SCHWEIZER - Skionline.ch
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SEPP RENGGLI | THOMAS RENGGLI<br />
<strong>SCHWEIZER</strong><br />
WINTER<br />
SPORT<br />
HELDEN<br />
VON DEN ANFÄNGEN BIS HEUTE
Sepp renggli und thomas renggli | s<strong>ch</strong>weizer<br />
wintersporthelden<br />
von den anfängen bis heute
© 2010 FARO im Fona Verlag AG | 5600 Lenzburg<br />
www.fona.<strong>ch</strong><br />
Lektorat | Léonie S<strong>ch</strong>mid<br />
ums<strong>ch</strong>lag | zollinger graphic design<br />
Konzept und Gestaltung | FonaGrafik, Sabine Jäggi<br />
Bilder | Keystone<br />
Druck | Druckerei Uhl, Radolfzell<br />
ISBN 978-3-03781-008-8
Inhaltsverzei<strong>ch</strong>nis<br />
008 Die Wette des Johannes Badrutt<br />
014 Skeleton | Zu gefährli<strong>ch</strong> für Jackie Stewart<br />
018 Bob | Als Sepp Benz ni<strong>ch</strong>t konnte<br />
023 EiskunstLAUF | DIE Pirouetten-Wunder<br />
030 Eishockey | VON NI BIS ER – legendäre hockeYaner<br />
Der ni-Sturm<br />
033 Der Aroser Sturm<br />
037 der ZSC- UND Der er-Sturm<br />
041 Der erste PROFI<br />
042 eISBRe<strong>ch</strong>eR IN NORDAmeRIKA<br />
048 curling | sporthistoris<strong>ch</strong><br />
056 Die Geburtsstunde des ersten S<strong>ch</strong>weizer Skiklubs<br />
060 Skispringen | Springen … fliegen … landen<br />
Die Vogelmens<strong>ch</strong>en<br />
066 der überfliegeR AUS Dem tOGGeNBURG<br />
074 Adolf Ogis Quantensprünge<br />
078 Ski nordis<strong>ch</strong> | Vorbei der Dornrös<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>laf<br />
Die GLORRRei<strong>ch</strong>en Vier<br />
089 WunderläufeR AUS Dem Münstertal<br />
094 Die GOLDene KomBINAtion<br />
100 Ski alpin | Populärste Wintersportdisziplin<br />
DER S<strong>ch</strong>uster, der bei seinen liesteN BLIeb<br />
106 Warum BernhARD NI<strong>ch</strong>t Pius heisst<br />
113 Spiegelfe<strong>ch</strong>tereien gegen Pirmin<br />
120 Der leise Superstar<br />
127 GOLD FüR VON Grünigen, KerneN UND Nef – Gut DIe Beste?<br />
130 Cu<strong>ch</strong>e – der Evergreen<br />
134 Daniel Albre<strong>ch</strong>t – DAS Rennen seines Lebens<br />
138 Fals<strong>ch</strong>e NatIONALhymne UND e<strong>ch</strong>tes Heu füR eRIKA<br />
142 Die eRFOLGRei<strong>ch</strong>en SKILADyS IN Den 90er-Jahren<br />
148 Snowboard | Die snowboarder im Medaillenregen<br />
158 Skicross | Der Golds<strong>ch</strong>mied<br />
164 Skiakrobatik | Riederalp? Wo ist das?<br />
Vom SkicLOWN ZUm hotelmILLIONär<br />
168 Sonny UND eVelyne AUF Dem Olymp<br />
172 Das Stockerl und das Podium<br />
176 S<strong>ch</strong>weizer Medaillen an Olympis<strong>ch</strong>en Winterspielen<br />
182 Medaillenspiegel na<strong>ch</strong> Sportarten<br />
184 Personenregister
Vorwort<br />
Die Passion für den Wintersport wurde mir bu<strong>ch</strong>stäbli<strong>ch</strong> in die Wiege gelegt. Mein Vater<br />
Fritz war ein Bergler, aufgewa<strong>ch</strong>sen in der Lenk, in jungen Jahren s<strong>ch</strong>on ein begeisterter und<br />
zäher Langläufer und Patrouilleur. An den ersten Olympis<strong>ch</strong>en Winterspielen 1924 in<br />
Chamonix trainierte er die Zermatter Militärpatrouille, der ein überras<strong>ch</strong>ender Sieg über die<br />
