Die Restaurierungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: ein ...
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<strong>Die</strong> Innenrestaurierung <strong>der</strong> Kathedrale St.Urs und Viktor <strong>in</strong> Solothurn 2011/12 <strong>Die</strong> <strong>Restaurierungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>ersten</strong> <strong>Hälfte</strong> <strong>des</strong> <strong>20.</strong> Jahrhun<strong>der</strong>ts: e<strong>in</strong> illustres Kapitel <strong>der</strong> Schweizer Denkmalpflegegeschichte<br />
Abb. 15<br />
St.-Ursen-Kirche, Innenrestaurierung<br />
1917–19<strong>20.</strong> Sanierung<br />
<strong>der</strong> Aussenhaut von Kuppel<br />
und Laterne. Foto: Hans König<br />
(Fotomappe 1917–1937, DSSO<br />
705, 1.2).<br />
Grabungen<br />
Wie Schwendimann ausführte, sollte die Renovation<br />
<strong>der</strong> St.-Ursen-Kirche wissenschaftlich ausgebeutet<br />
werden, das heisst durch archäologische Beobachtungen<br />
und Teilgrabungen Aufklärung zu offenen<br />
Fragen br<strong>in</strong>gen. 30 Private spendeten Geld dafür.<br />
Fotos und Zeichnungen dokumentierten die archäologischen<br />
Funde und Grabungsbefunde, Schwendimann<br />
lieferte die Beschreibungen dazu. 31 In Zusammenhang<br />
mit den Heizluftkanälen <strong>der</strong> neuen Heizung<br />
liess er Ende 1916 e<strong>in</strong>en Grabungsschnitt vor<br />
dem Chor ziehen (Abb. 14). Vor dem ehemaligen<br />
Kreuzaltar <strong>der</strong> alten St.-Ursen-Kirche identifizierte<br />
man <strong>in</strong> zwei Metern Tiefe Sockelmauerwerk <strong>der</strong> alten<br />
Kirche. Anhand davon, e<strong>in</strong>es zweiten gegebenen<br />
Fixpunktes beim Baseltor und <strong>des</strong> Grundrisses<br />
<strong>der</strong> alten St.-Ursen-Kirche von Geometer Joseph<br />
Derend<strong>in</strong>ger aus dem Jahre 1762 konnte die genaue<br />
Lage <strong>der</strong> alten Kirche bestimmt werden. Darauf basiert<br />
<strong>der</strong> Plan mit übere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gelegten Grundrissen<br />
von alt und neu St. Ursen, <strong>der</strong> bis heute gilt (S. 14,<br />
Abb. 2). 32 Zwei <strong>in</strong> situ ergrabene Grabplatten Rudolf-Sury<br />
und Hans vom Stall und e<strong>in</strong>e Säulenbasis <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>en Umgebung konnten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zusammenschau<br />
mit Archivalien vor <strong>der</strong> ehemaligen Liebfrauenkapelle<br />
am Treppenaufgang zum Chor <strong>der</strong> alten St.-Ursen-Kirche<br />
lokalisiert werden. 33 In Zusammenhang<br />
mit den Arbeiten zur Heizungsan lage im Untergeschoss<br />
kamen zahlreiche formierte Bauteile <strong>der</strong> alten<br />
Kirche zum Vorsche<strong>in</strong>, unter an<strong>der</strong>em e<strong>in</strong> gotisches<br />
Kapitell (Abb. 10).<br />
Stuck<br />
<strong>Die</strong> Hauptarbeit <strong>der</strong> Innenrestaurierung bestand <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Re<strong>in</strong>igung, Festigung und Ergänzung <strong>der</strong> Stuckglie<strong>der</strong>ung.<br />
Den Auftrag dazu erhielt F. Sauter-Trox-<br />
16 17<br />
15<br />
ler, Zürich; er führte ihn mit mehreren Stuckateuren<br />
und Handlangern aus; sie wurden assistiert vom<br />
Bildhauer Giuseppe Pagani von Ligornetto. 34 Ziel<br />
war die sorgfältige Konservierung und – wenn nötig<br />
– die möglichst orig<strong>in</strong>algetreue Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
<strong>des</strong> orig<strong>in</strong>alen Stuckreliefs. Man begnügte sich dabei<br />
nicht mit e<strong>in</strong>er oberflächlichen Überholung, son<strong>der</strong>n<br />
betrieb bei Schäden Ursachenforschung und<br />
packte das Übel an <strong>der</strong> Wurzel. Weil die Laterne und<br />
die Kuppel Wasserschäden aufwiesen, unter an<strong>der</strong>em<br />
