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<strong>SFB</strong> <strong>580</strong><br />

Gesellschaftliche<br />

Diskontinuität<br />

Entwicklungen<br />

Tradition<br />

nach dem Systemumbruch<br />

Strukturbildung<br />

Beschäftigungssysteme,<br />

<strong>SFB</strong> Gesellschaftliche<br />

<strong>580</strong><br />

Diskontinuität<br />

Unsicherheit und<br />

Entwicklungen<br />

nach dem Systemumbruch<br />

Tradition<br />

Strukturbildung<br />

Erwerbsorientierungen.<br />

Theoretische und empirische Befunde<br />

Dieser Band dokumentiert die Ergebnisse der qualitativen Analysen zu betrieblichen Beschäftigungssystemen<br />

und Erwerbsorientierungen der Beschäftigten.<br />

Christoph Köhler<br />

Kai Loudovici<br />

(Hrsg.)<br />

Der erste Beitrag - „Arbeitsmarktsegmentation und betriebliche Beschäftigungssysteme“ -<br />

stellt die Frage, ob die in der Soziologie fast vergessenen Segmentationsansätze dazu geeignet<br />

sind, eine neue Sichtweise auf die Debatten zur Generalisierung von Beschäftigungsrisiken<br />

und die dahinter stehenden Veränderungstendenzen der Arbeitsmarktstruktur in Deutschland<br />

zu gewähren. Hierfür entwickeln wir mit dem Konzept des Betrieblichen Beschäftigungs-<br />

Sub-Systems (BBSS) eine eigenständige Perspektive. Ergebnis der materialen Analysen ist,<br />

dass der deutsche Arbeitsmarkt sich von einer Hegemonie Interner Arbeitsmärkte zu einer<br />

spannungsgeladenen und instabilen Koexistenz von Internen und Externen Arbeitsmärkten<br />

entwickelt, wobei Ostdeutschland eine Vorreiterposition übernommen hat. Es zeigt sich also<br />

weder eine Generalisierung von Beschäftigungsrisiken oder gar von Prekarität, noch eine<br />

stabile Arbeitmarktspaltung. Wir gehen vielmehr von einer dynamischen Segmentation aus,<br />

in der sich Marktgrenzverschiebungen zwischen Internen und Externen, aber auch endogene<br />

Transformationen innerhalb von Teilarbeitsmärkten vollziehen.<br />

Während der erste Beitrag die Perspektive der Beschäftiger in den Vordergrund der Analysen<br />

stellt, interessiert sich der zweite Beitrag - „Generalisierung von Unsicherheit? Ergebnisse einer<br />

qualitativen Beschäftigtenbefragung“ - vor dem Hintergrund der Diskussion über die Generalisierung<br />

von „objektiver“ und „gefühlter“ Unsicherheit vor allem für die Wahrnehmungen,<br />

Interessen und Orientierungen der Beschäftigten. Ein überraschendes Ergebnis ist, dass die<br />

große Mehrheit der Befragten ihre Arbeitplatzsicherheit als hoch oder sehr hoch einschätzt.<br />

Die neuen post-fordistischen Sicherheitskonstruktionen berufen sich allerdings nicht mehr<br />

auf ökonomisch oder politisch basierte Garantien, wie sie etwa in der DDR selbstverständlich<br />

waren, aber auch im alten westdeutschen Normalarbeitsverhältnis über ökonomische Stabilität<br />

und Senioritätsrechte aufgebaut wurden. Vielmehr spielt die individuelle Arbeitsleistung als<br />

Basis für Sicherheit eine zentrale Rolle.<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> - Geschäftsführung (2007) ISSN 1619-6171<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Mitteilungen 2007<br />

22


<strong>SFB</strong> <strong>580</strong><br />

Gesellschaftliche<br />

Diskontinuität<br />

Entwicklungen<br />

Tradition<br />

nach dem Systemumbruch<br />

Strukturbildung<br />

Beschäftigungssysteme,<br />

Unsicherheit<br />

und Erwerbsorientierungen<br />

Theoretische und empirische<br />

Befunde


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Christoph Köhler, Kai Loudovici ( Jena / Gera) ............8<br />

1<br />

Arbeitsmarktsegmentation und betriebliche Beschäftigungssysteme 1<br />

Christoph Köhler, Kai Loudovici, Olaf Struck ..........14<br />

1<br />

Vorbemerkung ..........14<br />

2<br />

Zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte<br />

des Segmentationsansatzes ..........15<br />

3<br />

Das Konzept des Betrieblichen<br />

Beschäftigungs-Sub-Systems (BBSS) ..........19<br />

4<br />

BBSS – Operationalisierung und Untersuchungsansatz ..........24<br />

Seite <br />

5<br />

6<br />

Ergebnisse: Betriebe und Beschäftigungsdauern ..........28<br />

Grundmuster – Geschlossene BBSS ..........30


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

7<br />

Grundmuster – Offene BBSS ..........36<br />

8<br />

Varianten Geschlossener und Offener BBSS ..........40<br />

9<br />

Erklärungsprobleme und -ansätze ..........44<br />

10<br />

BBSS – Entwicklungslinien ..........51<br />

11<br />

Challenge and Response – Schub- und<br />

Ziehkräfte des Wandels ..........58<br />

12<br />

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ..........67<br />

13<br />

Literatur ..........77<br />

14<br />

Anhang ..........85<br />

Seite


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

2<br />

Generalisierung von Unsicherheit?<br />

Ergebnisse einer qualitativen Beschäftigtenbefragung<br />

Janine Bernhardt, Christoph Köhler, Kai Loudovici,<br />

Simon Dittrich, Marcela Pineda de Castro,<br />

Christina Sittig, Sandra Spiller ..........96<br />

1<br />

Einleitung<br />

(Christoph Köhler, Janine Bernhardt, Kai Loudovici) ..........96<br />

1.1 stand der Forschung ..........96<br />

1.2 Fragen und Hypothesen ..........98<br />

2<br />

Der Untersuchungsasatz<br />

(Christoph Köhler, Janine Bernhardt, Kai Loudovici) ..........99<br />

2.1 Methoden und Instrumente ..........99<br />

2.2 Auswertung und Berichtskonzept ........102<br />

3<br />

Arbeitsplatzrisiken – das betriebliche Umfeld<br />

(Simon Dittrich, Kai Loudovici, Sandra Spiller) ........104<br />

3.1 vorbemerkung ........104<br />

3.2 Personalpolitische Strategien und Muster ........105<br />

3.3 Randbelegschaften ........111<br />

3.4 Wirtschaftliche Lage und<br />

Beschäftigungsentwicklung ........113<br />

3.5 Fazit ........118<br />

Seite <br />

4<br />

Wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit<br />

( Janine Bernhardt) ........119<br />

4.1 vorbemerkung ........119<br />

4.2 Wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit ........121


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

4.3 Ursachen von Arbeitsplatz(un)sicherheit –<br />

Begründungszusammenhänge ........129<br />

4.4 Relevanz von Arbeitsplatzsicherheit ........138<br />

4.5 Exkurs: Auswirkungen von Arbeitsplatz(un)sicherheit<br />

auf das Privatleben ........142<br />

4.6 Fazit ........145<br />

5<br />

Unsicherheit und Erwerbsorientierungen<br />

(Marcela Pineda de Castro, Christina Sittig) .........147<br />

5.1 vorbemerkung ........147<br />

5.2 arbeitsmarkt- und Konfliktorientierungen<br />

– eine Übersicht ........149<br />

5.3 Leistungsorientierungen ........153<br />

5.4 Fazit ........162<br />

6<br />

Erwerbsorientierungen – Begründungszusammenhänge<br />

(Marcela Pineda de Castro, Christina Sittig) ........166<br />

6.1 arbeitsplatzunsicherheit und<br />

erwerbsorientierungen ........166<br />

6.2 ressourcen und Arbeitsmarktorientierungen ........168<br />

6.3 Fazit ........176<br />

7<br />

Zusammenfassung und Fazit<br />

(Christoph Köhler, Janine Bernhardt, Kai Loudovici) ........178<br />

7.1 ergebnisse ........178<br />

7.2 thesen ........181<br />

7.3 Offene Fragen ........183<br />

Fussnoten ........185<br />

Literatur ........188<br />

Abbildungsverzeichnis ........192<br />

Tabellenverzeichnis ........193<br />

Appendix I: Leitfaden LF 05/ 06 ........195<br />

Appendix II: Transkriptionsregeln ........205<br />

Vitae ........208<br />

Seite


Vorwort<br />

Vorwort<br />

Vorwort<br />

von Christoph Köhler, Kai Loudovici<br />

Die Frage nach einer<br />

grundlegenden Strukturveränderung<br />

von Arbeits-<br />

Seite märkten im sich globalisierenden<br />

post-industriellen Kapitalismus wird<br />

unter den Stichworten von „Flexible Labour“,<br />

„Non-Standard Employment“ oder „Erosion<br />

of Internal Labour Markets“ weltweit diskutiert.<br />

Gemessen an der Reichhaltigkeit der<br />

hier erarbeiteten empirischen Materialien und<br />

theoretischen Konzepte blieb die deutsche<br />

soziologische Diskussion um die „Erosion des<br />

Normalarbeitsverhältnisses“ und der „Normalbiografie“<br />

lange Zeit relativ blass. Einmal<br />

wurde weitgehend darauf verzichtet, die äußerst<br />

fruchtbare wirtschaftswissenschaftliche<br />

Forschung zu Arbeitsmarktstrukturen und<br />

-theorien zur Kenntnis zu nehmen. Zum anderen<br />

wurden nach einer starken, aber kurzen<br />

Welle der Aufmerksamkeit für die neuen<br />

Bundesländer im Rahmen der KSPW Anfang<br />

der 90er Jahre die forschungsstrategischen<br />

Chancen eines „internationalen“ Vergleichs im<br />

eigenen Land über den systematischen Ost-<br />

West-Vergleich verschenkt.<br />

Diese Situation bildete den Hintergrund für<br />

den Aufbau des Arbeitsmarktschwerpunktes im<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong>. Gemeinsames Ziel der Antragsteller<br />

der Gründerprojekte B1 (Grünert, Kothe,<br />

Lutz) und B2 (Köhler, Struck) war es, Empirie<br />

und Theorie zu Arbeitsmarkt und Betrieb im<br />

ost-west-deutschen Vergleich voranzutreiben<br />

und wieder in die sozialwissenschaftliche<br />

Diskussion hineinzutragen. Die übergreifende<br />

Fragestellung richtet sich auf Strukturveränderungen<br />

des ost- und westdeutschen<br />

Arbeitsmarktes im intra- und internationalen<br />

Vergleich, wobei das Thema der Erosion Interner<br />

Arbeitsmärkte bzw. der Externalisierung<br />

von Allokationsprozessen im Vordergrund<br />

steht. Mittlerweile arbeiten insgesamt sechs<br />

Projekte und ein Neuantragsteller im Arbeitsmarktschwerpunkt<br />

des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> (www.sfb<strong>580</strong>.<br />

uni-jena.de).<br />

Zwischenergebnis unseres Teilprojektes B2 ist,<br />

dass auf den ost- und westdeutschen Arbeitsmärkten<br />

in je spezifischer Weise Schritte der


Vorwort<br />

Externalisierung, Sekundarisierung und Re-<br />

Kommodifizierung zu beobachten sind (Köhler/Loudovici/Struck<br />

2007a; Struck u.a. 2007).<br />

Die Analysen zu dieser Thematik wurden und<br />

werden in einem komplexen Design auf vier<br />

Analyseebenen (1. Beschäftigungsstabilität<br />

und -sicherheit; 2. Erklärungsansätze; 3. Betriebliche<br />

Beschäftigungssysteme; 4. Erwerbsorientierungen)<br />

und mit drei methodischen<br />

Zugängen durchgeführt (Sekundäranalysen<br />

von Massendaten; <strong>SFB</strong>-B2-Betriebspanel;<br />

qualitative Beschäftiger- und Beschäftigtenbefragung).<br />

Dieser Band dokumentiert die<br />

Ergebnisse der qualitativen Analysen zu<br />

betrieblichen Beschäftigungssystemen und<br />

Erwerbsorientierungen der Beschäftigten.<br />

Der erste Beitrag stellt die Frage, ob die in der<br />

Soziologie fast vergessenen Segmentationsansätze<br />

dazu geeignet sind, eine neue Sichtweise<br />

auf die Debatten zur Generalisierung von Beschäftigungsrisiken<br />

und die dahinter stehenden<br />

Veränderungstendenzen der Arbeitsmarktstruktur<br />

in Deutschland zu gewähren. Hierfür<br />

entwickeln wir mit dem Konzept des Betrieblichen<br />

Beschäftigungs-Sub-Systems (BBSS)<br />

eine eigenständige Perspektive. Ergebnis der<br />

materialen Analysen ist, dass der deutsche Arbeitsmarkt<br />

sich von einer Hegemonie Interner<br />

Arbeitsmärkte zu einer spannungsgeladenen<br />

und instabilen Koexistenz von Internen und<br />

Externen Arbeitsmärkten entwickelt, wobei<br />

Ostdeutschland eine Vorreiterposition übernommen<br />

hat. Es zeigt sich also weder eine<br />

Generalisierung von Beschäftigungsrisiken<br />

oder gar von Prekarität, noch eine stabile<br />

Arbeitmarktspaltung. Wir gehen vielmehr<br />

von einer dynamischen Segmentation aus, in<br />

der sich Marktgrenzverschiebungen zwischen<br />

Internen und Externen, aber auch endogene<br />

Transformationen innerhalb von Teilarbeitsmärkten<br />

vollziehen.<br />

Eine Synthese der Analysen zur Arbeitsmarktsegmentation<br />

und Betrieblichen<br />

Beschäftigungssystemen wurde im Berliner<br />

Journal veröffentlicht (Köhler/Loudovici/<br />

Struck 2007a). Der Beitrag in diesem Band<br />

stellt die konzeptuellen Vorarbeiten und Ergebnisse<br />

ausführlich vor und dokumentiert<br />

die umfangreiche Empirie des Projektes, die<br />

durch insgesamt drei zweisemestrige Lehrforschungen<br />

arrondiert wurde.<br />

Während der erste Beitrag die Perspektive der<br />

Beschäftiger in den Vordergrund der Analysen<br />

stellt, interessiert sich der zweite Beitrag<br />

vor dem Hintergrund der Diskussion über die<br />

Generalisierung von „objektiver“ und „gefühlter“<br />

Unsicherheit vor allem für die Wahrnehmungen,<br />

Interessen und Orientierungen der<br />

Beschäftigten. Ein überraschendes Ergebnis<br />

ist, dass die große Mehrheit der Befragten in<br />

unserem Sample ihre Arbeitplatzsicherheit als<br />

hoch oder sehr hoch einschätzt. Die neuen<br />

post-fordistischen Sicherheitskonstruktionen<br />

berufen sich allerdings nicht mehr auf ökonomisch<br />

oder politisch basierte Garantien, wie<br />

sie etwa in der DDR selbstverständlich waren,<br />

aber auch im alten westdeutschen Normalarbeitsverhältnis<br />

über ökonomische Stabilität<br />

und Senioritätsrechte aufgebaut wurden. Vielmehr<br />

spielt die individuelle Arbeitsleistung<br />

als Basis für Sicherheit eine<br />

zentrale Rolle.<br />

Hintergrund dieser Untersuchungen zum<br />

Thema Unsicherheit und Erwerbsorientierungen<br />

sind die Arbeiten von Anja Bultemeier<br />

und Alexandra und Ina Krause (Bultemeier<br />

Seite


Vorwort<br />

u.a. 2007; Krause u.a. 2007) aus dem Teilprojekt<br />

B2 des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong>. Diese Arbeiten wurden<br />

