Allmendedilemma in Törbel Früher und heute - Professur für ...
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Semesterarbeit<br />
Studiengang Umweltnaturwissenschaften<br />
Block Umweltsozialwissenschaften<br />
<strong>Allmendedilemma</strong> <strong>in</strong> Törbel<br />
Früher <strong>und</strong> <strong>heute</strong><br />
<strong>Professur</strong> für Soziologie<br />
Prof. Andreas Diekmann<br />
Name: Michel Maiorano Daniela Schmuki<br />
Immatrikulationsnr: 01-908-458 01-922-483<br />
Email: mmaiorano@student.ethz.ch schmukid@student.ethz.ch<br />
Zürich, 10. Januar 2006
Inhaltsverzeichnis<br />
1 E<strong>in</strong>leitung 1<br />
2 Theoretischer Teil 2<br />
2.1 <strong>Allmendedilemma</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />
2.1.1 Die Tragik der Allmende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
2.1.2 Ökonomische Auswirkungen des <strong>Allmendedilemma</strong>s . . . . 3<br />
2.1.3 Gefangenendilemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
2.2 Überw<strong>in</strong>dung des <strong>Allmendedilemma</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
2.2.1 Herkömliche Rezepte <strong>und</strong> Kritik . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
2.2.2 Der dritte Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
3 Methode 11<br />
4 Geographie <strong>und</strong> Geschichte Törbel 12<br />
4.1 Geographische Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
4.2 Klima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
4.2.1 Künstliche Bewässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
4.2.2 Vegetation <strong>und</strong> Höhenstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
4.3 Geme<strong>in</strong>de Törbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
4.4 Historische Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
4.4.1 Geschichte Kanton Wallis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
4.4.2 Geschichte Geme<strong>in</strong>de Törbel . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
5 Allmendenbewirtschaftung früher 22<br />
5.1 Die Allmende im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
5.1.1 Reglement der Alpenweiden 1517 . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
5.1.2 Vollzug des Reglements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
5.1.3 Regulierung der Wälder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
5.2 Die Allmende nach Nett<strong>in</strong>g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
5.2.1 Regulierung der Allmende <strong>und</strong> deren Vollzug . . . . . . . . 27<br />
5.2.2 Regulierung der Wälder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
5.3 Die Allmende zu Nett<strong>in</strong>gs Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
5.3.1 Reglement der Burgeralpen 1939 . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
5.3.2 Vollzug des Reglements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
i
5.3.3 Regulierung der Wälder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong> 35<br />
6.1 Allmende <strong>heute</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
6.1.1 Juristische Gr<strong>und</strong>lagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
6.1.2 Reglement der Burgeralpen 1989 . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
6.1.3 Vollzug des Reglements <strong>heute</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />
6.2 Ökonomische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
6.2.1 Wirtschaftliche Struktur des Kanton Wallis . . . . . . . . 42<br />
6.2.2 Wieso braucht es E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong>s Marktgleichgewicht? . . . . 42<br />
6.2.3 Agrarpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
6.2.4 Direktzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
6.3 Landwirtschaftliche Entwicklung <strong>in</strong> Törbel . . . . . . . . . . . . . 46<br />
6.4 Strukturwandel <strong>in</strong> Törbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />
7 Perspektiven der Berggebiete 52<br />
7.1 Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
7.2 Forstwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />
8 Diskussion 55<br />
8.1 Wie war die Allmendenbewirtschaftung zur Zeit Nett<strong>in</strong>gs wirklich? 55<br />
8.2 Hat das <strong>Allmendedilemma</strong> <strong>in</strong> Törbel überlebt? . . . . . . . . . . . 56<br />
8.3 Die Zukunft der Schafalpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />
8.4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />
Literatur 61<br />
A Reglemente 66<br />
B Interview mit S. Juon, Präsident der Alpkomission 77<br />
C Exkursionen nach Törbel 86<br />
ii
1 E<strong>in</strong>leitung Seite 1 von 87<br />
1 E<strong>in</strong>leitung<br />
Die Theorie des Gefangenendilemmas <strong>und</strong> des mit ihm verwandten <strong>Allmendedilemma</strong>s<br />
1 stossen <strong>heute</strong> über die Soziologie h<strong>in</strong>weg auf grosse Resonanz. In den<br />
Umweltwissenschaften führt man viele Umweltprobleme wie zum Beispiel das<br />
Überfischen der Weltmeere auf das <strong>Allmendedilemma</strong> zurück. Ostrom <strong>und</strong> Schöller<br />
(1999) schlugen vor, dass zur Lösung dieser Situationen neben der Verstaatlichung<br />
<strong>und</strong> Privatisierung auch e<strong>in</strong> dritter Weg möglich ist: die endogene, von<br />
allen Beteiligten entwickelte Institutionialisierung der Allmende. Als Beispiel erfolgreicher<br />
Institutionen zitierte Ostrom unter anderem Nett<strong>in</strong>g (1981), welcher<br />
das schweizerische Alpendorf Törbel im Kanton Wallis mit se<strong>in</strong>er aus dem Mittelalter<br />
stammenden Reglementierung der Allmendebewirtschaftung analysierte.<br />
In dieser Semesterarbeit wird der Frage nachgegangen, wie sich die Institution<br />
<strong>und</strong> die entsprechenden Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der Allmenden <strong>in</strong> Törbel im Laufe<br />
der Zeit verändert haben. Von grossem Interesse ist, ob das <strong>Allmendedilemma</strong><br />
<strong>heute</strong> überhaupt noch existiert <strong>und</strong> falls ja, wie die dazugehörigen Reglemente<br />
ausgelegt werden. Ausserdem wird Nett<strong>in</strong>gs Arbeit <strong>in</strong> der Diskussion kritisch<br />
beleuchtet.<br />
Nach dem Theorie- <strong>und</strong> Methodenteil erfährt man näheres zur Geographie<br />
<strong>und</strong> Geschichte der Geme<strong>in</strong>de Törbel, um die Allmenden <strong>und</strong> Reglemente im<br />
historischen Kontext verstehen zu können. Als nächstes wird im Kapitel die<br />
“Allmendenbewirtschaftung früher” Törbel im Mittelalter, nach Nett<strong>in</strong>g <strong>und</strong> zur<br />
Zeit, wo Nett<strong>in</strong>g selber dort war (70er Jahre des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts) betrachtet.<br />
Die “Allmendebewirtschaftung <strong>heute</strong>” beschreibt als erstes die Gesetzgebung<br />
auf b<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> kantonaler Ebene <strong>und</strong> die auf diesen beruhenden aktuellen Reglemente<br />
<strong>in</strong> Törbel. Danach werden die ökonomischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, die<br />
landwirtschaftliche Entwicklung bis <strong>heute</strong> sowie der gesellschaftliche Strukturwandel<br />
erläutert. Nachdem die Perspektiven der Berggebiete <strong>und</strong> Törbel aufgezeigt<br />
worden s<strong>in</strong>d, wird im Diskussionsteil untersucht, ob <strong>und</strong> <strong>in</strong> welcher Form<br />
das <strong>Allmendedilemma</strong> <strong>in</strong> Törbel noch existiert <strong>und</strong> wie dessen Zukunft aussehen<br />
könnte.<br />
1 Theorie zu dem Gefangenen- <strong>und</strong> <strong>Allmendedilemma</strong> siehe Kapitel 2 auf Seite 2<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 2 von 87 2 Theoretischer Teil<br />
2 Theoretischer Teil<br />
2.1 <strong>Allmendedilemma</strong><br />
Unter e<strong>in</strong>er Allmende (von mittelhochdeutsch “was allen geme<strong>in</strong> ist”) versteht<br />
man ursprünglich e<strong>in</strong> im Besitz e<strong>in</strong>er Dorfgeme<strong>in</strong>schaft bef<strong>in</strong>dliches Gr<strong>und</strong>eigentum.<br />
Die Allmende besteht meist aus unbeweglichem Gut wie Wald oder Gewässer<br />
zur Tr<strong>in</strong>k- <strong>und</strong> Löschwasserversorgung als auch Geme<strong>in</strong>dewiesen, auf der alle<br />
ihre Nutztiere weiden lassen können. In den Sozialwissenschaften versteht man<br />
unter e<strong>in</strong>er Allmendenressource respektive e<strong>in</strong>em Allmendegut e<strong>in</strong> im Kollektiv<br />
bef<strong>in</strong>dliches Gut. Abbildung 1 zeigt die möglichen Arten von Gütern.<br />
Ausschliessbarkeit<br />
Ausschliessbar Nicht-Ausschliessbar<br />
Konsum Rivalität Privates Gut Allmendegut<br />
z.B. Essen z.B. Gr<strong>und</strong>wasser<br />
Nicht-Rivalität Clubgut Öffentliches Gut<br />
z.B. Pay TV z.B. Leuchtturm<br />
Abbildung 1: Die vier Arten von Gütern (Kaul et al. 1999: 5)<br />
Folgende Struktur zeichnet das <strong>Allmendedilemma</strong> aus (Diekmann & Preisendörfer<br />
2001: 78):<br />
• Es existiert e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>sam genutzte, knappe Ressource<br />
• Mehrere Personen (Akteure) haben Verfügungsrechte über die Ressource<br />
• Ke<strong>in</strong>e Person kann e<strong>in</strong>e Kontrolle über das Ausmass der Nutzung durch die<br />
anderen Verfügungsberechtigten ausüben<br />
Diese Voraussetzungen führen zur Übernutzung bis zur Zerstörung der Ressourcen.<br />
Viele aktuelle Umweltprobleme kann man auf das <strong>Allmendedilemma</strong> zurückführen.<br />
Natürliche Ressourcen wie zum Beispiel Luft, Regenwälder oder Ozeane<br />
s<strong>in</strong>d begrenzt <strong>und</strong> je länger desto mehr e<strong>in</strong> knappes Gut. Die Menschheit beutet<br />
diese aus <strong>und</strong> vernichtet so ihre eigenen Existenzgr<strong>und</strong>lagen.<br />
Wie kann es zu diesem ansche<strong>in</strong>end unvernünftigen <strong>und</strong> irrationalen Verhalten<br />
überhaupt kommen? Was genau führt zum <strong>Allmendedilemma</strong>? Zu diesem Zweck<br />
wird <strong>in</strong> den folgenden Unterkapiteln das <strong>Allmendedilemma</strong> anhand von Theorien,<br />
Modellen <strong>und</strong> Experimenten illustriert.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
2 Theoretischer Teil Seite 3 von 87<br />
2.1.1 Die Tragik der Allmende<br />
Als erstes wies William Forster Lloyd (1794-1852) auf die Probleme geme<strong>in</strong>samer<br />
Landbewirtschaftung h<strong>in</strong>. Die R<strong>in</strong>der auf geme<strong>in</strong>samen Weidegründen waren<br />
weitaus magerer als Vieh auf privatem Weidegr<strong>und</strong>. Why are the cattle on a common<br />
so puny and stunted? Why is the common itself so bare-worn, and cropped so<br />
”<br />
differently from the adjo<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>in</strong>closures“ (Lloyd 1833: 11)? Als rational-denkender<br />
Mensch 2 , welcher se<strong>in</strong>en Nutzen maximieren will, hat der Hirte folgende Situation<br />
vor sich (Hard<strong>in</strong> 1968: 1244): Der Nutzen den er erhält, wenn er e<strong>in</strong> zusätzliches<br />
Tier se<strong>in</strong>er Herde h<strong>in</strong>zufügt, ist gleich dem Gesamtnutzen. Er muss das Tier mit<br />
niemandem Teilen, es bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Besitz. Die Kosten e<strong>in</strong>es zusätzlichen<br />
Tiers h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d für den Hirten e<strong>in</strong> Bruchteil der durch die Überweidung<br />
entstehenden Gesamtkosten. Die Gesamtkosten werden durch die anderen an der<br />
Allmende Beteiligten “subventioniert”. Folgen alle Hirten dieser Logik, so wird<br />
jeder e<strong>in</strong> Tier nach dem anderen h<strong>in</strong>zufügen. Jeder folgt der Logik des Trittbrettfahrens,<br />
was zum Leidwesen aller zur Überweidung der Wiese respektive zur<br />
Übernutzung der Ressource führt. Ru<strong>in</strong> is the dest<strong>in</strong>ation toward which all men<br />
”<br />
rush, each pursu<strong>in</strong>g his own best <strong>in</strong>terest <strong>in</strong> a society that believes <strong>in</strong> the freedom<br />
of the commons“ (Hard<strong>in</strong> 1968: 1244).<br />
Die Tragik der Allmende wurde später nebst dem von Hard<strong>in</strong> erwähnten Problem<br />
der Überbevölkerung auf verschiedene Probleme angewandt: unter anderem<br />
die Hungersnot (Picardi & Seifert 1977: 1244), die urbane Krim<strong>in</strong>alität (Neher<br />
1978) oder der ethnische Konflikt auf Zypern (Lumden 1973: 1244). Sehr oft<br />
wurde sie, wie auch <strong>in</strong> dieser Arbeit, auf e<strong>in</strong>e natürliche Ressource übertragen.<br />
2.1.2 Ökonomische Auswirkungen des <strong>Allmendedilemma</strong>s<br />
Das Menschbild des Homo oeconomicus 3 <strong>in</strong> den Wirtschaftswissenschaften versteht<br />
den Menschen als Träger <strong>in</strong>dividueller Präferenzen, anhand deren er unter<br />
Ausnutzung aller verfügbaren Informationen stets die für ihn vorteilhafteste<br />
Handlung auswählt. Die beste Handlungsoption (maximaler Gew<strong>in</strong>n) ergibt sich,<br />
wenn die Grenzkosten 4 gleich hoch s<strong>in</strong>d wie die Nachfrage (Beck 2001: 68). Für<br />
2 siehe Homo oeconomicus auf Seite 3, Kapitel 2.1.2 respektive Rational Choice Theory auf<br />
Seite 5, Kapitel 2.1.3<br />
3 Zur Kritik des Homo oeconomicus siehe Diekmann (1996: 89)<br />
4 Grenzkosten geben an, um wieviel sich die Kosten ändern, wenn die Produktion respektive<br />
Nutzung e<strong>in</strong>es Gutes um e<strong>in</strong>e (im Allgeme<strong>in</strong>en unendlich kle<strong>in</strong>e) E<strong>in</strong>heit erhöht wird.<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 4 von 87 2 Theoretischer Teil<br />
Marg<strong>in</strong>ale Kosten<br />
<strong>und</strong> Nutzen des<br />
Fahrens auf der<br />
Autobahn<br />
GK1<br />
GK2<br />
GGW1<br />
•<br />
}<br />
SK<br />
•<br />
GGW2<br />
NF<br />
Q1<br />
Q2<br />
Gefahrene Kilometer<br />
auf der Autobahn<br />
Abbildung 2: <strong>Allmendedilemma</strong> <strong>in</strong> der Ökonomie (McKenzie & Tullock 1985: 85): Das Gleichgewicht<br />
der Nachfrage NF <strong>und</strong> der privaten Grenzkosten GK2 ergeben die gefahrenen Kilometer<br />
Q2 auf der Autobahn. Müssten alle Fahrzeugbenützer die wahren sozialen Kosten GK1 bezahlen,<br />
würden die Autobahnkilometer Q1 ger<strong>in</strong>ger ausfallen. Das im Normalfall <strong>in</strong> der freien<br />
Marktwirtschaft erfüllte Pr<strong>in</strong>zip des Pareto-Optimums GGW1 wird <strong>in</strong> dieser Konstellation nicht<br />
erreicht, das Gleichgewicht pendelt sich bei GGW2 e<strong>in</strong>. Die tatsächlich gefahrenen Kilometer<br />
Q2 führen zu den sogenannten sozialen Kosten, welche der private Nutzer nicht bezahlt. Diese<br />
entfallen auf die Gesellschaft.<br />
die Benutzung e<strong>in</strong>er Allmendenressource wie zum Beispiel die Autobahn s<strong>in</strong>d bei<br />
konstanter Nachfrage die privaten Grenzkosten (unter anderem Benz<strong>in</strong>, Fahrzeug)<br />
grösser als die sozialen Grenzkosten (<strong>in</strong>klusive der durch Lärm, Abgase <strong>und</strong> so weiter<br />
verursachten Kosten). Deswegen ist, wie man aus der Abbildung 2 entnehmen<br />
kann, das Gleichgewicht“private Grenzkosten=Nachfrage”nicht pareto-optimal 5 .<br />
2.1.3 Gefangenendilemma<br />
Das Gefangenendilema 6 ist e<strong>in</strong> spieltheoretisches Paradoxon, das von Merrill M.<br />
Flood <strong>und</strong> Melv<strong>in</strong> Dresher erf<strong>und</strong>en worden ist <strong>und</strong> von Albert Tucker (1950)<br />
5 Das Pareto-Optimum ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Ökonomie angestrebter Zustand, <strong>in</strong> dem sich niemand<br />
e<strong>in</strong>en grösseren Nutzen erwirtschaften kann, ohne e<strong>in</strong>en anderen zu schädigen.<br />
6 Das Gefangenendilemma ist e<strong>in</strong> konkreter Fall des sozialen Dilemmas. Das soziale Dilemma<br />
zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus (Dawes 1980: 170):<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
2 Theoretischer Teil Seite 5 von 87<br />
benannt worden ist. Robyn M. Dawes hat als e<strong>in</strong>er der ersten Wissenschafler die<br />
strukturelle Ähnlichkeit des <strong>Allmendedilemma</strong>s mit dem Gefangenendilemma-<br />
Spiel aufgezeigt (Ostrom & Schöller 1999: 4). Wichtige Voraussetzung für das<br />
Gefangenendilemma ist, analog zum Homo oeconomicus <strong>in</strong> der Ökonomie, die<br />
Rational Choice Theory (RCT) beziehungsweise die Theorie des rationalen Handelns.<br />
Die umstrittenste Hypothese <strong>in</strong> dieser Theorie besagt, dass Individuen<br />
solche Handlungen ausführen, die ihre Ziele <strong>in</strong> höchstem Masse realisieren - unter<br />
Berücksichtigung der Handlungsbeschränkungen, denen sie unterworfen s<strong>in</strong>d<br />
(Endruweit & Trommsdorff 2002: 425).<br />
Beschreibung des Gefangenendilemmas<br />
Zwei mutmassliche Straftäter werden getrennt vone<strong>in</strong>ander verhört. Schweigen<br />
beide, bleiben nur Indizienbeweise, um beide für zwei Jahre e<strong>in</strong>zusperren. Wenn<br />
e<strong>in</strong>er gesteht <strong>und</strong> somit se<strong>in</strong>en Partner belastet, kommt er ohne Strafe davon <strong>und</strong><br />
der andere muss die volle Strafe von fünf Jahren absitzen. Gestehen beide das<br />
Verbrechen, so erwartet jeden e<strong>in</strong>e Gefängnisstrafe von vier Jahren. Es besteht<br />
ke<strong>in</strong>e Möglichkeit für die beiden sich untere<strong>in</strong>ander abzusprechen.<br />
Schematisch lässt sich das strategische Problem wie <strong>in</strong> Abbildung 3 darstellen.<br />
Gehen wir von der Annahme aus, dass der Gefangene B die Straftat leugnet. Dann<br />
Gefangener B<br />
❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤ Gefangener A<br />
❤<br />
Gesteht nicht<br />
Gesteht<br />
Gesteht nicht 2, 2 5, 0<br />
Gesteht 0, 5 4, 4<br />
Abbildung 3: Auszahlungsmatrix des Gefangenendilemmas <strong>in</strong> Jahren<br />
wäre es für den Gefangenen A besser zu gestehen, weil er zwei Jahre weniger<br />
h<strong>in</strong>ter Gitter müsste, sprich null anstatt drei Jahre. Im anderen Fall, dass der<br />
Gefangene B das Verbrechen zugibt, würde es wiederum für den Gefangenen A<br />
von Vorteil se<strong>in</strong> zu gestehen. Im bliebe e<strong>in</strong> Jahr erspart, er müsste “nur” vier<br />
anstelle der fünf Jahre h<strong>in</strong>ter den schwedischen Gard<strong>in</strong>en sitzen. So kommt es<br />
• Jeder Beteiligte erhält durch e<strong>in</strong>e nicht-kooperative Handlung e<strong>in</strong>en höheren Gew<strong>in</strong>n als<br />
durch e<strong>in</strong>e kooperative Handlung.<br />
• Alle Beteiligte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt schlechter gestellt, wenn sie nicht-kooperieren, als wenn<br />
jeder kooperiert.<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 6 von 87 2 Theoretischer Teil<br />
dazu, dass beide gestehen. Obwohl es ,objektiv betrachtet, für beide besser wäre<br />
zu kooperieren. Das <strong>in</strong>dividuelle rationale Optimum entspricht nicht dem sozialen<br />
rationalen Optimum. Anders ausgedrückt: Das Naish-Gleichgewicht 7 entspricht<br />
nicht dem Pareto-Optimum. Dieses Paradoxon zeichnet das Gefangenendilemma<br />
aus.<br />
2.2 Überw<strong>in</strong>dung des <strong>Allmendedilemma</strong>s<br />
2.2.1 Herkömliche Rezepte <strong>und</strong> Kritik<br />
Hard<strong>in</strong>s (1968) hat mit se<strong>in</strong>en Analysen nebst Auswirkungen auf die Forschung<br />
auch e<strong>in</strong>en sehr grossen E<strong>in</strong>fluss auf die Politik ausgeübt. Das Modell hat anfangs<br />
tendenziell zwei Strategien hervorgebracht: staatlicher E<strong>in</strong>griff (zentrale Autorität)<br />
oder Privatisierung.<br />
Staatlicher E<strong>in</strong>griff<br />
Thomas Hobbes (2003) erwähnte schon im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert, dass es e<strong>in</strong>e zentrale<br />
Autorität braucht, den Leviathan, um den Naturzustand zu überw<strong>in</strong>den. Wegen<br />
der menschlichen Begierden, die nach Hobbes ke<strong>in</strong>e Grenzen kennen, herrscht im<br />
Naturzustand e<strong>in</strong> Krieg aller gegen alle (Hobbes 2003: 101). In gleicher Weise<br />
übernimmt der Staat bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Wirtschaft die Rolle der externen<br />
Autorität, welche das Allmendenproblem überw<strong>in</strong>den sollte. Der Staat ist aktiv<br />
”<br />
bei Entwurf, Implementierung <strong>und</strong> Durchsetzung von Regelungen, die Ressourcen<br />
betreffen. Die Sozialforschung hat gezeigt, dass Systeme von Regulierungen oft<br />
fehlgerichtete oder geradezu kontraproduktive Auswirkungen haben (McCay &<br />
Jentoft 1996: 282).<br />
Privatisierung<br />
Die Privatisierung hat zum Ziel, dass bei jedem e<strong>in</strong>zelnen Akteur die wahren<br />
Grenzkosten herrschen. Das bedeutet, dass die privaten Grenzkosten gleich den<br />
sozialen Grenzkosten se<strong>in</strong> sollten. Die negativen externen Effekte werden somit<br />
<strong>in</strong>ternalisiert <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d Teil der Wirtschaft. Privatbesitz funktionierte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
7 Beim Naish-Gleichgewicht kann sich niemand verbessern, wenn alle bei derselben Entscheidung<br />
bleiben.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
2 Theoretischer Teil Seite 7 von 87<br />
Spieler B<br />
Kooperiert (C) Defektiert (D)<br />
❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵<br />
Spieler A<br />
Kooperiert (C) R, R S, T T>R>P>S<br />
Defektiert (D) T, S P, P<br />
Abbildung 4: Auszahlungsmatrix des Basisspiels<br />
breiten Spektrum von Fällen zum Schutz von Wildtieren <strong>und</strong> zur Vermeidung<br />
der Tragik der Allmende (Smith 1981: 467).<br />
Doch ist Privatisierung immer möglich? Wie privatisiert man den Ozean oder<br />
die Luft? Wer kommt für die Privatisierungskosten auf? Was ist, wenn es sich<br />
um e<strong>in</strong>e ertragsschwache Ressource handelt <strong>und</strong> diese im Zuge der Privatisierung<br />
geteilt werden müsste? Wäre es <strong>in</strong> diesem Fall nicht besser, die Ressource geme<strong>in</strong>sam<br />
zu bewirtschaften? Es gibt e<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise, dass der Privatisierung (analog<br />
zum staatlichen E<strong>in</strong>griff) zur Behebung des <strong>Allmendedilemma</strong>s Grenzen gesetzt<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
2.2.2 Der dritte Weg<br />
El<strong>in</strong>or Ostrom (1999) zeigt e<strong>in</strong>e dritte Möglichkeit im Umgang mit der Allmenderessource<br />
auf. Sie schlägt e<strong>in</strong>e endogene, von den Beteiligten entwickelte Institution<br />
(kommunale Lösung) oder anders ausgedrückt, e<strong>in</strong>e genossenschaftliche Bewirtschaftung<br />
mit festgelegten (<strong>in</strong>stitutionellen) Regeln vor. Bei geeigneten Voraussetzungen<br />
führt diese Bewirtschaftungsform zu optimalen Ergebnissen. Steht dies<br />
nicht im Wiederspruch zur “Tragik der Allmende” oder dem “Gefangenendilemma”?<br />
Fehlt nicht e<strong>in</strong>e theoretische Gr<strong>und</strong>lage? Die Antwort lautet ne<strong>in</strong>, wie man<br />
im nächsten Abschnitt feststellen kann.<br />
Evolution von Kooperation<br />
R. Axelrod (1984) entwickelte mit se<strong>in</strong>er spieltheoretischen Weiterführung des<br />
Gefangenendilemmas, die Evolution der Kooperation, e<strong>in</strong>e mögliche Erklärung<br />
für “altruistisches Verhalten” unter egoistischen, selbstsüchtigen Individuen.<br />
Die Basis dieses Modells ist das Gefangenendilemma. Um die Auszahlungsmatrix<br />
<strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung zu rufen, ist sie <strong>in</strong> leicht abgeänderter Form (siehe Abbildung<br />
4) nochmals wiedergegeben. Spieler A <strong>und</strong> B haben die Wahl zu kooperieren (C)<br />
oder zu defektieren (D). Im wahren Leben wäre e<strong>in</strong>e Analogie zum Beispiel Zu-<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 8 von 87 2 Theoretischer Teil<br />
sammenarbeit oder Angreifen. In der Auszahlungsmatrix handelt es sich nicht um<br />
Gefängnisjahre sondern abstrakter um Punkte. T ist die höchstmögliche Auszahlung,<br />
dann folgt R, P <strong>und</strong> der kle<strong>in</strong>ste Betrag ist gleich S. E<strong>in</strong> weiterer Unterschied<br />
zum Gefangenendilemma ist, dass das Spiel über mehrere R<strong>und</strong>en verläuft. Das<br />
Gefangenendilemma wird wiederholt (iteratives Spiel), es werden Strategien zur<br />
Vorgehensweise nötig. In e<strong>in</strong>em Turnier spielt man gegen alle e<strong>in</strong>gereichten Strategien<br />
<strong>in</strong>klusive se<strong>in</strong>er eigenen e<strong>in</strong>mal. Am Schluss werden die erzielten Punkte<br />
aufsummiert <strong>und</strong> als Sieger gilt, wer am meisten Punkte erreicht hat.<br />
R. Axelrod hatte zwei Turniere mit Strategien verschiedenster Experten aus<br />
diversen Ländern <strong>und</strong> Wissenschaftsgebieten veranstaltet. Wichtigster Unterschied<br />
zwischen den beiden Turnieren ist, dass man beim zweiten Turnier ke<strong>in</strong>e Ahnung<br />
über die Anzahl R<strong>und</strong>en hatte. Axelrods Strategie “Tit-for-Tat“ (TFT) (1984: 13)<br />
beschreibt folgendes Vorgehen:<br />
1. Beg<strong>in</strong>ne mit C<br />
2. Wähle <strong>in</strong> R<strong>und</strong>e n das, was der Mitspieler <strong>in</strong> R<strong>und</strong>e n-1 gewählt hat<br />
In beiden Turnieren hiess der Sieger TFT. Allgeme<strong>in</strong> haben fre<strong>und</strong>liche Strategien<br />
(niemals als erstes D spielen) wie TFT besser abgeschnitten als solche die<br />
ausbeuterisch veranlagt s<strong>in</strong>d. Kooperation macht <strong>in</strong> diesem Spiel S<strong>in</strong>n, da man<br />
über e<strong>in</strong>e längere Zeit mit se<strong>in</strong>em Mitspieler <strong>in</strong>teragiert. Wenn der Zukunft hohen<br />
Wert beigemessen werden kann, ist es rational zu kooperieren. 8<br />
