Von der Antike in die Neuzeit - sonderpaedagoge.de!
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7. Ausführungen der hermeneutischen Textanalyse: In diesem Kapitel werde ich die ausgewählten Texte hermeneutisch analysieren. Grundlage bildet hierbei der im Anhang aufgeführte Fragenkatalog. Die Ergebnisse meiner Auseinandersetzung mit den Werken werde ich in einem fortlaufenden Text formulieren. Die Beantwortung der systematischen und spezifischen Fragen in Form einzelner Inhaltsblöcke birgt meines Erachtens eine Gefahr, die Texte der Autoren in einzelne, voneinander getrennt Gedankengänge zu gliedern und wesentliche Momente und Aussagen verkürzt wiederzugeben. Den möglichen Transfer der Gedankengängen und ihr Vergleich mit aktuellen Ereignissen werde ich ebenfalls in den fortlaufenden Textkörper einfließen lassen. 7.1 Aristoteles und sein Werk der Nikomachischen Ethik: Eine Analyse der Nikomachischen Ethik bezüglich ihrer Aussagen zur Ethik, der implizierten Menschenbilder, Moralvorstellungen und zu leistenden Interpretationen auf mögliche Auswirkungen für Menschen mit Behinderung und speziell mit Körperbehinderung erfordert das ständige Bewußtsein, daß alle Aussagen auf Lebensverhältnissen basieren, die bereits über zweitausend Jahre zurückliegen. Unter Umständen können Meinungen und Aussagen von Aristoteles unvereinbar mit unseren heutigen Ansichten sein jedoch für die damalige Zeit durchaus modernes und fortschrittliches Gedankengut repräsentieren. Auffallend ist die Verwendung von Ethik als Substantiv im Buchtitel, während er bei seinen inhaltlichen Ausführungen durchgängig die adverbiale Form „ethisch“ nutzt. Diese sprachliche Struktur macht den praktischen Ansatz seiner philosophischen Schrift deutlich. Er philosophiert nicht über die Ethik sondern über Handlungsweisen, die einen ethischen Anspruch erfüllen. Aristoteles verzichtet auf die Formulierung metaethischer Normen genauso wie auf die Konstruktion von Bedingungen, unter denen diese Normen einerseits gesellschaftlich bindende Priorität darstellen, andererseits individuelle Freiheiten eine Ambivalenz gegen normative Vorgaben ermöglichen. Den Anspruch einer praktischen Philosophie und die Begründung seines Verzichts auf eine metatheoretische Ethik benennt er auf Seite 36: „[...] wir philosophieren nämlich Diese und viele andere Examensarbeiten gibt es auf www.sonderpaedagoge.de 39
nicht, um zu erfahren, was ethische Werthaftigkeit sei, sondern um wertvolle Menschen zu werden“ 1 . Neben seinem praktischen Anspruch wird hier eine vergleichsweise spezielle Definition von Ethik vorgestellt. Sie entspricht nicht dem heute verbreiteten Verständnis einer theoretischen Reflexionsebene von Moral und Moralität. Statt dessen weist seine Auffassung die Ethik als ein praktisches Instrumentarium zur Verwirklichung menschlicher Handlungen aus. Ziel ist die Ermöglichung sittlicher Trefflichkeit aller Menschen entsprechend einer ihnen gegebenen Situation. Die Begriffe Moral und Moralität zur Kennzeichnung praktischer Handlungen verwendet er nicht. Sie fließen bei Aristoteles in die Termini Ethik und ethisch ein. Aristoteles vollzieht keine explizite Deskription sozial-gesellschaftlicher Realität und hebt sich in diesem Punkt von Platon, seinem geistigen Lehrmeister, ab. Dieser ging in seinen Werken zur Ethik ausführlich auf gesellschaftliche, sozio-ökonomische und politische Bedingungen ein. Aristoteles behandelt in seinem Buch Komplexe der menschlichen Einzeltugenden, die er jeweils nach demselben Schema untersucht. Seine leitende Prämisse ist das richtige Verhalten entsprechend einer gegebenen Situation zu finden. Das richtige Verhalten und damit die sittliche Trefflichkeit bezeichnet er als die Mitte zwischen zwei Extremen, als Balance zwischen zwei gegenüberliegenden Pole. Für die jeweiligen, von ihm aufgezeigten Einzeltugenden, versucht er diese Mitte aufzuzeigen. Seine Ausblendung des kulturellen und gesellschaftlichen Kontext für die damaligen Zeit verursacht zwei wesentliche Folgen: Einerseits bilden seine formulierten Beispiele einen idealen Raum ab, in dem Handlungen entweder Aktion oder Reaktion eines Subjekts präsentieren unter Nichtbeachtung einer faktischen und beeinflussenden Realität. Ein solches Vorgehen übergeht die in der Antike selbstverständlich existierenden sozialen Verbindungen der Individuen durch Interaktion und Kommunikation mit ihrer Umwelt. Hierin spiegelt sich der philosophische Reduktionismus eines Wissenschaftsverständnis über die Natur der Welt wieder. Der Mensch als statisches, deterministisches und atomistische Element. Ein Buch über Ethik und ethisches Handeln, welches vollständig den Aspekt der Lebensumstände ignoriert, scheint von der Anlage her bereits ungeeignet, um in der Moderne mit ihren weitreichenden sozialen und gesellschaftlichen Koppelungen, einen Gültigkeitsanspruch erheben zu können. Außerdem ist es aufgrund fehlender Reflexion der Realität kaum möglich, Aussagen und 1 Aristoteles 1983, S. 36 Diese und viele andere Examensarbeiten gibt es auf www.sonderpaedagoge.de 40
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