

Anwesenden: „Mit meinem Kommen will<br />

ich ein Zeichen setzen. Ein Zeichen da<strong>für</strong>,<br />

<strong>das</strong>s die Politik bereit ist, ihnen zuzuhören<br />

und die besonderen Probleme, die sie<br />

haben wahrzunehmen. Ein gutes Zeichen<br />

da<strong>für</strong>, <strong>das</strong>s die Politik gewillt ist, den<br />

Gehörlosen zuzuhören, hat der Verfassungsrat<br />

gesetzt. In Art. 12 der neuen Kantonsverfassung<br />

ist ihre Muttersprache, die<br />

Gebärdensprache, ausdrücklich anerkannt<br />

worden. Ein weiteres Zeichen hat dieses<br />

Jahr im Januar der Kantonsrat gesetzt. Er<br />

hat <strong>das</strong> Gesetz über <strong>das</strong> Zentrum <strong>für</strong> Gehör<br />

und Sprache verabschiedet. Im Zentrumsrat<br />

wird neu mindestens eine Person<br />

mit einer Hör- oder Sprachbehinderung vertreten<br />

sein. Somit wird im obersten Leitungsgremium<br />

ihre Stimme gehört werden.<br />

Beide Neuerungen, welche ich erwähnt<br />

habe, sind gute Zeichen. Sie geben Hoffnung.<br />

Damit aber die Hoffnungen erfüllt<br />

werden, muss auch gehandelt werden.“<br />

Konkret nimmt Regula Thalmann Bezug auf<br />

die folgenden drei Punkte:<br />

• Die Gehörlosen und Hörbehinderten sind<br />

auf dem richtigen Weg. Sie setzen nämlich<br />

auf Eigeninitiative und auf die Arbeit<br />

in Fach- und Arbeitsgruppen.<br />

• Konkrete Anliegen an die Gemeinschaft<br />

formulieren, sei dies in der Bildungspolitik,<br />

in der Sozialpolitik oder in der<br />

Arbeitsmarktpolitik. Wer konkret wird,<br />

dem hört man eher zu.<br />

• Nicht entmutigen lassen, wenn Widerstand<br />

gegen die Anliegen erwächst.<br />

Demokratie ist die Staatsform der<br />

Beharrlichkeit.<br />

Regula Thalmann meint abschliessend:<br />

„Das berechtigte Ziel ist es, trotz der Behinderung<br />

am Leben der Gemeinschaft teilzuhaben.<br />

Integration braucht beide. Diejenigen,<br />

die sich integrieren wollen und die<br />

Gemeinschaft. Wenn sich beide zuhören,<br />

kommen wir mit Beharrlichkeit Schritt <strong>für</strong><br />

Schritt weiter.“<br />

Highlights der Vereinsgeschäfte<br />

Die Präsidentin des Zürcher Fürsorgevereins<br />

<strong>für</strong> Gehörlose, Doris Weber, führt mit<br />

viel Übersicht und der notwendigen Souveränität<br />

kompetent durch die traktandierten<br />

Versammlungsgeschäfte. Die wichtigsten<br />

Vereinsgegebenheiten aus dem Jahr<br />

2007 sind im Jahresbericht schriftlich festgehalten<br />

und den Vereinsmitgliedern zur<br />

Verfügung gestellt worden. Doris Weber<br />

erwähnt aus dem Geschäftsbericht 2007,<br />

<strong>das</strong>s ein Austausch zwischen dem Vorstand<br />

und dem Team der Beratungsstelle stattgefunden<br />

habe und dabei die strategische<br />

und visionäre Positionierung des Vereins<br />

diskutiert worden sei. Der eingeleitete Prozess,<br />

wie sich die Beratungsstelle im<br />

Umfeld von Bedürfnissen und des Gehörlosenwesen<br />

bestmöglich einbringen könne,<br />

solle auch in den nächsten Monaten weitergehen.<br />

Unter anderem erwähnt Doris<br />

Weber noch, <strong>das</strong>s es sie sehr freue, wenn<br />

gegenüber dem Verein von aussen Annerkennung<br />

<strong>für</strong> die gute geleistete Arbeit entgegengebracht<br />

werde. Von der Max Bircher-Stiftung<br />

habe der grosszügige Betrag<br />

von Fr. 40’000.— in verdankenswerter<br />

Weise entgegengenommen werden dürfen.<br />

Die Leiterin der Fachstelle, Anna Leutwyler,<br />

hebt in ihrem Jahresrückblick die Vielseitigkeit<br />

der angebotenen Dienstleistungen und<br />

der Beratungsstelle hervor. „Das Bedürfnis<br />

nach einer kompetenten und umfassenden<br />

Beratung ist ausgewiesen. Im Jahr 2007<br />

führte die Beratungsstelle 239 Klientendossiers<br />

und es wurden insgesamt 169<br />

Kurzberatungen durchgeführt sowie 9<br />

Familienberatungen.“<br />

Anna Leutwyler weist daraufhin, <strong>das</strong>s die<br />

Arbeit auf der Beratungsstelle, eine Arbeit<br />

der kleinen Schritte und der Beharrlichkeit<br />

sei. Die grosse Unbekannte sei, was bringe<br />

nun die eingeführte 5. IVG-Revision <strong>für</strong> die<br />

Betroffenen. Ihre Schlussfolgerung lautet<br />

derzeit: „Die Behinderten warten immer<br />

noch auf einen Job. Das Ziel ist und bleibt,<br />

die Wiedereingliederung in die Erwerbstätigkeit.<br />

Wir müssen beharrlich sein und<br />

weiterarbeiten. Brückenschlagen, bis endlich<br />

die Gleichberechtigung umgesetzt ist.“<br />

Erwähnt werden schliesslich noch die Eröffnungen<br />

der Beratungsstelle in Schaffhausen<br />

und Olten (<strong>sonos</strong> berichtete ausführlich<br />

darüber). Damit konnten regionale<br />

Unterversorgungen geschlossen werden.<br />

Für die Betroffenen ist damit eine markante<br />

Qualitätssteigerung erzielt worden. Bleibt<br />

nur zu hoffen, <strong>das</strong>s die einjährige Pilotphase<br />

<strong>für</strong> die Beratungsstelle in Olten zu<br />

einer definitiven Lösung führen wird.<br />

Ein Sorgenkind bleibt nach den Aussagen<br />

von Anna Leutwyler nach wie vor <strong>das</strong> Engagement<br />

in der Freiwilligenarbeit. Die Freiwilligenarbeit<br />

gewinnt an Ansehen und<br />

trotzdem möchten immer weniger diese<br />

wichtige Arbeit leisten.<br />

Die Jahresberichte der Präsidentin und der<br />

Fachstelle werden einstimmig genehmigt.<br />

Ebenfalls wird die durch den Quästor,<br />

Ralph Hort präsentierte Vereinsrechnung,<br />

welche ein positives Jahresergebnis von Fr.<br />

77’647.— ausweist, einstimmig angenommen.<br />

Vize-Präsident Jan Keller gratuliert Doris Weber zur glanzvollen<br />

Wiederwahl als Präsidentin des ZfVG.<br />

Unter dem Tranktandum Wahlen wird der<br />

gesamte Vorstand wiedergewählt. Der Vizepräsident,<br />

Jan Keller, schlägt der Versammlung<br />

vor, <strong>das</strong>s die charmante und engagierte<br />

Doris Weber in ihrem Amt als Präsidentin<br />

bestätigt und wieder gewählt wird.<br />

Mit grossem Applaus folgen die Anwesenden<br />

der Wahlempfehlung von Jan Keller.<br />

Doris Weber wird einstimmig als Präsidentin<br />

gewählt.<br />

Erfolgreiche Diplomanden<br />

Doris Weber und Anna Leutwyler gratulieren<br />

stellvertretend im Namen des ganzen<br />

Teams der Beratungsstelle Doris Hermann<br />

und Rolf Zimmermann <strong>für</strong> ihre sehr erfolgreichen<br />

beruflichen Weiterbildungsabschlüsse.<br />

Doris Hermann hat <strong>das</strong> eidgenössisch<br />

anerkannte Diplom als dipl. Sozialpädagogin<br />

HF an der Höheren Fachschule


<strong>für</strong> Sozialpädagogik Luzern (hsl) erworben.<br />

In ihrer Diplomarbeit bearbeitete sie <strong>das</strong><br />

Thema; „Aufgaben gehörloser Sozialpädagoginnen<br />

und Sozialpädagogen in der<br />

Frühförderung gehörloser Kinder“.<br />

Rolf Zimmermann hat den Fachausweis als<br />

Personalberater mit eidgenössischem<br />

Fachausweis erhalten. Wahrlich eine grandiose<br />

Leistung, die mit einer kleinen Laudatio<br />

von Anna Leutwyler herausgehoben<br />

wird.<br />

«Lieber Rolf<br />

Als erster Hörbehinderter hast Du es<br />

geschafft an einer Fachhochschule einen<br />

eidgenössischen Ausweis mit gesetzlich<br />

geschütztem Titel zu erlangen.<br />

Wir wissen um Deine Anstrengungen und<br />

Deinem Einsatz, Dir unter hörenden StudienkollegInnen<br />

und DozentInnen einen<br />

Platz zu verschaffen.<br />

Vor der Prüfung telefonierte ich mit Deinem<br />

Schulleiter. Er erzählte, <strong>das</strong>s er im Hinblick<br />

auf einen hörbehinderten Studenten einen<br />

Gebärdensprachkurs beim SGB besucht<br />

habe. Er musste aber „gestehen“, <strong>das</strong>s er<br />

während dem ganzen Studium nicht mehr<br />

daran gedacht habe, <strong>das</strong>s Du dieser Betroffene<br />

bist!<br />

Du bringst zur Erfüllung Deiner Aufgabe<br />

alles mit, was es <strong>für</strong> eine qualifizierte Arbeit<br />

an einer Fachstelle braucht: <strong>das</strong> eigene<br />

Betroffensein, Empathie, die Berufserfahrung<br />

in der freien Wirtschaft und mit<br />

diesem Abschluss nun auch <strong>das</strong> notwendige<br />

Fachwissen.<br />

Wir gratulieren Dir von ganzem Herzen!<br />

Das Team der Beratungsstelle.»<br />

Mit einem herzlichen Dankeschön an alle<br />

Mitarbeitenden der Beratungsstelle und<br />

die Mitglieder des Vorstandes <strong>für</strong> die gute<br />

und stets konstruktive Zusammenarbeit<br />

schliesst Doris Weber den statuarischen<br />

Teil der Generalversammlung.<br />

Referat von Pierrot Auger-<br />

Micou, gehörloser Gemeinderat<br />

in Mathod VD<br />

Nach einer kurzen Erfrischungspause<br />

erzählt der gehörlos geborene Pierrot<br />

Auger-Micou über seine Rolle als Politiker,<br />

seine Anliegen und Ziele. Pierrot Auger-<br />

Mocou arbeitet beim Schweizerischen<br />

Gehörlosenbund SGB-FSS in Lausanne und<br />

ist Einwohnerrat im Waadtländer Dorf<br />

Mathod. Er ist eine engagierte Persönlichkeit.<br />

Pierrot Auger-Micou informiert: „Als Politiker<br />

musste ich ganz unten anfangen und<br />

in meiner Tätigkeit in der Legislative hatte<br />

ich die Chance viel Neues dazu zu lernen.<br />

Eines war aber gleich von Anfang an klar,<br />

ohne die Unterstützung und die Begleitung<br />

von GebärdensprachdolmetscherInnen<br />

wäre mein neues Amt gar nicht auszuüben.<br />

Der Eintritt in den Einwohnerrat von<br />

Mathod erfolgte Mitte 2006. Mir macht die<br />

politische Arbeit sehr viel Spass und<br />

Freude. Ich könnte mir sehr gut vorstellen,<br />

<strong>das</strong>s ich im Jahr 2011 als Gemeinderat kandidieren<br />

werde. Ob dies aber aufgrund<br />

meiner Behinderung überhaupt möglich<br />

sein wird, ist äusserst fraglich. Der Grund<br />

<strong>für</strong> eine Nichtwahl ist aber nicht meine<br />

Behinderung selbst, sondern die enormen<br />

Kosten, die wegen der vielen Gebärdensprachdolmetscheinsätzen<br />

entstehen<br />

würden. Der Gemeinderat tagt wöchentlich<br />

in der Regel 3 Stunden lang. In dieser Zeit<br />

müssten dann eigentlich immer zwei<br />

GebärdensprachdolmetscherInnen anwesend<br />

sein. Es ist daher äusserst fraglich, ob<br />

diese sehr hohe Kosten überhaupt durch<br />

Dritte übernommen werden können.“<br />

Pierrot Auger-Micou weist in seinem<br />

Referat darauf hin, <strong>das</strong>s in seiner Wohngemeinde<br />

Mathod insgesamt 559 Einwohnerinnen<br />

und Einwohner leben, davon seien 3<br />

Gehörlose sowie 8 Gebärdensprachkundige.<br />

Ausführlich nimmt Pierrot Auger-<br />

Micou Bezug auf <strong>das</strong> staatspolitische<br />

System der Schweiz und macht dabei -<br />

zwecks besseren Verständnisses - immer<br />

wieder interessante Vergleiche zwischen<br />

den nationalen und den kommunalen<br />

Gegebenheiten.<br />

Nach dem informativen Polit-Exkurs beantwortet<br />

Pierrot Auger-Micou die zahlreichen<br />

Fragen aus dem Publikum und nimmt Stellung<br />

zu abgegebenen Statements. Hier die<br />

Flash lights:<br />

Der gehörlose Politiker, Pierrot Auger-Micou stellt<br />

anschaulich <strong>das</strong> politische System der Schweiz dar.<br />

Kurzporträt von Pierrot Auger-<br />

Micou<br />

• gehörlos seit Geburt<br />

• Bürger von Meyrin / Genf<br />

• verheiratet, 2 Kinder<br />

• gehörlose Familie<br />

• aufgewachsen in Genf<br />

• Schule im Institut St. Joseph<br />

Gehörlosenschule in Freiburg<br />

• wohnhaft in Mathod seit 2000<br />

Berufliche Tätigkeiten - SGB-<br />

FSS Lausanne<br />

• Layouter der Gehörlosenzeitung „fais-moi<br />

signe“ seit 1995<br />

• Soziokultureller Animator im Bereich<br />

„Animation und Bildung“ seit 2002<br />

• Gebärdensprachlehrer <strong>für</strong> Privatpersonen,<br />

<strong>für</strong> Angestellte im Gehörlosenwesen<br />

und <strong>für</strong> Dolmetscher seit 1988<br />

Politisches Engagement und<br />

Tätigkeiten<br />

• Vermutlich einziger gehörloser Einwohnerrat<br />

in der Schweiz<br />

• Interesse an der Politik seit 2000<br />

• Grosse Unterstützung durch Gewerkschaften<br />

• keine Parteizugehörigkeit (parteilos)<br />

• Medienpräsenz: Zeitung von Orbe,<br />

Zeitung von Yverdon, 24 heures,<br />

Migrosmagazin, Visuellplus etc.<br />

Die beiden glücklichen und strahlenden Neudiplomierten,<br />

Doris Hermann und Rolf Zimmermann.<br />

11


„Wie erfolgte die Aufnahme in den Einwohnerrat<br />

von Mathod?“<br />

Pierrot Auger-Micou: „Am Anfang waren die Menschen<br />

natürlich sehr erstaunt. Heute hat sich<br />

aber vieles wieder beruhigt und einer Normalität<br />

Platz gemacht. Die grösste Herausforderung war<br />

sicher diejenige, <strong>das</strong>s an den Sitzungen immer<br />

GebärdensprachdolmetscherInnen anwesend<br />

sind. Aber ohne deren Anwesenheit hätte ich<br />

überhaupt keine Chance den Sitzungsverlauf mitzuverfolgen.“<br />

„Wenn keine GebärdensprachdolmetscherInnen<br />

anwesend sind, könntest du dich da nicht schriftlich<br />

mitteilen?“<br />

Impressionen<br />

Die Stellenleiterin der<br />

Beratungsstelle,<br />

Anna Leutwyler und<br />

der gehörlose Einwohnerrat<br />

von<br />

Mathod, Pierrot<br />

Auger-Micou, beim<br />

Apéro.<br />

Pierrot Auger-Micou: „Das ist in einer grossen<br />

Gruppe überhaupt nicht möglich. Das wäre viel<br />

zu umständlich und vor allem viel zu zeitintensiv.<br />

Ich stelle aber mit Genugtuung fest, <strong>das</strong>s ich von<br />

allen Seiten sehr unterstützt werde.“<br />

„Wie kannst du dich in einer Gruppe von 20 Teilnehmenden<br />

erfolgreich einbringen?“<br />

Pierrot Auger-Micou: „Ich bin ein sehr ruhiger<br />

Typ. Auch wenn es innerlich ab und zu brodelt.<br />

Ich habe gelernt zu warten und alles zuerst sich<br />

setzen zu lassen. Ich pflege und schätze den Austausch.“<br />

Kantonsratspräsidentin<br />

Regula Thalmann<br />

und die ZfVG-<br />

Präsidentin Doris<br />

Weber.<br />

„Gibst du dein politisches Wissen weiter?“<br />

Pierrot Auger-Micou: „Selbstverständlich versuche<br />

ich <strong>das</strong>, langsam und Schritt <strong>für</strong> Schritt. Ich<br />

habe aber festgestellt, <strong>das</strong>s bei den Gehörlosen<br />

<strong>das</strong> Interesse an der Politik nicht sehr hoch ist.“<br />

„Wenn du jetzt Gemeinderat werden möchtest,<br />

könnte es tatsächlich so sein, <strong>das</strong>s du wegen den<br />

hohen anfallenden Gebärdensprachdolmetschkosten<br />

nicht gewählt würdest?“<br />

Pierrot Auger-Micou: „Ja, <strong>das</strong> wäre durchaus<br />

denkbar. Die anfallenden Kosten wären enorm<br />

und die Frage der Kostenübernahme bzw. der<br />

Finanzierung ist völlig offen. Wahrscheinlich<br />

müsste dies mit Gemeindesteuergeldern finanziert<br />

werden. Eigentlich undenkbar.“<br />

Angeregte Diskussion<br />

vor der Generalversammlung.<br />

„Fühlst du dich, oder besser gefragt, bist du integriert?“<br />

Pierrot Auger-Micou: „Frührer habe ich in Genf<br />

gewohnt. In einer Grossstadt verschwindet man<br />

eher in der Anonymität. In meiner jetzigen<br />

Gemeinde Mathod ist <strong>das</strong> total anders. In diesem<br />

kleinen Dorf kennt man sich einfach und hier<br />

fühle ich mich wirklich integriert.“<br />

Mit grossem Applaus werden die interessanten<br />

Ausführungen von Pierrot Auger-Micou durch die<br />

Versammlungsteilnehmer verdankt. Doris Weber<br />

bedankt sich bei Pierrot Auger-Micou <strong>für</strong> sein<br />

engagiertes Referat und natürlich <strong>für</strong> seine<br />

Bereitschaft extra aus dem Welschland in die<br />

Deutschschweiz zu kommen.<br />

Die Generalversammlung<br />

wird auch von<br />

der am 14. <strong>September</strong><br />

1915 geborenen<br />

gehörlosen<br />

Bertha Schneiter aus<br />

Turbenthal ausgesprochen<br />

aufmerksam<br />

und interessiert<br />

verfolgt.<br />

[rr]


