Modelle der Entstehung von Vertrauen durch Reputation in Online ...

Reputationsmodell 1 



Modelle der Entstehung von Vertrauen durch 

Reputation in Online-Märkten 

Wojtek Przepiorka 

przepiorka@soz.gess.ethz.ch 

ETH Zürich, Professur für Soziologie 

http://www.socio.ethz.ch/ 

Zürich, 27. Juni 2006 

Kolloquium Soziologie 


Modelle der Entstehung von Vertrauen durch Reputation

Inhalt 




Vertrauensproblem auf Online-Märkten 

Reputationsmodell 1-3 

Bemerkung zu wiederholten Spielen 



Online-Märkte 









Vertrauensproblem 

Verkäufer bietet eine Ware an, die der Käufer nicht vor der 

Kaufentscheidung inspizieren kann. 1 

Marktteilnehmer sind anonym und es finden keine 

wiederholten Interaktionen mit den gleichen Akteuren statt. 

Zahlungsmodus zugunsten des Verkäufers: Ware wird erst 

verschickt wenn das Geld eintrifft. 

Der Verkäufer kann nach Eintreffen des Geldes die Ware 

verschicken oder aber Ware und Geld für sich behalten. 

Verschickt der Verkäufer die Ware, erhält der Käufer einen 

zusätzlichen Nutzen und erfährt einen Verlust sonst. 2 

1 vgl. Akerlof 1970 

2 vgl. Coleman 1990: 97-99 

Wojtek Przepiorka Modelle der Entstehung von Vertrauen durch Reputation




Vertrauensspiel 

Formalisierung des 

Vertrauensproblems 

Nash-Gleichgewicht im 

Vertrauensspiel 

T > R > P > S 

(ein soziales Dilemma) 

Kein Vertrauen – kein 

Vertrauensproblem!? 






Vertrauensspiel mit unvollständiger Information 

Formalisierung der 

Informationsasymmetrie 

(Harsanyi-Transformation) 

T > R > P > S aber 

R ∗ > T ∗ > P ∗ > S ∗ 

Käufer weiss nicht, welches 

Spiel er spielt, kennt aber die 

Wahrscheinlichkeit p. 

Käufer gibt Vertrauen wenn 

P < E[U(Tr)] = pR +(1−p)S 

Was ist p? 

Populationsanteil vs. 

subjektive Wahrscheinlichkeit 






Reputationssysteme auf Online-Märkten 







Reputationssysteme sammeln, stellen und fassen 

Informationen über das bisherige Verhalten der 

Marktteilnehmer zusammen. 3 

Marktteilnehmer ziehen diese Information bei zukünftigen 

Interaktionen in Betracht. 

Verkäufer antizipieren, dass Reputation einen Einfluss auf 

den Erfolg zukünftiger Interaktionen hat. 

Ehrliches Verhalten vermeidet negative und begünstigt 

positive Bewertungen. 

Lässt sich Vertrauen und Kooperation in Online-Märkten alleine 

durch ein Reputationssystem herstellen? 

3 Resnick, Zeckhauser, Friedman und Kuwabara 2000 


















Reputationsmechanismus 

Käufer- und Verkäuferstrategien 

Folgerungen 


(in Anlehnung an Ockenfels 2003) 4 

4 vgl. Rasmusen 2001: 119-122 





Reputationsmechnaismus 



Folgerungen 

Reputation r eines Verkäufers i zum Zeitpunkt t entspricht der 

Qualität q der durch den Verkäufer i zum Zeitpunkt t − 1 

gelieferten Ware. 

Es wird angenommen, dass die Qualität der Ware nur zwei 

Ausprägungen hat (0 := schlecht oder 1 := gut) 

Verkäufer hat zum Zeitpunkt t = 0 keine schlechte Reputation. 

r t 

i 

= q t−1 

i 

, wobei q i ɛ{0, 1} und r 0 

i = 1 



Käuferstrategie 






Folgerungen 

Käufer verfolgt eine Erwartungswertstrategie: Reputation des 

Verkäufers als Wahrscheinlichkeit für Vertrauenswürdigkeit. 

