Von der Antike in die Neuzeit - sonderpaedagoge.de!

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16.07.2014 Aufrufe

Für die Gegenwart läßt sich hieraus schließen, dass die Integration von Menschen mit Behinderung gleichermaßen an Ideologien und Menschenbildern einer Gesellschaft, wie auch an die existierende ökonomische Standards gebunden ist. Anzudeuten ist abschließend die Frage, ob nicht auch die Debatte um die Sterilisation von Menschen mit schwerster geistiger Behinderung unterschwellig den ideologische Kern einer idealen Gesellschaft enthält. Bevor ich auf die weiteren Formen der Zuchtwahl eingehe, möchte ich den Aspekt der individuellen Unterschiede darlegen. Einleitend heißt es bei Darwin: „Niemand glaubt, daß alle Individuen einer Art nach demselben Modell gebildet sind. Solche individuellen Unterschiede sind aber für uns von größter Wichtigkeit, denn sie sind häufig ererbt, wie jedem bekannt sein wird“ 6 . Nicht nur Individuen sondern jede Gesellschaft ist geprägt durch die Heterogenität und interindividuellen Unterschieden der in ihr lebenden Menschen. Diese Unterschiede nimmt Darwin zum Kriterium der unbewußten Zuchtwahl. Durch Anwendung empirisch-rationeller Vorgehensweise müsse eine systematische Ordnung in die existierende Vielheit gebracht werden, um im Anschluß qualitative Kriterien zur Beurteilung der Unterschiede formulieren zu können. Diese Kriterien bleibt Darwins in Bezug auf Tier- und Pflanzenwelt jedoch schuldig. Bereits hier deutet sich an, daß er Heterogenität nicht als konstituierendes Merkmal von Sozietäten auffaßt und divergente Erscheinungsformen akzeptierend annimmt. Eine Gesellschaft muß in eigener Verantwortung hierarchische Strukturen ausbilden, damit eindeutige und zweifelsfreie Werturteile, die qualitative Bewertung der Menschen ermöglichen. Der Kampf ums existentielle Dasein, wie er sich aus den Theorien Darwins ergibt, weist eine wellenförmige Amplitude in seinem Turnus auf. In regelmäßig wiederkehrenden Zeiten der Not verstärkt sich der existentielle Kampf der Organismen ums Überleben. In dem Kampf ums Dasein erwähnt Darwin, „[...] die Abhängigkeit der Wesen voneinander“ 7 . Damit zeigt er eine soziale Komponente auf, die sich im gegenwärtigen Rehabilitationssystem von Menschen mit Behinderung als leitende Prämisse wiederfindet. Jedoch sind Darwins Vorstellungen der sozialen Bindung monozentristisch von ökonomisch-ökologischen Umständen abhängig. Dagegen ist der Integrationsgedanke in das bestehende, soziale Gefüge der Gesellschaft eine Konstante aller heilpädagogisch Tätigen. Seine Realisierung erscheint meines Erachtens aber in starkem Maße abhängig von real existierenden Lebensbedingungen zu 6 ebd. 2001, S. 77 7 ebd. 2001, S. 101 Diese und viele andere Examensarbeiten gibt es auf www.sonderpaedagoge.de 69

sein. Insofern enthalten Darwins Annahmen zum Sozialverhalten der Tier und Pflanzenwelt moderne und in die Gegenwart zu transformierende Elemente. Entscheidend sind jedoch die Folgerungen, welche er hieraus zieht. Jeder individuell entwickelte Vorteil wird im Kampf ums Dasein gegen den Anderen ausgenutzt. Positive Veränderungen der Individuen werden nach Darwin gewöhnlich auch an die Nachkommen vererbt und führen zu steigendem Vorteil einerseits und zunehmender Schwächung andererseits. Menschen mit Behinderung haben aufgrund ihrer Beeinträchtigung oftmals nicht die Möglichkeiten, mit einer sich progressiv entwickelnden und veränderbaren Gesellschaft mitzuhalten. Ihnen ist es zum Teil nicht möglich, die notwendigen Veränderungen selbständig zu erarbeiten und gleichzeitig erscheinen natürliche Veränderungen als lediglich subjektiver Fortschritt, aber in der Qualität nicht ausreichend, um im gesellschaftlichen „Kampf ums Dasein“ zur Sicherung der eigenen Position beizutragen. Die Diskrepanz der Menschen mit Behinderung zu den anderen Mitgliedern der Gesellschaft wird größer und zunehmend unüberbrückbar. Dieser Aspekt scheint in erschwerten Maße für Menschen mit Körper-, Geistiger- und schwerster Behinderung zu gelten. Als in der Natur zu beobachtendes Resultat schildert Darwin, „[...] daß der Tod gewöhnlich rasch kommt und daß der Kräftigste, Gesündeste und Glücklichste die anderen überlebt und sich fortpflanzt“ 8 . Gerade in diesem Zitat kommt erneut der selektionistische Charakter der Darwinistischen Theorie zum Ausdruck. Darüber hinaus enthält es zwei Attribute, die in Folge zunehmender Technologisierung der Gesellschaft an Bedeutung gewonnen haben. Eine kontinuierliche Modernisierung in allen Bereichen des Lebensvollzugs hat die Begriffe Kraft und Gesundheit in starke Reziprozität zu existierenden gesellschaftlichen Normen und Idealen gebracht. Insofern ist auch hier die Übertragung der naturwissenschaftlichen Ergebnissen Darwins in bestehende Gesellschaftssysteme möglich. In den zuvor behandelten Werken von Aristoteles und Morus wurden ausführliche Definitionen der Erscheinungsformen des menschlichem Glücks vorgestellt. Darwin verwendet den Begriff Glück nur an dieser einen Stelle und bringt seine inhaltliche Füllung in einen unmittelbaren Kausalzusammenhang. Glück ist demnach Produkt bestimmter Konstitutionen, in dem es als Ergebnis gewünschter Erscheinungsweisen auftritt. Eine ausführlichere Auseinandersetzung fehlt jedoch, was einerseits in dem Anliegen seines Werkes und andererseits der Verhaftung Darwins in der 8 ebd. 2001, S. 119 Diese und viele andere Examensarbeiten gibt es auf www.sonderpaedagoge.de 70