Sind Schwerhörige<br />

ohne Kultur?<br />

Wir schreiben und sprechen viel von der<br />

Gehörlosenkultur - wie ist <strong>das</strong> bei den<br />

Schwerhörigen? Ist die Gehörlosenkultur<br />

offen <strong>für</strong> Schwerhörige? Im Podium äussern<br />

sich Schwerhörige und Gehörlose<br />

dazu. Ein interessanter Austausch - <strong>für</strong><br />

mehr Gemeinsamkeit?<br />

Im Clubraum der Roten Fabrik in Zürich-<br />

Wollishofen treffen sich am Mittwoch, 16.<br />

Juli 20<strong>08</strong>, auf Einladung der „kofo zürich“,<br />

des Gehörlosen- und Sportvereins und in<br />

Zusammenarbeit mit „sichtbar GEHÖR-<br />

LOSE ZÜRICH“ eine wirklich grosse Anzahl<br />

von interessierten Zuhörenden und<br />

Zuschauenden, um auf die vielfältigen Kulturaspekte<br />

im Hörbehindertenbereich Antworten<br />

erhalten und allenfalls neue<br />

Erkenntnisse gewinnen.<br />

Gian-Reto Janki moderiert gekonnt und souverän die spannende<br />

und interessante Podiumsveranstaltung.<br />

Gian-Reto Janki eröffnet die kofo-Veranstaltung<br />

und begrüsst die Besucherinnen und<br />

Besucher sowie die beiden anwesenden<br />

Gebärdendolmetscherinnen, Barbara<br />

Bucher und Johanna Wüthrich. Gian-Reto<br />

Janki meint einleitend: „Heute haben wir<br />

ein ganz spezielles Thema ausgewählt.<br />

Haben Schwerhörige auch eine Kultur?<br />

Dieser Frage wollen wir in der heutigen<br />

Podiumsveranstaltung vertieft nachgehen<br />

und gemeinsam darüber diskutieren.“<br />

Gian-Reto Janki heisst seine Gäste und<br />

Podiumsteilnehmenden, Lizabeta Simonaj,<br />

Michael Gebhard und Dieter Spörri ganz<br />

herzlich willkommen.<br />

Vor Beginn der eigentlichen Podiumsdiskussion<br />

erläutert Gian-Reto Janki, was<br />

eigentlich Kultur bedeutet und wie Kultur<br />

definiert wird. „Kultur ist etwas von Menschenhand<br />

erschaffenes, und sie hat mit<br />

Recht, Moral, Wissenschaft und Religion zu<br />

tun.“ Janki weist darauf hin, <strong>das</strong>s fünf<br />

Aspekte mit einbezogen werden müssen,<br />

um in einer Gruppe zu einer zuverlässigen<br />

Kultur zu gelangen. Es braucht - als wichtigsten<br />

Aspekt <strong>für</strong> Gehörlose - die Sprache<br />

und sodann die Identität, Verhaltensregeln,<br />

Traditionen und Werte.“<br />

Etwas provokativ stellt Janki zwei Thesen<br />

auf:<br />

„Ohne Gebärdensprache gibt es keine<br />

Gehörlosenkultur“<br />

oder ist es viel mehr so<br />

„Ohne Gehörlosenkultur gibt es keine<br />

Gebärdensprache“<br />

Janki meint: „Es ist noch nicht allzu lange<br />

her, als die Gebärdensprache unterdrückt<br />

wurde. Nur in den Vereinen war es möglich,<br />

untereinander die Gebärdensprache zu<br />

benutzen und mit ihr zu kommunizieren.<br />

Die Vereine waren <strong>das</strong> Zentrum <strong>für</strong> die<br />

Gehörlosen und in den Vereinen war es<br />

möglich, wichtige Werte der Gehörlosen zu<br />

pflegen und zu erhalten.“<br />

Janki fragt: „Die Heimat der Gehörlosen ist<br />

der Verein. Wie sieht <strong>das</strong> nun konkret bei<br />

den Schwerhörigen aus?“<br />

Podiums-Diskussion<br />

Die drei Podiumsteilnehmenden stellen<br />

sich kurz dem Publikum vor.<br />

Lizabeta Simonaj: „Aufgewachsen bin ich<br />

als Gehörlose. Als Kind wurde ich mit<br />

einem Cochlea Implantat versorgt. Dieses<br />

wurde dann indes auf meinen Wunsch hin<br />

wieder entfernt. Als klar gebärdensprachlich<br />

orientierte Gehörlose engagiere ich<br />

Gian-Reto Janki<br />

mit seinen<br />

Gästen auf dem<br />

Podium. Lizabeta<br />

Simonaj,<br />

Michael Gebhard<br />

und Dieter<br />

Spörri v.l.n.r.<br />

mich als Mitglied im IGGH-Vorstand (Interessengemeinschaft<br />

Gehörlose, Hör- und<br />

Sprachbehinderte) in Bern.<br />

Michael Gebhard: „Ich bin ohne Kontakt zu<br />

Gehörlosen aufgewachsen und integrativ<br />

beschult worden. Ich engagiere mich seit<br />

einem Jahr bei VUGS und zudem habe ich<br />

ein ganz grosses Interesse an der Politik.“<br />

Dieter Spörri: „In meinem zweiten Lebensjahr<br />

wurde festgestellt, <strong>das</strong>s ich nur eine<br />

Hörfähigkeit von 10% habe. Die gesamte<br />

Schulzeit verbrachte ich im Landenhof und<br />

absolvierte danach eine Uhrmacher-Lehre.<br />

Nach dem Abschluss meiner Lehrzeit hatte<br />

ich erstmals Kontakt zu Gehörlosen. Ich<br />

habe mich in verschiedenen Vereinen <strong>für</strong><br />

die Belange der Schwerhörigkeit engagiert.<br />

Heute bin ich viel näher bei den Gehörlosen<br />

als bei den Schwerhörigen.“<br />

Michael Gebhard: „Im 19. Jahrhundert gab<br />

es in der Pädagogik keine Trennung zwischen<br />

den Gehörlosen und den Schwerhörigen.<br />

Erst im 20. Jahrhundert wurde<br />

getrennt beschult. Aufgrund meiner<br />

geschichtlichen Recherchen stelle ich fest,<br />

<strong>das</strong>s die Schwerhörigen wesentlich heterogener<br />

als die Gehörlosen sind. Und eines<br />

kann auch klar ausgesagt werden, <strong>das</strong>s die<br />

Geburtsschwerhörigen immer am flexibelsten<br />

waren. Um die Frage nach der Schwerhörigenkultur<br />

zu beantworten, muss zuerst<br />

geklärt werden, wer ist eigentlich der<br />

Träger dieser Kultur. Sind es vielleicht die<br />

Älteren der Schwerhörigen? Die Frage lässt<br />

sich nur sehr schwer beantworten. Das Ziel<br />

der Schwerhörigen ist es, klar und deutlich<br />

kommunizieren zu können. Und <strong>das</strong> Ziel<br />

der Gehörlosen ist es, in der Gebärdensprache<br />

zu kommunizieren. Ich denke<br />

wichtig ist es, <strong>das</strong>s sich sowohl die Schwerhörigen<br />

wie auch die Gehörlosen einfach<br />

wohl fühlen. Es gibt kein richtig und falsch,<br />

eigentlich ist alles offen.“


Lizabeta Simonaj und Michael Gebhard informieren über kulturelle<br />

Aspekte aus dem Schwerhörigen- und dem Gehörlosenbereich.<br />

Lizabeta Simonaj: „Vor 10 Jahren wurde die<br />

IGGH gegründet. Viele Veranstaltungen<br />

wurden organisiert und durchgeführt. Die<br />

IGGH war offen <strong>für</strong> alle Interessierten und<br />

niemand wurde ausgeschlossen. Seit<br />

einigen Monaten gibt es aber interne Spannungen.<br />

Der Grund da<strong>für</strong> ist, <strong>das</strong>s in der<br />

IGGH zuviel die Lautsprache benutzt wird.<br />

Dieser Umstand finden die Gehörlosen sehr<br />

schwierig, weil dadurch der kommunikative<br />

Austausch erschwert wird. Grundsätzlich<br />

wollen wir aber <strong>für</strong> alle Gruppierungen<br />

offen sein.“<br />

Michael Gebhard: „Historisch betrachtet<br />

wurde der Begriff Gehörlosenkultur in den<br />

60er Jahren des letzten Jahrhunderts<br />

geprägt. Ich denke, <strong>das</strong>s jetzt eine neue<br />

Kultur oder eine neue Form der Kultur<br />

kommen wird. Ich denke der Status<br />

«gehörlos» oder «schwerhörig» weist nicht<br />

den Weg zur Kultur. Ich denke, es muss<br />

zuerst die Grundsatzfrage, dürfen Schwerhörige<br />

bei den Gehörlosen mitmachen,<br />

geklärt werden.“<br />

Dieter Spörri: „Ich denke, <strong>das</strong>s die angebotenen<br />

Programme bei den Gehörlosen-<br />

Organisationen vielseitiger und attraktiver<br />

sind als dies bei den Schwerhörigen-Organisationen<br />

der Fall ist. Sicher ist dies meine<br />

subjektive Meinung. Ich weiss, <strong>das</strong>s sich<br />

pro audito im Verlaufe der letzten Jahren<br />

sehr um interessante Veranstaltungen<br />

bemüht hat, aber ich habe dort einfach<br />

nicht mitgemacht.“<br />

Lizabeta Simonaj: „Bei mir ist es ganz klar,<br />

ich fühle mich ganz eindeutig viel mehr zu<br />

den Gehörlosen hingezogen.“<br />

Ablesen - ist <strong>das</strong> ein Kulturbestandteil<br />

der Schwerhörigen?<br />

Gian-Reto Janki stellt zu Beginn der Podiumsdiskussion<br />

die wichtige Kernfrage, ob<br />

<strong>das</strong> Ablesen ein Kulturbestandteil bei den<br />

Schwerhörigen sei.<br />

Dieter Spörri: „Ja, <strong>das</strong><br />

Ablesen ist ein wesentlicher<br />

Bestandteil bei den<br />

Schwerhörigen.“<br />

Michael Gebhard: „Das<br />

Ablesen war früher die<br />

treibende Kraft <strong>für</strong> die<br />

Schwerhörigen. Es war der<br />

eigentliche Lockvogel <strong>für</strong><br />

die Gewinnung von neuen<br />

Vereinsmitgliedern. Das<br />

Ablesen wurde zur Tradition<br />

mit eigenem Regelwerk,<br />

und es symbolisierte,<br />

im gleichen Boot zu<br />

sitzen. Ich muss aber<br />

betonen, <strong>das</strong>s meines Wissens entsprechende<br />

empirische Untersuchungen<br />

fehlen.“<br />

Lizabeta Simonaj: „Das Ablesen ist und war<br />

nie meine Muttersprache. Es gibt so viele<br />

verschiedene Mundbilder. Man denke hier<br />

auch vor allem an die Männer mit Bärten<br />

und Schnäuzen. Grosse Probleme entstehen<br />

auch beim Ablesen von Fremdwörtern<br />

oder wenn in einer anderen Sprache<br />

geredet wird. Ich denke, die Schwerhörigen<br />

wurden bzw. werden von ihren hörenden<br />

Eltern stark beeinflusst.“<br />

Kann etwas Gemeinsames<br />

entstehen?<br />

Gian-Reto Janki möchte von seinen drei<br />

Gästen wissen, ob zwischen den Gehörlosen<br />

und den Schwerhörigen auch etwas<br />

Gemeinsames entstehen kann?<br />

Dieter Spörri kennt sowohl die speziellen Gegebenheit<br />

bei den Schwerhörigen wie bei den Gehörlosen<br />

sehr genau.<br />

Dieter Spörri: „Aus meiner Erfahrung kann<br />

ich sicher bestätigen, <strong>das</strong>s die Schwerhörigen<br />

bei den Gehörlosen jederzeit herzlich<br />

willkommen sind. Das Positive ist auf<br />

jeden Fall, <strong>das</strong>s es zu gegenseitigen Hilfestellungen<br />

kommt. Das gegenseitige<br />

Helfen ist <strong>das</strong> Beste und fördert die Kom-<br />

munikation.“<br />

Lizabeta Simonaj: „Wir bei der IGGH fördern<br />

die Zusammenarbeit zwischen den<br />

Gehörlosen und den Schwerhörigen.<br />

Wichtig ist aber, <strong>das</strong>s die Kommunikation<br />

klappt. Es darf einfach keine Missverständnisse<br />

geben.“<br />

Dieter Spörri: „Ich denke, wir müssen<br />

bestehende Vorurteile abbauen. Dazu<br />

braucht es unbedingt mehr Toleranz und<br />

ein gegenseitiges Engagement sowie ein<br />

Mitmachen. Es muss zwingend eine Vertrauensbasis<br />

geschaffen werden.“<br />

Michael Gebhard: „Ich denke auch, <strong>das</strong>s<br />

Toleranz sehr wichtig ist. In der Vergangenheit<br />

wurde ja <strong>das</strong> Gemeinsame schon praktiziert.<br />

Wieso sollte es jetzt nicht mehr<br />

funktionieren? Ich denke, es braucht dazu<br />

aber zwei starke Dachorganisationen mit<br />

ihren jeweiligen Anlaufstellen.“<br />

Mischkultur - Soll es sie<br />

geben?<br />

Gian-Reto Janki wirft die Frage auf: „Ist es<br />

sinnvoll, <strong>das</strong>s es eine Mischkultur gibt?“<br />

Dieter Spörri: „Eine Mischkultur ist aus<br />

meiner Sicht nur dann möglich, wenn wir,<br />

d.h. die Gehörlosen und die Schwerhörigen,<br />

starke Wurzeln haben. Sinnbildlich<br />

vergleiche ich die Mischkultur mit<br />

einem grossen starken Baum mit 700’000<br />

Ästen. Jetzt ist aber der Boden noch karg<br />

und leer. Aber vielleicht strahlt der Baum in<br />

100 Jahren in vollem Glanz.“<br />

Michael Gebhard: „Ich bin da wesentlich<br />

optimistischer. Ich denke, es braucht eine<br />

Identität und eine Verwurzelung. Es stellt<br />

sich die Frage, wer sind wir und von was<br />

grenzen wir uns ab? Oder sind wir schlussendlich<br />

nur einfach eine von vielen<br />

Gruppen im Behindertenwesen?“<br />

Lizabeta Simonaj: „Ich denke einfach, <strong>das</strong>s<br />

sich die Schwerhörigen gegenüber den<br />

Gehörlosen zu fest abgrenzen. Zudem<br />

gestaltet es sich <strong>für</strong> eine gute Kommunikation<br />

schwierig, wenn die Schwerhörigen<br />

nicht gebärden können.“<br />

Gian-Reto schliesst mit diesen interessanten<br />

Voten die Podiumsdiskussion und<br />

bedankt sich bei seinen Gästen <strong>für</strong> <strong>das</strong><br />

engagierte Mitwirken.<br />

Nach einer kurzen Pause beantworten Lizabeta<br />

Simonaj, Michael Gebhard und Dieter<br />

Spörri Fragen aus dem Publikum.