Erwartete Auszahlung aus einer Vergabe von Vertrauen 

E[U(Tr, t)] = r t 

i R + (1 − r t 

i )S 

Auszahlung wenn kein Vertrauen gegeben wird 

U( ¯Tr) = P 

Bedingung für die Vergabe von Vertrauen 

E[U(Tr, t)] > U( ¯Tr) =⇒ r t 

i 

> P − S 

R − S 



Verkäuferstrategie 






Folgerungen 

Verkäufer entscheidet zwischen: Vertrauen dauerhaft honorieren und 

im Markt verbleiben oder einmal betrügen und Markt verlssen. 5 

Auszahlung für dauerhaftes honorieren von Vertrauen 

∞∑ 

δ t R = R 1 , (Diskontparameter δ) 

1 − δ 

t=0 

Auszahlung für einmaligen Betrug 

∞∑ 

T + δ t P = T + P 

δ 

1 − δ 

t=1 

Bedingung für dauerhaftes honorieren von Vertrauen 

R 1 

1 − δ > T + P δ 

1 − δ 

=⇒ δ > T − R 

T − P 

5 Einmaliger Betrug hat Marktaustritt zur Folge, weil kein Käufer einem Verkäufer mit r = 0 vertraut. 






Fazit aus Reputationsmodell 1 



Folgerungen 

Käufer geben Vertrauen wenn 

r t 

i = 1 ∀ i, t 

Betrügerische Verkäufer werden erst erkannt, wenn der 

Betrug geschehn ist! 

Reputation hat keinen Wert! 

Käufer geben Vertrauen nur wenn 

P < pR + (1 − p)S, wobei p = Pr(δ i > T − R 

T − P ) 








Folgerungen 

Entscheidende Parameter und Annahmen 

Im wiederholten Spiel sind Verkäufer homogen in Bezug 

auf die Auszahlungen aus einer einzelnen Interaktion. 

Verkäufer sind heterogen im Diskontparamter δ 

Käufer weiss welches Spiel in der einzelnen Interaktion 

gespielt wird, kennt aber δ des Verkäufers nicht. 

δ sagt etwas über die Gegenwartspräferenz eines 

Verkäufers aus. 

”[...W]hen we see that a person has never been 

caught cheating, we have reason to believe that his 

behaviour is motivated, at least in part, by nonmaterial 

rewards. And herein lies the kernel of truth in our 

belief that reputations matter.” 6 

6 Frank 1988: 84 







Folgerungen 


(in Anlehnung an Ockenfels 2003) 






Investition in Reputation 



Folgerungen 

Reputationsmechanismus gleich wie bei Modell 1 ausser 

Verkäufer haben zum Zeitpunkt t = 0 keine gute Reputation 

r 0 

i = 0 

Käufer vergeben bei t = 0 Vertrauen nur wenn 

P < r 0 

i R + (1 − r 0 

i )S =⇒ P < S 

Verkäufer müssen in Reputation investieren und setzen dafür 

einen Betrag I in Höhe von P − S ein. 7 

I in Vertrauen 

I > P − S =⇒ nicht optimal 

I = P wenn S = 0 

7 zum Investitionsgedanken siehe Shapiro 1983 








Folgerungen 

Markteintritt eines honorigen Verkäufers 

Verkäufer kann entweder dem Markt fernbleiben oder in Reputation 

investieren und Vertrauen dauerhaft honorieren. 

Dem Markt fernbleiben 

∞∑ 

t=0 

δ t P = P 1 

1 − δ 

Investieren und Vertrauen dauerhaft honorieren 

∞∑ 

0 + δ t R = R 

δ 

1 − δ 

t=1 

Bedingung für Markteintritt eines honorigen Verkäufers 

R 

δ 

1 − δ > P 1 

1 − δ 

=⇒ 1 ≥ δ > P R = δ∗ 








Folgerungen 

Markteintritt eines betrügerischen Verkäufers 

Verkäufer kann entweder dem Markt fernbleiben oder wiederholt in 

Reputation investieren und Vertrauen missbrauchen. 


