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Russlands Seekriegsflotte in schwierigem Fahrwasser<br />
– Prioritäten, Probleme und Akzente der russischen Schiffbau- und<br />
Marinepolitik<br />
Egbert Lemcke und Holger Neidel<br />
Aktuelle Betrachtungen zu Zustand und Perspektiven der Seekriegsflotte Russlands bedürfen<br />
des Rückblicks auf einen dramatischen Degenerationsprozess, dessen Auswirkungen die<br />
vergangenen ca. 20 Jahre prägten. Einige Schlaglichter verdeutlichen diese Dramatik: Von<br />
den zu jener Zeit etwa 150 großen Überwasserschiffen wurden im Jahre 2005 noch etwa<br />
30 Überwasserschiffe der Klassen Kreuzer, Zerstörer und Fregatte, etwa 50 Korvetten und<br />
annähernd 100 Schnellboote, Patrouillenboote und Räumboote im aktiven Flottenbestand (in<br />
sehr unterschiedlichem Einsatzklarzustand) verzeichnet. Die aktuelle Verteilungsstruktur der<br />
gegenwärtig nominell im Bestand geführten Einheiten entspricht etwa dieser von RIA<br />
publizierten Darstellung (Grafik). Angesichts der Altersstruktur dieser Einheiten bedeutet<br />
dies, dass allein für den Erhalt dieses Bestandes die alljährliche Indienststellung eines<br />
Zerstörers bzw. einer Fregatte, zweier Korvetten und weiterer 4-5 Boote erforderlich wäre.<br />
Von U-Booten, Landungs- und Sicherstellungsschiffen ganz zu schweigen. Aber selbst dieses<br />
Tempo wäre schon höchst problematisch. Tatsächlich jedoch belief sich der Zulauf an<br />
Neubauten in den Flottenbestand im Zeitraum 2008-2010 auf ganze 5 Schiffe. Nicht zu<br />
vergessen der hier nicht näher zu betrachtende zivile Schiffbau. Angesichts des Dienstalters<br />
der noch aktiven Schiffseinheiten besagt die einfache Rechnung heute, dass sich der<br />
Flottenbestand bis 2020 im Vergleich zu 2005 nochmals halbieren kann.<br />
Der Handlungsbedarf ist also gigantisch. Geht es doch gegenwärtig in Russland um nicht<br />
weniger als die Wiedergeburt des einheimischen Schiffbaus. Die vom 6. September 2007<br />
datierte "Strategie zur Entwicklung der Schiffbauindustrie für den Zeitraum bis 2020 und<br />
die weitere Perspektive" 1 ist genau diesem Ziel verpflichtet. Gelingt diese Wiedergeburt<br />
nicht, verkommt nicht nur schlechthin die Formel von einer "maritimen Großmacht" zur<br />
Farce. Im Klartext geht es um die Wiederherstellung der maritimen Stärke Russlands als<br />
Voraussetzung für den Erhalt der Souveränität und territorialen Integrität des Landes.“ 2<br />
Im Dezember 2010 wurde nach jahrelanger Projektdiskussion unter der Ägide des Marinekollegiums<br />
„Die Strategie zur Entwicklung der maritimen Tätigkeit der Russländischen<br />
Föderation bis zum Jahre 2030“ 3 vom Ministerpräsidenten unterzeichnet. Der entscheidende<br />
letzte Satz im vorangegangenen Projektdokument lautete:<br />
1 <br />
2 Diese Einschätzung aus dem Jahre 2009 hat aus meiner Sicht nichts an Gültigkeit eingebüßt.<br />
<br />
3 Regierungsbeschluss Nr. N 2205-р vom 8. Dezember 2010, veröffentlicht in:<br />
<br />
1
„Falls der Trägheitstrend in der Entwicklung der Seekriegsflotte auch in der nächsten<br />
Perspektive beibehalten wird, so kann diese die reale Möglichkeit zur Erfüllung ihrer<br />
Schutzfunktion gegenüber den nationalen Interessen im Weltozean einbüßen. Dies kann<br />
unannehmbare Folgen für die nationale Sicherheit der Russischen Föderation nach sich<br />
ziehen.“ 4<br />
Dieses Szenario ist durchaus keine Übertreibung, sondern eher eine milde Beschreibung des<br />
realen Prozesses. Bezüglich der Schutzfunktion ist zu betonen, dass die gültige Militärdoktrin<br />
der RF 5 auf die Verteidigung des Staates gegenüber einer Aggression von außen, den Erhalt<br />
des internationalen Friedens in Partnerschaft mit anderen Staaten und in Übereinstimmung<br />
mit UN-Beschlüssen ausgerichtet ist. In diesem Kontext obliegen der Seekriegsflotte der RF<br />
Aufgaben der nuklearen Zügelung, der Sicherstellung eines günstigen operativen Regimes zur<br />
Entfaltung der strategischen Atom-U-Boote mit ballistischen Raketen, der Verteidigung der<br />
Küsten des Landes und des angrenzenden Seeraumes, sowie dem Kampf gegen Terrorismus<br />
und Piraterie. Aus diesen Aufgaben leiten sich dann die Pläne für den maritimen Aufbau ab, -<br />
so jedenfalls in der Theorie.<br />
Legen wir das Jahr 2001 mit der Annahme der noch heute gültigen Marinedoktrin der RF 6<br />
als Ausgangsdatum einer zumindest marinepolitisch verankerten Konsolidierungsbestrebung<br />
zugrunde, so sind seit einiger Zeit aber auch Ansätze einer strukturellen Konsolidierung auf<br />
dem Gebiet der Verteidigungsindustrie insgesamt und speziell der Schiffbauindustrie zu<br />
erkennen. Jüngst wurde das so genannte Föderale Zielprogramm „Entwicklung des<br />
Verteidigungs-Industrie-Komplexes der RF bis 2020“ beschlossen. Dessen Umsetzung soll<br />
das technologische Niveau der Betriebe des Verteidigungs-Industrie-Komplexes sowie seine<br />
Kompaktheit und Bereitschaft zu Innovationen bedeutend erhöhen.<br />
OSK – Symbol für Konzentration und strukturelle Konsolidierung<br />
Erstmalig präsentierte sich die „Vereinigte Schiffbaukorporation“<br />
(OSK) 7 , deren Aktien sich zu 100% in Staatseigentum befinden, auf<br />
der IMDS-2007. Seitdem wurde der Integrationstrend forciert. Diese<br />
Korporation dominierte nicht nur jüngst die IMDS-2011 8 , sondern<br />
integriert heute alle wesentlichen Projektierungs- und Konstruktionsbüros<br />
(das Zentrale „Marinekonstruktionsbüro „ALMAZ“, das „Selenodolsker<br />
Projektierungs- und Konstruktionsbüro“ 9 , das SPMBM<br />
„MALACHIT“ 10 , das „Projektierungs- und Konstruktionsbüro<br />
Newskoje“, das Zentrale Konstruktionsbüro für Marinetechnik<br />
„RUBIN“ 11 und das „Nördliche Projektierungs- und Konstruktionsbüro“),<br />
sowie weitere 42 Schiffbau- und Schiffsreparaturbetriebe.<br />
OSK realisiert z. Zt. etwa 80% aller Schiffbauprojekte des Landes.<br />
Roman Trotsenko, Präsident<br />
der „Vereinigten Schiffbaukorporation“<br />
OSK (Foto: OSK)<br />
offizielle Textversion unter:<br />
<br />
4 Übersetzung durch die Autoren<br />
5 Deutsche Übersetzung dieses Dokuments unter: <br />
6 Deutsche Übersetzung dieses Dokuments unter: <br />
7 Die Offene Aktionärsgesellschaft „Vereinigte Schiffbau-Korporation“ ist die im Jahre 2007 gegründete<br />
