wissenstransfer als balanceakt sfb 580 - SFB 580 - Friedrich-Schiller ...
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Vorstellung Transferpraxis References Literatur des Transferprojekts<br />
im <strong>SFB</strong> <strong>580</strong><br />
Seite page 78<br />
„Grundlagenforschung“, so stößt man auf<br />
völliges Unverständnis und Kopfschütteln<br />
bzw. die Frage, „ob man jetzt neuerdings<br />
in zellbiologischen Laboren arbeite“.<br />
• Eine andere Deutung bestünde darin, dass<br />
Transferfragen zwar nicht <strong>als</strong> genuine<br />
Aufgabe soziologischer Forschung angesehen<br />
werden, dass aber die Sache selbst<br />
bzw. der Untersuchungsgegenstand einen<br />
irgendwie gearteten Transfer erfordert,<br />
dem sich die Forschung nicht entziehen<br />
kann. Insbesondere - aber nicht nur -<br />
dort, wo face-to-face-Datenerhebungen<br />
durchgeführt werden, erwarten in der<br />
Regel die Interviewpartner Auskünfte<br />
darüber, „was denn herausgekommen<br />
ist“. Bei der fallrekonstruktiv verfahrenden<br />
empirischen Sozialforschung ist das<br />
aufgrund der Intensität und der Dauer<br />
der Datenerhebung in gesteigertem<br />
Maße der Fall, weshalb es dort zu einer<br />
„Reziprozitätslücke“ (Hildenbrand 1999)<br />
kommt, die aus strukturellen Gründen<br />
nicht aufhebbar ist - der Forscher kann<br />
dem Beforschten nicht das in gleicher<br />
Münze zurück geben, das er von ihm<br />
erhalten hat. Wenden wir diese Beobachtung<br />
ins Allgemeine, dann kommen wir<br />
zu einer weiteren Deutung der Differenz<br />
zwischen grundlagenforschungskompatibler<br />
Antragsformulierung und konkreter<br />
Transferpraxis:<br />
• Nicht der konkrete Akteur in Gestalt<br />
eines Interviewpartners, der<br />
dem Interviewer Zeit und Aufmerksamkeit<br />
schenkt, sondern ein idealer<br />
Akteur in Gestalt der Gesellschaft, die<br />
dem Forscher Ressourcen zukommen<br />
lässt, bringt den Forscher in eine Situation,<br />
die Marcel Mauss <strong>als</strong> „Erwiderung einer<br />
Gabe“ beschreiben würde. Geben und<br />
Nehmen ist ein „’totales’ gesellschaftliches<br />
Phänomen“ (Mauss 1968, S. 17), dem sich<br />
auch die Sozialforschung nicht entziehen<br />
kann. Dieser unabweisbar bestehende<br />
Druck der Erwiderung einer Gabe wird<br />
dadurch verstärkt, dass die Soziologie <strong>als</strong><br />
Krisenwissenschaft in besonderer Weise<br />
dazu aufgefordert ist, ihre Forschungsergebnisse<br />
nicht für sich zu behalten,<br />
sondern der Gesellschaft zur Verfügung<br />
zu stellen. Als „Engagement und Distanzierung“<br />
bezeichnet Norbert Elias die<br />
typische Haltung des Intellektuellen in<br />
der modernen Gesellschaft, namentlich<br />
des Soziologen. Zur forschungslogischen<br />
Haltung der Distanzierung tritt untrennbar<br />
das Engagement, dessen Wirken<br />
umso effizienter ausfällt, je größer die<br />
Distanz zum praktischen Eingreifen ist.<br />
Reine Rationalität gibt es nicht - Elias<br />
verwendet hier den Begriff der „Doppelbindung“,<br />
den er bei der Schizophrenieforschung<br />
ausgeliehen hat und der<br />
die widersprüchliche Einheit von Affekt<br />
und Rationalität bezeichnet (Elias 1987,<br />
S. 83). Weniger voraussetzungsvoll, dafür<br />
umso erfahrungsgesättigter fällt der Begriff<br />
des Psychiaters Luc Ciompi aus, der<br />
denselben Zusammenhang <strong>als</strong> „Affektlogik“<br />
beschreibt: Affekt und Logik „bilden<br />
eine Art Doppelsystem, oder vielmehr ein<br />
zusammenhängendes System mit zwei<br />
Polen“ (Ciompi 1982, S. 81, Hervorh. i.<br />
O.). Soziologen ist dieser Zusammenhang<br />
von Max Webers Formel „mit Augenmaß<br />
und Leidenschaft“ (Weber 1988, S. 560)<br />
bekannt, welche zwar für die Politik <strong>als</strong>