favorisierten Finnen gelang. Vier Jahre später zei<strong>ch</strong>nete er in St. Moritz für die Vorbereitung<br />
des aus Langläufern, Springern und Militärpatrouilleuren bestehenden S<strong>ch</strong>weizer Skiteams<br />
verantwortli<strong>ch</strong>. Als Lehrer hatte er si<strong>ch</strong> nebenbei stets au<strong>ch</strong> journalistis<strong>ch</strong> betätigt, was ihm<br />
1929 die Berufung zum Chefredaktor des einst gea<strong>ch</strong>teten Fa<strong>ch</strong>blattes «Sport» eintrug. So<br />
vers<strong>ch</strong>lug es mi<strong>ch</strong> als dreijähriges Familienmitglied vom Berner Oberland in die Grosstadt<br />
Züri<strong>ch</strong>, immerhin auf den Mil<strong>ch</strong>buck, den Übergang zwis<strong>ch</strong>en Züri<strong>ch</strong>berg und Käferberg. An<br />
diesen Hügeln kam es in der stets s<strong>ch</strong>neerei<strong>ch</strong>en Winterzeit zu ersten Versu<strong>ch</strong>en als Skifahrer<br />
und S<strong>ch</strong>littler. Im Birkenhof, nahe beim Mil<strong>ch</strong>buck- S<strong>ch</strong>ulhaus, entstand jeden Winter<br />
eine Natureisbahn, auf der i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> als Eisläufer (ohne künstleris<strong>ch</strong>e Begabung!) und Eishockeyspieler<br />
versu<strong>ch</strong>te. Angetrieben von der berufli<strong>ch</strong>en Tätigkeit meines Vaters galt mein<br />
Interesse au<strong>ch</strong> den wettkampfmässigen Seiten des Wintersports. David Zogg, Otto Furrer,<br />
Ruedi Rominger, die Eishockeyaner mit Bibi Torriani an der Spitze oder der norwegis<strong>ch</strong>e<br />
Springerkönig Birger Ruud waren meine Idole. Als zehnjähriger Bub verfolgte i<strong>ch</strong> am Radio<br />
und in den Zeitungen («Sport» und «NZZ») die Olympis<strong>ch</strong>en Winterspiele 1936 in Garmis<strong>ch</strong>-<br />
Partenkir<strong>ch</strong>en. I<strong>ch</strong> war entrüstet über den Auss<strong>ch</strong>luss der besten S<strong>ch</strong>weizer Alpinen, die als<br />
Skilehrer wie die Österrei<strong>ch</strong>er als Profis galten und ni<strong>ch</strong>t starten durften. Umso grösser<br />
meine S<strong>ch</strong>adenfreude über die Abfahrtssiege der Norweger dur<strong>ch</strong> die Eiss<strong>ch</strong>nellläuferin (!)<br />
Laila S<strong>ch</strong>ou Nilsen und den Springerkönig Birger Ruud, die den ho<strong>ch</strong>favorisierten Deuts<strong>ch</strong>en<br />
ein S<strong>ch</strong>nipp<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>lugen, im Slalom aber leer ausgingen und in der allein mit Medaillen<br />
beda<strong>ch</strong>ten alpinen Kombination zurückfielen. Die grösste Enttäus<strong>ch</strong>ung bereitete uns Fans<br />
aber unsere ho<strong>ch</strong>kotierte Eishockey-Nationalmanns<strong>ch</strong>aft, die in der Vorrunde sang- und<br />
klanglos auss<strong>ch</strong>ied.<br />
S<strong>ch</strong>on bald einmal stand für mi<strong>ch</strong> fest, dass i<strong>ch</strong> einmal den Beruf eines Sportjournalisten<br />
ergreifen wollte. Als Gymnasiast s<strong>ch</strong>rieb i<strong>ch</strong> meine ersten Beri<strong>ch</strong>te, notabene über das<br />
Jugend-Skirennen auf dem Albis, den 18 km-Langlauf am Uetliberg, den 30 km-Langlauf in<br />
