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Replik auf Gro<strong>de</strong>: NS-Euthanasie und ‚Bioethik’<br />
Der Holocaust: Ein Produkt <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne<br />
Entgegen geschichtsphilosophischer Deutungen <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong>rne, die diese als Heilsgeschichte, zumin<strong>de</strong>st aber – trotz aller<br />
Widrigkeiten und Rückschläge – stetig voranschreiten<strong>de</strong>s Fortschrittsgeschehen<br />
konzipieren, gehe ich nachfolgend von einer<br />
Offenheit <strong>de</strong>r Geschichte und gesellschaftlicher Entwicklungen<br />
sowie einer Anfälligkeit menschlicher Kulturen für einen Abfall von<br />
humanen Grundwerten aus, von <strong>de</strong>r auch die Mo<strong>de</strong>rne nicht frei ist.<br />
Die Geschichte Europas und <strong>de</strong>r westlichen Kulturen hat nicht nur<br />
unbezweifelte Fortschritte mit sich gebracht – die I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>r<br />
Freiheit, Gleichheit und Demokratie, die Errungenschaften <strong>de</strong>r<br />
Technik, <strong>de</strong>r Wissenschaften und <strong>de</strong>r Medizin, um nur einige<br />
Beispiele zu nennen. Sie hat auch ihre Schattenseiten und<br />
Ambivalenzen, und diese sind es, die es hier zu betrachten gilt.<br />
Der polnische Soziologe Zygmunt BAUMAN entwickelt vor diesem<br />
Hintergrund in seinem Buch Dialektik <strong>de</strong>r Ordnung – Die Mo<strong>de</strong>rne<br />
und <strong>de</strong>r Holocaust (1992) folgen<strong>de</strong> These: Er behauptet, beim<br />
Holocaust han<strong>de</strong>le es sich um <strong>de</strong>n extremen Ausdruck einer in <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong>rne selbst angelegten Möglichkeit. Der Holocaust war insofern<br />
kein Einbruch einer längst überwun<strong>de</strong>nen Barbarei in die Mo<strong>de</strong>rne,<br />
son<strong>de</strong>rn vielmehr „ihr schreckliches, doch legitimes Produkt“ (11).<br />
Der Holocaust wur<strong>de</strong>, wie BAUMAN schreibt, „inmitten <strong>de</strong>r<br />
mo<strong>de</strong>rnen, rationalen Gesellschaft konzipiert und durchgeführt, in<br />
einer hochentwickelten Zivilisation und im Umfeld außergewöhnlicher<br />
kultureller Leistungen; er muß daher als Problem dieser<br />
Gesellschaft, Zivilisation und Kultur betrachtet wer<strong>de</strong>n“ (10).<br />
Dieser These zufolge wäre daher weniger zu fragen, ob gegenwärtige<br />
Entwicklungen und ‚Zustän<strong>de</strong>’ in unserer Kultur sozusagen<br />
äußerlich und oberflächlich gesehen Ähnlichkeiten mit <strong>de</strong>r NS-Zeit<br />
aufweisen. Es wäre vielmehr in einer Art tiefengeschichtlichen (man<br />
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Heilpädagogik <strong>online</strong> 03/ 03