Lebenswertes Zusammenleben mit schwerstbehinderten Menschen
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Was ist Heilpädagogik ? 39<br />
wechseln die Tischgestecke und der Wandschmuck, an Karneval hängen überall<br />
Luftschlangen, zu Halloween werden schaurige Fensterbilder gebastelt und in die<br />
Fenster geklebt und bereits eine Woche vor Geburtstagen werden Girlanden und<br />
Luftballons aufgehängt. Andere Anzeichen nicht optischer Art können ebenso die für<br />
ein Ereignis typische Musik, wie zum Beispiel Karnevals- oder Weihnachtslieder<br />
sein, oder auch ein kennzeichnender Duft, wie etwa der sehr eindringliche von<br />
Hyazinthen im Frühling oder der unverkennbare Geruch von Sonnencreme im<br />
Sommer. So gibt es zahlreiche Möglichkeiten, jedem Bewohner, ganz gleich wie<br />
weitreichend seine Behinderung seine Wahrnehmung beeinträchtigen mag,<br />
un<strong>mit</strong>telbar erfahrbar werden zu lassen, daß gerade ein besonderes Ereignis des<br />
Jahres stattfindet.<br />
Für die Realisierung eines normalen Lebenslaufs (Punkt 4) ist die Veränderung der<br />
eigenen Wohnung je nach Lebensabschnitt unabdingbar (vgl. Kapitel 4.1). Einige<br />
Gegenstände sammeln sich an und werden individuelle Erinnerungsstücke, während<br />
man sich von anderen, die keinen ideellen Wert haben und aus denen man<br />
‘herausgewachsen’ ist, trennt. Bleibt ein Wohnraum hingegen ein halbes Leben durch<br />
unverändert, so ist er niemals der aktuellen Lebenswelt seines Bewohners angepaßt<br />
und kann nicht als ‘normal’ bezeichnet werden.<br />
Angemessene Kontakte zwischen den Geschlechtern (Punkt 6) können nur innerhalb<br />
einer Umgebung realisiert werden, in der die eigene Privatsphäre geachtet und die<br />
persönlichen Grenzen des einzelnen respektvoll behandelt werden. Bezogen auf den<br />
Lebensbereich Wohnen beginnt dies beim Anklopfen, bevor man das Zimmer eines<br />
anderen betritt.<br />
Ein weiterer, viel tiefgreifender Aspekt ist der Intimbereich der Bewohner, der nicht<br />
rücksichtslos der Öffentlichkeit preisgegeben werden darf. Niemand sieht es als<br />
‘normal’ an, auf der Toilette oder beim Waschen beobachtet zu werden; so<strong>mit</strong> haben<br />
Zuschauer auch in Wohngruppen für <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> einer schwer(st)en geistigen<br />
Behinderung im pflegerischen Bereich nichts zu suchen.