Interessante und facettenreiche<br />

Wortmeldungen aus dem<br />

Publikum<br />

Gian-Reto Janki stellt eingangs die etwas provokativ<br />

formulierte Frage: „Geht die Schwerhörigenkultur<br />

zu wenig in die Tiefe?“<br />

Ein Besucherin meint: „In meinem Leben<br />

habe ich bereits sieben Hörstürze gehabt.<br />

Heute bin ich vollständig gehörlos. Das vor<br />

Jahren implantierte Cochlea Implantat funktioniert<br />

bei mir nicht und wurde später<br />

wieder entfernt. In meinem Leben habe ich<br />

mich in allen Gruppierungen sowohl bei den<br />

Gehörlosen wie auch bei den Schwerhörigen<br />

bewegt. Mein ganz grosses Glück war zweifelsfrei,<br />

<strong>das</strong>s ich meine guten lautsprachlichen<br />

Fähigkeiten bis heute behalten konnte.<br />

Die angebotenen Intensiv-Kurse <strong>für</strong> die Lautsprache<br />

wie auch <strong>für</strong> <strong>das</strong> Ablesen erachte ich<br />

aber nicht als kulturelle Eigenart, sondern<br />

vielmehr als reine Weiterbildung zur Pflege<br />

der Sprache. Für wichtig halte ich die gemeinsamen<br />

Treffen, wie sie beispielsweise in Fontana<br />

Passugg angeboten und durchgeführt<br />

werden. Die Schwerhörigen haben gemäss<br />

Stellungnahmen vom Landenhof kein<br />

Bedürfnis die Gebärdensprache zu erlernen.<br />

Früher war die Gebärdensprache einfach verboten.<br />

Es wäre aber gut, wenn die Schwerhörigen<br />

ebenfalls die Gebärdensprache<br />

beherrschen würden. Ich denke, <strong>das</strong>s viele<br />

Schwerhörige sich ihrer Identität nicht<br />

bewusst sind.“<br />

Dieter Spörri: „Die Schwerhörigen sind in der<br />

Regel sehr gute Schauspieler und zudem<br />

tragen sie oftmals ihre Hörhilfen nicht. Ich<br />

frage mich, wieso wird am Landenhof nicht<br />

über die Gehörlosenkultur unterrichtet?“<br />

Michael Gebhard: „Ich bin sicher, <strong>das</strong>s die<br />

Schwerhörigen eine Kultur haben. Offen ist<br />

aber, ob sie eine eigene Sprache entwickelt<br />

haben. Zudem wäre es wirklich wünschenswert<br />

und gut, wenn an den Schulen über die<br />

Gehörlosenkultur als eigentliches Schulfach<br />

unterrichtet würde. Ich denke, <strong>das</strong>s sich bei<br />

dieser Frage die Betroffen einschalten und<br />

aktiv werden müssen.“<br />

Das zahlreich anwesende Publikum verfolgt aufmerksam die<br />

interessanten Wortmeldungen aus dem Publikum.<br />

Ein junger Mann erzählt: „Mein Vater<br />

wollte, <strong>das</strong>s ich wegen den besseren<br />

zukünftigen Berufschancen unter allen<br />

Umständen lautsprachlich aufwachse. So<br />

erhielt ich Hörgeräte, die aber wegen<br />

meiner angeborenen Empfindlichkeit nicht<br />

optimal eingesetzt werden konnten. Gegen<br />

die Implantation eines CI wehrte ich mich<br />

trotz des auf mich ausgeübten Druckes<br />

immer erfolgreich. Für mich ist ganz klar,<br />

<strong>das</strong>s die Gebärdensprache meine Muttersprache<br />

ist. Ich erwarte von meinem<br />

Umfeld, <strong>das</strong>s es mich als Mensch so akzeptiert,<br />

wie ich bin und ich auch als gebärdensprachlich<br />

orientierter Mensch einfach<br />

okay bin. Dazu braucht es aber gegenseitigen<br />

Respekt und den Willen sich zu verstehen.“<br />

Eine junge Frau erzählt: „Ich bin als Gehörlose<br />

geboren. Meine Eltern sind ebenfalls<br />

gehörlos. Ich stelle fest, <strong>das</strong>s es beidseitig<br />

Spannungen zwischen den Schwerhörigen<br />

und den Gehörlosen gibt. Die Schwerhörigen<br />

nehmen nach meiner Wahrnehmung<br />

keine Rücksicht auf die Gehörlosen,<br />

und sie sind überhaupt nicht tolerant.<br />

Zudem sprechen die Schwerhörigen extrem<br />

schnell und orientieren sich eigentlich<br />

immer an den Hörenden. Dabei sollte doch<br />

erkannt werden, <strong>das</strong>s Schwerhörigkeit und<br />

Gehörlosigkeit ganz eng beieinander<br />

liegen. Die beiden Gruppen müssen lernen<br />

miteinander auszukommen, sei dies in der<br />

Schule oder in den Vereinen. Ich denke,<br />

eine reine Gehörlosenkultur hat es wahrscheinlich<br />

nie gegeben.“<br />

Manche offenen Fragen<br />

bleiben bestehen<br />

Noch viele der Anwesenden wollten sich zu<br />

Wort melden. Aber Gian-Reto Janki muss<br />

die Podiumsveranstaltung wegen der fortgeschrittenen<br />

Zeit zum Abschluss bringen.<br />

„Die heutige Diskussion zeigt mir, <strong>das</strong>s es<br />

keine schlüssigen Antworten auf die Kulturfragen<br />

gegeben hat. Nach wie vor<br />

bestehen Konflikte zwischen den Schwerhörigen<br />

und den Gehörlosen, die leider bis<br />

heute nicht abgebaut und beseitigt werden<br />

konnten.“<br />

Nach der<br />

heutigen<br />

Podiumsveranstaltung<br />

kann die<br />

Schlussfolgerung<br />

gezogen<br />

w erden,<br />

<strong>das</strong>s es<br />

ideal wäre, wenn in der Schweiz die Gebärdensprache<br />

endlich als Selbstverständlichkeit<br />

angesehen würde. Leider ist es aber<br />

heute nach wie vor so, <strong>das</strong>s die Gebärdensprache<br />

ein eigentliches Mauerblümchen<strong>das</strong>ein<br />

fristet. Demgegenüber wird die Versorgung<br />

mittels Cochlea Implantat durch<br />

die Invalidenversicherung finanziell sehr<br />

stark unterstützt. Zwischen diesen beiden<br />

Gegebenheiten hat sich noch lange kein<br />

Gleichgewicht eingestellt.<br />

Die Schwerhörigen unter sich stehen der<br />

Kulturfrage wahrscheinlich sehr ambivalent<br />

gegenüber. Dies vor allem deshalb, da<br />

sie mit einer Resthörfähigkeit geboren und<br />

somit meistens lautsprachlich orientiert<br />

erzogen werden bzw. heranwachsen.<br />

Die hörende Welt bildet wohl im Moment<br />

<strong>das</strong> Hauptproblem, damit eine Annährung<br />

der Gehörlosen- und Schwerhörigenkultur<br />

vollzogen werden könnte. Damit ein Kulturwandel<br />

entsteht, sollte dieser sichtbar<br />

gemacht werden können. Heute spricht<br />

man vor allem von Gehörlosenkultur bzw.<br />

der Kultur der Benutzer der Gebärdensprache.<br />

Am 16. Juli 20<strong>08</strong> ist spürbar<br />

geworden, <strong>das</strong>s Schwerhörige Grenzgänger<br />

zwischen der Hörenden- und der<br />

Gehörlosenkultur sind, aber stark den<br />

Wunsch verspüren, sich in einer eigenen<br />

Kultur zuhause fühlen zu können.<br />

Innovation, Veränderung und Bildung sind<br />

nur möglich, weil sich <strong>das</strong> Leben ständig<br />

selbst weiterentwickelt und verändert.<br />

Diese an sich lapidare Gegebenheit trifft<br />

sowohl auf alle Natur- als auch auf alle Geisteswissenschaften<br />

zu. Permanentes<br />

Ungleichgewicht ist ebenso unmöglich wie<br />

dauerndes Gleichgewicht. Das Verständnis<br />

dieses Zusammenhangs wird seit jeher<br />

fruchtbringend genutzt in Pädagogik, Bildung,<br />

Wissenschaft und Politik. Auch in<br />

kulturellen Belangen wird <strong>das</strong> spürbar. Das<br />

an der Veranstaltung vom 16. Juli 20<strong>08</strong><br />

offensichtlich gewordene Ungleichgewicht<br />

wird deshalb voraussichtlich dazu beitragen,<br />

<strong>das</strong>s sich im Bereich der Gehörlosen-<br />

und Schwerhörigenkultur eine Veränderung<br />

und Entwicklung abzeichnen<br />

wird.<br />

Gian-Reto Janki schliesst mit dem Hinweis<br />

auf die nächste kofo-Veranstaltung vom<br />

Mittwoch, 24. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, die heutige<br />

Podiumsveranstaltung. Er bedankt sich bei<br />

seinen drei Gästen, Lizabeta Simonaj,<br />

Michael Gebhard und Dieter Spörri, ganz<br />

herzlich <strong>für</strong> ihre Bereitschaft sich als Podiumsteilnehmende<br />

zur Verfügung zu stellen<br />

und sich <strong>für</strong> <strong>das</strong> spannende Thema<br />

„Kultur“ zu engagieren und zu begeistern.<br />

15


Was versteht man eigentlich gemeinhin<br />

unter Kultur? Kultur ist ein Begriff, der oft<br />

in ganz verschiedenem Zusammenhang<br />

verwendet wird und heute je länger je<br />

mehr in fast allen Lebensbereichen eine<br />

Rolle spielt. Im nachfolgenden kurzen<br />

Exkurs soll deshalb versucht werden, den<br />

theoretisch wissenschaftlichen Aspekten<br />

dieses wichtigen Begriffs in generellabstrakter<br />

Weise etwas Rechnung zu<br />

tragen.<br />

Definition von Kultur<br />

Kultur ist ein Satz von erlernten, <strong>für</strong> die<br />

Gesellschaft wichtigen Grundannahmen<br />

oder „erfahrungsbedingten Deutungsmuster,<br />

auf deren Grundlage einzelne Mitglieder<br />

wie soziale Institutionen dieser<br />

Gruppe handeln, d.h. Ziele setzen und<br />

Schritte zur Realisierung dieser Ziele<br />

planen und Durchführen“ (Trommsdorff<br />

1987, S.25 in Hofstede, 2006).<br />

Kultur - Begriffsklärung<br />

Meyer Taschenlexikon (1985)<br />

Meyers Taschenlexikon (1985) „Kultur<br />

[lat.], <strong>das</strong> von Menschen zu bestimmten<br />

Zeiten in abgrenzbaren Regionen in Auseinandersetzung<br />

mit der Umwelt in ihrem Handeln<br />

Hervorgebrachte (Sprache, Religion,<br />

Ethik, Institutionen [Familie, Staat u.a.],<br />

Recht, Technik, Kunst, Musik, Philosophie,<br />

Wissenschaften), auch der Prozess des<br />

Hervorbringens der verschiedenen Kulturinhalte<br />

und -modelle (Normensysteme<br />

und Zielvorstellungen) und entsprechender<br />

individueller und gesellschaftlicher<br />

Lebens- und Handlungsformen.<br />

- Im Anschluss an Herders Humanitätsideal<br />

und/oder Hegels Philosophie des objektiven<br />

Geistes wird Kultur z. T. nur noch als<br />

die Summe der geistigen Errungenschaften<br />

einer Zeit, eines Volkes oder der „Menschheit“<br />

verstanden (Idealisierung des Kulturbegriffs).<br />

Der Kulturbegriff in den empirischen Kulturwissenschaften<br />

(v.a. Ethnologie, Kulturanthropologie)<br />

wird als Summe der als<br />

typisch feststellbaren Lebensformen einer<br />

Bevölkerung bestimmt.“<br />

Alexander Thomas (2003)<br />

Thomas (2003, S. 21) schreibt: „Es gibt<br />

unzählige Definitionen von Kultur. So<br />

haben Kroeber und Kluckhohn bereits 1952<br />

über 150 gezählt und diese miteinander<br />

verglichen. (…) Alle Forscher aber, die sich<br />

theoretisch mit dem Kulturbegriff beschäftigen,<br />

sind sich einig, <strong>das</strong>s Kultur einen<br />

sehr weiten Bereich umfasst, der von Menschen<br />

hergestellten Gegenständen, Werk-<br />

zeugen und so weiter über Werte, Ideen,<br />

Weltbilder, Sprache und Philosophien bis<br />

hin zur Art und Weise des Umgangs mit<br />

belebten und unbelebten Dingen, Subjekten<br />

wie Objekten, reicht.“<br />

Da sich Thomas v. a. mit der interkulturellen<br />

Zusammenarbeit auseinander setzt<br />

und uns dies auch besonders interessiert,<br />

erwähnen wir hier noch eine weitere Definition:<br />

„Kultur ist ein universelles Phänomen.<br />

Alle Menschen leben in einer spezifischen<br />

Kultur und entwickeln sie weiter. Kultur<br />

strukturiert ein <strong>für</strong> die Bevölkerung spezifisches<br />

Handlungsfeld, <strong>das</strong> von geschaffenen<br />

und genutzten Objekten bis hin zu<br />

Institutionen, Ideen und Werten reicht.<br />

Kultur manifestiert sich immer in einem <strong>für</strong><br />

eine Nation, Gesellschaft, Organisation<br />

oder Gruppe typischen Orientierungssystem.<br />

Dieses Orientierungssystem wird aus<br />

spezifischen Symbolen (z. Bsp. Sprache,<br />

Gestik, Mimik, Kleidung, Begrüssungsritualen)<br />

gebildet und in der jeweiligen<br />

Gesellschaft, Organisation oder Gruppe<br />

tradiert, <strong>das</strong> heisst an die nachfolgende<br />

Generation weitergegeben. Das Orientierungssystem<br />

definiert <strong>für</strong> alle Mitglieder<br />

ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft oder<br />

Gruppe und ermöglicht ihnen ihre ganz<br />

eigene Umweltbewältigung. Kultur beeinflusst<br />

<strong>das</strong> Wahrnehmen, Denken, Werten<br />

und Handeln aller Mitglieder der jeweiligen<br />

Gesellschaft.“ (A. Thomas, 2003, S. 22)<br />

Geert Hofstede (2006)<br />

Hofstede (2006, S. 3) spricht von mentaler<br />

Software in Analogie zur Computer Programmierung.<br />

Die Quellen dieser mentalen<br />

Programme liegen laut Hofstede im<br />

sozialen Umfeld, in dem jeder Einzelne aufwächst<br />

und seine Lebenserfahrung sammelt.<br />

„Ein gängiger Begriff <strong>für</strong> eine solche<br />

mentale Software ist Kultur. Dieses Wort<br />

hat mehrere Bedeutungen; sie sind alle aus<br />

seinem lateinischen Ursprung abgeleitet,<br />

der <strong>das</strong> Bestellen des Bodens bezeichnet.<br />

In den meisten westlichen Sprachen<br />

bedeutet „Kultur“ gemeinhin „Zivilisation“<br />

oder „Verfeinerung des Geistes“ und insbesondere<br />

die Ergebnisse dieser Verfeinerung<br />

wie Bildung, Kunst und Literatur. Das ist<br />

Kultur im engeren Sinne. Kultur als mentale<br />

Software bezieht sich jedoch auf eine viel<br />

weiter gefasste, unter Soziologen und - im<br />

Besonderen - unter Anthropologen übliche<br />

Bedeutung des Wortes.“ So verwendet Hofstede<br />

den Begriff Kultur nicht nur als Tätigkeit,<br />

die den Geist verfeinert, sondern auch<br />

mit gewöhnlichen und niedrigen Dingen<br />

des Lebens (Grüssen, Essen, <strong>das</strong> Zeigen<br />

oder Nichtzeigen von Gefühlen usw.). Er<br />

sieht es als kollektives Phänomen, <strong>das</strong><br />

erlernt wird. „Kultur besteht aus den ungeschriebenen<br />

Regeln des sozialen Spiels.<br />

Sie ist die kollektive Programmierung des<br />

Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe<br />

oder Kategorie von Menschen von einer<br />

anderen unterscheidet.“ (Hofstede, 2006<br />

S. 4)<br />

Kulturelle Unterschiede manifestieren sich<br />

auf verschiedene Weise. Hofstede fasst<br />

diese Manifestationen in vier Begriffe<br />

zusammen: Symbole, Helden, Rituale und<br />

Werte. Diese stellt er mit einem ‚Zwiebelmodell’<br />

dar. Die ‚Werte’ sind die am tiefsten<br />

gehenden Manifestationen von Kultur,<br />

‚Symbole’ die oberflächlichsten.<br />

„Zwiebeldiagramm“ nach Hofstede<br />

... <strong>das</strong> Zwiebeldiagramm<br />

nach<br />

Hofstede<br />

(2006, S. 8)<br />

Symbole<br />

Sind Worte, Gesten, Bilder oder Objekte die<br />

eine bestimmte Bedeutung haben, die nur<br />

von denjenigen anerkannt wird, die der<br />

gleichen Kultur angehören. Sie entwickeln<br />

sich rasch, alte verschwinden und werden<br />

regelmässig von Angehörigen einer<br />

anderen kulturellen Gruppe nachgeahmt.<br />

Helden und Heldinnen<br />

Sind Personen, lebendige oder tote, echte<br />

oder fiktive, die Eigenschaften besitzen die<br />

in einer Kultur hoch angesehen sind. Sie<br />

dienen als Verhaltensvorbilder.<br />

Rituale<br />

Sind kollektive Tätigkeiten z.B. soziale und<br />

religiöse Zeremonien. Innerhalb einer<br />

Kultur gelten sie als sozial notwendig,<br />

obwohl sie zur Erreichung eines angestrebten<br />

Zieles eigentlich überflüssig sind.<br />

Sie werden daher um ihrer selbst willen<br />

ausgeübt. Diese drei Begriffe werden als<br />

Praktiken zusammengefasst. Sie sind <strong>für</strong><br />

Aussenstehende erkennbar, ihre kulturelle<br />

Bedeutung ist aber nicht sichtbar. Diese<br />

liegt in der Art und Weise wie die Praktiken<br />

von Insidern interpretiert werden.<br />

Werte/Normen<br />

Sie bezeichnen die allgemeine Neigung,<br />

bestimmte Umstände anderen vorzuziehen.<br />

Es sind Gefühle mit einer Orientierung<br />

zum Plus- oder zum Minuspol hin. Im<br />

Diagramm bilden sie den Kern der Kultur.


Kulturstandards<br />

Wenn Kultur als ein sinnstiftendes Orientierungssystem<br />

aufgefasst wird, <strong>das</strong> <strong>für</strong> die<br />

Angehörigen einer Nation, Sprach- respektive<br />

Kultureinheit gültig ist, so können kulturspezifische<br />

Orientierungsmerkmale<br />

definiert werden, die von Personen der<br />

einen oder anderen Kultur angewendet<br />

werden, um in bestimmten Begegnungssituationen<br />

oder zur Lösung spezifischer Probleme<br />

aktiviert zu werden. Diese Verhaltensweisen<br />

können als Orientierungsmuster<br />

zur Lösung komplexer Probleme<br />

gesehen werden, in denen unterschiedlichen<br />

Kulturstandards wirksam werden.<br />

Letztere werden von A. Thomas durch folgende<br />

Merkmale definiert:<br />

• „Kulturstandards sind Arten des Wahrnehmens,<br />

Denkens, Wertens und Handelns,<br />

die von der Mehrzahl der Mitglieder<br />

einer bestimmten Kultur <strong>für</strong> sich<br />

und andere als normal, typisch und verbindlich<br />

angesehen werden.<br />

• Eigenes und fremdes Verhalten wird aufgrund<br />

dieser Kulturstandards gesteuert,<br />

reguliert und beurteilt.<br />

• Kulturstandards besitzen Regulationsfunktion<br />

in einem weiten Bereich der<br />

Situationsbewältigung und des<br />

Umgangs mit Personen.<br />

• Die individuelle und gruppenspezifische<br />

Art und Weise des Umgangs mit Kulturstandards<br />

zur Verhaltensregulation kann<br />

innerhalb eines gewissen Toleranzbereichs<br />

variieren.<br />

• Verhaltensweisen, die sich ausserhalb<br />

der bereichsspezifischen Grenzen<br />

bewegen, werden von der sozialen<br />

Umwelt abgelehnt und sanktioniert. (A.<br />

Thomas, 2005, S. 25)<br />

Zentrale Kulturstandards lassen sich als<br />

solche definieren, wenn sie nicht nur bei<br />

eng begrenzten Problemstellungen und<br />

spezifischen Handlungsfeldern, sondern<br />

als bereichsübergreifende kulturspezifische<br />

Orientierungen wirksam werden. Sie<br />

sind <strong>für</strong> <strong>das</strong> Handeln der Menschen in einer<br />