von Kondenswasser, wurde die Konstruktion<br />
saniert, abgedichtet und belüftet (Abb. 15, 16). <strong>Die</strong><br />
Schlosserfirma Eggenschwiler reparierte 1917 die<br />
Laternenfenster und schlug Vorfenster an, das Ste<strong>in</strong>hauerunternehmen<br />
Gebrü<strong>der</strong> Sperisen <strong>in</strong> St. Niklaus<br />
spitzte Fensterfälze aus und ersetzte schadhafte<br />
Qua<strong>der</strong>. 35 Im Inneren zogen die Stuckateure den<br />
vom Wasser beschädigten Stuck <strong>der</strong> Fenstere<strong>in</strong>fassungen<br />
und die Pilaster <strong>der</strong> Laterne neu, ebenso den<br />
Fries am Laternenfuss mit dem Motiv <strong>des</strong> laufenden<br />
Hun<strong>des</strong> (Abb. 17). 36 1936 erfuhr die Laterne e<strong>in</strong>e<br />
weitere Sanierung, weil erneut Wasser e<strong>in</strong>drang;<br />
das Innere wurde geflickt und neu gestrichen. 37<br />
Zur Illustration <strong>der</strong> Vorgehensweise und <strong>des</strong> Ausmasses<br />
<strong>der</strong> Erneuerungen seien im Folgenden die<br />
Arbeitsgänge <strong>in</strong> Kuppel und Tambour vorgestellt,<br />
getätigt im Sommer 1917. <strong>Die</strong> Arbeiter staubten den<br />
Stuck ab, kratzten nachträgliche Stuckauflagen und<br />
Kalkschichten ab, bürsteten ihn unter an<strong>der</strong>em mit<br />
<strong>der</strong> Drahtbürste. 38 <strong>Die</strong> Stuckateure untersuchten die<br />
Risse und entschieden, ob sie diese nur mit Stuckmasse<br />
vergiessen o<strong>der</strong> aufkratzen und mit Kalkmörtel<br />
auffüllen mussten. <strong>Die</strong> abgebrochenen Stuckteile<br />
trugen sie neu an und modellierten sie auf, darunter<br />
etwa 20 Rosettenblätter <strong>in</strong> den Kassetten <strong>der</strong> Kuppel.<br />
<strong>Die</strong>se waren durch eiserne Befestigungshaken,<br />
die gerostet, und verkohlte Holzarmierungen, die<br />
aufgequollen waren, abgesprengt worden. <strong>Die</strong> Haken<br />
wurden entrostet und lackiert. 39 Vier <strong>der</strong> ob<strong>ersten</strong><br />
Rosetten waren wegen Feuchtigkeit zerstört.<br />
<strong>Die</strong> Stuckateure formten sie mitsamt den Eierstäben<br />
an den Kassettenrän<strong>der</strong>n neu und ersetzten die Haken<br />
durch neue, lackierte Nägel. 40 In <strong>der</strong> Kuppel<br />
brachte man Fassungsmuster an und mischte <strong>der</strong><br />
weissen, als zu hart empfundenen Kalkfarbe etwas<br />
gelben Ocker und gebrannte Siena bei. 41 Man fasste<br />
die Stuckaturen mit dem warmen Weiss, aber nicht<br />
durchgehend; Teile blieben kalkputzsichtig. 42<br />
Das Kuppelgewölbe aus Back- und Tuffste<strong>in</strong>en war<br />
<strong>in</strong>takt und ohne Risse. H<strong>in</strong>gegen zeigten sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Ste<strong>in</strong>konstruktion <strong>der</strong> Tambourfenster Setzungsverschiebungen,<br />
weshalb die Stuckglie<strong>der</strong>ungen<br />
f<strong>in</strong>gerbreite Risse aufwiesen, hauptsächlich am<br />
Nord fenster. Man behob hier zuerst die Konstruktionsprobleme,<br />
<strong>in</strong>dem man den Stuck entfernte, die<br />
Fugen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundkonstruktion auskratzte und mit<br />
Portlandzement neu vergoss. 43 <strong>Die</strong> Stuckateure trugen<br />
die Stuckdekorationen darauf neu an. – E<strong>in</strong>ige<br />
Abb. 16<br />
Kuppel und Laternenfenster.<br />
Schnitte. 11. März 1918.<br />
Bleistift auf Transparentpapier<br />
(Planmappe 1917/18, DSSO<br />
602c).<br />
Abb. 17<br />
Laterne, Stuckfries mit dem<br />
laufenden Hund am Laternenfuss<br />
(oben) und Akanthusfries<br />
am Kuppelansatz. Ansichten<br />
und Schnitte mit Masse<strong>in</strong>trägen.<br />
Bleistift auf Transparentpapier<br />
(Planmappe 1917/18,<br />
DSSO 602e).<br />
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