Fis<strong>ch</strong>enthal, die Zür<strong>ch</strong>er Regionalmeisters<strong>ch</strong>aften in Hinwil, das Zugerberg-Derby, die<br />
Stöcklikreuz-Abfahrt in La<strong>ch</strong>en usw. Soll einer sagen, der Klimawandel existiere nur in den<br />
Köpfen einiger Wissens<strong>ch</strong>after!<br />
1949 vollzog i<strong>ch</strong> gemeinsam mit Sepp Renggli den S<strong>ch</strong>ritt zum Berufs-Sportjournalisten –<br />
damals ein riskantes Unterfangen, das i<strong>ch</strong> indessen nie bereuen musste. I<strong>ch</strong> erlebte faszinierende<br />
Jahrzehnte im Wintersport, angefangen bei den Olympis<strong>ch</strong>en Winterspielen 1948<br />
in St. Moritz (wo i<strong>ch</strong> im Pressedienst tätig war) bis zu den Spielen 1992 in Albertville als<br />
Presse<strong>ch</strong>ef einer unglückli<strong>ch</strong> kämpfenden S<strong>ch</strong>weizer Delegation.
Während vier Jahrzehnten begleitete i<strong>ch</strong> den Wintersport hautnah; das waren Highlights,<br />
Tiefs<strong>ch</strong>läge, mannigfa<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>icksale, Begegnungen und tiefgehende Eindrücke. I<strong>ch</strong><br />
hätte keine einzige Stunde missen mögen und erinnere mi<strong>ch</strong> dabei an ein gemeinsames<br />
Erlebnis mit meinem Kollegen und «Weltcup-Papst» Serge Lang, als wir vor einer Streckenbesi<strong>ch</strong>tigung<br />
neben der Bergstation auf einer Bank sassen, den Wintermorgen bewunderten<br />
und uns sagten: «Ein Dankes<strong>ch</strong>ön an Verleger und Chefredaktoren, die uns dieses Leben<br />
ermögli<strong>ch</strong>en!»<br />
Geblieben sind Erinnerungen und Begegnungen, die au<strong>ch</strong> einen wesentli<strong>ch</strong>en Bestandteil<br />
dieses Bu<strong>ch</strong>es bilden. I<strong>ch</strong> habe viel profitiert und mi<strong>ch</strong> deshalb au<strong>ch</strong> verpfli<strong>ch</strong>tet gefühlt,<br />
meine Erfahrungen in den Dienst des Nationalen Komitees für Elitesport und von Swiss<br />
Olympic zu Gunsten des Spitzensports zu stellen. Der Wintersport begleitet mi<strong>ch</strong> weiter im<br />
Altersdasein, wenn au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t am Pistenrand oder im Stadion, sondern im Tessin am Bilds<strong>ch</strong>irm<br />
mit bewundernswerten Athleten als Hauptakteuren.<br />
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Karl Erb | Beruf-Sportjournalist und Ehrenmitglied Swiss Olympic
Die Wette des Johannes Badrutt<br />
Vor 150 Jahren wurde das Engadin als Winterferienort entdeckt, ni<strong>ch</strong>t<br />
des Sportes, sondern der wärmenden Sonne wegen.<br />
Das Regime des Winters dauert laut dem Gregorianis<strong>ch</strong>en Kalender drei Monate, von der<br />
Wintersonnenwende bis zum Frühlings-Äquinoktium. Dann gönnt si<strong>ch</strong> der Winter eine<br />
dreimonatige Pause, ehe er vom 21. Juni bis zum 23. September auf der südli<strong>ch</strong>en Halbkugel<br />
arbeitet. Im Gegensatz zu seinem im Jahre 1976 verbli<strong>ch</strong>enen Namensvetter Fritz Winter,<br />
der als abstrakter Maler seine Bilder mit s<strong>ch</strong>warzen Zei<strong>ch</strong>en und s<strong>ch</strong>warzem Gitterwerk<br />
s<strong>ch</strong>mückte, bevorzugt unser Winter die s<strong>ch</strong>neeweisse Farbe. Damit verhalf er dem Alpenland<br />
