Generation als zeitdynamische Strukturierung von ... - SFB 580

ten Beziehung zum Bisherigen. Dies soll unter Rückgriff auf die Deutungsgeschichte des Begriffs
Generation kurz erläutert werden.
Reinhold Sackmann (1992) arbeitete vor etwa 10 Jahren heraus, dass schon zwischen dem
alten und neuen Testament die hebräische Generationsbezeichnung „dôr“ einen Bedeutungswandel
erfuhr. Weg von Generationen auferlegten unveränderlichen Ritusregeln, hin zum
Bruch mit dem Vergangenen, um so für das nahende Gottesreich gerüstet zu sein. In der
lateinischen Übertragung haben die Kirchenväter diesem Tatbestand Rechnung getragen. Sie
übersetzten den Begriff „dôr“ nicht als „genus“, d.h. als Zugehörigkeit zu einer Abstammungsgemeinschaft.
Sie verwendeten hingegen das Wort „generatio“ in Anlehnung an den
Zeugungsgedanken, um damit dem Erneuerungsgedanken Ausdruck zu verleihen. Mit der
Entstehung der Moderne erweitert sich die Begriffsbedeutung über geistig-ethische Versprechungen
und über den gemeinschaftlichen Bereich hinaus. Für die Theoriegeschichte des
Generationsbegriffes bedeutsam, wird in Frankreich von der »Generation von 1789« oder
einer »1848er Generation« gesprochen und so auf gesel vlschaftlich-politische Entwicklungen
übertragen. Eine solche Begriffsdeutung finden wir auch in Deutschland, jedoch zeitlich
verzögert, sehr moderat und vorerst bezogen auf Jugendgenerationen. Im deutschen Sprachraum
stand die Begriffsverwendung Generation zunächst in Konkurrenz zu dem Begriff „Geschlecht“.
Dieser Begriff Geschlecht bedeutete ursprünglich „in die Art schlagen“ und war
sowohl auf Familien- und Menschengeschlecht als auch auf biologisches Geschlecht bezogen.
Historisch schleppend wurde der Begriff Geschlecht dann auf seine heutige biologische Bedeutung
eingeschränkt. Daneben griff der Begriff Generation mehr und mehr Raum.
Enttraditionalisierung und die Verbreitung marktgesteuerter Vergesellschaftungsformen, Wanderung
und Arbeitsteilung, die teilweise Trennung von Herkunftsstatus und sozialem Status
und damit verbunden eine ökonomische und sozialpolitisch geprägte Formalisierung von Lebensläufen
seit Ende des 19ten Jahrhunderts (Modell/ Furstenberg/ Hershberg 1976; Weymann
2000) überdehnten die Bedeutung eines „in die Art schlagen“. Dabei blieb der Aspekt der
Kontinuität in der Familien- und Zeitgenossenfolge als Bedeutungsbestandteil des neu etablierten
Begriffs Generation in vielen Deutungen durchaus erhalten. Doch nunmehr trat auch
im deutschen Sprachraum der weitere Aspekt der Neuerung hinzu, wobei er über gemeinschaftliche
Bezüge hinaus auch gesellschaftliche Neuerungsprozesse und später gar technische
Innovationen umfasste (Sackmann/ Weymann 1994).
Mit dem Hinweis von Reinhold Sackmann (1992) verdeutlicht sich, der Begriff Generation
erfuhr – im Kontext der gesellschaftlichen Entwicklung – Deutungsveränderungen. Eine
Beschränkung des Begriffs auf der Überdauernde wird somit weder der Verwendungsgeschichte
des Begriffs, noch der gesellschaftlichen Entwicklung gerecht. Mehr und mehr traten die Aspekte
der Neuerung hervor und so zeigten sich auch die Sozialwissenschaften offen in der
Antizipation diese Veränderungen.