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wissenstransfer als balanceakt sfb 580 - SFB 580 - Friedrich-Schiller ...

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Sozialwissenschaften References Literatur und<br />

gesellschaftliche Praxis<br />

eindämmbarem Streit. Sie beschaffen<br />

Sicherheit und Problemlösungen durch<br />

spezialisierte Techniken des Umgangs<br />

mit solchen Problemen“ (Luhmann 1991,<br />

S. 29). Daraus ist das Fazit zu ziehen, dass<br />

sozialwissenschaftliches Wissen dort, wo<br />

es um gesellschaftliche Zentralwerte<br />

geht, nicht direkt, sondern nur vermittelt<br />

über Professionen für die gesellschaftliche<br />

Praxis nutzbar gemacht werden kann.<br />

Das zentrale Stichwort dafür heißt stellvertretende<br />

Deutung (Oevermann 1996).<br />

<strong>Friedrich</strong>s, Lepsius und Mayer stellen die folgenden<br />

Diskussionspunkte bei der Frage des<br />

Transfers sozialwissenschaftlichen Wissens in<br />

die gesellschaftliche Praxis heraus:<br />

• Der selbst gesetzte Anspruch der Soziologie<br />

an Wissenschaftlichkeit kollidiert mit<br />

gesellschaftlichen Erwartungen an sinnstiftende<br />

Orientierungen, die vorzugsweise<br />

<strong>als</strong> die Präsentation einfacher Kausalzusammenhänge<br />

dargeboten werden.<br />

• Die soziologische Diagnostik scheitert<br />

daran, dass es in der Soziologie keine<br />

Analogien zu medizinischen Krankheitsbildern,<br />

sondern lediglich jeweils neue<br />

Konzepte gibt.<br />

• Prognosen ergeben sich zwar zwangsläufig<br />

aus Diagnosen. Jedoch hat<br />

die Soziologie einen spezifischen<br />

Seite page 20 Gegenstand zu untersuchen.<br />

Er ist dadurch gekennzeichnet,<br />

dass ein zukünftiges Geschehen<br />

aufgrund eines nicht vorhersehbaren Akteurshandelns<br />

nicht zuverlässig vorhergesagt<br />

werden kann. Das gilt im Übrigen<br />

auch für die Medizin. Prognosen in der<br />

Soziologie haben daher den Status von<br />

Prophetien (Popper 1968) bzw. können<br />

nur <strong>als</strong> Szenarien bzw. <strong>als</strong> Vorhersagen<br />

angeboten werden, die jeweils mit einer<br />

ceteris-paribus-Klausel versehen sind.<br />

Die Ausführungen von <strong>Friedrich</strong>s, Lepsius und<br />

Mayer sind in folgenden Punkten diskussionswürdig:<br />

• Ihre Argumentation ist nur für jene<br />

Rezipienten schlüssig, die eine Reihe<br />

von Grundvoraussetzungen teilen: den<br />

methodologischen Individualismus; die<br />

Annahme, dass empirische Forschung nur<br />

Korrelationen, keine Hypothesen über<br />

Strukturkausalitäten zustande bringen<br />

kann; die Annahme, dass die Identifizierung<br />

von lang-, mittel- bzw. kurzfristig<br />

wirksamen Strukturen nicht möglich ist;<br />

die Gegenüberstellung von Mikro- und<br />

Makrophänomenen, ohne zuzulassen, dass<br />

auch ein dialektischer Zusammenhang<br />

angenommen werden kann; die Betonung<br />

der Konstruktion gesellschaftlicher Zusammenhänge<br />

und der entsprechenden<br />

Typenbildung und schließlich die Ignoranz<br />

gegenüber rekonstruktiven Verfahren<br />

der empirischen Sozialforschung.<br />

• Was ebenso in der Position von <strong>Friedrich</strong>s,<br />

Lepsius und Mayer übersehen wird,<br />

ist der Sachverhalt, dass in der Medizin zu<br />

Diagnose und Prognose die Therapie sich<br />

gesellt, während eine vergleichbare Triade<br />

in der Soziologie zur Sozialtechnologie<br />

führen würde, weil der Individuumsbezug<br />

(= der Bezug zu einem Analogon zum<br />

Patienten) fehlt. ​

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