S<strong>ch</strong>weiz und seinen Na<strong>ch</strong>barn zum devisenträ<strong>ch</strong>tigen Wintersport.<br />
Allerdings ist der Winter heutzutage ni<strong>ch</strong>t immer, was er einst war. Das Klima flippt mitunter<br />
aus, der Treibhauseffekt ma<strong>ch</strong>t die kalte Jahreszeit wärmer, grüne Weihna<strong>ch</strong>ten sind selbst<br />
1500 m ü. M. keine Rarität. Im neuenburgis<strong>ch</strong>en La Brévine werden zwar weiterhin Temperaturen<br />
um minus 40 Grad gemessen, do<strong>ch</strong> den Kälte-Weltrekord hält seit 1960 Wostok in der<br />
Antarktis mit 88,3 Grad unter Null. Die s<strong>ch</strong>neerei<strong>ch</strong>ste Gemeinde auf unserem Globus ist<br />
das Hafenstädt<strong>ch</strong>en Valdez in Alaska. Im Winter 1989 / 90 fielen dort über zehn Meter<br />
S<strong>ch</strong>nee; glei<strong>ch</strong>zeitig mussten in Europa mehrere Weltcuprennen infolge S<strong>ch</strong>neemangels<br />
abgesagt werden. S<strong>ch</strong>weizer Hoteliers und Skiliftbesitzer werden trotz Wintersonne hin und<br />
wieder blass vor Neid, wenn sie an das kleine Valdez denken. Denn unser Winter spielt ihnen<br />
öfters dumme Strei<strong>ch</strong>e. Ungezählte Hotelbetten bleiben deshalb häufig leer. Wie beispielsweise<br />
anno 1864. Damals s<strong>ch</strong>lossen die Berghotels im Oktober ihre Tore. Die Gäste reisten<br />
ab, verlassene Bergdörfer dösten monatelang vor si<strong>ch</strong> hin. Winters<strong>ch</strong>laf!<br />
Das fu<strong>ch</strong>ste den St. Moritzer Hotelier Johannes Badrutt. In seinem Kleinhotel Engadiner-<br />
Kulm feierten am letzten Sommersaison-Abend die letzten Gäste Abs<strong>ch</strong>ied. Sie spra<strong>ch</strong>en<br />
eifrig dem alten s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en Whisky zu und reservierten ihre Zimmer für den nä<strong>ch</strong>sten<br />
Sommer. Na<strong>ch</strong> dem dritten oder vierten Scot<strong>ch</strong> (viellei<strong>ch</strong>t war es sogar der fünfte) bat<br />
Johannes Badrutt um Silentium und empfahl seinen Gästen einen Winteraufenthalt. Der<br />
Winter im Engadin sei angenehmer und weniger kalt als in London. Man könne hier oben im<br />
Februar ohne Mantel, Hut und man<strong>ch</strong>mal ohne Veston promenieren. In London würde man<br />
si<strong>ch</strong> mit glei<strong>ch</strong>er Kleidung eine Lungenentzündung holen. Mit diesen s<strong>ch</strong>einbar komis<strong>ch</strong>en<br />
Worten erntete Badrutt einen Heiterkeitserfolg. Die Whiskyrunde ki<strong>ch</strong>erte und la<strong>ch</strong>te<br />
Badrutt aus. Do<strong>ch</strong> der Hotelier packte die Engländer an ihrer empfindli<strong>ch</strong>sten Stelle und<br />
s<strong>ch</strong>lug ihnen eine Wette vor: «Sie können den ganzen Winter gratis in meinem Hotel wohnen.<br />
Sollte mein Verspre<strong>ch</strong>en vom warmen Winter ni<strong>ch</strong>t eintreffen und Sie am Bergwinter keinen<br />
Gefallen finden, vergüte i<strong>ch</strong> Ihnen die Reisespesen von London na<strong>ch</strong> St. Moritz und zurück.»<br />
Die Engländer frohlockten angesi<strong>ch</strong>ts ihres Wettgewinnes und besiegelten die Abma<strong>ch</strong>ung<br />
per Hands<strong>ch</strong>lag.