in einer zweisemestrigen Lehrforschung im<br />

WS 2005/06 und SS 2006 vertieft und im<br />

hier vorgelegten Beitrag dokumentiert. Ein<br />

sich daran anschließendes Forschungsseminar<br />

(WS06/SS07) diente in Kooperation mit dem<br />

<strong>SFB</strong> Projekt C3 von Bohler und Hildenbrand<br />

einer allgemeinen Diskussion des Forschungsstandes<br />

sowie der vertiefenden Auswertung<br />

und Interpretation der Interviews mit dem<br />

Ansatz der objektiven Hermeneutik. Durch<br />

Karl Friedrich Bohler gewannen wir einen<br />

neuen Zugang zum Verhältnis von Arbeitsmarktstruktur<br />

und Akteur im sozialen Wandel<br />

(vgl. Bohler 1995). Die Ergebnisse und Hypothesen<br />

dieser Lehrforschungen gehen mit<br />

neuen Ideen und Befunden über den aktuellen<br />

Forschungsstand hinaus und werden deshalb<br />

in diesem Band ausführlich dokumentiert.<br />

Die insgesamt sechs zweisemestrigen Lehrforschungen,<br />

deren Ergebnisse in die beiden<br />

Beiträge dieses Bandes eingehen, dienten<br />

einem doppelten Zwecke. Einerseits sollen<br />

Sie die Ausbildung der Studierenden in der<br />

Anwendung empirischer Forschungsmethoden<br />

fördern. Andererseits ging es darum, die<br />

Hypothesen aus dem <strong>SFB</strong>-Projekt zu prüfen<br />

und weiterzuentwickeln. Die Erfahrungen mit<br />

den Lehrforschungen sind aus der Sicht des<br />

Lehrenden ambivalent. Der Aufwand für diesen<br />

Seminartyp ist außerordentlich<br />

hoch und nur mit der Unterstützung<br />

Seite 10 von eingearbeiteten studentischen<br />

Projektassistenten zu bewältigen.<br />

Einige unserer Studierenden betrachteten die<br />

aufwendige Forschungsarbeit als notwendiges<br />

Übel und leisteten Dienst nach Vorschrift;<br />

viele waren aber auch hoch motiviert und<br />

trugen erheblich zum Erfolg der Arbeit bei, die<br />

dann wiederum in das <strong>SFB</strong>-Forschungsprojekt<br />

einging.<br />

Der Erfolg einer Lehrforschung ist zu einem<br />

großen Teil vom Seminarkonzept und dem<br />

Engagement des Dozenten abhängig. Ist das<br />

Seminar zu offen angelegt, gibt es zwar spannende<br />

Diskussionen, aber am Schluss fehlt<br />

die Zeit für die vergleichende Auswertung.<br />

Im Ergebnis liegt dann ein „Fruchtsalat“<br />

mit einer Mischung aus langweiligen und<br />

unstrukturierten Hausarbeiten einerseits und<br />

einigen brillanten Papieren andererseits vor.<br />

Wird dagegen zuviel vorgegeben, fühlen sich<br />

die Studierenden als Zulieferanten für ein<br />

Forschungsprojekt, das andere betreiben. Aus<br />

meiner Sicht geht es darum, eine relativ kleine<br />

Frage möglichst offen, aber mit einem klaren<br />

Zeitplan zu bearbeiten, so dass die Studierenden<br />

alle Schritte eines Forschungsprojektes<br />

selber durchführen können.<br />

Aus unserer Sicht dokumentieren die hier vorgelegten<br />

Beiträge die Stärke des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong>, der<br />

sowohl eine intensive interdisziplinäre Kooperation<br />

als auch die Verbindung von Forschung und<br />

Lehre ermöglicht. So haben wir vielfältige Anregungen<br />

aus der Kooperation mit den anderen<br />

Projekten des Arbeitsmarktschwerpunktes und<br />

den anderen Arbeitsbereichen des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong><br />

bekommen, die sich über die Jahre verdichten<br />

und in Publikationen materialisieren. Unser<br />

besonderer Dank gilt Karl Friedrich Bohler<br />

vom Teilprojekt C3, der uns dabei geholfen hat<br />

die Perspektive der Beschäftigten im Arbeitsmarktgeschehen<br />

zu verstehen.<br />

Die studentischen Projektassistenten Franziska<br />

Blazejewski, Robert Schneider und Steffen<br />

Schönfelder haben die Endredaktion und Ge-


Vorwort<br />

staltung des Berichtes übernommen und durch<br />

großes Engagement zu einem erfolgreichen<br />

Ende geführt.<br />

Christoph Köhler; Kai Loudovici<br />

Jena und Gera im August 2007<br />

Seite 11


Seite 12


Arbeitsmarktsegmentation<br />

und Betriebliche<br />

Beschäftigungssysteme<br />

Seite 13


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Arbeitsmarktsegmentation und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

von Christoph Köhler, Kai Loudovici, Olaf<br />

Struck<br />

1. Vorbemerkung<br />

1<br />

Seit Mitte der 80er Jahre mehren sich<br />

Umbruchdiagnosen für die Arbeitsmärkte<br />

der hoch entwickelten kapitalistischen<br />

Nationen. Dabei werden<br />

Diskussionen über „Standard-“ und<br />

Seite 14 „Non-Standard Employment“ weltweit<br />

geführt. Für Deutschland werden<br />

seit den 80er Jahren die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses<br />

und die Herausbildung einer<br />

Risikogesellschaft mit einem System pluraler<br />

Unterbeschäftigung diagnostiziert (Beck 1986,<br />

1999; Beck/Bonß/Lau 2001). In den 90er Jahren<br />

formulieren französische Soziologen die<br />

These der Generalisierung von Unsicherheit<br />

oder gar der Prekarität (Bourdieu 2000; Castel<br />

2000), die auch für Deutschland vertreten und<br />

weiterentwickelt wird (Frey/Hüning/Nickel<br />

2005; Dörre 2005). Zur gleichen Zeit haben<br />

sich auf der Basis von makrostatistischen Analysen<br />

in einer Vielzahl von Ländern Positionen<br />

herausgebildet, die eher die Kontinuität von<br />

Arbeitsmarktstrukturen oder moderate Veränderungen<br />

betonen (Auer/Cazes 2002; Erlinghagen<br />

2004, 2005, 2006; Blossfeld 2005, 2006;<br />

Keller/Seifert 2006; Struck/Köhler 2005). Im<br />

Begründungszusammenhang wird hier u.a.<br />

auf Qualifikations-, Kooperations- und Motivationspotenziale<br />

verwiesen, die nicht über<br />

zeitlich begrenzte Beschäftigungsbeziehungen<br />

aufgebaut oder erhalten werden können. 2<br />

Diese Großthesen haben eine Welle empirischer<br />

Forschung ausgelöst, die zu einer<br />

Differenzierung und Relativierung der Umbruchsthesen<br />

geführt haben, ohne dass von<br />

einer wirklichen Aufklärung des Sachverhalts<br />

gesprochen werden kann. Dies hängt aus<br />

unserer Sicht auch damit zusammen, dass<br />

viele der soziologischen Risikoanalysen weitgehend<br />

auf Arbeitsmarkttheorie verzichten.<br />

Dabei liegt seit der Entdeckung Interner und<br />

Externer Arbeitsmärkte in den USA der 50er<br />

und 60er Jahre eine empirisch und theoretisch<br />

reichhaltige Forschungslinie innerhalb der<br />

Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vor,<br />

an die anzuknüpfen sich anbietet. Besonders<br />

interessant für unsere Fragestellung sind die<br />

so genannten Segmentationsansätze, denen<br />

zufolge der Arbeitsmarkt in Teilarbeitsmärkte<br />

mit unterschiedlichen Funktionslogiken und<br />

Beschäftigungsrisiken zerfällt. Diese Ansätze


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

gehen also eher von Heterogenität und Spaltung<br />

als von generellen Umbruchstendenzen<br />

am Arbeitsmarkt aus und können insofern als<br />

Gegenentwurf zu den anhaltenden Debatten<br />

gelesen werden.<br />

Ziel dieses Beitrags ist es, die Validität und<br />

Brauchbarkeit der in der Soziologie fast vergessenen<br />

Segmentationsansätze zu prüfen und<br />

daraus eine neue Sichtweise auf die großen<br />

Erosionsdebatten zu entwickeln. Wir beginnen<br />

daher mit einer kurzen Darstellung der<br />

Rezeptionsgeschichte des Segmentationsansatzes<br />

und entwickeln daraus mit dem Konzept<br />

Betrieblicher Beschäftigungs-Sub-Systeme<br />

(BBSS) einen eigenen Untersuchungsansatz.<br />

Als Ergebnis von Betriebsfallstudien und Expertengesprächen<br />

in verschiedenen Branchen<br />

konstruieren wir eine erweiterte Typologie<br />

von betrieblichen Beschäftigungssystemen,<br />

beschreiben Entwicklungslinien und diskutieren<br />

Erklärungsansätze. Abschließend fassen<br />

wir unsere Befunde zusammen und benennen<br />

offene Fragen.<br />

2. Zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte<br />

des Segmentationsansatzes<br />

Die Grundgedanken des Segmentationskonzepts<br />

wurden in den USA bereits in den 1950er<br />

Jahren entwickelt und in einem viel zitierten,<br />

aber wenig gelesenen Aufsatz von C. Kerr mit<br />

dem Titel „Die Balkanisierung des Arbeitsmarktes“<br />

veröffentlicht (Kerr 1954). Vor dem<br />

Hintergrund der jahrhundertealten ethnischen<br />

und nationalen Konflikte sowie der damit<br />

einhergehenden Grenzziehungen auf dem<br />

Balkan, verweist er auf eine Aufspaltung des<br />

US-amerikanischen Gesamtarbeitsmarktes<br />

in Teilarbeitsmärkte mit Mobilitätsbarrieren.<br />

Doeringer und Piore haben diesen Ansatz<br />

in ihrem berühmten Buch „Internal Labour<br />

Markets“ von 1971 aufgegriffen, weiterentwickelt<br />

und mit dem Konzept des dualen<br />

Arbeitsmarktes generalisiert (Doeringer/Piore<br />

1971). Diesem zufolge unterteilt sich der<br />

US-amerikanische Arbeitsmarkt nach dem<br />

dominanten Steuerungsprinzip (Firma oder<br />

Markt) in „Interne“ und „Externe“ Arbeitsmärkte<br />

sowie nach den Beschäftigungsrisiken<br />

in Primäre und Sekundäre Teilarbeitsmärkte<br />

(„good jobs“ oder „bad jobs“). Erstere gewähren<br />

hohe Beschäftigungssicherheit und gute<br />

Löhne, letztere überwiegend geringe Beschäftigungssicherheit<br />

und schlechte Löhne. Bereits<br />

hier ist die klassische Vier-Felder-Matrix<br />

angelegt, wobei für die USA mit dem Konzept<br />

des dualen Arbeitsmarktes zwei Felder in den<br />

Vordergrund gestellt werden: gute Interne und<br />

schlechte Externe Arbeitsmärkte.<br />

In den 70er Jahren wurden in Deutschland<br />

an verschiedenen Orten Segmentationskonzepte<br />

aufgegriffen, weiterentwickelt und im<br />

„Arbeitskreis sozialwissenschaftliche Arbeitsmarktforschung“<br />

(SAMF) diskutiert: z.B.<br />

Dombois/Pfau-Effinger in Bremen; Bosch/<br />

Lichte in Dortmund; Hildebrandt/Dohse/<br />

Jürgens in Berlin; Brandes/Buttler/Gerlach<br />

in Paderborn; Gensior/Lappe in Berlin; Lutz/<br />

Maase/Mendius/Schultz-Wild/<br />

Sengenberger/Köhler in München;<br />

Deutschmann/Schmiede/Schudlich<br />

Seite 15<br />

in Frankfurt (Vgl. zusammenfassend<br />

Blien 1986; Gensior u.a. 2004; Neuendorff<br />

1983; Sesselmeier/Blauermel 1998). Am<br />

Münchner ISF entstand unter Federführung<br />

von Lutz und Sengenberger aus der Verbin-


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Teilarbeitsmärkte Intern Extern<br />

Primär<br />

„Good Jobs“<br />

Interner Arbeitsmarkt<br />

(betriebsspezifische<br />

Qualifikationen)<br />

Berufsfachlicher Arbeitsmarkt<br />

(berufsfachliche<br />

Qualifikationen)<br />

Sekundär<br />

„Bad Jobs“<br />

bei Piore und Lutz<br />

nicht besetzt<br />

Jedermanns-Arbeitsmarkt<br />

(allgemeine, unspezifische<br />

Qualifikationen)<br />

Abb. 2.1: Segmente des „dualen“ bzw. des „dreigeteilten“ Arbeitsmarktes<br />

dung der Konzepte des dualen Arbeitsmarktes<br />

mit den Konzepten der deutschen Arbeitsmarkt-<br />

und Berufsforschung der Ansatz des<br />

dreigeteilten Arbeitsmarktes (Lutz/Sengenberger<br />

1974). In diesem spielen neben den<br />

„guten“ Betriebsinternen und „schlechten“<br />

Externen („Jedermann-“) Arbeitsmärkten, die<br />

berufsfachlichen Strukturen mit hoher zwischenbetrieblicher<br />

Mobilität eine große Rolle,<br />

die das Feld der „guten“ Externen Märkte<br />

besetzen (vgl. Abb. 2.1).<br />

Die drei „Segmente“ werden dann über eine<br />

industriesoziologisch und institutionentheoretisch<br />

erweiterte Fassung der Humankapitaltheorie<br />

über die jeweils vorherrschenden<br />

Qualifikationsprobleme näher bestimmt.<br />

Interne Märkte zeichnen sich durch<br />

eine feste Bindung von Betrieb<br />

Seite 16 und betriebspezifisch qualifizierten<br />

Beschäftigten aus. Auf „Jedermannsmärkten“<br />

(allgemeine und unspezifische zivilisatorische<br />

Basisqualifikationen) gibt es keine<br />

Beschäftigungsstabilität, d.h. ein struktureller<br />

Überschuss an gering qualifizierten und entlohnten<br />

Arbeitskräften bewegt sich zwischen<br />

Arbeitplätzen auf Externen Märkten mit hohen<br />

Einkommens- und Beschäftigungsrisiken.<br />

Das Modell für das dritte Segment mit vorherrschend<br />

berufsfachlichen Qualifikationen<br />

bilden Arbeitsmarktstrukturen im deutschen<br />

Handwerk, in dem Qualifikationen normiert,<br />

zertifiziert und standardisiert werden, was wiederum<br />

mit weitgehend strukturierten Arbeitplatzprofilen<br />

korrespondiert. Hier können Betriebe<br />

ohne große Transaktionskosten Personal<br />

auf- und abbauen. Die Beschäftigten wechseln<br />

ihren Arbeitsplatz ohne Verluste an Einkommen<br />

und Reputation. Allokative Effizienz und<br />

Beschäftigungssicherheit werden nicht über<br />

die Bindung von Betrieb und Arbeitskraft,<br />

sondern über einen überbetrieblich strukturierten<br />

Arbeitsmarkt gewährleistet. Dieser<br />

„berufsfachliche Arbeitsmarkt“ war und ist für<br />

Lutz und Sengenberger nicht nur Instrument<br />

wissenschaftlicher Analyse, sondern ebenso<br />

normativer Bezugspunkt in Diskussionen um<br />

die Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik<br />

(vgl. Lutz 1998). Damit können sie in gewisser


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Weise als Pioniere der Flexicurity-Idee (Kronauer/Linne<br />

