abi 05/2003 - Studium und Beruf - und Gesundheitswesen ...
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<strong>Studium</strong> & <strong>Beruf</strong>: Ges<strong>und</strong>heitsförderung/-management<br />
Versicherte <strong>und</strong><br />
Patienten im Blick<br />
Foto: Wilko Petermann/Pressestelle AOK Sachsen-Anhalt<br />
Studentin Anja Cermann (links) <strong>und</strong> Dipl.-Ges<strong>und</strong>heitswirtin (FH) Nadine Bollmann leiten unter anderem Kurse, in denen die Teilnehmer<br />
lernen, wie man mit ausgewogener Ernährung das Gewicht reduzieren kann.<br />
Anja Cermann <strong>und</strong> Nadine Bollmann arbeiten in der AOK Sachsen-<br />
Anhalt. Während Anja Cermann nach der Ausbildung zur Fachangestellten<br />
für Bürokommunikation gerade den Diplomstudiengang<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung/-management an der Hochschule Magdeburg-Stendal<br />
belegt, hat Nadine Bollmann ihren Diplom-Ges<strong>und</strong>heitswirt<br />
(FH) schon in der Tasche.<br />
Im Jahr 2000 beendete Anja Cermann die<br />
Ausbildung bei der AOK Sachsen-Anhalt.<br />
„Es sollte aber noch etwas passieren“, berichtet<br />
sie. „Ein Medizinstudium entsprach<br />
nicht ganz meinen Vorstellungen“, so die<br />
Studentin, zumal ihr bei der AOK ein Arbeitsvertrag<br />
angeboten worden war. Anja<br />
Cermann ging einen Kompromiss ein: Eine<br />
Halbtagsbeschäftigung in der Krankenkasse<br />
lässt ihr genug Freiraum für das <strong>Studium</strong>.<br />
Zumal sie ihre Arbeitszeit relativ flexibel einteilen<br />
kann. „Auch an der Hochschule kann<br />
ich den St<strong>und</strong>enplan selbst organisieren. Es<br />
gibt nur Vorgaben, welche Vorlesungen <strong>und</strong><br />
Seminare ich belegt haben muss“, erläutert<br />
Anja Cermann.<br />
Im dreisemestrigen Gr<strong>und</strong>studium werden<br />
für jeweils ein Semester die Fächer Sozialmedizin,<br />
Sozial- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsrecht,<br />
Ges<strong>und</strong>heitswissenschaften, Statistik, Empirische<br />
Sozialforschung, Psychologie, Ernährungspädagogik<br />
<strong>und</strong> BWL im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
gelehrt. Anja Cermann: „In jedem Fach<br />
muss ich eine mündliche oder schriftliche<br />
Prüfung ablegen, manchmal auch ein Referat<br />
halten oder eine Hausarbeit schreiben.“ Humanbiologische<br />
Themen stehen hingegen<br />
während des gesamten Gr<strong>und</strong>studiums auf<br />
dem St<strong>und</strong>enplan. Bereits nach dem ersten<br />
oder dem zweiten Semester wird ein sechswöchiges<br />
Organisationspraktikum in einer<br />
Einrichtung des Ges<strong>und</strong>heitswesens absolviert.<br />
Im Hauptstudium (fünf Semester) können<br />
sich die Studierenden zum einen für einen<br />
Studienschwerpunkt entscheiden <strong>und</strong><br />
zum anderen ihr Wissen vertiefen. Außerdem<br />
müssen sich die Studenten drei Semester an<br />
Projekten beteiligen.<br />
Projektarbeit<br />
Weil Nadine Bollmann als Studentin<br />
nicht berufstätig war, konnte sie sich sogar<br />
in zwei Projekten einbringen: „In einer<br />
Selbsthilfekontaktstelle habe ich ältere <strong>und</strong><br />
kranke Menschen beraten. Außerdem habe<br />
ich im Rahmen der betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
an Überprüfungen von Unternehmen<br />
hinsichtlich der Gefährdung am<br />
Arbeitsplatz mitgewirkt“, so die Diplom-Ges<strong>und</strong>heitswirtin.<br />
Zur Vorbereitung auf die<br />