Ski alpin | Populärste Wintersportdisziplin<br />
Der S<strong>ch</strong>uster, der bei seinen Leisten blieb Karl Molitor, geboren<br />
1920, baute die Brücke von der Skisteinzeit in die Moderne. Der in den<br />
40er- und 50er-Jahren erfolgrei<strong>ch</strong>e Abfahrer und Kombinierer erlangte<br />
au<strong>ch</strong> mit seinen Molitor-Skis<strong>ch</strong>uhen Weltruf.<br />
Der Name Walter Prager steht auf Seite 1 im Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tsbu<strong>ch</strong> des alpinen Skirennsports.<br />
Der Davoser war der allererste Abfahrts-Weltmeister; so ges<strong>ch</strong>ehen 1931 in Mürren auf<br />
einer Strecke mit 50 cm Neus<strong>ch</strong>nee. Au<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Si<strong>ch</strong>t beirrte Prager ni<strong>ch</strong>t. Er trug<br />
nämli<strong>ch</strong> als erster Rennfahrer eine Skibrille und lancierte so eine neue Mode. Am glei<strong>ch</strong>en<br />
Anlass gewann der Aroser David Zogg den Slalom und drei Jahre später in St. Moritz<br />
die Abfahrt samt Kombination. Dritter S<strong>ch</strong>weizer Frühzeit-Weltmeister war Otto Furrer. Der<br />
1951 am Matterhorn tödli<strong>ch</strong> verunglückte Zermatter Bergführer, ursprüngli<strong>ch</strong> Langläufer,<br />
stürzte in der Abfahrt und si<strong>ch</strong>erte si<strong>ch</strong> 1932 in Cortina d’Ampezzo trotzdem WM-Kombinations-Gold.
Eigentli<strong>ch</strong> hätte Bernhard Russi Pius Russi heissen müssen, wie sein Vater. Pius Russi war<br />
ein erfolgrei<strong>ch</strong>er Viererkombinierer (Abfahrt, Slalom, Langlauf, Springen). Die Gotthard-<br />
S<strong>ch</strong>anze in Andermatt kannte er wie seinen Hosensack. 1943 stand er in Cortina d’Ampezzo<br />
erstmals auf dem Anlaufturm einer ausländis<strong>ch</strong>en Grosss<strong>ch</strong>anze, viel, viel grösser als der<br />
Andermatter Hügel. Beim Blick in die Tiefe s<strong>ch</strong>lotterten des sonst so mutigen Springers<br />
Knie. Er griff na<strong>ch</strong> dem stets mitgeführten Medaillon des Heiligen Bernhard, S<strong>ch</strong>utzpatron<br />
aller Skifahrer und fasste einen feierli<strong>ch</strong>en Ents<strong>ch</strong>luss: «Wenn i<strong>ch</strong> da heil herunterkomme,<br />
gebe i<strong>ch</strong> meinem ersten Sohn ni<strong>ch</strong>t meinen Namen, sondern taufe ihn Bernhard, wie den<br />
Heiligen.» Pius kam heil herunter und deshalb heisst die S<strong>ch</strong>weizer Skilegende Bernhard,<br />
obwohl zu jener Zeit im Urserntal der erste Sohn traditionellerweise den Namen seines<br />
Erzeugers bekam. Und oh Wunder! Bernhard wurde am Tag des Heiligen Bernhard geboren.<br />
Bernhard Russi, geboren am Tag des Heiligen Bernhard, Ehrenbürger<br />
von Andermatt, zweimal S<strong>ch</strong>weizer Sportler des Jahres und mit 62 no<strong>ch</strong><br />
immer omnipräsent
132<br />
133<br />
Ski alpin<br />
Unna<strong>ch</strong>giebiger Kämpfer.<br />
Didier Cu<strong>ch</strong>e lässt si<strong>ch</strong><br />
dur<strong>ch</strong> keinen Rücks<strong>ch</strong>lag<br />
entmutigen – bis er<br />
an der WM 2009 die<br />
langersehnte Goldmedaille<br />
gewinnt.
