Ãbung 2: Was ist soziale Ungleichheit? - ETH Zürich
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Ãbung 2: Was ist soziale Ungleichheit? - ETH Zürich
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Übung 2:<br />
<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong>?<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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Übung 2:<br />
<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong>?<br />
Programm:<br />
‣ Kurze Wiederholung: „Vergleich“<br />
‣ Verschiedenartigkeit – <strong>soziale</strong> Differenzierung –<br />
<strong>soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong><br />
‣ Sozialer <strong>Ungleichheit</strong> – ein Schlüsselthema der<br />
Soziologie<br />
‣ Zusammenfassung – Ausblick<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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Wiederholung: Wozu dient der Vergleich?<br />
„Die vergleichende Soziologie ... <strong>ist</strong> die Soziologie selbst“<br />
(Durkheim: Die Regeln der soziologischen Methode, 1895/1984, S. 216)<br />
1) <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> gemeint:<br />
- Immer Kontextanhängigkeit<br />
- Immer Vergleichsmaßstab: wer hat mehr – wer weniger, was <strong>ist</strong><br />
Abweichung – was <strong>ist</strong> Normalität?<br />
2) Vergleich = mindestens 2 Ebenen eine übergeordnete Vergleichs-<br />
Ebene (kollektive Eigenschaften = globale Variable) und die Ebene des<br />
untersuchten Phänomens<br />
3) Internationale Vergleiche: Staaten und Institutionen = globalen<br />
Variablen<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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Verschiedenartigkeit – <strong>soziale</strong> Differenzierung –<br />
<strong>soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong><br />
Wie bestimmt Kreckel <strong>soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong>?<br />
1) Abgrenzung von bloßer Verschiedenartigkeit<br />
• Verschiedenartigkeit = physische Unterschiede zwischen<br />
Menschen (Körpergröße, Augenfarbe, Lebensalter, Rasse<br />
etc.) biologische Grundausstattung<br />
• Soziale <strong>Ungleichheit</strong> = gesellschaftlich verankerte Formen<br />
der Begünstigung und Bevorrechtigung einiger und der<br />
Benachteiligung anderer<br />
• Verschiedenartigkeiten können zu <strong>soziale</strong>r <strong>Ungleichheit</strong><br />
werden, wenn physische Merkmale sozial relevant<br />
gemacht werden bzw. zur ideologischen Rechtfertigung<br />
von <strong>soziale</strong>n <strong>Ungleichheit</strong>en herangezogen werden (z.B.<br />
biologisches Geschlecht, Behinderung)<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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Verschiedenartigkeit – <strong>soziale</strong> Differenzierung –<br />
<strong>soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong><br />
Wie bestimmt Kreckel <strong>soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong>?<br />
2) Abgrenzung von <strong>soziale</strong>r Differenzierung<br />
• Soziale Differenzierung = Sozial verankerte<br />
Unterschiedlichkeiten, die nicht unbedingt zu<br />
Bevorrechtigungen und Benachteiligungen führen (z.B.<br />
Alter, Religion, geschlechtsspezifische Kleiderordnungen,<br />
regionale Besonderheiten) gleichberechtigtes<br />
Zusammenleben (z.B. Gleichheit vor dem Gesetz,<br />
allgemeine Schulpflicht)<br />
• Wenn diese <strong>soziale</strong>n Differenzierungen zu ungleichen<br />
Zugangschancen zu Ressourcen dienen, wird aus ihnen<br />
<strong>soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong>.<br />
<br />
Soziale Gleichheit <strong>ist</strong> NICHT Gleichförmigkeit, sondern<br />
Gleichberechtigung<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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Verschiedenartigkeit – <strong>soziale</strong> Differenzierung –<br />