2005) gelten.<br />

Die Grundgedanken des Segmentationsansatzes<br />

diffundierten mit großer Geschwindigkeit<br />

in verschiedene Subdisziplinen der<br />

Soziologie. So werden sie am Frankfurter Institut<br />

für Sozialforschung u.a. zur Analyse der<br />

industriellen Beziehungen in Deutschland und<br />

zur Erklärung des „konservativen Moments“<br />

in der Gewerkschaftsbewegung herangezogen<br />

(z.B. Deutschmann 1981). ForscherInnen aus<br />

der im Aufschwung befindlichen Geschlechterforschung<br />

nutzen Segmentationsansätze zur<br />

Beschreibung und Erklärung geschlechtspezifischer<br />

Risiken am Arbeitsmarkt (vgl. zusammenfassend<br />

Becker-Schmidt/Knapp 1995;<br />

Lappe 1981; Pfau-Effinger 2004). Zudem<br />

wird das Segmentationskonzept in der Sozialstrukturanalyse<br />

und Lebenslaufforschung<br />

aufgegriffen (z.B. von Blossfeld/Mayer 1988).<br />

Und nicht zuletzt entstehen an der Universität<br />

Bremen Forschungsschwerpunkte über regionale<br />

Arbeitsmärkte, „Arbeit in der Grauzone“<br />

(Dombois 1999; Osterland 1990; Pfau-Effinger<br />

2004) und Statuspassagen im Lebenslauf<br />

(Behrens 1984; Behrens/Heinz 1991; Sackmann/Struck<br />

1997; Sackmann 1998; Struck<br />

1999).<br />

Auf der Basis einer großen Welle empirischer<br />

Folgestudien und konzeptueller Arbeiten werden<br />

dann in der zweiten Hälfte der 80er Jahre<br />

Grenzen des Ansatzes sichtbar; er verliert in<br />

vielen der oben benannten Teildisziplinen der<br />

Soziologie an forschungsstrategischer Attraktivität<br />

und die explizite und implizite Kritik<br />

nimmt zu (vgl. Pfau-Effinger 2004). Mit den<br />

sich durchsetzenden Großthesen zur Entstrukturierung<br />

der Klassengesellschaft sowie<br />

zur Erosion des Normalarbeitsverhältnisses<br />

und der Normalbiografie wird der Segmentationsansatz<br />

in der Soziologie weitgehend ad<br />

acta gelegt. Wenn Beschäftigungsverhältnisse<br />

auf breiter Front flexibilisiert und soziale Risiken<br />

generalisiert werden, verliert der Bezug<br />

auf konturierte Arbeitsmarktsegmente seine<br />

Bedeutung.<br />

Diese Entwicklung zeigt, dass der Segmentationsansatz<br />

kein Generalschlüssel zur<br />

Erforschung von Arbeitsmarkt- und Sozialstrukturen<br />

ist und mit seinen Schablonen weder<br />

die Konturen der geschlechtspezifischen<br />

Segregation am Arbeitsmarkt noch die von<br />

Lebens- und Erwerbsverläufen zu verstehen<br />

sind. Bezieht man sich jedoch auf das Feld<br />

der sozioökonomischen Positionen auf dem<br />

Arbeitsmarkt und die damit verbundenen<br />

Beschäftigungschancen und -risiken, so zeigt<br />

sich ein hoher Bedarf an Konzepten mittlerer<br />

Reichweite zur Arbeitsmarktstrukturanalyse:<br />

- Die neuere Sozialstruktur- und Lebenslaufforschung<br />

belegt, dass von einer Generalisierung<br />

sozialer Risiken keine Rede sein kann<br />

und dass diese nur über den Kontext von<br />

Betrieben und Teilarbeitsmärkten verständlich<br />

werden – im Sinne der Forderung nach<br />

„bringing the firms back in“ (Baron/Bielby<br />

1980; Struck 2005, 2006).<br />

- Die Debatten um die Erosion des<br />

Normalarbeitsverhältnisses bleiben<br />

häufig bei einem auf und ab von<br />

Seite 17<br />

Beschäftigungsdauern und Arbeitsvertragsformen<br />

stehen und rufen geradezu<br />

nach konzeptueller Interpretation. Entscheidend<br />

für die Erklärung des Strukturwandels<br />

ist aber die spezifische Funktion, die Dauern


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

und Verträge in betrieblichen Beschäftigungssystemen<br />

und auf Teilarbeitsmärkten<br />

wahrnehmen.<br />

- Gleiches gilt für weite Teile der neueren<br />

Forschung über Entberuflichung, neue Berufsbilder,<br />

Weiterbildung und lebenslanges<br />

Lernen. Diese fällt häufig auf deterministische<br />

Annahmen aus den 60 Jahren zurück.<br />

Dabei wird vergessen, dass Bildungsinvestitionen<br />

in ganz verschiedenen Funktionszusammenhängen<br />

stehen, je nachdem ob sie<br />

in Internen oder Externen Arbeitsmärkten<br />

verwertet werden.<br />

- Viele Protagonisten der arbeits- und industriesoziologischen<br />

Diskussionen um den<br />

Arbeitskraftunternehmer und die Subjektivierung<br />

der Arbeit haben übersehen, dass<br />

es „Vermarktlichung“ von abhängiger Arbeit<br />

sowohl innerhalb gesicherter Beschäftigungsverhältnisse<br />

(also im Internen Markt)<br />

als auch über eine Öffnung der Grenzen<br />

zum Externen Arbeitsmarkt geben kann.<br />

Voraussetzungen und Folgen beider Formen<br />

von „Re-Kommodifizierung“ sind ganz unterschiedlich.<br />

- Erstaunlich ist auch, dass viele AutorInnen<br />

der Employability- und Flexicurity-Debatten<br />

eher an bildungs- und sozialpolitische<br />

Forschungslinien, denn an einschlägige<br />

arbeitsmarkttheoretische<br />

Seite 18 Traditionen anschließen. Employability<br />

ist aber mehr als ein Bündel<br />

an Kompetenzen, wenn man Wiederbeschäftigungschancen<br />

im Blick hat. Die Frage<br />

nach Flexibilität und Sicherheit verweist auf<br />

sozialpolitische Sicherung, aber auch und<br />

zuallererst auf Fragen der Funktionsfähigkeit<br />

Externer Arbeitsmärkte.<br />

Es ist daher nicht überraschend, dass aus<br />

verschiedenen Forschungslinien der Ruf nach<br />

Analysen und Begriffen der Arbeitsmarktstruktur<br />

wieder lauter wird. Günter Schmid<br />

hat mit dem Konzept der Übergangs-Arbeitsmärkte<br />

(Schmid 2002; Schmid/Gazier 2002)<br />

einen Ansatz entwickelt, der einen ganz neuen<br />

Blick auf die Strukturierung des Arbeitsmarktes<br />

und auch auf Segmentationstheorien<br />

erlaubt. H.G. Brose u.a. haben im Rückgriff<br />

unter anderem auf Parsons mit dem Konzept<br />

des Tauscharrangements zwischen Betrieben<br />

und Haushalten neue Horizonte für die Analyse<br />

der Beschäftigungsbeziehung erschlossen<br />

(Brose u.a. 2005). Schließlich werden Segmentationsansätze<br />

in neueren Lehrbüchern und<br />

Aufsätzen aufgegriffen und thematisiert (z.B.<br />

Deutschmann 2002; Hirsch-Kreinsen 2005).<br />

Für unsere Frage nach der Entwicklung von<br />

Beschäftigungsstabilität und -sicherheit macht<br />

es Sinn, an Segmentationsansätze anzuknüpfen,<br />

da sie sich auf die Binnenstrukturen des<br />

Beschäftigungssystems konzentrieren. Wir<br />

lesen den Ansatz als Analyse des Feldes von<br />

sozioökonomischen Positionen im Beschäftigungssystem,<br />

das nicht mit dem Feld der<br />

Erwerbsverläufe von Personen zu verwechseln<br />

ist. Arbeitsmarktsegmente sind zunächst im<br />

Sinne der Erfinder Teilmengen von Arbeitsplätzen<br />

und Arbeitskräften, die sich mehr oder<br />

weniger stark gegen den überbetrieblichen<br />

Arbeitsmarkt schließen. Damit entwickeln<br />

sich Mobilitätsbarrieren unterschiedlicher Art,<br />

die jedoch Erwerbspersonen nicht auf Dauer<br />

fixieren müssen. Der Segmentationsforschung<br />

geht es in erster Linie um die Funktionslogik


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

offener und geschlossener Positionssysteme<br />

(Sørensen 1983) und nicht um Erwerbsverläufe.<br />

Unsere Frage ist daher, ob die basalen<br />

Annahmen zur Differenz von Internen und<br />

Externen sowie Primären und Sekundären<br />

Arbeitsmärkten heute noch tragfähig und für<br />

die Analyse aktueller Entwicklungstendenzen<br />

der Arbeitsmärkte nutzbar sind.<br />

3. Das Konzept des Betrieblichen Beschäftigungs-Sub-Systems<br />

(BBSS)<br />

Um die mit dem Segmentationsbegriff verbundenen<br />

Fragen einer empirischen Untersuchung<br />

zugänglich zu machen, müssen wir von der<br />

Ebene der Idealtypen in die Welt der inner- und<br />

überbetrieblichen Allokationsprozesse hinabsteigen<br />

und präzise Definitionen von Internen<br />

und Externen Märkten entwickeln. Hierfür<br />

bieten sich zwei Zugänge an, die im Rahmen<br />

des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> umgesetzt werden. Einmal geht<br />

es um die Analyse zwischenbetrieblicher Mobilität,<br />

wobei methodisch die Verknüpfung von<br />

Betriebs- und Personaldaten im Längsschnitt<br />

im Vordergrund steht (Grotheer 2007; Lutz<br />

u.a. 2000). Ein zweiter forschungsstrategisch<br />

sinnvoller Weg besteht darin, das betriebliche<br />

Substrat von Arbeitsmarktsegmenten zu<br />

erfassen, also gewissermaßen auf die kleinste<br />

strukturierte Einheit des Arbeitsmarktgeschehens<br />

zurückzugehen, um von dort aus wieder<br />

zur Meso- und Makroperspektive zurückzukehren.<br />

Betriebliche Beschäftigungs-Sub-Systeme (BBSS)<br />

Empirische und theoretische Analysen von<br />

betrieblicher Personal- und Beschäftigungspolitik<br />

machen deutlich, dass Erwerbsorganisationen<br />

ganz unterschiedliche Muster<br />

an Arbeitsplatz- und Personalstrukturen<br />

aufweisen, dass deren Elemente im Sinne von<br />

Wahlverwandtschaften miteinander zusammenhängen<br />

und nicht beliebig variier- und<br />

kombinierbar sind. Dieses Phänomen wird in<br />

der arbeits- und industriesoziologische Tradition<br />

(Altmann/Bechtle/Lutz 1978; Brussig<br />

2000; Pries 1998) ebenso wie in der Personalökonomik<br />

(Alewell 1993; Baron/Kreps 1999;<br />

Lazear 2003; Nienhüser 2004; Sadowski 2002)<br />

und der sozialwissenschaftlichen Arbeitsmarktforschung<br />

(Baden u.a. 1996; Dombois<br />

1999; Mendius/Sengenberger 1976; Marsden<br />

1999; Osterman 1987) aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven diskutiert.<br />