Grand-Slam-Sieger Roger Federer. Mehr muss man zur Popularität des Neuenburgers ni<strong>ch</strong>t<br />
sagen. Trotzdem traf Didier Cu<strong>ch</strong>e im Winter 2009 / 2010 beim wi<strong>ch</strong>tigsten Rendez-vous mit<br />
Verspätung ein – anlässli<strong>ch</strong> der Abfahrt an den Olympis<strong>ch</strong>en Spielen in Vancouver. Mit<br />
gebro<strong>ch</strong>enem Daumen ging er an den Start, mit zerplatzten Träumen s<strong>ch</strong>wang er im Ziel ab:<br />
0,36 Sekunden Rückstand auf den S<strong>ch</strong>nellsten – 6. Platz in einem Rennen, das an Dramatik<br />
kaum zu überbieten war und einem Sieger, den niemand wirkli<strong>ch</strong> erwartete: Didier Défago.<br />
Der Walliser setzte si<strong>ch</strong> in den internen Auss<strong>ch</strong>eidungen um den vierten Startplatz erst im<br />
letzten Moment gegen Tobias Grünenfelder und Patrick Küng dur<strong>ch</strong>. Im S<strong>ch</strong>atten von Cu<strong>ch</strong>e<br />
und Janka wurden ihm hö<strong>ch</strong>stens Aussenseiter<strong>ch</strong>ancen eingeräumt. Do<strong>ch</strong> dann zauberte<br />
der 32-Jährige aus der kleinen Skistation Morgins das Rennen seines Lebens auf die Piste.<br />
In den s<strong>ch</strong>nellen Kurven dosierte er den Kanteneinsatz perfekt, setzt sein te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>es<br />
Können optimal ein und liess si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr von der Goldspur abbringen. In einem der<br />
spannendsten Abfahrtsrennen der olympis<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te verwies er den Norweger Aksel<br />
Lund Svindal und den Amerikaner Bode Miller um 7 respektive 9 Hundertstelsekunden auf<br />
die weiteren Podestplätze und gewann als erst dritter S<strong>ch</strong>weizer (na<strong>ch</strong> Bernhard Russi und<br />
Pirmin Zurbriggen) die prestigeträ<strong>ch</strong>tigste Auszei<strong>ch</strong>nung im Skisport und s<strong>ch</strong>rieb ein Stück<br />
Sportges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te. Seit Vreni S<strong>ch</strong>neiders Triumphfahrt im Slalom von Lillehammer 1994 war<br />
es der erste S<strong>ch</strong>weizer Olympiasieg in einer Alpin-Disziplin.<br />
Dass ausgere<strong>ch</strong>net Défago diesen Hauptpreis abholen durfte, mutet wie ein Wintermär<strong>ch</strong>en<br />
an. Lange galt der Walliser als ewiges Talent, als blendender Te<strong>ch</strong>niker, der im ents<strong>ch</strong>eidenden<br />
Moment sein Können ni<strong>ch</strong>t umsetzen konnte. Wendepunkt in seiner Karriere war Januar<br />
2009, als Défago innerhalb einer Wo<strong>ch</strong>e die Klassiker am Lauberhorn und am Hahnenkamm<br />
für si<strong>ch</strong> ents<strong>ch</strong>ied. Als er ein Jahr später mit einem perfekten Lauf den Olymp erklomm,<br />
s<strong>ch</strong>ien ihn das selber am meisten zu überras<strong>ch</strong>en: «Olympiasieger klingt, sehr, sehr gut,»<br />
sagte er, «es ist ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong>, wenn man bei einem Grossereignis immer hohe Ziele hatte –<br />
und es nie funktionierte. Heute hat es funktioniert.» Von Grossereignissen war Défago zuvor<br />
