wissenstransfer als balanceakt sfb 580 - SFB 580 - Friedrich-Schiller ...
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Hildenbrand, References Literatur Bohler, Engelstädter,<br />
Franzheld, Schierbaum, Schmidt<br />
der Psychiatrie äußerst umstritten.<br />
Zu Diagnosen (die ja in der Soziologie im<br />
klassischen Sinne nicht möglich seien) gehörten<br />
auch Prognosen, anders formuliert:<br />
Jede Diagnose zieht in der Medizin eine<br />
Behandlung nach sich, welche mit einer Prognose<br />
verbunden ist der Art, dass aufgrund<br />
einer spezifischen Behandlung ein spezifisches<br />
Ergebnis erwartet wird. Weil aber Prognosen,<br />
so <strong>Friedrich</strong>s, Lepsius und Mayer, in den Sozialwissenschaften<br />
deshalb nicht möglich seien,<br />
weil die künftigen Bedingungen, vor allem das<br />
Handeln anderer Akteure, nicht bekannt seien,<br />
verwende man die schwächeren Konzepte von<br />
Szenarien oder Vorhersagen. Andererseits aber<br />
bringe sich die Soziologie um einen strategischen<br />
Vorteil, wenn sie sich auf Prognosen<br />
nicht einlasse, denn diese könnten dazu dienen,<br />
Hypothesen zu testen.<br />
Ziehen wir ein Fazit: Eine soziologische<br />
Diagnostik analog einer medizinischen Diagnostik<br />
scheitert grundlegend daran, dass<br />
die Medizin - alle Irrtümer medizinischer<br />
Diagnostik von der Logik des DSM oder ICD<br />
nicht berücksichtigt - handlungsorientiert in<br />
konkreten Fällen von Leidensdruck diagnostiziert,<br />
während die Soziologie weder einen<br />
solchen Handlungsauftrag hat noch, wenn<br />
sie ihn hätte, über eine Praxeologie verfügen<br />
würde, um ihn übernehmen zu können. 3 Damit<br />
führen die Überlegungen dorthin zurück,<br />
wo wir diesen Streifzug begonnen haben, zu<br />
Parsons und Platt. <strong>Friedrich</strong>s, Lepsius und<br />
Mayer gestehen zwar zu, dass die Soziologie<br />
<strong>als</strong> Grundlagenforschung „Erkenntnisse um<br />
ihrer selbst willen“ produziert und über ihren<br />
Zaun hinaus allenfalls dadurch blicken kann,<br />
dass sie zu „sinnstiftenden Orientierungsleistungen“<br />
(<strong>Friedrich</strong>s, Lepsius und Mayer) oder<br />
„Diskursimpulsen“ fähig ist. Sie vermeiden es<br />
aber, die Soziologie zu den praktischen akademischen<br />
Berufen hin abzugrenzen. Das ist<br />
ein Mangel. Denn letztlich kann die Frage des<br />
Transfers von Wissenschaft in die Lebenspraxis<br />
nur in einem Dreieck behandelt werden:<br />
Wissenschaft - Professionen - Lebenspraxis.<br />
Wir fassen die in diesem Kapitel angesprochenen<br />
Punkte im nächsten Abschnitt zusammen.<br />
4. We s e n t l i c h e He r a u s f o r d e r u n g e n a n<br />
d e n Tr a n s f e r m o d u s s o z i a lw i s s e n s c h a f t-<br />
l i c h e n Wissens in d i e g e s e l l s c h a f t l i c h e<br />
Pr a x i s<br />
Aus den referierten Ansätzen können folgende<br />
Themen für eine Transferdiskussion<br />
erschlossen werden. Wir beginnen mit der der<br />
philosophischen Position von Hans-Georg<br />
Gadamer:<br />
• Alltagsweltliche Erfahrung ist auf die<br />
unmittelbare Problembewältigung bei<br />
Handlungsblockaden gerichtet, wissenschaftliche<br />
Erfahrung dient dem Erkennen<br />
von Allgemeinem ohne Anspruch<br />
auf unmittelbare Problembewältigung<br />
und Sicherheit. Nur im professionellen<br />
Handeln gelingt es, alltagsweltliche<br />
und wissenschaftliche<br />
Problembewältigung im Dienste<br />
Seite page 19<br />
einer individuellen Lebenspraxis<br />
zusammen zu bringen: „Die alten Professionen<br />
haben sich gebildet zur Hilfe<br />
bei ungewöhnlichen Lagen, vor allem<br />
Lebensrisiken, angesichts von Tod, nicht