<strong>soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong><br />
3) Unterscheidung zwischen <strong>soziale</strong>r <strong>Ungleichheit</strong> im „engeren“ und<br />
im „weiteren“ Sinne<br />
• „weiteren“: Wenn aufgrund bestimmter <strong>soziale</strong>r Differenzierungen die<br />
Möglichkeiten des Zugangs zu erstrebenswerten <strong>soziale</strong>n Gütern/<br />
Positionen für bestimmte Individuen/Gruppen in dauerhafter Weise<br />
begünstigt und andere benachteiligt sind und damit die Lebenschancen<br />
der Individuen/Gruppen beeinträchtigt bzw. begünstigt werden<br />
• Determinanten (Input) = <strong>soziale</strong> Differenzierungen<br />
• Ursachen/Mechanismen: Beschränkungen bzw. Macht- und<br />
Interaktionsmöglichkeiten Ausbeutung, Diskriminierung, Hierarchisierung,<br />
Privilegierung (S. 13)<br />
• Dimensionen: erstrebenswerter Güter/Positionen „strategische Ressourcen“,<br />
die Handlungsspielräume strukturieren materieller Reichtum, symbolisches<br />
Wissen, hierarchische Organisation und selektive Assoziation (Wohlstand,<br />
Bildung, Macht und Prestige)<br />
• Auswirkungen: ungleiche Lebenschancen<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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Verschiedenartigkeit – <strong>soziale</strong> Differenzierung –<br />
<strong>soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong><br />
3) Unterscheidung zwischen <strong>soziale</strong>r <strong>Ungleichheit</strong> im „engeren“ und<br />
im „weiteren“ Sinne<br />
• „engeren“: diejenigen Formen <strong>soziale</strong>r <strong>Ungleichheit</strong>, die sich mit Hilfe<br />
eines Gesellschaftsmodells von hierarchisch übereinander geordneten<br />
Klassen, Schichten, Statusgruppen und ähnlichen Rangabstufungen<br />
erfassen lassen<br />
Problem von Kreckel mit dieser Begriffsdefinition:<br />
- „nur“ vertikale Dimension<br />
- Nicht neue, nicht-vertikale Dimensionen<br />
- Beispiele: geschlechtsspezifische <strong>Ungleichheit</strong>en, Diskrepanz zwischen<br />
Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen, Benachteiligung von Randgruppen<br />
Mein Einwand gegen Kreckel:<br />
- Soziale <strong>Ungleichheit</strong> <strong>ist</strong> IMMER vertikal sonst <strong>soziale</strong> Differenzierung<br />
- Nicht-vertikal gleichberechtigt keine Bevorzugung und Benachteiligung <br />
<strong>soziale</strong> Differenzierung<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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Verschiedenartigkeit – <strong>soziale</strong> Differenzierung –<br />
<strong>soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong><br />
Zeichnen Sie ein Schema, in dem Sie folgende Begriffe in einen<br />
Zusammenhang bringen.<br />
Notieren Sie sich, nach welchen Ordnungskriterien Sie dieses Schema<br />
erstellt haben.<br />
Begriffe:<br />
Verschiedenartigkeiten<br />
Ressourcen/Güter/Positionen<br />
Soziale Differenzierungen<br />
Biologische Grundausstattung<br />
Erworbene und zugeschriebene Merkmale<br />
Determinanten <strong>soziale</strong>r <strong>Ungleichheit</strong><br />
Macht, Wohlstand, Bildung, Prestige<br />
Soziale <strong>Ungleichheit</strong><br />
Dimensionen <strong>soziale</strong>r <strong>Ungleichheit</strong><br />
Vor- und Nachteile<br />
Hierarchisierung, Ausbeutung, Stereotypisierung etc.<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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Zusammenfassung<br />
Soziale Differenzierungen und <strong>soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong>en sind Elemente der<br />
Sozialstruktur einer Gesellschaft, da sie den Zugang zu Ressourcen bestimmen<br />
<br />
<br />
Soziale <strong>Ungleichheit</strong> <strong>ist</strong> jedoch mit Vor- und Nachteilen verbunden,<br />
die sich aus diesem ungleichen Zugang ergeben<br />