Ist folglich der wahre Egoist e<strong>in</strong> kooperativer <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>licher Zeitgenosse?<br />
Sicherlich zeigt dieses spieltheoretische Modell auf, wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er egoistischen <strong>und</strong><br />
rationalen Welt ohne zentrale Autorität Kooperation möglich se<strong>in</strong> kann.<br />
Als Beispiel se<strong>in</strong>er Theorie nennt Axelrod unter anderem das kooperative<br />
Verhalten im amerikanischen Senat (1984: 5) <strong>und</strong> das “Leben-<strong>und</strong>-leben-lassen-<br />
System” der Deutschen <strong>und</strong> Franzosen im ersten Weltkrieg (1984: 73).<br />
8 In der Zwischenzeit gibt es erfolgreichere Strategien, die ebenfalls fre<strong>und</strong>lich s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> im<br />
Pr<strong>in</strong>zip TFT ähneln. Erwähnt sei hier das Gefangenendilemma-Turnier vom 20. Januar 2005 an<br />
der ETH Zürich, an der “Temperli” den ersten Platz errang (Diekmann & Przepiorka 2005). Im<br />
Jahre 2004 sorgte Gopal Ramchurn am “Congress on Evolutionary Computation Conference”<br />
für aufsehen, wo er mit e<strong>in</strong>er neuartigen Idee TFT zu schlagen vermochte (Humble 2004).<br />
Streitig bleibt jedoch, ob Ramchurns Vorschlag die Spielregeln verletzt.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
2 Theoretischer Teil Seite 9 von 87<br />
Die Verfassung der Allmende<br />
El<strong>in</strong>or Ostrom (1999) beschrieb, analysierte <strong>und</strong> verglich Beispiele von erfolgreichen<br />
sowie auch missglückten genossenschaftlichen Allmendenbewirtschaftungen.<br />
Als Beispiele für langlebige, selbstorganisierte Allmenderessourcen nannte sie:<br />
• Die im Geme<strong>in</strong>debesitz stehenden Hochgebirgsweiden <strong>und</strong> -wälder im schweizerischen<br />
Törbel <strong>und</strong> die Dörfer Hirano, Nagaike <strong>und</strong> Yamanoka <strong>in</strong> Japan<br />
• Die Bewässerungs<strong>in</strong>stitutionen der spanischen Huertas <strong>in</strong> Valencia, Murcia<br />
<strong>und</strong> Orihuela als auch <strong>in</strong> Alicante<br />
• Die Bewässerungsgeme<strong>in</strong>schaften der philipp<strong>in</strong>ischen Zanjeras<br />
Anhand dieser Institutionen versuchte Ostrom die Parallelen zwischen langlebigen,<br />
selbstverwalteten Allmenden-Institutionen zu f<strong>in</strong>den. Wichtige Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />
f<strong>in</strong>det man bei den unsicheren <strong>und</strong> komplexen Milieus, mit denen die Genossenschaften<br />
zu tun haben. Die Populationen zeichnen s<strong>in</strong>d über lange Zeit als<br />
stabil aus <strong>und</strong> erwarten e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Zukunft (Ostrom & Schöller 1999: 115).<br />
Der Wert der Zukunft ist hoch, da man e<strong>in</strong> Interesse hat, dass die direkten Nachkommen<br />
<strong>und</strong> Verwandten auch von der Allmende profitieren können. In ke<strong>in</strong>em ”<br />
dieser Szenarien, die sich wesentlich h<strong>in</strong>sichtlich Kapitalbesitz, Fertigkeiten, Wissen,<br />
ethnischer Herkunft, Rasse oder anderer Variablen unterscheiden, die e<strong>in</strong>e<br />
Gruppe stark spalten können“ (Johnson & Libecap 1982: 1015). Die spezifischen<br />
Regeln unterscheiden sich bei den genannten Beispielen, welche die besonderen<br />
Eigenschaften der Ressource, die Kulturen <strong>und</strong> wirtschaftlich-sozialen Beziehungen<br />
spiegeln, erheblich. Deswegen hatte Ostrom versucht Baupr<strong>in</strong>zipien <strong>und</strong> nicht<br />
spezifische Regeln aufzustellen (siehe Tabelle 1 auf Seite 10). Unter Baupr<strong>in</strong>zipien<br />
versteht man die wesentlichen Bed<strong>in</strong>gungen, welche die Regulierungen über<br />
Generationen h<strong>in</strong>weg aufrecht erhalten können.<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 10 von 87 2 Theoretischer Teil<br />
1. Klar def<strong>in</strong>ierte Grenzen:<br />
Die Grenzen <strong>und</strong> das Recht des Zugangs zur Allmenderessource müssen klar se<strong>in</strong>.<br />
2. Umweltangepasstheit:<br />
Die Regeln müssen den lokalen Bed<strong>in</strong>gungen angepasst se<strong>in</strong>.<br />
3. Partizipation:<br />
Die Regeln s<strong>in</strong>d von den Mitglieder mitbestimmbar <strong>und</strong> veränderbar.<br />
4. Monitor<strong>in</strong>g:<br />
Das Verhalten der Mitglieder wird durch e<strong>in</strong>en Gewalthaber oder sie selbst kontrolliert.<br />
5. Sanktionierbarkeit:<br />
Abgestufte Sanktionen s<strong>in</strong>d möglich (entsprechend der Schwere des Regelverstosses).<br />
6. Konfliktregulierung:<br />
Es gibt e<strong>in</strong>e Institution, welche die Konflikte zwischen den Mitgliedern reguliert<br />
<strong>und</strong> schlichtet.<br />
7. Autonomie:<br />
Externe staatliche Behörden anerkennen das Recht der Genossenschaft zur Regulierung<br />
der Allmendenbewirtschaftung.<br />
Für Allmendengüter, die Teile grösserer Systeme s<strong>in</strong>d:<br />
8. E<strong>in</strong>gebettete Unternehmen:<br />
Unternehmen welche <strong>in</strong> mehreren Ebenen e<strong>in</strong>gebettet s<strong>in</strong>d, organisieren sich<br />
selbstständig.<br />
Tabelle 1: Baupr<strong>in</strong>zipien langlebiger Allmenden-Institutionen. Vorlage (Ostrom & Schöller 1999:<br />
117) <strong>und</strong> (Diekmann & Preisendörfer 2001: 94), leicht abgeändert<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
3 Methode Seite 11 von 87<br />
3 Methode<br />
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um e<strong>in</strong>e explorative Fallstudie. Als<br />
Quelle verwendeten wir neben diverser Literatur die Geme<strong>in</strong>de Törbel, den Kanton<br />
Wallis <strong>und</strong> das B<strong>und</strong>esamt für Statistik. Wir besuchten mehrmals die Geme<strong>in</strong>de<br />
Törbel, wo wir mit verschiedenen Personen Gespräche führten <strong>und</strong> <strong>in</strong>teressante<br />
Informationen vor Ort erhielten.<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 12 von 87 4 Geographie <strong>und</strong> Geschichte Törbel<br />
4 Geographie <strong>und</strong> Geschichte Törbel<br />
4.1 Geographische Lage<br />
Die Geme<strong>in</strong>de Törbel liegt Mitten im Kanton Wallis, welcher das grösste Tal der<br />
Schweizer Alpen, das Rhonetal, umfasst. Das Wallis gliedert sich <strong>in</strong> das deutschsprachige<br />
Ober- <strong>und</strong> das französische Unterwallis. Sehr nahe bei der Stadt Brig<br />
liegt die Ortschaft Visp, von wo aus sich das Vispertal <strong>in</strong> Richtung Süden erstreckt.<br />
Bei Stalden teilt es sich <strong>und</strong> mündet zum e<strong>in</strong>en als Mattertal <strong>in</strong> Zermatt<br />
beim Matterhorn <strong>und</strong> zum anderen als Saastal <strong>in</strong> Saas-Fee wie Abbildung 5 zeigt.<br />
Genau über Stalden auf 1500 m.ü.M. schmiegt sich das Bergdorf Törbel an den<br />
sonnigen Südhang (vergleiche Abbildungen 6 <strong>und</strong> 7).<br />
Abbildung 5: Kanton Wallis mit Rhonetal ( c○Atlas der Schweiz 2004)<br />
4.2 Klima<br />
Im Wallis s<strong>in</strong>d grosse Gradienten <strong>in</strong> vielen klimatologischen Parametern zu beobachten,<br />
da die Region sowohl hohe Bergmassive unterschiedlicher Exposition, wie<br />
auch das abgeschlossene Rhonetal umfasst. Im Tal herrscht durch die geschützte<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
4 Geographie <strong>und</strong> Geschichte Törbel Seite 13 von 87<br />
Abbildung 6: Blick von Norden <strong>in</strong> Richtung Vispertal <strong>und</strong> Törbel ( c○Atlas der Schweiz 2004)<br />
Lage e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>entales Klima mit hohen Temperaturen im Sommer <strong>und</strong> ausgesprochen<br />
ger<strong>in</strong>gen Niederschlägen während des ganzen Jahres (Schüepp, Bouët,<br />
B<strong>in</strong>der & Urfer 1978: 88-114). An den Gebirgsketten der Nord- <strong>und</strong> Südflanke<br />
stauen sich feuchte Luftmassen, welche durch den Aufstieg gezwungen werden ihren<br />
Wassergehalt zu reduzieren <strong>und</strong> somit “ausregnen”. Die Luftmassen trocknen<br />
durch die Erwärmung beim Abs<strong>in</strong>ken <strong>in</strong>s Rhonetal noch weiter aus 9 . Obwohl das<br />
Wallis von den Grosswetterlagen wie Westw<strong>in</strong>d oder Bise (Ostw<strong>in</strong>d) weitgehend<br />
abgeschirmt ist, s<strong>in</strong>d neben dem Föhnw<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Vielzahl von regionalen Berg<strong>und</strong><br />
Talw<strong>in</strong>dsystemen vorherrschend, welche von den lokalen Temperaturunterschieden<br />
angetrieben werden (Kamer & Bruggmann 1997: 168).<br />
In Visp erreichen die Niederschlagsmengen im Sommer ihr M<strong>in</strong>imum <strong>und</strong> steigen<br />
auch während des ganzen Jahres kaum über 60 mm/m 2 im Monatsmittel, was<br />
zu e<strong>in</strong>er Jahresniederschlagssumme von lediglich 625 mm/m 2 führt (vergleiche<br />
Jahresniederschlag Lugano 1726 mm/m 2 <strong>und</strong> Genf 898 mm/m 2 ) (Schüepp et al.<br />
1978: 13). Auch die Anzahl Tage mit Niederschlag von m<strong>in</strong>destens 1 mm/m 2<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Visp auf sechs bis sieben pro Monat beschränkt, während es <strong>in</strong> der rest-<br />
9 Die trockenen Fallw<strong>in</strong>de s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Schweiz unter dem Begriff Föhn bekannt (Kamer &<br />
Bruggmann 1997: 168)<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 14 von 87 4 Geographie <strong>und</strong> Geschichte Törbel<br />
Abbildung 7: Ausschnitt aus der Landeskarte 1:50’000 Visp (Reproduziert mit Bewilligung des<br />
B<strong>und</strong>esamtes für Landestopographie)<br />
lichen Schweiz deutlich mehr s<strong>in</strong>d (Schüepp et<br />
al. 1978: 18). Das Zentralwallis<br />
zeichnet sich als trockenste Gegend der Schweiz aus. Mit der Höhe steigen die<br />
Niederschläge jedoch stark an, was die Wasserspeicherung <strong>in</strong> Form von Schnee<br />
<strong>und</strong> Gletschern für den Sommer begünstigt.<br />
Die Temperaturextrema s<strong>in</strong>d im Wallis ausgeprägter als im Mittelland, da<br />
der thermische E<strong>in</strong>fluss viel extremer ist. Das Tal wird am Tag sehr schnell von<br />
der <strong>in</strong>tensiven Sonnene<strong>in</strong>strahlung 10 aufgeheizt, kühlt aber <strong>in</strong> der Nacht wiederum<br />
rasch ab (Schüepp et al. 1978: 92). Das Thermometer klettert im trockenen<br />
Rhonetal im Sommer auf hohe Werte <strong>und</strong> auch im W<strong>in</strong>ter verhalten sich die Temperaturen<br />
mild. Diese günstigen klimatischen Bed<strong>in</strong>gungen haben dazu geführt,<br />
dass der We<strong>in</strong>anbau 11 im Wallis e<strong>in</strong>e lange Tradition hat (Kamer & Bruggmann<br />
1997: 168), die Region zu den sonnigsten der Schweiz gehört <strong>und</strong> Nebel e<strong>in</strong>e Seltenheit<br />
ist (Schüepp et<br />
al. 1978: 88-114). Die negativen Auswirkungen dieses<br />
10 Die Sonnene<strong>in</strong>strahlung ist aufgr<strong>und</strong> der ger<strong>in</strong>gen Bewölkung <strong>und</strong> der niedrigen Luftfeuchtigkeit<br />
stärker als <strong>in</strong> Regionen mit vergleichbarer Höhenlage im Mittelland. Die Sonnenenergie<br />
kann so fast ungeh<strong>in</strong>dert bis zur Erdoberfläche vordr<strong>in</strong>gen.<br />
11 Fast die Hälfte des Schweizer We<strong>in</strong>es wird im Wallis produziert.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
4 Geographie <strong>und</strong> Geschichte Törbel Seite 15 von 87<br />
Klimas s<strong>in</strong>d jedoch Dürreperioden mit vere<strong>in</strong>zelten Waldbränden im Sommer.<br />
Die Besonderheiten des Klimas im Wallis kommen <strong>in</strong> Törbel noch ausgeprägter<br />
zum Vorsche<strong>in</strong> (Bumann 1991: 17). Die <strong>in</strong>tensive E<strong>in</strong>wirkung der Sonnenstrahlung<br />
sorgt für sehr hohe Temperaturen im Sommer (vergleiche Abbildung 8) <strong>und</strong><br />
kurze, milde W<strong>in</strong>ter. Niederschlagsreiche West- <strong>und</strong> Nordwestw<strong>in</strong>de werden durch<br />
die Berner Alpen <strong>und</strong> lokal durch die Bergkette Augstbordhorn bis Dreizehntenhorn<br />
gestaut. Wiederum werden Niederschläge aus Süden durch die südlichen<br />
Walliser Alpen verh<strong>in</strong>dert (vergleiche Abbildung 8). Dies zeichnet die Region als<br />
e<strong>in</strong>e der niederschlagsärmsten der Schweiz aus. Die Südexposition des Hanges zusammen<br />
mit den tageszeitlich wechselnden Berg- <strong>und</strong> Talw<strong>in</strong>den verschärfen die<br />
Trockenheit zusätzlich (Bumann 1991: 17).<br />
Abbildung 8: Klimadiagramm Törbel (Durchschnittliche Temperatur <strong>und</strong> Niederschlag jeden<br />
Monats beg<strong>in</strong>nend mit Januar) (Bumann 1991: 17)<br />
4.2.1 Künstliche Bewässerung<br />
Ohne künstliche Bewässerung wäre der Südhang e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Steppe, da Gletscher<br />
fehlen, welche im Sommer Wasser spenden. E<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die lange Tradition<br />
der Wiesenberieselung <strong>in</strong> Törbel gibt folgender Auszug:<br />
Die bedeutendste Wasserfuhre ist die Augstbordleitung. Im Jahre 1364 als<br />
”<br />
Ersatz für e<strong>in</strong>e noch ältere “Suone” gebaut, br<strong>in</strong>gt sie Wasser von der Augstbordalp<br />
zur Moosalp <strong>und</strong> nach Zeneggen. 1949 wurde sie (von den Törbjern “Niwe”<br />
genannt) mit e<strong>in</strong>em Aufwand von 2,5 Mio. Franken neu erstellt <strong>und</strong> auf der ganzen<br />
Länge (etwa 2 km) <strong>in</strong> Röhren verlegt. Vom Törbelbach zweigen zwei kle<strong>in</strong>ere<br />
Wasserfuhren ab: Die Spr<strong>in</strong>ger<strong>in</strong> dient zur Bewässerung der Güter oberhalb des<br />
Dorfes; die Felder<strong>in</strong> spendet ihr Nass den Wiesen unterhalb des Dorfes“ (Bumann<br />
1991: 18).<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 16 von 87 4 Geographie <strong>und</strong> Geschichte Törbel<br />
Heute lösen Berieselungsanlagen, welche bedeutend e<strong>in</strong>facher im Unterhalt<br />
s<strong>in</strong>d, jedoch mehr Wasser verbrauchen, nach <strong>und</strong> nach die alten Bewässerungskanäle<br />
ab (Kamer & Bruggmann 1997: 169).<br />
4.2.2 Vegetation <strong>und</strong> Höhenstufen<br />
Im Wallis hat sich aufgr<strong>und</strong> der klimatologischen Besonderheiten e<strong>in</strong>e der reichsten<br />
Vegetationen Europas auf so engem Raum entwickelt (Kamer & Bruggmann<br />
1997: 168). Durch die künstliche Bewässerung <strong>und</strong> die nachhaltige Bewirtschaftung<br />
des Geme<strong>in</strong>degebietes von Törbel am Südhang ist e<strong>in</strong> dynamisches, aber<br />
stabiles Natur-Mensch-System entstanden (Bumann 1991: 19). Abbildung 9 zeigt<br />
die grossen Unterschiede <strong>in</strong> Vegetation <strong>und</strong> Nutzung des gleichen Berges auf der<br />
Nord- sowie der Südseite, was nicht zu letzt auch auf die unterschiedliche Exposition<br />
der Hänge zurückzuführen ist.<br />
Abbildung 9: Vergleich der Vegetation von Nord- <strong>und</strong> Südhang (Markgraf 1969: 1-63)<br />
Die ständigen Wohnsitze <strong>in</strong> Törbel liegen kaum höher als 1500 m.ü.M., darüber<br />
liegt e<strong>in</strong>e Zone mit Wiesen <strong>und</strong> Äckern, welche vom Dorf aus bewirtschaftet<br />
wird, erst dann folgen die Voralpen, die sich bis gegen 2000 m.ü.M. erstrecken<br />
(Stebler 1922: 35). An sonnigen Lagen reichte der Ackerbau bis 1700 m.ü.M.,<br />
Kartoffeln <strong>und</strong> Rüben können sogar bis 1900 m. ü. M. angebaut werden. Man<br />
unterscheidet e<strong>in</strong>e Vielzahl von kle<strong>in</strong>en Voralpen, welche mit Hütten zur Heuspeicherung<br />
<strong>und</strong> Unterkunft für Mensch <strong>und</strong> Vieh geradezu übersäht s<strong>in</strong>d (Stebler<br />
1922: 36-37).<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
4 Geographie <strong>und</strong> Geschichte Törbel Seite 17 von 87<br />
Auf die Voralpen folgen schliesslich die Hochalpen, welche <strong>in</strong> drei verschiedene<br />
Senntum <strong>und</strong> wiederum <strong>in</strong> unterschiedliche Stafel aufgeteilt s<strong>in</strong>d (Stebler 1922:<br />
42) <strong>und</strong> zur Sömmerung des Viehs benutzt werden. Jede Stafel besitzt e<strong>in</strong>e Hütte<br />
mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Sennerei für das Alppersonal sowie e<strong>in</strong>en oder mehrere Ferriche 12<br />
als Unterkunft für die Tiere (Stebler 1922: 43). Im Gegensatz zu den privaten<br />
Voralpen gehören die Hochalpen zur Allmende der Geme<strong>in</strong>de.<br />
Zum Schluss noch e<strong>in</strong>ige Informationen zum Wald <strong>in</strong> der Region Törbel: In<br />
den untersten Lagen ist die Kiefer der vorherrschende Baum, <strong>in</strong> der Alpenregion<br />
dom<strong>in</strong>iert die Lärche, an schattigen Lagen die Fichte <strong>und</strong> am obersten Waldrand<br />
die Arve. Die Waldgrenze ist auf ungefähr 2200 m. ü. M. zu f<strong>in</strong>den (Stebler 1922:<br />
95).<br />
4.3 Geme<strong>in</strong>de Törbel<br />
Folgende Daten wurden vom B<strong>und</strong>esamt für Statistik übernommen (2005: 2005).<br />
Die Geme<strong>in</strong>de umfasst 17.6 km 2 , wovon die Siedlungsfläche 2.8 km 2 ausmacht,<br />
33.6% werden als Landwirtschaftsfläche genutzt, Wald <strong>und</strong> Gehölze betragen<br />
37.6% <strong>und</strong> die restlichen 26% bestehen aus unproduktiven Flächen.<br />
Im Jahr 2002 zählte man im Dorf 522 E<strong>in</strong>wohner <strong>und</strong> <strong>in</strong> den letzten Jahren ist<br />
e<strong>in</strong>deutig der Trend des E<strong>in</strong>wohnerrückgangs zu beobachten, was e<strong>in</strong>erseits mit<br />
Geburtenabnahme <strong>und</strong> andererseits mit Abwanderung zu erklären ist. Von 1992<br />
bis 2002 führte das zu e<strong>in</strong>em Verlust von 8.6%. In der ganzen Geme<strong>in</strong>de lebt nur<br />
e<strong>in</strong>e ausländisch Person <strong>und</strong> es wird zu mehr als 99% deutsch gesprochen. Ausserdem<br />
schätzen die Menschen die christlichen Werte, was am CVP 13 -Wähleranteil<br />
von 83.7% deutlich sichtbar wird. Im Jahr 2000 waren 27.5% der E<strong>in</strong>wohner zwischen<br />
0 <strong>und</strong> 19, 54% zwischen 20 <strong>und</strong> 64 <strong>und</strong> lediglich 18.5% über 64 Jahre alt.<br />
Die Erwerbsquote der 15-64 Jährigen betrug im Jahr 2000 70.3%, wovon 63.9%<br />
<strong>in</strong> anderen Geme<strong>in</strong>den zur Arbeit pendelten. Gemäss der Geme<strong>in</strong>de gab es im<br />
Jahr 2004 noch 45 Bauernbetriebe, wovon e<strong>in</strong>er hauptberuflich <strong>und</strong> die restlichen<br />
nebenberuflich bewirtschaftet werden. Alle Betriebe zusammen bearbeiten 289<br />
Hektaren 14 Land. Die Grösse der e<strong>in</strong>zelnen Betriebe, welche als Freizeitbeschäftigung<br />
oder Nebenerwerb geführt werden, bewegte sich zwischen 2.4 <strong>und</strong> 17.7<br />
12 Durch hohe Waldbäume <strong>und</strong> Trockenmauern e<strong>in</strong>gefasste Pferche, wo die Tiere die Nacht<br />
verbr<strong>in</strong>gen konnten (Ersatz für Stall).<br />
13 Christlichdemokratische Volkspartei der Schweiz<br />
14 1 Hektare s<strong>in</strong>d 10’000 m 2<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 18 von 87 4 Geographie <strong>und</strong> Geschichte Törbel<br />
Hektaren. Das Inventar der Tiere betrug 201 Stück R<strong>in</strong>dvieh (Kühe, R<strong>in</strong>der <strong>und</strong><br />
Kälber), 881 Schafe <strong>und</strong> 158 Ziegen.<br />
Abbildung 10: Törbel aus der Vogelperspektive (Foto: D. Schmuki, Frühl<strong>in</strong>g 2005)<br />
4.4 Historische Information<br />
4.4.1 Geschichte Kanton Wallis<br />
Der tumultuarische Charakter der Walliser Geschichte lässt sich nicht e<strong>in</strong>fach<br />
”<br />
auf die Formel e<strong>in</strong>es blossen politischen Machtkampfes zurückführen. Es steckt<br />
dar<strong>in</strong> auch etwas von e<strong>in</strong>em urtümlichen Aufstand nicht nur gegen die gegebene<br />
Autorität, sei es des jeweiligen Bischofs, sei es des ausländischen Unterdrückers,<br />
sondern gegen jede kont<strong>in</strong>uierliche Autorität“ (wal 1987: 11-12). So kann die<br />
Region Wallis auf e<strong>in</strong>e sehr stürmische Geschichte zurückblicken.<br />
Nach der Besiedelung durch die Kelten, der römischen Kolonisation <strong>und</strong> der<br />
Herrschaft der Burg<strong>und</strong>er schenkte der letzte König des Hochburg<strong>und</strong>s im Jahre<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
4 Geographie <strong>und</strong> Geschichte Törbel Seite 19 von 87<br />
999 die Grafschaft Wallis dem Bischof von Sitten. Der Bischof <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Nachfolger<br />
konnten sich bis <strong>in</strong>s 17. Jahrh<strong>und</strong>erts als Landesherr verteidigen. Dabei<br />
hatten sie mit zahlreichen <strong>in</strong>nen- <strong>und</strong> aussenpolitischen Konflikten zu kämpfen.<br />
Beispielsweise wurde das Oberwallis 15 erfolgreich gegen Savoyen verteidigt <strong>und</strong><br />
im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert konnte sogar die Herrschaft über das Unterwallis gewonnen<br />
werden. Bündnisse <strong>und</strong> Konflikte mit den Eidgenossen wechselten sich ab (Kamer<br />
& Bruggmann 1997: 170).<br />
E<strong>in</strong>zelne Dörfer stellten erfolglos die Forderung nach der weltlichen Macht<br />
des Bischofs, aber die Herrschaft der katholischen Kirche geriet erst mit der Reformation<br />
<strong>und</strong> den anschiessenden Glaubenskämpfen <strong>in</strong>s Wanken. Ende des 16.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts konnte sich der neue Glauben im Wallis etablieren, doch kurz darauf<br />
wurde das Unterwallis rekatholisiert <strong>und</strong> das Oberwallis rüstete sogar zum<br />
Bürgerkrieg, was den Rückzug der reformierte Kirche aus dem Wallis bedeutete<br />
(Kamer & Bruggmann 1997: 171). An der Entmachtung des Bischofs hielt<br />
man jedoch weiter fest, bis er 1613 se<strong>in</strong>e Rechte auf die geistliche Welt <strong>und</strong> die<br />
“Staatspräsidentenwürde” beschränken musste.<br />
Die politische Lage blieb relativ stabil, da die Menschen <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen<br />
Dörfern als Gr<strong>und</strong>e<strong>in</strong>heiten organisiert waren, welche von selbstgewählten Gewalthabern<br />
verwaltet wurden. Übergeordnet waren nur die sieben Zehnden 16 .<br />
Auf Druck von Frankreich mussten sich die Walliser zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
mit e<strong>in</strong>er Loyalitäserklärung der Helvetischen Republik anschliessen.<br />
Kurz darauf erfüllte ihnen Napoleon den Wunsch nach noch mehr Unabhängigkeit<br />
<strong>und</strong> erklärte das Wallis (auf dem Papier) zur unabhängigen Republik (Hof<br />
et<br />
al. 1983: 169). Wenige Jahre danach folgte dann doch die E<strong>in</strong>gliederung <strong>in</strong><br />
das Kaiserreich <strong>und</strong> nach Napoleons Fall wurde dem Wallis am Wienerkongress<br />
der Anschluss an die Schweiz nahegelegt. Schliesslich traten die Walliser 1815 als<br />
20. Kanton der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei (Hof et al. 1983: 181).<br />
Während des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts veränderte sich im Leben der Walliser nicht<br />
viel. E<strong>in</strong> Zitat des Historikers Bertrand aus folgender Quelle (wal 1987: 13) beschreibt<br />
die Haltung der Bevölkerung sehr treffend: ”<br />
Der Kanton hüllt sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e<br />
Isolierung wie e<strong>in</strong> Senator <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Toga <strong>und</strong> sagt, mit me<strong>in</strong>en Kühen, Schafen,<br />
15 Das deutschsprachige Oberwallis erstreckt sich vom Ursprungsort der Rhone am Furkapass<br />
bis fast nach Sion.<br />
16 E<strong>in</strong>e Zehnde be<strong>in</strong>haltete die Dörfer e<strong>in</strong>er Region. Die sieben Zehnden des Wallis bildeten<br />
zusammen e<strong>in</strong>e lose Organisation.<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 20 von 87 4 Geographie <strong>und</strong> Geschichte Törbel<br />
me<strong>in</strong>en Feldern, me<strong>in</strong>en Wäldern, me<strong>in</strong>en Wiesen hätte er genug <strong>und</strong> bräuchte<br />
niemanden anders.“ Aufgr<strong>und</strong> dieser Isolierung <strong>und</strong> Unabhängigkeit konnte<br />
sich das e<strong>in</strong>zigartige Selbstversorgungssystem der Walliser bis fast <strong>in</strong> unsere Zeit<br />
durchsetzen.<br />
Wie es dann doch langsam zum Bruch mit der langjährigen Tradition kam,<br />
wird von A. Niederer (1956: 5) im folgenden Abschnitt anschaulich erklärt: E<strong>in</strong>st ”<br />
waren die Walliser Dörfer natürliche Schicksalsgeme<strong>in</strong>schaften, die durch ihre<br />
zweckmässigen, der Selbstversorgung dienenden E<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> ihr Geme<strong>in</strong>eigentum<br />
den <strong>in</strong> ihnen lebenden Menschen e<strong>in</strong> hohes Mass materieller <strong>und</strong> seelischer<br />
Geborgenheit gewährte. Das E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen der Industrie <strong>in</strong>s Rhonetal gab den Wallisern<br />
neue <strong>und</strong> e<strong>in</strong>träglichere Möglichkeiten des Broterwerbes als die herkömmliche<br />
Land- <strong>und</strong> Alpwirtschaft <strong>und</strong> löste sie vom Zwange der Selbstversorgung.<br />
Dadurch lockerten sich die B<strong>in</strong>dungen des e<strong>in</strong>zelnen an das Dorfkollektiv, <strong>und</strong><br />
viele bewährte E<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> s<strong>in</strong>nvolle Bräuche wurden nebensächlich. Das<br />
Schicksal des Geme<strong>in</strong>werks, das e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong> Kernstück bäuerlichen Geme<strong>in</strong>schaftsleben<br />