stets mit leeren Händen na<strong>ch</strong> Hause gekommen. Deshalb strahlt das Gold von Vancouver<br />
umso mehr.<br />
Daniel Albre<strong>ch</strong>t – das Rennen seines Lebens am 22. Januar 2009 stand<br />
die S<strong>ch</strong>weizer Skiwelt unter s<strong>ch</strong>ock. albre<strong>ch</strong>t stürzte im Training zur<br />
Hahnenkammabfahrt und erlitt s<strong>ch</strong>were Kopfverletzungen. Als er drei<br />
wo<strong>ch</strong>en später aus dem künstli<strong>ch</strong>en koma erwa<strong>ch</strong>te, war ni<strong>ch</strong>ts mehr<br />
wie zuvor. Ob er den Ans<strong>ch</strong>luss wieder S<strong>ch</strong>afft, ist ungwisser den je.<br />
Nur zu gerne hätte si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Daniel Albre<strong>ch</strong>t in diesem S<strong>ch</strong>ein gesonnt. Eigentli<strong>ch</strong> war dem<br />
Walliser die Rolle des Vorkämpfers im internationalen Skizirkus auf den Leib ges<strong>ch</strong>rieben.<br />
1983 in Fies<strong>ch</strong> geboren, räumte das Jahrzehnt-Talent an der Junioren-WM 2003 in Serre<br />
Chevalier im grossen Stil ab: Gold in Abfahrt, Riesenslalom und Kombination – Silber im<br />
Slalom. Bei den Grossen näherte si<strong>ch</strong> Albre<strong>ch</strong>t sukzessive der Spitze – mit dem grossen<br />
Dur<strong>ch</strong>bru<strong>ch</strong> an der WM 2007 in Are. «Albright» kehrte mit einem kompletten Medaillensatz<br />
heim: Gold in der Kombination, Silber im Riesenslalom und Bronze im Teamwettbewerb.<br />
Albre<strong>ch</strong>t entwickelte si<strong>ch</strong> zum perfekten Allrounder – mit Sieges<strong>ch</strong>ancen in jeder Disziplin.<br />
Am 21. Dezember feierte er im Riesenslalom von Alta Badia seinen vierten Weltcupsieg. Es<br />
s<strong>ch</strong>ien nur eine Frage der Zeit, bis er na<strong>ch</strong> der grossen Kristallkugel des Gesamtweltcupsiegers<br />
greifen würde. Dann der 22. Januar 2009 – und der Zielsprung der Hahnenkamm-<br />
Abfahrt in Kitzbühel. Im Abs<strong>ch</strong>lusstraining katapultierte es Albre<strong>ch</strong>t bei Tempo 138 in die<br />
Höhe. Der Walliser verlor das Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t und damit die Kontrolle und s<strong>ch</strong>lug mit dem
156<br />
157<br />
Snowboard<br />
Der «Plämpel», der ihr<br />
Leben verändert.<br />
Tanja Frieden fährt<br />
2006 zuoberst<br />
aufs olympis<strong>ch</strong>e Podest –<br />
und Mitten in die<br />
Herzen der S<strong>ch</strong>weizer Fans
Die Autoren<br />
Sepp Renggli<br />
Geboren zwei Monate, na<strong>ch</strong>dem der Bob S<strong>ch</strong>weiz 1 in Chamonix die<br />
allererste S<strong>ch</strong>weizer Winterolympia-Goldmedaille gewonnen hatte.<br />
Der in Kriens aufgewa<strong>ch</strong>sene und in Ebmatingen wohnhafte Vater<br />
von zwei Sportjournalisten war Sport<strong>ch</strong>ef von Radio DRS, Leiter des<br />
DRS-Radiostudios Züri<strong>ch</strong> und während 15 Jahren «Weltwo<strong>ch</strong>e»-<br />
Kolumnist. Der Autor mehrerer Sportbü<strong>ch</strong>er beri<strong>ch</strong>tete von zwanzig<br />