Bei <strong>soziale</strong>n Differenzierungen folgt aus ungleichen Ressourcen keine<br />
Bevorzugung bzw. Benachteiligung<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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Objektiv – subjektiv<br />
Soziale Positionen = Die <strong>soziale</strong>n Plätze in einem <strong>soziale</strong>n Beziehungsgefüge,<br />
<br />
<br />
<br />
mit institutionalisierten Aufgaben, Erwartungen und Ressourcenausstattungen<br />
und die von den jeweiligen Personen – die sie besetzen – relativ unabhängig<br />
ex<strong>ist</strong>ieren und gleichermaßen erwartet werden.<br />
Martin Bolte: Die Personen gehen, die Struktur (mit ihrem Positionen) bleibt.<br />
Einschränkung:<br />
Da <strong>soziale</strong> Positionen Handlungsspielräume definieren (eröffnen oder begrenzen), <strong>ist</strong> immer<br />
auch das Individuum bzw. die Positionsträgerin gefragt, diese Spielräume zu erkennen, sie<br />
auszunutzen und damit umzugehen<br />
<br />
<br />
Insofern kann man aus objektiven Ressourcenungleichheiten NICHT eins zu eins das<br />
subjektive Verhalten der Menschen ableiten<br />
sondern nur: die Handlungsspielräume und -restriktionen definieren, in denen sie sich<br />
bewegen insofern sind die strategischen Ressourcen <strong>soziale</strong>r Positionen immer<br />
positions- und personengebunden<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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Zusammenfassung<br />
Als Definitionen merken:<br />
Soziale Positionen = Die <strong>soziale</strong>n Plätze in einem <strong>soziale</strong>n Beziehungsgefüge,<br />
mit institutionalisierten Aufgaben, Erwartungen und Ressourcenausstattungen<br />
<br />
und die von den jeweiligen Personen – die sie besetzen – relativ unabhängig ex<strong>ist</strong>ieren<br />
und gleichermaßen erwartet werden.<br />
„Relativ“ – ernst nehmen!!!<br />
Soziale <strong>Ungleichheit</strong>:<br />
die auf Grund von Positionen in gesellschaftlichen Beziehungsgefügen systematisch<br />
ungleiche Verteilung des Zugangs zu wertvollen Gütern/erstrebenswerten Positionen, so<br />
dass Menschen je nachdem, welche Positionen sie in diesen Beziehungsgefügen besetzen,<br />
vorteilhafte oder nachteilige Lebens- und Handlungsbedingungen haben.<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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Soziale <strong>Ungleichheit</strong> – ein Schlüsselthema der Soziologie<br />
Wiederholung: <strong>Ungleichheit</strong>sformen<br />
(1) Bedingungsungleichheit = <strong>Ungleichheit</strong> in den Startchancen<br />
(2) Chancenungleichheit = über- und unterdurchschnittliche Chancen<br />
bestimmter Bevölkerungsgruppen beim Erwerb wertvoller ‚Güter’<br />
(3) Ergebnis-/Verteilungsungleichheit = Vor- und Nachteile zwischen<br />
Gesellschaftsmitgliedern im Besitz wertvoller ‚Güter’<br />
<br />
<br />
Bei all dem handelt es sich um h<strong>ist</strong>orisch Gewordenes und damit<br />
prinzipiell Veränderbare. (Erinnerung an Rousseau: „die bey dem<br />
menschlichen Geschlechte eingeführte <strong>Ungleichheit</strong>“)<br />
Das heißt nicht: <strong>Ungleichheit</strong> <strong>ist</strong> absichtsvoll, sondern nur, dass es auf<br />
bewusstem menschlichen Handeln (in der Vergangenheit) beruht<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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Ausblick<br />
Nächste Woche:<br />
Vorlesung:<br />
H<strong>ist</strong>orische Entwicklung und Charakter<strong>ist</strong>ika der Sozialstruktur moderner<br />
Gesellschaften<br />
Kolloquium:<br />
Gemeinsamkeiten und Besonderheiten dieser h<strong>ist</strong>orischen Entwicklung<br />
(Modernisierung) in Europa<br />
(c) Solga, Vorlesung: Sozialstruktur, Sommersemester 2003 (<strong>ETH</strong>-Zürich)<br />
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