Staatliche Schiffbau-Holding; <br />
8 <br />
9 <br />
10 <br />
11 <br />
2
Unter diesem Dach kommt es in jüngster Zeit zu weiteren Konzentrationen. Mit dem Zusammenschluss<br />
des ZKBMT „RUBIN“ und dem Sewerodwinsker Maschinenbaubetrieb „Sewmasch“<br />
wurde z. B. die Bildung einer Holding für den Atom-U-Bootbau im Rahmen von<br />
OSK eingeleitet. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich nach Informationen der<br />
„Iswestja“ 12 zwischen der Kaliningrader „Yantar“-Werft und dem ZMKB „ALMAZ“ im<br />
Überwasserschiffbau ab. Als wahrscheinliche Entwicklung ist zudem die künftig vollständige<br />
Kontrolle von OSK gegenüber dem „Baltischen Werk“ („Baltijskij Sawod“) und der „Nordwerft“<br />
(„Sewernaja Werf“) zu erwarten. Inwieweit diese faktische Monopolisierung des<br />
militärischen Schiffbaus der Effektivität und Transparenz der Preisbildung, insbesondere bei<br />
staatlichen Aufträgen, dienen wird, bleibt abzuwarten. Noch problematischer jedoch wäre<br />
eine weiterhin unklare Lage bezüglich der Finanzierung beider Betriebe aufgrund der faktischen<br />
Insolvenz der ehemals vom Finanzjongleur Sergej Pugatschew 13 kontrollierten „Meschprombank“.<br />
Auf der Insel Kotlin (Kronstadt) wird, wie kürzlich vereinbart, ein bedeutender Schiffbaukomplex<br />
entstehen. Innerhalb von 40 Monaten soll dieses Vorhaben unter Beteiligung des<br />
koreanischen Unternehmens STX auf einer Fläche von 250 ha mit Anbindung an einen Tiefwasserkanal<br />
realisiert werden. Im Kern sollen dann Teile der Produktionskapazitäten der<br />
„Admiralitätswerften“ hierher überführt werden und bis 2016 als „Neue Admiralitätswerften“<br />
die Arbeit aufnehmen.<br />
Mangelnde Größe in der Präsenz von OSK war auf der<br />
IMDS-2011 kein Thema (Foto: Autoren)<br />
Nach Einschätzung seines Präsidenten, Roman<br />
Trotsenko, strebt OSK „zweifellos eine führende<br />
Position“ auf dem Weltmarkt an. Seine strategische<br />
Ausrichtung ist auf Branchennischen mit hoher<br />
Rentabilität orientiert. Auf dem Gebiet des zivilen<br />
Schiffbaus sind dies Bohr- und Förderplattformen<br />
sowie Technik und Spezialschiffe mit Eisklasse zur<br />
Erschließung der arktischen Schelfgebiete und für<br />
den Einsatz auf den inneren Wasserwegen. Im<br />
militärischen Schiffbau steht das gesamte Bedarfsspektrum<br />
zum Wiederaufbau der eigenen Flotte im<br />
Mittelpunkt. Auch diese Prioritäten sind also eigentlich<br />
gesetzt.<br />
Interessen der Flottenführung und Ambitionen der Schiffbauindustrie<br />
Die Ansprüche der Militärs entsprechen nicht immer den Möglichkeiten des „eigenen“<br />
Verteidigungs-Industrie-Komplexes – eine Weisheit, die nicht nur in Russland gilt. Nicht<br />
ausgelastete Werftkapazitäten einerseits und regelmäßige Verzögerungen bei der Fertigstellung<br />
technologisch anspruchsvoller Aufträge andererseits existieren nebeneinander. Roman<br />
Trotsenko kündigte kürzlich auf der IMDS effektvoll den baldigen Arbeitsbeginn an einigen<br />
neuen Projekten, darunter atomgetriebenen Flugzeugträgern und Zerstörern, an. Führende<br />
Vertreter des Verteidigungsministeriums jedoch verneinten derartige Pläne umgehend. Offenbar<br />
gibt es sehr unterschiedliche Interessenlagen. Das Interesse Trotsenkos an lukrativen<br />
Großaufträgen für die OSK ist verständlich. Priorität für das Verteidigungsministerium jedoch<br />
12 (4. Juli 2011)<br />
13 Sergej Pugatschow (Пугачев, Сергей) war von 1992 bis 2002 Vorsitzender des Direktorenrates der JSK<br />
„Internationale Industrie-Bank“ (ООО "Международный промышленный банк")<br />
<br />
3
hat eine einsatzfähige Flotte zur Erfüllung der unmittelbaren Aufgaben und vor allem ein<br />
schneller und hochqualitativer Ersatz in den Grundklassen Korvette/Fregatte, atomare und<br />
nichtatomare U-Boote, Landungsschiffe usw. Der aktuelle Schwerpunkt nach dem Staatlichen<br />
Programm für Bewaffnung der Jahre 2011 bis 2020 (unterzeichnet am 31.12.2010<br />
vom Präsidenten der RF) liegt dabei in der Vereinheitlichung beim Bau neuer Projekte an<br />
Kampfschiffen und U-Booten durch den Einsatz von standardisierten Systemen (bei Bewaffnungen,<br />
Informations- und Führungssystemen, Antriebsanlagen usw.). Höchste Priorität besitzt<br />
nach den Worten von Wladimir Popowkin, dem ersten Stellvertreter des Verteidigungsministers<br />
der RF, die ausgewogene Entwicklung eines Systems strategischer Bewaffnungen.<br />
Bis 2020 soll der Anteil neuer Bewaffnungsmuster generell auf mindestens 70% gesteigert<br />
werden. In den vergangenen Wochen und Monaten wurden sowohl von Popowkin, als auch<br />
führenden Marineoffizieren wiederholt konkrete Zahlen zu den Planungsvorhaben bis 2020<br />
veröffentlicht. Für die Flotte geht es auf Grundlage dieser Angaben um den forcierten Serienbau<br />
folgender Einheiten:<br />
o strategische Unterwasserraketenkreuzer Projekt 955 / 955U „BOREY“: 8 Einheiten<br />
geplant bis 2017, bisher 1 Einheit in Erprobung und 3 modifizierte Einheiten im Bau;<br />
o insgesamt etwa 20 Mehrzweck-U-Boote: davon etwa die Hälfte Atom-U-Boote<br />
Projekt 885 „YASEN“, bisher 1 Einheit („Sewerodwinsk“) in Erprobung, eine im Bau,<br />
sowie diesel-elektrische U-Boote des Projektes 636.6 (davon allein 6-7 Einheiten für<br />
die Schwarzmeerflotte) und des Projektes 677 (nach weiterer Überarbeitung der<br />
Hydroakustik und der Antriebsanlage);<br />
o Fregatten Projekt 1135.6M: beginnend ab Dezember 2010 läuft der Bau von vorerst<br />
3 Einheiten – bis 2020 ist der Zulauf mindestens 6 Einheiten avisiert;<br />
o Fregatten Projekt 22350: vorerst 6 Einheiten geplant, 2 bereits im Bau;<br />
o Fregatten Projekt 11661/11661K: weiterer Bau wahrscheinlich (bisher 1 Einheit im<br />
Dienst, 1 Einheit in Erprobung);<br />
o insgesamt 35 Korvetten bis 2020 angekündigt: wahrscheinlich vor allem Projekt<br />
20380 und deren Modifikationen (insbesondere Projekt 20385) Typ „STERE-<br />
GUSCHTSCHIJ“: bisher 2 Einheiten in Dienst, 5 Einheiten im Bau; darüber hinaus<br />
neue Projektentwicklungen angekündigt;<br />
o Kleine Raketenschiffe Projekt 21631“BUJAN-M“: 2 Einheiten im Bau, geplante Serie<br />
von mindestens 5 Einheiten;<br />
Für eine überstürzte Entscheidung zum Baubeginn von Flugzeugträgern besteht in dieser Bedarfskonstellation<br />
