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Frankfurt Institute for Molecular Life Sciences (FMLS) - CEF-MC

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10 11<br />

leben verSteHen<br />

alle lebewesen bestehen aus Zellen. leben verstehen<br />

bedeutet daher in erster linie: Zellen verstehen.<br />

Zahlreiche organismen sind einzeller. Durch biochemisch<br />

gesteuerte prozesse produzieren sie auf kleinstem<br />

raum energie, betreiben stoffwechsel, synthetisieren<br />

alle zum leben notwendigen Verbindungen und vermehren<br />

sich. Dabei tauschen sie mit ihrer umgebung<br />

ständig energie und materie aus. Zellen – und damit<br />

alle lebewesen – leben in einem fließenden Gleichgewicht,<br />

das auf einem ausgeklügelten regelmechanismus<br />

beruht. so erneuern sich die Zellen des menschlichen<br />

Körpers vollständig innerhalb von sieben monaten. Die<br />

Bäckerhefe benötigt dafür zwei stunden, das Darmbakterium<br />

Escherichia coli nur 20 minuten. Der ausspruch<br />

des griechischen philosophen Heraklit »alles fließt«, der<br />

seiner lehre von der einheit aller Dinge entsprang, erfährt<br />

durch die erkenntnisse der Zellbiologie eine neue,<br />

aktuelle Bedeutung.<br />

auf der molekularbiologischen ebene begannen Biologen<br />

und Chemiker das rätsel des lebens mitte des<br />

vergangenen Jahrhunderts zu entschlüsseln: den genetischen<br />

Code. alle Zellen speichern ihre genetische<br />

In<strong>for</strong>mation in <strong>for</strong>m von Dna, verpackt in Chromosomen,<br />

die entweder in einem membranumschlossenen<br />

Zellkern (eukaryonten) oder in einem kernäquivalenten<br />

Bereich, dem nucleoid (prokaryonten), zusammengefasst<br />

sind. Die analyse genetischer Veränderungen<br />

hatte für die evolutionstheorie große Bedeutung, denn<br />

sie stellte Darwins Idee auf eine molekulare Grundlage:<br />

Verwandtschaften zwischen lebewesen lassen sich<br />

heute aus der Ähnlichkeit der Gene erschließen. experimente<br />

mit künstlich erzeugten mutationen verdeutlichen<br />

nicht nur die funktion einzelner Gene, sondern<br />

auch, wie im laufe der erdgeschichte Varianten von<br />

spezies entstanden sind – eine wichtige Grundlage für<br />

die evolution. Den Höhepunkt dieses wissenschaftlichen<br />

abenteuers, das zahlreiche biotechnologische anwendungen<br />

mit sich brachte, bildete die sequenzierung<br />

des menschlichen Genoms im Jahr 2000.<br />

erst in jüngster Zeit ist auch das »schwester-molekül«<br />

der Dna, die rna, aus dem schattendasein als bloßes<br />

Botenmolekül herausgetreten. Die rna, die bis auf<br />

eine nukleobase aus den gleichen Bausteinen besteht<br />

wie die Dna, transportiert eine Kopie der genetischen<br />

In<strong>for</strong>mation zu den ribosomen, wo sie in proteine umgesetzt<br />

wird – aber rna kann noch viel mehr: Durch<br />

Basenpaarungen innerhalb eines rna-strangs können<br />

schleifen entstehen, die mit anderen schleifenstrukturen<br />

komplexe dreidimensionale architekturen bilden.<br />

Diese weisen eine ähnliche strukturelle Vielfalt auf wie<br />

die proteine und können als Bindestellen für andere<br />

moleküle (liganden) oder als katalytische Zentren dienen.<br />

nach dem Genom ist eine der nächsten großen wissenschaftlichen<br />

Heraus<strong>for</strong>derungen zum Verständnis<br />

des lebens das proteom: Die summe aller unterschiedlichen<br />

proteine (eiweiße), die im Körper entstehen. als<br />

exakt gebaute molekulare maschinen übernehmen proteine<br />

vielfältigste funktionen: sie können andere moleküle<br />

erkennen, binden, transportieren oder verändern.<br />

Das ist erstaunlich, denn der genetische Code aus vier<br />

Buchstaben wird in die vergleichsweise geringe Zahl<br />

von nur 20 aminosäuren, den Grundbausteinen der<br />

proteine, übersetzt. Diese aufgabe übernehmen in der<br />

Zelle die ribosomen: sie verknüpfen aminosäuren zu<br />

langen polypeptid-Ketten.<br />

Das Geheimnis ihrer funktion liegt bei den proteinen<br />

in ihrer dreidimensionalen struktur, die durch<br />

eine reihe komplizierter faltungen entsteht – so wie<br />

ein Wollfaden erst wärmt, wenn er zu einem pullover<br />

verstrickt wird. Wie diese strukturen entstehen, ist<br />

heute zum größten teil noch unbekannt, da es eine ungeheure<br />

Vielfalt potentieller möglichkeiten gibt. ebenso<br />

ist nur ein Bruchteil der proteinstrukturen bisher experimentell<br />

aufgeklärt worden. Da viele proteine ihre<br />

funktion darüber hinaus nicht allein, sondern im Konzert<br />

mit anderen proteinen im dicht bevölkerten Inneren<br />

der Zelle erfüllen, wird die aufgabe, ihre funktion<br />

im lebendigen organismus zu verstehen, noch einmal<br />

komplizierter.<br />

Die hohe Komplexität heutiger Zellen wäre ohne membranen<br />

nicht denkbar. sie trennen nicht nur das Zellinnere<br />

von der außenwelt, sondern unterteilen auch<br />

die Zelle selbst in verschiedene reaktionsräume (Kompartimente),<br />

die unabhängig voneinander arbeiten.<br />

Das Zusammenspiel dieser einheiten untereinander<br />

und der austausch mit der umwelt werden dadurch<br />

gewährleistet, dass membranen für bestimmte stoffe<br />

durchlässig sind. auch hier spielen proteinkomplexe,<br />

die membranen wie poren oder kompliziert aufgebaute<br />

pumpen durchziehen, eine entscheidende rolle. membranproteine<br />

haben darüber hinaus eine schlüsselfunktion<br />

bei der Gewinnung von adenosintriphosphat<br />

(atp) in den mitochondrien, die die Zelle mit energie<br />

versorgen. Zur aufklärung dieses mechanismus haben<br />

Cef-<strong>for</strong>scher wesentlich beigetragen. sie fügten damit<br />

dem großen puzzle, das leben zu verstehen, ein weiteres<br />

teil hinzu.

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