war, ist bezeichnend für e<strong>in</strong>e Entwicklung, welche die ausseralp<strong>in</strong>en Gebiete<br />
zum grossen Teil schon im vergangenen Jahrh<strong>und</strong>ert durchgemacht haben“.<br />
So verlief die Industriealisierung nur zögernd, erst zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
konnten sich e<strong>in</strong>ige Gross- <strong>und</strong> später auch Kle<strong>in</strong>betriebe im Tal etablieren.<br />
Durch die Firmen Lonza ist die Region Visp e<strong>in</strong> Begriff für die Chemieproduktion<br />
geworden (Kamer & Bruggmann 1997: 172). Noch <strong>heute</strong> s<strong>in</strong>d die Chemieriesen<br />
Lonza <strong>und</strong> Alcan die grössten Arbeitgeber für die Bevölkerung im Tal sowie <strong>in</strong><br />
den Bergdörfern. So steigen <strong>in</strong> Törbel jeden Morgen früh die Fabrikarbeiter <strong>in</strong>s<br />
Postauto nach Visp zum Schichtbetrieb.<br />
Früher schon waren e<strong>in</strong>ige Bauern gezwungen e<strong>in</strong>em Nebenerwerb nachzugehen,<br />
da die Landwirtschaft als e<strong>in</strong>zige E<strong>in</strong>nahmequelle nicht ausreichte. Im 19.<br />
<strong>und</strong> zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts arbeiteten viele während des Sommers für<br />
den Tourismus <strong>in</strong> Zermatt oder als Bergführer, Säumer oder Hirten (Stebler 1922:<br />
109). Des weiteren g<strong>in</strong>gen viele Bauern e<strong>in</strong>em Handwerk nach (Stebler 1922: 110)<br />
oder wanderten sogar als Handwerker aus (Stebler 1922: 111). Dazumal bevorzugten<br />
die Menschen noch die Arbeit im Freien, wie Mitarbeit an Eisenbahnl<strong>in</strong>ien,<br />
Kraftwerken oder Meliorationsarbeiten an der Rhone, zu derjenigen <strong>in</strong> der Fabrik<br />
(Stebler 1922: 110). Dies hat sich <strong>heute</strong> durch das grosse Arbeitsplatzangebot der<br />
Chemieriesen Lonza <strong>und</strong> Alcan drastisch verändert.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
4 Geographie <strong>und</strong> Geschichte Törbel Seite 21 von 87<br />
4.4.2 Geschichte Geme<strong>in</strong>de Törbel<br />
Törbel ist e<strong>in</strong>e der ältesten Siedlungen <strong>in</strong> den Vispertälern <strong>und</strong> der Dorfname lässt<br />
auf vorromanischen Ursprung schliessen (Stebler 1922: 20). Die Bausubstanz des<br />
Dorfes soll nachweisbar bis <strong>in</strong>s 15. Jahrh<strong>und</strong>ert (1477) zurückreichen (Wyss 1990:<br />
5).<br />
Doch schon 1100 n. Chr. kommt Törbel unter dem Namen “Dorbia” vor, 1224<br />
sprach man von der Siedlung “Torbio” <strong>und</strong> 1418 von “Torbil”, was schon fast der<br />
heutigen Bezeichnung entspricht (Stebler 1922: 20).<br />
Neben dem Dorf gab es damals schon mehrere verstreute Weiler am Berg<br />
<strong>und</strong> es könnte sogar se<strong>in</strong>, dass Burgen, Feld <strong>und</strong> Brunnen früher eigenständige<br />
Geme<strong>in</strong>den bildeten. Als im späten 17. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>in</strong> Törbel e<strong>in</strong>e Kirche gebaut<br />
wurde, zog es die Menschen von den Weilern <strong>in</strong>s Dorf. Beispielsweise war der<br />
Weiler Burgen nur noch im Sommer bewohnt, lediglich e<strong>in</strong>e Familie verbrachte<br />
auch den W<strong>in</strong>ter noch dort (Stebler 1922: 15).<br />
Der Zuwachs während des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts war besonders bemerkenswert.<br />
Noch <strong>heute</strong> ist das Geme<strong>in</strong>dewappen stummer Zeuge dieser Umsiedelung <strong>in</strong>s Dorf,<br />
da die drei Wappen der Weiler Burgen, Feld <strong>und</strong> Brunnen zu demjenigen von<br />
Törbel vere<strong>in</strong>t worden s<strong>in</strong>d (siehe Abbildung 11). In den 80-er Jahren des 19.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts wurde e<strong>in</strong> für damalige Verhältnisse “bequemer” Weg nach Törbel<br />
gebaut, der sogar mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en “Gebirgswägelchen” befahren werden konnte.<br />
Vorher musste man die fast 700 Meter Höhenunterschied von Stalden bis nach<br />
Törbel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zweistündigen Wanderung zurücklegen (Stebler 1922: 17).<br />
Abbildung 11: Geme<strong>in</strong>dewappen von Törbel mit Burgen, Feld <strong>und</strong> Brunnen<br />
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Seite 22 von 87 5 Allmendenbewirtschaftung früher<br />
5 Allmendenbewirtschaftung früher<br />
Die folgende Beschreibung der Regulierung der Allmendenbewirtschaftung <strong>in</strong> Törbel<br />
stützt sich auf das Buch “Balanc<strong>in</strong>g on an Alp” von Mc. C. Nett<strong>in</strong>g (1981).<br />
Wir haben uns jedoch kritisch mit se<strong>in</strong>en Ergebnissen ause<strong>in</strong>andergesetzt <strong>und</strong> wo<br />
es möglich war, selber Nachforschungen angestellt <strong>und</strong> eigene Quellen verwendet.<br />
Dabei s<strong>in</strong>d wir im Geme<strong>in</strong>dearchiv auf die alten Reglemente, wovon e<strong>in</strong>es sogar<br />
noch aus dem Mittelalter stammte, gestossen.<br />
McC. Nett<strong>in</strong>g verbrachte mit se<strong>in</strong>er Familie mehrere Monate im Bergdorf,<br />
hat am Leben der Menschen teilgenommen <strong>und</strong> viele verschiedene Bereiche untersucht.<br />
Unter anderem hat er auch e<strong>in</strong>e Statistik der Törbler Familiennamen<br />
bis <strong>in</strong>s Mittelalter zurück erstellt. Er beschrieb auch verschiedene Strategien zur<br />
Bewirtschaftung von alp<strong>in</strong>em Gelände wie Intensivierung, Expandierung <strong>und</strong> Regulierung.<br />
Wir konzentrieren uns auf die Regulierung der Allmendenbewirtschaftung im<br />
S<strong>in</strong>ne des Allmendendilemmas. In diesem Zusammenhang verstehen wir unter<br />
Allmende die Alpweiden 17 <strong>und</strong> die Wälder.<br />
Auf jeweils e<strong>in</strong> Kapitel mit dem entsprechenden Reglement zur Allmendennutzung<br />
während e<strong>in</strong>es bestimmten Zeitalters folgt e<strong>in</strong>e Erläuterung über dessen<br />
Vollzug <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Beschreibung der Waldbewirtschaftung zu der betreffenden Zeit.<br />
Vorerst widmen wir uns der Regulierung der Allmende <strong>und</strong> der Wälder im<br />
Mittelalter <strong>und</strong> werden dann auf die Schilderung Nett<strong>in</strong>gs zu sprechen kommen<br />
<strong>und</strong> zum Schluss folgt e<strong>in</strong>e Beschreibung der Situation zu Nett<strong>in</strong>gs Zeit auf der<br />
Basis eigener Recherchen. Die aktuelle Situation von Törbel wird schliesslich im<br />
nächsten Kapitel “Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong>” behandelt. Alle drei vorliegenden<br />
Reglemente zur Allmende (1517, 1939 <strong>und</strong> 1989) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> vollständiger<br />
Form im Appendix zu f<strong>in</strong>den.<br />
5.1 Die Allmende im Mittelalter<br />
5.1.1 Reglement der Alpenweiden 1517<br />
Dem Geme<strong>in</strong>dearchiv ist zu entnehmen, dass im Jahre 1507 e<strong>in</strong>e Inventarisierung<br />
der Allmenden von Törbel vorgenommen <strong>und</strong> 1517 e<strong>in</strong> Reglement <strong>in</strong> Late<strong>in</strong> ver-<br />
17 Sömmerungsalpen, wo für kurze Zeit im Sommer das R<strong>in</strong>dvieh, die Ziegen <strong>und</strong> Schafe der<br />
Törbeler weiden.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
5 Allmendenbewirtschaftung früher Seite 23 von 87<br />
fasst worden ist. Dessen Inhalt liegt im folgenden Kapitel kurz zusammengefasst<br />
vor. Als Gr<strong>und</strong>lage diente e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Zusammenfassung auf Deutsch aus dem<br />
Geme<strong>in</strong>dearchiv, da das Orig<strong>in</strong>aldokument leider nicht mehr gut enzifferbar war<br />
(siehe Abbildung 12).<br />
Jeder Bergbauer hatte e<strong>in</strong> Sömmerungsrecht für se<strong>in</strong>e Tiere, welches er nicht<br />
an jemanden anders abtreten konnte. Er konnte frei wählen, welche Alp er besetzen<br />
wollte, die Anzahl der Tiere war jedoch durch die W<strong>in</strong>terregel beschränkt.<br />
Diese Regel hat sich bis <strong>in</strong>s letzte Jahrh<strong>und</strong>ert durchsetzen können. Sie erlaubte<br />
dem Bauer nur so viele Tiere zu sömmern, wie er durch den W<strong>in</strong>ter br<strong>in</strong>gen<br />
konnte. Des Weiteren wurde die E<strong>in</strong>haltung des Reglements von Gewalthabern<br />
kontrolliert, welche als Entschädigung für ihre Arbeit die Hälfte der ausgehändigten<br />
Bussen behalten durften.<br />
Abbildung 12: Reglement der Alpenweiden 1517 <strong>in</strong> Late<strong>in</strong> auf getrockneter Tierhaut geschrieben<br />
(Foto: M. Maiorano, 1. Juni 2005)<br />
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Seite 24 von 87 5 Allmendenbewirtschaftung früher<br />
5.1.2 Vollzug des Reglements<br />
Mit der W<strong>in</strong>terregel 18 war die Gefahr der Überweidung <strong>und</strong> damit der längerfristigen<br />
Übernutzung der Alpen noch lange nicht gebannt (Stebler 1922: 38). So<br />
durften nur ortsansässige Burger ihre Tiere auf die Alpen treiben (Text Roman<br />
Juon). Als weitere E<strong>in</strong>schränkung musste jeder Bauer e<strong>in</strong> “Krautgeld” für jedes<br />
R<strong>in</strong>d oder Kalb entrichten. Die Kühe waren von diesem Entgelt befreit, da das<br />
Alppersonal von deren Milch lebte. Wollte aber jemand mehr als sechs Kühe auf<br />
die Alpen br<strong>in</strong>gen, so musste er auch für jede Milchkuh e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Abgabe bezahlen.<br />
Für das Melken musste e<strong>in</strong> zusätzlicher Beitrag an die verantwortliche<br />
Person (meistens den Hirten) entrichtet werden (Stebler 1922: 39). Als weiteres<br />
Entgelt hatte jeder Viehbesitzer e<strong>in</strong>en Tag Geme<strong>in</strong>werk 19 pro Kuh zu leisten<br />
(Stebler 1922: 47).<br />
Die Viehbesitzer waren auch verpflichtet, an e<strong>in</strong>em Abend <strong>und</strong> dem darauf<br />
folgenden Morgen dem Senn, welcher für ihre Kühe verantwortlich war, beim<br />
Melken zu helfen. An den Sonntagen pflegte man se<strong>in</strong>e Kühe auf der Alp zu<br />
besuchen <strong>und</strong> ihnen Kraftfutter mitzubr<strong>in</strong>gen (Text Roman Juon).<br />
Ausserdem wurde vor dem Alpaufzug e<strong>in</strong>e “Alprechnung” durchgeführt, wo<br />
jeder se<strong>in</strong> Vieh anzumelden <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e “Holztessle” 20 vorzuweisen hatte. Jede Familie<br />
war verpflichtet, dem Pfarrer e<strong>in</strong>e Maultierladung Holz abzuliefern <strong>und</strong> als<br />
Besche<strong>in</strong>igung erhielt sie dann e<strong>in</strong>e Holztessle. Konnte ke<strong>in</strong>e Tessle vorgewiesen<br />
werden, musste e<strong>in</strong> Pfand h<strong>in</strong>terlegt werden, bis die Forderung des Pfarrers erfüllt<br />
war (Stebler 1922: 39).<br />
Das Vieh wurde im Verhältnis zwei zu e<strong>in</strong>s den Alpen Moos <strong>und</strong> Bifigen<br />
zugeteilt <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Regel sömmerte e<strong>in</strong> Bauer se<strong>in</strong> Vieh auf derjenigen Alpe,<br />
welche <strong>in</strong> der Nähe se<strong>in</strong>er Voralpe lag. Die Moosalp erhielt ihren Namen aufgr<strong>und</strong><br />
e<strong>in</strong>es nahe gelegenen Moors <strong>und</strong> die Bezeichnung Bifigen kommt von “Bifig”,<br />
worunter man e<strong>in</strong> abgegrenztes oder e<strong>in</strong>gezäuntes Stück Land verstand (Stebler<br />
1922: 39-44).<br />
Der Törbelbach bildete die Trennl<strong>in</strong>ie der beiden Alpen. Die Moosalp teilte<br />
sich weiter auf das Grosse- <strong>und</strong> das Kle<strong>in</strong>e Senntum auf, so dass man <strong>in</strong>sgesamt<br />
18 Jeder Burger darf so viele Tiere auf der Alpe sömmern, wie er selbständig durch den W<strong>in</strong>ter<br />
br<strong>in</strong>gen kann.<br />
19 Unter Geme<strong>in</strong>werk versteht man Arbeiten wie Instandhaltung der Allmende, Reparaturen<br />
an Ställen <strong>und</strong> Zäunen <strong>und</strong> so weiter.<br />
20 e<strong>in</strong>e Art Holzkelle mit E<strong>in</strong>gravierung<br />
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5 Allmendenbewirtschaftung früher Seite 25 von 87<br />
drei Sennen anstellen musste. Ihnen standen je zwei Hirten <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Knabe als<br />
Helfer zu. Ausserdem bedarf es e<strong>in</strong>em schulpflichtigen Jungen als “Wäger”, welcher<br />
die tägliche Milchmenge jedes Kuheigentümers mit e<strong>in</strong>er Hängewage erfasste.<br />
War man <strong>in</strong> manchen Jahren auf weitere Hilfe angewiesen, sprang e<strong>in</strong> Gehilfe als<br />
“Diener” e<strong>in</strong> (Text Roman Juon).<br />
Die R<strong>in</strong>der weideten im unteren Teil des “Törbeltellis” unter Aufsicht e<strong>in</strong>es<br />
R<strong>in</strong>derhirten, die Schafe übernahmen das obere ”Telli” bis zum Grat des Augstbordhorns.<br />
Die Schafpopulation umfasste zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts ungefähr<br />
1000 Tiere, <strong>in</strong> früheren Zeiten waren es aber fast doppelt so viele. Sie haben<br />
mit dem Aufschwung der R<strong>in</strong>dviehzucht <strong>und</strong> der Konkurrenz der ausländischen<br />
Wolle abgenommen, s<strong>in</strong>d aber als Fleisch- <strong>und</strong> Wolleproduzenten immer noch von<br />
grosser Bedeutung. E<strong>in</strong> weiterer Gr<strong>und</strong> für den Rückgang der Schafe ist wohl die<br />
Schwierigkeit, tüchtige Schafhirten zu bekommen, welche jedes Tier der Herde<br />
kennen <strong>und</strong> für deren optimale Betreuung sorgen (Stebler 1922: 48-56).<br />
Seit dem Jahre 1514 war die Geme<strong>in</strong>de Törbel zusätzlich im Besitz der Oberaaralp<br />
im Grimselgebiet 21 , wo wiederum Schafe <strong>und</strong> R<strong>in</strong>der gesömmert werden konnten.<br />
Für die Anreise musste jedoch e<strong>in</strong> drei Tage dauernder Weg überw<strong>und</strong>en<br />
werden (Stebler 1922: 48).<br />
Die Viehwirtschaft diente <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie der re<strong>in</strong>en Selbstversorgung, welche<br />
komb<strong>in</strong>iert mit den Äckern <strong>und</strong> Gärten der Geme<strong>in</strong>de sowie Schaf-, Ziegen-,<br />
Schwe<strong>in</strong>e- <strong>und</strong> Hühnerhaltung gut funktionierte. Die e<strong>in</strong>zige E<strong>in</strong>nahmequelle des<br />
Bauern war der Verkauf des überschüssigen Viehs, so dass e<strong>in</strong> Tierverlust durch<br />
Unfall oder Krankheit weitreichende Konsequenzen hatte (Stebler 1922: 50).<br />
Nun erfolgt noch e<strong>in</strong>e genauere Beschreibung der Sömmerung auf den Alpweiden<br />
von Törbel (Text Roman Juon). Die Alpbesetzung dauerte von Ende Juni<br />
bis Anfangs September <strong>und</strong> die Älpler zogen mit ihrer Viehherde wie Nomaden<br />
von Stafel 22 zu Stafel. Sie lebten <strong>in</strong> sehr e<strong>in</strong>fachen Verhältnissen <strong>in</strong> der jeweiligen<br />
Hütte, wo sie Käse produzierten. Die Käselaibe transportierte man jeden Tag mit<br />
drei Maultieren <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zigen Käsekeller auf der Moosalp. In normalen Jahren<br />
erreichte die Käseproduktion auf der Alp Moos 2700 <strong>und</strong> auf Bifigen 1750 kg<br />
Hartkäse (Stebler 1922: 45). Aus der Magermilch, welche als Nebenprodukt bei<br />
der Käserei entstand, stellte man e<strong>in</strong>en würzigen Ziger her <strong>und</strong> die nicht mehr<br />
verwertbaren Milchresten g<strong>in</strong>gen an die Schwe<strong>in</strong>e der Viehbesitzer. Wer jeweils<br />
21 Der Verkauf der Oberaaralp erfolgte im Jahre 1948.<br />
22 Teil e<strong>in</strong>er Alp mit eigener Unterkunft für das Personal, jedoch ohne Stallung für die Tiere<br />
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Seite 26 von 87 5 Allmendenbewirtschaftung früher<br />
wann die “Abmilch” von der entsprechenden Alp abholen durfte, wurde per Los<br />
entschieden. Neben dem “Losholz”, dessen Bedeutung im folgenden Kapitel genauer<br />
erläutert wird, ist dies wiederum e<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>e faire <strong>und</strong> allseits<br />
akzeptierte Verteilung von Allmendengut unter den Burgern mittels Zufall.<br />
5.1.3 Regulierung der Wälder<br />
Das Holz der zahlreich vorhandenen Wälder <strong>in</strong> der Region Törbel war für die<br />
Menschen unentbehrlich zum Heizen der Ste<strong>in</strong>öfen <strong>und</strong> zum Kochen über dem<br />
offenen Feuer. Ausserdem war Holz als Bausubstanz für Häuser, Ställe <strong>und</strong> Scheunen<br />
notwendig. Langsamwachsende Lärchen machten den Hauptbestandteil des<br />
Waldes aus <strong>und</strong> deren heruntergefallene Nadeln wurden als E<strong>in</strong>streu für das Vieh<br />
verwendet (Stebler 1922: 98-99).<br />
Grosse Bedeutung hatte der Wald über dem Dorf auch als natürlicher Schutz<br />
vor Law<strong>in</strong>en <strong>und</strong> Schattenspender für die Tiere auf der Alp. Die Erhaltung des<br />
Forstes war somit im Interesse aller Burger. Hätte jede Familie ihr eigenes Stück<br />
Wald besessen, wäre e<strong>in</strong>e nachhaltige Bewirtschaftung über mehrere Jahrh<strong>und</strong>erte<br />
kaum möglich gewesen, da <strong>in</strong> diesem langsam wachsenden Wald nur begrenzt<br />
<strong>und</strong> selektiv Bäume gefällt werden dürfen.<br />
Die Verwaltung durch die Burgergeme<strong>in</strong>de erlaubte e<strong>in</strong>e sorgfältige jährliche<br />
Auswahl der zu fällenden Bäume durch e<strong>in</strong>en gewählten Rat. Dieser teilt die zur<br />
Fällung markierten Bäume <strong>in</strong> Pakete e<strong>in</strong> <strong>und</strong> per Los bekommen je drei Haushalte<br />
e<strong>in</strong> Paket. So entstand der Begriff “e<strong>in</strong> Los Holz”. Die Haushaltsgruppen<br />
waren selber für das Fällen <strong>und</strong> den Transport des Holzes <strong>in</strong>s Dorf verantwortlich<br />
(Stebler 1922: 97-98). In den Wäldern wurde fast nichts ungenutzt gelassen, so<br />
verwendete man auch die heruntergefallenen Nadeln der Lärchen als Streu <strong>und</strong><br />
das Laub von e<strong>in</strong>zelnen Eschen <strong>und</strong> Ahornbäumen als W<strong>in</strong>terfutter für Schafe<br />
<strong>und</strong> Ziegen.<br />
Bis <strong>in</strong>s 19. Jahrh<strong>und</strong>ert wurde auch das flüssige Harz der Lärchen gewonnen,<br />
welches zur Terpent<strong>in</strong>herstellung exportiert werden konnte. Weitere Harzprodukt<br />
waren das Weisstannenzapfenöl zur Heilung von Quetschungen <strong>und</strong> das Harzöl<br />
aus Wurzelstöcken der Kiefer für Verbände an Mensch <strong>und</strong> Vieh. Als Heilmittel<br />
gewann man zusätzlich Birkensaft <strong>und</strong> “Sef<strong>in</strong>enöl” aus den Beeren <strong>und</strong> Zweigspitzen<br />
der Sefi Pflanze (Juniperus sab<strong>in</strong>a). Von Ameisen zusammengetragene<br />
Harzklümpchen liessen sich ausserdem als Weihrauch verwenden. So hatte der<br />
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5 Allmendenbewirtschaftung früher Seite 27 von 87<br />
Wald neben der Brennstoffprokuktion auch e<strong>in</strong>e grosse Bedeutung für sonstige<br />
Rohmaterialien, Heil- <strong>und</strong> Lebensmittel.<br />
Mit zunehmender Höhe verschmelzen Wald <strong>und</strong> Weide immer mehr (Stebler<br />
1922: 95), so dass diese nicht mehr e<strong>in</strong>deutig getrennt wurden <strong>und</strong> weidende<br />
Schafe <strong>und</strong> Ziegen beträchtlichen Schaden an den Bäumen anrichten konnten.<br />
Heute ist man jedoch anderer Me<strong>in</strong>ung (siehe Seite 55, Kapitel 7.2). E<strong>in</strong> anderes<br />
Problem stellte die übertriebene Streunutzung dar (Stebler 1922: 98). Der Boden<br />
wurde so gründlich aufgekehrt, dass die Wurzeln der Bäume zum Vorsche<strong>in</strong> kamen<br />
<strong>und</strong> beschädigt wurden. Ausserdem wurde das Streu als grosse Haufen im<br />
Wald gelagert <strong>und</strong> diese Haufen wurden mit jungen Tannen befestigt, was den<br />
Wald noch weiter schädigte. Da man sich jedoch vor dem Absterben des Waldes<br />
fürchtete, durfte jeder nur noch so viel Streu mitnehmen, wie er tragen konnte<br />
<strong>und</strong> die Lagerung im Wald wurde verboten (Stebler 1922: 99). So wurde das<br />
Problem der übermässigen Streunützungn nachhaltig gelöst.<br />
5.2 Die Allmende nach Nett<strong>in</strong>g<br />
5.2.1 Regulierung der Allmende <strong>und</strong> deren Vollzug<br />
Da die Alpweiden schwer zu bewirtschaften waren, wurden sie zur Sömmerung<br />
der Kühe <strong>und</strong> Schafe der Dorfbewohner von Juni bis September verwendet. Die<br />
Kühe kamen auf die Bifigen- oder Moosalp <strong>und</strong> zirkulierten während des ganzen<br />
Sommers durch die verschiedenen Weidegebiete (Staffeln). Die Schafe <strong>und</strong> Ziegen<br />
brachte man noch höher h<strong>in</strong>auf <strong>in</strong>s Törbeltelli.<br />
Die Grösse <strong>und</strong> Produktivität der Alpweiden war ausschlaggebend für den<br />
langfristigen Erfolg der Geme<strong>in</strong>de. Da die Alpen gleich im Anschluss an die Wiesen<br />
über dem Dorf folgten, konnten sie gut erreicht werden <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
<strong>in</strong> den <strong>in</strong>dividuellen Tagesablauf war möglich. Die systematische Beweidung hat<br />
dieses hoch gelegene Grassland zu e<strong>in</strong>er wertvollen Ressource für die Bergbauern<br />
gemacht. Die breite Bandbreite von verschiedenen Höhenstufen mit vielen unterschiedlichen<br />
Mikroklimata wurde von den Menschen <strong>in</strong> Törbel optimal genutzt.<br />
Die räumlich nahe Lage verh<strong>in</strong>derte e<strong>in</strong>e Spezialisierung e<strong>in</strong>zelner Haushalte auf<br />
e<strong>in</strong>e Höhenstufe <strong>und</strong> machte die komplexe Landnutzung als Dorf erst möglich.<br />
Daraus folgte die langjährige Unabhängigkeit von der Aussenwelt <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e politische<br />
Autonomie (Nett<strong>in</strong>g 1981: 12-13). Die Menschen waren bis gegen Ende<br />
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Seite 28 von 87 5 Allmendenbewirtschaftung früher<br />
des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts der Lage, sich fast vollständig selber zu versorgen (Nett<strong>in</strong>g<br />
1981: 38).<br />
Neben den Tieren, welche zur Sömmerung auf die Alpweiden kamen, hielt<br />
man sich oft e<strong>in</strong>e Hauskuh <strong>und</strong> e<strong>in</strong>ige Ziegen, um im Sommer nicht auf die Milch<br />
verzichten zu müssen. Da die W<strong>in</strong>terregel 23 über die Weiderechte des jeweiligen<br />
Haushaltes entschied, war die Versorgung <strong>und</strong> die Zahl der Tiere entscheidend<br />
für e<strong>in</strong>en erfolgreichen Haushalt. Die Anzahl Tiere war durch das Heuangebot<br />
der Wiesen der e<strong>in</strong>zelnen Hauhalte beschänkt <strong>und</strong> es war verboten, Tiere auf<br />
den Alpen zu sömmern, welche vor dem W<strong>in</strong>ter hätten verkauft werden müssen.<br />
Die Gewalthaber kontrollierten die Befolgung dieser wichtigen Regel <strong>und</strong> durften<br />
als Belohnung für ihre Arbeit die Hälfte der Bussen behalten (Nett<strong>in</strong>g 1981:<br />
61) <strong>und</strong> wurden bei Ungehorsamkeit selber mit e<strong>in</strong>er Busse an die Geme<strong>in</strong>de<br />
bestraft. Im Falle e<strong>in</strong>es grösseren Konfliktes schaltete sich e<strong>in</strong> lokaler Richter e<strong>in</strong>.<br />
Die wichtigsten Regeln (Burgerrecht oder Bauernzunft der Geme<strong>in</strong>de Törbel <strong>und</strong><br />
Burgen) wurden 1531 auf Pergament festgehalten (Nett<strong>in</strong>g 1981: 62).<br />
Auf den Alpweiden gab es ke<strong>in</strong>e Ställe für das Vieh aber dennoch Alphütten<br />
für die Sennen, welche den Käse herstellten. Die produzierten Käse wurden<br />
sorgfältig auf die Kuhbesitzer nach der Milchmenge der entsprechenden Kuh aufgeteilt<br />
<strong>und</strong> jeder Haushalt verfügte über e<strong>in</strong>en eigenen Keller zur Käselagerung.<br />
Die Käse konnten so über Jahre aufbewahrt werden (Nett<strong>in</strong>g 1981: 24-25). Bei<br />
e<strong>in</strong>em Überangebot von Milch konnte auch jeder normale Haushalt selber kle<strong>in</strong>e<br />
Käselaibe herstellen.<br />
Nett<strong>in</strong>g (1981: 65) erwähnt die Alpkommission, welche, zusammengesetzt aus<br />
drei Mitgliedern <strong>und</strong> von der Versammlung der Viehbesiter gewählt, die Aufsicht<br />
über die Alpen während des Sommers führt. Ausserdem s<strong>in</strong>d die Vögte<br />
aufgeführt, welche folgenden Aufgabenbereich hatten: Anstellung des notwendigen<br />
Alppersonals, Aufteilung der Alpkosten unter der Geme<strong>in</strong>schaft, Messung der<br />
Milchproduktion jeder e<strong>in</strong>zelnen Kuh <strong>und</strong> Verteilung des Käses an die Viehbesitzer<br />
je nach Milchmenge ihrer Tiere. Auf e<strong>in</strong>e weitere detailierte Beschreibung<br />
des Alpbetriebes wird an dieser Stelle verzichtet, da sich die Schilderungen von<br />
Nett<strong>in</strong>g mit derjenigen von Strebler (1922) praktisch decken, da Nett<strong>in</strong>g letzteren<br />
oft als Quelle verwendet hatte.<br />
Früher waren die grossen Holste<strong>in</strong> Tiere die dom<strong>in</strong>ante Kuhrasse, diese wurden<br />
23 Jeder Burger darf so viele Tiere auf der Alpe sömmern, wie er selbständig durch den W<strong>in</strong>ter<br />
br<strong>in</strong>gen kann.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
5 Allmendenbewirtschaftung früher Seite 29 von 87<br />
Abbildung 13: Simmentaler Kuh (Foto: D. Schmuki, 25. Juni 2005)<br />
aber nach <strong>und</strong> nach von den kle<strong>in</strong>eren <strong>und</strong> leichteren Simmentaler Kühen (siehe<br />
Abbildung 13) abgelöst. Auch e<strong>in</strong>ige Ehr<strong>in</strong>ger Kühe (siehe Abbildung 14) waren<br />
<strong>in</strong> der Herde anzutreffen. Törbel war für se<strong>in</strong> R<strong>in</strong>dvieh sehr berühmt <strong>und</strong> konnte<br />