wenig Veranlassung. Zudem wäre dazu entweder eine Rekonstruktion von<br />
„Sewmasch“ in Sewerodwinsk erforderlich oder die Fertigstellung der geplanten neuen<br />
Großwerft vor St. Petersburg. Beides ist nicht vor 2015/16 zu erwarten.<br />
Realistischer für den Zeitraum der nächsten zwei bis drei Jahre ist da schon der Auftrag zum<br />
Bau atomgetriebener Zerstörer. Hier bestehen sowohl ein dringender Bedarf der Flotte als<br />
auch prinzipiell alle technologischen Voraussetzungen. Somit erscheint ein solches Projekt für<br />
die nächste Zukunft - Kiellegung 2014/15, Indienststellung 2020/21 - aus Sicht einiger<br />
Spezialisten 14 bei normaler Finanzierung durchaus möglich. Ein derartiges Projekt müsste<br />
dann, wie jüngst bestätigt 15 , gleich drei Schiffsklassen ersetzen.<br />
14 Крамник, Илья: МВМС-2011: перспективы флота и амбиции судостроителей. <br />
15 Кузнецова, Ксения: Новейший эсминец для ВМФ России заменит три класса кораблей.<br />
<br />
4
Dies wären die noch im Bestand befindlichen Zerstörer vom Projekt 956 „SARICH“ (Sowremennyj-Klasse),<br />
die Großen UAW-Schiffe vom Projekt 1155 und 1155.1 „FREGAT“ /<br />
„FREGAT-M“ (Udaloj-I/II-Klasse) und möglicherweise auch die Raketenkreuzer vom Projekt<br />
1164 „ATLANT“ (Slawa-Klasse).<br />
Studie eines Zerstörers Projekt 21956 vom „Nördlichen<br />
Projektierungs- und Konstruktionsbüro“<br />
(Grafik: http://www.severnoe.com/)<br />
Gegenwärtig erfolgt die Erarbeitung von Projektvarianten<br />
16 mit unterschiedlicher Bewaffnung<br />
sowie nuklearem bzw. Gasturbinenantrieb im<br />
Spektrum von 9-10.000 t bzw. 12-14.000 t Wasserverdrängung.<br />
14 bis 16 Schiffe dieser neuen<br />
Zerstörer-Klasse, gebaut im Verlaufe der kommenden<br />
15-20 Jahre, müssten dann die Hauptschlagkraft<br />
der Überwasserkräfte bilden. Allein diese<br />
bisher recht spärlichen Informationen zu russischen Plänen werden offenbar aufmerksam<br />
registriert und bieten in westlichen Medien Raum zu bunten Spekulationen. 17<br />
Neben geplanten Neubauten bleibt die Instandsetzung<br />
der vorhandenen Einheiten eine Aufgabe<br />
von höchster Priorität. Herausragend ist hier<br />
die kürzliche Entscheidung des Verteidigungsministeriums<br />
über die Modernisierung der 3<br />
seit etwa 20 Jahren konservierten atomgetriebenen<br />
Raketenkreuzer vom Projekt 1144 /<br />
1144.2 „ORLAN“ (Kirow-Klasse). Es ist vorgesehen,<br />
diese Großeinheiten dann als Universalraketenträger<br />
bis 2030-2040 im Bestand zu<br />
halten. Das Modernisierungsschema für diese<br />
nach wie vor in keinem realen Einsatz-Szenario<br />
der Flottenkräfte vorstellbaren Giganten soll mit<br />
den bereits begonnenen Arbeiten auf der<br />
„Admiral Nachimow“ erprobt werden.<br />
Schwerer atomgetriebener Raketenkreuzer vom Projekt 1144.2 „Pjotr<br />
Welikij“<br />
(Foto: http://www.mil.ru)<br />
Auch angesichts dieser Ambitionen bleibt anzumerken: Russlands makroökonomische Kennzahlen<br />
(2% am weltweiten Bruttoinlandsprodukt, davon wiederum 2% für nationale Verteidigung<br />
verausgabt) verbieten selbst bei künftig stabiler Finanzierung eines weiter wachsenden<br />
Etats sogar einen annähernden Vergleich z. B. mit den USA (20% am weltweiten BIP, davon<br />
allerdings 5% für Rüstung verausgabt). Und dieser Vergleich ist für eine asymmetrische, aber<br />
adäquate Reaktion auch nicht erforderlich. Das neue Staatliche Programm für Bewaffnung<br />
sieht bis 2020 ein Budget von ca. 20 Trillionen Rubel (491 Mrd. €) vor. Bei kontinuierlicher<br />
Finanzierung sollen dem Militär-Industrie-Komplex also alljährlich etwa 2 Trillionen Rubel<br />
zur Verfügung stehen. Doch ist die Finanzierung dieser Summe im Kontext harter Klientelspiele<br />
durchaus nicht unstrittig, wie die dramatischen öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen<br />
zwischen Präsident Medwedjew und Finanzminister Kudrin bezeugten. Die folglich<br />
zwingende Entlassung Kudrins dürfte den Grundkonflikt jedoch nicht gelöst haben, denn<br />
dieser besteht zwischen Industrie und militärischer Führung und berührt inzwischen weniger<br />
die Sorge um die ausreichende Höhe der Finanzierung, als deren - aus Sicht der Industrie -<br />
16 Hier als Variante mit Gasturbinenanlage: <br />
17 Jeremy A. Kaplan: Russian 'Stealth Destroyer' Just a Sales Gimmick? Published October 15, 2011<br />
<br />
5
mangelnde Kontinuität. Unbegründete Preissteigerungen für qualitativ unbefriedigende Produkte<br />
– so lautet der Gegenvorwurf der Militärs gegenüber der Industrie. Nicht zuletzt dieser<br />
Aspekt drängt das Verteidigungsministerium zu der Position, punktuell „gezwungenermaßen“<br />
Militärtechnik im Ausland zu beschaffen. General Popowkin präzisiert diese Sicht:<br />
„Wir verfügen über eine sehr gute Schiffbauindustrie …. Doch in einigen Momenten stehen<br />
wir dem Weltniveau nach. Ich meine den gesamten Bereich der Antriebsanlagen und der<br />
Akustik. Wir stehen deshalb nach, weil über die vergangenen 15 Jahre in dieser Richtung<br />
nichts getan wurde.“ <strong>18</strong><br />
Von Experten werden noch weitere Technologiebereiche genannt (wie AIP-Antrieb für nichtatomare<br />
U-Boote, Systeme zur Bekämpfung von Seeminen auf dem Schiffskurs, Gefechts-<br />
Informations- und -Führungssysteme, elektronische Komponenten), an deren Import das Land<br />
starkes Interesse hat. Aber nicht alle öffentlichen Forderungen der Militärs nach einem<br />
Ankauf westlicher Systeme (so z. B. auch von Bordartilleriesystemen) sind wirklich ernst<br />
gemeint, sondern Ausdruck der jüngsten Eskalation zwischen Industrie und Verteidigungsministerium<br />
zur Transparenz der Preisbildung. Die ultimative Forderung des Ministerpräsidenten<br />
gegenüber der OSK und dem Verteidigungsministerium, bis Ende August die<br />
noch ausstehenden Beschaffungsverträge für 2011 zu schließen 19 , verdeutlicht diese Brisanz.<br />
Die Verteidigungsindustrie ist eben mehr, als nur bloßes Subjekt der Marktwirtschaft.<br />
„Gorizont Air S-100“ auf der IMDS-2011<br />
(Foto: Autoren)<br />
Eine besondere Herausforderung besteht für Russland<br />
in der Organisation des Importes nicht nur einzelner<br />
Komponenten, sondern ganzer Technologie-Systeme.<br />
Nicht zuletzt deshalb spricht die politische Führung<br />
des Landes von der außerordentlichen Bedeutung von<br />