bestimmten Nation oder in einem<br />

bestimmten Kulturraum unverwechselbar<br />

und charakteristisch.<br />

Litaraturangaben:<br />

Alexander Thomas, Eva–Ulrike Kinast, Sylvia<br />

Schroll-Machl (Hrsg.), 2003: Handbuch interkulturelle<br />

Kommunikation und Kooperation, Band 1:<br />

Grundlagen und Praxisfelder, Vandenhoeck &<br />

Ruprecht, Göttingen<br />

Geert Hofstede, 2006: Lokales Denken, globales<br />

Handeln Interkulturelle Zusammenarbeit und<br />

globales Management; Beck-Wirtschaftsberater<br />

im dtv, München<br />

[rr]<br />

Interview mit Martina Lorenz<br />

Martina Lorenz engagierte sich fast<br />

während eines Vierteljahrhunderts als<br />

Seelsorgerin <strong>für</strong> die gehörlosen und hörbehinderten<br />

Menschen in unserem Land.<br />

Aber wer ist Martina Lorenz, die Ordensfrau<br />

aus dem luzernischen Kriens? Auf<br />

Einladung von Léonie Kaiser, der<br />

Geschäftsführerin von <strong>sonos</strong>, kommt Martina<br />

Lorenz am Dienstag, 5. August 20<strong>08</strong>,<br />

zum vereinbarten Interview nach Zürich<br />

auf die <strong>sonos</strong>-Geschäftsstelle. In einer<br />

sehr herzlichen Atmosphäre entsteht<br />

schon nach wenigen Minuten ein äusserst<br />

interessanter Dialog. Martina Lorenz<br />

erzählt freimütig aus ihrem spannenden<br />

und von viel Liebe und Aufopferung<br />

erfüllten Leben.<br />

<strong>sonos</strong>: Können sie ein paar Angaben zu<br />

Ihrem Lebenslauf machen: Wo sind Sie<br />

geboren und aufgewachsen? Welche<br />

Schulen und Ausbildungen haben Sie<br />

absolviert? Haben Sie Geschwister? Was ist<br />

Ihnen aus Ihrer Kindheit besonders im<br />

Gedächtnis haften geblieben?<br />

Ich bin im Walliserdorf Törbel 1500 Meter<br />

über Meer geboren. Dort habe ich auch die<br />

Schule besucht. Es galt damals schon als<br />

Fortschritt, <strong>das</strong>s ich nach der Grundschule<br />

zwei weitere Jahre anhängen konnte im<br />

französisch sprechenden Teil des Wallis<br />

und so die französische Sprache erlernen<br />

durfte. Ich hatte 9 Geschwister. Eine<br />

meiner Schwestern ist im Kindesalter verstorben.<br />

Was mir besonders im Gedächtnis haften<br />

blieb, ist, <strong>das</strong>s es eine Selbstverständlichkeit<br />

war mitzuhelfen bei kleineren Arbeiten<br />

im Haus und auf dem Feld. Jede Hilfe<br />

konnte gebraucht werden. Wir haben nie<br />

Hunger gelitten, aber unsere Eltern mussten<br />

wirklich jeden Batzen zusammen tun,<br />

um über die Runden zu kommen. Denn <strong>das</strong><br />

Leben brachte meinen Eltern und der<br />

ganzen Familie wirklich grosse Anforderungen,<br />

was ich später noch ausführen<br />

möchte. Meine Eltern waren Bergbauern.<br />

Das Geld reichte indes nicht und so musste<br />

mein Vater noch einer Arbeit als Fabrikarbeiter<br />

im Tal bei der „Lonza“ in Visp nachgehen.<br />

Er legte deshalb jeden Tag über<br />

zwei Stunden zu Fuss zurück, nur um nach<br />

Stalden zu gelangen wo ein „Lonza Bus“<br />

die Arbeiter mitnahm in den Betrieb nach<br />

Visp.<br />

Martina Lorenz beim Interview auf der <strong>sonos</strong>-<br />

Geschäftsstelle.<br />

Sind Sie schon in Ihrer Kindheit gehörlosen<br />

Menschen begegnet bzw. wann haben Sie<br />

angefangen, sich mit dem Thema Gehörlosigkeit<br />

zu beschäftigen?<br />

Ich bin praktisch seit meiner Geburt mit<br />

gehörlosen Menschen verbunden. Ich bin<br />

mit drei gehörlos geborenen Brüdern aufgewachsen.<br />

Ich war sozusagen umrahmt<br />

von der Gehörlosigkeit meiner Brüder.<br />

Einer war zwei Jahre älter und der andere<br />

zwei Jahre jünger als ich. Der dritte gehörlose<br />

Bruder war 9 Jahre älter als ich und<br />

ging in Zürich in die Gehörlosenschule,<br />

denn meine Eltern hatten zu Beginn ihrer<br />

Ehe in Zürich gelebt. Ich fühlte mich oft als<br />

Dolmetscherin, weil die Brüder fragten<br />

mich immer wieder, worüber denn die<br />

Hörenden sprechen würden. Für mich war<br />

es von Kindheit an eine Selbstverständlichkeit<br />

diesen Dienst zu tun und so gleichsam<br />

als Brückenbauerin zwischen zwei Welten<br />

zu walten. Was mir noch sehr präsent ist,<br />

sind die langen Trennungen von meinen<br />

Brüdern. Sie mussten alle eine Hörbehindertenschule<br />

besuchen. Damals gab es die<br />

IV noch nicht. Das Schuldgeld musste von<br />

meinen Eltern aufgebracht werden. So<br />

konnten die Kinder damals nur in den<br />

grossen Sommerferien heimkommen. An<br />

Weihnachten beispielsweise mussten<br />

meine gehörlosen Brüder immer in diesen<br />

Schulen bleiben. Das war hart <strong>für</strong> die<br />

betroffenen Kinder, aber auch <strong>für</strong> die<br />

Familie, die diese Trennung mittragen<br />

musste.<br />

Was ist ausschlaggebend <strong>für</strong> Ihren Entscheid<br />

gewesen in der Gehörlosenseelsorge<br />

tätig zu sein?<br />

17


Geprägt von diesen Erfahrungen war es <strong>für</strong><br />

mich auch ein Anliegen in die Gehörlosenseelsorge<br />

einzusteigen, als ich da<strong>für</strong> angefragt<br />

wurde. Ich wusste, <strong>das</strong>s die Gehörlosen<br />

auf spiritueller Ebene wenig mitbekommen,<br />

wenn sie einen Gottesdienst<br />

besuchen oder an einer kirchlichen Feier<br />

teilnahmen. Dazu etwas beizutragen, <strong>das</strong>s<br />

Menschen, die durch ihr Schicksal auf<br />

vieles verzichten mussten, auf geistiger<br />

Ebene Nahrung bekommen, war mein<br />

Anliegen. Und ich bin froh, <strong>das</strong>s ich diesen<br />

Entscheid getroffen habe.<br />

Was war ausschlaggebend da<strong>für</strong>, <strong>das</strong>s Sie<br />

in eine Klostergemeinschaft eingetreten<br />

sind?<br />

Der Entscheid, in eine Klostergemeinschaft<br />

einzutreten, hat verschiedene Aspekte. Da<br />

war sicher einmal mein Kontakt mit<br />

Ordensschwestern, während meinem<br />

Welschlandaufenthalt. Der Alltag generell<br />

war in jener Zeit - im Gegensatz zu heute -<br />

auch sehr geprägt und verbunden mit dem<br />

Glaubensleben. Die kirchlichen Feiern im<br />

Dorf waren immer auch Höhepunkte, die<br />

mir wichtig waren. Ein weiterer Punkt war,<br />

ich wollte mich <strong>für</strong> ein Ideal einsetzen. Ich<br />

wollte etwas bewirken. Ich wollte helfen<br />

und mich möglichst auch in der weiten Welt<br />

<strong>für</strong> diese Ideale einsetzen. So trat ich<br />

bereits in recht jungen Jahren in die Klostergemeinschaft<br />

ein. Nach meiner Ausbildung<br />

und Einführung ins Klosterleben war<br />

es mir erlaubt, auf unsere damalige Niederlassung<br />

nach Rhodesien - dem heutigen<br />

Zimbabwe - zu gehen. Dort war ich dann 10<br />

Jahre bei der Mambo Press tätig.<br />

Wie lange haben Sie nun als katholische<br />

Gehörlosenseelsorgerin in der Nordwestschweiz<br />

gearbeitet und welches sind die<br />

Schwerpunkte, die Sie gesetzt haben?<br />

24 Jahre lang habe ich mich immer wieder<br />

auf den Weg gemacht in den Kanton Solothurn.<br />

Ich habe mich dort mit Gehörlosen<br />

getroffen. Wir haben zusammen Gottesdienst<br />

gefeiert. Dazu kamen auch die<br />

Besuche im Spital, in Altersheimen oder<br />

sonstige Begegnungen, wenn es die Situation<br />

erforderte. Der Schwerpunkt bei dieser<br />

Aufgabe war die gute Zusammenarbeit mit<br />

meinem reformierten Kollegen Heinrich<br />

Beglinger. In diesen 24 Jahren hatten wir<br />

eine tolle Zusammenarbeit. Wie ich dies<br />

bereits bei seiner Verabschiedung sagte: er<br />

war <strong>für</strong> mich ein guter Bruder und Freund.<br />

Uns beiden war es ein Grundanliegen, uns<br />

<strong>für</strong> die Würde des Menschen einzusetzen<br />

und uns mit denjenigen Menschen auf den<br />

Weg zu begeben, die uns anvertraut waren.<br />

In meinen Gottesdiensten habe ich wenn<br />

ich wenn immer möglich visuelle Mittel eingesetzt.<br />

Beispielsweise mit farbigen<br />

Tüchern den Andachtsraum gestaltet oder<br />

sonst Anschauungsmaterial eingesetzt, um<br />

<strong>das</strong> was ich sagen wollte, verständlicher zu<br />

machen. Das ist enorm wichtig, wenn man<br />

gehörlose Menschen eine angemessene<br />

Form von Spiritualität erleben lassen<br />

möchte. Ganz wesentlich ist auch, <strong>das</strong> den<br />

Gottesdienst umrahmende gesellige<br />

Zusammensein mit Betroffenen. Dies ist in<br />

der Gehörlosenseelsorge ebenfalls sehr<br />

zentral.<br />

Welches sind die Meilensteine, wenn Sie<br />

jetzt auf Ihr Leben bzw. Ihr Berufsleben<br />

blicken?<br />

Meilensteine gibt es viele, so <strong>das</strong>s ich mich<br />

in der Aufzählung doch etwas einschränken<br />

möchte. Als ersten Meilenstein möchte ich<br />

meinen Eintritt in eine Klostergemeinschaft<br />

nennen. Das war etwas Besonderes in<br />

unserem Dorf. Denn dies hatte es bei uns<br />

damals lange Zeit nicht mehr gegeben. Ein<br />

weiterer Meilenstein war dann die Aussendung<br />

nach Zimbabwe. In den 10 Jahren, die<br />

ich dort verbracht habe, gäbe es auch viele<br />

Meilensteine zu erwähnen. Eine weitere<br />

grosse Herausforderung bildete dann <strong>für</strong><br />

mich die Rückkehr in die Schweiz. Nach der<br />

langen Zeit in Afrika fühlte ich mich plötzlich<br />

fremd hier. Ich musste mich wieder an<br />

die Verhältnisse und Gegebenheiten in der<br />

Schweiz gewöhnen. Das ist mir in der<br />

ersten Zeit nicht nur leicht gefallen. Ich<br />

spürte damals, <strong>das</strong>s eine Neuorientierung<br />

anstand. So nahm ich ein Studium auf und<br />

bereitete mich damit auf meine neuen Aufgaben<br />

in der Seelsorge vor. Ich war dann in<br />

der katholischen Kirchgemeinde zuerst in<br />

Bülach und dann in Emmen bei Luzern<br />

tätig. Gleichzeitig war ich aber immer auch<br />

in der Gehörlosenseelsorge aktiv. Natürlich<br />

gäbe es auch sehr viele Meilensteine in der<br />

Ordensgemeinschaft zu erwähnen. Es<br />

würde zu weit führen, wenn ich jetzt über<br />

alle Meilensteine in meinem Leben<br />

berichten würde. Es waren viele.<br />

Was ist Ihnen als besonders positiv und<br />

was als negativ in der Erinnerung haften<br />

geblieben bzw. welche Hochs und Tiefs<br />

haben Sie bei Ihrer Arbeit als Gehörlosenseelsorgerin<br />

bzw. in der Glaubenskongregation<br />

er- und durchlebt?<br />

Als besonders positiv ist mir eine Gegebenheit<br />

noch sehr präsent. Die meisten Gehörlosen<br />

haben mich als eine von ihnen angenommen.<br />

Da war zum Beispiel eine Frau,<br />

die nach mehr als zwei Jahren nicht<br />

glauben wollte, <strong>das</strong>s ich hörend bin. Auch<br />

an einen jungen Mann erinnere ich mich,<br />

der mich getestet hat. Er war gehörlos und<br />

sagte plötzlich und ganz unerwartet etwas<br />

ganz laut, um zu erkennen, ob ich darauf<br />

reagieren würde. Als er dann bemerkte,<br />

<strong>das</strong>s ich den Kopf in die Richtung, wo er<br />

war, gewendet habe, hat er mir erst<br />

geglaubt, <strong>das</strong>s ich hörend bin. Die Gehörlosen<br />

haben mir immer wieder gesagt, ich<br />

würde zu ihnen gehören, ich sei ein Mitglied<br />

ihrer Gemeinschaft. Das war eine sehr<br />

schöne Erfahrung. Gleichzeitig stimmt es<br />

mich aber auch oft traurig, <strong>das</strong>s bei den<br />

Gehörlosen häufig die Toleranz fehlt in<br />

Bezug auf unterschiedliche Ansichten im<br />

Zusammenhang mit der Gebärdensprache<br />

oder der Lautsprache.<br />

Zu den Hochs in der Kongregation gehören<br />

<strong>für</strong> mich dann vor allem die gemeinsamen<br />

Feiern, die gelungenen Gespräche und <strong>das</strong><br />

Austauschen über Gott und die Welt. Was<br />

zum eher schmerzlicheren Teil gehört ist,<br />

<strong>das</strong>s wir sagen müssen, es ist absehbar,<br />

<strong>das</strong>s unsere Aufgabe in ein paar Jahren zu<br />

Ende geht, weil der Nachwuchs fehlt.<br />

Was sind nach Ihrer Einschätzung die wichtigsten<br />

Anliegen der Gehörlosenseelsorge<br />

in der heutigen Zeit?<br />

Da gibt es ein grosses Anliegen. Ein Miteinander<br />

der verschiedenen Konfessionen und<br />

nicht ein Gegeneinander. Wenn uns dies<br />

nicht gelingt, haben wir unseren Auftrag<br />

verfehlt. Wir haben es dann nicht begriffen,<br />

was unsere Sendung ist.<br />

Unsere LeserInnen interessieren sich sicher<br />

auch <strong>für</strong> Ihr Privatleben bzw. <strong>das</strong> Leben in<br />

einer Glaubensgemeinschaft. Was möchten<br />

Sie dazu bekannt geben bzw. wie sieht so<br />

ein Tag in etwa aus?<br />

Ich lebe in einer kleinen Gemeinschaft mit<br />

drei Schwestern zusammen. Der Name<br />

unserer Kongregation ist Missions- und<br />

Anbetungsschwestern der heiligen Familie.<br />

Unser Orden wurde vor 70 Jahren<br />

gegründet im Hinblick, <strong>das</strong>s wir in die Missionsländer<br />

gehen und da mit den Patres<br />

zusammenarbeiten.<br />

In der Schweizer Niederlassung sind wir<br />

noch 19 Schwestern. Die meisten von uns<br />

waren in einem Missionseinsatz. Vor 17<br />

Jahren haben wir noch einen Aufbruch<br />

gewagt. So leben wir 4 Schwestern mitten


in einem Wohnquartier. Wir haben da auch<br />

eine kleine Kapelle, die wir zur Verfügung<br />

stellen <strong>für</strong> Gruppen von aussen. Dieses<br />

Angebot wird auch genutzt. Zweimal am<br />

Tag kommen wir Schwestern auch in dieser<br />

Kapelle zusammen, um miteinander zu<br />

beten und in Stille da zu sein vor Gott. Ein<br />

Nachmittag während der Woche gehört<br />

uns. Dann tauschen wir aus - sei es über ein<br />

Buch oder über einen Bibeltext. Wenn wir<br />

Gäste im Hause haben, essen sie mit uns<br />

zusammen. Sie sind auch eingeladen an<br />

unseren Gebetszeiten teilzunehmen. Bis<br />

zur Pensionierung haben die meisten<br />

Schwestern in ihrem Beruf gearbeitet. Was<br />

ich noch erwähnen möchte, ist, <strong>das</strong>s wir bei<br />

unserem Eintritt in die Gemeinschaft ja<br />

gesagt haben zu gewissen Verpflichtungen.<br />

So verzichten wir z.B. auf unseren Lohn.<br />

Dieser geht in die Gemeinschaftskasse.<br />

Aus diesem „Topf“ unterstützen wir unsere<br />

Mitschwestern in den Missionsgebieten.<br />

Wir haben aber ein Taschengeld, über <strong>das</strong><br />

wir frei verfügen können. Dies soll auch ein<br />

Zeichen der Solidarität sein mit Menschen,<br />

die viel weniger haben als wir.<br />

Was werden Sie nun nach Ihrer Pensionierung<br />

machen?<br />

Wie in einer Familie wird man auch im Kloster<br />

nicht pensioniert. Zumal wir keinen<br />

Nachwuchs haben, wollen wir schon noch<br />

ein wenig dran bleiben.<br />

Welche Bedeutung hat <strong>sonos</strong> als schweizerischer<br />

Dachverband der Fachhilfe <strong>für</strong> Sie<br />

persönlich?<br />

Ich war selber 8 Jahre im <strong>sonos</strong>-Vorstand<br />

tätig von 1990-1998. Es waren auch stürmische<br />

Zeiten, die ich da miterlebt habe.<br />

Neben allen „up and downs“, die <strong>sonos</strong><br />

hatte, habe ich den Eindruck, ist der <strong>Verband</strong><br />

bei allem doch bodenständig. So<br />

kann ich wünschen, <strong>das</strong>s diese Bodenständigkeit<br />

auch in Zukunft nebst allen<br />

Stürmen erhalten bleibt.<br />

Wo sehen Sie die Chancen heute <strong>für</strong> den<br />

<strong>Verband</strong> <strong>sonos</strong>?<br />

Martina Lorenz freut sich sichtlich über den von Léonie Kaiser überreichten Blumenstrauss.<br />