viele Tiere an umliegende Geme<strong>in</strong>den, das Unterwallis, die Region Frutigen (Berner<br />
Oberland) <strong>und</strong> sogar die Ostschweiz verkaufen. Alte Milchkühe wurden auch<br />
oft selber geschlachtet <strong>und</strong> zu Trockenfleisch oder Hauswurst verarbeite. E<strong>in</strong>zelne<br />
R<strong>in</strong>dviehbesitzer betrieben diesen Handel zu Nett<strong>in</strong>gs Zeit immer noch, doch die<br />
meisten Tiere wurden privat verkauft. Die Haushalte pflegten zwischen e<strong>in</strong>er <strong>und</strong><br />
drei Kühen zu halten, was zur Selbstversorgung ausreichen musste. Das Heu der<br />
Wiesen e<strong>in</strong>es Haushaltes limitierte durch die W<strong>in</strong>terregel die Anzahl Tiere <strong>und</strong><br />
führte dazu, dass die R<strong>in</strong>dviehpopultaion e<strong>in</strong>e Art Gleichgewicht erreichte. Die<br />
wichtige Ressource für Heu, die Wiesen, blieben so im Besitz der Geme<strong>in</strong>de <strong>und</strong><br />
wurden gleichzeitig auf alle Haushalte verteilt (Nett<strong>in</strong>g 1981: 25-27).<br />
Vor dem Jahr 1900 lebten <strong>in</strong> Törbel um die 400 Schafe, welche als Fleisch<strong>und</strong><br />
Wollelieferanten verwendet wurden. Bevor im Jahr 1950 die Oberaar Alp<br />
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Seite 30 von 87 5 Allmendenbewirtschaftung früher<br />
Abbildung 14: Ehr<strong>in</strong>ger Kuh (Foto: D. Schmuki, 25. Juni 2005)<br />
verkauft wurde, verbrachten die Schafe den Sommer dort. Die Schafpopulation<br />
erfuhr e<strong>in</strong>en drastischen Rückgang <strong>in</strong> der ersten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />
als durch die billige Wolle aus dem Ausland die <strong>in</strong>ländischen Preise nicht mehr<br />
konkurenzfähig waren. Erst nach der Jahrh<strong>und</strong>ertwende hielt man wieder mehr<br />
Schafe. Kühe wurden weniger gebraucht <strong>und</strong> so war das Schaf e<strong>in</strong> unkomplizierter<br />
Abnehmer für das überflüssige Heu. Ausserdem schätzte man das Schaffleisch als<br />
willkommene <strong>und</strong> billige Abwechslung auf dem Speiseplan (Nett<strong>in</strong>g 1981: 28).<br />
Mancher Familienvater musste unter der Woche anderswo <strong>in</strong> der Schweiz se<strong>in</strong><br />
Geld verdiente <strong>und</strong> war nur am Wochenende zu Hause, so dass se<strong>in</strong>e Frau den<br />
Bauernbetrieb während se<strong>in</strong>er Abwesenheit führte. Das dazuverdiente Geld <strong>in</strong>vestierte<br />
man <strong>in</strong> den eigenen Betrieb. Nett<strong>in</strong>g erwähnt, dass zu se<strong>in</strong>er Zeit die<br />
Landwirtschaft nur noch e<strong>in</strong> Nebenberuf war, wenn gleich noch Käse <strong>und</strong> Milch<br />
sowie Fleisch für den Eigengebrauch produziert wurde. Die Landwirtschaftsflächen<br />
büssten an Wert e<strong>in</strong> <strong>und</strong> die Zukunft der Bergbauern ist zweifelhaft (Nett<strong>in</strong>g<br />
1981: 56).<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
5 Allmendenbewirtschaftung früher Seite 31 von 87<br />
5.2.2 Regulierung der Wälder<br />
Bei der frühen Besiedelung der Alpen hat die Waldrohdung wohl e<strong>in</strong>en wichtige<br />
Rolle gespielt, da sie Weiden <strong>und</strong> Äcker unterhalb der Baumgrenze erst ermöglichte.<br />
E<strong>in</strong> grosser Teil des Waldes blieb jedoch <strong>in</strong> Törbel erhalten <strong>und</strong> bildete<br />
e<strong>in</strong>e nachhaltige Rohstoffquelle sowie e<strong>in</strong>en Schutz vor diversen Naturgefahren<br />
(Nett<strong>in</strong>g 1981: 12). Nach Nett<strong>in</strong>g (1981) gab es zwar kle<strong>in</strong>e, verstreute Parzellen<br />
von Wald, welche <strong>in</strong> Privatbesitz waren, doch der grosse Teil gehörte zum Geme<strong>in</strong>dewald.<br />
Das Holz wurde von allen Bugern zum Heizen der Ste<strong>in</strong>öfen <strong>und</strong> zum<br />
Kochen über dem offenen Feuer wie auch für die Konstruktion der Häuser, Ställe,<br />
Scheunen <strong>und</strong> Speicher gebraucht. Erwähnte s<strong>in</strong>d auch die Vorteile der geme<strong>in</strong>samen<br />
Waldbewirtschaftung wie Verankerung des Alp<strong>in</strong>en Bodens, Erosionsschutz<br />
<strong>und</strong> Verh<strong>in</strong>derung von schnellem Abfliessen des Schmelzwassers. Nett<strong>in</strong>g weisst<br />
zusätzlich auf die Bedeutung der Wälder als Law<strong>in</strong>enschutz <strong>und</strong> als Zufluchtsort<br />
für die Tiere der Alp h<strong>in</strong>. Wäre der Wald <strong>in</strong> Privatbesitz, würde das e<strong>in</strong>e kontrollierte<br />
<strong>und</strong> kont<strong>in</strong>uierliche Nutzung fast verunmöglichen. E<strong>in</strong>e Versorgung jeden<br />
Haushaltes mit dem m<strong>in</strong>imalen Holzbedarf wäre <strong>und</strong>enkbar aufgr<strong>und</strong> von demographischen<br />
Veränderungen (Nett<strong>in</strong>g 1981: 67). So war es der Geme<strong>in</strong>de möglich,<br />
die Nutzung streng zu kontrollieren, was e<strong>in</strong>e nachhaltige Bewirtschaftung erst<br />
möglich machte.<br />
Die Verteilung erfolgte dann mit dem bereits erwähnten “Losholz”-Verfahren<br />
an jeweils e<strong>in</strong>e Gruppe von drei Haushalten. Diese selbständig gebildeten Teams<br />
unterstützten sich folglich gegenseitig bei der anstrengenden Aufgabe des Fällens<br />
<strong>und</strong> des Transports des Holzes zum Dorf (Nett<strong>in</strong>g 1981: 67). Fällen war nur<br />
e<strong>in</strong>mal jährlich bewilligt, Kle<strong>in</strong>holz durfte jedoch während des ganzen Jahres gesammelt<br />
werde. So wurden K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> den Wald geschickt, um heruntergefallene<br />
Äste <strong>und</strong> Tannenzapfen zu suchen. Der grosse Bedarf an Brennstoff führte dazu,<br />
dass jeder noch so kle<strong>in</strong>e Ast e<strong>in</strong>gesammelt wurde. Dürre Tännchen <strong>und</strong> W<strong>in</strong>dfallholz<br />
wurden jeweils sonntags nach der Kirche vom Waldvogt an den Meistbietenden<br />
versteigert (Stebler 1922: 98). Die Nadeln der Koniferen (Nadelbäume)<br />
fanden Verwendung als Streu für das Vieh (Nett<strong>in</strong>g 1981: 12). So erreicht man<br />
e<strong>in</strong> Gleichgewicht zwischen dem Nutzungsbedürfnis der Dorfbewohner <strong>und</strong> der<br />
Erhaltung des Waldes als natürlichen Schutzschild gegen die bereits erwähnten<br />
Naturgefahren. Da jedoch e<strong>in</strong>zelne Haushalte Holz für allfällige Reparaturen lagerten,<br />
war man gezwungen, Brennholz von umliegenden Geme<strong>in</strong>den aufzukaufen<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 32 von 87 5 Allmendenbewirtschaftung früher<br />
(Nett<strong>in</strong>g 1981: 68).<br />
5.3 Die Allmende zu Nett<strong>in</strong>gs Zeit<br />
In diesem Kapitel wird die Situation der Allmende zu der Zeit untersucht, als<br />
Nett<strong>in</strong>g vor Ort <strong>in</strong> Törbel war. Se<strong>in</strong> erster Aufenthalt dauerte vom Juli 1970 bis<br />
zum August 1971 mehr als e<strong>in</strong> Jahr. Darauf folgten noch zwei Sommerbesuche<br />
von jeweils zwei Monaten <strong>in</strong> den Jahren 1974 <strong>und</strong> 1977 (Nett<strong>in</strong>g 1981: Preface<br />
17).<br />
5.3.1 Reglement der Burgeralpen 1939<br />
Recherchen im Geme<strong>in</strong>dearchiv von Törbel ergaben, dass sich die Burger am 15.<br />
Mai 1938 versammelten, um die “alten Gebräuche” <strong>und</strong> Bestimmungen bezüglich<br />
der Allmendenbewirtschaftung schriftlich festzuhalten <strong>und</strong> ihnen so gesetzliche<br />
Rechtskraft zu verleihen. Dieses Reglement ist von grosser Bedeutung, da es erst<br />
1989 revidiert wurde <strong>und</strong> somit <strong>in</strong> Kraft war, als McC. Nett<strong>in</strong>g se<strong>in</strong>e Studien über<br />
das Dorf verfasste. Es folgt nun e<strong>in</strong>e detaillierte Übersicht dieses Reglements der<br />
Burgeralpen von Törbel.<br />
Zur Entlastung der Geme<strong>in</strong>deverwaltung, welche bis dah<strong>in</strong> die Verantwortung<br />
für die Allmendenbewirtschaftung getragen hatte, wurde die “Genossenschaft der<br />
Burgeralpen von Törbel” gegründet. Dabei handelte es sich ke<strong>in</strong>esfalls um e<strong>in</strong>e<br />
juristische Genossenschaft, der Name wurde lediglich gewählt, da er die “Geteilschaft<br />
der Bürger” gut beschrieb. Die Genossenschaft bestand aus folgenden drei<br />
Organen:<br />
Vorstand (Exekutive): Dieser setzte sich aus drei Mitgliedern zusammen, dem<br />
Präsidenten, Vizepräsidenten <strong>und</strong> dem Schreiber. Diese wurden jeweils für<br />
e<strong>in</strong>e Amtszeit von vier Jahren von der Generalversammlung gewählt. Er<br />
leitete <strong>und</strong> verwaltete die Genossenschaft, vertrat sie nach aussen. Ausserdem<br />
war er für die E<strong>in</strong>haltung des Reglements <strong>und</strong> die Bestimmung der<br />
Alpvögte zuständig.<br />
Generalversammlung (Legislative): Ihr gehörten alle Bürger von Törbel an<br />
<strong>und</strong> sie wurde m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal im Jahr durchgeführt. Dabei wurden die<br />
F<strong>in</strong>anzen geregelt <strong>und</strong> bei Bedarf über Neuerungen abgestimmt. Ihr unterstand<br />
auch die Wahl <strong>und</strong> Beurteilung des Vorstandes.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
5 Allmendenbewirtschaftung früher Seite 33 von 87<br />
Alpvögte: Sie waren verantwortlich für das nötige Alppersonal (Sennen, Hirten,<br />
Hilfskräfte), deren Gehalt <strong>und</strong> die Alpfahrt. Für jede Sennerei 24 <strong>und</strong><br />
R<strong>in</strong>deralp wurde je e<strong>in</strong> Alpvogt dem Alter nach gewählt.<br />
Alle Genossenschaftsmitgliedern hatten e<strong>in</strong> Recht auf die Nutzung der Alpen. Als<br />
Gegenleistung hatte jedes Mitglied e<strong>in</strong>e von der Verwaltung geforderte Arbeitsleistung<br />
zu vollbr<strong>in</strong>gen oder als Entschädigung e<strong>in</strong>en Geldbetrag beizusteuern.<br />
Die Besetzung des kle<strong>in</strong>en <strong>und</strong> grossen Senntum 25 Moosalp <strong>und</strong> des Senntum Bifigen<br />
erfolgt wie sie “von Alters her” zugeteilt war. Das hiess, dass jeden Sommer<br />
der gleiche Bauer se<strong>in</strong>e Kühe beziehungsweise R<strong>in</strong>der auf die gleiche Alp brachte.<br />
Führte dies zu e<strong>in</strong>er unangemessenen Verteilung, tritt e<strong>in</strong>e Sonderregelung<br />
<strong>in</strong> Kraft. Ausserdem bestimmte die altbekannte “W<strong>in</strong>terregel” die Anzahl Tiere,<br />
welche e<strong>in</strong> Bauer auf der Allmende sömmern durfte. Es waren genau so viele, wie<br />
er auch während des W<strong>in</strong>ters versorgen konnte.<br />
Um Verstösse gegen das Reglement vorzubeugen, waren ausserdem Strafbestimmungen<br />
sowie e<strong>in</strong>e Revisionsklausel für allfällige Änderungen aufgeführt.<br />
An dieser Stelle muss auch kurz erwähnt werden, dass die Geme<strong>in</strong>de Törbel<br />
seit dem Jahre 1514 (?: 69) Besitzer<strong>in</strong> der Oberaaralp im Grimselgebiet war 26 .<br />
Diese Alp wurde zusätzlich zur Sömmerung verwendet, obwohl e<strong>in</strong>e dreitägige<br />
Reise von Vieh <strong>und</strong> Hirten <strong>in</strong> Kauf genommen werden musste. Für diese Oberaaralp<br />
wurde schon zu jener Zeit die Regelung gelockert, so dass zusätzlich fremde<br />
Tiere gesömmert werden konnten.<br />
5.3.2 Vollzug des Reglements<br />
Nach e<strong>in</strong>em Text Roman von Juon (pensionierter Lehrer von Törbel) verschwand<br />
die ”Älplerromantik” mit dem Bau der neuen Stallungen auf der Moosalp <strong>in</strong> den<br />
Jahren 1963/64. Die Sennen gaben das Nomadendase<strong>in</strong> auf <strong>und</strong> verbrachten den<br />
ganzen Sommer <strong>in</strong> der neuen Alphütte. Da der Landwirtschaft <strong>in</strong> der ersten Hälfte<br />
des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts e<strong>in</strong>e viel grössere Bedeutung beigemessen wurde, baute<br />
man die Ställe überdimensionert. Sie bieten Platz für 300 Kühe, jedoch betrug<br />
der Bedarf nach der Jahrh<strong>und</strong>ertwende nur noch um die 130 Tiere. Um die Ställe<br />
besser auslasten zu können, öffnete man 1980 die Alpen auch für Vieh von<br />
24 Produktionsstätte des Käses<br />
25 Mit Sentum ist e<strong>in</strong>e Sennerei mit ihrer Alp geme<strong>in</strong>t.<br />
26 1948 wurde beschlossen, diese Alp zu Gunsten e<strong>in</strong>es geplanten Stausees am Grimselpass zu<br />
verkaufen (Kaufpreis: CHF 160’000)<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 34 von 87 5 Allmendenbewirtschaftung früher<br />
ausswärtigen Nichtburgern. Dennoch überstieg die Zahl der Tiere die 130 Stück-<br />
Marke kaum. E<strong>in</strong> Zahlenbeispiel soll den drastischen Rückgang verdeutlichen:<br />
1911 registrierte man <strong>in</strong> Törbel noch 526 Stück R<strong>in</strong>dvieh, h<strong>in</strong>gegen zählte man<br />
2002 nur noch 207.<br />
Langsam setzte sich auch die masch<strong>in</strong>elle Unterstützung beim Melken, Ausbr<strong>in</strong>gen<br />
der Gülle <strong>und</strong> der Käseproduktion durch. Da die Milch nicht mehr wie<br />
früher <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Hütten vor Ort weiterverarbeitet wurde, legte man im<br />
Jahr 1964 von der Moosalp e<strong>in</strong>e Art Pipel<strong>in</strong>e bis <strong>in</strong>s Dorf zur Käserei. Diese<br />
Milchleitung entpuppte sich jedoch als problematische Lösung, da sie oft durch<br />
Bauprojekte oder Erdbewegungen beschädigt wurde. Auch musste sie nach jedem<br />
Milchtransport aus hygienischen Gründen mit Wasser gespült werden, was<br />
die Handhabung noch weiter erschwerte.<br />
Nach fast 20 Jahren entschloss man sich dann 1987/88 zur Verschiebung der<br />
Käserei <strong>und</strong> des Käsekellers auf die Moosalp. Der Käse wurden neu vor Ort produziert<br />
<strong>und</strong> zwei Mal pro Sommer an die Kuheigentümer abgegeben. Durch die<br />
neue Sesshaftigkeit vergrösserte sich der Weg zu den Weiden. Dies führte unweigerlich<br />
dazu, dass die weiter entfernt liegenden Weiden nicht mehr aufgesucht<br />
werden konnten.<br />
5.3.3 Regulierung der Wälder<br />
Da Nett<strong>in</strong>g (1981) Strebler (1922) auch hier als Quelle verwendet hatte, wird<br />
hier auf e<strong>in</strong>e Wiederholung der E<strong>in</strong>zelheiten von Strebler verzichtet (siehe Kapitel<br />
5.2.2).<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong> Seite 35 von 87<br />
6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong><br />
6.1 Allmende <strong>heute</strong><br />
Die aktuellen Bestimmungen zur Bewirtschaftung der Alpen beruht auf dem “Reglement<br />
der Burgeralpen von Törbel” aus dem Jahre 1989. Um die Regulierung<br />
genau zu verstehen, müssen wir e<strong>in</strong>en Exkurs zu den gesetzlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
im Kanton Wallis unternehmen.<br />
6.1.1 Juristische Gr<strong>und</strong>lagen<br />
Im Geme<strong>in</strong>degesetz werden die E<strong>in</strong>wohnergeme<strong>in</strong>de <strong>und</strong> die Burgergeme<strong>in</strong>de def<strong>in</strong>iert.<br />
Beim Ersteren handelt es sich um deren Gebiet <strong>und</strong> deren Bevölkerung (Gesetzessammlung<br />
des Kanton Wallis 2005a: 3, Art. 1). Die Ausübung der politischen<br />
Rechte (Wahlrecht, Stimmrecht, Referendumsrecht etc.) <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>wohnergeme<strong>in</strong>de<br />
ist allen Schweizer Bürgern mit Wohnsitz <strong>in</strong> betreffender Geme<strong>in</strong>de<br />
garantiert (Systematische Sammlung des B<strong>und</strong>esrechts 2005a: 8, Art. 39). Aus<br />
der E<strong>in</strong>wohnergeme<strong>in</strong>de gehen die Urversammlung 27 (alle stimmberechtigten E<strong>in</strong>wohner)<br />
als Beschlussfassungsorgan (Legislative), <strong>und</strong> e<strong>in</strong> gewählter Geme<strong>in</strong>derat<br />
als Vollzugsorgan (Exekutive) hervor. In Törbel gibt es die Urversammlung <strong>und</strong><br />
den Geme<strong>in</strong>derat, welcher aus drei Personen besteht. Der (Geme<strong>in</strong>de-)Präsident<br />
vertritt die E<strong>in</strong>wohnergeme<strong>in</strong>de gegen aussen <strong>und</strong> besitzt das Aufsichts- <strong>und</strong> Kontrollrecht<br />
über die Geme<strong>in</strong>deverwaltung (Gesetzessammlung des Kanton Wallis<br />
2005a: 10, Art. 43). Die E<strong>in</strong>wohnergeme<strong>in</strong>de besitzt folgende Befugnisse: Geme<strong>in</strong>def<strong>in</strong>anzen,<br />
Ortspolizei, Tr<strong>in</strong>kwasserversorgung, Umweltschutz, Förderung der lokalen<br />
Wirtschaft, Energieversorgung etc. (Gesetzessammlung des Kanton Wallis<br />
2005a: 2, Art. 6).<br />
Die Burgergeme<strong>in</strong>de h<strong>in</strong>gegen wird von den Burgern (Bürgern) - unabhängig<br />
ihres Wohnsitzes - der entsprechenden Geme<strong>in</strong>de gebildet. Die Legislative bildet<br />
die Burgerversammlung, die Exekutive den Burgerrat (analog zur E<strong>in</strong>wohnergeme<strong>in</strong>de)<br />
(Gesetzessammlung des Kanton Wallis 2005a: 12, Art. 50). ”<br />
Sofern die<br />
Burgerversammlung ke<strong>in</strong>en Burgerrat gewählt hat, wird die Burgergeme<strong>in</strong>de vom<br />
27 Die Urversammlung wird bei grösseren Geme<strong>in</strong>den, deren Bevölkerung 700 E<strong>in</strong>wohner übersteigt,<br />
durch e<strong>in</strong>en gewählten Generalrat (entspricht dem Parlament) ersetzt (Gesetzessammlung<br />
des Kanton Wallis 2005a: 2, Art. 4).<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 36 von 87 6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong><br />
Rat der E<strong>in</strong>wohnergeme<strong>in</strong>de verwaltet“ (Gesetzessammlung des Kanton Wallis<br />
2005a: 12, Art. 51). Folgenden Aufgaben ist die Burgergeme<strong>in</strong>de unter anderem<br />
verpflichtet (Gesetzessammlung des Kanton Wallis 2005b: 1, Art. 3): die Verleihung<br />
des Burgerrechts (Bürgerrechts), die Verwaltung ihres Vermögens, <strong>in</strong>dem<br />
sie die Burgergüter unterhällt <strong>und</strong> bewirtschaftet sowie die Verwirklichung von<br />
Werken öffentlichen Nutzens. Niemand darf wegen se<strong>in</strong>er Bürgerrechte bevorzugt<br />
oder benachteiligt werden. Ausgenommen s<strong>in</strong>d Vorschriften über die politi-<br />
”<br />
schen Rechte <strong>in</strong> Bürgergeme<strong>in</strong>den <strong>und</strong> Korporationen sowie über die Beteiligung<br />
an deren Vermögen, ...“ (Systematische Sammlung des B<strong>und</strong>esrechts 2005a: 7,<br />
Art. 37). Diese Regelung ermöglicht den Burgergeme<strong>in</strong>den spezielle Konditionen<br />
für ihre eigenen Mitbürger bei der Nutzung von Burgergütern. Auf Kantonsebene<br />
wird dies präzisiert (Gesetzessammlung des Kanton Wallis 2005b: 3, Art. 12):<br />
Die Burgergeme<strong>in</strong>de kann ihren Burgern (Bügern) unentgeltlich oder zu Vorzugsbed<strong>in</strong>gungen<br />
Bau- <strong>und</strong> Brennholz liefern als auch die Nutzung von Burgerboden<br />
(bei persönlicher Bewirtschaftung) überlassen. Explizit wird hier das Burgerreglement<br />
(Verordnung) als Instrument zur Regulierung der Anspruchsberechtigten,<br />
Nutzungsrechte <strong>und</strong> -dauer genannt. Die von den Geme<strong>in</strong>den ausgearbeiteten<br />
Reglemente müssen vom Staatsrat genehmigt werden (Gesetzessammlung des<br />
Kanton Wallis 2005e: 16, Art. 75).<br />
Der Forstdienst ist im Wallis kantonal geregelt. An oberster Stelle der Forstorganisation<br />
f<strong>in</strong>det man das Kantonsforstamt (respektive die Kantonsförster),<br />
welchem mehrere Kreisforstämter (respektive die Kreisförster) unterstellt s<strong>in</strong>d<br />
(Gesetzessammlung des Kanton Wallis 2005c: 2, Art. 4). Sie unterstehen dem<br />
Departement für Verkehr, Bau <strong>und</strong> Umwelt (DVBU). Auf kommunaler Ebene besteht<br />
der Forstdienst aus dem Revierförster <strong>und</strong> se<strong>in</strong>em Personal. Im kantonalen<br />
Aufgabenbereich untersteht er dem Kreis- <strong>und</strong> Kantonsförster, im kommunalen<br />
Bereich den Forstbehörden der Geme<strong>in</strong>den <strong>und</strong> den privaten Waldeigentümern.<br />
Der Revierförster ist Angestellter der betroffenen öffentlichen Waldeigentümer<br />
respektive Geme<strong>in</strong>den (Gesetzessammlung des Kanton Wallis 2005c: 2, Art. 7).<br />
Die Bewirtschaftung der Wälder ist Aufgabe der öffentlichen <strong>und</strong> privaten Eigentümer<br />
(Gesetzessammlung des Kanton Wallis 2005c: 6, Art. 24). Die öffentlichen<br />
Wälder müssen so bewirtschaftet werden, dass sie e<strong>in</strong>en nachhaltigen Nutzen<br />
erbr<strong>in</strong>gen. Die Geme<strong>in</strong>den müssen für ihre Wälder Wirtschaftspläne erstellen,<br />
welche von den Departementen kontrolliert werden (Gesetzessammlung des Kan-<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong> Seite 37 von 87<br />
ton Wallis 2005c: 6, Art. 25). Alle Holzschläge werden vom Forstdienst gekennzeichnet,<br />
die Holzanzeichnung wird durch den Kreisförster oder gemäss se<strong>in</strong>er<br />
Instruktion durch den Revierförster durchgeführt (Gesetzessammlung des Kanton<br />
Wallis 2005d: 6, Art. 27). Handelt es sich um öffentliche Wälder, muss sich<br />
der Holzschlag nach dem Wirtschaftsplan richten. Unter dem Losholz versteht<br />
man das Holz, welches, wie schon im Kapitel 6.1.1 auf Seite 36 erwähnt, von der<br />
Burgergeme<strong>in</strong>de unentgeltlich oder zu stark reduziertem Preis an ihre Mitburger<br />
abgegeben wird (Gesetzessammlung des Kanton Wallis 2005d: 6, Art. 30). Das<br />
Losholz wird aus Sicherheitsgründen vom kommunalen Forstdienst (Revierförster)<br />
gefällt <strong>und</strong> bearbeitet.<br />
6.1.2 Reglement der Burgeralpen 1989<br />
Diesem Kapitel liegt das Reglement der Burgeralpen 1989 zu Gr<strong>und</strong>e. Zu den<br />
Burgergütern gehören die Alpen “Moos”, “Biffigen” <strong>und</strong> “Törbeltelli”. Die Kühe<br />
weiden im Sommer im Normalfall auf der Alp Moos, die R<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Kälber auf<br />
der Alp Biffigen <strong>und</strong> die Schaffe im Törbeltelli. Ziegen s<strong>in</strong>d auf den Alpen nicht<br />
zugelassen. Die Nutzniesser s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie alle <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de Törbel wohnhaften<br />
Burger (Bürger). Es können weitere Nutzniesser <strong>in</strong> folgender Reihenfolge<br />
berücksichtigt werden: nicht-wohnansässige Burger, Nichtburger mit Wohnsitz <strong>in</strong><br />
Törbel <strong>und</strong> auswärtige Interessenten. Nutzniesser der Schafalpe s<strong>in</strong>d nur <strong>in</strong> der<br />
Geme<strong>in</strong>de wohnansässige Burger. Die Burgeralpen haben folgende Organe: die<br />
Burgerversammlung (Legislative), der Geme<strong>in</strong>derat (Exekutive), die Versammlung<br />
der Viehbesitzer <strong>und</strong> die Alpkommission.<br />
Burgervesammlung: Sie ist oberstes Organ der Burgeralpen, welche über wichtige<br />
Verbesserungen der Alpen <strong>und</strong> über die Aufnahme von Anleihen zu<br />
deren F<strong>in</strong>anzierung beschliesst. Sie setzt den Beitrag für die Weidennutzung<br />
pro Kuh auf der Alp “Moos” fest, von der Regelung ausgenommen<br />
s<strong>in</strong>d die wohnansässigen Burger. Die Burgerversammlung kann über Ganzoder<br />
Teilrevision des Reglements entscheiden.<br />
Geme<strong>in</strong>derat: Er vertritt die Burgeralpen gegen aussen <strong>und</strong> überwacht über die<br />
E<strong>in</strong>haltung dieses Reglements. Er beschliesst über wichtige Verbesserung<br />
der Alpen <strong>und</strong> Anleihen zu deren F<strong>in</strong>anzierung soweit sie dazu ermächtigt<br />
s<strong>in</strong>d. Im Frühjahr übergibt der Geme<strong>in</strong>derat die Alpen der Alpkommission<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 38 von 87 6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong><br />
<strong>und</strong> übernimmt sie wieder im Herbst.<br />
Versammlung der Viehbesitzer: An dieser Versammlung s<strong>in</strong>d alle <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de<br />
wohnansässige Viehbesitzer teilnahmeberechtigt. Sie wählen aus ihrer<br />
Mitte die Alpkommission <strong>und</strong> deren Präsidenten. Die Kommission besteht<br />
<strong>in</strong>sgesamt aus drei Personen. Ausserdem legt die Versammlung der<br />
Viehbesitzer die Anzahl der zu leistenden Alpwerke (Anzahl Tage geme<strong>in</strong>nützige<br />
Arbeit auf der Burgeralp, normalerweise im Frühl<strong>in</strong>g <strong>und</strong> im Herbst)<br />
pro Tier respektive die Höhe der zu entrichtenden Ersatzzahlungen fest.<br />
Alpkommission: Sie bestimmt den Tag der Alpfahrt, sorgt für die E<strong>in</strong>haltung<br />
der kantonalen <strong>und</strong> kommunalen Regelungen sowie für Ordnung im Alpbetrieb.<br />
Es ist ihre Aufgabe das Alppersonal anzustellen, die Betriebsrechnung<br />
aufzustellen, die Verwertung <strong>in</strong>klusive Verteilung der Milchprodukte zu organisieren<br />
<strong>und</strong> die Anzahl Tiere, die auf den Burgeralpen zugelassen s<strong>in</strong>d,<br />
zu bestimmen. Ferner muss sie e<strong>in</strong>e Haftpflichtversicherung für Schäden gegenüber<br />
Dritten für die Tiere auf den Burgeralpen abschliessen. Die Kosten,<br />
welche während des Sommers entstehen, gehen zu Lasten der Burgeralpenbenützer.<br />
Die Kosten für den Senn <strong>und</strong> das Material zur Milchverarbeitung<br />
werden auf die Anzahl Liter Milch verteilt.<br />
Der Bau <strong>und</strong> Unterhalt von Gebäuden zwecks der Bewirtschaftung der Burgeralpen<br />
werden von der Burgergeme<strong>in</strong>de mit dem Alpverbesserungsfonds bezahlt.<br />
Der Fonds wird durch nachstehende E<strong>in</strong>nahmequellen f<strong>in</strong>anziert: der Rückbehalt<br />
von den Beiträgen des B<strong>und</strong>es für die Nutzung der Alpen, die Ersatzzahlungen<br />
für nicht geleistete Alpwerke, den Beitrag für die Weidennutzung der nicht wohnansässigen<br />