Industrieallianzen mit den führenden europäischen<br />
Firmen. Als erforderlich wird zudem eine Vertiefung<br />
der Zusammenarbeit mit ausländischen Herstellern<br />
bei der Modernisierung von einheimischen Systemen<br />
unter Einsatz von fortschrittlichen westlichen Technologien<br />
erachtet. Dies gilt z.B. für den Bau von UAV-Systemen mit israelischer Unterstützung.<br />
Überraschend ist hier auch die Gemeinschaftsentwicklung eines erstmals auf der IMDS-2011<br />
gezeigten Vertical Take-off and Landing (VTOL) vehicle unter der Bezeichnung „Gorizont<br />
Air S-100“ 20 mit der österreichischen Firma Schiebel.<br />
Es besteht jedoch ein kardinales Problem:<br />
„In strategischer Hinsicht bleibt Russland auf sich allein gestellt.“<br />
<strong>18</strong> Государственная программа вооружений как инструмент модернизации оборонной<br />
промышленностию. Журнал МВМС 2011, стр.16.<br />
19 Dieser Termin wurde nicht eingehalten. Selbst bis Mitte Oktober 2011 konnten weder das<br />
Verteidigungsministerium, noch die speziell zu diesem Zweck durch die Regierung gebildete Militär-Industrie-<br />
Kommission mit der OSK die Verträge über die laufende Finanzierung des Baus der Projekte 955 und 885<br />
unterzeichnen. Der erklärte Grund lag nach wie vor in der mangelnden Transparenz der Preisbildung.<br />
20 ; <br />
6
Universallandungsschiff „Mistral“ der französischen Firma DCNS<br />
auf der IMDS-2011<br />
(Foto: Карпенко, А.В.)<br />
So die treffende Formulierung von Konstantin<br />
Makienko 21 . Wenn man einmal von den eher<br />
passiven Mitgliedern der Vertragsorganisation<br />
für kollektive Sicherheit 22 absieht, so<br />
verbleiben nicht viele Länder, die ihre Waffensysteme<br />
mit Russland teilen würden. Der am<br />
17. Juni 2011 unterzeichnete Vertrag über den<br />
Bau der ersten zwei von geplanten 4 Universallandungsschiffen<br />
„Mistral“ ist folglich auch<br />
im politischen Kontext zu betrachten. Dennoch,<br />
so gegensätzlich der Vertrag mit DCNS<br />
nach wie vor bei Russlands Militärs bewertet wird, so unstrittig bleibt: Kein wie auch immer<br />
motivierter Import wird langfristige Investitionen in eigenständige Forschung und Entwicklung<br />
bei strategischen Systemen ersetzen können. Russlands geostrategische Position lässt<br />
keine andere Wahl.<br />
Ein nicht unerheblicher „Nebeneffekt“ des Kaufs<br />
der „Mistral“ ist ein stark gestiegenes Interesse der<br />
Marine an Hubschraubertechnik. So wird sich<br />
allein der Bedarf an Kamow-Maschinen (insbesondere<br />
auf Basis der Ka-29 und Ka-52) im<br />
kommenden Jahrzehnt auf über 200 Einheiten belaufen.<br />
Auch dieser Bereich wurde nach Aussagen<br />
des Generalkonstrukteurs des Konstruktionsbüros<br />
Kamow und „Vaters“ des Ka-52, Sergej<br />
Ka-52K auf der IMDS-2011<br />
(Foto: Autoren)<br />
Michejew, über fast 20 Jahre nicht finanziert. Die<br />
„Navalisierung“ zum Ka-52K mit für den Bordeinsatz<br />
einklappbaren Rotorblättern, einem neuen<br />
Radar und Klappflügeln soll bis 2014 abgeschlossen<br />
sein. Anfang September 2011 wurde ein Vertrag<br />
über die Lieferung von über 100 Ka-52 bis 2020 an das Verteidigungsministerium unterzeichnet.<br />
Indikatoren eines Übergangs<br />
Gehen wir davon aus, dass inzwischen Serienaufträge für die eigene Flotte wieder zur Normalität<br />
wurden und die Bauzeiten sich tendenziell verkürzen, so zeichnen sich doch starke<br />
Indikatoren einer Übergangsphase ab. Scheinbar konterkariert wird beispielsweise die Forderung<br />
nach Reduzierung der Typenvielfalt. Denn faktisch zeitgleich werden gegenwärtig drei<br />
Typen von Fregatten gebaut. Beim Projekt 22350 handelt es sich um eine nicht komplikationslose<br />
23 völlige Neuentwicklung, - Kiellegung des Typschiffs 2006.<br />
21 Konstantin Makienko ist stellvertretender Leiter des Analysezentrums für Strategie und Technologie<br />
<br />
22 ODKB – Vertragsorganisation für kollektive Sicherheit, <br />
Siehe auch: Verzeichnis zum Militär-Industrie-Komplex der Mitgliedsstaaten <br />
23 Die Erlangung der Einsatzreife des Luftabwehrkomplexes „POLIMENT-REDUT“ verzögert sich aufgrund eines<br />
Defizits an Ingenieuren in den Konstruktionsbüros bei „Almaz-Antey“. Das Fehlen einer ganzen Generation von<br />
Ingenieuren ist auch ein direkter Indikator dieses Übergangs. Um die Arbeiten zu verkürzen, sollen die<br />
Erprobungen dieses Systems nun ihren Abschluss in den kommenden 2-3 Jahren direkt an Bord des Typschiffs,<br />
der „Admiral Gorschkow“, finden.<br />
7
Mit der Aufnahme der Serienfertigung des Projekts 1135.6M im Dezember 2010 hingegen<br />
wird eine im Export bereits erfolgreiche Entwicklung für die eigene Flotte modifiziert. In<br />
diesem Kontext ist auch die Ankündigung eines möglichen Auftrags für weitere Neubauten<br />
der Fregatten vom Projekt 11661K zu werten. Exporte haben in<br />
Fregatte „Dagestan“ von Projekt 11661K während der Errobungen im Oktober 2011 in<br />
Novorossijsk<br />
(Foto: sdn82, http://forums.airbase.ru)<br />
Universeller Schiffs-Start-Komplex<br />
(8-fach)<br />
(Grafik: Agat)<br />
beiden Fällen offenbar nicht nur die Finanzierung gestützt, sondern<br />
auch einen Technologieschub bewirkt, der diese Entwicklungen nun auch für die eigene Flotte<br />
als zuverlässige und relativ kurzfristig realisierbare Übergangslösung attraktiv macht. Bei<br />
allen drei Projekten ist die Einrüstung eines universellen Schiffs-Start-Komplexes (8-fach<br />
bzw. 12-fach) für unterschiedliche Flügelraketen vorgesehen.<br />
Auch dessen Entwicklung profitiert von der bereits nach Indien exportierten Version des<br />
Konzerns „Morinformsystem Agat“ 24 . Unverkennbar zeichnet sich das Bestreben der Flottenführung<br />
ab, derartige universelle Startkomplexe in Modulbauweise in maximaler Verbreitung<br />
einzusetzen. Beachtlich ist die in diesem Zusammenhang mehrmals wiederholte Information<br />
von W. Popowkin über „geplante Arbeiten zur Schaffung eines Schiffs-Raketen-Komplexes<br />
„Zyrkon-S“ («Циркон-С») mit einer Hyperschallrakete.“ 25<br />
Generell spricht neben der bereits erlangten technologischen Reife des Projekts 1135.6M auch<br />
ein erheblicher Kostenvorteil für diese Übergangslösung. Während das Projekt 22350 mit<br />