Eine ganz grosse Chance sehe ich, wenn<br />

<strong>sonos</strong> zum Brückenbauer werden könnte<br />

zwischen der Fach- und der Selbsthilfe.<br />

Lassen Sie mich <strong>das</strong> an einem Beispiel verdeutlichen.<br />

Als junge Schwester erlebte ich<br />

es, <strong>das</strong>s sich die Ordensgemeinschaften<br />

gegenseitig die Kandidatinnen „abjagten“.<br />

Jede Gemeinschaft wollte die meisten Eintritte<br />

verzeichnen können. Wir haben wenig<br />

miteinander ausgetauscht, wenig<br />

gemeinsam gemacht in all diesen verschiedenen<br />

Ordensgemeinschaften. Heute<br />

spüren wir aber, wir brauchen einander.<br />

Denn wir alle haben die gleichen Probleme.<br />

Wir arbeiten ja alle auf <strong>das</strong> gleiche Ziel hin<br />

und <strong>für</strong> den gleichen Auftraggeber. Vielleicht<br />

wäre vieles einfacher gewesen, wenn<br />

wir dies schon früher gemacht hätten. Aus<br />

dieser Erkenntnis heraus finde ich, wäre es<br />

eine ganz wichtige Aufgabe von <strong>sonos</strong><br />

heute, die verschiedenen Akteure und<br />

Kräfte im Gehörlosen- und Hörbehindertenwesen<br />

bündeln zu helfen.<br />

Wo liegen die grössten Probleme nach Ihrer<br />

Einschätzung heute im Gehörlosen- bzw.<br />

Hörbehindertenwesen?<br />

Die Sparmassnahmen und die Arbeitslosigkeit.<br />

Zu weiteren Problemen kann es auch<br />

kommen, wenn Gehörlose Kontakt nur<br />

unter ihres gleichen pflegen. Denn ich bin<br />

überzeugt, nur im Dialog können Verbindungen<br />

geschaffen werden, zwischen den<br />

Kulturen und zwischen den Religionen, was<br />

<strong>für</strong> den Frieden im Grossen wie im Kleinen<br />

sehr wesentlich ist.<br />

Gibt es sonst noch etwas, was Sie den LeserInnen<br />

der <strong>Verband</strong>szeitschrift <strong>sonos</strong> gerne<br />

mitteilen würden?<br />

Ich möchte abschliessend auf die philosophischen<br />

Gedanken von Martin Buber hinweisen,<br />

dessen Aussagen ich ganz wichtig<br />

finde. „Ich werde am Du“, sagt Martin<br />

Buber. Das bedeutet im Zusammenhang<br />

mit dem Hörbehindertenwesen: Ob hörend<br />

oder hörbehindert ist es so, <strong>das</strong>s wir einander<br />

viel zu geben haben. Nehmen wir die<br />

Chance hier und heute wahr, aufeinander<br />

zuzugehen und uns weniger voneinander<br />

abzukapseln.<br />

Obwohl Martina Lorenz nun kein offizielles<br />

Amt in der Gehörlosengemeinschaft mehr<br />

innehat, sind wir zuversichtlich, <strong>das</strong>s sie<br />

sich mit ihrer gewinnenden Art noch ganz<br />

lange <strong>für</strong> die Gehörlosen in der Schweiz<br />

einbringen wird. Wir wünschen Martina<br />

Lorenz auf ihrem weiteren Lebensweg von<br />

Herzen nur Gutes und hoffen, <strong>das</strong>s sie noch<br />

viele glückliche und schöne Momente<br />

erleben und geniessen kann. Léonie Kaiser<br />

und Roger Ruggli bedanken sich bei Martina<br />

Lorenz <strong>für</strong> <strong>das</strong> offene und herzliche<br />

Gespräch.<br />

[lk/rr]<br />

Martin Buber wurde<br />

1878 in Wien geboren und starb 1965 in<br />

Jerusalem. Er war ein österreichisch-israelischer<br />

jüdischer Religionsphilosoph. In<br />

seinem philosophischen Werken kommt<br />

bei Buber vor allem <strong>das</strong> Thema des Dialogs<br />

als anthropologisches Prinzip des Menschen<br />

zum Ausdruck. Sein Hauptwerk trägt<br />

den Titel „Ich und Du“ und behandelt <strong>das</strong><br />

Verhältnis des Menschen zu Gott und zum<br />

Mitmenschen als existentielle, dialogische<br />

und religiöse Prinzipien.<br />

19


Gottesdienste mit Übersetzung in<br />

die Gebärdensprache<br />

An der Medienorientierung vom Dienstag,<br />

12. August 20<strong>08</strong>, informiert die reformierte<br />

Kirchgemeinde Zürich Aussersihl über<br />

besondere geplante Aktivitäten in der<br />

City-Kirche Offener St. Jakob, am Stauffacher<br />

in Zürich.<br />

Stephanie Raschle übersetzt <strong>das</strong> Orgelspiel in die<br />

Gebärdensprache.<br />

Die anwesenden Medienschaffenden und<br />

Kirchenvertreter werden durch ein Orgelspiel,<br />

von Sascha Rüegg, Organist und Kantor<br />

Kirche St. Jakob, herzlich in der City-<br />

Kirche willkommen geheissen. Das nicht<br />

alltägliche und sicher aussergewöhnliche<br />

ist aber, <strong>das</strong>s die Orgelmusik in die<br />

Gebärdensprache übersetzt wird. Anselm<br />

Burr, Pfarrer in der City-Kirche, begrüsst die<br />

Anwesenden ganz herzlich zur Medienorientierung.<br />

Speziell begrüsst Pfarrer Anselm<br />

Burr die beiden Gebärdensprachdolmetscherinnen,<br />

Stephanie Raschle und Petra<br />

Zingg sowie Léonie Kaiser, Geschäftsführerin<br />

von <strong>sonos</strong> und Peter Hemmi als Vertreter<br />

der Zeitschrift visuell-plus.<br />

Aus Sicht der Gehörlosen und Hörbehinderten<br />

steht natürlich die Orientierung<br />

über die geplanten Gottesdienste mit Übersetzung<br />

in die Gebärdensprache im Fokus<br />

der Berichterstattung.<br />

Pfarrer Anselm Burr: „Das Kerngeschäft<br />

und der Hauptauftrag der Kirche, ist die<br />

Verkündung.“ Burr informiert: „In der<br />

Schweiz leben über 8’000 gehörlose Menschen.<br />

Allein im Grossraum Zürich leben<br />

schätzungsweise 2’000 Gehörlose. Bisher<br />

konnten die Gehörlosen von den normalen<br />

Gottesdiensten der Landenskirchen nur<br />

bedingt profitieren. Die grosse Einschränkung<br />

ist, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> gesprochene Wort nicht<br />

in ihre Muttersprache - der Gebärden-<br />

sprache - übersetzt wurde und wird. Dies<br />

soll sich nun aber ändern. Versuchsweise<br />

wird ab <strong>September</strong> 20<strong>08</strong> während eines<br />

halben Jahres, jeweils am 1. Sonntag im<br />

Monat, der Gottesdienst in der City-Kirche<br />

Offener St. Jakob simultan in die Gebärdensprache<br />

übersetzt. Selbstverständlich<br />

muss sich niemand vorgängig anmelden.<br />

Wer Lust hat, kommt einfach ganz normal<br />

in den Gottesdienst und ist dazu herzlich<br />

eingeladen. Ich bin sicher, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> neue<br />

Angebot auch ein Gewinn <strong>für</strong> die Hörenden<br />

werden wird. Ganz nach der biblischen<br />

Redewendung „und siehe des Herrn Wort<br />

geschah“. Ich denke, ein Bedürfnis nach<br />

gebärdensprachübersetzten Gottesdiensten<br />

ist ausgewiesen und <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Projekt<br />

über die Versuchsphase hinaus definitiv<br />

weitergeführt werden wird. Das Fernziel ist,<br />

<strong>das</strong>s in Zukunft auf dem Stadtgebiet von<br />

Zürich an jedem Sonntag in irgendeiner<br />

Kirche ein Gottesdienst mit Gebärdensprachübersetzung<br />

stattfindet.“<br />

Pfarrer Anselm Burr bedankt sich bei der<br />

Geschäftsführerin von <strong>sonos</strong>, Léonie<br />

Kaiser, die wesentlich dazu beigetragen<br />

hat, <strong>das</strong>s dieses Projekt überhaupt realisiert<br />

werden konnte. Die anfallenden<br />

Kosten <strong>für</strong> die durch die Stiftung Procom<br />

vermittelten Gebärdensprachdolmetscher-<br />

Innen werden während der Versuchsphase<br />

durch die Kirchgemeinde übernommen. Mit<br />

den beiden Gehörlosenpfarrämter des Kantons<br />

Zürich findet ein gegenseitiger Austausch<br />

über die gemachten Erfahrungen<br />

statt.<br />

Die City-Kirche Offener St. Jakob am Stauffacher<br />

in Zürich lädt Gehörlose und<br />

Hörende zum gemeinsamen Gottesdienst<br />

ein. Ab dem <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, jeweils am 1.<br />

Sonntag im Monat.<br />

„Was <strong>für</strong> die einen kostbarstes Gut ist, ist<br />

<strong>für</strong> andere ein Handicap: die Stille.“<br />

[rr]<br />

Pfarrer Anselm Burr will <strong>für</strong> alle Menschen eine<br />

offene Kirche und da<strong>für</strong> engagiert er sich täglich.<br />

Interview mit Anselm Burr zu den<br />

6 Gottesdiensten mit Gebärdensprachübersetzung<br />

von <strong>September</strong><br />

20<strong>08</strong> bis Februar 2009<br />

<strong>sonos</strong>: Zwischen <strong>September</strong> 20<strong>08</strong> und<br />

Februar 2009 soll jeweils am ersten<br />

Sonntag eines Monats ein Gottesdienst in<br />

der City-Kirche Offener St. Jakob am Stauffacher<br />

in Zürich in die Gebärdensprache<br />

übersetzt werden. Wie ist diese Idee entstanden<br />

und welche Ziele möchten Sie mit<br />

dieser Aktion erreichen?<br />

Es gibt Ideen, die schlagen ein wie eine<br />

Bombe - und man setzt sie um. Viele Vorhaben<br />

in meinem Leben und in meiner<br />

Arbeit an der City-Kirche am Stauffacher<br />

haben aber eine eher lange Entstehungszeit.<br />

Gottesdienste mit Gebärdensprache -<br />

diese Idee entstand allmählich. Wie ein<br />

Bach, der aus verschiedenen Quellen<br />

gespiesen wird.<br />

Da ist zunächst die Geschichte unserer<br />

Kirche: seit jener mittelalterlichen Kapelle<br />

im sog. ‚Siechenhauses’ ist der Name St.<br />

Jakob verbunden mit dem Schicksal<br />

benachteiligter Menschen. Zunächst mit<br />

Kranken, sozial Schwachen, dann Fremden<br />

- also Menschen, die gegenüber anderen<br />

mit einem Handicap leben müssen.<br />

Schon als ich vor 35 Jahren meine erste<br />

Pfarrstelle (am Universitäts-Spital Basel)<br />

antrat, war es mir ein Anliegen, Wortsprache<br />

und Zeichensprache ausgewogen<br />

im Gottesdienst einzusetzen. Es war mir<br />

wichtig, nicht nur zu reden, sondern auch<br />

den Raum, die Präsentation der Feier<br />

gestalterisch zu durchdringen.<br />

Gebärdensprache ist <strong>für</strong> mich eine Art Performance.<br />

In der City-Kirche - so sagen wir<br />

immer wieder - sind Künstler die Men-


schen, auf die wir vornehmlich achten<br />

wollen.<br />

Eines Tages bekam ich von der Geschäftsführerin<br />

von <strong>sonos</strong> die Einladung zu einem<br />

Konzert, <strong>das</strong> in Gebärdensprache übersetzt<br />

wurde. Die Aufführung, <strong>das</strong> Zusammenspiel<br />

von Musik und bewegten Zeichen hat<br />

mich beeindruckt.<br />

Zuletzt: im Zürcher Kirchenboten erschien<br />

ein eindrücklicher Artikel mit Fotos über<br />

<strong>das</strong> Unser-Vater in Gebärdensprache.<br />

Alle dies liess in mir die Überzeugung<br />

wachsen, <strong>das</strong>s ein von Gebärdensprache<br />

begleiteter Gottesdienst ein Gewinn, eine<br />

Vertiefung sein könnte <strong>für</strong> Hörende und<br />

Nichthörende.<br />

Stehen die sechs Gottesdienste, die in<br />

Gebärdensprache übersetzt werden in<br />

einem thematischen inneren Zusammenhang<br />

und wenn ja, wie lautet der Titel?<br />

Nein, es ist keine Fortsetzungsreihe<br />

geplant. Das zeichnet die Arbeit am<br />

Offenen St. Jakob auch aus. Man kann<br />

anonym kommen und gehen. Wir versuchen<br />

nicht, eine neue Gehörlosen-<br />

Gemeinde zu gründen. Wir haben nicht die<br />

Erwartung, <strong>das</strong>s jemand gleich mehrere<br />

dieser Gottesdienste besuchen sollte. Es<br />

ist ein Angebot <strong>für</strong> Menschen, die <strong>das</strong> aus<br />

irgendeinem Grund erleben wollen. Die<br />

Idee ist: wenn Gehörlose spontan einen<br />

Gottesdienst miterleben wollen, dann<br />

haben sie einmal im Monat in der Kirche St.<br />

Jakob am Stauffacher die Gelegenheit<br />

dazu. Man muss sich weder anmelden noch<br />

Plätze reservieren. Die Kirche ist bestens<br />

mit den öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

erreichbar. Die Dolmetscherin wird von uns<br />

aufgeboten. Und wenn keine Menschen mit<br />

Hörbehinderung kommen, dann ist <strong>das</strong><br />

nicht tragisch. Die Performance des Gebärdens<br />

vertieft <strong>das</strong> Hören aller - wir alle sind<br />

ja etwas ‚hörgeschädigt’ oder ‚begriffsstutzig’<br />

oder ‚schwer von Begriff’. Das<br />

Evangelium ist etwas Elementares - und<br />

dies kommt in der Gebärdensprache sehr<br />

gut zum Ausdruck.<br />

Ist die Gehörlosenseelsorge in Ihr Projekt<br />

involviert bzw. wenn ja in welcher Form?<br />

Natürlich habe ich <strong>das</strong> Vorhaben zuallererst<br />

mit den Kollegen von der Gehörlosenseelsorge<br />

besprochen. Sie haben schnell<br />

verstanden, <strong>das</strong>s wir keine Konkurrenz <strong>für</strong><br />