∞∑ 

t=0 

δ t P = P 1 

1 − δ 

Wiederholt investieren und Vertrauen missbrauchen 

∞∑ 

δ t 0 + δ t+1 δ 

T = T 

1 − δ 2 

t=0 

Bedingung für Markteintritt eines betrügerischen Verkäufers 

T 

δ 

1 − δ 2 > P 1 

1 − δ 

=⇒ 1 ≥ δ > P 

T − P = δ∗∗ 



Fallunterscheidung 






Folgerungen 

1 T = R + P =⇒ δ ∗ = δ ∗∗ 

1 δ < δ ∗ = δ ∗∗ =⇒ kein Markteintritt 

2 δ > δ ∗ = δ ∗∗ =⇒ Markteintritt, indifferent 

2 T > R + P =⇒ δ ∗ > δ ∗∗ 

1 δ < δ ∗∗ < δ ∗ =⇒ kein Markteintritt 

2 δ ∗∗ < δ < δ ∗ =⇒ Markteintritt, betrügerisch 

3 δ ∗∗ < δ ∗ < δ =⇒ Markteintritt, honorig 

3 T < R + P =⇒ δ ∗ < δ ∗∗ 

1 δ < δ ∗ < δ ∗∗ =⇒ kein Markteintritt 

2 δ ∗ < δ < δ ∗∗ =⇒ Markteintritt, honorig 

3 δ ∗ < δ ∗∗ < δ =⇒ Markteintritt, betrügerisch 









Folgerungen 

Obwohl für alle drei Fälle gelten kann: T > R > P > S, scheint 

nur Fall 1 (T = R + P) realistisch. 

=⇒ Unterscheidung von Verkäufern nicht möglich. 

=⇒ Reputation hat keinen Wert. 

=⇒ Käufer sind nicht bereit Vertrauen zu geben. 

=⇒ Es gibt keinen Markt! 8 

Widerspricht der Intuition: Gute Reputation sagt etwas über die 

Eigenschaft eines Akteurs, langfristige Vorteile gegenüber 

kurzfristigen Auszahlungen vorzuziehen. 9 

Eine gute Reputation, die von heute auf morgen gebildet wird, sagt 

nichts über die Langzeitabsichten eines Akteurs aus! 

8 Ockenfels (2003: 305) kommt zu einem andern Ergebnis. Er übersieht allerdings, dass auch betrügerische 

Verkäufer zuerst in Reputation investieren müssen (T + δ0 < R + δR ≁ 0 + δT < R + δR). 

9 vgl. Frank 1988 







Folgerungen 









Folgerungen 

Investition in Reputation über mehrere Perioden 

Reputationsmechanismus gleich wie bei Modell 2 ausser 

Verkäufer müssen zuerst während τ Perioden in Reputation 

investieren 

ri t = 0 für 0 ≤ t < τ 

Käufer vergeben bei t < τ Vertrauen nur wenn 

P < ri t R + (1 − r i t )S =⇒ P < S 

r t+1 

i 

= 0 nach einem Vertrauensmissbrauch zum Zeitpunkt t. 








Folgerungen 

Markteintritt eines honorigen Verkäufers 

Verkäufer kann entweder dem Markt fernbleiben oder in Reputation 

investieren und Vertrauen dauerhaft honorieren. 


∞∑ 

t=0 

δ t P = P 1 

1 − δ 

Investieren und Vertrauen dauerhaft honorieren 

∞∑ 

0 + δ t R = R 

δτ 

1 − δ 

t=τ 

Bedingung für Markteintritt eines honorigen Verkäufers 

R 

δτ 

1 − δ > P 1 

1 − δ 

=⇒ 1 ≥ δ > τ √ 

P 

R 








Folgerungen 

Markteintritt eines betrügerischen Verkäufers 

Verkäufer kann entweder dem Markt fernbleiben oder wiederholt in 

Reputation investieren und Vertrauen missbrauchen. 