Wir interessieren uns für eine kritische Prüfung<br />

und Weiterentwicklung von Segmentationsansätzen<br />

und beziehen uns daher auf<br />

die arbeitsmarktrelevanten Funktionen von<br />

betrieblichen Beschäftigungssystemen. Zu deren<br />

Bestimmung entwickeln wir im kritischen<br />

Anschluss an Analysen betrieblicher Beschäftigungspolitik<br />

im Rahmen des Münchner<br />

Segmentationsansatzes (Köhler/Sengenberger<br />

1983; Köhler/Preisendörfer 1989) und neuere<br />

Ansätze aus der Arbeits- und Personalökonomik<br />

(Alewell 1993; Baden u.a. 1996; Baron u.<br />

a. 1996; Osterman 1987) mit dem Konzept des<br />

Betrieblichen Beschäftigungs-Sub-<br />

Systems (BBSS) eine eigenständige<br />

Perspektive auf das Arbeitsmarktgeschehen.<br />

Folgt man der arbeits- und industriesoziologischen<br />

Tradition einerseits (Altmann/<br />

Bechtle/Lutz 1978; Deutschmann 2002;<br />

Seite 19


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Seite 20<br />

Hirsch-Kreinsen 2005) und der neueren<br />

Arbeits- und Personalökonomik andererseits<br />

(Baron/Kreps 1999; Sadowski 2002), so kann<br />

betriebliche Personal- und Beschäftigungspolitik<br />

auf zwei Grundprobleme zurückgeführt<br />

werden: Einmal geht es um die Verfügbarkeit<br />

von Arbeitskraft in einer bestimmten Menge<br />

und Qualifikation (bzw. um deren Abbau<br />

bei Personalüberhang), zum anderen um die<br />

Arbeitsmotivation und Leistung (häufig als<br />

Transformationsproblem thematisiert). Diese<br />

zwei Grundprobleme betrieblicher Personalund<br />

Beschäftigungspolitik werden über Allokations-<br />

und Qualifizierungsprozesse sowie<br />

über materielle und immaterielle Gratifikationen<br />

(Anreize und Sanktionen) bearbeitet.<br />

Unser BBSS-Konzept fokussiert damit auf die<br />

personal- und arbeitsmarktrelevanten Vorgänge<br />

in den Unternehmen. BBSS bezeichnen in<br />

Abgrenzung zu Produktions- und Arbeitssystemen<br />

3 die Gesamtheit der auf die Bearbeitung<br />

des Verfügbarkeits- und Leistungsproblems<br />

gerichteten Strukturen und Prozesse der<br />

Allokation, Qualifikation und Gratifikation in<br />

Erwerbsorganisationen. Bezogen auf die Frage<br />

nach dem dominanten Steuerungsprinzip und<br />

der Beschäftigungssicherheit unterscheiden<br />

wir BBSS nach folgenden Merkmalen:<br />

- BBSS sind Teilmengen von Arbeitplätzen<br />

und Arbeitskräften innerhalb von<br />

Erwerbsorganisationen, die über<br />

Eintritts- und Austrittspositionen<br />

und Austauschvolumina in unterschiedlichem<br />

Maße nach außen zum<br />

überbetrieblichen Arbeitsmarkt<br />

geöffnet sind und damit unterschiedliche<br />

Niveaus von betrieblicher Beschäftigungsstabilität<br />

und -sicherheit reproduzieren.<br />

- Erwerbsorganisationen umfassen in der Regel<br />

mehrere BBSS, die sich nach innen durch<br />

den Substitutions- und Mobilitätsbereich<br />

ihrer Mitglieder abgrenzen. Innerhalb dieses<br />

Allokationsraumes konkurrieren die Arbeitskräfte<br />

um die privilegierten Positionen beim<br />

Personalaufbau und -abbau.<br />

- Für BBSS gelten einheitliche Regeln der Allokation<br />

(Personalauswahl bei der Besetzung<br />

und Räumung von Stellen), Qualifikation<br />

(Aus- und Weiterbildung im Betrieb) und<br />

Gratifikation (materielle und immaterielle<br />

Anreize). Diese sind im Sinne von Wahlverwandtschaften<br />

aufeinander bezogen.<br />

Für eine zusammenfassende Definition können<br />

wir demnach festhalten: BBSS sind sozioökonomische<br />

Räume der Nutzung von Arbeitskraft<br />

innerhalb von Erwerbsorganisationen, die sich<br />

nach innen (gegenüber anderen Arbeitsbereichen<br />

im Betrieb) und außen (gegenüber den<br />

überbetrieblichen Arbeitsmärkten) abgrenzen.<br />

Sie zeichnen sich im Sinne der Unterscheidung<br />

von Internen und Externen Arbeitsmärkten<br />

durch unterschiedliche Niveaus der Schließung<br />

und distinkte Regeln der Allokation, Qualifikation<br />

und Gratifikation aus. Erwerbsorganisationen<br />

operieren in der Regel mit mehreren<br />

und verschiedenen BBSS, welche an verschiedene<br />

überbetriebliche Märkte angeschlossen<br />

sind. BBSS sind also betriebliche Bausteine<br />

überbetrieblicher Teilarbeitsmärkte bzw. von<br />

Arbeitsmarktsegmenten.<br />

Zentraler Indikator für den Grad der Schließung<br />

gegenüber den überbetrieblichen Teilarbeitsmärkten<br />

ist die in den innerbetrieblichen<br />

Allokationsräumen dominante Dauer der<br />

Beschäftigung. Langfristige Beschäftigung in-


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

diziert Schließung: Beschäftiger und Beschäftigte<br />

verzichten auf die Nutzung des Externen<br />

Marktes. Bei zeitlich begrenzter Beschäftigung<br />

beobachten beide Seiten den Externen Markt<br />

und nutzen Alternativen, wenn sich daraus<br />

Vorteile ergeben.<br />

Teilarbeitsmärkte und BBSS<br />

Mit dieser Definition von BBSS greifen wir auf<br />

zentrale Begriffe der Arbeitsmarktforschung<br />

zur Analyse von Teilarbeitsmärkten zurück<br />

(Baron/Bielby 1980; Franz 1999; Osterman<br />

1987; Struck 2005). Die Arbeitsmarktforschung<br />

rekurriert auf die Grundfunktionen von<br />

Märkten (Allokation über Preisbildung), die<br />

für den Arbeitsmarkt näher bestimmt werden:<br />

1. Allokation bezeichnet die Zuordnung von<br />

Arbeitsplätzen und Arbeitskräften. 2. Diese ist<br />

auf den Arbeitsmärkten immer mit einer mehr<br />

oder weniger umfangreichen Qualifizierung<br />

für die jeweiligen Arbeitsaufgaben verbunden.<br />

3. Der Preisbildung entspricht die Gratifikation<br />

der Arbeitskraft über monetäre und nichtmonetäre<br />

Anreize.<br />

Diese Bestimmungen lassen sich problemlos in<br />

Analysen und Definitionen der Arbeits- und<br />

Personalökonomie (Alewell 1993) einerseits<br />

und der Arbeits- und Industriesoziologie<br />

andererseits (Altmann/Bechtle/Lutz 1978)<br />

übersetzen. Der Allokations- und Qualifikationsfunktion<br />

des Arbeitsmarktes entspricht auf<br />

der betrieblichen Ebene das Verfügbarkeitsproblem<br />

(Besetzung und Räumung von Arbeitsplätzen)<br />

und die Anpassungs- bzw. Qualifikationsfunktion<br />

(Ausbildung und Anlernung für<br />

Arbeitsaufgaben), der Gratifikationsfunktion<br />

entspricht das Leistungs- bzw. Transformationsproblem<br />

(Motivation bzw. Kontrolle zur<br />

Sicherung der Leistungsbereitschaft).<br />

Teilarbeitsmärkte werden definiert als „eine<br />

durch bestimmte Merkmale von Arbeitskräften<br />

und Arbeitplätzen abgegrenzte Struktureinheit<br />

des Gesamtarbeitsmarktes, innerhalb<br />

derer die Allokation, Gratifizierung und Qualifizierung<br />

der Arbeitskräfte einer besonderen<br />

und mehr oder weniger stark institutionalisierten<br />

Regelung unterliegt.“ (Sengenberger 1975:<br />

S.29 ff.; ders. 1987: S.52 ff.). Sie sind nach<br />

Sengenberger durch drei Strukturelemente<br />

geprägt: 1. Die Geschlossenheit/Offenheit gegenüber<br />

anderen Teilarbeitsmärkten (definiert<br />

durch Zugangs- und Abgangspositionen,<br />

Selektionsregeln und Austauschvolumina); 2.<br />

die räumliche und fachliche Ausdehnung (definiert<br />

durch den maximalen Mobilitäts- und<br />

Substitutionsbereich); 3. die Binnenstruktur<br />

(Regeln der Allokation, Qualifikation und<br />

Gratifikation).<br />

Für unsere Frage nach BBSS innerhalb von<br />

Erwerbsorganisationen haben wir diese Definition<br />

von Teilarbeitsmärkten „übersetzt“.<br />

Daraus ergaben sich die bereits eingeführten<br />

zentralen Dimensionen und Definitionsmerkmale<br />

von BBSS:<br />

1.) Entsprechend den Grundfragen des Segmentationsansatzes<br />

steht für uns die Frage<br />

nach der Steuerung von Arbeitsmarktprozessen<br />

über den Markt oder<br />

die Organisation im Vordergrund. Es<br />

Seite 21<br />

geht also zunächst um die Dimension<br />

der Schließung. Sind die Allokationsprozesse<br />

innerhalb des BBSS an die Logik des überbetrieblichen<br />

Marktes angeschlossen oder eher<br />

abgeschottet, so dass die Regeln der Organi-


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

sation greifen? Gibt es langfristige Beschäftigungssicherheit<br />

in der Organisation oder<br />

müssen sich die Arbeitskräfte die Sicherheit<br />

auf dem Markt suchen?<br />

Unter welchen Bedingungen kann man von<br />

marktgesteuerten oder organisationsgesteuerten<br />

Beschäftigungsbeziehungen sprechen?<br />

Trotz des umfangreichen Oeuvres zu Internen<br />

Arbeitsmärkten liegen bislang keine eindeutigen<br />

Definitionen vor. Grundsätzlich gilt, dass<br />

Arbeitplätze und Arbeitsverträge innerhalb der<br />

Grenzen von Erwerbsorganisationen angesiedelt<br />

und durch Mitgliedschaftsrollen definiert<br />

sind. Auch zeitlich begrenzte Beschäftigungsverhältnisse<br />

sind in Erwerbsorganisationen<br />

eingebunden und genießen für den Zeitraum<br />

des Arbeitsvertrages einen gewissen Schutz.<br />

Umgekehrt sind langfristige Beschäftigungsverhältnisse<br />

in Internen Arbeitsmärkten über<br />

Eintritts- und Austrittspositionen immer auch<br />

an Externe Arbeitsmärkte und deren Steuerungsmechanismen<br />

angeschlossen.<br />

BBSS sind also strukturell etwas anderes als<br />

Märkte und Kaufverträge, aber immer mehr<br />

oder weniger stark durch Marktkräfte bestimmt.<br />

Es handelt sich um ein Kontinuum<br />

zwischen weitgehend Geschlossenen und<br />

weitgehend Offenen Systemen, die innerhalb<br />

der Grenzen der Organisation angesiedelt sind<br />

und damit immer sowohl Organisationsregeln<br />

als auch Marktkräften unterliegen.<br />

Entscheidend ist das Mischungs-<br />

Seite 22 verhältnis. Im Anschluss an die<br />

Definition von Teilarbeitsmärkten<br />

lässt sich der Grad der Offenheit zu anderen<br />

Teilarbeitsmärkten durch die Zahl der Eintritts-<br />

und Austrittspositionen im BBSS und<br />

das Volumen des Austauschs zwischen BBSS<br />

und Externem Arbeitsmarkt bestimmen.<br />

Das erste Definitionsmerkmal ergibt sich unmittelbar<br />

aus unserer Fragestellung nach Steuerungsprinzipien<br />

von BBSS und betrieblicher<br />

Beschäftigungssicherheit: BBSS sind Teilmengen<br />

von Arbeitplätzen und Arbeitskräften innerhalb<br />

von Erwerbsorganisationen, die über Zugangsbzw.<br />

Austrittspositionen und Selektionsregeln<br />

mehr oder weniger stark an überbetriebliche<br />

Märkte angeschlossen, also in unterschiedlichem<br />

Maße durch Marktkräfte gesteuert sind, und<br />

damit unterschiedliche Niveaus betriebsbasierter<br />

Beschäftigungsstabilität und -sicherheit bieten.<br />

Wir unterscheiden dabei grundlegend zwischen<br />

Geschlossen und Offenen BBSS.<br />

2.) Erwerbsorganisationen umfassen also<br />

in der Regel verschiedene Teilmengen von<br />

Arbeitskräften und Arbeitsplätzen mit unterschiedlichen<br />

Niveaus der Abschottung<br />

vom Externen Arbeitsmarkt. So stehen z.B.<br />

in Softwareunternehmen Arbeitsbereiche mit<br />

geringer Fluktuation und langfristig gesicherter<br />

Beschäftigung solchen mit hohem Personalaustausch<br />

gegenüber. Deutlich wird dies<br />

auch in Unternehmen mit großen Internen<br />

Arbeitsmärkten, wo gleichzeitig viele Arbeitsbereiche<br />

und Tätigkeiten mit eher kurzfristig<br />

Beschäftigten besetzt werden. Wie sind diese<br />

durch Teilmengen von Arbeitplätzen und<br />

Arbeitskräften definierten sozioökonomischen<br />

Räume voneinander abzugrenzen?<br />

Im Anschluss an die Definition von überbetrieblichen<br />

Teilarbeitsmärkten gehen wir davon<br />

aus, dass die Grenzen der Substituierbarkeit<br />

und Mobilität von Arbeitskräften innerhalb<br />

der Erwerbsorganisation die Grenzen des<br />

BBSS bestimmen. In diesem „innerbetrieb-


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

lichen Allokationsraum“ konkurrieren die<br />

Beschäftigten bei der Besetzung von Vakanzen<br />

und beim Personalaufbau um die attraktiveren<br />

Positionen nach Einkommen und Arbeitsbedingungen.<br />

Beim Personalabbau geht die Konkurrenz<br />

um die Arbeitsplatzsicherheit: Wer<br />

muss gehen und wer darf bleiben. Die Grenzziehungen<br />

dieses Allokationsraums sind nicht<br />

alleine von fachlichen Kriterien bestimmt, sie<br />

sind vielmehr Gegenstand von hochkomplexen<br />

Interessenskonflikten zwischen Management<br />

und Belegschaften, aber auch innerhalb beider<br />

Gruppierungen. In Deutschland wird dies etwa<br />

im Zusammenhang mit der Differenzierung<br />

von Stamm- und Randbelegschaften und der<br />

Analyse von Personalabbauaktionen thematisiert<br />

(Köhler/Preisendörfer 1989; Kronauer/<br />

Vogel 1998; Dörre 2005). In den gewerkschaftlich<br />

organisierten Betrieben und Sektoren der<br />

USA und Englands sind die Allokationsräume<br />

und -regeln direkter Gegenstand von Verhandlungen<br />

und Kollektivverträgen, so dass hier die<br />

Interessenskonflikte besonders deutlich werden<br />

(Herding 1980; Köhler 1981; Köhler/Sengenberger<br />

1983; Marsden 1999). Das Management<br />

stellt bei Personalbewegungen in der Regel<br />

Qualifikationskriterien in den Vordergrund,<br />

um Folgemobilität und Qualifizierungskosten<br />

zu begrenzen, während die Beschäftigten in<br />

erster Linie Aufstiegsmöglichkeiten und Beschäftigungssicherheit<br />

anstreben.<br />

Das zweite Definitionsmerkmal lautet damit:<br />

BBSS sind Allokationsräume, deren Grenzen nach<br />

innen durch den Substitutions- und Mobilitätsbereich<br />

bei Umsetzungen sowie beim Personalaufbau<br />

und -abbau bestimmt sind und innerhalb derer die<br />

Beschäftigten um privilegierte Positionen konkurrieren.<br />

3.) Mehr oder weniger institutionalisierte<br />

Allokationsregeln entscheiden nun darüber,<br />

nach welchen Kriterien das Personal für die<br />

Besetzung oder Räumung von Stellen ausgewählt<br />

wird. Dabei geht es einmal um die<br />

oben beschriebene Frage nach dem Verhältnis<br />

von innerbetrieblichem Allokationsraum zum<br />

überbetrieblichen Arbeitsmarkt. In weitgehend<br />

Geschlossenen BBSS, die eine relativ<br />

hohe Abschottung zu anderen Teilarbeitsmärkten<br />

und Arbeitsbereichen aufweisen, lautet<br />

die Allokationsregel: Innen vor außen, so dass<br />

nur unbeliebte Arbeitsplätze extern besetzt<br />

werden. In weitgehend Offenen BBSS konkurriert<br />

das Personal des innerbetrieblichen<br />

Allokationsraums bei jeder Personalbewegung<br />

und zu jedem Zeitpunkt mit dem Personal des<br />

überbetrieblichen Teilarbeitsmarktes, da das<br />

BBSS relativ stark an Externe Teilarbeitsmärkte<br />

angeschlossen ist, also eine hohe Zahl an<br />

Eintritts- und Austrittspositionen aufweist.<br />

Zum Zweiten geht es um die Frage nach den<br />

Auswahlkriterien in Bezug auf die Arbeitskraftmerkmale.<br />

Hier kann man zwischen<br />

partikularistischen und universalistischen Regeln<br />

unterscheiden. Bei Ersteren geht es um<br />

Verwandtschafts- oder Klientelbeziehungen,<br />

Nationalität, Ethnizität und Geschlecht. Universale<br />

Regeln können sich auf Qualifikation<br />

und Leistung, aber auch auf soziale Kriterien<br />

der Bedürftigkeit beziehen (entsprechend<br />

unterschiedlicher Gerechtigkeitsnormen:<br />

Struck/Stephan u.a. 2006).<br />

Auf der Basis einer Vielzahl von wirt-<br />

Seite 23<br />

schaftssoziologischen Arbeiten gehen<br />

wir davon aus, dass mit der Durchsetzung der<br />

kapitalistischen Industriegesellschaften in der<br />

Prosperitätskonstellation nach dem zweiten<br />

Weltkrieg universale Allokationsregeln an


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Bedeutung gewonnen haben, wobei in unterschiedlichem<br />