ihre Arbeit sind. Das Gehörlosenpfarramt<br />

lädt mehr als 30 mal pro Jahr zu ganz speziellen<br />

Gottesdiensten an verschiedenen<br />

Orten des Kantons ein. Da steht dann die<br />

Pflege der Gemeinschaft im Vordergrund.<br />

Man verbringt einen grossen Teil des Tages<br />

miteinander. In der City-Kirche wollen wir<br />

keine ‚Spezial-Gemeinde’ aufbauen. Wir<br />

wollen eine unaufgeregte Selbstverständlichkeit<br />

schaffen, die Einzelne benützen<br />

können: In einer der vielen Kirchen der<br />

Stadt soll es einmal im Monat einen Gottesdienst<br />

mit Übersetzung in die Gebärdensprache<br />

geben. Die Erfahrungen, die wir<br />

dabei machen, werden wir mit Fachleuten<br />

aus der Gehörlosenarbeit besprechen und<br />

auswerten.<br />

Haben Sie im Lauf Ihrer bisherigen Tätigkeiten<br />

als Pfarrer schon Aufgaben im<br />

Zusammenhang mit gehörlosen Menschen<br />

wahrgenommen bzw. wie haben sich diese<br />

Kontakte aus Ihrer Sicht gestaltet?<br />

Seit einigen Jahren werde ich immer wieder<br />

eingeladen, Gottesdienste mit Seh- und<br />

Hörbehinderten zu gestalten. Ganz eindrückliche<br />

Erfahrungen habe ich dabei<br />

gesammelt. Mir gefällt vor allem die Reduktion<br />

der Wörter zugunsten der elementaren<br />

Präsenz. Anders gesagt: <strong>das</strong> Hören steht in<br />

diesen Gottesdiensten im Vordergrund -<br />

und dieses Hören wird überraschender<br />

weise nicht durch die Menge der gesprochenen<br />

Wörter sichergestellt.<br />

Als junger Pfarrer hatte ich viel mit geistig<br />

behinderten Menschen zu tun. Hörbehinderte<br />

sind nicht geistig behindert - <strong>das</strong> ist<br />

klar. Dennoch: auch dort ist mir dieses Elementare<br />

in der Begegnung mit dem Heiligen<br />

besonders aufgefallen.<br />

Wo genau nehmen Sie an, liegen die Hauptprobleme<br />

<strong>für</strong> gehörlose und schwer hörgeschädigte<br />

Menschen und wie könnten aus<br />

Ihrer Sicht Ansatzpunkte <strong>für</strong> eine angemessene<br />

Unterstützung bzw. eine verbesserte<br />

Integration aussehen?<br />

Irgendwie scheint mir die Frage falsch<br />

gestellt. Aber <strong>das</strong> fordert mich heraus,<br />

nochmals deutlich zu sagen, um was es mir<br />

geht: ich möchte nicht ein Problem oder<br />

Defizit der Gehörlosen ausgleichen, den<br />

zahlreichen Hilfestellungen ein weiteres<br />

Angebot anfügen. Ich möchte die Gebärdensprache<br />

als Gewinn <strong>für</strong> den Gottesdienst,<br />

<strong>für</strong> <strong>das</strong> Elementare des Evangeliums,<br />

<strong>für</strong> die Arbeit an der Predigt erleben.<br />

Als Gewinn <strong>für</strong> Gehörlose und Hörende -<br />

und nicht als ‚gütige’ oder ‚gnädige’ Hilfeleistung<br />

der einen <strong>für</strong> die anderen.<br />

Ob dabei dann ein Stück Integration herausschaut?<br />

Ich lasse mich überraschen.<br />

Das bedeutet auch: es ist eine offene Frage,<br />

wer wen was wann integriert. Ich bin überzeugt,<br />

<strong>das</strong>s die Gebärdensprache allen<br />

Menschen beim Verstehen hilft und - wie<br />

alle Sprachen - <strong>das</strong> Risiko des Missverständnisses<br />

in sich trägt. Verstehen - sich<br />

selbst und den anderen - ist eine wesentliche<br />

Vorraussetzung zur Integration.<br />

Was soll aus Ihrer heutigen Einschätzung<br />

die Hauptbotschaft bilden, die Sie mit der<br />

Aktion der sechs Gottesdienste, die in<br />

Gebärdensprache übersetzt werden, erreichen<br />

möchten?<br />

Tut mir leid - ich verbinde keine Hauptbotschaft<br />

damit. Ich will mit anderen<br />

zusammen eine Erfahrung machen, die<br />

mich hoffentlich bereichert. Die Erfahrung<br />

des Elementaren. Wenn ich jetzt schon <strong>das</strong><br />

Resultat wüsste, dann könnte ich eine<br />

Hauptbotschaft verkünden. Ich bin aber bis<br />

jetzt nur neugierig. Ich will - um es ganz<br />

simpel zu sagen - wissen, wie man von Gott<br />

mit den Händen spricht.<br />

Sind Betroffene in die Gestaltung der sechs<br />

Gottesdienste mit GebärdensprachdolmetscherInnen<br />

einbezogen?<br />

Wie alle anderen GottesdienstbesucherInnen<br />

auch: sie feiern mit. Sie sind aber<br />

weder <strong>das</strong> Thema noch die Verantwortlichen.<br />

Ich werde Augen und Ohren offen<br />

halten. Wenn sich Leute zusammentun und<br />

dieses Anliegen weiter verfolgen, dann<br />

werden eines Tages vielleicht weitere Veranstaltungen<br />

in unserer Kirche in die<br />

Gebärdensprache übersetzt werden. Oder<br />

andere Kirchen nehmen diesen Anstoss<br />

auf: es wäre doch denkbar und vielleicht<br />

sogar wünschbar, <strong>das</strong>s jeden Sonntag in<br />

einer der Kirchen dieser grossen Stadt<br />

Gehörlose einen Gottesdienst besuchen<br />

können, dessen Sprache sie verstehen.<br />

Haben Sie schon einmal an einem Gottesdienst<br />

der Gehörlosenseelsorge teilgenommen<br />

und wenn ja, wie haben Sie diese<br />

Feier und <strong>das</strong> kirchliche Zusammensein von<br />

gehörlosen Menschen erlebt? Fliessen aus<br />

diesen Erlebnissen, die Sie hier allenfalls<br />

gemacht haben, Erkenntnisse in die sechs<br />

Gottesdienste mit GebärdensprachdolmetscherInnen<br />

ein?<br />

Nein, bis jetzt nicht. Allerdings habe ich<br />

schon öfters an Tagungen erlebt, <strong>das</strong>s<br />

gebärdet wurde. Durchs Fernsehen und<br />

grosse öffentliche Veranstaltungen wird die<br />

Gebärdensprache heute immer bekannter.<br />

Sie bringt – zumindest in der Vorbereitung<br />

der Veranstaltung - auch eine gewisse Verlangsamung<br />

und damit Vertiefung der Kommunikation<br />

zu Stande. Das tut gut in einer<br />

Zeit, in der Kommunikation immer<br />

schneller und damit oft oberflächlicher<br />

wird.<br />

21


Haben Sie sich mit der 5. IVG-Revision, die<br />

mittlerweile seit einem halben Jahr in Kraft<br />

ist, befasst? Was ist Ihre persönliche Meinung<br />

dazu bzw. zur Situation rund um die<br />

Invalidenversicherung?<br />

Ich habe mich damit nicht detailliert<br />

befasst.<br />

In Gehörlosenkreisen ist Ihre Person allenfalls<br />

nicht sehr bekannt. Sagen Sie doch<br />

noch ein paar persönliche Dinge über sich,<br />

wer Sie sind, was Ihnen wichtig ist als<br />

Pfarrer -und eventuell wenn Sie möchten -<br />

auch sonst im Leben?<br />

Es geht nicht um meine Person. Die vorläufig<br />

6 Gottesdienste werden teilweise<br />

auch von meinem Kollegen gestaltet. Als<br />

Pilgerpfarrer kennt man ihn in der ganzen<br />

Schweiz und weit darüber hinaus. Beide<br />

sind wir daran interessiert, <strong>das</strong>s die Gottesdienste<br />

in der City-Kirche Offener St. Jakob<br />

als ‚Gesamtkunstwerk’ gestaltet und erlebt<br />

werden können.<br />

Der Kirchenraum ist hell und farbig, ein<br />

eigentlicher Lebensraum. Ich selber bin ein<br />

eher visueller Typ: Zeichen, Gebärden,<br />

Gestaltung generell bedeuten mir viel. Ich<br />

verspreche mir durch die Gebärdensprache<br />

eine Bereicherung des Gesamterlebnisses<br />

Gottesdienst.<br />

Die City-Kirche Offener St. Jakob<br />

am Stauffacher in Zürichlädt Gehörlose<br />

und Hörende zum gemeinsamen<br />

Gottesdienst ein. Ab dem<br />

<strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, jeweils am 1.<br />

Sonntag im Monat.<br />

Hintergrundinformationen zur<br />

City-Kirche offener St. Jakob<br />

Von England her über Holland nach<br />

Deutschland kommend, haben seit Mitte<br />

der 1980er Jahre in zahlreichen Städten<br />

City-Kirchen von sich reden gemacht.<br />

Was steckt dahinter?<br />

In den meisten europäischen Stadtzentren<br />

trifft man auf <strong>das</strong>selbe Bild: Die grossen<br />

Kathedralen stehen nach wie vor dort, wo<br />

sie einst gut besucht waren, in ehemals<br />

dicht bevölkerten Quartieren. Seit die<br />

Wohnhäuser in den Stadtzentren immer<br />

mehr in Büro-und Geschäftshäuser umgewandelt<br />

wurden, wurde ihre Erhaltung<br />

jedoch <strong>für</strong> die immer kleiner werdenden<br />

Kirchgemeinden zur finanziellen Belastung.<br />

So sind in England und Holland, wo<br />

die Kirchgemeinden auf freiwillige<br />

Spenden angewiesen sind, bereits zahlreiche<br />

Gotteshäuser aufgegeben, einer<br />

neuen Nutzung (Parkhaus, Museum etc.)<br />

zugeführt oder gar abgerissen worden.<br />

Auch in der Schweiz wird man sich in den<br />

kommenden Jahren zu diesem Problem<br />

Gedanken machen müssen.<br />

City-Kirche<br />

Das Modell «City-Kirche» will diese Entwicklung<br />

aufhalten; es will einen anderen<br />

Weg aufzeigen. City-Kirchen positionieren<br />

sich selbstbewusst im städtischen Gefüge<br />

von Angebot und Nachfrage. Neben<br />

Konsum- und Musentempeln, neben Repräsentationsbauten<br />

politischer und wirtschaftlicher<br />

Macht treten die City-Kirchen<br />

als Gotteshäuser <strong>für</strong> die Unverfügbarkeit<br />

des Menschen ein: Der Mensch ist gerade<br />

dadurch Mensch, <strong>das</strong>s er nicht sich selbst<br />

gehört, sondern Gott, der alle Menschen zu<br />

Brüdern und Schwestern macht.<br />

City-Kirchen gibt es in ganz unterschiedlichen<br />

Versionen, je nach Situation vor Ort.<br />

Jede einzelne ist ein Unikat. Gemeinsam ist<br />

den City-Kirchen, <strong>das</strong>s sie werktags<br />

geöffnet sind. Dies ermöglicht den heute<br />

noch immer in ihrer Freiheit bedrohten Zeitgenossen/<br />

-innen die ganze Woche hindurch<br />

mitten in der Stadt einen Raum zu<br />

finden, in dem sie ganz zu sich selbst<br />

kommen können. Mit Ausstellungen, Konzerten,<br />

Events möchte die City-Kirche eine<br />

in die ganze Stadt ausstrahlende Plattform<br />

schaffen <strong>für</strong> den Dialog unterschiedlicher<br />

Versuche zur Sinngebung des Lebens. Sie<br />

möchte auf diese Weise auch Themen zur<br />

Sprache bringen, die in unserer Gesellschaft<br />

keine Stimme haben.<br />

Offener St. Jakob<br />

Die City-Kirche «Offener St. Jakob»: Wenige<br />

Monate nachdem Anselm Burr sein Amt<br />

Anfang der 90er Jahre in der Kirchgemeinde<br />

Aussersihl angetreten hatte, sprach sich<br />

<strong>das</strong> Zürcher Stimmvolk in einer zweiten<br />

Abstimmung <strong>für</strong> die definitive Schliessung<br />

des Quartiers und Kulturzentrums Kanzlei<br />

aus. Der Besuch der alljährlichen Konferenzen<br />

<strong>für</strong> Stadtkirchenarbeit sensibilisierte<br />

ihn <strong>für</strong> die Möglichkeiten einer so<br />

zentral gelegenen, grossen Kirche. Ermutigt<br />

durch praktische Erfahrungen in der<br />

Kirche zu St. Peter in Zürich und der Stadtkirche<br />

in Winterthur war es seine Vision,<br />

<strong>das</strong>s der «Offene St. Jakob» in die Lücke<br />

springen und einem Teil der heimatlos<br />

gewordenen kulturellen Initiativen Raum<br />

bieten könnte. Um auch Mitglieder anderer<br />

Religionen und Konfessionen sowie religionslose<br />

Menschen zum Mitgestalten zu<br />

animieren, wurde der Verein «Forum<br />

Offener St. Jakob» gegründet. Eine enorme<br />

Belebung der Kirche zu St. Jakob war die<br />

Folge. Durch eine Vielfalt von Aktivitäten<br />

hat sie sich einen Platz im Bewusstsein der<br />

in der Stadt Zürich lebenden Menschen<br />

geschaffen.


Der Teufel liegt im Detail<br />

Die 5. IVG-Revision ist mit Problemen<br />

behaftet, die man in den Griff bekommen<br />

muss. Im Fokus der Bemühungen sollten<br />

stets die IV-Fälle stehe.<br />

Text: Ruedi Schläppi in Schweizer Versicherung<br />

Nr. 8, August 20<strong>08</strong><br />

Seit Monaten werden im Zuge der Umsetzung<br />

der 5. IVG-Revision erfreuliche Meldungen<br />

laut, wie<br />

• die IV-Fälle konnten aufgrund der 4. und<br />

schliesslich auch infolge der Massnahmen<br />

der 5. Revision [Früherfassung<br />

und Frühintervention, kurz (FeFi)] drastisch<br />

gesenkt werden;<br />

• bezüglich der FeFi, dem Kernstück der 5.<br />

IVG-Revision, gingen in den ersten vier<br />

Monaten seit ihrer Inkraftsetzung per 1.<br />

Januar 20<strong>08</strong> bei den kantonalen IV-<br />

Stellen bereits 2’500 Meldungen zur Mithilfe<br />

ein.<br />

Diese Zahlen würden alle Erwartungen<br />

übertreffen, bestätigte BSV-Vizedirektor<br />

Alard du Bois-Reymond anlässlich einer<br />

durch den Schweizerischen Versicherungsverband<br />

(SVV) und die IV-Stellen-Konferenz<br />

(IVSK) organisierten Tagung in Zug. Jedoch<br />

blieb die Frage offen, mit welchen Massnahmen<br />

diese gemeldeten „Versicherungsfälle“<br />

weiter bearbeitet werden.<br />

Hilfesuchende abschieben<br />

Einmal mehr konnte man an dieser Tagung<br />

den Eindruck gewinnen, <strong>das</strong>s die Anliegen<br />

der betroffenen Versicherten zu wenig<br />

berücksichtigt werden. So stellte man nur<br />

die „guten“ Beispiele (optimale Ausgangslage<br />

der Betroffenen) als massgeblich dar.<br />

In den Diskussionen wurde meist der<br />

Begriff „Versicherungsfälle“ verwendet.<br />

Doch Seminarteilnehmende wiesen darauf<br />

hin, <strong>das</strong>s durch die Modalitäten der 5. IVG-<br />

Revision viele Hilfesuchende an die Sozialhilfe<br />

abgeschoben würden.<br />

Dies steht im Gegensatz zu früher, wo es<br />

angeblich umgekehrt gelaufen sei. Weshalb<br />

unter anderem wegen dem so<br />

genannten „Drehtüreffekt“ die 5. IVG-Revision<br />

angestrebt worden war. Meldungen<br />

über wachsende Ausgaben bei der Sozialhilfe<br />

reissen indes nicht ab. Mit vielfältigen<br />

Massnahmen versuchen die Berufsgruppe<br />

der Sozialarbeiter und die Sozialbehörde,<br />

den Schaden zu begrenzen. Unter<br />

anderem, indem versucht wird, Sozialhilfeempfänger<br />

mit der Androhung von Budgetkürzungen<br />

zur vermehrten Stellensuche zu<br />

bewegen.<br />

Immer wieder werden an den Informationsveranstaltungen<br />

zur Umsetzung der 5. IVG-<br />

Revision Rezepte verteilt, deren Zutaten<br />

den Eindruck erwecken sollten, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

Grundproblem - die Schwierigkeit, IV-Fälle<br />

zu vermeiden - damit in den Griff zu<br />

bekommen sei. Einerseits propagieren die<br />

beteiligten Institutionen Invalidenversicherung,<br />

Arbeitslosenversicherung/RAV-Beratung<br />

und Sozialhilfe immer wieder <strong>das</strong> vor<br />

mehreren Jahren lancierte Zusammenarbeitsprogramm<br />

IIZ (Interinstitutionelle<br />

Zusammenarbeit). Andererseits versuchen<br />

die Institutionen Invalidenversicherung (via<br />

IVSK), Krankentaggeld- und Pensionskassen-Versicherer<br />

die unbedingt erforderliche<br />

Zusammenarbeit vie iiz-plus (www.iizplus.ch)<br />

zu fördern. Dies unter Einbezug<br />

der Arbeitgeber.<br />

Schwierige Zusammenarbeit<br />

Dass die Zusammenarbeit vor allem unter<br />

den Krankentaggeld-Versicherern nicht<br />

ganz einfach ist, zeigen die Führungsrespektive<br />

die <strong>Verband</strong>sstrukturen dieser<br />

Versicherungs-Zweiggesellschaften. Sie<br />

sind unter drei Dachverbänden weitgehend<br />

voneinander unabhängig organisiert; den<br />

SVV, Santésuisse (Soziale Krankenversicherer,<br />

die auch Taggeldversicherungen<br />

nach VVG anbieten) und RVK (Rückversicherung,<br />

<strong>Verband</strong> und Kompetenz <strong>für</strong><br />

kleine und mittlere Krankversicherer).<br />

Erschwerend komme hinzu, <strong>das</strong>s die<br />

betriebliche Krankentaggeld-Versicherung<br />

noch immer nicht obligatorisch sei, heisst<br />

es in Fachkreisen.<br />

Auch die Pensionskassen, ebenfalls wichtige<br />

Partner in der angestrebten Zusammenarbeit<br />

iiz-plus, sind zerstreute Einzelversicherer,<br />

wenn nicht gar Einzelkämpfer,<br />

die in Verbänden/Organisation wie SVV,<br />

ASIP (<strong>Schweizerischer</strong> Pensionskassenverband)<br />

und/oder SPV/VPD (Schweizer Personalvorsorge/Verlag<br />

Personalvorsorge<br />

und Sozialversicherung AG) zusammenstehen.<br />

Sicher ist: Im Zusammenhang mit der<br />

Umsetzung der 5. IVG-Revision stehen<br />

noch Feinarbeiten an. Zurzeit sind die verschiedenen<br />

involvierten Institutionen<br />

gefordert herauszufinden, welche Positionen<br />

mit welchen Massnahem sie in<br />

diesem im Moment doch sehr unübersichtlichem<br />

und komplexen Räderwerk einnehmen<br />

wollen, oder müssen. Neben dem<br />

Spardruck, Wissenstransfer, Zeitdruck,<br />

Fachpersonalmangel, den Aus- und Weiterbildungsperspektiven,<br />

verschiedenen<br />

Formen von Case Management, etc. darf<br />

man die Ausgangslage der betroffenen<br />

Menschen selbst nicht vergessen zu<br />

berücksichtigen.<br />

Unwillkommene Ablenkung<br />

Nicht selten werden unter dem Aspekt des<br />

Projektes iiz-MAMAG die Sozialhilfeempfänger,<br />

während sie durch entsprechende<br />

Massnahmen zur Marktfähigkeit gebracht<br />

werden sollen, schikaniert. So wurden<br />

etwa einem Sozialhilfeempfänger in der<br />

Deutschschweiz, dem durch psychotherapeutische<br />

Massnahmen ein Wiederaufbau<br />

seiner Tagesstruktur ermöglicht werden<br />

sollte, im gleichen Atemzug die Wegspesen<br />

<strong>für</strong> die erforderliche Therapie um monatlich<br />

40 Franken gekürzt. Wer in dieser Branche<br />

tätig ist, weiss, <strong>das</strong>s <strong>für</strong> die Betroffenen<br />

bereits eine Budgetkürzung in dieser Höhe<br />

nicht unerheblich ist und <strong>für</strong> Unruhe<br />

sorgen kann.<br />

Im Rahmen der Umsetzung der 5. IVG-Revision<br />

werden immer wieder kritische<br />

Stimmen laut, die den stärkeren Einbezug<br />

der Arbeitgeber verlangen. Sicher ist, <strong>das</strong>s<br />

man auch diese Gruppe von Mitwirkenden<br />

im positiven Sinn gewinnen muss. Die<br />

Früherfassung soll letztlich nicht dazu<br />

dienen, <strong>das</strong>s ein Arbeitgeber früher<br />

Kenntnis davon hat, <strong>das</strong>s sein arbeitsunfähiger<br />

Mitarbeiter ein gesundheitlich<br />

bedingter Problemfall ist, und dies gegebenenfalls<br />

früher als bisher zur Kündigung<br />

führt.<br />

Komplexer als erwartet<br />

Dass die Revision bereits in der Konstruktion<br />

komplexer ist als erwartet, zeigt sich<br />

auch beim Betrachten des seit Anfang Jahr<br />

geltenden Gesetzes. Gemäss Artikel 18a<br />

IVG werden zugunsten von Versicherten in<br />

der Regel via Arbeitgeber Einarbeitungszuschüsse<br />

<strong>für</strong> maximal 180 Tage gewährt.<br />

Diese Zuschüsse haben Lohnersatzcharakter,<br />

weshalb in Abs. 3 des besagten IVG-<br />

Artikels festgehalten wird, <strong>das</strong>s darauf<br />

auch Sozialversicherungsbeiträge (AHV, IV,<br />

EO/MSE, ALV und UVG) zu bezahlen sind.<br />

Offenbar ist dem Gesetzgeber, sprich den<br />

Parlamentariern, entgangen, <strong>das</strong>s während<br />

einer solchen Eingliederungsphase <strong>für</strong> die<br />

Betroffenen auch Pensionskassenbeiträge<br />

(BVG) fällig werden; und die sind meist<br />

nicht gering. Vielleicht zeigt dies, <strong>das</strong>s in<br />

23<br />

Soziales und<br />

Politik


den Diskussionen um die Revision der<br />

erkrankte oder verunfallte Patient nicht im<br />

Zentrum der Sache stand? Somit muss auch<br />

während einer Genesungsphase die einzugliedernde<br />

Person um ihr Recht kämpfen,<br />

weil allgemein die BVG-Welt bloss Status der<br />

Erwerbsunfähigkeit (also den Invaliditätsfall)<br />

kennt. Die Leistung „Prämienbefreiung“,<br />

etwa bei BVG-Versicherungslösung in der<br />

Phase der Arbeitsunfähigkeit, ist in der Regel<br />

noch immer im Einzelfall bei jeder Pensionskasse<br />

abzuklären.<br />

Chance nutzen<br />

Allein schon diese Aspekte zeigen, <strong>das</strong>s der<br />

Teufel im Detail liegt. Die beteiligten Parteien<br />

samt Politik sind aufgefordert, bei der Umsetzung<br />

der 6. IVG-Revision über die Bücher zu<br />

gehen, um ein besseres Funktionieren der<br />

Koordination im Sinne der Betroffenen zu<br />

ermöglichen.<br />

Gegen verstaatlichte<br />

Hörhilfen<br />

Text: Daniel Friedli in Aargauer Zeitung vom 30. Juli 20<strong>08</strong><br />

Die IV will künftig selber entscheiden, an<br />

welche Hörgeräte sie etwas zahlt. Doch die<br />

Branche will dabei nicht mitmachen.<br />

Geschätzte 160’000 SchweizererInnen leben<br />

mit einem Hörgerät, viele davon unterstützt<br />

von der IV. Schon seit längerem ist klar, <strong>das</strong>s<br />

sich <strong>für</strong> sie nächstes Jahr einiges ändern wird.<br />

Weil sich die Kosten der Sozialwerke <strong>für</strong> Hörgeräte<br />

in den letzten Jahren verdoppelt<br />

haben, will <strong>das</strong> Bundesamt <strong>für</strong> Sozialversicherungen<br />

