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08.07.2014 Aufrufe

Während vier Jahrzehnten begleitete ich den Wintersport hautnah; das waren Highlights, Tiefschläge, mannigfachen Schicksale, Begegnungen und tiefgehende Eindrücke. Ich hätte keine einzige Stunde missen mögen und erinnere mich dabei an ein gemeinsames Erlebnis mit meinem Kollegen und «Weltcup-Papst» Serge Lang, als wir vor einer Streckenbesichtigung neben der Bergstation auf einer Bank sassen, den Wintermorgen bewunderten und uns sagten: «Ein Dankeschön an Verleger und Chefredaktoren, die uns dieses Leben ermöglichen!» Geblieben sind Erinnerungen und Begegnungen, die auch einen wesentlichen Bestandteil dieses Buches bilden. Ich habe viel profitiert und mich deshalb auch verpflichtet gefühlt, meine Erfahrungen in den Dienst des Nationalen Komitees für Elitesport und von Swiss Olympic zu Gunsten des Spitzensports zu stellen. Der Wintersport begleitet mich weiter im Altersdasein, wenn auch nicht am Pistenrand oder im Stadion, sondern im Tessin am Bildschirm mit bewundernswerten Athleten als Hauptakteuren. 006 007 Karl Erb | Beruf-Sportjournalist und Ehrenmitglied Swiss Olympic

Die Wette des Johannes Badrutt Vor 150 Jahren wurde das Engadin als Winterferienort entdeckt, nicht des Sportes, sondern der wärmenden Sonne wegen. Das Regime des Winters dauert laut dem Gregorianischen Kalender drei Monate, von der Wintersonnenwende bis zum Frühlings-Äquinoktium. Dann gönnt sich der Winter eine dreimonatige Pause, ehe er vom 21. Juni bis zum 23. September auf der südlichen Halbkugel arbeitet. Im Gegensatz zu seinem im Jahre 1976 verblichenen Namensvetter Fritz Winter, der als abstrakter Maler seine Bilder mit schwarzen Zeichen und schwarzem Gitterwerk schmückte, bevorzugt unser Winter die schneeweisse Farbe. Damit verhalf er dem Alpenland Schweiz und seinen Nachbarn zum devisenträchtigen Wintersport. Allerdings ist der Winter heutzutage nicht immer, was er einst war. Das Klima flippt mitunter aus, der Treibhauseffekt macht die kalte Jahreszeit wärmer, grüne Weihnachten sind selbst 1500 m ü. M. keine Rarität. Im neuenburgischen La Brévine werden zwar weiterhin Temperaturen um minus 40 Grad gemessen, doch den Kälte-Weltrekord hält seit 1960 Wostok in der Antarktis mit 88,3 Grad unter Null. Die schneereichste Gemeinde auf unserem Globus ist das Hafenstädtchen Valdez in Alaska. Im Winter 1989 / 90 fielen dort über zehn Meter Schnee; gleichzeitig mussten in Europa mehrere Weltcuprennen infolge Schneemangels abgesagt werden. Schweizer Hoteliers und Skiliftbesitzer werden trotz Wintersonne hin und wieder blass vor Neid, wenn sie an das kleine Valdez denken. Denn unser Winter spielt ihnen öfters dumme Streiche. Ungezählte Hotelbetten bleiben deshalb häufig leer. Wie beispielsweise anno 1864. Damals schlossen die Berghotels im Oktober ihre Tore. Die Gäste reisten ab, verlassene Bergdörfer dösten monatelang vor sich hin. Winterschlaf! Das fuchste den St. Moritzer Hotelier Johannes Badrutt. In seinem Kleinhotel Engadiner- Kulm feierten am letzten Sommersaison-Abend die letzten Gäste Abschied. Sie sprachen eifrig dem alten schottischen Whisky zu und reservierten ihre Zimmer für den nächsten Sommer. Nach dem dritten oder vierten Scotch (vielleicht war es sogar der fünfte) bat Johannes Badrutt um Silentium und empfahl seinen Gästen einen Winteraufenthalt. Der Winter im Engadin sei angenehmer und weniger kalt als in London. Man könne hier oben im Februar ohne Mantel, Hut und manchmal ohne Veston promenieren. In London würde man sich mit gleicher Kleidung eine Lungenentzündung holen. Mit diesen scheinbar komischen Worten erntete Badrutt einen Heiterkeitserfolg. Die Whiskyrunde kicherte und lachte Badrutt aus. Doch der Hotelier packte die Engländer an ihrer empfindlichsten Stelle und schlug ihnen eine Wette vor: «Sie können den ganzen Winter gratis in meinem Hotel wohnen. Sollte mein Versprechen vom warmen Winter nicht eintreffen und Sie am Bergwinter keinen Gefallen finden, vergüte ich Ihnen die Reisespesen von London nach St. Moritz und zurück.» Die Engländer frohlockten angesichts ihres Wettgewinnes und besiegelten die Abmachung per Handschlag.

Während vier Jahrzehnten begleitete i<strong>ch</strong> den Wintersport hautnah; das waren Highlights,<br />

Tiefs<strong>ch</strong>läge, mannigfa<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>icksale, Begegnungen und tiefgehende Eindrücke. I<strong>ch</strong><br />

hätte keine einzige Stunde missen mögen und erinnere mi<strong>ch</strong> dabei an ein gemeinsames<br />

Erlebnis mit meinem Kollegen und «Weltcup-Papst» Serge Lang, als wir vor einer Streckenbesi<strong>ch</strong>tigung<br />

neben der Bergstation auf einer Bank sassen, den Wintermorgen bewunderten<br />

und uns sagten: «Ein Dankes<strong>ch</strong>ön an Verleger und Chefredaktoren, die uns dieses Leben<br />

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Geblieben sind Erinnerungen und Begegnungen, die au<strong>ch</strong> einen wesentli<strong>ch</strong>en Bestandteil<br />

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meine Erfahrungen in den Dienst des Nationalen Komitees für Elitesport und von Swiss<br />

Olympic zu Gunsten des Spitzensports zu stellen. Der Wintersport begleitet mi<strong>ch</strong> weiter im<br />

Altersdasein, wenn au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t am Pistenrand oder im Stadion, sondern im Tessin am Bilds<strong>ch</strong>irm<br />

mit bewundernswerten Athleten als Hauptakteuren.<br />

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Karl Erb | Beruf-Sportjournalist und Ehrenmitglied Swiss Olympic

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