Für <strong>die</strong> Gegenwart läßt sich hieraus schließen, dass <strong>die</strong> Integration von Menschen mit<br />

Beh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>ung gleichermaßen an I<strong>de</strong>ologien und Menschenbil<strong><strong>de</strong>r</strong>n e<strong>in</strong>er Gesellschaft, wie<br />

auch an <strong>die</strong> existieren<strong>de</strong> ökonomische Standards gebun<strong>de</strong>n ist.<br />

Anzu<strong>de</strong>uten ist abschließend <strong>die</strong> Frage, ob nicht auch <strong>die</strong> Debatte um <strong>die</strong> Sterilisation von<br />

Menschen mit schwerster geistiger Beh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>ung unterschwellig <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>ologische Kern<br />

e<strong>in</strong>er i<strong>de</strong>alen Gesellschaft enthält.<br />

Bevor ich auf <strong>die</strong> weiteren Formen <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuchtwahl e<strong>in</strong>gehe, möchte ich <strong>de</strong>n Aspekt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>in</strong>dividuellen Unterschie<strong>de</strong> darlegen. E<strong>in</strong>leitend heißt es bei Darw<strong>in</strong>: „Niemand glaubt,<br />

daß alle Individuen e<strong>in</strong>er Art nach <strong>de</strong>mselben Mo<strong>de</strong>ll gebil<strong>de</strong>t s<strong>in</strong>d. Solche <strong>in</strong>dividuellen<br />

Unterschie<strong>de</strong> s<strong>in</strong>d aber für uns von größter Wichtigkeit, <strong>de</strong>nn sie s<strong>in</strong>d häufig ererbt, wie<br />

je<strong>de</strong>m bekannt se<strong>in</strong> wird“ 6 . Nicht nur Individuen son<strong><strong>de</strong>r</strong>n je<strong>de</strong> Gesellschaft ist geprägt<br />

durch <strong>die</strong> Heterogenität und <strong>in</strong>ter<strong>in</strong>dividuellen Unterschie<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> ihr leben<strong>de</strong>n<br />

Menschen. Diese Unterschie<strong>de</strong> nimmt Darw<strong>in</strong> zum Kriterium <strong><strong>de</strong>r</strong> unbewußten Zuchtwahl.<br />

Durch Anwendung empirisch-rationeller Vorgehensweise müsse e<strong>in</strong>e systematische<br />

Ordnung <strong>in</strong> <strong>die</strong> existieren<strong>de</strong> Vielheit gebracht wer<strong>de</strong>n, um im Anschluß qualitative<br />

Kriterien zur Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschie<strong>de</strong> formulieren zu können. Diese Kriterien bleibt<br />

Darw<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Bezug auf Tier- und Pflanzenwelt jedoch schuldig.<br />

Bereits hier <strong>de</strong>utet sich an, daß er Heterogenität nicht als konstituieren<strong>de</strong>s Merkmal von<br />

Sozietäten auffaßt und divergente Ersche<strong>in</strong>ungsformen akzeptierend annimmt. E<strong>in</strong>e<br />

Gesellschaft muß <strong>in</strong> eigener Verantwortung hierarchische Strukturen ausbil<strong>de</strong>n, damit<br />

e<strong>in</strong><strong>de</strong>utige und zweifelsfreie Werturteile, <strong>die</strong> qualitative Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen<br />

ermöglichen. Der Kampf ums existentielle Dase<strong>in</strong>, wie er sich aus <strong>de</strong>n Theorien Darw<strong>in</strong>s<br />

ergibt, weist e<strong>in</strong>e wellenförmige Amplitu<strong>de</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Turnus auf. In regelmäßig<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehren<strong>de</strong>n Zeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Not verstärkt sich <strong><strong>de</strong>r</strong> existentielle Kampf <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismen<br />

ums Überleben. In <strong>de</strong>m Kampf ums Dase<strong>in</strong> erwähnt Darw<strong>in</strong>, „[...] <strong>die</strong> Abhängigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wesen vone<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>“ 7 . Damit zeigt er e<strong>in</strong>e soziale Komponente auf, <strong>die</strong> sich im<br />

gegenwärtigen Rehabilitationssystem von Menschen mit Beh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>ung als leiten<strong>de</strong><br />

Prämisse wie<strong><strong>de</strong>r</strong>f<strong>in</strong><strong>de</strong>t. Jedoch s<strong>in</strong>d Darw<strong>in</strong>s Vorstellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen B<strong>in</strong>dung<br />

monozentristisch von ökonomisch-ökologischen Umstän<strong>de</strong>n abhängig.<br />

Dagegen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Integrationsgedanke <strong>in</strong> das bestehen<strong>de</strong>, soziale Gefüge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft<br />

e<strong>in</strong>e Konstante aller heilpädagogisch Tätigen. Se<strong>in</strong>e Realisierung ersche<strong>in</strong>t me<strong>in</strong>es<br />

Erachtens aber <strong>in</strong> starkem Maße abhängig von real existieren<strong>de</strong>n Lebensbed<strong>in</strong>gungen zu<br />

6 ebd. 2001, S. 77<br />

7 ebd. 2001, S. 101<br />

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