Diplomarbeit untersuchte Nadine Bollmann<br />
im Rahmen der <strong>Beruf</strong>spraktika in zwei Krankenkassen,<br />
wie in Sachsen-Anhalt Diabetiker<br />
mit Unterstützung der Kostenträger<br />
koordinierter <strong>und</strong> somit besser betreut werden<br />
können.<br />
Nach dem <strong>Studium</strong> wurde Nadine Bollmann<br />
bei der AOK zunächst eine anderthalbjährige<br />
Trainee-Stelle angeboten. Danach<br />
bekam sie einen unbefristeten Arbeitsvertrag.<br />
„Ich bearbeite Anfragen von Versicherten,<br />
organisiere Workshops <strong>und</strong> Diabetiker-Tage<br />
<strong>und</strong> nehme an Verhandlungen mit<br />
der Kassenärztlichen Vereinigung teil“, so die<br />
Expertin r<strong>und</strong> um den Diabetes mellitus. ■<br />
30 <strong>abi</strong> 5/<strong>2003</strong>
<strong>Studium</strong> & <strong>Beruf</strong>: Ges<strong>und</strong>heitsförderung/-management<br />
STUDIUM<br />
Horizont erweitern<br />
Kay Nitschke arbeitet seit elf Jahren bei der AOK Sachsen-Anhalt.<br />
Nach der Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten<br />
beriet er ab 1995 Unternehmer im ges<strong>und</strong>heitsfördernden Bereich.<br />
„Die Möglichkeit zu studieren habe ich aber nie aus dem Blickfeld<br />
verloren“, so der 31-jährige Leiter des Vorstandsbüros.<br />
Vor fünf Jahren wurde ihm eine hausinterne<br />
Ausbildung zum AOK-Betriebswirt<br />
angeboten. „Mich reizte dann aber mehr<br />
die Chance, praktische Erfahrungen mit<br />
neuen theoretischen Erkenntnissen zu verknüpfen“,<br />
erklärt Kay Nitschke, deshalb immatrikulierte<br />
er sich an der Hochschule<br />
Magdeburg-Stendal. Der Stabsstellenleiter<br />
schreibt nun – im<br />
neunten Semester<br />
– die Diplomarbeit.<br />
Das Thema: „Die<br />
Rolle <strong>und</strong> Funktion<br />
der AOK Sachsen-<br />
Anhalt in der ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Versichertenberatung“.<br />
Dahinter stehen<br />
Überlegungen, wie<br />
Kay Nitschke<br />
das gesamte Bera-<br />
Foto: Hochschule Magdeburg-Stendal<br />
tungsangebot der Krankenkasse vom persönlichen<br />
Gespräch über die Hotline bis<br />
zum Internet im Interesse der Versicherten<br />
optimiert werden kann. „Im <strong>Studium</strong> habe<br />
ich meinen Horizont erweitert <strong>und</strong> gelernt,<br />
das Wissen abteilungsübergreifend anzuwenden“,<br />
resümiert Kay Nitschke.<br />
K<strong>und</strong>enorientiert<br />
Der 31-jährige Magdeburger Matthias<br />
Tietz entschloss sich nach vier Jahren als<br />
haupt- <strong>und</strong> ehrenamtlicher Rettungssanitäter<br />
1996 zu einem <strong>Studium</strong>. Seit Herbst<br />
2001 arbeitet er als Patientenberater. „Einen<br />
wesentlichen Anteil des Know-hows für<br />
meine jetzige Arbeit habe ich mir im Praktikum<br />
angeeignet“, berichtet der Diplom-<br />
Ges<strong>und</strong>heitswirt. Weil er bei der Techniker-<br />
Krankenkasse versichert ist, hatte er dort<br />
nach einer Praktikantenstelle gefragt –<br />
<strong>und</strong> Glück gehabt:<br />
„Ich arbeitete in<br />
der Pressestelle<br />
der Hauptverwaltung<br />
in Hamburg“,<br />
so Matthias Tietz.<br />
Das zweite Praktikum<br />
absolvierte er<br />
in seiner Heimatstadt,<br />
<strong>und</strong> zwar<br />
ebenfalls bei der<br />
Techniker-Krankenkasse<br />
im Bereich<br />
Matthias Tietz<br />
Öffentlichkeitsarbeit: „Dort hatte ich Einblicke<br />
in technische Prozesse <strong>und</strong> organisierte<br />