Burger, die Erträge aus Zeltlagern <strong>und</strong> Bussen.<br />
Zuwiderhandlungen gegen das Reglement der Burgeralpen werden von der Alpkommission<br />
mit e<strong>in</strong>er Busse bestraft. Die Höhe der Strafe wird nach Ermessen<br />
der Alpkommission unter Berücksichtigung der Schwere der verletzten Bestimmungen<br />
bestimmt.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong> Seite 39 von 87<br />
6.1.3 Vollzug des Reglements <strong>heute</strong><br />
Die Allmende<br />
Das oben beschriebene Reglement von 1989 ist <strong>heute</strong> noch vollumfänglich <strong>in</strong><br />
Kraft. Wir stützen uns bei der Behandlung dessen Vollzuges auf unser Gespräch<br />
<strong>und</strong> Interview mit Silvan Juon, dem Präsidenten der Alpkommission, sowie auf<br />
die Gespräche mit der Geme<strong>in</strong>de Törbel <strong>und</strong> Texte von Lehrer Roman Juon.<br />
Das vollständige Interview <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Zusammenstellung der Exkursionen ist im<br />
Appendix aufgeführt. Gemäss Silvan Juon werden weder Sonder- noch mündliche<br />
Regelungen praktiziert, so dass wir das Reglement von 1989 als vollständig<br />
betrachten können.<br />
Das Alppersonal, von der Alpkommission angestellet, besteht aus zwei Hirten,<br />
e<strong>in</strong>em Älpler <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em Senn. Die Hirten kümmern sich um die Kühe, der<br />
Älpler ist für die Stallre<strong>in</strong>igung <strong>und</strong> das Ausbr<strong>in</strong>gen der Gülle 28 auf die Weiden<br />
verantwortlich <strong>und</strong> der Senn stellt den Käse her.<br />
Der Tagesablauf auf der Alp sieht folgendermassen aus: Um 04:00 Uhr <strong>in</strong> der<br />
Früh steht man auf um die Kühe zu melken <strong>und</strong> trifft sich später um 06:30 Uhr<br />
zum geme<strong>in</strong>sammen Frühstück. E<strong>in</strong>e halbe St<strong>und</strong>e später werden die Kühe auf<br />
die Weide getrieben <strong>und</strong> jeder erledigt se<strong>in</strong>e Arbeit. Um 18:00 Uhr steht wiederum<br />
das Melken an <strong>und</strong> ab 20:30 Uhr geniesst man den wohlverdienten Feierabend.<br />
Heute hat man auch die lange aufgegebene Produktion von Ziger 29 wieder<br />
aufgenommen. Der würzige Ziger lässt sich mit der überflüssigen Milch aus der<br />
Käseproduktion herstellen, ist bei Abnehmern sehr beliebt <strong>und</strong> br<strong>in</strong>gt zusätzliches<br />
Geld zur Senkung der Alpkosten e<strong>in</strong>.<br />
Die Produktion des Hauptproduktes, des Alpkäses, erreicht jährlich e<strong>in</strong>e Menge<br />
von ungefähr sechs Tonnen. Das Kilogramm Alpkäse erwirtschaftet CHF 16,<br />
beim Alpzieger s<strong>in</strong>d es CHF 9 (Telefonat Lebensmittelgeschäft Denner <strong>in</strong> Törbel<br />
). Der Alpkäse ist so begehrt, dass es unmöglich ist im Dorf auch nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es<br />
Stück zu bekommen, h<strong>in</strong>gegen wird der Ziger direkt auf der Moosalp vermarktet<br />
(Interview Silvan Juon, Präsident der Alpkommission). Der Alpkäse wird zwei<br />
mal pro Sommer direkt an die Kuhbesitzer im Verhältniss der jeweils abgege-<br />
28 Jauche tierischer Herkunft<br />
29 Ziger (Ricotta) ist e<strong>in</strong> Erzeugnis, das durch Säure-Hitze-Fällung aus Fett- oder Magersirte<br />
(Molke), allenfalls unter Zugabe von Mager- oder Buttermilch, gewonnen wird. Der Entzug<br />
von Flüssigkeit vor der Säurefällung der Milch ist gestattet. (Systematische Sammlung des<br />
B<strong>und</strong>esrechts 1995: 47, Art. 75)<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 40 von 87 6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong><br />
benen Milch verteilt. Diese Milchmenge wird vom Milchkontrolleur drei mal pro<br />
Sommer ermittelt.<br />
Waren es früher vor allem rot-gefleckte Simmentaler Kühe, so weiden <strong>heute</strong><br />
auch vermehrt die schwarzen Ehr<strong>in</strong>ger Kühe auf den Alpen. Da Ehr<strong>in</strong>ger Kühe<br />
nicht gemolken werden können, der Viehbestand <strong>in</strong> der zweiten Hälfte dieses<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts jedoch relativ stabil (130 Stück) blieb <strong>und</strong> die Käseproduktion sogar<br />
gesteigert wurde, geben die Simmentaler Kühe deutlich mehr Milch als früher.<br />
Dieser Effekt lässt sich durch die Weiterzüchtung der Rasse erklären.<br />
Die Begeisterung der Walliser für die kampflustigen Ehr<strong>in</strong>ger Kühe hat sich<br />
erst seit ungefähr zwei Generationen etabliert <strong>und</strong> ist <strong>heute</strong> nicht mehr wegzudenken.<br />
Auch <strong>in</strong> Törbel ist man sehr stolz auf se<strong>in</strong>e Ehr<strong>in</strong>ger Kühe. Ihr Fleisch kann<br />
im Gegensatz zu dem der Simmentaler nicht kommerziell genutzt werden. Für<br />
das Kilogramm Fleisch bekommt der Bauer CHF 5 (Telefonat Metzgerei Zuber<br />
<strong>in</strong> Visp). Da die Simmentaler Tiere jedoch gute Milchkühe s<strong>in</strong>d, wird dies kaum<br />
praktiziert.<br />
Bei der Nutzung der Schafe ist der Verkauf der Lämmern zur Fleischgew<strong>in</strong>nung<br />
von grosser Bedeutung. Ausserdem kann Wolle produziert werden, was sich aber<br />
wegen des tiefen Verkaufspreises durch die aussländische Konkurenz <strong>heute</strong> kaum<br />
noch lohnt (Interview Silvan Juon, Präsident der Alpkommission).<br />
Zu Beg<strong>in</strong>n der Sömmerung beim Alpaufzug lässt man alle Kühe gegene<strong>in</strong>ander<br />
kämpfen, so dass sich die stärkste Kuh als Anführer<strong>in</strong> durchsetzen kann.<br />
Es wird jeweils e<strong>in</strong>e grosse Weide um alle Ehr<strong>in</strong>ger abgesteckt. Die Kühe tragen<br />
diese Kämpfe selbstorganisiert aus. Es dauert fast e<strong>in</strong>en ganzen Tag, bis die<br />
R<strong>in</strong>gkuh oder “Alpkönig<strong>in</strong>” bestimmt ist <strong>und</strong> für deren Besitzer ist dies dann e<strong>in</strong>e<br />
ganz besondere Ehre. Von “Älplerromantik” ist jedoch <strong>heute</strong> bei diesem Anlass<br />
nicht mehr viel zu spüren, denn neben den Viehbesitzern von Törbel s<strong>in</strong>d auch<br />
andere Walliser <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Vielzahl Touristen anwesend. Die Moosalp ist mit Autos,<br />
Bussen <strong>und</strong> Lastwagen vollbesetzt <strong>und</strong> auf dem Kampfgelände bef<strong>in</strong>den sich<br />
Verpflegungsstände <strong>und</strong> e<strong>in</strong> gigantischer Bierwagen (siehe Abbildung 15).<br />
Zwei Gewalthaber, welche früher die E<strong>in</strong>haltung des Reglements kontrollierten,<br />
existieren bis <strong>heute</strong> <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de, haben jedoch völlig neue Funktionen<br />
übernommen. Der e<strong>in</strong>e ist für die Rebbergen der Burgergeme<strong>in</strong>de verantwortlich<br />
<strong>und</strong> der andere kümmert sich um die öffentlichen Arbeiten.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong> Seite 41 von 87<br />
Abbildung 15: Alpaufzug mit Ehr<strong>in</strong>ger Kuhkämpfen <strong>in</strong> Törbel (Foto: D. Schmuki, 25. Juni 2005<br />
Die Wälder<br />
Zur Zeit bef<strong>in</strong>den sich noch 80% der Wälder im Besitz der Geme<strong>in</strong>de, die restlichen<br />
20% Privatwald werden vom Besitzer bewirtschaftet (Interview mit Silvan<br />
Juon). Die Bedeutung des Waldes für die E<strong>in</strong>wohner von Törbel hat sich im Laufe<br />
des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts f<strong>und</strong>amental verändert. Der Nutzungswandel hat sich<br />
langsam vollzogen, so dass es nicht möglich ist, diesen genau zu datieren.<br />
Nach Nett<strong>in</strong>g (1981) schien die traditionelle Bedeutung des Waldes als Holz-,<br />
Anfeuerholz- <strong>und</strong> Streuliferant <strong>in</strong> den 70-er Jahren noch <strong>in</strong>takt zu se<strong>in</strong>. Heute s<strong>in</strong>d<br />
die Lärchennadeln, welche sich auf dem Waldboden zu Haufen sammeln lassen,<br />
durch herkömmliche E<strong>in</strong>streu wie Stroh ersetzt worden. Das Kle<strong>in</strong>holz wird auch<br />
nicht mehr benötigt, da sich im ganzen Dorf Öl- <strong>und</strong> Elektrikheizungen durchgesetzt<br />
haben. Jeder Bürger kann bei der Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong> Los beziehungsweise das<br />
Anrecht auf e<strong>in</strong>e bestimmte Menge von verbilligtem Holz erwerben. Der Bedarf<br />
wird wieder vollständig mit eigenem Holz gedeckt. Gesetzlich ist zwar <strong>heute</strong> fest-<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 42 von 87 6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong><br />
gelegt, dass das “Losholz” nicht mehr selbständig gefällt <strong>und</strong> transportiert werden<br />
darf 30 , doch gemäss Silvan Juon hat sich diese neue Regel noch nicht ganz etabliert.<br />
Abschliessend lässt sich sagen, dass der Wald wohl im Leben der Törbeler<br />
ke<strong>in</strong>e wichtige Rolle mehr spielt, was an der ger<strong>in</strong>gen Nutzung deutlich sichtbar<br />
wird.<br />
6.2 Ökonomische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
6.2.1 Wirtschaftliche Struktur des Kanton Wallis<br />
Aufgr<strong>und</strong> se<strong>in</strong>er starken Ausrichtung auf die Hotellerie <strong>und</strong> das Gastgewerbe erzielt<br />
der Kanton Wallis e<strong>in</strong>e relativ tiefe Wertschöpfung pro beschäftigter Person<br />
(Weber & Golay 2004: 5). E<strong>in</strong> grosser Teil der qualifizierten Bevölkerung, vor<br />
allem die jungen Arbeitnehmer, verlässt das Oberwallis, weil es dort zu wenig<br />
Arbeitsplätze gibt (Weber & Golay 2004: 13). Neben dem Gastgewerbe, s<strong>in</strong>d das<br />
Baugewerbe, der Detailhandel, das Ges<strong>und</strong>heits- respektive Sozialwesen <strong>und</strong> die<br />
chemische Industrie die nächst wichtigen Branchen im Wallis. Die Chemie<strong>in</strong>dustrie,<br />
unter anderem die Firmen Lonza <strong>in</strong> Visp <strong>und</strong> Alcan <strong>in</strong> Steg, ist e<strong>in</strong>e der<br />
bedeutendsten Arbeitgeber<strong>in</strong>nen im Oberwallis.<br />
Die Neue Zürcher Zeitung (lth 2005) lobt die gut ausgebildeten Berufsleute<br />
<strong>und</strong> die Bereitschaft zur Schichtarbeit. Sie er<strong>in</strong>nert daran, dass neben der Chemie<strong>in</strong>dustrie<br />
auch Dienstleistungsunternehmen wie das Kontaktzentrum der Nestlé-<br />
Tochter Nespresso <strong>in</strong> den südwestlichen Kanton <strong>in</strong>vestieren <strong>und</strong> Arbeitsplätze<br />
schaffen. Der Übergang von der traditionellen Industrie geprägten Wirtschaft zu<br />
e<strong>in</strong>er wissensbasierten Gesellschaft, <strong>in</strong> der Dienstleistungen <strong>und</strong> Spitzen<strong>in</strong>dustrie<br />
dom<strong>in</strong>ieren, ist erfolgreich abgeschlossen worden <strong>und</strong> wird positiv bewertet (Weber<br />
& Golay 2004: 47).<br />
6.2.2 Wieso braucht es E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong>s Marktgleichgewicht?<br />
Für die Entwicklung <strong>und</strong> den Zustand der Tierpopulationen respektive der Landwirtschaft<br />
ist es wichtig, die staatlichen E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong>s Marktgleichgewicht zu berücksichtigen.<br />
Ohne Subventionen beziehungsweise Direktzahlungen sähe die Landwirtschaft<br />
aufgr<strong>und</strong> erhöhtem ökonomischen Druck <strong>in</strong> der Schweiz <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbeson-<br />
30 Diese Bed<strong>in</strong>gung wurde nach E<strong>in</strong>sprache der SUVA aufgr<strong>und</strong> der hohen Unfall- <strong>und</strong> Verletzungsgefahr<br />
festgelegt (Geme<strong>in</strong>de Törbel).<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong> Seite 43 von 87<br />
dere <strong>in</strong> den Bergregionen völlig anders aus.<br />
Wieso brauchen vor allem die Berglandschaften staatliche Unterstützung?<br />
Zwei Drittel des Schweizer Territoriums liegen im Berggebiet <strong>und</strong> annähernd<br />
e<strong>in</strong> Viertel der Bevölkerung wohnt dort. Das Berggebiet mit se<strong>in</strong>er landschaftlichen<br />
Schönheit <strong>und</strong> Vielfalt <strong>und</strong> der Volkskultur mit ihren Eigenheiten s<strong>in</strong>d Teil<br />
des schweizerischen Selbstverständnisses <strong>und</strong> prägen auch das Bild der Schweiz im<br />
Ausland. Gleichzeitig ist diese Kulturlandschaft der wichtigste Standortfaktor für<br />
den dom<strong>in</strong>ierenden Wirtschaftszweig Tourismus, schützt vor Naturgefahren (wie<br />
zum Beispiel Schneelaw<strong>in</strong>en) <strong>und</strong> deren Erhaltung trägt zum Schutz der Biodiversität<br />
31 bei. Jedoch zeichnet sich der Alpenraum gleichzeitig durch topographische,<br />
strukturelle, klimatische <strong>und</strong> wirtschaftliche Nachteile aus (Gotsch et al. 2004:<br />
1-2). Zusammengefasst ist der Gr<strong>und</strong> für die staatlich Unterstützung e<strong>in</strong>e gesellschaftsverträgliche,<br />
ökologische, ressourceneffiziente <strong>und</strong> wirtschaftliche tragbare<br />
Landnutzung. Für e<strong>in</strong>e nachhaltige <strong>und</strong> ökologische Landwirtschaft muss man <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er marktwirtschaftlichen Ordnung die negativen externen Ökokosten strikte<br />
<strong>in</strong>ternalisieren (siehe Pareto-Optimums auf Seite 4, Kapitel 5).<br />
6.2.3 Agrarpolitik<br />
Die agrarpolitischen Massnahmen werden <strong>in</strong> drei Bereiche e<strong>in</strong>geteilt (B<strong>und</strong>esamt<br />
für Landwirtschaft 2004: 112): Produktion <strong>und</strong> Absatz, Direktzahlungen<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagenverbesserungen. Bei den Massnahmen zur Preis- <strong>und</strong> Absatzsicherung<br />
handelt es sich um die Schaffung guter Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die<br />
Produktion <strong>und</strong> den Absatz von Nahrungsmitteln. Die Direktzahlungen, mit welchen<br />
neben E<strong>in</strong>kommens- auch umweltpolitische Ziele mittels Internalisierung<br />
externer Kosten angestrebt werden, haben sich <strong>in</strong>zwischen zum Haupt<strong>in</strong>strument<br />
der Agrarpolitik entwickelt. Sie be<strong>in</strong>halten jene Zahlungen, welche nicht an die<br />
Produkte geb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d, sondern entweder an Faktoren oder direkt an die Landwirte<br />
ausgezahlt werden (Rieder & Phan-huy 1994: 277). Schliesslich fördert <strong>und</strong><br />
unterstützt der B<strong>und</strong> mit den Gr<strong>und</strong>lagenverbesserungen e<strong>in</strong> weiteres Mittel zur<br />
umweltgerechten, sicheren <strong>und</strong> effizienten Nahrungsmittelproduktion.<br />
31 Extensiv bewirtschaftete Standorte <strong>in</strong> den Berggebieten weisen die höchste floristische<br />
Biodiversität <strong>in</strong> der Schweiz auf. Sobald Sträucher <strong>und</strong> Bäume <strong>in</strong> der selben Fläche aufkommen,<br />
geht sie deutlich zurück. Anders als bei der floristischen sieht es bei der faunistischen Biodiversität<br />
aus. In fast allen Fällen stellten Brachflächen e<strong>in</strong>e deutliche faunistische Bereicherung der<br />
vorher bestehenden Kulturlandform dar (Gotsch et al. 2004: 143-145).<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 44 von 87 6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong><br />
Die Agrarreformen (AP 2001 <strong>und</strong> AP 2007) verfolgen die Ziele, die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Landwirtschaft zu verbessern <strong>und</strong> die Produktion <strong>und</strong> Raumnutzung<br />
umweltverträglicher zu gestalten. Der Schritt weg von der Absatzsicherung<br />
h<strong>in</strong> zu höheren Direktzahlungen hat es erlaubt, die Märkte schrittweise zu<br />
liberalisieren, was zu wettbewerbsfähigeren Produkten führt. H<strong>in</strong>gegen bleibt die<br />
weitere Entwicklung des Sektors Landwirtschaft e<strong>in</strong>e Kernfrage, weil durch die<br />
Direktzahlungen ebenfalls der Strukturwandel wesentlich verlangsamt <strong>und</strong> bee<strong>in</strong>flusst<br />
wird (Arbeitsgruppe Direktzahlungen 2001: 6). Gesetzlich wurde vorgeschrieben,<br />
dass die Aufwendungen des B<strong>und</strong>es für Produktion <strong>und</strong> Absatz <strong>in</strong>nerhalb<br />
von fünf Jahren gegenüber den Ausgaben im Jahr 1998 um e<strong>in</strong>en Drittel abgebaut<br />
werden mussten. Im Jahr 2003 konnten für diese Massnahmen noch r<strong>und</strong><br />
CHF 800 Mio. e<strong>in</strong>gesetzt werden (B<strong>und</strong>esamt für Landwirtschaft 2004: 112). In<br />
Abbildung 16: B<strong>und</strong>esausgaben für Landwirtschaft <strong>und</strong> Ernährung 1990-2003 B<strong>und</strong>esamt für<br />
Statisk (2005a)<br />
der Abbildung 16 kann man die Reduktion der Preis- <strong>und</strong> Absatzsicherung zugunsten<br />
der Direktzahlungen seit 1990 erkennen. Andererseits nahm das gesamte<br />
Budget für die Landwirtschaft <strong>und</strong> Ernährung um zirka 40% zu.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong> Seite 45 von 87<br />
6.2.4 Direktzahlungen<br />
Die Direktzahlungen machen den grössten Teil der Subventionszahlungen aus. In<br />
Törbel gelten die Beiträge unter erschwerenden Produktionsbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> der<br />
Bergzone IV (B<strong>und</strong>esamt für Landwirtschaft 2005b), folglich erfolgt maximale<br />
Unterstützung. Bei allen Leistungen gibt es jedoch Beitragsbeschränkungen.<br />
Voraussetzung zur Berechnung des zugesprochenen Betrags der Leistungen<br />
s<strong>in</strong>d die Raufutter verzehrende Grossviehe<strong>in</strong>heiten (RGVE). E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Auswahl<br />
(Systematische Sammlung des B<strong>und</strong>esrechts 2005b):<br />
• 1 Kuh = 1 RGVE<br />
• 1 Stier = 0.6 RGVE<br />
• 1 Schaf gemolken = 0.25 RGVE<br />
• 1 Schaf nicht gemolken <strong>und</strong> über 1-jährig = 0.17 RGVE<br />
• 1 Ziege gemolken = 0.2 RGVE<br />
• 1 Ziege nicht gemolken <strong>und</strong> über 1-jährig = 0.17 RGVE<br />
Die vier wichtigsten Klassen der Direktzahlungen s<strong>in</strong>d (B<strong>und</strong>esamt für Landwirtschaft<br />
2005a):<br />
Allgeme<strong>in</strong>e Direktzahlungen <strong>in</strong>klusive ökologischer Leistungsnachweis<br />
Der Ansatz des Flächenbeitrags pro Hektare <strong>und</strong> Jahr beträgt CHF 1’200. Der<br />
Zusatzbeitrag für offenes Ackerland <strong>und</strong> Dauerkulturen ist pro Hektare 32 <strong>und</strong><br />
Jahr CHF 400. Die Beiträge je RGVE <strong>und</strong> Jahr belaufen sich auf CHF 1’190.<br />
Zusätzlich gibt es noch <strong>in</strong> Abhängigkeit der Neigung Hangbeiträge von CHF 370-<br />
510 pro Hektare <strong>und</strong> Jahr <strong>und</strong> Hangbeiträge für Rebflächen.<br />
Ökobeiträge Extensiv genutzte Wiesen erbr<strong>in</strong>gen pro Hektare <strong>und</strong> Jahr CHF<br />
450, wenig <strong>in</strong>tensiv genutzte Wiesen CHF 300. Weitere Gelder erhält man für<br />
Buntbrachen, Rotationsbrachen, Ackerschonstreifen <strong>und</strong> Hochstamm-Feldobstbäume.<br />
32 1 Hektare s<strong>in</strong>d 10’000 m 2<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 46 von 87 6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong><br />
Sömmerungsbeiträge E<strong>in</strong> Normalstoss entspricht der Sömmerung e<strong>in</strong>er RG-<br />
VE während 100 Tagen. Folgende Beitragsansätze gelten:<br />
• CHF 300 pro Normalstoss bei ständiger Behirtung für Schafe, ausgenommen<br />
Milchschafe<br />
• CHF 220 pro Normalstoss bei Umtriebsweiden für Schafe, ausgenommen<br />
Milchschafe<br />
• CHF 120 pro Normalstoss bei übrigen Weiden für Schafe, ausgenommen<br />
Milchschafe<br />
• CHF 300 pro RGVE für gemolkene Kühe, Milchschafe <strong>und</strong> Milchziegen bei<br />
e<strong>in</strong>er Sömmerungsdauer von 56 - 100 Tagen<br />
• CHF 300 pro Normalstoss für die übrigen Raufutter verzehrenden Tiere<br />
sowie für gemolkene Kühe, Milchschafe <strong>und</strong> Milchziegen mit weniger als 56<br />
oder mehr als 100 Sömmerungstagen<br />
Folgende Beiträge wurden der Geme<strong>in</strong>de Törbel 2004 zugesprochen (Email<br />
B<strong>und</strong>esamt für Statistik 2005):<br />
• Allgeme<strong>in</strong> Direktzahlungen CHF 826’205<br />
• Ökobeiträge CHF 12’206<br />
• Sömmerungsbeiträge CHF 52’375<br />
• Beiträge für die Ökoqualiät wurden ke<strong>in</strong>e ausgerichtet<br />
Bei den allgeme<strong>in</strong>en Direktzahlungen gab es seit 1999 e<strong>in</strong>en Rückgang der jährlichen<br />
Beiträge <strong>in</strong> der Grössenordnung von zirka 10%. Die Öko- <strong>und</strong> Sömmerungsbeiträge<br />
dürften <strong>in</strong> etwa konstant geblieben se<strong>in</strong>.<br />
6.3 Landwirtschaftliche Entwicklung <strong>in</strong> Törbel<br />
Wie <strong>in</strong> Abbildung 17 gezeigt wird, haben die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe<br />
<strong>in</strong> Törbel mit Ausnahme e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>er Erholung um 1985 seit den 60er Jahren<br />
des letzten Jahrh<strong>und</strong>ert kont<strong>in</strong>uierlich abgenommen. Die Werte haben zur Zeit<br />
e<strong>in</strong>en neuen Tieststand erreicht. Lediglich e<strong>in</strong>e Person <strong>in</strong> Törbel verdient <strong>heute</strong><br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong> Seite 47 von 87<br />
noch ihr Geld hauptberuflich <strong>in</strong> der Landwirtschaft. Gemäss Lerjen (1998: 28)<br />
lag im gesamten Oberwallis Mitte der Neunzigerjahre der Anteil der Nebenerwerbsbetriebe<br />
bei mehr als 90% Prozent. Zurückzuführen ist dies vor allem auf<br />
die Arbeitsmöglichkeiten <strong>in</strong> den Lonza- <strong>und</strong> Alcan-Werke im Rhonetal. Trotzdem<br />
gibt es <strong>in</strong> Törbel 45 E<strong>in</strong>wohner, bei e<strong>in</strong>er Wohnbevölkerung von 498 Personen,<br />
die Landwirtschaft im Nebenberuf betreiben. Überraschend ist, dass schon 1965<br />
nur e<strong>in</strong> sehr kle<strong>in</strong>er Prozentsatz im ersten Sektor hauptberuflich tätig war. Schon<br />
dazumal schien die Industrie im Rhone-Tal e<strong>in</strong> wichtiger Faktor für die Geme<strong>in</strong>de<br />
Törbel gewesen zu se<strong>in</strong>.<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
119<br />
102<br />
76<br />
86<br />
86<br />
60<br />
40<br />
45<br />
20<br />
0<br />
1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000<br />
Abbildung 17: Landwirtschaftliche Betriebe <strong>in</strong> Törbel ab 1965 (B<strong>und</strong>esamt für Statisk 2005b;<br />
Dienststelle für Landwirtschaft 2005). L<strong>in</strong>ien: grün = landwirtschaftliche Betriebe gesamt, rot =<br />
landwirtschaftliche Betriebe nebenberuflich, blau = landwirtschaftliche Betriebe hauptberuflich<br />
In Abbildung 18 ist die Veränderungen der Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe<br />
zwischen 1990 <strong>und</strong> 2000 im nationalen Kontext zu sehen. Der Betriebsschw<strong>und</strong><br />
ist demnach e<strong>in</strong> schweizerisches Phänomen <strong>und</strong> mit der steigenden ausländischen<br />
Konkurrenz zu erklären.<br />
Der Abbildung 19(a) kann man entnehmen, dass seit 1956 die Anzahl R<strong>in</strong>dviehbesitzer<br />
<strong>in</strong> Törbel stetig abgenommen hat. Im Jahre 2004 waren von den<br />
ursprünglich über 100 noch deren 20 übrig geblieben. Diese Beobachtung kann<br />
allgeme<strong>in</strong> mit dem Rückzug der hauptberuflich geführten landwirtschaftlichen<br />
Betriebe erklärt werden. Der Aufwand für den Unterhalt <strong>und</strong> die Pflege der Kühe<br />
ist relativ hoch <strong>und</strong> nebenberuflich schwer zu bewerkstelligen. Im Gegensatz<br />
dazu stehen die Anzahl Schafbesitzer, welche vom Jahre 1956 praktisch von Null<br />
bis zirka Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts auf 40 Stück angewachsen<br />
s<strong>in</strong>d. Obwohl seit dort die Kurve wieder gegen unten zeigt, waren es im Jahre 2004<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 48 von 87 6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong><br />
Abbildung 18: Landwirtschaftliche Betriebe <strong>in</strong> der Schweiz: Veränderung 1990 zu 2000 (B<strong>und</strong>esamt<br />
für Statisk 2005c)<br />
mit 23 doch deutlich mehr Schafbesitzer als <strong>in</strong> den Nachkriegsjahren. Da Schafe<br />
relativ wenig Aufwand im Unterhalt benötigen, ist dies auch gut nebenberuflich<br />
zu erledigen.<br />
Ähnlicher Verlauf zeigt die Abbildung 19(b). Die Anzahl Kühe respektive<br />
R<strong>in</strong>dvieh hat sich <strong>in</strong> Törbel seit 1911 zirka halbiert <strong>und</strong> <strong>in</strong> den letzten zehn<br />
Jahren auf e<strong>in</strong>em konstanten Wert e<strong>in</strong>gependelt. Im Jahre 2004 waren es <strong>in</strong> Törbel<br />
201 Stück R<strong>in</strong>dvieh <strong>und</strong> 116 Kühe. Die Ziegenpopulation <strong>in</strong> Törbel hatte e<strong>in</strong>e<br />
drastische Verkle<strong>in</strong>erung erfahren, welche ihren Tiefststand 1973 mit 16 Tieren<br />
erreichte. Bei der letzten Messung war praktisch fast wieder der Stand zu Beg<strong>in</strong>n<br />
der Messreihe erreicht worden, nämlich 158 von ursprünglich 176 Tieren. Die<br />
Entwicklung der Schafpopulation h<strong>in</strong>gegen stellt die anderen Entwicklungen <strong>in</strong><br />
den Schatten: Von 127 Schafen im Jahre 1911 hat sich der Bestand <strong>in</strong> Törbel<br />
auf 881 Schafe im Jahre 2004 mehr als versiebenfacht. Nach e<strong>in</strong>em Rückgang <strong>in</strong><br />
der ersten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts hat die Anzahl Schafe fast exponentiell<br />
zugenommen <strong>und</strong> 1996 mit 1034 Schafe ihren Zenit erreicht.<br />
E<strong>in</strong> beachtlicher Teil des Kuhbestands <strong>in</strong> Törbel, 65 von 116 Kühen, macht<br />
die Rasse der Ehr<strong>in</strong>ger aus. Ursprünglich aus dem französischsprechenden Un-<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong> Seite 49 von 87<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1956 1964 1972 1980 1988 1996 2004<br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