Ausmaß partikulare Kriterien<br />

(z.B. Diskriminierung nach Geschlecht und<br />

Ethnizität) erhalten geblieben sind. Die<br />

Befunde aus der Vermarktlichungsdebatte<br />

legen nahe, dass in post-fordistischen Wirtschaftssystemen<br />

Leistungskriterien gegenüber<br />

sozialen Kriterien weiter an Bedeutung<br />

gewinnen (Frey/Hüning/Nickel 2005; siehe<br />

dazu Abschnitt 10).<br />

Weiterhin gibt es einen engen Zusammenhang<br />

der nach außen und innen gerichteten<br />

Regeln der Allokation mit denen der Qualifikation<br />

und Gratifikation (vgl. Alewell 1997;<br />

Lutz 1987). Bei Geschlossenen BBSS kann viel<br />

on- und off-the-job Qualifizierung betrieben<br />

werden, weil die Humankapitalinvestitionen<br />

im Betrieb bleiben. Bei Offenen Systemen<br />

muss man die Arbeitsplatzstruktur dequalifizieren<br />

und dadurch das Qualifikationsproblem<br />

entschärfen oder darauf achten, dass die Lasten<br />

der Humankapitalinvestitionen verteilt werden.<br />

Bei Geschlossenen Systemen werden die<br />

Gratifikationssysteme so gebaut, dass sie bei<br />

Abwesenheit von externer Konkurrenz interne<br />

Anreize aufbauen, z.B. durch starke vertikale<br />

Spreizung. Bei Offenen BBSS orientiert man<br />

sich eher an Marktpreisen und es finden sich<br />

in der Regel engmaschigere Kontrollsysteme<br />

als bei Geschlossenen BBSS.<br />

Das dritte Definitionsmerkmal lautet:<br />

BBSS sind innerbetriebliche Räume der<br />

Seite 24 Allokation, für die einheitliche Allokationsregeln<br />

bei der Personalauswahl für<br />

die Besetzung oder Räumung von Stellen gelten.<br />

Diese stehen im Sinne von Wahlverwandtschaften<br />

in einem engen Zusammenhang zu Regeln der<br />

Qualifizierung und Gratifizierung.<br />

4. BBSS – Operationalisierung und Untersuchungsansatz<br />

Wir definieren BBSS im Anschluss an die<br />

Analyse von Teilarbeitsmärkten als innerbetriebliche<br />

Allokationsräume, die sich durch<br />

das Niveau der Schließung zum Externen Arbeitsmarkt,<br />

durch die Abgrenzung zu anderen<br />

Arbeitsbereichen in der Erwerbsorganisation<br />

und durch einheitliche Regeln der Allokation,<br />

Qualifikation und Gratifikation auszeichnen.<br />

Die Frage ist, wie diese Definition unseres<br />

BBSS-Konzeptes operationalisiert und für<br />

empirische Analysen nutzbar gemacht werden<br />

kann. Zur Beantwortung können wir auf<br />

eine lange Forschungstradition der Analyse<br />

betrieblicher Beschäftigungssysteme zurückgreifen.<br />

Innerbetriebliche Allokationsräume<br />

konstituieren sich über eine Vielzahl von<br />

Anpassungsprozessen von Arbeitsplatz- und<br />

Organisationsstrukturen einerseits und Mobilitätsverläufe<br />

von Personen andererseits. Die<br />

Zahl der Eintritts- und Austrittspositionen,<br />

das Austauschvolumen sowie die innerbetrieblichen<br />

Mobilitätsströme sind nur über aufwendige<br />

qualitative und quantitative Analysen<br />

von Verweildauern auf Arbeitsplätzen sowie<br />

Übergängen und Verläufen (Betriebseintritte,<br />

Austritte, innerbetriebliche Umsetzungen) zu<br />

erfassen.<br />

Dieser Typus von Analysen wurde in den USA<br />

in der wissenschaftlichen und politischen<br />

Auseinandersetzung mit dem Thema der<br />

Diskriminierung und den dort dominierenden<br />

senioritätsgesteuerten Beschäftigungssystemen<br />

begründet und später unter der Devise des<br />

„Bringing the Firm back in“ (Baron/Bielby<br />

1980; Struck 2005) in der Sozialstrukturanalyse<br />

fortgeführt. Hier wurden zunächst detail-


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

lierte und eher qualitativ orientierte Betriebsfallstudien<br />

durchgeführt. Später wurden dann<br />

quantitative und datentechnisch aufwendige<br />

Methoden wie die Markov Chain-Analyse<br />

oder der Vakanzketten-Ansatz genutzt (zur<br />

Übersicht vgl. Grüner 1992; Grotheer 2007;<br />

Köhler 1981; Köhler/Sengenberger 1983).<br />

In den 70er und 80er Jahren wurden diese<br />

Ansätze auch in Deutschland rezipiert und<br />

genutzt (u.a von Bosch 1978; Dombois 1976;<br />

Lichte 1978). Beispielhaft sind hier immer<br />

noch die Analysen des „Südwerk“ mit einem<br />

wohl weltweit einmaligen Employer-Employee-Datensatz,<br />

aus dem vier Buchpublikationen<br />

und unzählige Aufsätze hervorgegangen<br />

sind (Brüderl 1991; Grüner 1992; Köhler/Preisendörfer<br />

1989; Schultz-Wild u.a. 1986). Für<br />

diesen Typus von Analysen braucht man einen<br />

klassischen Fallstudienansatz, in dem Betriebe<br />

und einzelne Arbeitsbereiche intensiv und über<br />

einen längeren Zeitraum untersucht werden.<br />

Diese Analysen sind dann über Betriebs- und<br />

Individualdaten zu ergänzen.<br />

Unser Ziel bestand darin, einen Überblick<br />

über die Vielfalt an Beschäftigungsmustern<br />

im Industrie- und Dienstleistungssektor zu<br />

bekommen, um so über die Mikroperspektive<br />

einen Anschluss an die Makroperspektive der<br />

Arbeitsmarktsegmentation herzustellen. Konsequenterweise<br />

haben wir einfache Indikatoren<br />

für das Niveau der Schließung sowie für die<br />

Binnenstruktur der Allokation, Qualifikation<br />

und Gratifikation genutzt, die in ein bis zwei<br />

Betriebsbesuchen sowie kurzen Nachrecherchen<br />

zu erheben waren.<br />

Indikatoren für die Offenheit bzw. Geschlossenheit<br />

von BBSS<br />

Für unsere Zwecke vergleichender Mikro- und<br />

Makrostatistischer Analysen von Beschäftigungssystemen<br />

mussten einfach zu erhebende<br />

Indikatoren für „Intern“ und „Extern“ gebildet<br />

werden. Im Anschluss an eine lange Tradition<br />

der quantitativen Arbeitsmarktforschung<br />

lag es nahe, auf die Beschäftigungsdauern in<br />

Erwerbsorganisationen zu fokussieren. Diese<br />

indizieren den Zeitraum, in dem Beschäftiger<br />

und Beschäftigte auf die Nutzung des Externen<br />

Arbeitsmarktes zur Verbesserung ihrer<br />

Position verzichten. Bei langfristiger Beschäftigung,<br />

die im Extremfall bis zur Rente reicht,<br />

konkurriert der Beschäftigte nach den Regeln<br />

der Organisation nur mit den Arbeitskräften<br />

des internen Allokationsraums, der Externe<br />

Markt ist ausgeschlossen. Bei zeitlich befristeter,<br />

kurz- oder mittelfristiger Beschäftigung<br />

dagegen orientieren sich beide Seiten immer<br />

auch an den Alternativen, die der Externe<br />

Markt bietet.<br />

Indikator für die Zuordnung zu Internen<br />

oder Externen Systemen sind dann die<br />

Anteile der kurz-, mittel- und langfristigen<br />

Beschäftigungsdauern innerhalb von innerbetrieblichen<br />

Allokationsräumen. Die Anteile<br />

zeitlich begrenzter Beschäftigung indizieren<br />

die Zahl der Austrittspositionen und das<br />

Austauschvolumen. Wir unterscheiden<br />

dann Geschlossene und Offene<br />

Beschäftigungssysteme nach der<br />

Seite 25<br />

Dominanz langfristiger oder zeitlich<br />

begrenzter Beschäftigung. Schließung von<br />

Beschäftigungssystemen heißt im Extremfall<br />

Langfristbeschäftigung bis zur Rente;<br />

Öffnung zeitlich begrenzte, also kurz- und


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

mittelfristige Beschäftigung und Austausch<br />

mit dem Externen Arbeitsmarkt. Diese Zuordnung<br />

erfolgt zunächst unabhängig davon,<br />

wessen Initiative zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses<br />

geführt hat. Dahinter<br />

stehen empirische und theoretische Befunde,<br />

die deutlich machen, dass Austritte aus Beschäftigung<br />

sich immer aus einer Interaktion<br />

von Angebots- und Nachfrageseite ergeben,<br />

wobei dem Beschäftiger aufgrund einer strukturellen<br />

Machtasymmetrie in der Regel die<br />

hegemoniale Position im Interaktionsprozess<br />

zukommt.<br />

Indikatoren für den Allokationsraum und die<br />

Allokationsregel<br />

Die räumliche und fachliche Ausdehnung von<br />

BBSS ist dort am einfachsten zu bestimmen,<br />

wo sie Gegenstand formeller Regeln ist, wie<br />

z.B. in weiten Teilen des öffentlichen Dienstes.<br />

Hier werden Laufbahnen und Regeln der<br />

Beförderung im Dienstrecht festgelegt. Der<br />

Allokationsraum ergibt sich aus den Stellen<br />

und Personen, die sich für spezifische, frei<br />

werdende Positionen bewerben können. Ähnliches<br />

galt und gilt für Bereiche der privaten<br />

Wirtschaft, in denen Gewerkschaften Regeln<br />

für die Besetzung und Räumung von Stellen<br />

aushandeln, wie dies früher in der Teilen der<br />

Stahl- und Chemieindustrie der Fall war.<br />

Besonderns ausgeprägt waren und sind solche<br />

Regelungen bei den so genannten Senioritätssystemen<br />

in Großbritannien<br />

Seite 26 und den USA, wo für den Personalaufbau<br />

und -abbau Auswahlbereiche<br />

festgelegt werden, innerhalb derer nach dem<br />

Kriterium der Betriebszugehörigkeitsdauer bei<br />

Personalbewegungen entschieden wird (vgl.<br />

Köhler 1981; Köhler/Sengenberger 1983).<br />

Dort, wo keine formellen Regelungen vorgegeben<br />

sind, entfalten sich komplizierte informelle<br />

Entscheidungs- und Aushandlungsprozesse,<br />

deren Ergebnisse nur über die Analyse von<br />

Personalbewegungen zu ermitteln sind. Dies<br />

kann, wie oben gezeigt, über die qualitative<br />

Beschreibung von Personalströmen in Erwerbsorganisationen<br />

und/oder über Beschäftiger-Beschäftigten-Datensätze<br />

erfolgen (vgl.<br />

Köhler/Preisendörfer 1989; Bellmann/Bender/<br />

Kölling 2002).<br />

Für die hier vorgestellten qualitativen Analysen<br />

wurden Personalverantwortliche nach<br />

Ihren Erfahrungen mit Mobilitätsströmen<br />

befragt, wobei die wichtigsten Abteilungen der<br />

Erwerbsorganisation nach Eintrittspositionen,<br />

innerbetrieblicher Mobilität und Regeln des<br />

Personalabbaus erfasst wurden. Häufig decken<br />

sich die innerbetrieblichen Allokationsräume<br />

mit den organisatorischen Grenzen von funktional<br />

definierten Arbeitsbereichen und qualifikatorisch<br />

definierten Tätigkeitsgruppen (z.B.<br />

Instandhaltung/Elektriker). So bilden etwa in<br />

Maschinenbaubetrieben die Maschinenbedienung<br />

in der Teilefertigung und die Montage<br />

der häufig komplizierten Aggregate eigene<br />

Mobilitätsbereiche bei Personalaufbau und<br />

-abbau sowie bei kurzfristigen Umsetzungen<br />

(vgl. Schultz-Wild u.a. 1986).<br />

Für diese Bereiche gelten dann auch einheitliche<br />

Regeln der Allokation, Qualifikation und<br />

Gratifikation. Da alle potenziellen Kandidaten<br />

des Allokationsraums die Neubesetzung freier<br />

Stellen beobachten, ruft die Verletzung von<br />

eingeführten Regeln der Personalauswahl Konflikte<br />

hervor und zwingt zur Vereinheitlichung.<br />

Ähnliches gilt für die Entlohnung und sonstige<br />

Gratifikationen sowie für die Finanzierung der


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Qualifizierung.<br />

Indikatoren für Qualifikation und Gratifikation<br />

Die Zuordnung zum Qualifikationstypus<br />

erfolgt nach der Dauer und Art des Qualifizierungsprozesses:<br />

Wir unterscheiden Jederperson-Qualifikationen,<br />

tätigkeitsbasierte Qualifikationen<br />

und berufsfachliche Qualifikationen.<br />

Bei Jederperson-Qualifikationen handelt es<br />

sich um unspezifische Basisqualifikationen,<br />

die für einfache Tätigkeiten geschärft werden.<br />

Sie werden nach unserer Definition in einem<br />

Zeitraum von bis zu zwei Monaten erworben.<br />

Tätigkeitsbasierte Qualifikationen erfordern<br />

einen längeren Qualifizierungsprozess und<br />

werden über Anlernung und Weiterbildung<br />

erworben. Berufsfachliche Qualifikationen<br />

setzen eine formalisierte und institutionalisierte<br />

berufliche Ausbildung von mindestens zwei<br />

Jahren voraus. Der Begriff umfasst hier auch<br />

akademische Abschlüsse mit beruflicher Spezialisierung<br />

(wie bei den sog. Professionen).<br />

Der Begriff der Gratifikation bezieht sich<br />

auf das zweite Bezugsproblem von BBSS: die<br />

Sicherstellung der Leistungsbereitschaft. Es<br />

geht einerseits um verschiedene Anreize und<br />

Sanktionen (Sicherheit, Arbeitsbedingungen<br />

und -inhalte, Einkommen) und andererseits<br />

um Kontrollsysteme, die prozess- und ergebnisorientiert<br />

angelegt sein können.<br />

Untersuchungsdesign<br />

Für die folgenden Analysen stützen wir uns<br />

auf Expertengespräche mit Personalverantwortlichen<br />

(1. Erhebungswelle; N=41; vgl.<br />

Anhang) und in ausgewählten Fällen auch auf<br />

Beschäftigte (2. Erhebungswelle; N=10) in<br />

Betrieben aus sechs Branchen, die für unsere<br />

Zwecke systematisch ausgewertet wurden.<br />

Diese 51 Fallstudien bilden unser Kernsample.<br />

Über 100 Fallrekonstruktionen aus vier<br />

Lehrforschungen der Jahre 2002 bis 2006,<br />

begleiteten den Forschungsprozess im Teilprojekt<br />

B2 des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> (siehe Vorwort). Sie<br />

bilden das „erweiterte Sample“ unserer Analysen<br />

Betrieblicher Beschäftigungssysteme und<br />

ergänzen das Kernsample um erstens fünf zusätzliche<br />

Branchen (Handel, Medien, Chemie,<br />

Gesundheit, Dienstleistungen) sowie zweitens<br />

insbesondere um die Beschäftigtenperspektive<br />

(vgl. Bernhardt u.a. 2007, in diesem Heft).<br />

Die wesentlichen Kriterien für die Auswahl<br />

der Betriebe im Kernsample (1. Erhebungswelle)<br />

wurden im Sinne des „dimensionalen<br />

Samplings“ (Arnold 1970; Flick 1999) vorab<br />

festgelegt. Hierzu wurden in einem ersten<br />

Schritt sechs Wirtschaftszweige ausgewählt,<br />

die hinsichtlich der Situation auf den (Arbeits-)<br />

Märkten sowie des Qualifikationsniveaus<br />

und der Fluktuation der Beschäftigten<br />

möglichst heterogen waren. 4 Die Auswahl fiel<br />

– auch vor dem Hintergrund abgeschlossener<br />

und laufender Arbeiten sowie des vorhandenen<br />

Know-hows – auf die ambulante Pflege, den<br />

Maschinenbau, die Softwareentwicklung, das<br />

Bauhauptgewerbe, Kreditinstitute und den<br />

Weiterbildungsbereich.<br />

Hieran schloss sich die Wahl einer<br />

jeweils west- und ostdeutschen<br />

Untersuchungsregion an (Nord-<br />

Niedersachsen/Bremen; Mittel-<br />

Thüringen). Beide Regionen haben einen<br />

je spezifischen De-Industrialisierungsschub<br />

durchlaufen und weisen für West- bzw. Ostdeutschland<br />

mittlere Arbeitslosenquoten auf.<br />

Seite 27


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Innerhalb dieser so durch die Wirtschaftszweige<br />

und Regionen definierten Fallgruppen<br />

wurde schließlich in einem dritten Schritt<br />

mit Hilfe von Experten vor Ort zwischen<br />

Betrieben mit einer relativ stabilen bzw. mit<br />

einer eher instabilen Beschäftigungssituation<br />

differenziert.<br />

Die leitfadengestützten Experteninterviews<br />

mit Personalleitern bzw. Geschäftsführern<br />

und z.T. Betriebsräten wurden in den Jahren<br />

2002 bis 2003 geführt (1. Erhebungswelle). In<br />

den Folgejahren rückten die Beschäftigten in<br />

den Mittelpunkt unserer Befragungen (2. Erhebungswelle<br />

und Lehrforschungen). Mittels<br />

Problemzentrierter Interviews (Witzel 1989,<br />

1996, 2000) wurde die Wahrnehmung sowie<br />

die Auswirkungen stabiler und instabiler Beschäftigungsverhältnisse<br />

auf das Handeln der<br />

Arbeitnehmer erhoben (vgl. Bultemeier u.a.<br />

2007).<br />

Schon in der Ausarbeitung des jeweiligen<br />

Interviewleitfadens (Beschäftiger bzw. Beschäftigte)<br />

wurde Wert darauf gelegt, die<br />

jeweils spezifischen Beschäftigungsformen im<br />

Kontext ihrer Rahmenbedingungen erfassen<br />

zu können sowie Raum für die Artikulation<br />

von Deutungsmustern und Handlungsstrategien<br />

der personalverantwortlichen Akteure<br />

bzw. Beschäftigten zu lassen. Es war nicht<br />

das Ziel der einzelnen Erhebungen, quantifizierbare<br />

Strukturdaten zu erhalten,<br />

sondern vielmehr durch ein offenes,<br />

Seite 28 aber dennoch problemzentriertes und<br />

halbstandardisiertes Vorgehen den<br />

Befragten Zeit für eigene Relevanzsetzungen<br />

zu geben. Auf diese Weise konnte die Bandbreite<br />

der einbezogenen Entscheidungsmuster<br />

der personalverantwortlichen Akteure bzw.<br />

Beschäftigten sowie Kombinationen betrieblicher<br />

und überbetrieblicher Einflussfaktoren<br />

ermittelt werden.<br />

Die rund 150 Interviews wurden aufgezeichnet<br />

und transkribiert. Die Fälle des Kernsamples<br />

der ersten Welle (N= 41) wurden textnah und<br />

mit Hilfe des Textdatenanalyseprogramms<br />

MaxQDA computergestützt codiert. Die<br />

Analyse erfolgte sowohl als Fallanalyse zur<br />

Ermittlung von Beschäftigungsstrategien im<br />

jeweiligen betrieblichen Kontext als auch im<br />

Fallvergleich, um thematische Ähnlichkeiten<br />

bzw. Differenzen zu analysieren. Die Fallstudien<br />

der zweiten Erhebungswelle und des erweiterten<br />

Samples dienten der Kontrastierung<br />

und für diesen Artikel als illustratives Hintergrundmaterial.<br />

5. Ergebnisse: Betriebe und Beschäftigungsdauern<br />

In einem ersten Schritt betrachten wir die<br />

im Kernsample (1. Erhebungswelle; N=41)<br />

erfassten Untersuchungsbetriebe (Betriebsstätten)<br />

nach dem Anteil der Kurz- und<br />

Mittelfristbeschäftigung an der Gesamtbeschäftigung.<br />

Wie oben ausgeführt, ist die Beschäftigungsdauer<br />

ein guter Indikator für das<br />

Niveau der Schließung von BBSS gegenüber<br />

dem überbetrieblichen Arbeitsmarkt. Kurzund<br />

Mittelfristbeschäftigung indizieren, dass<br />

Beschäftiger oder Beschäftigte Gelegenheiten<br />

des überbetrieblichen Marktes nutzen. Die<br />

BBSS sind relativ offen und damit Bestandteil<br />

Externer Teilarbeitsmärkte. Langfristbeschäftigung<br />

indiziert Schließung und Interne<br />

Arbeitsmärkte.