unter anderem Vortragsveranstaltungen.“<br />
Als dann der Sozialverband<br />
Deutschland e.V. nach einem Absolventen<br />
fragte, der hauptamtlich die Patientenberatung<br />
in der neuen Servicestelle in Magdeburg<br />
übernehmen möchte, bewarb sich<br />
Matthias Tietz.<br />
Seine Aufgabe ist es, Ratsuchenden Perspektiven<br />
aufzuzeigen oder ihnen kompetente<br />
Ansprechpartner zu vermitteln. Matthias<br />
Tietz: „Den größten Anteil nehmen Fragen<br />
zur Kostenübernahme <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />
der Ges<strong>und</strong>heitsförderung ein.“ In Hamburg<br />
hatte er vom Pressereferenten gelernt,<br />
„gnadenlos k<strong>und</strong>enorientiert“ zu denken<br />
<strong>und</strong> zu handeln. In der Beratungsstelle kann<br />
er diese Philosophie täglich aufs Neue umsetzen.<br />
Foto: Hochschule Magdeburg-Stendal<br />
Foto: Hochschule Magdeburg-Stendal<br />
Gute Studienbedingungen an der Hochschule Magdeburg-Stendal: Notebooks stehen leihweise zur Verfügung. Über das installierte Funknetz<br />
können die Studierenden an jedem Ort des Campus auf das Internet <strong>und</strong> auf elektronisch zur Verfügung stehende Lehrangebote zugreifen.<br />
<strong>abi</strong> 5/<strong>2003</strong> 31
<strong>Studium</strong> & <strong>Beruf</strong>: Ges<strong>und</strong>heitsförderung/-management<br />
Arbeitsmarkt<br />
Die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> Praktikantenstellen zeigt, dass der Bedarf<br />
an Fachleuten im ges<strong>und</strong>heitsfördernden<br />
Bereich zunimmt. Hierbei reichen die<br />
Einsatzmöglichkeiten von Krankenkassen<br />
über Wohlfahrtsverbände <strong>und</strong> Reha-Einrichtungen<br />
bis zu großen Unternehmen.<br />
„Die betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
hat sich recht gut entwickelt“, resümiert<br />
Professor Dr. Eberhard Göpel vom Fachbereich<br />
Sozial- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesen der<br />
Hochschule Magdeburg-Stendal. Mindestens<br />
zwanzig Absolventen seiner Hochschule<br />
hätten in großen Unternehmen Arbeitsplätze<br />
gef<strong>und</strong>en. Häufig sei ein Praktikum<br />
das Sprungbrett zum Arbeitsvertrag,<br />
der meistens mit den Betriebskrankenkassen<br />
abgeschlossen wird.<br />
Auch bei den Wohlfahrtsverbänden gäbe<br />
es Bedarf. Unbefristete Stellenangebote<br />
seien dort allerdings eher selten, so Professor<br />
Göpel. Praktikanten würden in diesem<br />
Bereich allerdings gern eingesetzt. „Wir versuchen<br />
die Studenten darauf vorzubereiten,<br />
selbstständig <strong>Beruf</strong>sfelder zu erschließen.“<br />
Spezialisiert auf die kommunale Ges<strong>und</strong>heitsförderung,<br />
sieht Professor Göpel hier<br />
einen objektiven Bedarf an Ges<strong>und</strong>heitswirten:<br />
„Wir arbeiten antizyklisch <strong>und</strong> versuchen,<br />
den Kommunen zu vermitteln, dass<br />
sie klug investieren, wenn sie Fachleute im<br />
Bereich Ges<strong>und</strong>heitsförderung einstellen.“<br />
Deswegen kooperiert die Hochschule<br />
Magdeburg-Stendal mit dem Deutschen<br />
Städtetag <strong>und</strong> verschiedenen Kommunen.<br />
In dem b<strong>und</strong>esweiten WHO-Netzwerk „Ges<strong>und</strong>e<br />
Städte Netzwerk“ wird überlegt, wie<br />
sich Ges<strong>und</strong>heitsförderung als ein Element<br />
zielorientierter Stadtentwicklung etablieren<br />
lässt. Deshalb werden die Studenten<br />
fit gemacht für die Ausrichtung von Ges<strong>und</strong>heitskonferenzen<br />