1911 1921 1931 1941 1951 1961 1971 1981 1991 2001<br />
(a) R<strong>in</strong>dvieh- <strong>und</strong> Schafbesitzer <strong>in</strong> Törbel<br />
ab 1956. L<strong>in</strong>ien: blau = R<strong>in</strong>dviehbesitzer,<br />
rot = Schafbesitzer<br />
(b) Tierbestand <strong>in</strong> Törbel ab 1911. L<strong>in</strong>ien:<br />
blau = R<strong>in</strong>dvieh, rot = Kühe,<br />
schwarz = Ziegen, grün = Schafe<br />
Abbildung 19: Entwicklung Viehbesitzer <strong>und</strong> Tierbestand (B<strong>und</strong>esamt für Statisk 2005b;<br />
Dienststelle für Landwirtschaft 2005)<br />
terwallis kommend, stossen sie seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts auf<br />
e<strong>in</strong> steigendes Interesse im Oberwallis. Heutzutage gehört es zum guten Ton e<strong>in</strong>es<br />
Oberwalliser Landwirten, se<strong>in</strong>e Kuh an alljährlichen Kuhwettkämpfen zu messen.<br />
Diese Kühe s<strong>in</strong>d für die Milchproduktion ungeeignet <strong>und</strong> werden vor allem für<br />
die Wettkämpfe gezüchtet.<br />
Dass der Schafbestand grösser als der R<strong>in</strong>dviehbestand ist, trifft auf den ganzen<br />
Kanton Wallis zu. Als e<strong>in</strong>ziger Kanton der Schweiz übersteigen bei der Datenerhebung<br />
von 2003 die Anzahl Schafe die Anzahl R<strong>in</strong>dvieh. Gründe hierfür könnten<br />
die traditionelle Verb<strong>und</strong>enheit der Walliser zur Rasse der Walliser Schwarznasenschafe<br />
(siehe Abbildung 20), der ger<strong>in</strong>ge Aufwand für den Unterhalt, die<br />
Möglichkeit der Bewirtschaftung unwegsamer Gelände <strong>und</strong> die Direktzahlungen<br />
se<strong>in</strong>. Die Schwarznasenschafe s<strong>in</strong>d für die Milchproduktion ungeeignet, ihre Wolle<br />
ist jedoch verwertbar.<br />
6.4 Strukturwandel <strong>in</strong> Törbel<br />
E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>drücklicher Strukturwandel hat sich <strong>in</strong> Törbel respektive im Oberwallis <strong>in</strong><br />
den letzten fünfzig Jahren vollzogen. In kurzer Zeit gab es e<strong>in</strong>e Wandlung von der<br />
Agrargesellschaft zur Industrie- <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Folge zur Dienstleistungsgesellschaft<br />
(siehe Kapitel 6.2.1 auf Seite 42). Die Selbstversorgerwirtschaft als Mehrzweckbauerntums<br />
wurde nach dem Zweiten Weltkrieg <strong>in</strong> Folge e<strong>in</strong>es Industrialisierungsschubes<br />
vom Arbeiterbauerntum als Mehrzweckbauerntum ohne Ackerbau abge-<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 50 von 87 6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong><br />
Abbildung 20: Walliser Schwarznasenschaf (Foto: D. Schmuki, 27. April 2005)<br />
löst, welches mit Schicharbeit des Mannes komb<strong>in</strong>iert wurde. Die Frau nahm e<strong>in</strong>e<br />
zentrale Rolle e<strong>in</strong>, sie war unter anderem für die Kuhhaltung zuständig (Lerjen<br />
1998: 29). Ähnlich wie der Übergang von der Kuh- zur Schafhaltung seit den<br />
70er Jahren, wird das Arbeiterbauerntum se<strong>in</strong>erseits durch das Freizeitbauerntum<br />
mit Schafhaltung <strong>und</strong> Rebbau abgelöst (siehe die Entwicklung der R<strong>in</strong>dvieh<strong>und</strong><br />
Schafbesitzer <strong>in</strong> Abbildung 19 auf Seite 49). Im Gegensatz zu früher übernimmt<br />
der Mann im Freizeitbauerntum die Stallarbeit <strong>und</strong> die (Haus-)Frau kann<br />
als Aushilfe beigezogen werden. Grob s<strong>in</strong>d folgende Entwicklungsstadien durchlaufen<br />
worden:<br />
• Selbstversorger <strong>in</strong> Agrargesellschaft<br />
• Arbeitbauerntum <strong>in</strong> Industriegesellschaft: Kuh- <strong>und</strong> Schafhalter<br />
• Freizeitbauerntum Dienstleistungsgesellschaft: Schafhalter respektive Kle<strong>in</strong>w<strong>in</strong>zer<br />
Die Beweggründe, e<strong>in</strong>en landwirtschaftlichen Betrieb zu betreiben, haben sich<br />
<strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten im Oberwallis verändert (Lerjen 1998: 37). Die subjektive<br />
Motivation hat sich <strong>in</strong> den Jahren 1970 bis 1994 weg von der Selbstversorgung<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
6 Allmendenbewirtschaftung <strong>heute</strong> Seite 51 von 87<br />
zugunsten der Freude an der Landwirtschaft verschoben. Nebene<strong>in</strong>kommen <strong>und</strong><br />
Subventionen s<strong>in</strong>d im Jahre 1994 nur bei 10% beziehungsweise 14% der Oberwalliser<br />
der subjektive Antrieb für e<strong>in</strong>en eigenen Betrieb. Dieser Trend hat sich<br />
höchstwahrsche<strong>in</strong>lich fortgesetzt <strong>und</strong> <strong>heute</strong> wird die Freude an der Landwirtschaft<br />
von noch grösserer Bedeutung se<strong>in</strong>. Ist die Tierhaltung e<strong>in</strong> Hobby? Des weiteren<br />
spricht dafür, dass zwischen 1986 <strong>und</strong> 1996 es e<strong>in</strong>e signifikante Hebung des Lohnniveaus<br />
der Lonza Schichtarbeiter um 49% gab. Nebenerwerb ist heutzutage also<br />
gemäss Lerjen (1998: 38) nicht mehr dr<strong>in</strong>gend notwendig. Der Gew<strong>in</strong>n beschränkt<br />
sich praktisch auf die Subventionen.<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 52 von 87 7 Perspektiven der Berggebiete<br />
7 Perspektiven der Berggebiete<br />
7.1 Landwirtschaft<br />
In der Gestaltung der zukünftigen Landwirtschaft sollen weiterh<strong>in</strong> die Bereiche<br />
Ökologie, Ökonomie <strong>und</strong> Sozialverträglichkeit die Gr<strong>und</strong>pfeiler der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />
se<strong>in</strong>. Die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der Landwirtschaft <strong>in</strong> der nahen Zukunft<br />
s<strong>in</strong>d aufgr<strong>und</strong> der bilateralen Verträge mit der EU gegeben (Flury, Mack<br />
& Gerwig 2005: 56). Die Produktionspreise werden fallen, neben den Fleischwerden<br />
vor allem die Milchpreise deutlich s<strong>in</strong>ken (Gotsch et al. 2004: 80-83).<br />
Bis <strong>in</strong>s Jahr 2007 wird auch der Käsemarkt im Rahmen der bilateralen Verträge<br />
liberalisiert. Infolge der Reduktion der Marktstützung muss bei der Milch mit<br />
e<strong>in</strong>em Preisrückgang von 60-65 Rappen gerechnet werden. Die Produktionskosten<br />
im Vergleich zum Ausland werden auf hohem Niveau verharren, nur im Falle<br />
e<strong>in</strong>er weiteren Integration würden sie s<strong>in</strong>ken. Die Direktzahlungen bleiben ungefähr<br />
konstant, jedoch werden die Preisrückgänge nicht mehr kompensiert. Durch<br />
die Verschiebung der Preisrelation verliert die Milchproduktion zugunsten des<br />
Fleisches an Konkurrenzkraft. Mehr Fleisch bedeutet weg von der Milchviehhaltung<br />
<strong>und</strong> den Aufzuchtr<strong>in</strong>dern h<strong>in</strong> zum Mutterkuhsystem 33 . Das bedeutet nicht<br />
unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e extensivere Landwirtschaft (Gotsch et al. 2004: 126), entspricht<br />
dagegen sicherlich h<strong>in</strong>sichtlich des Tier- <strong>und</strong> Landschaftsschutzes den natürlicheren<br />
Verhältnissen.<br />
Im Fall e<strong>in</strong>er Annäherung der Schweizer Landwirtschaft an die europäische<br />
Union oder als Folge der Abschlüsse bei den WTO-Verhandlungen ist mit e<strong>in</strong>em<br />
weiteren Preisrückgang für die landwirtschaftlichen Produkte zu rechnen. In<br />
diesem Fall ergibt sich e<strong>in</strong>e Übernahme des europäischen Preis- <strong>und</strong> Kostenniveaus,<br />
da alle Massnahmen zur schweizerischen Stützung des Preisniveaus abgebaut<br />
werden (Gotsch et al. 2004: 83).<br />
Langfristig ist im Wallis im Vergleich zum gesammten Alpenraum die Bewirtschaftung<br />
der landwirtschaftlichen Fläche kaum sichergestellt, wobei auch bei<br />
der Bestossung der Alpweiden mit e<strong>in</strong>em starken Rückgang zu rechnen ist. Der<br />
Rückgang bei der Zahl der Betriebe ist aufgr<strong>und</strong> des hohen Anteils an Nebenerwerbsbetrieben<br />
im Vergleich zu den übrigen Regionen ger<strong>in</strong>g. (Gotsch et al.<br />
33 Artgerechte Variante der Kuhhaltung, da die Mutterkuh im Gegensatz zur Milchkuh ihr<br />
Kalb säugen kann.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
7 Perspektiven der Berggebiete Seite 53 von 87<br />
2004: 78).<br />
Laut Gotsch et al. (2004: 150) sollte <strong>in</strong>dessen die gesamte landwirtschaftliche<br />
Nutzfläche oberhalb 1500 m.ü.M. bewirtschaftet werden. Deshalb müssten die<br />
Sömmerungen gesichert werden. Dies trägt zur Sicherung der floristischen Biodiversität<br />
bei, die <strong>in</strong> hohen Lagen besonders gross ist. Ebenso <strong>in</strong> Törbel, wo unter<br />
anderem die geschützte Südliche Tulpe (Tulipa australis), welche lediglich an 12<br />
Stellen im Oberwallis vorkommt, auf e<strong>in</strong>er geschützten Wiese 34 wächst.<br />
Empfehlungen von Gotsch et al. (2004: 281-287) für die langfristige Entwicklung<br />
der Landwirtschaft <strong>in</strong> der Schweiz:<br />
• Blockierung oder Verlangsamung des Strukturwandels ist ke<strong>in</strong> Beitrag für<br />
e<strong>in</strong>e wirtschaftlich <strong>und</strong> sozial zukunftsfähige Landwirtschaft, weil dann das<br />
E<strong>in</strong>kommen pro Arbeitskraft noch mehr s<strong>in</strong>kt.<br />
• Die heutige Agrarpolitik mit ihren hohen, vor allem an die Flächen geb<strong>und</strong>enen<br />
Direktzahlungen beh<strong>in</strong>dern den Strukturwandel. Grössere <strong>und</strong> wettbewerbsfähige<br />
Betriebe können der gesellschaftlichen Forderungen nach e<strong>in</strong>er<br />
tier- <strong>und</strong> umweltgerechten Produktion eher nachkommen.<br />
• Die <strong>in</strong> der Verfassung verankerte Zielsetzung e<strong>in</strong>es Beitrags der Landwirtschaft<br />
zur dezentralen Besiedelung kann nicht mehr erfüllt werden. Arbeitsplatzerhaltung<br />
<strong>in</strong> der Landwirtschaft durch agrarpolitische Massnahmen<br />
ist im Berggebiet höchstens noch <strong>in</strong> agrarischen oder marg<strong>in</strong>alen Regionen<br />
s<strong>in</strong>nvoll, wo existenzfähige Dörfer erhalten werden sollen <strong>und</strong> die Schaffung<br />
ausserlandwirtschaftlicher Arbeitsplätze nicht kostengünstiger ist.<br />
Zu empfehlen ist, dass überschuldete respektive nicht mehr förderungswürdige<br />
Betriebe abgefedert werden.<br />
Klarer Widerstand gegen die landwirtschaftliche Liberalisierung gibt es von<br />
Seiten der Bauern (Wirz 2005). Der Schweizerische Bauernverband (SBV) fordert<br />
34 1969 kaufte der Walliser B<strong>und</strong> für Naturschutz (WBN) <strong>in</strong> Hohstetten oberhalb von Törbel<br />
e<strong>in</strong>e Wiese von 2600 m 2 , auf der e<strong>in</strong>e Kolonie der Südlichen Tulpe wächst. Doch musste die<br />
Wiese auch richtig unterhalten werden, was weiterh<strong>in</strong> späte Mahd <strong>und</strong> Bewässerung bedeutete.<br />
Deshalb wurde mit e<strong>in</strong>em Landwirt e<strong>in</strong> Vertrag abgeschlossen, <strong>in</strong> dem die Bewirtschaftungsbed<strong>in</strong>gungen<br />
festgehalten waren. Würde die Wiese sich selbst überlassen, durch Schafe<br />
überweidet, übermässig gedüngt oder mehrmals vor der Blüte gemäht, führte dies möglicherweise<br />
<strong>in</strong>nert Kürze zu e<strong>in</strong>er Verarmung der Pflanzenwelt <strong>und</strong> dem Verschw<strong>in</strong>den der Tulpe (pro<br />
natura Wallis 2005).<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 54 von 87 7 Perspektiven der Berggebiete<br />
bereits <strong>heute</strong> mehr Geld für den Rahmenkredit <strong>und</strong> Weiterführung der Preisstützung<br />
<strong>in</strong> der Landwirtschaft.<br />
7.2 Forstwirtschaft<br />
Es sche<strong>in</strong>t, als ob die Waldwirtschaft an e<strong>in</strong>em Wendepunkt angelangt ist, der<br />
sich durch überhöhte Holzvorräte, Knappheit von Umwelt- <strong>und</strong> Lebensqualität<br />
<strong>und</strong> mangelnde wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit auszeichnet (Gotsch et al.<br />
2004: 274).<br />
E<strong>in</strong>e mögliche Nutzung des überschüssigen Holzes wäre bei weiterem Anstieg<br />
der Ölpreise zum Beispiel die Holzschnitzelheizung. E<strong>in</strong>e andere Handlungsoption<br />
wäre die Waldweide. Gemäss Stuber <strong>und</strong> Bürgi (2001) handelt es sich bei<br />
ihr um e<strong>in</strong>e traditionelle Doppelnutzung von Waldflächen durch die Land- <strong>und</strong><br />
Forstwirtschaft. In der Schweiz hat sie das Landschaftsbild bis Anfang letzten<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts vor allem <strong>in</strong> den Alpen geprägt, wo die Beweidung von Wäldern<br />
e<strong>in</strong>e lange Tradition hat. Sie liefert Futter für die sie nutzenden Bergbauernbetriebe.<br />
Mit dem Aufkommen e<strong>in</strong>er geregelten Forstwirtschaft kämpften die Förster<br />
zum Teil gegen erhebliche Widerstände <strong>in</strong> der Bevölkerung für e<strong>in</strong>e Trennung<br />
von land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlicher Nutzung. Aus der Sicht der Forstwirtschaft<br />
<strong>und</strong> dann auch des Gesetzgebers im Forstpolizeigesetz von 1902 handelt es sich<br />
bei der Waldweide um e<strong>in</strong>e meist schädliche <strong>und</strong> deshalb aufzugebende Nebennutzung<br />
des Waldes. Dies ist verständlich, denn im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert führte die<br />
Überbenutzung der Gebirgswälder zu Naturkatastrophen.<br />
Die Idee der Waldbeweidung ist <strong>heute</strong> wieder aktuell. Bei den Förstern überwiegt<br />
jedoch bei e<strong>in</strong>er Abwägung zwischen Schaden <strong>und</strong> Nutzen der Waldweide<br />
der Schaden (Gotsch et al. 2004: 229). Die Bedenken reichen vom Verbiss von<br />
Leit- <strong>und</strong> Seitentrieben bis h<strong>in</strong> zu Trittschäden. Trotzdem zeigen aktuelle Diskussionen<br />
wie Klaus (2005), dass die Tendenz Richtung agrarische Waldnutzung<br />
zeigt. Denn die Waldweide kann nachhaltig <strong>und</strong> waldverträglich betrieben werden,<br />
vorausgesetzt man berücksichtigt Nahrungsangebot <strong>und</strong> das Verhalten der<br />
entsprechenden Tierart (Gotsch et al. 2004: 285).<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
8 Diskussion Seite 55 von 87<br />
8 Diskussion<br />
8.1 Wie war die Allmendenbewirtschaftung zur Zeit Nett<strong>in</strong>gs<br />
wirklich?<br />
Der Vergleich der beiden Kapitel ”Die Allmende nach Nett<strong>in</strong>g”<strong>und</strong> ”Die Allmende<br />
zu Nett<strong>in</strong>gs Zeit” ergibt, dass Nett<strong>in</strong>g sich sehr oft auf Strebler (1922) stützt,<br />
welcher auch uns als wertvolle <strong>und</strong> ausführliche Quelle gedient hat. Streblers<br />
Schilderungen betrafen jedoch das frühe 20. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> bis zur Zeit Nett<strong>in</strong>gs<br />
hatte sich schon vieles verändert. Nett<strong>in</strong>g erwähnt, dass die Landwirtschaft im<br />
Umbruch ist, viele Bauern ihren Betrieb nur noch nebenberuflich bearbeiten <strong>und</strong><br />
die Zukunft der Bergbauern ungewiss ist. Diese Bemerkungen müssen jedoch<br />
im Text gesucht werden. So kann möglicherweise der E<strong>in</strong>druck entstehen, dass<br />
die Allmendenbewirtschaftung <strong>in</strong> den 70-er Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erst noch<br />
derjenigen der Jahrh<strong>und</strong>ertwende entsprach.<br />
Ersta<strong>und</strong>licherweise spricht Nett<strong>in</strong>g zwar die mittelalterlichen Regulierungen<br />
an, das Reglement der Burgeralpen von 1939, dass zu se<strong>in</strong>er Zeit noch <strong>in</strong> Kraft<br />
war, wird jedoch nicht erwähnt. Auch fanden wir im Geme<strong>in</strong>dearchiv lediglich<br />
e<strong>in</strong> mittelalterliches Dokument aus dem Jahre 1517 vor, e<strong>in</strong> Reglement von 1531,<br />
wie Nett<strong>in</strong>g erwähnt, konnten wir nicht entdecken. Möglicherweise ist es bei e<strong>in</strong>er<br />
anderen Instanz zu f<strong>in</strong>den. Das neue Reglement, welches noch <strong>heute</strong> gültig ist,<br />
stammt aus dem Jahr 1989. Nett<strong>in</strong>g erwähnt jedoch schon damals die Alpkommission,<br />
welche erst 1989 e<strong>in</strong>geführt worden ist. Dies deutet darauf h<strong>in</strong>, dass sich<br />
die Neuerungen von 1989 schon früher bemerkbar gemacht haben, denn die Alpkommission<br />
ist lediglich e<strong>in</strong>e neue Bezeichnung für den schon 1939 festgehaltenen<br />
Vorstand.<br />
Der Bau der neuen Stallungen auf der Moosalp <strong>und</strong> deren Konsequenzen wie<br />
beispielsweise die Milchleitung nach Törbel s<strong>in</strong>d bei Nett<strong>in</strong>g auch nicht zu f<strong>in</strong>den.<br />
Diese bedeutenden Änderungen nahmen jedoch kurz vor se<strong>in</strong>er Zeit ihren Lauf<br />
<strong>und</strong> sorgten sicherlich noch für Gesprächsstoff im Dorf. Dies ist wiederum e<strong>in</strong><br />
Punkt, der die Erzählung nach Nett<strong>in</strong>g nicht ganz zeitgemäss ersche<strong>in</strong>en lässt.<br />
E<strong>in</strong>drücklich ist s<strong>in</strong>d die vielen Details, welche Nett<strong>in</strong>g während se<strong>in</strong>er Aufenthalte<br />
<strong>in</strong> Törbel zusammentragen konnte.<br />
Da die Menschen <strong>in</strong> Törbel durch ihre Arbeit im Tal nicht mehr auf die Landwirtschaft<br />
angewiesen waren, veränderte sich auch die Bedeutung der Allmende,<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 56 von 87 8 Diskussion<br />
was im folgenden Kapitel genauer erläutert wird.<br />
8.2 Hat das <strong>Allmendedilemma</strong> <strong>in</strong> Törbel überlebt?<br />
Sicherlich gibt es äusserlich noch die selben Strukturen (Reglemente), wie sie<br />
seit Jahrh<strong>und</strong>erten <strong>in</strong> Törbel anzutreffen waren <strong>und</strong> angewendet wurden. Beim<br />
genaueren Betrachten gibt es mehrere Veränderungen. Die wichtigsten sieben<br />
Unterschiede s<strong>in</strong>d:<br />
1. Die Reglemente auf Geme<strong>in</strong>deebene s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die staatliche Gesetzgebung<br />
e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en.<br />
2. Die Alpkommission übernimmt die Rolle des Gewalthabers <strong>und</strong> profitiert<br />
nicht mehr von der Busse.<br />
3. Es existiert ke<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>terregel mehr. Die Anzahl Tier, welche zur Sömmerung<br />
zugelassen s<strong>in</strong>d, wird falls nötig von der Alpkommission aufgr<strong>und</strong> von<br />
Erfahrungswerten festgelegt.<br />
4. Nicht-Bürger können nach <strong>heute</strong> geltendem schweizerischen Recht e<strong>in</strong>gebürgert<br />
werden. Früher war das praktisch unmöglich.<br />
5. Die Bauern s<strong>in</strong>d heutzutage <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Arbeiter- <strong>und</strong> Freizeitbauer <strong>und</strong><br />
die Landwirtschaft ist für den grössten Teil der E<strong>in</strong>wohner nicht mehr existentieller<br />
Natur.<br />
6. Die Kuhweiden der Burgeralpen stehen auch Tierbesitzern aus anderen Dörfern<br />
zur Verfügung.<br />
7. Die Kuhweiden der Burgeralpen erreichen trotz Subventionen <strong>und</strong> Öffnung<br />
im Gegensatz zu den Schafsweiden nicht ihre Kapazitätsgrenzen.<br />
Ist denn die Landwirtschaft für die Törbeler e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Freizeitbeschäftigung ist,<br />
wie es im Kapitel 6.4 auf Seite 49 nahegelegt wird? Die ökonomischen Anreize<br />
durch Fleisch- 35 , Käseverkauf 36 <strong>und</strong> Subventionen (mehr als CHF 820’000 allgeme<strong>in</strong>e<br />
<strong>und</strong> mehr als CHF 52’000 Sömmerungsbeiträge pro Jahr für die Geme<strong>in</strong>de<br />
Törbel) s<strong>in</strong>d auch bestimmende Faktoren.<br />
35 Kuhfleisch wird nur sehr beschränkt verkauft <strong>und</strong> fast nur für den Eigenverbrauch verwendet,<br />
da Ehr<strong>in</strong>ger-Kühe vor allem Zuchtkühe s<strong>in</strong>d. Lediglich Lammfleisch wird verkauft.<br />
36 Verkauf direkt ab Sennerei für zirka CHF 16 pro Kilogramm Moosalpkäse respektive CHF<br />
9 pro Kilogramm Alpziger.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
8 Diskussion Seite 57 von 87<br />
Würde es denn die Sömmerungsweiden ohne Direktzahlungen <strong>und</strong> Preis/-<br />
Absatzsicherung überhaupt noch geben? Das kann bei der Höhe der Subventionen<br />
stark bezweifelt werden. Dementsprechend würde ebenfalls das <strong>Allmendedilemma</strong><br />
bei den Schafweiden nicht mehr existieren, denn die Nachfrage wäre kle<strong>in</strong>er als<br />
das Angebot. Bereits nicht mehr vorhanden ist das <strong>Allmendedilemma</strong> auf den<br />
Kuhweiden. Ökonomisch betrachtet unterstehen die heutigen Sömmerungsweiden<br />
für die Schafe <strong>in</strong> Törbel e<strong>in</strong>em durch staatliche E<strong>in</strong>griffe künstlich geschaffenem<br />
<strong>Allmendedilemma</strong>, <strong>in</strong>dem die Grenzkosten gesenkt werden.<br />
Immer noch f<strong>in</strong>den sich vier Fünftel des Forstbestandes <strong>in</strong> Törbel <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>debesitz<br />
<strong>und</strong> nur e<strong>in</strong> Fünftel <strong>in</strong> Privateigentum. Die zu fällenden Bäume werden<br />
vom Forstdienst gekennzeichnet. Der von Nett<strong>in</strong>g (1981: 67) erwähnte Begriff<br />
“Los” bezeihungsweise “Losholz” existiert zwar bis <strong>heute</strong>, hat aber e<strong>in</strong>e andere<br />
Bedeutung erlangt. Wurde früher per Los entschieden, welcher Bürger über welche<br />
Holzstapel verfügen kann, muss man heutzutage das Los <strong>und</strong> somit das Anrecht<br />
auf e<strong>in</strong>e bestimmte Anzahl an verbilligtem Holz bei der Geme<strong>in</strong>de kaufen.<br />
Die Vorzugsrechte der Bürger betreffend dem “Losholz” s<strong>in</strong>d kantonal festgelegt.<br />
Die Nachfrage nach Holz ist ger<strong>in</strong>ger als früher. Denn unter anderem wird auch<br />
weniger Kle<strong>in</strong>holz gesammelt, da die ganze Bevölkerung mit Öl oder Strom heizt.<br />
Trotzdem würden die Wälder wohl ausgebeutet werden, gebe es ke<strong>in</strong>e kantonalen<br />
<strong>und</strong> kommunalen Regelungen. Das <strong>Allmendedilemma</strong> wird <strong>heute</strong> vor allem durch<br />
die kantonale Gesetzgebung (siehe 6.1.1 auf Seite 36) unterb<strong>und</strong>en.<br />
Die Schafsweiden der Burgeralpen ist das e<strong>in</strong>zig verbliebene <strong>Allmendedilemma</strong>,<br />
das vorwiegend auf Stufe der Geme<strong>in</strong>de Törbel geregelt wird. Im folgenden<br />
werden daher die Baupr<strong>in</strong>zipien (siehe Tabelle 1 auf Seite 10) auf die heutigen<br />
Verhältnisse der Schaf-Allmendenutzung angewandt.<br />
1. Klar def<strong>in</strong>ierte Grenzen: Der Zugang <strong>und</strong> das Recht zur Allmendenutzung<br />
ist klar geregelt: An erster Stelle stehen die Burger, welche <strong>in</strong> Törbel<br />
wohnen. Sofern es die Verhältnisse erlauben, können weitere Nutzniesser<br />
berücksichtigt werden.<br />
2. Umweltangepasstheit: Die Regeln wurden 1989 erneuert, um den ökonomischen<br />
<strong>und</strong> gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung zu tragen.<br />
3. Partizipation: Die Regeln wurden 1989 von der Geme<strong>in</strong>de ausgearbeitet<br />
<strong>und</strong> von den Mitburgern zur Abstimmung unterbreitet.<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 58 von 87 8 Diskussion<br />
4. Monitor<strong>in</strong>g: Die Regeln werden durch die Alpkommission kontrolliert.<br />
E<strong>in</strong>zig die Motivation von der Busse profitieren zu können existiert nicht<br />
mehr.<br />
5. Sanktionierbarkeit: Abgestufte Sanktionen s<strong>in</strong>d möglich. Denn die Busse<br />
wird nach Ermessen der Alpkommission nach Schwere der verletzten<br />
Bestimmung ausgesprochen. Die Busse beträgt zwischen CHF 50 <strong>und</strong> 500.<br />
6. Konfliktregulierung: Konflikte können an höhere Instanzen weitergetragen<br />
werden.<br />
7. Autonomie: Die schweizerischen Gesetz sowie diejenigen des Kanton Wallis<br />
sehen die Möglichkeit zur Regulierung der Burgergüter vor.<br />
Abgesehen davon, dass die Allmendesituation künstlich am Leben erhalten wird,<br />
weisen die Regelungen gute Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Allmendenbewirtschaftung<br />
aus.<br />
8.3 Die Zukunft der Schafalpen<br />
Die Schafweiden der Burgeralpen <strong>in</strong> Törbel s<strong>in</strong>d wie schon erwähnt das e<strong>in</strong>zige<br />
verbliebene <strong>Allmendedilemma</strong>, das auf kommunaler Ebene <strong>in</strong> Törbel geregelt<br />
wird. Wie sieht ihre Zukunft aus? Die Schafhaltung auf den Alpweiden wird<br />
auch <strong>in</strong> Zukunft e<strong>in</strong>e grosse Bedeutung für die Kultivierung der für die R<strong>in</strong>dviehhaltung<br />
weniger geeigneten Alpweiden haben. Denn die Sömmerungen müssen<br />
gesichert werden, falls uns die Kulturlandschaft am Herzen liegt (siehe Kapitel<br />
7.1 auf Seite 53). Schon <strong>heute</strong> ist die Schafhaltung <strong>in</strong> den Alpen an e<strong>in</strong>en Punkt<br />
angelangt, wo sie nicht zu vernachlässigende negative ökologische Effekte verursacht.<br />
Probleme gibt es bei der unbehirteten grenzenlosen Schafhaltung (Email<br />
Georg Brosi, Vorsteher Amt für Jagd <strong>und</strong> Fischerei Graubünden). Die Schafe<br />
f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Wildschutzgebieten weit ausserhalb der für sie reservierten Weiden<br />
ohne Kontrolle <strong>und</strong> fachmännische Betreuung bei Krankheitsanzeichen (Moderh<strong>in</strong>ke,<br />
Gemsbl<strong>in</strong>dheit). Nach wie vor wird e<strong>in</strong> grosser Teil der Schafherden ohne<br />
Behirtung auf den Alpen sich selber überlassen. Es bräuchte verb<strong>in</strong>dliche klare<br />
Abgrenzungen gegenüber Wiesen, Wald <strong>und</strong> Wildschutzgebieten. Ebenso müsste<br />