mindestens 16 Mrd. Rubeln pro Schiff veranschlagt wird, werden beim Projekt 1135.6M<br />
10 Mrd. Rubel angegeben.<br />
Nichtatomares U-Boot „Sankt Petersburg“<br />
Projekt 677 auf der IMDS-2011<br />
(Foto: Autoren)<br />
Die Parallelität zur Entwicklung beim Bau nichtatomarer<br />
U-Boote ist frappierend. Komplikationen mit der Erlangung<br />
der Serienreife beim Projekt 677 (LADA-Klasse)<br />
werden hier - basierend auf einer ebenfalls erfolgreichen<br />
Exportversion - überbrückt mit der Fertigungsaufnahme<br />
von Booten des Projekts 636.6. Dies schafft Räume für<br />
technologische Anpassungen. Jüngste Informationen über<br />
die Stand-Erprobungen einer außenluftunabhängigen Antriebsanlage<br />
mit elektrochemischem Generator für U-Boote<br />
scheinen dies zu belegen.<br />
24 <br />
25 Поповкин, В., Фаличев, O.: Мы не можем позволить себе закупать плохое вооружение. In: Ausgabe Nr.<br />
8 (374) Voenno-promyschlennyj kurjer vom 2. März 2011. <br />
8
Kompliziert ist auch die Situation beim Serienbau<br />
dringend geforderter Großer Landungsschiffe. Die<br />
Kiellegung der „Iwan Gren“ (Projekt 11711) erfolgte<br />
bereits 2004. Die Einheit ist noch immer nicht zu<br />
Wasser gelassen. Doch begann die aktive Bauphase<br />
faktisch auch erst 2008. 2012 soll der Bau nun abgeschlossen<br />
werden und 2013 an die Flotte übergeben<br />
werden. Eine Serie von 5-6 Einheiten ist zwar bis<br />
2020 angekündigt, von einem konkreten Auftrag ist<br />
jedoch noch nichts bekannt. Selbst als Ersatzbeschaffung für die noch im Bestand befindlichen<br />
15 Einheiten vom Projekt 775 und drei vom Projekt 1171 wären also mindestens<br />
<strong>18</strong> Einheiten innerhalb des kommenden Jahrzehnts erforderlich. Offenbar besitzt diese<br />
Schiffklasse aus Sicht der Flottenführung eine nachgeordnete<br />
Priorität. Die fehlende Dynamik beim<br />
Neubau dieser Schiffe steht im Kontrast zu den Aktivitäten<br />
zur Beschaffung der 4 „Mistral“. Dies gilt<br />
auch für den Bauverlauf bei Landungsbooten der<br />
Projekte 11770 / 11771 „SERNA“ und 2<strong>18</strong>20<br />
„DJUGON“.<br />
Ein zunehmend stabiler Serienbau ist bei der Korvette<br />
Projekt 20380 zu erkennen. Basierend auf den<br />
Erfahrungen der Erprobung des Nullschiffs (Typschiff)<br />
„Stereguschtschij“ und im Zuge laufender Modernisierungen erfahren die folgenden<br />
Einheiten der Serie (Projekte 20381und 20385) merkliche Aufwertungen, wie z. B. universeller<br />
Schiffsstartkomplex für Flügelraketen (8fach), erweiterter Luftabwehrraketenkomplex<br />
„REDUT“.<br />
Betrachten wir die Situation bei Kleinen Raketenschiffen und Raketenschnellbooten, so wurden<br />
im vergangenen Jahrzehnt vielfältige Projektversionen insbesondere von „ALMAZ“, aber<br />
auch vom „Selenodolsker Projektierungs- und Konstruktionsbüro“ und selbst vom „Nördlichen<br />
Projektierungs- und Konstruktionsbüro“ offeriert. Mit der Kiellegung des Projekts<br />
12300 „SKORPION“ im Jahre 2001 ging der Entwickler sogar in Vorleistung und hoffte auf<br />
einen Serienbau – bisher vergeblich. Seit dieser Zeit wird das Projekt kontinuierlich als Nachfolgeversion<br />
zum Projekt 1241 beworben. Ein<br />
Serienbau für die eigene Flotte wurde jedoch<br />
überraschend mit dem Projekt 21631<br />
„BUJAN-M“, einer tiefen Modifikation der<br />
Basisversion des Kleinen Artillerieschiffs<br />
Projekt 21630 „BUJAN“ (500t), zu einer<br />
950 t-Plattform mit Vertikalstarter (8fach) für<br />
Flügelraketen begonnen. Ende August 2011<br />
erfolgte in Selenodolsk die Kiellegung der 3.<br />
von vorerst 5 geplanten Einheiten. Zu erwarten<br />
ist unterhalb dieser Größe sehr wahrscheinlich<br />
auch der Baubeginn einer Serie von<br />
Kleinen Raketen-Artillerie-Booten vom<br />
Projekt 20970 „KATRAN“.<br />
Großes Landungsschiff Projekt 11711<br />
(Grafik: old.nationaldefense.ru)<br />
Landungsboote auf Luftkaverne der Projekte 2<strong>18</strong>20<br />
„DJUGON“ (vorn) und 11771 „SERNA“ auf der IMDS-<br />
2011 (Foto: Autoren)<br />
Kleines Raketen-Artillerie-Boot vom Projekt 20970 „KATRAN“ auf<br />
der IMDS-2011<br />
(Foto: Autoren)<br />
Bei fast all diesen Neubauten ist eine wesentliche Rückkopplung, ja mitunter auch direkte<br />
Abhängigkeit vom tatsächlichen oder erwarteten Erfolg der Exportversion erkennbar. Eine<br />
9
wirkliche Ausnahme bilden in dieser Hinsicht nur die strategischen Systeme, - allen voran die<br />
in höchster Priorität vorangetriebene Übernahme des strategischen Unterwasser-Raketen-<br />
Kreuzers Projekt 955/955A „BOREY“ mit dem in abschließenden Erprobungen befindlichem<br />
strategischen Raketenkomplex „BULAWA“ in den Kampfbestand. Allein die lange Bauzeit<br />
(Kiellegung der „Jurij Dolgorukij“ 1996) mit dem Wechsel des Systems der Hauptbewaffnung<br />
und einer Vielzahl konstruktiver Veränderungen, sowohl beim Typschiff selbst als auch<br />
den bisher 3 folgenden Einheiten, zeugt von der Dramatik dieses zudem äußerst kostenintensiven<br />
Übergangsprozesses.<br />
Angebote der OSK auf den Außenmärkten<br />
Mit welchen Projekten präsentieren sich die russischen Schiffbauer auf den Außenmärkten?<br />
Einige der z. Zt. perspektivreichsten wurden auf der IMDS-2011 vorgestellt. Dazu zählen<br />
insbesondere:<br />
o die diesel-elektrischen U-Boote des ZKBMT „RUBIN“ vom Projekt „AMUR-1650“<br />
und „AMUR-950“ mit Torpedos und vor allem Raketen (Komplex „Club-S“) für den<br />
Einsatz gegen See- und Landziele;<br />
o die Mehrzweckfregatte vom Projekt 22356 („Nördliches PKB“), als Exportmodifikation<br />
des im Bau befindlichen Projektes 22350 für die russische Flotte;<br />
o die Korvette 20382 „TIGR“ (ZMKB „ALMAZ“) als Mehrzweckschiff für den Einsatz<br />
gegen U-Boote, Überwasserschiffe und gegnerische Fliegerkräfte, sowie zur Sicherstellung<br />
des Schutzes der Staatsgrenze und der exklusiven Wirtschaftszone;<br />
o das Patrouillenschiff vom Projekt 22160 („Nördliches PKB“), vorgesehen zum Schutz<br />
der Seegrenzen und der exklusiven Wirtschaftszone;<br />
o das Kleine Raketen-Artillerie-Schiff vom Projekt 21632 „TORNADO“ („Selenodolsker<br />
PKB“), das in drei Varianten sowohl in offener See, als auch in Flachwassergebieten<br />
und Flüssen eingesetzt werden kann;<br />
o das Kleine Raketen-Artillerie-Boot vom Projekt 20970 „KATRAN“ (ZMKB<br />