<strong>und</strong> Ausgestaltung von<br />
Projekten. ■<br />
Gute Perspektiven<br />
für die Zukunft<br />
Prof. Dr. Eberhard Göpel von der Hochschule<br />
Magdeburg-Stendal über die<br />
Perspektiven des Studiengangs Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
<strong>und</strong> -management.<br />
! nfo<br />
Hochschule Magdeburg-Stendal<br />
Diplom-Studiengang Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong><br />
-management<br />
Prof. Dr. Eberhard Göpel<br />
Breitscheidstraße 2<br />
39114 Magdeburg<br />
Tel. 0391/8864304<br />
E-Mail: eberhard.goepel@sgw.hs-magdeburg.de<br />
http://www.sgw.hsmagdeburg.de/efoe/index.html<br />
Fachhochschule Hamburg<br />
Prof. Detlef Krüger<br />
Lohbrügger Kirchstraße 65<br />
21038 Hamburg<br />
Tel. 040/428912784<br />
detlef.krueger@rzbd.fh-hamburg.de<br />
http://www.rzbd.fh-hamburg.de<br />
Prof. Dr. Eberhard Göpel<br />
Foto: Wylegalla<br />
<strong>abi</strong>: Herr Professor Göpel, welche Voraussetzungen sollen junge Menschen, die den Diplomstudiengang<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung/-management belegen möchten, mitbringen?<br />
Eberhard Göpel: Es ist vorteilhaft, wenn sie nicht gleich nach dem Abitur mit dem <strong>Studium</strong><br />
beginnen, sondern sich erst einmal etwas soziale Erfahrung aneignen. Zum Beispiel in einer<br />
<strong>Beruf</strong>sausbildung oder zumindest einem Job. Viele Studienbewerber kommen übrigens aus<br />
sozialen <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsberufen.<br />
<strong>abi</strong>: Gibt es noch weitere Bedingungen?<br />
Eberhard Göpel: Neugierde auf sich selbst <strong>und</strong> die Bereitschaft, mit Körpererfahrung <strong>und</strong><br />
Selbstreflexion zu arbeiten, ist die Basis für dieses <strong>Beruf</strong>sfeld. Das Leben ist endlich. Es muss<br />
Interesse da sein zu fragen, wie man die Lebensqualität verbessern kann. Ges<strong>und</strong>heitswirte<br />
sollen letztlich soziale Zusammenhänge gestalten. Dafür sind kreative <strong>und</strong> innovative Ideen<br />
nötig, mit denen sie sich in die Geschehnisse einmischen.<br />
<strong>abi</strong>: Was heißt das konkret?<br />
Eberhard Göpel: Menschen leiden, wenn Lebenszusammenhänge, in denen sie aufgewachsen<br />
sind, nicht mehr stimmen. Deshalb sind Kreativität <strong>und</strong> Engagement gefordert, um Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Menschen<br />
sich aus ihren Ängsten lösen können <strong>und</strong> Lust bekommen, sich mit der Veränderung zu entwickeln.<br />
<strong>abi</strong>: Welche Möglichkeiten sehen Sie dafür im öffentlichen Bereich?<br />
Eberhard Göpel: Zum Beispiel die Förderung der Selbsthilfe oder Ges<strong>und</strong>e-Städte-Projekte innerhalb von Kommunen. Dort, wo sich<br />
Gewohnheiten bilden, müssen Ansätze für ges<strong>und</strong>heitsfördernde Maßnahmen gesucht <strong>und</strong> gef<strong>und</strong>en werden. Zum Beispiel in den Schulen.<br />
Außer Netzwerken für ges<strong>und</strong>heitsfördernde Städte gibt es auch schon solche für Krankenhäuser – so paradox dies klingt – <strong>und</strong> es wird<br />
sogar über ges<strong>und</strong>heitsfördernde Gefängnisse nachgedacht. Die betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung ist schon recht gut organisiert. Dies<br />
muss nun auch im öffentlichen Bereich geschehen. Für Diplom-Ges<strong>und</strong>heitswirte sehe ich dort die Arbeitsplätze der Zukunft.<br />
32 <strong>abi</strong> 5/<strong>2003</strong>