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Abb. 5.1: Anteile kurz- und mittelfristiger Beschäftigung; ausgewählte Fälle N=33<br />

Legende:<br />

MaBau =Maschinenbau;<br />

Weiterbildung 1 =ohne Honorarkräfte;<br />

Weiterbildung 2 =mit Honorarkräften<br />

Die Daten basieren auf detaillierten Angaben<br />

der Personalverantwortlichen zur Struktur<br />

der Beschäftigungsdauern in den<br />

einzelnen Arbeitsbereichen ihrer<br />

Seite 29<br />

Organisation, die unter Rückgriff auf<br />

eine Vielzahl anderer Variablen (Fluktuation,<br />

Beschäftigungsentwicklung, Vertragsformen,<br />

Altersstruktur, Erfahrungen der Beschäftiger<br />

etc.) kontrolliert wurden. Kurzfristige


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Beschäftigung wurde durch eine betriebliche<br />

Verweildauer von bis zu zwei Jahren definiert,<br />

als mittelfristig gelten Beschäftigungsverhältnisse<br />

von zwei bis zehn Jahren und als<br />

langfristig solche mit zehn und mehr Jahren,<br />

im Extremfall bis zur Rente. Dieser Ansatz hat<br />

sich auch in unserem Betriebspanel bewährt<br />

(Struck/Schröder 2006).<br />

Da wir sowohl bei der Branchenauswahl als<br />

auch bei der Betriebsauswahl innerhalb der<br />

Branchen nach dem Prinzip des maximalen<br />

Kontrastes vorgegangen sind, finden wir eine<br />

geradezu extreme Streuung: Die Betriebstätten<br />

(im folgenden Betriebe) weisen die gesamte<br />

Bandbreite von nur 5% bis 95% kurz- und<br />

mittelfristiger Beschäftigung auf (siehe Abb.<br />

5.1).<br />

Im Maschinenbau konzentrieren sich die Untersuchungsfälle<br />

auf den Bereich mit hohen<br />

Anteilen der Langfristbeschäftigung. Ebenso<br />

lassen sich in Teilen der Bankenbranche<br />

Unternehmen mit relativ hohen Anteilen<br />

langfristiger Beschäftigung finden. In der<br />

Weiterbildung zeigen sich dagegen vor allem<br />

Fälle mit hohen Anteilen von Mittel- und<br />

Kurzfristbeschäftigung, wenn man die Arbeitsplätze<br />

der Dozenten in die Kalkulation<br />

einbezieht (Weiterbildung 2). In den anderen<br />

Branchen liegt eher eine breite Streuung über<br />

alle Felder vor.<br />

Schon der erste Blick auf die Aus-<br />

Seite 30 wahlfälle innerhalb der Branchen<br />

lässt vermuten, dass die unterschiedliche<br />

Ausprägung der Dauervariablen mit<br />

verschiedenen Faktoren kovariiert. In Maschinenbau<br />

und Softwareindustrie spielen die<br />

Produktkomplexität und die Seriengröße (im<br />

Sinne des alten situativen Ansatzes) eine Rolle.<br />

Bei Pflegediensten, Baubetrieben, Weiterbildungseinrichtungen<br />

und Banken geht es eher<br />

um die Marktmacht auf den Absatzmärkten<br />

oder die institutionelle Absicherung als funktionales<br />

Äquivalent. Im Vergleich zwischen den<br />

Branchen spielt das Arbeitskräfteangebot eine<br />

große Rolle.<br />

6. Grundmuster – Geschlossene BBSS<br />

Die vorangestellten Analysen betrieblicher<br />

Beschäftigungspolitik in zehn Branchen des<br />

Industrie- und Dienstleistungssektors zeigen,<br />

dass Erwerbsorganisationen verschiedene Beschäftigungsverhältnisse<br />

in unterschiedlichen<br />

Mischungsverhältnissen nutzen. Die Frage<br />

war, ob die für die Prosperitätskonstellation des<br />

Fordismus entwickelte Unterscheidung von<br />

Internen und Externen sowie Primären und<br />

Sekundären Teilarbeitsmärkten heute noch<br />

Sinn macht. Die detaillierten empirischen<br />

Analysen einzelner Arbeits- und Tätigkeitsbereiche<br />

innerhalb der Unternehmen und<br />

Betriebe bestätigen unsere konzeptuellen<br />

Überlegungen zu BBSS und die Grundgedanken<br />

des Segmentationsansatzes. Es finden sich<br />

in verschiedenen Abteilungen und Arbeitsbereichen<br />

ganz unterschiedliche Allokationsräume,<br />

die sich durch unterschiedliche Maße der<br />

Schließung gegenüber dem Externen Arbeitsmarkt<br />

(indiziert durch die jeweils dominanten<br />

Beschäftigungsdauern) auszeichnen.<br />

So finden sich nach außen und innen abgegrenzte<br />

Arbeitsplatzbereiche in den Unternehmen,<br />

die mit langfristiger Beschäftigung<br />

und einheitlichen Regeln der Allokation,


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Interne Arbeitsmärkte<br />

Externe Arbeitsmärkte<br />

Primär Primäre Geschlossene BBSS Primäre Offene BBSS<br />

Sekundär Sekundäre Geschlossene BBSS Sekundäre Offene BBSS<br />

Abb. 6.1: Arbeitsmarktsegmente und BBSS<br />

Qualifikation und Gratifikation gefahren,<br />

dadurch von den unmittelbaren Schub- und<br />

Ziehkräften des Externen Marktes abgekoppelt<br />

werden (Geschlossene BBSS) und damit<br />

eher durch Strukturbildungsprozesse der<br />

Organisation bestimmt sind. In einer anderen<br />

Gruppe von Arbeitsbereichen dominiert die<br />

zeitlich begrenzte Beschäftigung. Allokation,<br />

Qualifikation und Gratifikation werden stärker<br />

von den Externen Märkten beeinflusst (Offene<br />

BBSS). Über die jeweilige Beschäftigungsdauer<br />

und damit die relative Zahl von Eintritts- und<br />

Austrittspositionen sind die jeweiligen BBSS<br />

an Arbeitsmarktsegmente angeschlossen.<br />

Geschlossene BBSS bilden den betrieblichen<br />

Baustein des Arbeitsmarktsegments Interner<br />

Märkte, Offene BBSS den Baustein Externer<br />

Märkte.<br />

Geschlossene und Offene BBSS unterscheiden<br />

sich ferner in einer vertikalen Dimension nach<br />

dem Lohnniveau und den Beschäftigungsrisiken<br />

(siehe Abb. 6.1). Primäre BBSS zeichnen<br />

sich durch durchschnittliche bis überdurchschnittliche<br />

Einkommen und betriebliche oder<br />

überbetriebliche Beschäftigungssicherheit aus.<br />

Sekundäre BBSS durch geringe Einkommen<br />

und/oder hohe Beschäftigungsrisiken. Die<br />

unterschiedlichen sozialen Risiken für die<br />

Beschäftigten haben Handlungsfolgen für<br />

beide Arbeitsmarktparteien und generieren<br />

distinkte Muster der Allokation, Qualifikation<br />

und Gratifikation.<br />

Im Ergebnis zeigen sich vier Grundmuster<br />

von BBSS, die der Logik der Segmentationsmatrix<br />

entsprechen. Dabei sind<br />

BBSS nicht mit überbetrieblichen<br />

Teilarbeitsmärkten zu verwechseln.<br />

Seite 31<br />

Sie umfassen innerbetriebliche<br />

Allokationsräume, die in unterschiedliche<br />

Weise an zwischenbetriebliche Arbeitsmärkte<br />

und Institutionen angeschlossen sind und<br />

bilden damit den betrieblichen Baustein von


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Arbeitsmarktsegmenten. Geschlossene BBSS<br />