„ALMAZ“) , das in direkter Nachfolge als Ersatz für die massenhaft gebauten Boote<br />
vom Projekt 205 (NATO: OSA-Klasse) anzusehen ist;<br />
o hinzu kommt ein breites Angebotsspektrum auf dem Gebiet der Patrouillen- und Landungsboote,<br />
wie z. B. die Projekte 12260 „MANGUST“, 12200 „SOBOL“, 12061<br />
„MURENA“ und 12322 „SUBR“.<br />
Auch in absehbarer Perspektive wird der Export eine wesentliche Finanzierungsquelle des<br />
einheimischen Militär-Industrie-Komplexes bleiben. 2010 lieferte Russland ausländischen<br />
Auftraggebern Rüstungsgüter im Gesamtwert von ca. 10 Mrd. US-Dollar. Nach Einschätzung<br />
von „Rosoboronexport“ wird sich dieser Wert absehbar um jährlich 500-700 Mill. US-Dollar<br />
erhöhen. Für 2011 werden mind. 10,14 Mrd. US-Dollar prognostiziert (weltweit Platz 2 nach<br />
den USA mit 28,56 Mrd. US-Dollar). Der Anteil der Marinetechnik wird dabei auf ca. 20%<br />
(etwa 2,1 Mrd. US-Dollar) beziffert.<br />
Russische Marinetechnik auf den Märkten - Tendenzen, Prioritäten und Erwartungen<br />
Einheimische Hersteller sehen sich zunehmend einer Konkurrenz mit den eigenen legal bzw.<br />
illegal kopierten früheren Entwicklungen ausgesetzt. Es entstand ein ganzes Marktsegment für<br />
Modernisierungen von sowjetischen Systemen, das vornehmlich durch China besetzt wurde.<br />
Wobei zu betonen ist, dass der chinesische Marineschiffbau heute bereits das Stadium des<br />
blinden Kopierens überwunden hat und sich zu einem vollwertigen Akteur auf dem Weltmarkt<br />
maritimer Bewaffnungen entwickelt hat. Ruslan Puchow, Direktor des Analysezen-<br />
10
trums für Strategie und Technologie, betont, dass es im Interesse Russlands darauf ankäme,<br />
einen effektiven Mechanismus für die Koordination einer militär-technischen Zusammenarbeit<br />
mit China zu entwickeln, der es ermöglicht, die Erlangung von technologischer<br />
Unabhängigkeit Chinas maximal zu bremsen. Als eine wesentliche Aufgabe wird die Unterbindung<br />
von unerwünschten Technologietransfers nach China identifiziert, wobei der Entwicklung<br />
der politischen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit mit der Ukraine<br />
und anderen GUS-Staaten eine Schlüsselrolle beigemessen wird.<br />
Eine Reihe von traditionellen Importeursländern für russische Marinetechnik orientiert sich<br />
zunehmend auf die Entwicklung eigener technologischer Kapazitäten. Dies gilt beispielhaft<br />
für Indien. Ohne in absehbarer Zeit völlig auf den Import von fertigen Endprodukten verzichten<br />
zu können, verlagert sich der Akzent der Zusammenarbeit auf gemeinsame Entwicklungen,<br />
die Übergabe von Fertigungslizenzen für Bewaffnung und Kampftechnik in Indien,<br />
sowie die Schaffung von gemeinsamen Betrieben zur Entwicklung, Produktion, Modernisierung<br />
und Reparatur. Ein Abkommen zwischen „Rosoboronexport“ und „Pipavav shipyard“ 26<br />
über die Unterstützung beim Bau von neuen bzw. die Unterhaltung von im Bestand der<br />
indischen Navy befindlichen in Russland gebauten Kampfschiffen symbolisiert diesen Trend.<br />
Hier geht es nicht zuletzt um den geplanten Bau von 16 indischen Stealth-Fregatten im<br />
kommenden Jahrzehnt, von denen 10 auf indischen Werften gefertigt werden sollen. Nach<br />
Informationen indischer Medien sieht das Memorandum mit „Rosoboronexport“ auch den<br />
Bau von 4 derartigen Fregatten nach<br />
russischer Technologie mit Beteiligung<br />
von russischen Spezialisten bei<br />
„Pipavav Shipyard“ vor. Gemeinsame<br />
Entwicklungen eines Gefechts-<br />
Informations- und -Führungssystems<br />
für die Fregatte vom Projekt 17 zwischen<br />
dem Konzern „Avrora“ 27 und der<br />
indischen Seite unterstreichen dieses<br />
Indische Fregatte INS Shivalik Projekt 17 (Foto: Sammlung Autoren) Prinzip.<br />
Mehrzweckfregatte Projekt 22356<br />
Grafik: www.oborona.ru)<br />
In jedem Falle ist die Bedeutung Indiens für<br />
Russland als militärpolitischer und technologischer<br />
Partner so offensichtlich, dass hier ein<br />
besonders feinfühliger Umgang gefordert ist.<br />
Ähnliche Tendenzen bestehen im Verhältnis zu<br />
Indonesien und Vietnam. Beide Staaten verfolgen<br />
das Ziel, die einheimische Schiffbauindustrie<br />
durch die intensive Beteiligung am Aufbau<br />
der eigenen Flottenkräfte zu entwickeln.<br />
Zusätzlich forciert wird dieser Trend durch<br />
zunehmende Befürchtungen einer Reihe von<br />
Staaten dieser Region gegenüber dem raschen Anwachsen des chinesischen maritimen Potenzials.<br />
Perspektivisch bleiben Indien, Vietnam, Indonesien, sowie die nordafrikanischen und<br />
nahöstlichen Staaten sehr wahrscheinlich die Hauptpartner von „Rosoboronexport“ beim<br />
Export und der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Marinetechnik. Erhöhen dürften sich die<br />
26 <br />
27 <br />
11
Rolle von Kasachstan und der Ukraine, nicht zu vergessen ist auch Venezuela. Bezüglich<br />
Indiens steht die Beteiligung der Fregatten vom Projekt 22356 an der Ausschreibung zum<br />
Programm „Fregatte 17A“ im Mittelpunkt. Daneben konzentrieren sich russische Bieter auf<br />
die erwartete Ausschreibung zum Bau von 6 nichtatomaren U-Booten. Letztere wird auf ein<br />
Volumen von 10 Mrd. US-Dollar geschätzt. Vorgesehen ist die Lieferung von 2 fertigen Booten<br />
mit anschließendem Technologietransfer und Bau der übrigen 4 Boote auf indischen<br />
Werften. Nach Einschätzung von BrahMos Aerospace, dem kontinuierlich auf jeder IMDS<br />
vertretenen russisch-indischen Unternehmen und wahrscheinlichen Lieferanten der Flugkörperbewaffnung<br />
dieser Boote, spricht vieles für einen Zuschlag zugunsten der russischen<br />
AMUR-Boote. Darüber hinaus wird die Wahrscheinlichkeit eines Auftrags für ein zweites<br />
Atom-U-Boot vom Projekt 971 gesehen.<br />
Fregatte „Gepard 3.9“ Projekt 11661E für die vietnamesische<br />
Marine<br />
(Foto: http://www.zdship.ru)<br />
Kleines Raketenschiff Projekt 1241.8 , hier bei den Seeerprobungen in<br />
der Ostssee im Sommer 2010<br />
(Foto: Sammlung Autoren)<br />
Im Rahmen einer grundsätzlichen Modernisierung<br />
seiner Marine wurde Vietnam zu<br />
einem Auftraggeber in allen Segmenten der Marinetechnik. Vietnam bekundete Interesse am<br />
Bau weiterer zwei Fregatten der GEPARD-Klasse (bisher 2 Einheiten geliefert). Gegenwärtig<br />