∞∑ 

t=0 

δ t P = P 1 

1 − δ 

Wiederholt investieren und Vertrauen missbrauchen 

∞∑ 

0 + δ (t+1)τ+t δ τ 

T = T 

1 − δ τ+1 

t=0 

Bedingung für Markteintritt eines betrügerischen Verkäufers 

T 

δ τ 

1 − δ τ+1 > P 1 

1 − δ 

=⇒ δ τ+1 (P − T ) + δ τ T − P > 0 









Folgerungen 

Je grösser τ, desto geringer darf die Gegenwartspräferenz sein, 

damit sich ein Markteintritt und eine honorige Verkäuferstrategie 

lohnt. 

Die Bedingungen für betrügerische Strategien sind wesentlich 

schwieriger auszumachen. 

Polynome n-ten Grades 10 

Für n > 2 Lösungen im komplexen Zahlenbereich möglich 

Für n > 4 meist nur mit Approximationsverfahren lösbar 

Schwierig zu interpretieren 

10 Wikipedia 2006 







Folgerungen 

Wiederholte Spiele und spieltheoretische Analyse 

”[Game theorists] explored various ways to steer between 

the Scylla of the Chainstore Paradox and the Charybdis of 

the Folk Theorem to find a resolution to the problem of 

repeated games.” 11 

Handelsketten Paradox =⇒ kein Vertrauen 

Folk Theorem =⇒ unzählige Gleichgewichte 

Gang of Four =⇒ unzählige Gleichgewichte 

Computerturniere von Axelrod =⇒ Ken Binmore 12 

11 Rasmusen 2001: 149-152 

12 siehe z.B. Binmore 1998 







Folgerungen 

Unterschiede zum Vertrauensproblem in 

Online-Märkten 

Die Spiele sind widerholt aber nicht mit denselben zwei Spielern. 

Interaktionen produzieren positive Externalitäten 13 

Sanktionen können nicht unmittelbar sondern nur über Dritte 

erfolgen (”Tit For Someone Else’s Tat”). 

Vertrauenswürdigkeit muss in jeder Interaktion neu eingeschätzt 

werden. 

Was ist eigentlich Reputation? 

13 Bolton, Katok und Ockenfels (2004) weisen dies im Experiment nach. 



Literatur 






Folgerungen 

Akerlof, George A. 1970. ”The Market for ”Lemons”: Quality Uncertainty and the Market Mechanism.” 

Quarterly Journal of Economics 84:488-500. 

Binmore, Ken. 1998. ”Review of The Complexity of Cooperation: Agent-Based Models of Competition and 

Collaboration by Robert Axelrod.” Journal of Artificial Societies and Social Simulation 1: 

http://jasss.soc.surrey.ac.uk/1/1/review1.html. 

Bolton, Gary E., Elena Katok, and Axel Ockenfels. 2004. ”How Effective Are Electronic Reputation 

Mechanisms? An Experimental Investigation.” Management Science 50:1587-1602. 

Coleman, James S. 1990. Foundations of Social Theory. Cambridge (MA): The Belknap Press of Harvard 

University Press. 

Frank, Robert H. 1988. Passions Within Reason: The Strategic Role of the Emotions. New York: W. W. 

Norton & Company. 

Ockenfels, Axel. 2003. ”Reputationsmechanismen auf Internet-Marktplattformen.” Zeitschrift für 

Betriebswirtschaft 73:295-315. 

Rasmusen, Eric. 2001. Games and Information: An Introduction to Game Theory. Malden (MA): Blackwell 

Publishing. 

Resnick, Paul, Richard Zeckhauser, Eric Friedman, and Ko Kuwabara. 2000. ”Reputation Systems.” 

Communications of the ACM 43:45-48. 

Shapiro, Carl. 1983. ”Premiums for High Quality Products as Return to Reputation.” The Quarterly Journal 

of Economics 98:659-680. 

Wikipedia 2006: Artikel Polynom. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 26. Juni 2006, 

10:23 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Polynom&oldid=18302676 (Abgerufen: 27. Juni 

2006, 08:46 UTC)

Modelle der Entstehung von Vertrauen durch Reputation in Online ...

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