(BSV) die Notbremse ziehen: eine<br />

internationale Ausschreibung der Geräte soll<br />

die Preise drücken.<br />

Mittlerweile hat <strong>das</strong> BSV die Branche nun<br />

informiert, wie es dabei im Detail vorgehen<br />

will: neu sollen AHV und IV die Hörgeräte<br />

selber einkaufen, wobei der Bund nur noch<br />

maximal vier Hersteller zu berücksichtigen<br />

gedenkt. Die Hörbehinderten erhalten<br />

sodann nicht mehr einfach eine Vergütung <strong>für</strong><br />

<strong>das</strong> gewählte Gerät. Unterstützung gibt es<br />

nur noch, wenn sie ein Gerät eines Vertragslieferanten<br />

des BSV auswählen. Abgewickelt<br />

wird <strong>das</strong> System über ein im Auftrag des BSV<br />

betriebenes Logistikzentrum. Es bestellt die<br />

ausgewählten Geräte, rechnet sie ab und gibt<br />

sie an die Fachgeschäfte weiter. Auch Reparaturen<br />

und Garantiefälle sollen über dieses<br />

Zentrum laufen.<br />

Existenzangst in der Branche<br />

Kein Wunder, haben die Akustiker da<strong>für</strong><br />

wenig Gehör. „Das BSV will damit einen<br />

ganzen Markt verstaatlichen“, protestiert<br />

Stefan Born, Präsident der Hörgeräte Fachhändler.<br />

Er spricht von einem Eingriff in die<br />

Wirtschaftsfreiheit, der die Fachgeschäfte<br />

zur reinen Abgabestelle degradiere-<br />

und <strong>für</strong> sie einschneidende finanzielle<br />

Folgen habe. Denn sie würden<br />

sowohl ihre Verkaufsmarge wie auch die<br />

beim Einkauf anfallenden Mengenrabatte<br />

an die IV verlieren. Laut Born wäre<br />

rigoroses Sparen die Folge, auch bei<br />

Beratungsqualität und Service. Ebenso<br />

heftig ist der Protest der Hörgeräte-Hersteller,<br />

von denen einige um ihre Existenz<br />

<strong>für</strong>chten. „Wer in der Ausschreibung<br />

nicht berücksichtigt wird, der kann sein<br />

Geschäft schliessen“, sagt Martin Hofer,<br />

Präsident des Hersteller-<strong>Verband</strong>es HSM.<br />

Denn ausserhalb der Sozialwerke gibt es<br />

in der Schweiz <strong>für</strong> Hörgeräte schlicht<br />

keinen richtigen Markt. Treffen könnte es<br />

auch Schweizer Produzenten wie Oticon<br />

in Solothurn oder Bernafon in Bern.<br />

Den Druck verlagern<br />

Beim BSV weist man diese Bedenken<br />

zurück. „Die Sorge der Branche betrifft<br />

primär ihre eigenen Gewinne“, sagt Sprecher<br />

Rolf Camenzind. Denn mit der Ausschreibung<br />

werde die Branche unter Konkurrenz-<br />

und Preisdruck gesetzt. Solange<br />

die Akustiker mit teuren Geräten höhere<br />

Margen erzielen können, hätten sie<br />

schlicht kein Interesse daran, günstigere<br />

Geräte zu verkaufen. Unter dem Strich<br />

erhofft sich <strong>das</strong> Amt vom neuen System<br />

Einsparungen von bis zu 20 Millionen<br />

Franken im Jahr und will darum nun<br />

schnell Nägel mit Köpfen machen: Schon<br />

in wenigen Wochen soll die Ausschreibung<br />

starten.<br />

Widerstand absehbar<br />

Dazu gilt es freilich auch noch politischen<br />

Widerstand zu überwinden. „Ich erachte<br />

diese Pläne als verfehlt und bin auch<br />

ziemlich erstaunt, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> BSV auf eine<br />

solche Idee kommt“, meint die Aargauer<br />

CVP-Nationalrätin Ruth Humbel, die in<br />

dieser Sache bereits eine kritische Interpellation<br />

an den Bundesrat gerichtet hat.<br />

Ihrer Meinung nach sollen die Kosten<br />

durch mehr Wettbewerb sinken und nicht<br />

durch staatlich festgesetzte Höchstpreise.<br />

Und auch die Branche selber will dem<br />

Systemwechsel nicht tatenlos zusehen.<br />

„Wir sind bereit, die Wahlfreiheit notfalls<br />

bis vor Bundesgericht zu erstreiten“,<br />

kündigt Born an. Und damit es erst gar<br />

nicht so weit kommt, wird in der Branche<br />

auch damit geliebäugelt, sich der Ausschreibung<br />

zu verweigern - und <strong>das</strong><br />

System ins Leere laufen zu lassen.<br />

Rüge an die Maturitätskommission<br />

wegen Behandlung eines<br />

Behinderten<br />

NZZ vom 4. August 20<strong>08</strong><br />

Das Bundesverwaltungsgericht wirft der<br />

Schweizerischen Maturitätskommission im<br />

Zusammenhang mit der Behandlung eines<br />

körperbehinderten Kandidaten eine Verletzung<br />

der Würde des Menschen vor und verlangt<br />

eine kostenlose Wiederholung der Prüfungen<br />

in den Bereichen Naturwissenschaften<br />

sowie Geistes- und Sozialwissenschaften.<br />

Der Entscheid kann nicht ans Bundesgericht<br />

weiter gezogen werden.<br />

Dem Kandidaten waren mit Rücksicht auf<br />

seine Behinderung im Fach Geschichte und<br />

Geografie zwei zusätzliche Stunden Prüfungszeit<br />

zugestanden worden, doch blieb er<br />

während dieser Zeit im Hörsaal weitgehend<br />

sich selbst überlassen. Da er sich alleine<br />

nicht zur Toilette begeben konnte, kam es zu<br />

einem <strong>für</strong> den Betroffenen äusserst unangenehmen<br />

Zwischenfall, den <strong>das</strong> Gericht wie<br />

folgt kommentiert: „Die Tatsache, <strong>das</strong>s ein<br />

Prüfungskandidat sich gezwungen sieht, in<br />

seine Hose zu urinieren, weil er den Prüfungsraum<br />

infolge seiner Behinderung nicht<br />

verlassen kann, verletzt nun aber in klarer<br />

Weise <strong>das</strong> in Art. 7 Bundesverfassung statuierte<br />

Gebot zur Achtung der Würde des Menschen.“<br />

Es liegt laut dem Urteil aus Bern auf<br />

der Hand, <strong>das</strong>s nach einem solchen Zwischenfall<br />

keine konzentrierte Prüfungsleistung<br />

mehr erbracht werden kann, weshalb<br />

die Prüfung wiederholt werden muss. Obwohl<br />

es den Vorfall auch als Benachteiligung im<br />

Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes<br />

wertet, lehnt es <strong>das</strong> Bundesverwaltungsgericht<br />

ab, die Prüfung einfach <strong>für</strong><br />

bestanden zu erklären, da es an einem gültigen<br />

Examensergebnis fehlt.<br />

Wiederholt werden muss auch die Prüfung in<br />

Physik, weil die Maturitätskommission dem<br />

behinderten Kandidaten zwar einen Note-<br />

Taker zur Verfügung stellte, um bei der grafischen<br />

Umsetzung von Formeln und Skizzen<br />

zu helfen. Die Anordnung wurde jedoch erst<br />

elfeinhalb Stunden vor Beginn der Prüfung<br />

per E-Mail mitgeteilt, was nach Auffassung<br />

des Bundesverwaltungsgerichts mit Blick auf<br />

reguläre Examensbedingungen zu kurzfristig<br />

war (vgl. Urteil B-7914/2007 vom 15.7.20<strong>08</strong> –<br />

rechtskräftig).<br />

Arbeitslosenversicherungsgesetz:<br />

Bundesgesetz schlägt<br />

Einsparungen vor<br />

Text: Tages-Anzeiger vom 26. Juni 20<strong>08</strong><br />

Der Bundesrat passt seinen Gesetzesvorschlag<br />

zur Revision der Arbeitslosenversicherung<br />

an. Nach der Vernehmlassung zur Avig-


Teilrevision hat der Bundesrat bei den Eckwerten<br />

zur Vorlage einige Anpassungen<br />

vorgenommen. Er kam dabei den bürgerlichen<br />

Parteien entgegen, indem er die ausgabenseitigen<br />

Einsparungen um 50 Millionen<br />

erhöhte und die befristete Beitragserhöhung<br />

halbierte.<br />

Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard<br />

legte vor den Medien noch einmal dar, <strong>das</strong>s<br />

die dem Arbeitslosenversicherungsgesetz<br />

(Avig) zu Grunde liegende Annahme von<br />

durchschnittlich 100 000 Arbeitslosen sich<br />

als zu tief erwiesen habe. Derzeit beträgt<br />

die Darlehensschuld der Arbeitslosenversicherung<br />

(ALV) 4,8 Milliarden Franken. Um<br />

<strong>das</strong> finanzielle Gleichgewicht wieder herzustellen<br />

und die Schulden abzubauen, sei<br />

eine Teilrevision nötig, sagte Leuthard. Die<br />

Vernehmlasser hätten diese mehrheitlich<br />

auch be<strong>für</strong>wortet. Auch die Beitragserhöhung<br />

um 0,2 Prozentpunkte, die je zur<br />

Hälfte von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite<br />

getragen werden soll, werde gemäss<br />

Vernehmlassung verbreitet be<strong>für</strong>wortet.<br />

Die Erhöhung wird allerdings von FDP und<br />

SVP sowie einigen Kantonen und Wirtschaftsverbänden<br />

abgelehnt. Auf der<br />

anderen Seite werden die geplanten Leistungskürzungen<br />

von bürgerlichen Parteien<br />

und Arbeitgeberorganisationen<br />

begrüsst, während Sozialdemokraten,<br />

Grüne und Arbeitnehmerorganisationen<br />

diesen kritisch gegenüber stehen.<br />

Auf Grund der Vernehmlassung hat der<br />

Bundesrat die Einsparungen auf der Leistungsseite<br />

von 481 auf 533 Millionen<br />

Franken erhöht. Für eine 400-tägige<br />

Bezugsdauer muss künftig während 18<br />

Monaten in die Arbeitslosenversicherung<br />

(ALV) einbezahlt werden, in der Vernehmlassungsvorlage<br />

waren 12 Monate vorgesehen.<br />

Hingegen wird die Wartezeit <strong>für</strong> alle<br />

Ausbildungsabgänger ohne einbezahlten<br />

Beiträge auf 120 Tage festgesetzt, auf die<br />

vorgeschlagene Verlängerung auf 260 Wartetage<br />

wird verzichtet.<br />

Bei den geplanten Beitragserhöhungen<br />

kam der Bundesrat den bürgerlichen Parteien<br />

entgegen. Zwar sollen die ordentlichen<br />

Beiträge <strong>für</strong> den Rechnungsausgleich<br />

wie vorgesehen auf 2,3 Prozent erhöht<br />

werden, was Mehreinnahmen von 486 Millionen<br />

Franken bringt. Die befristete Beitragserhöhung<br />

soll jedoch nur 0,1 und nicht<br />

wie ursprünglich vorgesehen ebenfalls 0,2<br />

Prozent betragen, so<strong>das</strong>s jährlich 230 Millionen<br />

Franken <strong>für</strong> den Schuldenabbau aufgewendet<br />

werden können. Das ebenfalls<br />

umstrittene Solidaritätsprozent soll in der<br />

Vorlage bleiben.<br />

«In Kürze»<br />

ZDF mit mehr Untertiteln<br />

Über 3600 Sendungen im ZDF-Programm<br />

mit rund 126’000 Sendeminuten waren im<br />

vergangenen Jahr mit Videotext untertitelt.<br />

Dies bedeutet gegenüber 2006 eine Steigerung<br />

von 5000 Sendeminuten. Das ZDF<br />

arbeite daran, dieses Angebot <strong>für</strong> hörbehinderte<br />

Menschen noch weiter auszubauen,<br />

kündigte ZDF-Intendant Markus Schächter<br />

in Mainz an.<br />

Paralympics 20<strong>08</strong> vom 6. bis 17. <strong>September</strong><br />

20<strong>08</strong> in Peking<br />

Erstmals senden ARD und ZDF bei den diesjährigen<br />

Paralympics eine Tageszusammenfassung,<br />

um der immer größer werdenden<br />

Zuschauerzahl gerecht zu werden. Denn<br />

während 1960, bei der Erstauflage der<br />

Olympischen Spiele <strong>für</strong> Menschen mit<br />

Behinderungen, gerade einmal 400 Athleten<br />

teilnahmen, waren es 2004 schon<br />

rund 4000 Teilnehmer. 88 Stunden gibt es<br />

deshalb in diesem Jahr aus Peking zu<br />

sehen. ARD und ZDF berichten im täglichen<br />

Wechsel mindestens drei Stunden pro Tag<br />

über die Paralympics. Auch die Eröffnungsfeier<br />

können die Zuschauer am 6. <strong>September</strong><br />

von 13.45 Uhr bis 16.15 Uhr verfolgen.<br />

Unter anderem wirken gehörlose<br />

Mädchen aus Jinan bei dieser Zeremonie<br />

mit und werden der tausendarmigen Gottheit<br />

Avalokitesvara Bodhisattva die<br />

Reverenz erweisen. Diese Gottheit steht im<br />

Buddhismus <strong>für</strong> Mitgefühl, Güte und Barmherzigkeit<br />

und ist Schutzpatronin von -<br />

Tibet.<br />

Seit 1960 werden die Sommer- sowie<br />

Winter-Paralympics alle vier Jahre veranstaltet.<br />

Für die Organisation und die Entwicklung<br />

ist <strong>das</strong> Internationale Paralympische<br />

Komitee verantwortlich. Der IPC wurde<br />

1989 in Düsseldorf gegründet und hat<br />

seinen Sitz in Bonn.<br />

Ergänzungsleistungen <strong>für</strong> 257 000 Menschen<br />

In der Schweiz haben im Jahr 2007 mehr als<br />

eine Viertelmillion Menschen Ergänzungsleistungen<br />

bezogen. Dies sind 1,5 Prozent<br />

mehr als im Jahr zuvor, was die tiefste<br />

Zuwachsrate seit zehn Jahren ergibt. Dies<br />

teilte <strong>das</strong> Bundesamt <strong>für</strong> Sozialversicherungen<br />

mit. Der Grund liegt bei den abnehmenden<br />

Zahlen bei den IV-Neurentnern.<br />

Allerdings ist der Bedarf nach Ergänzungsleistungen<br />

bei den IV-Rentenbezügern mit<br />

32 Prozent immer noch hoch. Bei der AHV<br />

erhielten hingegen nur 12 Prozent Ergänzungsleistungen.<br />

Abstimmungskampagne IV-Zusatzfinanzierung<br />

Das Massnahmenpaket zur Sanierung der<br />

IV durch Mehreinnahmen stellt ein absolut<br />

zentrales Anliegen der Behindertenorganisationen<br />

dar. Die Behindertenorganisationen<br />

werden deshalb eine eigenständige<br />

Kampagne führen und eine Vorreiterrolle<br />

gegenüber anderen be<strong>für</strong>wortenden<br />

Kreisen übernehmen müssen. Am 1. Juli<br />

20<strong>08</strong> ist in Bern diesbezüglich ein Verein<br />

gegründet worden, dem bereits rund zwei<br />

Dutzend Behindertenorganisationen<br />

angehören. Ob <strong>sonos</strong> sich auch aktiv beteiligen<br />

wird, entscheidet der <strong>sonos</strong>-Vorstand<br />

am 4. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>.<br />

Sprechende Bancomaten bei der Credit<br />

Suisse<br />

Die Grossbank Credit Suisse hat 209 sprechende<br />

Bancomaten in Betrieb genommen.<br />

Das Angebot richtet sich an Menschen mit<br />

Sehbehinderung. Die Bancomaten stehen<br />

an häufig frequentierten Standorten in<br />

allen Regionen der Schweiz wie die CS am<br />

21. Juli 20<strong>08</strong> bekanntgab. Die Bancomaten<br />

führen sehbehinderte und blinde BenutzerInnen<br />

in Deutsch, Italienisch, Französisch<br />

oder Englisch durch die angebotenen<br />

Dienstleistungen. Das Projekt ist Bestandteil<br />

des Programms <strong>für</strong> einen behindertengerechteren<br />

Zugang, <strong>das</strong> sich die CS mehrere<br />

Millionen Franken kosten lässt. Die<br />

Installation wurde in Zusammenarbeit mit<br />

Interessenvertretern durchgeführt, etwa<br />

mit der Schweizerischen Blindenbibliothek,<br />

dem Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband<br />

sowie dem Schweizerischen<br />

Blindenbund.<br />

Behindertenverband vom Bundesgericht<br />

zurückgewiesen<br />

Beim Um- oder Neubau eines öffentlich<br />

zugänglichen Gebäudes müssen nur diejenigen<br />

Gebäude- und Anlageteile behindertengerecht<br />

gestaltet werden, die vom Bauvorhaben<br />

tatsächlich betroffen sind. Übrige<br />

Gebäudeteile müssen laut einem vor<br />

kurzem veröffentlichten Bundesgerichtsentscheid<br />

nicht saniert werden (vgl. Urteil<br />

Bundesgericht 1C_48/20<strong>08</strong> vom 9. Juli<br />

20<strong>08</strong>).<br />

IV-Ermässigungen auf einen Blick im Netz<br />

Eine Übersicht über sämtliche IV-Ermässigungen<br />

in der Stadt Zürich sind online<br />

abrufbar auf www.iv-ermaessigung.ch. Die<br />

frisch aktualisierte Website präsentiert<br />

zahlreiche Angebote sowie Tipps zu kulturellen<br />

Veranstaltungen.<br />

25


Leben und<br />

Glauben<br />

Liebe Leserin<br />

Liebe Leser<br />

Auf dem Bild „stehen“ Sie im Kreuzgang<br />

des Klosters Kappel. Einige kennen diesen<br />

Anblick sicher, vielleicht vom Jahresausflug<br />

der Gehörlosengemeinschaft des Aargaus.<br />

Der besondere Ort, zu dem sich eine Reise<br />

immerwieder lohnt, hat einen schönen<br />

Namen: Haus der Stille und Besinnung.<br />

In der Gegend rundherum hat es Wiesen,<br />

wenig Autos, keine Hektik. Aber dieses<br />

Haus möchte Raum geben nicht nur <strong>für</strong> die<br />

äussere Ruhe, sondern vor allem <strong>für</strong> die<br />

innere Ruhe, die innere Stille und Besinnung.<br />

Es ist ein Kloster. Schon vor langer<br />

Zeit haben hier die Menschen die innere<br />

Stille und die innere Besinnung gesucht<br />

und geübt. Manchmal denken wir vielleicht:<br />

Wer im Kloster lebt, muss ein ganz<br />

besonderer Mensch sein, vielleicht ganz<br />

besonders fromm und schon fast etwas<br />

„heilig“. Ich habe eine kurze Geschichte<br />

gefunden, die uns daran erinnert, <strong>das</strong>s im<br />

Kloster Menschen leben wie Du und ich.<br />

Eine Klostervorsteherin redet mit einer<br />

Frau, die gerne in <strong>das</strong> Kloster eintreten<br />

würde. Diese junge Frau erzählt von sich<br />

und sagt, wie gut und fromm sie ist - sie<br />

stellt sich in den strahlendsten Farben vor.<br />

Die Klosterfrau soll ihr geantwortet haben:<br />

„Ich glaube, Sie bleiben besser in der Welt.<br />

Die Welt braucht Heilige. Wir hier im Kloster<br />

wollen erst heilig werden.“ Das bedeutet<br />

eben: Im Kloster sind Menschen, die miteinander<br />

auf dem Weg sind. Sie haben<br />

nicht schon alles gefunden, sondern sind<br />

auf der Suche, wie wir (vielleicht) auch. Ein<br />

Unterschied ist, <strong>das</strong>s man an einem Ort der<br />

besonderen Besinnung eben mehr Zeit hat<br />

<strong>für</strong> diese Suche nach dem, was unser Leben<br />

trägt, nach dem, was wirklich wichtig ist <strong>für</strong><br />

uns, nach den tiefen Fragen unseres Menschenlebens.<br />

Kappel war früher ein Zisterzienserkloster.<br />

Die Brüder und Schwestern dieses Ordens<br />

haben eine tiefe Verbindung zum Heiligen<br />

Benedikt. Von ihm kommen die Regeln <strong>für</strong><br />

ihr Zusammenleben. Am Anfang all seiner<br />

verschiedenen Regeln hat er geschrieben:<br />

Neige Deines Herzens Ohr.<br />

Das ist ein schönes Bild <strong>für</strong> mich: Wir sollen<br />

mit dem Herzen, mit dem Inneren hören. Es<br />

erinnert mich an einen anderen bekannten<br />

Vers. Diesen hat kein Heiliger gesagt, sondern<br />

ein Prinz. Und zwar „der kleine Prinz“.<br />

Im gleichnamigen Buch von Antoine de Saint-<br />

Exupéry steht der bekannte Satz: „Man sieht<br />

nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche<br />

bleibt den Augen verborgen.“ Ich denke,<br />

viele Menschen, die den Weg in ein Kloster<br />

gegangen sind, früher oder heute im Kloster<br />

leben, möchten genau dies lernen und leben:<br />

Das Wahrnehmen mit dem Herzen. In unserer<br />

Gesellschaft ist <strong>das</strong> Äussere sehr wichtig. Die<br />

Kleider, <strong>das</strong> Aussehen, die Arbeitsstelle.<br />

Doch ich denke, wir alle, alle Menschen -<br />

wenn wir auf unser Herz „schauen“, dann<br />

spüren wir, dann wissen wir alle: Das wirklich<br />

Wichtige ist im Inneren von uns allen. Darum<br />

ist es so gut, wenn wir alle uns Zeit nehmen<br />

können, immer wenn es möglich ist, ins Haus<br />

der inneren Ruhe und Besinnung zu gehen.<br />

Wir können leider nicht immer in ein schönes<br />

Kloster wie z.B. Kappel reisen, aber wir<br />

können dieses „Haus“ mitnehmen – in<br />

Gedanken, im Innern. Und dann zuhause<br />

oder bei der Arbeit eine Pause machen und<br />

uns vorstellen: Jetzt öffne ich die schöne<br />

grosse Türe zu meinem Haus der Besinnung.<br />

Und ich schliesse die Türe hinter mir und<br />

habe Zeit <strong>für</strong> mich. Für mein Herz, <strong>für</strong> meine<br />