läuft der Bau von 6 nichtatomaren U-Booten vom Projekt 636 für dieses Land. Nach Lieferung<br />
von 2 Kleinen Raketenschiffen Projekt 1241.8 wird nun die Serienfertigung dieser Boote<br />
in Vietnam aufgenommen. Ebenfalls 2 Kleine Raketenschiffe Projekt 1241.8 wurden kürzlich<br />
an Turkmenien geliefert.<br />
Bezüglich Indonesiens konkurrieren gegenwärtig Frankreich, Russland, Deutschland und<br />
Südkorea um die Lieferung von nichtatomaren U-Booten. Hier befand sich der russische<br />
Bieter selbst aus Sicht von Konkurrenten in einer durchaus günstigen Ausgangslage. Der<br />
Zuschlag ging jedoch an Südkorea. Dennoch sprechen jüngste Testverläufe von Seezielraketenkomplexen<br />
(u. a. auch der russischen „YAKHONT“) durch die indonesische Marine 28<br />
für Perspektiven russischer Plattformen auch auf diesem Markt.<br />
Russische Seezielraketen als Mittel asymmetrischer Kriegführung -<br />
der Spagat zwischen Kommerz und Geostrategie<br />
Einige maritime Waffenkomplexe sind dazu geeignet, den Verkauf der angebotenen Plattformen<br />
zusätzlich zu stimulieren. So meint Konstantin Makienko, dass der Erfolg der<br />
„BrahMos“ die Vertragschancen Russlands in Indien steigern könnte. Auch erhöhte die<br />
Modernisierung nichtatomarer U-Boote mit dem Komplex „Club-S“ das Exportpotenzial der<br />
Projekte 636 entscheidend.<br />
28 Yakhont Missile Tested by Indonesian Navy; <br />
(21/04/2011)<br />
12
Universalrakete „BrahMos“ – eine russisch-indische Gemeinschaftsentwicklung<br />
auf der IMDS-2011<br />
(Foto: Autoren)<br />
Der Erklärungsansatz für diese Trends ist<br />
leicht gefunden. Entsprechend der propagierten<br />
und praktizierten Seekriegsstrategie<br />
der USA (Sea Power 21) 29 verlagert sich der<br />
Handlungsschwerpunkt hin zu einem „Krieg<br />
von See aus“. Verfolgen wir die Kriege der<br />
NATO allein der vergangenen zwei Jahrzehnte<br />
gegen Küstenstaaten, so wirken sich<br />
diese militärpolitischen Realitäten zwingend<br />
auf die technischen Entwicklungslinien von<br />
Seezielraketen und deren Nachfrage aus.<br />
Aus einem Kampfmittel auf See wird zunehmend ein Kampfmittel gegen Angriffe von See<br />
her. Moderne Komplexe sind nicht nur einsetzbar gegen Schiffskräfte auf offener See, sondern<br />
auch auf Ziele in Häfen sowie (zumeist satellitengesteuert) auf ausgewählte entferntere<br />
Landziele in geschlossenem Geländerelief. Auf diesem Gebiet der technologischen Entwicklung<br />
stehen russische Muster westlichen Entwicklungen nicht nur nicht nach, sondern übertreffen<br />
diese häufig bezüglich ihrer Originalität und Tiefe der technischen Lösung. (Tabelle)<br />
Einen wachsenden Stellenwert erlangen hier mobile Küstenraketenkomplexe. Zu ihren Vorzügen<br />
gehören neben der hohen Mobilität, die Möglichkeit zu Handlungen aus örtlichen<br />
Deckungen und ein großer Kampfsatz. Sie bieten Staaten einen effektiven Schutz des eigenen<br />
küstennahen Territoriums ohne übermäßigen Ressourcenaufwand. Russland selbst war und ist<br />
traditionell angesichts seiner 39.000 km Seegrenze mit dieser Problematik konfrontiert und<br />
verfügt folglich – übrigens im krassen Unterschied zum „historischen Westen“ - über ein breites<br />
Spektrum gerade dieser Bewaffnungen.<br />
Küstenraketenkomplex „Bal-E“ auf der IMDS-2005<br />
(Foto: Autoren)<br />
Die Autoren im Gespräch mit N. A. Wasiljew auf der IMDS-<br />
2011 (Foto: Autoren)<br />
Genau diesem Zweck soll auch der Komplex „BAL-E“ entsprechen. Mit der auf der IMDS-<br />
2011 vorgestellten überarbeiteten Rakete Kh-35UE sollen die taktisch-technischen Charakteristika<br />
des Prototyps um das 2-2,5fache übertroffen werden. Zu erwarten ist aus Sicht russischer<br />
Spezialisten bei derartigen Komplexen eine Entwicklung hin zu einem erhöhten Spektrum<br />
der zu bekämpfenden Ziele bei gleichzeitig maximaler Vereinheitlichung ihrer Träger.<br />
Letzteres zeichnet sich bereits gegenwärtig ab, wie wir vom Chefkonstrukteur im Konzern<br />
„Taktische Raketenbewaffnung“, Nikolaj Anatoljewitsch Wasiljew, erfahren konnten. Er<br />
informierte uns über die Parameter der Kh-35UE mit Trägheits- und Satellitennavigation,<br />
29 Eine zusammenfassende Betrachtung zum Wesen dieses Konzepts mit aufschlussreichen „Folgerungen für<br />
Verbündete und Koalitionspartner der USA“ siehe im Beitrag „Seapower 21“ – Rückgrat der „National Security<br />
Strategy“ der USA von Michael Stehr unter:<br />
<br />
13
einem Aktiv-Passiv-FuM-Suchkopf, - einsetzbar von Hubschraubern, Flugzeugen, Überwasserschiffen<br />
und eben aus mobilen Küstenraketenkomplexen.<br />
Bittere Ironie der Geopolitik: Libyen war der erste bedeutende<br />
Auftraggeber für den Kauf des Komplexes „BAL-<br />
E“, - geplante Lieferung 2013-2014 (Auftragsvolumen<br />
289,8 Mill. EUR). Am 9. März 2011 wurde ein Lieferembargo<br />
des russischen Präsidenten für alle militärischen<br />
Güter an dieses Land verhängt. War dies eine souveräne<br />
Entscheidung Russlands? Allenfalls wirkt eine eiserne<br />
Logik: Versäumt ein souveräner Staat – aus welchen<br />
Gründen auch immer – die rechtzeitige Investition in die<br />
eigene Armee, so wird sein Volk fremde Streitkräfte<br />
finanzieren. – Das libysche Volk bezahlt bereits jetzt mit<br />
Blut und Öl.<br />
Um in dieser Logik zu bleiben: Der syrische Staat kaufte<br />
trotz massiver Intervention der USA und Israels den<br />
Mobilen Küstenraketenkomplex K-300P „Bastion-PE“ mit<br />
der Seezielrakete „Yakhont“ 30 . Wie wir auf der IMDS erfuhren, sei diese Lieferung bereits<br />
erfolgt. Auch Vietnam erhielt diesen Komplex bereits im Mai 2010. In Russland selbst<br />
befindet sich der Komplex „Bastion-P“ in der Bewaffnung der 11. Selbständigen Küsten-<br />
Raketen-Artilleriebrigade nahe Anapa am Schwarzen Meer. Ein analoger Zweck wird mit der<br />
geplanten Stationierung dieses Komplexes auf den Kurilen verfolgt.<br />
Überraschend war die reale Präsentation des nun einsatzfähigen Komplexes „Club-K“ in<br />
gleich zwei Versionen auf der IMDS:<br />
o in einem 40-Fuß-Container mit den 4 Raketen<br />
3M-54KE und 3M-14KE und<br />
o in einem 20-Fuß-Container mit 4 Raketen Kh-<br />
35UE.<br />
Bekanntlich löste der Markteintritt dieses im „historischen<br />
Westen“ inzwischen als „Büchse der Pandora“<br />
