Generation als zeitdynamische Strukturierung von ... - SFB 580
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Ein zweites Merkmal dynamischer sozialer Wandlungsprozesse ist <strong>als</strong>o, dass Neues und Überdauerndes<br />
auf allen Beobachtungsebenen in einer ambivalenten Beziehung zueinander stehen.<br />
Es sind <strong>als</strong>o solche ambivalenten und vielschichtigen Beziehungen, die wir zu erklären suchen.<br />
Und derartig komplexe Beziehungen sind es, denen ein <strong>Generation</strong>enbegriff <strong>als</strong> analytisches<br />
Instrument gerecht werden muss. Damit ist die Hürde für sozialwissenschaftliche<br />
Forschungsvorhaben hoch gelegt. Um sie überspringen zu können, möchte ich in der ersten<br />
Hälfte des Betrages behutsam versuchen, einen hierfür angemessenen <strong>Generation</strong>enbegriff<br />
zu entwickeln. In der zweiten Hälfte wird dann am Beispiel quantitativer Kohortendominanzen<br />
im Erwerbssystem gezeigt, in welcher Weise der <strong>Generation</strong>enbegriff zu einer Erklärung<br />
sozialer Wandlungsprozesse beitragen kann.<br />
1. <strong>Generation</strong>sbegriff<br />
Bei dem Versuch zu beschreiben, inwieweit der Begriff <strong>Generation</strong> geeignet ist, das Verständnis<br />
<strong>von</strong> Systemumbrüchen bzw. dynamischen sozialen Wandlungsprozessen zu steigern, besteht<br />
eine gewisse Problematik darin, dass der Begriff <strong>Generation</strong> in der Literatur für verschiedenartige<br />
Phänomene verwendet wird. Dies ist zumindest in den Sozialwissenschaften<br />
seltener das Resultat einer mangelnden definitorischen Sorgfalt. Für eine wissenschaftliche<br />
Verwendung viel bedeutsamer ist, dass der Begriff <strong>Generation</strong> selbst mehrschichtig ist – wie<br />
ja die allermeisten sozialwissenschaftlichen Begriffe. Dies befördert eine uneinheitliche Verwendung.<br />
Doch bietet die Mehrschichtigkeit vielleicht eine Chance, der zuvor charakterisierten<br />
Vielschichtigkeit der Wandlungsprozesse gerade mit einem solchen Begriff gerecht werden<br />
zu können. Hier stellt sich dann weiter die Frage: Welche Deutung bleibt eng genug, um<br />
überhaupt etwas erklären zu können, bzw. welche Deutung ist zu eng, so dass der besagten<br />
Komplexität nicht mehr Rechnung getragen werden kann?<br />
Um diese Frage zu beantworten, werden im Folgenden drei Verwendungsweisen des Begriffes<br />
<strong>Generation</strong> unterscheiden: erstens, <strong>Generation</strong> <strong>als</strong> Familien- und Abstammungsfolge, zweitens,<br />
Geschichts- oder Gesellschaftsgeneration und drittens, <strong>Generation</strong> <strong>als</strong> <strong>zeitdynamische</strong><br />
<strong>Strukturierung</strong> <strong>von</strong> Gesellschaft.<br />
1.1 <strong>Generation</strong> <strong>als</strong> Familien- und Abstammungsfolge<br />
David Kertzer (1983), Tamara Hareven (1997) oder Norman Ryder (1965) schränken das<br />
Begriffsverständnis <strong>von</strong> <strong>Generation</strong> deskriptiv auf formale Familien- oder Abstammungsfolgen<br />
ein. Hierbei wird auf eine theoretisch erklärende Realitätsdeutung verzichtet und ein<br />
spezifischer, in der Verwendungsgeschichte herausgebildeter Bedeutungsgehalt des <strong>Generation</strong>sbegriffs<br />
bleibt unberücksichtigt, der sinnhafte Aspekt der Neuerung in seiner ambivalen-