korrespondieren also mit Teilarbeitsmärkten<br />

auf der Basis Interner Märkte und Offene<br />

BBSS mit Externen Teilarbeitsmärkten.<br />

Diese vier Grundmuster von BBSS (Offen/Geschlossen;<br />

Primär/Sekundär) sollen<br />

im Folgenden kurz beschrieben werden. Die<br />

Darstellung der Grundtypen erfolgt nach<br />

deren drei Grundfunktionen: Allokation,<br />

Qualifikation und Gratifikation. Innerhalb<br />

der vier Grundmuster zeigt sich eine hohe<br />

Variantenvielfalt in der Allokations-, Qualifikations-<br />

und Gratifikationsfunktion, sowohl<br />

innerhalb der Erwerbsorganisationen als auch<br />

im zwischenbetrieblichen Vergleich. Diese<br />

Vielfalt soll dokumentiert und durch die Beschreibung<br />

einzelner Beschäftigungssysteme<br />

illustriert werden. Dabei konzentrieren wir<br />

uns auf jene Beschäftigungssysteme, die in den<br />

alten Segmentationsansätzen unterbelichtet<br />

oder ignoriert wurden.<br />

Gemeinsames Merkmal Geschlossener BBSS<br />

sind langfristige Beschäftigungsverhältnisse.<br />

Beide Arbeitsmarktparteien verzichten aus<br />

unterschiedlichen Gründen darauf, Alternativen<br />

des Externen Marktes zu nutzen. Der<br />

implizite und explizite Arbeitsvertrag lautet:<br />

Wir bleiben zusammen, bis dass die Rente<br />

oder ein externes Ereignis (z.B. eine ökonomische<br />

oder individuelle Krise) uns trennen.<br />

Durch die damit verbundene starke<br />

wechselseitige Bindung von Betrieb<br />

Seite 32 und Arbeitskraft verzichtet der<br />

Beschäftiger darauf, das vorhandene<br />

Personal gegen andere Personen auf den<br />

überbetrieblichen Arbeitsmärkten mit höherer<br />

Leistung und/oder geringeren Löhnen auszutauschen:<br />

„Die beste Beschäftigungsform ist<br />

eine langfristige Perspektive, Stammpersonal<br />

ist das Beste von der Qualität, von der Mitarbeiterzufriedenheit,<br />

der Kundenzufriedenheit,<br />

der Kundenorientierung, können Sie nehmen<br />

was Sie wollen.“ (P:O3). Konsequenterweise<br />

schlagen Veränderungen der Externen Arbeitsmärkte<br />

nicht direkt, sondern nur vermittelt<br />

über die zentralen Akteure der Erwerbsorganisation<br />

auf die Binnenstruktur der Allokation,<br />

Qualifikation und Gratifikation durch.<br />

Primäre Geschlossene BBSS<br />

Primäre Geschlossene BBSS zeichnen sich<br />

nach unserer Definition durch Langfristbeschäftigung<br />

und Existenz sichernde Einkommen<br />

aus (indiziert durch durchschnittliche bis<br />

überdurchschnittliche Einkommen).<br />

Qualifikation: Den Erwartungen des Humankapitalansatzes<br />

für „firm specific skills“ entsprechend,<br />

organisieren „Primäre Geschlossene<br />

BBSS“ Qualifikationen, die über längere Anlernung<br />

erzeugt werden und die traditionell als<br />

betriebsspezifisch charakterisiert werden, dies<br />

jedoch häufig nicht sind, da sie für ähnliche<br />

Tätigkeiten in anderen Betrieben ebenso nutzbar<br />

sind. In unserem Sample sind wir etwa im<br />

Maschinenbau (M:O1, M:O3, M:O4) in den<br />

Arbeitsbereichen der Serienfertigung (Produktion<br />

und Montage) auf Tätigkeiten mit solchen<br />

Anlernqualifikationen gestoßen.<br />

Abweichend von den Erwartungen des Humankapitalansatzes<br />

für „general skills“ finden sich<br />

aber in „Primären Geschlossenen BBSS“ auch<br />

berufsfachliche Qualifikationen, die klassisch<br />

eher Offenen Beschäftigungssystemen zugerechnet<br />

wurden (siehe Abschnitt 2). Berufsfachliche<br />

Qualifikationen sind in Deutschland


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

aber vielfach mit Geschlossenen Systemen<br />

gekoppelt, so etwa in der Kleinserienfertigung<br />

im Maschinenbau (M:O2, M:O4, M:W2), in<br />

der Kundenberatung vieler Banken (Bk:O1-3,<br />

Bk:W1) und bei komplexen Bautätigkeiten<br />

in großen und mittleren Baufirmen (B:O1,<br />

B:O2, B:W1). Im Bereich hoch qualifizierter<br />

Tätigkeiten haben wir „Primär Geschlossene<br />

BBSS“ mit berufsfachlich/akademischen<br />

Qualifikationen etwa in der Softwarebranche<br />

bei der Entwicklung komplexer Programme<br />

(S:O1, S:O2, S:W1) gefunden. Hier scheint<br />

die enge Verbindung zwischen dem Wissen<br />

der Mitarbeiter und dem komplexen Produkt<br />

langfristige Beschäftigungsbeziehungen zu begünstigen:<br />

„Das Hauptkapital sind die Köpfe,<br />

die kann ich mir auch mit noch so viel Geld<br />

nicht irgendwo backen“ (S:O2).<br />

Allokation: Merkmal der „Primären Geschlossenen<br />

Systeme“ ist eine im Verhältnis zu „Offenen<br />

BBSS“ hohe Binnenmobilität, die von<br />

den weniger attraktiven Eintrittspositionen<br />

auf die nach Arbeits- und Entlohnungsbedingungen<br />

bevorzugten Arbeitsaufgaben und<br />

Stellen führt. Weiterhin fungiert das Personal<br />

auf den Eintrittspositionen typischerweise als<br />

Selektionsvorrat und Puffer für die attraktiven<br />

Positionen. Im Rahmen dieser Merkmale zeigt<br />

sich auch in der Allokationsdimension eine<br />

erhebliche Varianz.<br />

So finden sich in unserem Sample „Primär<br />

Geschlossene BBSS“ mit vertikalen Mobilitätsketten,<br />

in denen tätigkeitsbasierte, aber<br />

durchaus komplexe Qualifikationen Schritt<br />

für Schritt erzeugt werden. Hier sind die Arbeitsplätze<br />

nach Qualifikationsanforderungen<br />

und Einkommen gestuft (entsprechend der<br />

Logik der in den Segmentationsansätzen<br />

beschriebenen „Internen Märkte“). Beispiele<br />

für solche betrieblichen Strukturen haben<br />

wir auf verschiedenen Qualifikationsniveaus<br />

gefunden. Ein klassisches Beispiel bilden<br />

die „Angelernten“ in den Industriebranchen,<br />

die auf der Basis einer für die neue Tätigkeit<br />

nicht einschlägigen Ausbildung im Handwerk<br />

eingesetzt und über Anlernketten Schritt für<br />

Schritt qualifiziert werden (z.B. M:W1, M:<br />

O4).<br />

„Primäre Geschlossene Beschäftigungssysteme“<br />

können jedoch auch nach Qualifikationen<br />

und Entlohnungsbedingungen flachere<br />

Hierarchien, also nur wenige Aufstiegspositionen<br />

aufweisen. Hier vollzieht sich die<br />

Binnenmobilität in Richtung auf die nicht<br />

notwendigerweise besser bezahlten, aber nach<br />

Arbeitsinhalten und -bedingungen attraktiveren<br />

Arbeitsplätze. Solche Allokationsmuster<br />

mit flacheren Hierarchien und überwiegend<br />

horizontaler Mobilität finden sich<br />

häufig in Kombination mit berufsfachlichen<br />

Qualifikationen. Zum anderen aber auch für<br />

Akademiker, etwa im institutionalisierten<br />

Weiterbildungsbereich (W:W3). Die dort<br />

tätigen „Weiterbildungsplaner“ oder „Weiterbildungsmanager“<br />

bringen überwiegend ein<br />

sozial- oder kulturwissenschaftliches Studium<br />

als Basisqualifikation mit, während die tätigkeitsbasierten<br />

Kompetenzen – Erfahrungen<br />

in der Erwachsenenpädagogik, „Akquise“ und<br />

Auswahl geeigneter Kursleiter, Pflege<br />

der Dozentenkontakte, Erarbeitung<br />

von Weiterbildungskonzepten<br />

Seite 33<br />

– durch betriebliche und überbetriebliche<br />

Anlernprozesse erworben werden: „Wir<br />

können auch keine Leute von der Uni nehmen,<br />

die gerade ihr Examen gemacht haben, die haben<br />

soviel Ahnung von Weiterbildung wie ich


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

vom Kühlschrankbau.“ ... „Weil Weiterbildung<br />

unabhängig von den Ausgangsqualifikationen<br />

ist, die jemand mitbringt. Es beruht sehr viel<br />

darauf, dass Erfahrungswissen angesammelt<br />

wird.“ (W:W3).<br />

Gratifikation: Die Gratifikationsfunktion zielt<br />

auf die Sicherstellung der Arbeitsmotivation<br />

und operiert mit Anreizen (Beschäftigungssicherheit,<br />

Arbeitsbedingungen, Einkommen)<br />

und Kontrollen bzw. Sanktionen. In Bezug<br />

auf den Anreiz ‚Beschäftigungssicherheit’<br />

weisen „Primär Geschlossene Systeme“ ein<br />

Alleinstellungsmerkmal auf. Sie versprechen<br />

langfristige Beschäftigungsperspektiven, wenn<br />

Mindestbedingungen an Leistung und Loyalität<br />

eingehalten werden und nicht gewichtige<br />

betriebliche Gründe dazwischentreten. Diese<br />

Mindestbedingungen können im zwischenbetrieblichen,<br />

interregionalen und historischen<br />

Vergleich unterschiedlich ausfallen: Einmal<br />

in Bezug auf individuelle Leistungen und Betriebszugehörigkeitsdauern<br />

und zum anderen<br />

in Bezug auf die Produktivität und Profitabilität<br />

des Betriebes. So haben etwa Banken und<br />

große Industrieunternehmen noch vor zwanzig<br />

Jahren sehr hohe und an Alter und Betriebszugehörigkeitsdauer<br />

gebundene Sicherheiten<br />

geboten, während diese heute immer stärker<br />

an Mindestbedingungen individueller und<br />

kollektiver Performanz gekoppelt werden: „Ja,<br />

das ist ganz normal: Die Leistung kontrollieren<br />

Sie also beim Gewerblichen, indem<br />

er die Leistungsvorgaben einhält,<br />

Seite 34 und beim Angestellten, indem er das<br />

erfüllt, was er machen muss; wenn er<br />

es nicht macht, muss er gehen.“ (B:O1).<br />

Neben der – immer relativen – Beschäftigungssicherheit<br />

bieten „Primär Geschlossene<br />

Systeme“ im Sinne des Turniermodells von Lazear<br />

(Lazear 2003) Aufstiegsmöglichkeiten in<br />

nach Arbeitsbedingungen und -inhalten sowie<br />

Einkommen attraktive Positionen im innerbetrieblichen<br />

Allokationsraum. Die Lohn- und<br />

Gehaltssysteme weisen dabei Komponenten<br />

auf, die mehr oder weniger stark an Betriebszugehörigkeitsdauer<br />

und Alter gebunden sind<br />

(Senioritätslöhne). Den Extremfall bilden<br />

Einrichtungen, die nach dem alten Bundesangestellten-Tarif<br />

(BAT) zahlen, wie einige an<br />

den öffentlichen Dienst angelehnten Betriebe<br />

in der Weiterbildung und Pflege. Hier wurden<br />

und werden bei der Einstufung Betriebszugehörigkeitsdauern<br />

im öffentlichen Dienst sowie<br />

das Alter angerechnet – diese Kriterien bestimmen<br />

einen erheblichen Teil des Gehalts. In der<br />

Mehrheit unserer nicht an den öffentlichen<br />

Dienst „angelehnten“ Untersuchungsbetriebe<br />

wird formal nach Qualifikation und Leistung<br />

bezahlt. Faktisch spielen jedoch unabhängig<br />

von Tarifbindung und Betriebsgröße „Bewährung“<br />

und „Loyalität“ in langfristiger Beschäftigung<br />

eine gewichtige Rolle (z.B. Bk:W2, Bk:<br />

O2, Bk:O4).<br />

Da in „Primären Geschlossenen BBSS“ langfristige<br />

Beschäftigungsperspektiven sowie<br />

durchschnittliche bis überdurchschnittliche<br />

Einkommen gegeben sind, findet sich auf<br />

der Basis von Interessenskongruenzen sowie<br />

von sozialmoralischen Orientierungen in der<br />

Regel auch eine gewisse Betriebsbindung, die<br />

„opportunistisches“ Verhalten einschränkt.<br />

Konsequenterweise sind die Kontrollsysteme<br />

weniger engmaschig gestrickt als in Offenen<br />

Beschäftigungssystemen, wo der zeitlich<br />

begrenzte Austausch von Leistung gegen Einkommen<br />

im Vordergrund steht. Dies kann sich<br />

ebenso auf prozess- wie auf ergebnisorientierte


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Kontrollen beziehen. So arbeiten etwa Stammbelegschaften<br />

in großen und kleinen Baubetrieben<br />

weitgehend selbständig. In den größeren<br />

Betrieben zeichnet sich eine Zunahme der<br />

ergebnisorientierten „indirekten Steuerung“<br />

(Sauer 2005) u.a. über Zielvereinbarungen ab,<br />

besonders deutlich zeigt sich dies in der Bankbranche<br />

(vgl. Bultemeier u.a. 2007).<br />

Sekundäre Geschlossene BBSS<br />

Der Niedriglohnsektor wird in Segmentationsansätzen<br />

traditionell durch hohe Beschäftigungsrisiken<br />

und kurze Beschäftigungsdauern<br />

charakterisiert und Externen Teilarbeitsmärkten<br />

zugeordnet. Die Empirie zeigt aber, dass<br />

Niedriglöhne relativ häufig auch in der Kombination<br />

mit langfristigen Beschäftigungsbeziehungen<br />

in „Geschlossenen BBSS“ auftreten<br />

(vgl. Baden u.a. 1996). Häufig handelt es sich<br />

um Hilfstätigkeiten in Unternehmen, die für<br />

die Mehrheit der besser bezahlten Arbeitsplätze<br />

mit „Geschlossenen BBSS“ operieren und<br />

wo Betriebsräte oder Personalräte einheitliche<br />

Regeln auch für die Erwerbsorganisation favorisieren<br />

und durchsetzen.<br />

Für die Beschäftigten ist entscheidend, dass sie<br />

keine Existenz sichernden Einkommen verdienen,<br />

also auf zusätzliche Einkommensquellen<br />

aus Zusatzjobs, staatlicher Unterstützung oder<br />

der Familie angewiesen sind. Die Beschäftiger<br />

ziehen aus der Schließung dieser BBSS wenig<br />

Vorteile, da im Niedriglohnsektor strukturell<br />

Arbeitskräfteüberschüsse vorhanden und damit<br />

die Transaktionskosten des Personalaustauschs<br />

gering sind. Konsequenterweise sind diese<br />

BBSS bei Veränderungen der betrieblichen<br />

Arbeitsbeziehungen oder des überbetrieblichen<br />

Institutionengefüges besonders schnell von<br />

einem Umbau in Richtung Offener Systeme<br />

betroffen (siehe Abschnitt 10). Es spricht<br />

daher vieles dafür, einen Typus Sekundärer<br />

Geschlossener BBSS einzuführen.<br />

Qualifikation: In der Regel handelt es sich um<br />

einfache Basisqualifikationen („Jederperson-<br />

Qualifikationen“). Die Arbeitsplätze sind<br />

häufig als Hilfstätigkeiten für direkt produktive<br />

Prozesse angelegt (M:O1). Auch Arbeitsplätze<br />

im Dienstleistungssektor, etwa in der<br />

Pflege (P:O4, P:W3), aber auch Servicefunktionen<br />

innerhalb von Erwerbsorganisationen<br />

in Lager, Küche, Reinigung, Wachdiensten<br />

usw. lassen sich diesem BBSS zuordnen.<br />

Allokation: In Bezug auf die Allokationsdimension<br />

findet sich – wie in den Primären<br />

Geschlossenen Systemen – ein geringes<br />

Austauschvolumen mit dem Externen Markt,<br />

dafür aber mehr Ein- und Austrittspositionen,<br />

weil weniger interne Mobilität zu verzeichnen<br />

ist. Hier rekrutierte Personen müssen ihre<br />

Tätigkeiten langjährig ausüben und haben nur<br />

geringe Aufstiegschancen in besser bezahlte<br />

Tätigkeiten. Die innerbetrieblichen Mobilitätsketten<br />

sind kurz und flach (M:O1, P:O4,<br />

P:W3).<br />

Gratifikation: In Bezug auf die Gratifikationsdimension<br />

fällt auf, dass neben einer<br />

längeren Beschäftigungsdauer kaum Anreize<br />

geschaffen werden. Es gibt so gut wie<br />

keine Aufstiegsmöglichkeiten und<br />

Entwicklungsperspektiven innerhalb<br />

Seite 35<br />

des BBSS. Gleichwohl gibt es die für<br />

Geschlossene Systeme typische Konkurrenz<br />

um die attraktiveren Arbeitsplätze des Allokationsraums.<br />

Hier geht es weniger um Geld<br />

als um Arbeitsbedingungen und -inhalte:


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Seite 36<br />

Betriebsältere und durchsetzungsfähige Beschäftigte<br />

versuchen physische und psychische<br />

Belastungen zu verringern (z.B. Pflege: Kampf<br />

um die besten Patienten und Wege). Aufgrund<br />

der geringen Einkommen und in der Regel<br />

hohen Arbeitsbelastungen ist die Identifikation<br />

mit Betrieb und Beschäftiger eher<br />

gering, konsequenterweise finden sich stark<br />

ausgebaute prozess- und ergebnisbezogene<br />

Steuerungs- und Kontrollsysteme, wie sie etwa<br />

von der Bandarbeit bekannt sind (z.B. M:O1,<br />

P:O4, P:W3).<br />

7. Grundmuster – Offene BBSS<br />

Während in Geschlossenen Systemen langfristige<br />

Beschäftigung die Regel bildet, zeichnen<br />

sich Offene BBSS durch mittelfristige<br />

und kurzfristige Beschäftigung aus. Betrieb<br />

und Beschäftigte gehen davon aus, dass die<br />

Beschäftigungsbeziehung in einem häufig<br />

vertraglich nicht definierten, aber begrenzten<br />

Zeithorizont aufgelöst wird, wenn eine der<br />

beiden Seiten eine bessere Alternative findet.<br />

Der implizite Arbeitsvertrag lautet: Wir<br />

bleiben solange zusammen wie es für beide<br />

Seiten von Vorteil ist. Konsequenterweise<br />

müssen sich die Beschäftigten immer auch an<br />

Löhnen und Leistungsniveaus auf den überbetrieblichen<br />

Arbeitsmärkten messen lassen,<br />

die Binnenstrukturen der „Offenen<br />

BBSS“ sind an die Allokations- und<br />

Lohnbildungsprozesse dieser Märkte<br />

angeschlossen.<br />

Primäre Offene BBSS<br />

Primäre Offene BBSS zeichnen sich durch<br />

Existenz sichernde Einkommen und überbetriebliche<br />

Beschäftigungssicherheit aus. Die<br />

hier Beschäftigten wechseln in mehr oder weniger<br />

großen Abständen den Betrieb, haben im<br />

Einzelbetrieb also eine mittel- bzw. kurzfristige<br />

Beschäftigungsdauer, gewinnen aber Einkommens-<br />

und Beschäftigungssicherheit dadurch,<br />

dass ihr Qualifikations- und Leistungsprofil in<br />

einer Vielzahl von Betrieben nachgefragt wird<br />

und damit häufige Betriebswechsel ermöglicht<br />

werden.<br />

Qualifikation: In BBSS diesen Typs finden sich<br />

erwartungsgemäß vor allem die in der alten<br />

Segmentationstheorie identifizierten Strukturen<br />

berufsfachlicher Arbeitsmärkte. Dies<br />

gilt besonders für die Bauwirtschaft, für Teile<br />

der Softwareindustrie, des Gesundheitswesens<br />

(P:W2, P:O1, P:O2) und im Maschinenbau.<br />

Hier hat sich in einem langen und voraussetzungsvollen<br />

historischen Prozess (auch in<br />

den großen Internen Märkten der ehemaligen<br />

DDR) eine Standardisierung und Normierung<br />

von Arbeitsplatz- und Qualifikationsprofilen<br />

durchgesetzt, die die zwischenbetriebliche<br />

Mobilität erleichtert.<br />

Entgegen den Erwartungen des Humankapitalansatzes<br />

und der alten Segmentationstheorie<br />

organisieren „Primär Offene BBSS“<br />

auch tätigkeitsbasierte Qualifikationen und<br />

Kompetenzen, die über betrieblich gesteuerte<br />

Anlernung erworben wurden und daher traditionell<br />

als stark betriebsspezifisch galten, mit<br />

der Folge einer hohen Betriebsbindung. Es<br />

handelt sich um nicht beruflich erzeugte und<br />

strukturierte, aber durchaus anspruchsvolle


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Qualifikationen, die häufig nach einer nicht<br />