bezeichneten Komplexes schon vor gut einem Jahr<br />
selbst unter so genannten seriösen bürgerlichen Medien<br />
31 hysterische Spekulationen aus. Nun liegt dieses<br />
System praktisch vor und kann, so die nicht unberechtigte<br />
Annahme russischer Spezialisten, sogar zur<br />
Entstehung eines neuen Marktsegments führen.<br />
Letzteres allein dadurch, dass eine Reihe von Küstenstaaten<br />
(z.B. in Nordafrika, dem Nahen Osten und<br />
Mobiler Küstenraketenkomplex K-300P<br />
„Bastion-PE“ mit der Seezielrakete „Yakhont“<br />
(Foto: Sammlung Autoren)<br />
Rostislaw Atkow und Sergej Pachomow vom Konzern<br />
„Morinformsystem-AGAT“ mit den Autoren vor dem<br />
Komplex „Club-K“<br />
(Foto: Autoren)<br />
Südostasien) nun die Chance erkennen könnte, in kostengünstiger Alternative zu einem aufwändigen<br />
Flottenunterhalt den souveränen Schutz des eigenen Landes von See her adäquat zu<br />
gewährleisten. Ganz zu schweigen von China, Indien und dem Iran. Allein die Information,<br />
dass China Interesse am Kauf dieses Systems 32 bekundete, das sowohl mit GPS als auch<br />
30 <br />
31 <br />
32 <br />
<br />
14
GLONASS kompatibel ist und künftig auch mit dem chinesischen System „Kompass“ 33 und<br />
dem europäischen „Galileo“ arbeiten soll, löste in der Heritage Foundation 34 lebhafte Befürchtungen<br />
aus.<br />
Container-Raketen-Komplex „Club-K“ in der Ausführung als 20-Fuß-<br />
Container mit Raketen Kh-35-UE<br />
(Foto: Autoren)<br />
Container-Raketen-Komplex „Club-K“ in der Ausführung als<br />
40-Fuß-Container mit Raketen 3M-54E und 3M-14E<br />
(Foto: Autoren)<br />
Folgen wir der sehr direkten und ebenso nüchternen Argumentation des Direktors für Außenwirtschaftstätigkeit<br />
des Konzerns „Morinformsystem-Agat“, Rostislaw Atkow, so wird es<br />
sich ein potenzieller Aggressor gut überlegen, ob er einen Küstenstaat, der über derartige mobile<br />
Küstenraketensysteme verfügt, angreifen wird. Darüber hinaus offerierte selbiger Konzern<br />
erstmals die Grundelemente eines Komplexsystems zum Schutz und zur Verteidigung<br />
eines Küstenabschnitts. Vertreter einer Reihe von Staaten Afrikas und Asiens bekundeten ihr<br />
Interesse und begannen Vorvertragsverhandlungen. Marinetechnologie wird jedoch nicht erst<br />
an dieser Stelle zum direkten Instrument von Geopolitik.<br />
Fazit<br />
Wie durch ein Prisma gestattete die IMDS-2011 dem wachen Beobachter eine Innenansicht<br />
der Schiffbau- und Marinepolitik Russlands. Blicken wir mit inzwischen einigem Abstand auf<br />
die globalen Medienreaktionen auf diese Messe, so überwiegt die wertschätzende Anerkennung,<br />
dass es russischen Schiffbauern gelungen sei, nicht nur wesentliche Trends im Marineschiffbau<br />
erkannt, sondern auch besetzt zu haben. Das starke internationale Interesse an der<br />
Korvette „Soobrasitelnyj“ mit ihrer universellen Bewaffnung steht symbolisch für ein<br />
zentrales Marktsegment. Der kürzlich erfolgte Abschluss der technischen Verhandlungen mit<br />
Algerien über den Kauf von zwei Korvetten Projekt 20382 (eigentlich Interessent von<br />
FREMM-Fregatten) mag dies belegen.<br />
33 <br />
34 <br />
15
Korvette „Soobrasitelnyj“ vom Projekt 20381 während der Seeerprobungen 2011. Die Kiellegung dieser Einheit erfolgte 2003, sie<br />
wurde am 31. März 2011 zu Wasser gelassen. Die Erprobungen begannen im Mai. Am 14. Oktober wurde die „Soobrasitelnyj“<br />
feierlich an die Seekriegsflotte übergeben und wurde gleichzeitig in den Bestand der 128. Brigade von Überwasserschiffen der<br />
Baltischen Flotte übernommen. (Foto: Sammlung Autoren)<br />
Die intensivsten medialen Reaktionen kamen aus dem dynamischen südostasiatischen Raum<br />
im Umfeld von Indien und China. Auch in der Türkei verfolgt man aufmerksam die aktuellen<br />
Entwicklungen, insbesondere zur bevorstehenden Erneuerung der Schwarzmeerflotte.<br />
Praktisch unbeachtet blieb diese Messe von den großen Massenmedien der führenden westlichen<br />
Staaten. Glaubt man hier bereits, eine Konkurrenz Russlands nicht mehr fürchten zu<br />
müssen? Oder ist es „nur“ die traditionelle geopolitische Ignoranz? Unangemessen wäre beides.<br />
Trotz zaghafter Anzeichen, ein „eurasischer maritimer Binnenmarkt“ – die objektiv<br />
eigentliche Chance für Europa und Russland – und zwar vor allem auf zivilem Gebiet, bleibt<br />
nach wie vor nicht mehr als eine vage Vision. Und dies trotz eines gigantischen<br />
Problemdrucks für unseren Kontinent. Wirklich bereit dazu sind aktuell weder die Macht-<br />
„Eliten“ in Westeuropa, noch die in Russland. Auch kann von der Wiedergeburt einer<br />
Seemacht Russland – für dieses Land eine Frage der Souveränität überhaupt - noch keine<br />
Rede sein. Aber – der Prozess dorthin gewinnt deutlich an Tempo!<br />
„Die Russen schirren langsam an, - dann aber fahren sie schnell!“ («Русские медленно<br />
запрягают, да быстро едут!») Sollte sich dieses Sprichwort wiederum bestätigen? Noch<br />
besteht diese Chance!<br />
16
Komplexbezeichnung Raketen<br />
(Flugkörper)<br />
Mobiler Küsten-Raketen-<br />
Komplex „BAL-E“<br />
Operativ-taktischer mobiler<br />
Küsten-Raketen-Komplex<br />
„BASTION-P“<br />
Operativ-taktischer mobiler<br />
Küsten-Raketen-Komplex<br />
„CLUB-M“<br />
Container-Raketen-Komplex<br />
„CLUB-K“ (40-Fuß-Container)<br />
Container-Raketen-Komplex<br />
„CLUB-K“ (20-Fuß-Container)<br />
Mobiler Küsten-Raketen-<br />
Komplex „BRAHMOS“<br />
Reichweite Anzahl der<br />
Raketen pro<br />
Trägereinheit<br />
Hersteller<br />
Kh-35E (3M-24E) bis 120 km bis zu 8 je mobile Konzern „Taktische<br />
Rampe<br />
Raketenbewaffnung“<br />
http://www.ktrv.ru/<br />
3M-55E „Yakhont“ bis 300 km 2 je mobile Rampe NPO „Maschinenbau“<br />
http://www.npomash.ru/<br />
3M-54KE oder<br />
3M-14KE<br />
3M-54E oder<br />
3M-14E<br />
bis 275 km<br />
bis 275 km<br />
bis zu 6 je mobile<br />
Rampe<br />
bis zu 4 je<br />
Container<br />
Kh-35UE 7 bis 260 km bis zu 4 je<br />
Container<br />
Konzern<br />
„Morinformsystem-Agat“<br />
http://www.concernagat.ru/<br />
Konzern<br />
„Morinformsystem-Agat“<br />
http://www.concernagat.ru/<br />
Konzern<br />
„Morinformsystem-Agat“<br />
http://www.concernagat.ru/<br />
BRAHMOS bis 300 km 3 je mobile Rampe BrahMos Aerospace Private<br />
Limited<br />
http://brahmos.com/<br />
<strong>18</strong>