Seele. Ich kann aufatmen, ausatmen, einatmen.<br />

Ich kann Kraft schöpfen. Vielleicht<br />

fühle ich mich plötzlich erleichtert. Vielleicht<br />

merke ich den Boden unter mir, wie er mich<br />

trägt und ich Halt habe. Vielleicht spüre ich<br />

<strong>das</strong> Leben in mir. Gott sei Dank!<br />

Annegret Behr<br />

Gesprächsgruppe<br />

<strong>für</strong> gehörlose und<br />

hörbehinderte<br />

Eltern<br />

Ziel der Gesprächsgruppe<br />

Gehörlose und hörbehinderte Eltern, wohnhaft<br />

im Kanton Aargau, erhalten die Gelegenheit,<br />

ihre Erfahrung in der Kindererziehung<br />

untereinander auszutauschen<br />

und über Erziehungsfragen zu diskutieren.<br />

Beispiele von Themen sind; Früherfassung,<br />

allgemeine Erziehungsfragen, Einschulung<br />

der Kinder, Lehrstellensuche, Problem mit<br />

der Schule, usw.<br />

Die Gruppe wird von Gerda Winteler, dipl.<br />

sozio-kulturelle Animatorin/HFS, begleitet.<br />

Bei Bedarf werden zu bestimmten Fragestellungen<br />

externe Fachpersonen beigezogen.<br />

Die Kommunikationsform ist entsprechend<br />

der hörbehinderten Situation angepasst<br />

(Gebärden- oder Lautsprache). Es wird in<br />

hochdeutsch kommuniziert.<br />

Anforderungen<br />

• Hörbehinderte oder gehörlose Eltern<br />

• Die Gesprächsgruppe wird ohne Kinder<br />

geführt<br />

• Das Mitmachen in der Gruppe ist<br />

kostenlos<br />

• Das Eintreten in die Gruppe ist jederzeit<br />

möglich<br />

• Die Gruppengespräche finden 1 bis 2 Mal<br />

im Monat statt<br />

• Das Projekt dauert von Juni 20<strong>08</strong> bis Juni<br />

2010<br />

Nächstes Treffen der Gruppe<br />

Datum: Donnerstag, 4. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>,<br />

19.00 bis 21.00 Uhr<br />

Ort: pro infirmis Rheinfelden, Diana<br />

strasse 1, 4310 Rheinfelden<br />

(im Gruppenraum)<br />

Das Projekt wird unterstützt von:<br />

Auskunft und Anmeldung:<br />

pro infirmis Rheinfelden Dianastrasse 1<br />

4310 Rheinfelden<br />

Telefon 061 836 95 95 Fax 061 836 95 99


Kirchliche Veranstaltungen<br />

Katholische Gehörlosengemeinden<br />

REGION AARGAU<br />

Kath. Gehörlosenseelsorge im Kt. Aargau<br />

Schönaustr. 21, Kanti Foyer, 5400 Baden<br />

Peter Schmitz-Hübsch<br />

Gehörlosenseelsorger<br />

Gian Reto Janki<br />

Gehörlosen-Jugendarbeiter<br />

Tel. 056 222 30 86<br />

Fax 056 222 30 57<br />

E-Mail kath.gl-seelsorge.aa@bluewin.ch<br />

www.ag.kath.ch<br />

Oekumenische Gehörlosen-Jugendarbeit<br />

Zürich und Aargau<br />

Gian-Reto Janki, Jugendarbeiter, gehörlos,<br />

Auf der Mauer 13, 8001 Zürich<br />

Telescrit 044 252 51 56<br />

Fax 044 252 51 55<br />

E-Mail jugend.gehoerlos@kirchen.ch<br />

REGION ZÜRICH<br />

Katholische Gehörlosenseelsorge Zürich<br />

Beckenhofstrasse 16, 8006 Zürich<br />

Briefadresse: PF 407, 8035 Zürich<br />

Telescrit 044 360 51 53<br />

Tel. 044 360 51 51<br />

Fax 044 360 51 52<br />

E-Mail info@gehoerlosenseelsorgezh.ch<br />

www.gehoerlosenseelsorgezh.ch<br />

Sonntag, 14. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 10.00 Uhr<br />

Katholischer Gottesdienst mit hörender<br />

Gemeinde St. Marien, Oberwinterthur<br />

REGION BASEL<br />

Katholische Hörbehindertenseelsorge KHS<br />

Basel, Häslirain 31, 4147 Aesch BL<br />

Tel. 061 751 35 00<br />

Fax 061 751 35 02<br />

E-Mail khs.rk@bluewin.ch<br />

Samstag, 20. <strong>September</strong>, 18.00 Uhr<br />

Wir treffen uns am Vorabend des Eidg. Dank-<br />

Buss- und Bettages im Pfarreiheim St. Franziskus<br />

in Riehen zum Gottesdienst und<br />

anschliessendem Beisammen sein.<br />

REGION ST.GALLEN<br />

Katholische Gehörlosenseelsorge<br />

des Bistums St.Gallen<br />

Klosterhof 6b, 9001 St.Gallen<br />

Dorothee Buschor Brunner<br />

Gehörlosenseelsorgerin<br />

Tel. 071 227 34 61<br />

Fax 071 227 33 41<br />

E-Mail gehoerlosenseelsorge@bistum-stgallen.ch<br />

Sonntag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 11.00 Uhr<br />

Bettagsausflug mit ökumenischem Gottesdienst<br />

in der Kapelle Triesenberg-Malbun,<br />

anschliessend Mittagessen im Alpenhotel.<br />

Evangelische Gehörlosengemeinden<br />

REGION AARGAU<br />

Reformierte Gehörlosenseelsorge<br />

im Kanton Aargau<br />

Pfrn. Annegret Behr<br />

Spalenvorstadt 18, 4051 Basel<br />

Tel. 061 262 28 02<br />

Fax 061 262 28 02<br />

E-Mail anna.behr@graviton.ch<br />

www.ref-ag.ch<br />

Sonntag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.15 Uhr<br />

Ref. Gottesdienst im Ref. Kirchgemeindehaus<br />

Baden<br />

REGION ZüRICH<br />

Kant. Pfarramt <strong>für</strong> Gehörlose Zürich,<br />

Oerlikonerstr. 98, 8057 Zürich<br />

Ref. Gehörlosengemeinde des<br />

Kantons Zürich<br />

Fax 044 311 90 89<br />

E-Mail gehoerlosenpfarramt.zh@ref.ch<br />

Samstag, 6. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.30 Uhr<br />

10 Jahre Jubiläum, ökum. Jugendarbeit<br />

Gehörlosenkirche Zürich-Oerlikon<br />

Sonntag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.30 Uhr<br />

Bettag, Ökum. Gottesdienst, Gehörlosenkirche<br />

Oerlikon<br />

GEHÖERLOSENGEMEINDE<br />

ST.GALLEN - APPENZELL - GLARUS - THUR-<br />

GAU - GRAUBÜNDEN - SCHAFFHAUSEN<br />

Pfarrer Achim Menges,<br />

oberer Graben 31,<br />

9000 St.Gallen<br />

Tel. 071 227 05 70<br />

Fax 071 227 05 79<br />

SMS/Mobile 079 235 36 48<br />

E-Mail gehoerlosenseelsorge@ref-sg.ch<br />

www.gehoerlosenseelsorge.ch<br />

Sonntag, 7. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>. 09.30 Uhr<br />

Gottesdienst in Nesslau, evang. Kirche<br />

(mit der hörenden Gemeinde)<br />

L. Schullerus, A. Menges<br />

Dienstag, 9. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 16.00 Uhr<br />

Senioren-Andacht in Trogen, Haus Vorderdorf<br />

(Gehörlosenheim) A. Menges<br />

Freitag, 19. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 09.00 Uhr<br />

Jugendgottesdienst <strong>für</strong> die Sprachheilschule<br />

St. Gallen, evang. Kirche Rotmonten<br />

A. Menges<br />

Bettag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong><br />

Ostschweizer Bettag, Ausfl ug und Gottesdienst<br />

(Malbun FL) Team<br />

Dienstag, 23.<strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 16.00 Uhr<br />

Senioren-Andacht in Trogen, Haus Vorderdorf<br />

(Gehörlosenheim) J. Manser<br />

REFORMIERTES GEHÖRLOSENPFARRAMT<br />

DER NORDWESTSCHWEIZ<br />

Pfr. Anita Kohler<br />

Friedenssrasse 14<br />

4144 Arlesheim<br />

Tel. 061 701 22 45<br />

E-Mail: anita.kohler@ref-aargau.ch<br />

anita.kohler@gmx.ch<br />

Sonntag, 7. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 10.00 Uhr<br />

Pauluskirche, Grundstrasse 18 in Olten<br />

Sonntag, 14. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.15 Uhr<br />

Reformierte Kirche, Schulstrasse in Sissach<br />

Sonntag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.15 Uhr<br />

Reformierte Kirchengemeindehaus, Oelrainstrasse<br />

21 in Baden<br />

Sonntag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 10.00 Uhr<br />

katholischer Gottesdienst<br />

Gemeindehaus Zwinglikirche, Berchtold<br />

Haller-Stube in Grenchen<br />

Sonntag, 28. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.30 Uhr<br />

Im Gemeindezentrum Breite, Farnsburgerstrasse<br />

58 in Basel<br />

REGION BERN, JURA<br />

Ref.-Kirchen Bern-Jura-Solothurn<br />

Bereich Sozial-Diakonie<br />

Schwarztorstrasse 20; Postfach 5461<br />

3001 Bern<br />

Tel. 031 385 17 17<br />

E-Mail: isabelle.strauss@refbejuso.ch<br />

Montag, 8. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 20.00 Uhr<br />

Stiftung Uetendorfberg<br />

Pfarrerin Franziska Bracher<br />

Dienstag, 9. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.30 Uhr<br />

Belp, Wohnheim<br />

Pfarrerin Franziska Bracher<br />

Sonntag, 14. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.00 Uhr<br />

mit Abendmahl<br />

Frutigen, Kirchgemeindehaus<br />

Diakon Andreas Fankhauser<br />

Mittwoch, 17. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 15.00 Uhr<br />

Heimstätte Bärau, Kirchli<br />

Diakon Andreas Fankhauser<br />

Sonntag, 21. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong>, 14.00 Uhr<br />

mit Abendmahl<br />

Bern, Marienkirche, Wylerstrasse 24,<br />

3014 Bern<br />

ökumenischer Gottesdienst zum Bettag<br />

Pfarrerin Susanne Bieler und Fridolin Noser<br />

27


Kostenlose Filmworkshops zum<br />

Thema „Respekt!“<br />

Die Schweizer Jugendfilmtage unterstützen<br />

Schulklassen und Jugendgruppen bei der<br />

Erstellung eines Filmes zum Thema<br />

„Respekt!“. Die so produzierten Filme werden<br />

mit grosser Wahrscheinlichkeit an den 33.<br />

Schweizer Jugendfilmtagen im März 2009 vor<br />

grossem Publikum aufgeführt. Die Workshops<br />

stehen auch Jugendlichen mit Behinderungen<br />

offen.<br />

„Respekt ist der Kitt unserer Gesellschaft“<br />

Ziel der Workshops ist es, <strong>das</strong>s die Jugendlichen<br />

zum Thema Respekt ihren eigenen<br />

Standpunkt entwickeln können, ihr Verhalten<br />

hinterfragen und dies in einen Film übersetzen.<br />

Die Filmarbeit ist dabei vor allem<br />

Teamarbeit, und <strong>das</strong> heisst, sich auseinandersetzen<br />

mit andern. Die Workshops sind<br />

eine Hilfe, Themen wie Respekt zwischen<br />

Jungen und Mädchen, Jugendgewalt, Aussenseiter/innen<br />

oder Behinderungen mit der<br />

Klasse anzugehen und zu verarbeiten. Als<br />

Lohn winkt dabei der grosse Auftritt an den<br />

Jugendfilmtagen 2009 mit einer professionellen<br />

Jury aus der Filmwelt und tollen<br />

Preisen.<br />

Jugendliche mit Behinderung? Willkommen!<br />

Unser Wunsch ist, nicht nur über Respekt und<br />

Behinderung zu sprechen, sondern mit<br />

unseren Workshops auch Jugendlichen mit<br />

Behinderung einen Zugang zum Filmen zu<br />

ermöglichen. Aus diesem Grund suchen wir<br />

Gruppen von Jugendlichen (Schulklassen,<br />

Wohngruppen, Vereine, Jugendorganisationen),<br />

die Lust haben, selber einen Film<br />

zum Thema Respekt zu erstellen. Die teilnehmenden<br />

Gruppen erhalten drei Tage inhaltliche<br />

und filmspezifische Unterstützung<br />

durch kompetente Fachpersonen. Die Workshops<br />

sind individuell planbar: Die Fachpersonen<br />

kommen zu vereinbarten Terminen zu<br />

den Gruppen in die Schule, den Jugendtreff<br />

oder nach Hause. Die Filme werden bis Ende<br />

Jahr fertig gestellt, von einer Vorjury bewertet<br />

und mit grosser Wahrscheinlichkeit an den<br />

Schweizer Jugendfilmtagen vorgeführt.<br />

Auch wenn Kenntnisse im Filme machen<br />

sicher von Vorteil sind, kann <strong>das</strong> Angebot<br />

auch ohne Vorkenntnisse benutzt werden:<br />

Wichtiger ist der Wille und die Lust, sich auf<br />

<strong>das</strong> Medium Film und <strong>das</strong> Thema Respekt einzulassen.<br />

Anmeldung und Detailinformationen auf:<br />

www.jugendfilmtage.ch/workshops.<br />

Am Montag, 8. <strong>September</strong> 20<strong>08</strong> findet in<br />

Zürich der Einführungstag „Von der Idee zum<br />

Film“ <strong>für</strong> die verantwortlichen Personen der<br />

Gruppen statt. Für Fragen steht Patric Schatzmann,<br />

Festivalleitung, gerne zur Verfügung:<br />

E-Mail: patric.schatzmann@jugendfilmtage.ch<br />

Telefon: 044 366 50 12, von Montag bis Mittwoch.<br />

Schweizer Jugendfilmtage<br />

Langstrasse 14, Postfach, 8026 Zürich<br />

Telefon: +41 44 366 50 10<br />

Fax: +41 44 366 50 15<br />

E-Mail: info@jugendfilmtage.ch<br />

www.jugendfilmtage.ch<br />

3. CI Forum St. Gallen der CI Interessengemeinschaft<br />

Schweiz (CI IG Schweiz), Samstag, 8. November 20<strong>08</strong><br />

Tagung <strong>für</strong> CI-TrägerInnen, Eltern von CI-Kindern und weiteren am CI interessierten Personen<br />

Programm<br />

09.00 – 10.00 Uhr Anmeldung, Kaffee und Gipfeli<br />

10.00 – 10.15 Uhr Begrüssung<br />

Hans-Jörg Studer, Präsident der CI IG Schweiz<br />

Bruno Schlegel, Direktor der SHS St. Gallen<br />

10.15 – 11.10 Dr. Bodo Bertram<br />

CI-Centrum Hannover<br />

Therapeutische Unterstützung von Kindern und Erwachsenen mit CI<br />

11.30 – 12.15 Edith Egloff<br />

Audioagogin, Gerontologin FH<br />

Auswirkungen einer Cochlea-Implantation auf die Partnerschaft<br />

12.15 – 13.30 Stehlunch<br />

Individueller Besuch bei den aussstellenden Herstellerfirmen:<br />

Fachpersonen beantworten persönliche Fragen<br />

ab 13.00 – 14.00 Prof. Dr. Peter Lienhard<br />

Mittendrin – und doch immer wieder draussen?<br />

Forschungsbericht zur beruflichen und sozialen Intergration<br />

junger hörgeschädigter Erwachsener<br />

14.00 – 14.30 Prof. lic. phil. Emanuela Wertli, Dipl. päd. Mireille Audeoud<br />

Befindensqualität hörbehinderter Kinder in Schule und Freizeit<br />

Neue Forschungsarbeit der Hochschule <strong>für</strong> Heilpädagogik, Zürich<br />

14.45 – 15.15 Prof. Dr. Rudolf Probst<br />

Direktor der HNO Klinik Universitätsspital Zürich<br />

Restgehör und trotzdem ein CI?<br />

15.15 – 16.00 Podium mit allen ReferentInnen<br />

Moderation: Clemens Wäger, Vertreter der SVEHK in der<br />

CI IG Schweiz<br />

16.15 Schlusswort / Ende der Tagung<br />

Eine Höranlage im Plenumssaal ist<br />

installiert, die Veranstaltung wird von<br />

einer Schriftdolmetscherin mitgeschrieben.<br />

Anmeldeschluss:<br />

Samstag, 3. November 20<strong>08</strong><br />

Die TeilnehmerInnenzahl ist begrenzt.<br />

Der Unkostenbeitrag kann an der<br />

Tagung bezahlt werden. Der Mittagslunch<br />

ist inbegriffen.<br />

Erwachsene Fr. 40.-<br />

Elternpaare Fr. 60.-<br />

Kinder werden von einem Team der<br />

Sprachheilschule St. Gallen betreut<br />

und nehmen gratis teil.<br />

Alle TeilnehmerInnen des letztjährigen<br />

Forums sowie alle, die dazu eine Einladung<br />

erhalten haben, sind auf unserer<br />

Adressliste und erhalten <strong>das</strong> Programm<br />

automatisch.<br />

CI Interessengemeinschaft Schweiz<br />

Feldeggstrasse 69<br />

Postfach 1332<br />

8032 Zürich<br />

Telefon 044 363 12 00<br />

Fax 044 363 13 03<br />

info@cochlea-implantat.ch<br />

www.cochlea-implantat.ch

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!