Olympis<strong>ch</strong>en Winterspielen und Ski-Weltmeisters<strong>ch</strong>aften sowie von<br />
etli<strong>ch</strong>en Bob- und Eishockeytitelkämpfen. Seine (erfolglose) Skirennfahrer-Karriere<br />
endete mit dem Riss der re<strong>ch</strong>ten A<strong>ch</strong>illessehne im<br />
Spital Ste-Croix. Hierauf begann er zu s<strong>ch</strong>reiben und tut es 60 Jahre<br />
später no<strong>ch</strong> immer, ohne je den Nobelpreis für Literatur erhalten zu<br />
haben.<br />
184<br />
185<br />
Thomas Renggli<br />
Geboren am 27. April 1972 im Zür<strong>ch</strong>er Triemli-Spital, bra<strong>ch</strong>te<br />
thomas Renggli die s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en Pfli<strong>ch</strong>ten am Ebmatinger Leea<strong>ch</strong>er<br />
sowie an der Zür<strong>ch</strong>er Hohen Promenade hinter si<strong>ch</strong>. Dana<strong>ch</strong> widmete<br />
er si<strong>ch</strong> den Spra<strong>ch</strong>- und Lebensstudien in Nizza und Texas.<br />
Weil er dabei die angestrebte Karriere als Profi fussballer aus den<br />
Augen verlor, blieb nur ein Ausweg: der Sportjournalismus.<br />
Zunä<strong>ch</strong>st als freier Mitarbeiter des «Tagblatt der Stadt Züri<strong>ch</strong>» sowie<br />
von «Radio Zürisee» bes<strong>ch</strong>äftigt, ging er ab 1994 als Redaktionssekretär,<br />
Volontär und Redaktor dur<strong>ch</strong>s Stahlbad der nationalen<br />
Agentur «Sportinformation». Zwis<strong>ch</strong>en 1998 und 2008 war er als<br />
Reporter und Kolumnist für die «Neue Zür<strong>ch</strong>er Zeitung» tätig – bevor<br />
er si<strong>ch</strong> für anderthalb Jahre auf den medialen Boulevard an der<br />
Zür<strong>ch</strong>er Dufour strasse wagte. Momentan ist er als freier Publizist<br />
und Autor sowie als Sportexperte für «Radio 1» engagiert.<br />
Thomas Renggli lebt zusammen mit seiner Ehefrau Tatiana und<br />
To<strong>ch</strong>ter Mas<strong>ch</strong>a in Züri<strong>ch</strong>.
VON FLUGMENSCHEN UND ANDEREN SCHNEEHELDEN<br />
Kleines Land, grosse Erfolge: In S<strong>ch</strong>nee und Eis sind wir S<strong>ch</strong>weizer einfa<strong>ch</strong> Spitze.<br />
Dieses Bu<strong>ch</strong> ist das verdiente Loblied auf all die Mens<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e unter grösstem<br />
Einsatz für uns alle Olympia-Gold und -Silber na<strong>ch</strong> Hause gebra<strong>ch</strong>t haben.<br />
Sepp und Thomas Renggli feiern die Wintersportheldinnen und -helden in einem<br />
spannenden Porträtbu<strong>ch</strong>, das man<strong>ch</strong>mal Nervenkitzel wie ein Krimi bietet, dann<br />
wieder grosse Gefühle, wie sie nur im e<strong>ch</strong>ten Leben zu finden sind. Sie beri<strong>ch</strong>ten von<br />
Erfolgen und wie sie errungen wurden, von Krisen, die dur<strong>ch</strong>zustehen waren, und sie<br />
erzählen, wie Erfolge oder Misserfolge ein ganzes Land in Atem halten konnten. Ein<br />
Stück längst fälliger Zeitges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, emotional, persönli<strong>ch</strong>, bildstark – die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
der S<strong>ch</strong>nee- und Eisstars von damals und heute.<br />
ISBN 978-3-03781-008-8