man zum Beispiel die Beiträge nur noch für e<strong>in</strong>e behirtete Schafalpung ausbezahlen.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
8 Diskussion Seite 59 von 87<br />
8.4 Ausblick<br />
Wie bereits <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>leitung erwähnt, s<strong>in</strong>d wir heutzutage bei vielen Umweltproblemen<br />
mit dem <strong>Allmendedilemma</strong> konfrontiert. Das Kyoto-Protokoll, die<br />
Selbstverpflichtung zur Reduzierung des Kohlenstoff-Ausstosses, kann <strong>in</strong>terpretiert<br />
werden als e<strong>in</strong>e endogene von allen beteiligten entwickelte Reglementierung<br />
des Allmendedillemas. Der Unterschied zu Törbel besteht dar<strong>in</strong>, dass die Akteure<br />
nicht Landwirte sondern Staaten s<strong>in</strong>d. Auch s<strong>in</strong>d die Auswirkungen der Treibhausgase<br />
<strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Erwärmung der Erdatmosphäre weitaus<br />
komplizierter <strong>und</strong> unsicherer <strong>in</strong> ihrem Ausmass als die Übernutzung der Allmendegüter<br />
<strong>in</strong> Törbel. Deshalb wird es fraglich bleiben, ob das Kyoto-Protokoll zu<br />
den gewünschten Resultaten führen wird. Denn der Mensch ist sich im Normalfall<br />
erst e<strong>in</strong>er Ursache bewusst, wenn die Konsequenzen e<strong>in</strong>getreten oder klar zu sehen<br />
s<strong>in</strong>d. Bisherige <strong>und</strong> weitere Allmendedillema-Forschung, wie zum Beispiel die<br />
Baupr<strong>in</strong>zipen (siehe Tabelle 1 auf Seite 10), kann dazu beitragen, dass weltweite<br />
Reglemente wie das Kyoto-Protokoll erfolgreich abgeschlossen <strong>und</strong> umgesetzt<br />
werden können.<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 60 von 87 8 Diskussion<br />
Danke<br />
Ganz herzlich möchten wir uns bei Prof. Andreas Diekmann für die gute Vorbereitung<br />
<strong>und</strong> Betreuung dieser Semesterarbeit bedanken.<br />
E<strong>in</strong> grosses Dankeschön geht natürlich an Törbel selber, wo wir namentlich<br />
von Rolf Juon (Geme<strong>in</strong>de), Roman Juon (Pensionierter Lehrer) <strong>und</strong> Silvan Juon<br />
(Präsident der Alpkommission) wertvolle <strong>und</strong> tatkräftige Unterstützung erfahren<br />
durften.<br />
Danken möchten wir auch dem B<strong>und</strong>esamt für Statistik <strong>und</strong> dem Kanton<br />
Wallis für die Mithilfe bei der Datenbeschaffung, Kar<strong>in</strong> Zillner <strong>und</strong> Hans-Ruedi<br />
Schmuki für das Korrekturlesen <strong>und</strong> allen anderen Personen, welche zum Gel<strong>in</strong>gen<br />
dieser Arbeit beigetragen haben.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
Literatur Seite 61 von 87<br />
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A<br />
Reglemente<br />
A.1 Reglement der Burgeralpen von Törbel 1517<br />
Dieses Dokument ist <strong>in</strong> Late<strong>in</strong> auf getrockneter Tierhaut verfasst worden <strong>und</strong><br />
schlecht entzifferbar. Uns liegt jedoch folgende kle<strong>in</strong>e Zusammenfassung aus dem<br />
Geme<strong>in</strong>dearchiv vor:<br />
Jeder Bergmann darf jährlich selber wählen, <strong>in</strong> welche Alpe er se<strong>in</strong> Vieh legen<br />
wolle, aber nur e<strong>in</strong>e belegen <strong>und</strong> das Alprecht Niemandem abtreten.<br />
Wer se<strong>in</strong> alpberechtigtes Gut verkauft oder verlehnt, der tritt damit auch das<br />
Alprecht ab; wer das Gut bebaut, besitzt das Alprecht.<br />
Niemand darf auf die Alpen mehr Vieh treiben, als er w<strong>in</strong>tern kann. (W<strong>in</strong>terregel)<br />
Verbot Pferde über vier Jahre <strong>in</strong> die Oberaar 37 <strong>und</strong> von Mitte August <strong>in</strong> die<br />
Alpe auf Törbel zu legen.<br />
Jährlich sollen für jede der zwei Alpen je e<strong>in</strong>en Gewalthaber mit aller Vollmacht<br />
gewählt werden.<br />
Wer über se<strong>in</strong> Recht die Alpe belegt, soll sogleich durch die Gewalthaber<br />
gebüsst werden um zwei für e<strong>in</strong> Pferd, um e<strong>in</strong>s für e<strong>in</strong>en Kuh oder e<strong>in</strong> R<strong>in</strong>d,<br />
um 5 Schill<strong>in</strong>g für e<strong>in</strong> Schaf, zur Hälfte dem geme<strong>in</strong>en Jahrzeit, zur Hälfte den<br />
Gewalthabern für ihre Arbeit. (Bussen)<br />
A.2 Reglement der Burgeralpen von Törbel 1939<br />
A.2.1<br />
E<strong>in</strong>leitung<br />
Um e<strong>in</strong>erseits die Geme<strong>in</strong>deverwaltung etwas zu entlasten <strong>und</strong> andererseits die<br />
alten Gebräuche <strong>und</strong> Bestimmungen <strong>in</strong> der Benützung der Alprechte der Burgeralpen<br />
von Törbel e<strong>in</strong>mal schriftlich festzuhalten <strong>und</strong> ihnen die formell gesetzliche<br />
Rechtskraft zu verschaffen haben die rechtsgiltig e<strong>in</strong>berufenen Bürger von Törbel<br />
am 15. Mai 1939 folgendes Alpenreglement durchberaten, angenommen <strong>und</strong> dem<br />
Staatsrat zur Genehmigung zu unterbreiten beschlossen.<br />
A.2.2<br />
Allgeme<strong>in</strong>e Bestimmungen<br />
Artikel 1 Unter dem Namen: Unter e<strong>in</strong>er Allmende (von mittelhochdeutsch<br />
“Genossenschaft der Burgeralpen von Törbel” besteht e<strong>in</strong>e Geteilschaft unter den<br />
Bürgern von Törbel zum Zweck der Verwaltung, Benützung <strong>und</strong> Verbesserung<br />
der Sömmerungsalpen.<br />
Artikel 2<br />
Sitz der Genossenschaft ist Törbel.<br />
37 Oberaaralp (siehe Kapitel 2.2.1)<br />
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Artikel 3<br />
Die Organe der Genossenschaft s<strong>in</strong>d:<br />
a) der Vorstand,<br />
b) die Generalversammlung,<br />
c) die Vögte.<br />
Artikel 4 Der Vorstand besteht aus drei Mitgliedern, dem Präsidenten, Vicepräsidenten<br />
<strong>und</strong> Schreiber <strong>und</strong> wir auf vier Jahre gewählt. Jeder selbsthandlungsfähige<br />
Bürger ist <strong>in</strong> den Vorstand wählbar <strong>und</strong> ist gehalten, e<strong>in</strong> ihm übertragenes<br />
Amt während e<strong>in</strong>er Amtsperiode zu verwalten. E<strong>in</strong> durch Tod ausgeschiedenes<br />
oder sich als unfähig erwiesenes Mitglied wird sofort durch e<strong>in</strong> neues von der<br />
Generalversammlung ersetzt. Zur verb<strong>in</strong>dlichen Beschlussfassung des Vorstandes<br />
ist die E<strong>in</strong>berufung aller <strong>und</strong> die Anwesenheit wenigstens zweier Mitglieder erforderlich.<br />
Artikel 5<br />
a) Der Vorstand nimmt die Interessen der Genossenschaft wahr <strong>und</strong> fördert den<br />
Ertrag der Alpen,<br />
b) ordnet zu diesem Zwecke die nötigen ordentlichen <strong>und</strong> ausserordentlichen Arbeiten<br />
<strong>und</strong> Verbesserungen an <strong>und</strong> beaufsichtige sie. Der Vorstand setzt den<br />
Viehzählungstag fest <strong>und</strong> nimmt die Zahlung vor sowie die Verteilung des<br />
Viehs auf die verschiedenen Alpen nach den statuarischen Bestimmungen,<br />
c) erstattet Rechnung <strong>und</strong> Bericht über die Verwaltung, vertritt die Genossenschaft<br />
nach aussen, wacht über die Beobachtung des Reglementes, setzt den<br />
Tag der Alpfahrt fest,<br />
d) wählt für jedes Kuhsentum <strong>und</strong> jede R<strong>in</strong>deralpe e<strong>in</strong>en Vogt auf zwei Jahre,<br />
für R<strong>in</strong>der = <strong>und</strong> Aaralpe auf vier Jahre,<br />
e) der Präsident <strong>und</strong> Aktuar führen die rechtsverb<strong>in</strong>dliche Unterschrift,<br />
f) der Vorstand fasst über die Verhandlungen der Generalversammlung <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e<br />
eigenen Sitzungen e<strong>in</strong> Protokoll ab, welches der Präsident <strong>und</strong> Aktuar zu<br />
unterschreiben haben.<br />
A.2.3<br />
Generalversammlung<br />
Artikel 6 Die Generalversammlung besteht aus allen handlungsfähigen Bürgern<br />
von Törbel. Sie wird <strong>in</strong> ordentlicher Weise jedes Jahr zur Rechnungsablage<br />
<strong>und</strong> <strong>in</strong> ausserordentlicher Weise nach Bedürfnis oder auf schriftliches Verlangen<br />
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von e<strong>in</strong>em Fünftel der Genossenschaftler vom Vorstand e<strong>in</strong>berufen. Sie muss jeweils<br />
acht Tage durch Publikation auf dem gewöhnlichen Ausrufungsplatz angekündigt<br />
werden.<br />
Artikel 7 Die vorschriftsmässig e<strong>in</strong>berufene Generalversammlung ist beschlussfähig,<br />
welches auch die Zahl der Anwesenden ist. Die Abstimmung ist geheim <strong>und</strong><br />
geschieht durch Mehrheitsbeschluss der Anwesenden. Zur Beschlussfassung über<br />
gewöhnliche Verwaltungsmassnahmen ist die Abstimmung mit Handmehr gestattet.<br />
Der Vorsitz der Generalversammlung führt der Präsident des Vor-<br />
Artikel 8<br />
standes.<br />
Artikel 9<br />
Die Generalversammlung hat folgende Befugnisse:<br />
a) die Generalversammlung wählt mit absolutem Mehr den Vorstand,<br />
b) nimmt den Verwaltungsbericht entgegen, sowie die Rechnungen,<br />
c) beschliesst über wichtige Verbesserungen der Alpen, über Aufnahme von Anleihen<br />
<strong>und</strong> ausserordentlichen Aufgaben <strong>und</strong><br />
d) zieht den Vorstand zur Rechenschaft <strong>und</strong> Verantwortung <strong>und</strong> entlastet denselben.<br />
A.2.4<br />
Vögte<br />
Artikel 10 Die Alpvögte sorgen für das nötige Alppersonal; ihnen obliegt die<br />
Sorge über die Alpfahrt, die Löhnung des Personals, welche nach den bisherigen<br />
Gebräuchen <strong>und</strong> Gewohnheiten zu geschehen hat. Die Wahl des Alppersonals ist<br />
der Generalversammlung zu unterbreiten. Als Vögte werden für jedes Sentum<br />
<strong>und</strong> jede R<strong>in</strong>deralp je e<strong>in</strong>er gewählt <strong>und</strong> zwar dem Alter nach, von den Ältesten<br />
angefangen; für die Kuhsentum aus den ihnen zugeteilten Genossenschaften <strong>und</strong><br />
für die R<strong>in</strong>deralpen aus den folgenden Ältesten ohne Rücksicht auf ihre Zugehörigkeit<br />
zu den verschiedenen Sentum.<br />
A.2.5<br />
Mitgliedschaft<br />
Artikel 11 Mitglied der Genossenschaft ist jeder von der Burgergeme<strong>in</strong>de anerkannte<br />
Bürger von Törbel.<br />
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A.2.6<br />
Artikel 12<br />
Rechte <strong>und</strong> Pflichten<br />
a) Jeder Genossenschaftler, der die Burgerlasten trägt <strong>und</strong> von der Burgergeme<strong>in</strong>de<br />
zur Benützung des Bürgervermögens zugelassen wird, ist Nutzniesser<br />
der Alpen nach den Bestimmungen dieses Reglementes, das genau den<br />
bisherigen Gepflogenheiten entspricht, wenn er 6 Monate der Geme<strong>in</strong>de anwesend<br />
ist.<br />
b) Jeder Alpbesetzer hat im Verhältnis se<strong>in</strong>er Alpbenutzung die von der Verwaltung<br />
angeordneten Arbeiten für jede Kuh zu leisten. Nichtgeleistete Arbeit<br />
wird <strong>in</strong> Geld umgewertet. K<strong>in</strong>der unter 18 Jahren werden nicht angenommen.<br />
c) Die Kuhalpen besteht aus drei Sentum: grosses <strong>und</strong> kle<strong>in</strong>es Sentum Moos <strong>und</strong><br />
den Biffigen. Jeder Genossenschaftler hat dasjenige Sentum zu besetzten,<br />
zu dem er von Alters her zugeteilt ist. Entsteht e<strong>in</strong>e ungleiche Bestossung<br />
der 3 Sentum, so werden die alpberechtigten Kühe <strong>und</strong> die seit dem 1. Februar<br />
trächtigen R<strong>in</strong>der zu gleichen Teilen auf die 3 obigen Sentum verteilt.<br />
Der Ausgleich wird nach Rangordnung e<strong>in</strong>es speziellen Bürgerverzeichnisses<br />
vorgenommen. Jeder Genossenschaftler kann mit se<strong>in</strong>em sämtlichen, selbstgew<strong>in</strong>terten<br />
Vieh die den betreffenden R<strong>in</strong>dstücken zugeteilten Alpen benützen,<br />
ausgenommen s<strong>in</strong>d die Kühe <strong>und</strong> seit dem 1. Februar trächtigen<br />
R<strong>in</strong>der, deren er nicht mehr als 5 auftreiben kann. Es wurde beschlossen,<br />
wenn nicht die Mehrheit es verlangt, am Art. 12 festzuhalten.<br />
Artikel 13<br />
a) alle Kühe,<br />
Den Moos- <strong>und</strong> Biffigsentum werden zugeteilt:<br />
b) alle R<strong>in</strong>der, die bis zum 1. Januar kalben sollen,<br />
c) Kälber, die nach Mitte August geworfen werden, gehören auf die Kuhalpe<br />
d) ferner können diese Sentum mit e<strong>in</strong>em R<strong>in</strong>d oder Kalb von jenen Genossenschaftern<br />
bestossen werden, die ke<strong>in</strong>e Kuh auftreiben.<br />
Artikel 14 Auf die Kalberalpe im Tälli <strong>und</strong> <strong>in</strong> die Aaralpe kommen die übrigen<br />
nicht angeführten R<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Kälber; diese sollen gezählt werden. Die Hälfte<br />
geht nun an die Aaralpe, die andere Hälfte auf die R<strong>in</strong>deralpe <strong>und</strong> zwar abwechslungsweise;<br />
auf der R<strong>in</strong>deralpe soll nur e<strong>in</strong> Zuchtstier gesömmert werden.<br />
Artikel 15 Die Oberaaralpe kann mit allen übrigen <strong>und</strong> auch mit dem der<br />
übrigen Alpen zugeteilten Vieh besetzt werden. Für die Aaralpe kann die Generalversammlung<br />
auch noch fremdes Vieh annehmen.<br />
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Artikel 16 Den Schafen wird die Aaralpe zugeteilt. Der Weidgang auf den<br />
übrigen Kuh- <strong>und</strong> R<strong>in</strong>deralpen steht ihnen zur im Frühl<strong>in</strong>g bis Verbot durch die<br />
Alpenvögte <strong>und</strong> Vorstand <strong>und</strong> im Herbst nach der Entalpung offen.<br />
Artikel 17<br />
entfernen.<br />
Bösartige <strong>und</strong> fremdes Eigentum schädigende Tiere s<strong>in</strong>d sofort zu<br />
Artikel 18 Jeder Alpbesetzer hat <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de noch e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>werk zu<br />
leisten für die Alpung.<br />
a) Für die Milchkühe ist die vorgeschriebene jährliche Arbeit zu leisten.<br />
b) Für alte Kühe oder als Kühe geltende R<strong>in</strong>der, d.h. solche, die seit dem 1.<br />
Februar trächtig s<strong>in</strong>d, ist noch e<strong>in</strong>e Taxe von 4 Fr. zu zahlen.<br />
R<strong>in</strong>der, die bis Neujahr kalben sollen, zahlen nur 8 Fr.; Kälber, die von<br />
Mitte August bis 29. Sept geworfen haben, zahlen 4 Fr. für Messen, die<br />
übrigen 2 Fr..<br />
c) Muss jemand e<strong>in</strong> verunfalltes Tier vor der Entalpung von der Alpe nehmen,<br />
so kann das kostenlos geschehen.<br />
Artikel 19 Es wird für die Sömmerung halbe Taxen verlangt, wenn e<strong>in</strong> Tier<br />
nur im Monat Juli auf d. Alpe ist, d. h. 3 Nächte; ganze Taxe, wenn e<strong>in</strong> Tier im<br />
Monat Aug. 3 Nächte auf der Alpe ist. Die Geldlasten s<strong>in</strong>d vor der Entalpung zu<br />
entrichten. Andersfalls kann der betreffende Geteile mit Vorenthaltung von Käse<br />
oder auch Vieh dazu gezwungen werden.<br />
A.2.7<br />
Strafbestimmungen<br />
Artikel 20 Wer bei der Alpbesetzung <strong>in</strong> der Angabe des Alters oder der Trächtigkeit<br />
der R<strong>in</strong>der, resp. Kälber betrügt oder <strong>in</strong> zweifelhaften Fällen e<strong>in</strong> R<strong>in</strong>de<br />
vor der Zeit des Kalbens verkauft, verfällt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Busse von Fr. 40.<br />
Artikel 21 Zuwiderhandlungen gegen vorstehendes Reglement werden vom<br />
Vorstand mit Bussen belegt. Wo das Reglement e<strong>in</strong>e Höhe der Busse nicht vorsieht,<br />
wird diese nach freiem Ermessen des Vorstandes unter Berücksichtigung der<br />
Schwere der verletzten Bestimmung <strong>und</strong> der Grösse des Verschuldens ausgesprochen.<br />
Diese Busse kann von 1-20 Fr. betragen. Die Bussen verfallen derjenigen<br />
Alpe, auf der Strafe vorgekommen ist, die Hälfte der Geme<strong>in</strong>de.<br />
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A.2.8<br />
Gewohnheitsrecht<br />
Artikel 22 Alle Gebräuche <strong>und</strong> Gewohnheiten betreffend Besetzung <strong>und</strong> Benutzug<br />
der Alpen, Strafen <strong>und</strong> Taxen bleiben unverändert <strong>in</strong> Kraft, <strong>in</strong>soweit sie<br />
nicht durch die gegenwärtigen Vorordnungen aufgehoben s<strong>in</strong>d.<br />
A.2.9<br />
Revisionsbestimmung<br />
Artikel 23 E<strong>in</strong>e Total- oder Partialrevision des gegenwärtigen Reglementes ist<br />
nur mit absolutem Mehr der Genossenschafter zulässig.<br />
Vorstehendes Reglement ist von den rechtgiltig e<strong>in</strong>berufenen Bürgern von Törbel<br />
am 15.Mai 1938 angenommen <strong>und</strong> genehmigt worden.<br />
A.2.10<br />
Der Staatsrat des Kantons Wallis<br />
E<strong>in</strong>gesehen das Gesuch der Burgerschaft Törbel; E<strong>in</strong>gesehen den von Hrn. Zuber,<br />
Sohn <strong>und</strong> Konsorten e<strong>in</strong>gereichten Rekurs gegen den Wortlaut des Reglementes<br />
betr. die Burgeralpen von Törbel, Reglement, das von der Burgerversammlung<br />
am 15. Mai 1938 genehmigt worden ist;<br />
Erwägen, dass der erwähnte Rekurs gemäss den Bestimmungen der Gesetze<br />
vom 23. Mai 1908 <strong>und</strong> vom 1. Juli 1938 über die Wahlen <strong>und</strong> Abstimmungen als<br />
verspätet angesehen werden muss, <strong>in</strong>dem die vom Gesetze festgelegte E<strong>in</strong>spachefrist<br />
sechs Tage beträgt;<br />
Ersägend, dass selbst unter Annahme der im Art.75 des Z.G.B. festgelegten<br />
Frist der Rekurs wegen Verspätung abgewiesen werden müsste, <strong>in</strong>dem die H<strong>in</strong>terlegung<br />
erst am 23. Juni erfolgte;<br />
E<strong>in</strong>gesehen zudem, dass bei Anwendung des erwähnten Art.75 die Verwaltungsbehörde<br />
sich gr<strong>und</strong>sätzlich als nicht zuständig erklären müsste, entscheidet:<br />
1. Auf den Rekurs der HH. Zuber Raphael <strong>und</strong> Konsorten <strong>in</strong> Törbel wird nicht<br />
e<strong>in</strong>gegangen;<br />
2. Das Reglement der Burgeralpen von Törbel wird genehmigt. Siegelgebühr<br />
Frk. 5.- Sitten, den 13. Juli 1939<br />
A.3 Reglement der Burgeralpen von Törbel 1989<br />
A.3.1<br />
Allgeme<strong>in</strong>e Bestimmungen<br />
Artikel 1 Unter der Bezeichnung Unter e<strong>in</strong>er Allmende (von mittelhochdeutsch<br />
“Burgeralpen von Törbel” (Nachstehend Burgeralpen genannt) verstehen sich die<br />
der Burgerschaft gehörenden Alpen Unter e<strong>in</strong>er Allmende (von mittelhochdeutsch<br />
“Moos, Biffigen <strong>und</strong> Töbeltelli”. Das vorliegende Reglement soll die alpwirtschaftliche<br />
Verwaltung, Nutzung <strong>und</strong> Verbesserung dieser Alpen regeln.<br />
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A.3.2<br />
Nutzniesser der Burgeralpen<br />
Artikel 2 Nutzniesser s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie alle <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de Törbel wohnsässigen<br />
Burger.<br />
Sofern es die Verhältnisse erlauben, können folgende weitere Nutzniesser <strong>in</strong><br />
dieser Reihenfolge berücksichtigt werden:<br />
A.3.3<br />
• Nicht wohnsässige Burger;<br />
• Nichtburger mit Wohnsitz <strong>in</strong> Törbel;<br />
• Auswärtige Interessenten.<br />
Artikel 3<br />
Organe<br />
Die Organe der Burgeralpen s<strong>in</strong>d:<br />
a) Die Burgerversammlung;<br />
b) Der Geme<strong>in</strong>derat;<br />
c) Die Versammlung der Viehbesitzer;<br />
d) Die Alpkomission.<br />
Die Burgerversammlung<br />
Artikel 4 Die Burgerversammlung ist oberstes Organ der Burgeralpen mit folgenden<br />
Befugnissen:<br />
1. Sie beschliesst über wichtige Verbesserungen der Alpen <strong>und</strong> über die Aufnahme<br />
von Anleihen zu deren F<strong>in</strong>anzierung im Rahmen des Gesetzes über<br />
die Geme<strong>in</strong>deordnung.<br />
2. Sie legt e<strong>in</strong>en Alpungsbeitrag für jedes Tier im Moos fest. Von diesem Beitrag<br />
s<strong>in</strong>d die wohnsässigen Burger befreit.<br />
3. Sie entscheidet über e<strong>in</strong>e Ganz- oder Teilrevision des vorliegenden Reglementes.<br />
Der Geme<strong>in</strong>derat<br />
Artikel 5<br />
Der Geme<strong>in</strong>derat hat folgende Befugnisse:<br />
1. Er überwacht die E<strong>in</strong>haltung des vorliegenden Reglementes.<br />
2. Er beschliesst über wichtige Verbesserungen der Alpen <strong>und</strong> über die Aufnahme<br />
von Anleihen für ausserordentliche Ausgaben, soweit es das Gesetz<br />
zulässt.<br />
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3. Er vertritt die Burgeralpen nach aussen.<br />
4. Er übergibt beim Frühjahrswerk die Alpen der Alpkomission <strong>und</strong> übernimmt<br />
diese wieder beim Herbstwerk.<br />
Die Versammlung der Viehbesitzer<br />
Artikel 6 Die Versammlung der Viehbesitzer wird vom Präsidenten der Alpkomission<br />
so oft es die Umstände erfordern, m<strong>in</strong>destens aber e<strong>in</strong>mal im Jahr<br />
e<strong>in</strong>berufen. Die E<strong>in</strong>berufung erfolgt durch öffentlichen Anschlag <strong>und</strong> Auskünden<br />
acht Tage vor der Versammlung.<br />
Teilnahmeberechtigt ist jeder <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de wohnsässige Viehbesitzer. Vertretung<br />
durch e<strong>in</strong> Familienmitglied ab 16 Jahren ist möglich.<br />
Den Vorsitz führt der Präsident der Alpkommission. Sofern er verh<strong>in</strong>dert ist,<br />
übernimmt e<strong>in</strong> andere Mitglied der Alpkommission den Vorsitz.<br />
Über die Beschlüsse der Versammlung der Viehbesitzer führt der Aktuar der<br />
Alpkommission e<strong>in</strong> Protokoll.<br />
Artikel 7<br />
Die Versammlung der Viehbesitzer hat folgende Befugnisse:<br />
1. Sie wählt mit relativem Mehr aus der Mitte der Viehbesitzer jeweils e<strong>in</strong><br />
drittes Mitglied der Alpkommission <strong>und</strong> aus dieser den Präsidenten. Für<br />
die vollzählige Bestimmung der Alpkommission ist Artikel 8 Absatz 4 anwendbar.<br />
2. Sie kann die Amtsdauer der Alpkommission je nach Bedürfnis abändern.<br />
3. Sie legt die Zahl der zu leistenden Alpwerke pro Tier oder die Höhe der zu<br />
entrichtenden Ersatzzahlungen fest.<br />
Die Alpkommission<br />
Artikel 8 Die Alpkommission besteht aus drei Mitgliedern, <strong>und</strong> zwar dem Präsidenten,<br />
dem Aktuar <strong>und</strong> dem Kassier <strong>und</strong> wird auf drei Jahre gewählt.<br />
Ausser dem Präsidenten konstituiert sich die Alpkommission selber.<br />
Alle wohnsässigen Burger wie auch alle Nichtburger mit Wohnsitz <strong>in</strong> Törbel,<br />
die Viehbesitzer s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die Alpkommission wählbar, <strong>in</strong>sofern sie 4 Jahre<br />
vorher Viehbesitzer waren.<br />
Zwei Mitglieder der Alpkommission werden dem Alter nach bestimmt. Haben<br />
sämtliche Viehbesitzer schon e<strong>in</strong>mal als Mitglied der Alpkommission gewaltet,<br />
muss e<strong>in</strong>e weitere Amtszeit angenommen werden. Die Wahl beziehungsweise Bestimmung<br />
erfolgt nach dem üblichen Turnus. Dies gilt ebenfalls für e<strong>in</strong> durch Tod<br />
ausgeschiedenes Mitglied.<br />
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Artikel 9<br />
Die Alpkommission hat folgende Befugnisse:<br />
1. Sie setzt den Tag der Alpfahrt wie auch den Entalpungstag fest.<br />
2. Sie sorgt auf dem Besetzungsort wie auch im ganzen Alpbetreib für Ordnung<br />
<strong>und</strong> ist verantwortlich für die E<strong>in</strong>haltung der jeweiligen kantonalen<br />
Verordnungen über die Sömmerung.<br />
Es ist Sache der Alpkommission für Hilfspersonal zu sorgen, soweit das<br />
Alppersonal nicht ausreicht.<br />
3. Sie stellt das Alppersonal an <strong>und</strong> schliss die erforderlichen Arbeitsverträge<br />
ab.<br />
4. Sie hat an jedem Entalpungstag das sachgemässe Instandstellen des Inventars<br />
zu überwachen, dieses zu übernehmen <strong>und</strong> hierüber e<strong>in</strong>e schriftliche<br />
Kontrolle zu führen.<br />
5. Sie bestimmt, wie viel Vieh, <strong>und</strong> zwar gleich welcher Rasse, auf den Burgeralpen<br />
zugelassen wird.<br />
6. Sie organisiert <strong>und</strong> überwacht die Aufstellung der Betriebsrechnung sowie<br />
die Verwertung <strong>und</strong> die Verteilung der Milchprodukte.<br />
7. Sie organisiert <strong>und</strong> überwacht die Alpwerke <strong>und</strong> fördert den Ertrag der<br />
Alpen.<br />
8. Sie fasst über ihre eigenen Sitzungen e<strong>in</strong> Protokoll ab, welches der Präsident<br />
<strong>und</strong> der Aktuar zu unterzeichnen haben.<br />
9. Sie schliesst für die Dauer der Sömmerungstage e<strong>in</strong>e Haftpflichtversicherung<br />
für Schäden gegenüber Dritten ab.<br />
Artikel 10 Die Kühe werden <strong>in</strong> der Regel im Moos, die R<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Kälber <strong>in</strong><br />
den Biffigen gesömmert.<br />
Tiere, die nicht dem Beschluss des Staatsrates über die Sömmerung entsprechen,<br />
s<strong>in</strong>d zur Alpung nicht zugelassen <strong>und</strong> müssen sofort abgetrieben werden.<br />
Die Alpkommission veranlasst die Untersuchung.<br />
Artikel 11 Die Sömmerungskosten gehen voll zu Lasten der Alpbenützer. Sie<br />
werden auf die Anzahl Sömmerungstage berechnet.<br />
Die Kosten für den Senn <strong>und</strong> das Material zur Milchverarbeitung werden auf<br />
die Anzahl Liter Milch verteilt.<br />
Die Sömmerungskosten s<strong>in</strong>d vor der Verteilung der Milchprodukte zu bezahlen.<br />
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Für die während der Sömmerung tödlich verunglückten oder aus e<strong>in</strong>em anderen<br />
Gr<strong>und</strong> notgesschlachteten Tiere s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Alpkosten zu bezahlen. Für Tiere,<br />
die ohne Gr<strong>und</strong> von der Alpe abgetrieben werden, s<strong>in</strong>d die gesamten Sömmerungskosten<br />
zu bezahlen.<br />
Artikel 12 Jeder Alpbenützer hat das von der Versammlung der Viehbesitzer<br />
für jedes Tier festgelegte Alpwerk oder die entsprechende Ersaztzahlung zu<br />
leisten.<br />
Die Alpwerke f<strong>in</strong>den jeweils im Frühl<strong>in</strong>g <strong>und</strong> im Herbst statt.<br />
Jugendliche ab 16 Jahren werden zum Alpwerk zugelassen.<br />
Artikel 13 Die Schafe können ab dem 15. Juni im Gebiet Unter e<strong>in</strong>er Allmende<br />
