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wissenstransfer als balanceakt sfb 580 - SFB 580 - Friedrich-Schiller ...

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Hildenbrand, References Literatur Bohler, Engelstädter,<br />

Franzheld, Schierbaum, Schmidt<br />

wissen <strong>als</strong> in sinnstiftenden Orientierungsleistungen“<br />

(<strong>Friedrich</strong>s, Lepsius und<br />

Mayer 1998, S. 16).<br />

• Auch im fachlichen Binnenverhältnis<br />

„scheint die Soziologie in fataler Weise<br />

stärker auf ihre Diagnoseansprüche <strong>als</strong><br />

auf wissenschaftliche Geltungskriterien<br />

zu rekurrieren“ (<strong>Friedrich</strong>s, Lepsius und<br />

Mayer 1998, S. 16f.).<br />

Mit dieser Analyse kommen <strong>Friedrich</strong>s, Lepsius<br />

und Mayer auf Parsons zurück, der der<br />

Grundlagenforschung attestiert, „Erkenntnis<br />

um ihrer selbst willen“ zu generieren. Sie sprechen<br />

der Soziologie das Recht ab, zu diagnostizieren.<br />

Gleichzeitig möchten sie auf die „Sinnstiftungskomponente“<br />

nicht verzichten. Diese<br />

Sinnfindung findet statt <strong>als</strong> „Diagnostik“.<br />

Welcher Begriff von Diagnose leitet die Autoren?<br />

Vorausgesetzt sei bei der Diagnose, so<br />

führen <strong>Friedrich</strong>s, Lepsius und Mayer aus, ein<br />

Krankheitsbild, unter welches ein Phänomen<br />

zu subsumieren sei.<br />

Damit begegnen wir einem ersten grundlegenden<br />

Missverständnis medizinischer Diagnostik,<br />

das die Autoren leitet. Während sie <strong>als</strong> Vorbild<br />

medizinischer Diagnostik das dam<strong>als</strong> noch<br />

gültige DSM III (Diagnostic and Statistical<br />

Manual of Mental Disorders der American<br />

Psychiatric Association) der Soziologie <strong>als</strong><br />

Vorbild hinstellen, hält dieses Manual einer<br />

genaueren Betrachtung sowohl aus medizinischer<br />

<strong>als</strong> auch aus soziologischer Sicht nicht<br />

stand:<br />

Zunächst wird angenommen, dass die im<br />

DSM enthaltene Logik der Diagnostik auf<br />

Krankheitseinheiten im Sinne einer Nosologie<br />

(Krankheitslehre) abgestellt würde. Das<br />

ist nicht der Fall. Auch im aktuellen DSM IV<br />

R ist der nosologische Anspruch von vorne<br />

herein aufgegeben worden. Dies gilt auch für<br />

das in der psychiatrischen Praxis übliche ICD<br />

10 2 (International Classification of Diseases)<br />

(zur Übersicht über die aktuelle Literatur vgl.<br />

Buchholz 1998, 2008, Matthiessen 1998).<br />

Hierzu ein Beispiel: Um eine Depression<br />

zu diagnostizieren, müssen fünf von sieben<br />

Symptomen nachweisbar sein. Was eine<br />

Depression ist, hängt davon ab, ob eine Pharmafirma<br />

Interesse daran hat, ein entsprechend<br />

wirksames Medikament zu vermarkten. In<br />

den letzten Jahren wurde die Bandbreite von<br />

Verhalten, das <strong>als</strong> depressiv bezeichnet wird,<br />

erheblich ausgedehnt. Damit verschwindet<br />

das Phänomen der Trauer für die Psychiatrie<br />

allmählich und macht begrifflich der Depression<br />

Platz. Diese Kritikpunkte sind übrigens<br />

nicht aus kritischer medizinsoziologischer<br />

Analyse hervorgegangen, sondern stammen<br />

aus der Medizin selbst und sind so u. a. vom<br />

Begründer des DSM selbst formuliert worden<br />

(genaueres dazu bei Buchholz 2008).<br />

Auch das große Desaster der Psychiatrie, das<br />

durch die Rosenhan-Studie (Rosenhan 1973,<br />

dt. 1977) offenbar wurde, sollte Soziologen<br />

davon abhalten, der medizinischen Diagnostik<br />

zu vertrauen: Rosenhan, ein<br />

Psychologe, schickte sieben Gesunde<br />

mit der Instruktion in Kliniken, an-<br />

Seite page 17<br />

zugeben, sie würden Stimmen hören.<br />

Sofort nach der Aufnahme sollten<br />

sie mit der Angabe von Pseudo-Symptomen<br />

aufhören. Alle dieser Patienten (er selbst<br />

unterzog sich ebenfalls diesem Experiment)

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