(von mittelhochdeutsch “Törbeltelli” gealpt werden. Ziegen s<strong>in</strong>d zur Alpung nicht<br />
zugelassen.<br />
Nutzniesser der Schafalpe s<strong>in</strong>d nur die <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de wohnsässigen Burger.<br />
A.3.4<br />
F<strong>in</strong>anzen<br />
Artikel 14<br />
1. Der Bau <strong>und</strong> Unterhalt von Gebäuden <strong>und</strong> festen E<strong>in</strong>richtungen, die der<br />
Bewirtschaftung der Burgeralpen dienen, s<strong>in</strong>d Sache der Buergergeme<strong>in</strong>de.<br />
2. Zu diesem Zweck besteht e<strong>in</strong> Alpverbesserungsfonds, der von der Burgergeme<strong>in</strong>de<br />
verwaltet wird.<br />
Er wird durch folgende E<strong>in</strong>nahmequellen gedeckt:<br />
(a) E<strong>in</strong>en Rückbehalt von den Sömmerungsbeiträgen des B<strong>und</strong>es;<br />
(b) Ersatzzahlungen für nicht geleistete Alpwerke;<br />
(c) Alpungsbeiträge gemäss Artikel 4 Absatz 2;<br />
(d) Erträge aus Zeltlagern;<br />
(e) Bussen.<br />
A.3.5<br />
Straf- <strong>und</strong> Übergangsbestimmungen<br />
Artikel 15 Zuwiderhandlung gegen vorliegendes Reglement werden von der Alpkommission<br />
mit Bussen belegt <strong>und</strong> der Burgergeme<strong>in</strong>de zum Inkasso schriftlich<br />
angezeigt. Die Busse wird nach Ermessen der Alpkommission unter Berücksichtigung<br />
der Schwere der verletzten Bestimmung <strong>und</strong> der Grösse des Verschuldens<br />
ausgesprochen. Die Busse beträgt zwischen Fr. 50.- <strong>und</strong> Fr. 500.-.<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 76 von 87 A Reglemente<br />
Artikel 16 Entscheide der Versammlung der Viehbesitzer <strong>und</strong> der Alpkommission<br />
können <strong>in</strong>nert 30 Tagen mit Beschwerde an den Geme<strong>in</strong>derat angefochten<br />
werden.<br />
Entscheide des Geme<strong>in</strong>derates können <strong>in</strong>nert 30 Tagen mit Beschwerde an den<br />
Staatsrat angefochten werden.<br />
Artikel 17<br />
1. Mit dem Inkrafttreten dieses Reglementes werden alle bisherigen Reglemente<br />
<strong>und</strong> Beschlüsse der Burgerversammlung, die Burgeralpen betreffend,<br />
aufgehoben.<br />
2. Das vorliegende Reglement tritt nach se<strong>in</strong>er Genehmigung durch den Staatsrat<br />
<strong>in</strong> Kraft.<br />
3. So angenommen <strong>in</strong> der Burgerversammlung von Törbel am 28. Mai 1989.<br />
A.3.6<br />
Der Staatsrat des Kantons Wallis<br />
E<strong>in</strong>gesehen das Gesuch vom 5. Juni 1989, womit die Geme<strong>in</strong>deverwaltung Törbel<br />
die Genehmigung des totalrevidierten Unter e<strong>in</strong>er Allmende (von mittelhochdeutsch<br />
“Reglements der Burgeralpen von Törbel” anbegehrt;<br />
E<strong>in</strong>gesehen dir Artikel 75 <strong>und</strong> 78 der Kantonsverfassung;<br />
E<strong>in</strong>gesehen die Artikel 16, 123 <strong>und</strong> 124 des Gesetzes vom 13. November 1980<br />
über die Geme<strong>in</strong>deordnung;<br />
E<strong>in</strong>gesehen den Mitbericht der kantonalen Dienststelle für Wald <strong>und</strong> Landschaft<br />
vom 21. August 1989, wonach diese Dienststelle zusammenfassend zum<br />
Ergebnis kommt, dass der von der Burgergeme<strong>in</strong>de Törbel gefasste Beschluss, die<br />
Alpung von Ziegen auf den Burgeralpen zu verbieten, mit der Fortgesetzgebung<br />
vere<strong>in</strong>bar sei;<br />
Auf Antrag des Departements des Innern,<br />
entscheidet:<br />
Das von der Burgerversammlung von Törbel am 28. Mai 1989 angenommene,<br />
totalrevidierte Unter e<strong>in</strong>er Allmende (von mittelhochdeutsch “Reglement der<br />
Burgeralpen von Törbel” wird genehmigt.<br />
Siegelgebühr: Fr. 40.-<br />
So entschieden im Staatsrat zu Sitten, den 6. September 1989.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
B Interview mit S. Juon, Präsident der AlpkomissionSeite 77 von 87<br />
B<br />
Interview mit S. Juon, Präsident der Alpkomission<br />
Das folgende Interview haben wir mit Silvan Juon schriftlich durchgeführt, nachdem<br />
wir ihn am Alpaufzug <strong>in</strong> Törbel persönlich kennen gelernthaben. Aufgr<strong>und</strong><br />
des Anlasses hatte er Vorort zu wenig Zeit für alle unsere Fragen, so dass wir auf<br />
die schriftliche Form ausgewichen s<strong>in</strong>d.<br />
B.1 Alpen<br />
1. Uns würden die Protokolle der Alpkommission sehr <strong>in</strong>teressieren, vor allem<br />
diejenigen über die Entwicklung des neuen Reglements von 1989 <strong>und</strong><br />
die der letzten Jahre. Wäre es möglich, Kopien davon zu erhalten? Bei<br />
Bedarf würden wir natürlich auch selber <strong>in</strong> Törbel vorbeikommen <strong>und</strong> die<br />
benötigten Dokumente heraussuchen <strong>und</strong> kopieren. Was wird alles <strong>in</strong> diesen<br />
Protokollen festgehalten?<br />
Antwort:<br />
Sie müssen selber bei der Geme<strong>in</strong>de vorbeikommen.<br />
2. Welche Sonderregelungen gibt es, welche nicht im Reglement der Burgeralpen<br />
von 1989 festgehalten s<strong>in</strong>d? Eventuell mündliche Regelungen?<br />
Antwort:<br />
Ke<strong>in</strong>e.<br />
3. Hat die Klimaerwärmung auf der Alp zu Problemen geführt? Gibt es bereits<br />
Veränderungen wie längere Sömmerungszeit, längere Trockenperioden,<br />
mehr Starkniederschläge oder vermehrt Blitzopfer bei den Tieren?<br />
Antwort: Bis <strong>heute</strong> haben wir ke<strong>in</strong>e grossen Veränderungen betreffend<br />
der Klimaerwärmung feststellen.<br />
4. Wie sieht der Tagesablauf auf der Alp aus? Wer arbeitet alles auf der Alp<br />
<strong>und</strong> was für Funktionen haben diese Mitarbeiter?<br />
Antwort: Der Wecker geht um 04.00 Uhr los, dann beg<strong>in</strong>nt man mit dem<br />
Melken der Kühe. Um 06.30 Uhr steht das Frühstück der Älpler auf dem<br />
Programm. Um 07.00 Uhr werden die Kühe auf die Weiden geführt, was<br />
von zwei Hirten/<strong>in</strong>nen erledigt wird. Der dritte Älpler beg<strong>in</strong>nt mit dem<br />
Säubern der Ställe <strong>und</strong> wenn nötig (jeden 3. Tag) mit dem Ausspritzen der<br />
Gülle auf die Weiden. Der vierte Älpler hat während dessen schon mit dem<br />
Verarbeiten der Milch zum so genannten Moosalpkäse begonnen. Um 17:00<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 78 von 87B<br />
Interview mit S. Juon, Präsident der Alpkomission<br />
Uhr werden die Kühe wieder zu den Ställen gebracht <strong>und</strong> um 18:00 Uhr<br />
beg<strong>in</strong>nt wieder das Melken, welches mit dem Re<strong>in</strong>igen der Melkmaschienen<br />
um 20:30 beendet wird.<br />
B.2 Alppersonal<br />
• 2 Hirten/<strong>in</strong>nen: Hüten der Kühe<br />
• 1 Älpler: Stallre<strong>in</strong>igung <strong>und</strong> Verarbeitung der Gülle<br />
• 1 Senn: Käser<br />
5. Ist die Burgeralp von Törbel auch für andere Regionen attraktiv zur Sömmerung?<br />
Besteht e<strong>in</strong>e grosse Nachfrage?<br />
Antwort: Die Burgeralpe ist sehr attraktiv, wir haben 25% der Alpkühe<br />
von verschiedenen auswärtigen Ortschaften.<br />
B.3 F<strong>in</strong>anzen der Alp<br />
6. Wie sieht die F<strong>in</strong>anzielle Lage der Alp aus? Was trägt alles zum E<strong>in</strong>kommen<br />
<strong>und</strong> zur F<strong>in</strong>anzierung der Sömmerung bei? Und wie gross s<strong>in</strong>d diese Zahlen<br />
ungefähr?<br />
Antwort: Die Sömmerungsbeiträge des Kantons (CHF 65000 - 70000)<br />
<strong>und</strong> die Vieheigentümer selber.<br />
7. Was für Ausgaben s<strong>in</strong>d für die Alpen notwendig <strong>und</strong> <strong>in</strong> welchem Umfang<br />
bewegen sie sich etwa?<br />
Antwort: Pro Sommer fallen Kosten für Alppersonal <strong>und</strong> Kraftfutter an,<br />
welche Ende Sommer auf alle Kühe aufgeteilt <strong>und</strong> von den Eigentümer<br />
bezahlt werden.<br />
8. Gibt es vom B<strong>und</strong> Sömmerungsunterstützung <strong>und</strong> wenn ja, für was werden<br />
dies verwendet?<br />
9. Ja, es gibt Sömmerungsbeiträge:<br />
• E<strong>in</strong> Teil geht an den Alpverbesserungsfond d.h. für allfällige Reparaturen.<br />
• Der andere Teil geht an jeden e<strong>in</strong>zelnen Bauer.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
B Interview mit S. Juon, Präsident der AlpkomissionSeite 79 von 87<br />
10. Wie sieht die Bestrafung aus, wenn jemand sich nicht an das Reglement der<br />
Burgeralpen hält <strong>und</strong> ist das oft der Fall? Wie hoch s<strong>in</strong>d die Bussen <strong>und</strong><br />
ist schon e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Fall vor die Geme<strong>in</strong>de oder den Kanton gekommen?<br />
Antwort:<br />
Antwort fehlt<br />
B.4 R<strong>in</strong>dvieh<br />
11. Wie viele Kühe waren jeweils auf den Burgeralpen während der letzten<br />
Jahre? Gibt es eventuell e<strong>in</strong>e Tabelle dazu? Wie viele davon s<strong>in</strong>d von der<br />
Rasse Ehr<strong>in</strong>ger?<br />
Antwort:<br />
Er<strong>in</strong>ger.<br />
Zwischen 120 - 130 Stück, die Hälfte davon s<strong>in</strong>d von der Rasse<br />
12. Wie viele Kühe <strong>und</strong> R<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d es diesen Sommer? Und wie viele davon<br />
s<strong>in</strong>d von auswärtigen Burgern <strong>und</strong> auswärtigen Nichtburgern?<br />
Antwort: 124 Kühe <strong>und</strong> 81 R<strong>in</strong>der<br />
Davon von auswärtigen Burgern <strong>und</strong> Nichtburgern: 45 Kühe <strong>und</strong> 46 R<strong>in</strong>der<br />
13. Welche Produkte werden auf der Alp <strong>in</strong> welchem Masse produziert (Milch,<br />
Fleisch, Käse, Zieger) <strong>und</strong> was passiert mit ihnen? (Vermarktung, Verkauf<br />
oder Verteilung an Viehbesitze)r?<br />
Antwort: Der Käse ist das Hauptprodukt, er wird an die Viehbesitzer<br />
verteilt. Zieger wird zum Teil auf der Moosalp direkt an die Gäste verkauft<br />
<strong>und</strong> der Rest geht an Lebensmittelgeschäfte.<br />
14. Wie werden die Stallungen für die Kühe f<strong>in</strong>anziert <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d die Kosten für<br />
den neuen Stall auf der Moosalp (CHF 600’000) bereits amortisiert?<br />
Antwort: Durch Subventionen <strong>und</strong> den Verkauf der Oberaar Alp im Grimselgebiet<br />
an den Kanton Bern.<br />
15. Wie viel kostet der Unterhalt e<strong>in</strong>er Kuh während des ganzen Jahres?<br />
Antwort: CHF 4000<br />
16. Ist die Viehwirtschaft e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Männerdomäne oder gibt es auch Frauen,<br />
welche Kühe halten?<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 80 von 87B<br />
Interview mit S. Juon, Präsident der Alpkomission<br />
Die Viehwirtschaft wird von Frau <strong>und</strong> Mann mite<strong>in</strong>ander be-<br />
Antwort:<br />
trieben.<br />
17. Wie entwickelt sich Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach die Haltung des R<strong>in</strong>dviehs (Zunahme,<br />
Abnahme, neue Produkte)?<br />
Antwort:<br />
Das kommt auf die Agrarpolitik 2007 an.<br />
B.5 Schafe<br />
18. Ist das Interesse an der Schafzucht <strong>und</strong> der Sömmerung von Schafen <strong>in</strong><br />
Törbel gross?<br />
Es werden noch jedes Jahr zwischen 200 <strong>und</strong> 300 Schafe ge-<br />
Antwort:<br />
sömmert.<br />
19. Wie gross ist der Aufwand zur Haltung von Schafen?<br />
Antwort:<br />
Viel weniger gross als beim R<strong>in</strong>dvieh.<br />
20. Welche Arbeiten fallen an <strong>und</strong> wer verrichtet diese?<br />
Antwort: Das fängt beim Füttern an <strong>und</strong> geht von der Schafschur bis<br />
h<strong>in</strong> zum Klauenschneiden. Die Arbeit wird von Mann <strong>und</strong> Frau verrichtet.<br />
21. Was für Produkte lässt sich mit den Schafen herstellen <strong>und</strong> werden dies<br />
verkauft oder s<strong>in</strong>d sie für den Eigenverbrauch bestimmt?<br />
Antwort: Der Verkauf von Lämmern macht den grössten Teil aus. Der<br />
Verkauf von Wolle rentiert nicht mehr, da diese ke<strong>in</strong>en grossen Wert mehr<br />
hat.<br />
22. Wieso werden die Schafe nicht gemolken (zum Beispiel zur Herstellung von<br />
Schafskäse)?<br />
Antwort: Die Schafe <strong>in</strong> Törbel s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Milchschafe, das s<strong>in</strong>d Schwarznasenschafe,<br />
die nur Milch für ihre eigenen Lämmer geben.<br />
23. Hat das Törbeltälli se<strong>in</strong>e Kapazitätsgrenze für Schafe schon erreicht, oder<br />
könnte man noch mehr Tiere sömmern?<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
B Interview mit S. Juon, Präsident der AlpkomissionSeite 81 von 87<br />
Ich glaube, die Stückzahl zwischen 200 <strong>und</strong> 300 reicht vollkom-<br />
Antwort:<br />
men.<br />
24. Gibt es grosse Verluste an Tieren zum Beispiel durch Blitz oder Abstürzen<br />
im Gelände? Und werden diese Verluste vom B<strong>und</strong> entschädigt?<br />
Antwort:<br />
Es gibt höchst selten Verluste.<br />
25. Wie viel kostet die Haltung e<strong>in</strong>es Schafes während des ganzen Jahres?<br />
Antwort: CHF 750<br />
26. Wie entwickelt sich Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach die Haltung der Schafen (Zunahme,<br />
Abnahme, neue Produkte)?<br />
Antwort: Wie Frage 16. (Agrarpolitik 2007)<br />
B.6 Ziegen<br />
27. Wie gross ist das Interesse an der Ziegenhaltung <strong>und</strong> Sömmerung <strong>in</strong> Törbel?<br />
Antwort: Ziegenhaltung <strong>in</strong> Törbel ist sehr kle<strong>in</strong> <strong>und</strong> die Wenigen werden<br />
auch im Törbeltälli gesömmert.<br />
28. Was für Arbeiten fallen bei der Ziegenhaltung an <strong>und</strong> wer verrichtet diese?<br />
Antwort:<br />
Ungefähr die Gleichen wie bei den Schafen.<br />
29. Was für Produkte lässt sich mit den Ziegen herstellen <strong>und</strong> werden dies<br />
verkauft oder s<strong>in</strong>d sie für den Eigenverbrauch bestimmt?<br />
Antwort:<br />
Abgesehen von Fleisch werden ke<strong>in</strong>e Produkte hergestellt.<br />
30. Wie viel kostet der Unterhalt e<strong>in</strong>er Ziege während des ganzen Jahres?<br />
Antwort: CHF 750<br />
31. Wie entwickelt sich Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach die Haltung der Ziegen (Zunahme,<br />
Abnahme, neue Produkte)?<br />
Antwort:<br />
Momentan ist die Tendenz abnehmend.<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 82 von 87B<br />
Interview mit S. Juon, Präsident der Alpkomission<br />
B.7 Wald<br />
32. Wie viel Prozent Wald gehört wem <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de Törbel (Geme<strong>in</strong>deoder<br />
Privatbesitz)?<br />
Antwort:<br />
4/5 s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>de- <strong>und</strong> 1/5 <strong>in</strong> Privatbesitz<br />
33. Wer ist für die Pflege des Waldes zuständig <strong>und</strong> welche Arbeiten fallen an?<br />
Antwort: Forstbetrieb übernehmen die Pflege des Geme<strong>in</strong>dewaldes <strong>und</strong><br />
im Privatwald ist jeder selber verantwortlich.<br />
34. Wird das Kle<strong>in</strong>holz immer noch von der Bevölkerung gesammelt <strong>und</strong> zur<br />
Feuerung verwendet?<br />
Antwort: Sehr wenig Kle<strong>in</strong>holz wird noch gesammelt, weil die ganze Bevölkerung<br />
mit Öl oder Strom heizt.<br />
35. Wird das E<strong>in</strong>sammeln der Lärchennadeln auf dem Waldboden als E<strong>in</strong>streu<br />
noch praktiziert?<br />
Antwort:<br />
Ne<strong>in</strong>.<br />
36. Wie ist die Fällung reglementierte, wer führt diese durch <strong>und</strong> was passiert<br />
mit dem Holz (Verkauf an Auswärtige oder Verteilung an Geme<strong>in</strong>debevölkerung,<br />
Bausubstanz für Häuser, Brennholz)?<br />
Antwort: Jeder Burger kann beider Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong> Los Holz kaufen, muss<br />
es aber selber fällen <strong>und</strong> transportieren. (Los bedeutet e<strong>in</strong>e bestimmte Menge<br />
von Holz)<br />
37. Ist der Erwerb von privatem Waldbesitz <strong>in</strong> Törbel möglich <strong>und</strong> wenn ja,<br />
wer <strong>in</strong>teressiert sich dafür?<br />
Antwort:<br />
Ne<strong>in</strong>.<br />
38. Wie sieht die F<strong>in</strong>anzierung der Waldbewirtschaftung aus? Trägt die Geme<strong>in</strong>de<br />
die Kosten?<br />
Antwort:<br />
Geme<strong>in</strong>de <strong>und</strong> Staat tragen die Kosten zusammen.<br />
39. Kaufen die Burger von Törbel Holz von anderen Geme<strong>in</strong>den zu oder kann<br />
ihr Bedarf selber gedeckt werden?<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
B Interview mit S. Juon, Präsident der AlpkomissionSeite 83 von 87<br />
Antwort:<br />
Der Bedarf ist selbständig gedeckt.<br />
B.8 Jugend<br />
40. Wie ist das Interesse der Jugend an der Tierhaltung <strong>und</strong> der Sömmerung<br />
auf der Alp?<br />
Antwort: Das Interesse steigerte sich <strong>in</strong> den letzten Jahren. Die Nebenerwerbslandwirte<br />
erreichen e<strong>in</strong> Durchschnittsalter zwischen 35 <strong>und</strong> 45 Jahren.<br />
41. Gibt es für die Betriebe genügend Nachwuchs?<br />
Antwort:<br />
Ja.<br />
42. Wir habe gelesen, dass viele Menschen im Schichtbetrieb <strong>in</strong> Visp arbeiten,<br />
bleibt da noch genügend Zeit für die Allmendenbewirtschaftung <strong>und</strong> wie<br />
wird diese Doppelbelastung organisiert?<br />
Antwort: Die Zeit reicht aus, weil die Mithilfe der Frau hier selbstverständlich<br />
ist.<br />
B.9 Konflikte<br />
43. Was für Konflikte unter den Benützern der Burgeralpen gab es früher <strong>und</strong><br />
<strong>heute</strong>?<br />
Antwort:<br />
Ke<strong>in</strong>e Antwort<br />
44. Gibt es verschiedene Interessensgruppen (Schafbesitzer, Ehr<strong>in</strong>gerkuhbesitzer<br />
etc.) <strong>und</strong> wenn ja, weshalb?<br />
Antwort: Es gibt Schafbesitzer, Ehr<strong>in</strong>gerkuhbesitzer, Ziegenbesitzer, Simmentalerbesitzer.<br />
Die verschiedenen Besitzer ergeben e<strong>in</strong>e starke Geme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>und</strong> es können nicht alle die gleichen Interessen verfolgen.<br />
B.10 Wasser<br />
45. Wo werden zur Bewässerung Spr<strong>in</strong>kelanlagen e<strong>in</strong>gesetzt <strong>und</strong> wo wird noch<br />
nach dem alten System mit den Bewässerungskanälen gearbeitet (Törbeltälli,<br />
Moosalp, Bifigen, Wiesen, Land unten im Dorf, Äcker, Reben)?<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 84 von 87B<br />
Interview mit S. Juon, Präsident der Alpkomission<br />
Antwort:<br />
• Spr<strong>in</strong>kelanlagen: im Dorf, <strong>in</strong> den Reben, auf dem Acker<br />
• Bewässerungsanlagen: <strong>in</strong> den Voralpen<br />
• Ke<strong>in</strong>e Bewässerung: Bifigen, Moosalp, Törbeltälli<br />
46. Welche Probleme treten bei den beiden Methoden auf?<br />
Antwort:<br />
Ke<strong>in</strong>e.<br />
47. Gibt es Alternativen zu diesen Bewässerungsmethoden?<br />
Antwort:<br />
Es gibt nur diese zwei Bewässerungsmethoden.<br />
48. Ist die Bewässerung reglementiert <strong>und</strong> wenn ja, wo?<br />
Das Reglement ist mündlich festgelegt <strong>in</strong> Form von Schatten-<br />
Antwort:<br />
zeichen 38 .<br />
49. Stammt alles Wasser aus der Augstbordwasserleitung oder wird noch zusätzlich<br />
Wasser heraufgepumpt oder von anderen Leitungen bezogen?<br />
Antwort: Ja, alles Wasser stammt aus der Augstbordwasserleitung <strong>und</strong><br />
somit muss ke<strong>in</strong> zusätzliches Wasser bezogen werden.<br />
50. Wo genau geht die Augstbordwasserleitung durch <strong>und</strong> verläuft diese unterirdisch?<br />
Antwort:<br />
Sie reicht unterirdisch vom Augstboard bis nach Zeneggen.<br />
B.11 Tourismus<br />
51. Gibt es viele Touristen <strong>in</strong> Törbel <strong>und</strong> wenn je, was zieht sie an (Wanderwege,<br />
Alpaufzug, historisches Dorf etc.)?<br />
Antwort: Logiernächte <strong>in</strong> Törbel gibt es nicht so viele. Im Sommer kommen<br />
aber doch ziemlich viele Leute wegen der Wandermöglichkeiten <strong>und</strong><br />
unserer schönen Moosalpe nach Törbel.<br />
52. Investiert man <strong>in</strong> den Tourismus <strong>und</strong> wie wird die Zukunft aussehen?<br />
38 Als Bewässerungsgrenzen gilt, wenn e<strong>in</strong> Schatten an e<strong>in</strong>em bestimmten Ort ist.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
B Interview mit S. Juon, Präsident der AlpkomissionSeite 85 von 87<br />
Antwort: Man setzt sich immer für den Tourismus e<strong>in</strong> <strong>und</strong> das ist für die<br />
Zukunft nicht schlecht.<br />
B.12 Zukunft<br />
53. Wie sieht Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach die Zukunft der Alp aus? Wie wird es <strong>in</strong> 10,<br />
20 oder 50 Jahren aussehen?<br />
Antwort: Gut, glaube ich. Was jedoch <strong>in</strong> 10, 20 oder 50 Jahren se<strong>in</strong> wird,<br />
ist schwer zu sagen.<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki
Seite 86 von 87 C Exkursionen nach Törbel<br />
C<br />
Exkursionen nach Törbel<br />
C.1 27. April 2005<br />
C.1.1<br />
Erk<strong>und</strong>ung des Dorfes<br />
Bei e<strong>in</strong>em Spaziergang mitten durch die engen Gassen von Törbel lernten wir<br />
das idyllische <strong>und</strong> bee<strong>in</strong>druckend authentische Bergdorf kennen. Wir waren überrascht,<br />
dass die kle<strong>in</strong>en Holzhäuser mit den Schieferdächern noch so gut erhalten<br />
waren <strong>und</strong> das ganze Dorf, abgesehen von der modernen Kirche <strong>und</strong> e<strong>in</strong>igen E<strong>in</strong>familienhäusern,<br />
noch aussahen, wie vor 100 Jahren.<br />
C.1.2<br />
Besuch Roman Juon (Pensionierter Lehrer)<br />
Am Nachmittag beantwortete Roman Juon geduldig all unsere Fragen <strong>und</strong> unterstützte<br />
uns mit eigenen Texten <strong>und</strong> zahlreichen Kopien aus Büchern über Törbel<br />
wie “Vispertaler Sonnenberge” <strong>und</strong> “Törbel, Dorf <strong>und</strong> Pfarrei”. Roman Juon hat<br />
durch se<strong>in</strong>e langjährige Tätigkeit als Lehrer e<strong>in</strong> enormes Wissen, speziell auch<br />
über Törbel <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Geschichte, von dem wir profitieren durften. Ausserdem<br />
hat er Robert McC. Nett<strong>in</strong>g persönlich gekannt <strong>und</strong> sich für se<strong>in</strong>e Arbeit <strong>in</strong>teressiert.<br />
Nett<strong>in</strong>g hat damals auch e<strong>in</strong>en weit zurück gehenden Stammbaum der<br />
bekannten Törbler Familien-Namen erstellt, was Roman Juon sehr bee<strong>in</strong>druckt<br />
hat.<br />
C.2 1. Juni 2005<br />
C.2.1<br />
Besuch Rolf Juon (Geme<strong>in</strong>de Törbel)<br />
Rolf Juon suchte für uns im Geme<strong>in</strong>dearchiv die alten Reglemente zur Allmende<br />
<strong>und</strong> zeigte uns sogar das Orig<strong>in</strong>al Dokument von 1517, welches noch <strong>in</strong> Late<strong>in</strong> auf<br />
Tierhaut geschrieben worden war. Er war uns sehr behilflich beim Aufzeigen der<br />
heutigen Situation der Allmende <strong>und</strong> beantwortete auch geduldig unsere Fragen<br />
betreffend der Geme<strong>in</strong>de <strong>und</strong> den Reglementen.<br />
C.3 Wanderung <strong>in</strong> Richtung Moosalp<br />
Am Nachmittag blieb uns noch etwas Zeit, so dass wir uns auf den Weg zur<br />
Moosalp machten. Da die Zeit nicht reichte, um ganz nach oben zu wandern,<br />
begnügten wir uns mit der Aussicht auf halber Höhe. Es führt sogar e<strong>in</strong>e geteerte<br />
Strasse bis zur Moosalp, denn im W<strong>in</strong>ter fährt das Postauto hoch <strong>und</strong> br<strong>in</strong>gt die<br />
W<strong>in</strong>tersportler zum Skilift Moosalp.<br />
M. Maiorano & D. Schmuki 10. Januar 2006
C Exkursionen nach Törbel Seite 87 von 87<br />
C.4 24. - 25. Juni 2005<br />
C.4.1<br />
Übernachtung <strong>in</strong> Zermatt<br />
Um den Alpaufzug von Törbel von Anfang an mitzuerleben, machten wir uns<br />
schon am Freitagabend auf den Weg nach Zermatt, um dort <strong>in</strong> der Jugendherberge<br />
zu übernachten. Am Morgen brachen wir dann sehr früh auf <strong>und</strong> erreichten<br />
Törbel gegen 08:30 Uhr.<br />
C.4.2<br />
Moosalp <strong>und</strong> Alpaufzug<br />
Vom Dorf aus gelangten wir dann über die schmale Strasse zur Moosalp, wo<br />
schon alles voll mit Autos, Lastwagen <strong>und</strong> Viehtransportern war. H<strong>in</strong>ter dem Restaurant<br />
<strong>und</strong> den Ställen der Moosalp fanden die Kuhkämpfe auf e<strong>in</strong>er grossen,<br />
abgesteckten Weide statt. Die Dorfbewohner, viele <strong>in</strong>teressierte Walliser <strong>und</strong> e<strong>in</strong>ige<br />
Touristen verfolgten das Spektakel. Mit dabei war sogar e<strong>in</strong> Kameramann.<br />
Verpflegt wurden die vielen Zuschauer im Imbisszelt <strong>und</strong> mit dem Bierwagen.<br />
Uns überraschte, dass der Anlass mehr an e<strong>in</strong> Sportfest oder e<strong>in</strong>en Jahrmarkt<br />
er<strong>in</strong>nerte als an e<strong>in</strong>en traditionellen Alpaufzug.<br />
C.4.3<br />
Wanderung <strong>in</strong> Richtung Törbeltelli<br />
Nachdem wir die Kuhkämpfe e<strong>in</strong>e Weile beobachtet hatten <strong>und</strong> noch lange ke<strong>in</strong>e<br />
Gew<strong>in</strong>ner<strong>in</strong> <strong>in</strong> Aussicht war, brachen wir auf e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Wanderung <strong>in</strong> Richtung<br />
Töbeltelli auf, um die Alpenweiden zu besichtigen. Leider mussten wir kurz vor<br />
unserem Ziel aufgr<strong>und</strong> des Wetters umkehren, aber e<strong>in</strong>en Blick von unten auf das<br />
Törbeltelli erhaschten wir trotzdem.<br />
C.4.4<br />
Gespräch mit Silvan Juon (Präsident der Alpkommission)<br />
Silvan Juon war an diesem wichtigen Tag sehr beschäftigt <strong>und</strong> wir freuten uns,<br />
als er sich e<strong>in</strong> paar M<strong>in</strong>uten Zeit für unsere Fragen betreffend der Allmendenbewirtschaftung<br />
nahm. Als Präsident der Alpkommission konnte er uns wertvolle<br />
Informationen liefern. Als die Zeit jedoch nicht für alle Fragen reichte, willigte er<br />
e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> schriftliches Interview per Post zu geben (siehe Appendix B).<br />
10. Januar 2006 M. Maiorano & D. Schmuki