einschlägigen allgemeinen, beruflichen oder<br />

akademischen Ausbildung im Rahmen innerund<br />

überbetriebliche Mobilitätsketten erworben<br />

werden. In unserem Sample sind wir vor<br />

allem in der Industrie bei Anlerntätigkeiten<br />

nach Berufswechsel (M:O3), in der Softwarebranche<br />

bei so genannten Quereinsteigern (S:<br />

W1) und teilweise im Weiterbildungssektor<br />

bei Geistes- und Sozialwissenschaftlern aller<br />

Fachrichtungen auf Beschäftigungssysteme<br />

dieses Typs gestoßen. Bei Weiterbildungsplanern<br />

und Dozenten sowie bei Journalisten<br />

scheinen metafachliche Kompetenzen (etwa<br />

pädagogische oder Schreibkompetenzen) eine<br />

große Rolle zu spielen.<br />

Allokationsstruktur: Viele Stellen werden direkt<br />

vom Externen Arbeitsmarkt besetzt, aber auch<br />

– bei Bedarf – direkt zum Externen Arbeitsmarkt<br />

geräumt. Das Austauschvolumen mit<br />

dem Externen Arbeitsmarkt ist groß: Einmal<br />

erfolgt die Anpassung des Personals an das<br />

Personalvolumen beim Personalaufbau und<br />

-abbau relativ schnell und eher proportional.<br />

Zum anderen werden wahrgenommene,<br />

bessere Alternativen auf dem Arbeitsmarkt<br />

durch die Betriebe über den Austausch von<br />

Personal (Churning) und durch die Beschäftigten<br />

über den Wechsel des Beschäftigers<br />

realisiert. Aufstiegsmöglichkeiten auf besser<br />

bezahlte Arbeitsplätze bleiben in Offenen<br />

Systemen aufgrund des kurzen oder mittleren<br />

Zeithorizontes der Beschäftigungsbeziehung<br />

und der Kosten der Einarbeitung begrenzt.<br />

Die internen Mobilitätsketten sind relativ<br />

kurz und verlaufen eher horizontal. Beim Auswahlprinzip<br />

für Einstellungen, Umsetzungen<br />

und Entlassungen geht es in erster Linie um<br />

Qualifikation und Leistung.<br />

Gratifikation: Hinter der großen Vielfalt an<br />

Anreiz- und Kontrollsystemen lassen sich<br />

einige für alle Varianten Offener Systeme gemeinsame<br />

Merkmale identifizieren. So gehen<br />

Beschäftiger und Beschäftigte davon aus, dass<br />

der explizite oder implizite Arbeitsvertrag auf<br />

Zeit geschlossen wird, damit entfällt langfristige<br />

Beschäftigungssicherheit im Betrieb als<br />

Leistungsanreiz. Zentrale Voraussetzung der<br />

Verfügbarkeit und Leistungsbereitschaft der<br />

Beschäftigten sind Anschlussmöglichkeiten<br />

auf den Externen Arbeitsmärkten, also überbetriebliche<br />

Beschäftigungssicherheit. Hierbei<br />

handelt es sich um einzelbetrieblich nicht<br />

erzeugbare Voraussetzungen Offener BBSS<br />

(vgl. Lutz 1987; Marsden 1999). Auf dieser<br />

Basis können dann monetäre Leistungen und<br />

Reputationsangebote als zusätzliche Anreize<br />

wirken. Dabei kann es sich um Qualifizierungszertifikate<br />

sowie um dokumentierbare<br />

Leistungen (etwa bei abgeschlossenen Projekten<br />

oder Publikationen) und sonstige Signale<br />

(etwa die Reputation des Betriebes oder<br />

Vorgesetzten) handeln (vgl. Struck 2006).<br />

Aufgrund der zeitlichen Begrenzung der<br />

Beschäftigungsbeziehung, sind prozess- und<br />

ergebnisbezogene Kontrollsysteme in der Regel<br />

engmaschiger gestrickt als in den Primären<br />

Geschlossenen Systemen, weil Nettoerträge<br />

kurzfristig erwirtschaftet werden müssen (P:<br />

W2, P:O1, P:O2, M:O3, S:W1).<br />

„Sekundäre Offene BBSS“<br />

Seite 37<br />

Diese Systeme weisen definitionsgemäß<br />

hohe Beschäftigungsrisiken, indiziert<br />

durch zeitlich begrenzte Beschäftigungsdauern<br />

und Niedriglöhne, auf. Die begrenzten<br />

Beschäftigungsdauern ergeben sich dabei


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

teilweise aus Beschäftigerinteressen der<br />

schnellen Anpassung an Schwankungen des<br />

Arbeitsvolumens und der Marktsteuerung<br />

von Lohn und Leistung. Allerdings findet<br />

sich in BBSS dieses Typs auch eine überproportional<br />

hohe Rate der Eigenkündigungen<br />

aufgrund der unterdurchschnittlichen Löhne<br />

und teilweise schlechten Arbeitsbedingungen.<br />

Viele Beschäftigte nutzen „Sekundäre Offene<br />

BBSS“ als Durchgangsstation in das Primäre<br />

Segment oder als Zusatzverdienst bei Alternativrollen<br />

(bei Studenten (W:W3), Ehefrauen,<br />

Rentnern). Auch die hier mangels Alternative<br />

dauerhaft prekär beschäftigten Personen<br />

wechseln häufig den Arbeitsplatz, da sie nichts<br />

verlieren können und sich in dem begrenzten<br />

Rahmen zu verbessern suchen.<br />

Qualifikation: Entgegen den Erwartungen<br />

des Humankapital- und alten Segmentationsansatzes<br />

sind alle Qualifikationstypen in<br />

„Sekundären Offenen BBSS“ vertreten: unspezifische<br />

Jederperson-Basisqualifikationen,<br />

tätigkeitsbasierte sowie berufsfachliche und<br />

akademische Qualifikationen. Die klassischen<br />

„Jedermanns-Arbeitsmärkte“ für Niedrigqualifikationen<br />

sind gut dokumentiert (vgl. Brinkmann<br />

u.a. 2006). Ihnen werden abhängige<br />

Randbelegschaftspositionen in der Industrie<br />

mit ansonsten stabilen Unternehmen (M:W1,<br />

M:W2, M:O1, M:O3, M:O4) ebenso zugerechnet<br />

wie alleinstehende BBSS im Niedriglohnsektor<br />

bei polnischen Verputzerkolonnen<br />

in der Bauindustrie (B:<br />

Seite 38 W5). Diese Systeme „alimentieren“<br />

sich in West- und Ostdeutschland<br />

aus einer „Reservearmee“ von Personen ohne<br />

Ausbildungszertifikate oder mit nicht-marktgängigen<br />

Berufsabschlüssen (Bäcker, Tischler,<br />

FriseurInnen, FloristInnen usw.). Auch in<br />

diesen BBSS finden Anlernprozesse statt und<br />

die Übergänge von Niedrigqualifikationen zu<br />

tätigkeitsbasierten Anlernqualifikationen sind<br />

fließend.<br />

Interessant ist aber, dass sich vergleichbare<br />

Strukturen mittlerweile auch für berufsfachliche<br />

und akademische Qualifikationen ausbreiten.<br />

In unserem Sample arbeiten etwa in<br />

der Weiterbildung (W:O3, W:O4, W:W1-3,<br />

W:W5) viele Dozenten mit Niedriglöhnen<br />

unterhalb des Einkommensmedians und mit<br />

zeitlich begrenzten Verträgen (dies gilt insbesondere<br />

für viele Praktikanten). Auch hinter<br />

diesem System steht ein Arbeitskräfteüberschuss<br />

auf den Externen Arbeitsmärkten, der<br />

sich in Westdeutschland aus den Absolventen<br />

der geburtenstarken Jahrgänge und den hohen<br />

Studierquoten für Sozial- und GeisteswissenschaftlerInnen<br />

alimentiert. In Ostdeutschland<br />

bildet die strukturell hohe Unterbeschäftigung<br />

verbunden mit einer öffentlich finanzierten<br />

„Weiterbildungsindustrie“ den Hintergrund.<br />

Allokation: Bei diesem Grundmuster an BBSS<br />

findet sich ähnlich wie bei den „Primären<br />

Offenen BBSS“ ein hohes Austauschvolumen<br />

mit dem Externen Markt. Die Arbeitsplätze<br />

werden in der Regel direkt von außen besetzt<br />

und nach außen geräumt, so dass eine hohe<br />

Zahl an Ein- und Austrittspositionen vorliegt.<br />

Innerbetriebliche Personalströme sind kaum<br />

vorhanden.<br />

Gratifikation: Diese Systeme bieten weder attraktive<br />

Löhne noch Aufstiegsmöglichkeiten.<br />

Der Vorteil für die Beschäftigten besteht in der<br />

aufgrund des hohen Austauschvolumens hohen<br />

Zahl an Arbeitsmöglichkeiten ohne spezifische<br />

Qualifikationsvoraussetzungen. Für Personen


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Beschäftigungssicherheit<br />

mittlere und<br />

hohe Einkommen<br />

Allokation-<br />

Extern<br />

Aufbau<br />

Abbau<br />

Allokation Intern<br />

Geschlossen<br />

Langfristperspektiven<br />

innen vor außen<br />

wenig Ein-Austrittspositionen<br />

wenig Abbau nach<br />

Seniorität und Leistung<br />

lange Mobilitätsketten nach<br />

Seniorität und Leistung<br />

Offen<br />

Kurz-, Mittelfristperspektiven<br />

außen vor innen<br />

viele Ein- Austrittspositionen<br />

viel Austausch<br />

nach Leistung<br />

kurze Mobilitätsketten<br />

nach Leistung<br />

Qualifizierung<br />

Typus<br />

Betriebl.<br />

Weiterbildung<br />

Finanzierung<br />

Gratifikation<br />

Anreiz<br />

Kontrolldichte<br />

tätigkeitsbasiert,<br />

berufsfachlich<br />

viel<br />

eher Beschäftiger<br />

betriebsbasierte Sicherheit,<br />

Aufstiege, Senioritätslöhne<br />

gering<br />

eher berufsfachlich,<br />

aber auch tätigkeitsbasiert<br />

mittel/gering<br />

eher Beschäftigte/geteilt<br />

Zwischenbetriebliche<br />

Anschlüsse, Marktlöhne<br />

hoch<br />

Abb. 7.1: Merkmale Primärer Geschlossener und Offener BBSS<br />

mit Alternativrollen in der Familie oder der<br />

Ausbildung kann der Vorteil in der zeitlichen<br />

Flexibilität liegen, sowohl im Hinblick auf<br />

den Umfang als auch die Lage der Arbeitszeit.<br />

Wie bei den „Sekundären Geschlossenen<br />

BBSS“ wird wenig verdient und die<br />

Arbeitsbedingungen werden häufig als negativ<br />

bewertet. Konsequenterweise findet sich eine<br />

hohe Kontrolldichte (W:O4, W:W1, W:W5).<br />

Seite 39


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

8. Varianten Geschlossener und Offener<br />

BBSS<br />

Die oben beschriebene Typologie von Beschäftigungssystemen<br />

(Zusammenfassung<br />

siehe Abb. 7.1) bestätigt Grundannahmen der<br />

Segmentationsansätze, so wie sie bereits in<br />

den 70er Jahren für die alte Bundesrepublik<br />

entwickelt wurden. Unsere Befunde legen<br />

jedoch ebenso wie empirische Analysen zu<br />

Entwicklungstrends der letzten 20 Jahre und<br />

neuere konzeptuelle Überlegungen (z.B. zum<br />

Arbeitskraftunternehmer und zur Subjektivierung<br />

der Arbeit) nahe, die Typologie zu<br />

vertiefen. Wir schlagen vor, sowohl Geschlossene<br />

als auch Offene BBSS zusätzlich in einer<br />

horizontalen Dimension zu untergliedern.<br />

Varianten Geschlossener BBSS<br />

Gemeinsames Merkmal Geschlossener BBSS<br />

ist das Versprechen und die reale Chance einer<br />

langfristigen Beschäftigung bis zur Verrentung.<br />

Es liegen jedoch Welten zwischen den<br />

traditionellen gewerkschaftlich kontrollierten<br />

und institutionalisierten, großen Internen Arbeitsmärkten,<br />

etwa im klassischen öffentlichen<br />

Dienst oder der großen Industrie, einerseits<br />

und den auch Geschlossenen, aber viel weniger<br />

regulierten und flexibleren Beschäftigungssystemen,<br />

etwa in den kleinen und mittleren<br />

Betrieben der Softwareindustrie, andererseits.<br />

Erstere bieten eine hohe und an die<br />

Betriebszugehörigkeit gebundene<br />

Seite 40 Beschäftigungssicherheit (senioritätsbasierte<br />

Systeme). Bei Letzteren<br />

finden sich eher qualifikations- und leistungsbezogene<br />

Allokationsregeln und Sicherheiten<br />

(leistungsbasierte Systeme).<br />

Die internen Allokationsregeln fallen unterschiedlich<br />

aus. In senioritätsbasierten Geschlossenen<br />

Systemen werden vakante Stellen nach<br />

Betriebserfahrung und Betriebsalter besetzt,<br />

in leistungsbasierten nach Qualifikations- und<br />

Leistungskriterien. Im ersten Fall kommen die<br />

Betriebsälteren auf die besseren Positionen:<br />

Eintrittspositionen in das BBSS sind die<br />

niedriger qualifizierten und entlohnten Jobs.<br />

Wenn der Stellenkegel wächst, gibt es eine<br />

Aufwärtsmobilität; bei einer Schrumpfung<br />

eine Abwärtsmobilität bzw. einen Verdrängungsprozess<br />

von oben nach unten. Auf diese<br />

Weise können auch schwankungsempfindliche<br />

Organisationen den Betriebsälteren im Zeitverlauf<br />

eine hohe Sicherheit bieten. Beispiele<br />

für solche senioritätsbasierten Primären Systeme<br />

finden sich in unserem Sample bei institutionalisierten<br />

sozialen Diensten (z.B. P:O4,<br />

W:W3) sowie bei Sparkassen (z.B. Bk:W2; vgl.<br />

Bernhardt u.a. 2007, in diesem Heft).<br />

Auch in leistungsbasierten Geschlossenen BBSS<br />

sind langfristige Beschäftigungsperspektiven<br />

gegeben, diese werden aber an individuelle<br />

Leistungsstandards und die kollektive Produktivität<br />

und Profitabilität von Unternehmensbereichen<br />

und Betriebsstätten gebunden. Auch<br />

hier konkurrieren beim Personalaufbau und interner<br />

Stellenbesetzung Insider um die attraktiven<br />

Positionen in der Organisation. Sie werden<br />

im Gegensatz zu den senioritätsbasierten<br />

Systemen eher mit den durchsetzungsfähigen<br />

sowie qualifikations- und leistungsstarken Personen<br />

besetzt; dies können, aber müssen nicht<br />

die Betriebsälteren sein. Statistisch findet man<br />

einen weniger starken Zusammenhang von<br />

Betriebsalter und Position mit Einkommen,<br />

Status etc. als bei eher senioritätsbezogenen Allokationsregeln.<br />

Auch beim Personalabbau geht<br />

man eher nach Qualifikation und Leistung vor:


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Entlassen werden die eher qualifikations- und<br />

leistungsschwachen Personen auf den unteren<br />

Ebenen der Arbeitsplatzhierarchie. Auch hier<br />

gibt es Verdrängungsprozesses von „oben“ nach<br />

„unten“, aber sie folgen anderen Regeln (vgl.<br />

Köhler/Preisendörfer 1989).<br />

Beispiele für Primäre und Sekundäre leistungsbasierte<br />

Systeme finden sich zunächst einmal<br />

in einer Vielzahl an Klein- und Kleinstbetrieben<br />

quer zur Branchenauswahl. Die Aufnahme<br />

in die „Betriebsfamilie“ ist an ein hohes Maß<br />

an Leistung und Loyalität gebunden (z.B. W:<br />

O1, B:W2, B:O3, M:W2, M:O1, M:O2). Bei<br />

den größeren Betriebsstätten haben in unserem<br />

Sample insbesondere die Privatbanken und<br />

teilweise Sparkassen auf Leistungssysteme<br />

umgestellt (Bk:W3-2. Welle), wobei die ostdeutschen<br />

Niederlassungen häufig das Experimentierfeld<br />

abgegeben haben (Bk:O3). Im erweiterten<br />

Sample (Fälle der Lehrforschungen<br />

2004/2005; 2005/2006) finden sich Primäre<br />

leistungsbasierte Systeme ebenso bei Banken,<br />

im Bau, in der Chemie- sowie Gesundheitsbranche<br />

und besonders in der Metallbranche<br />

(vgl. Bernhardt u.a. 2007, in diesem Heft).<br />

Varianten Offener BBSS<br />

Auf der Basis der neueren Diskussion um<br />

Randbelegschaften, Scheinselbstständige, Arbeitskraftunternehmer<br />

etc. sowie der eigenen<br />

Empirie ist es sinnvoll, auch die „Offenen<br />

BBSS“ nach dem Grad der Schließung weiter<br />

zu differenzieren. Es macht einen Unterschied,<br />

ob Beschäftiger und Beschäftigte in einem<br />

klassischen berufsfachlichen Markt für mehrere<br />

Jahre zusammenbleiben, bis eine der beiden<br />

Seiten Vorteile aus einer Kündigung zieht,<br />

oder ob für beide Seiten das baldige Ende der<br />

Beschäftigung bereits beim Betriebseintritt<br />

feststeht.<br />

Deshalb haben wir im Anschluss an die angelsächsische<br />

Diskussion zwischen betriebsförmigen<br />

Offenen BBSS (mit mittelfristiger<br />

Beschäftigung von zwei bis zehn Jahren) und<br />

marktförmigen Offenen BBSS (mit kurzfristiger<br />

Beschäftigung von bis zu zwei Jahren)<br />

unterschieden (Abb. 8.1). Beschäftigungsbeziehungen<br />

mit marktförmigen BBSS sind<br />

kurzfristiger Natur und nähern sich Kaufverträgen<br />

über Arbeitsleistung an. Sie sind aber<br />

damit nicht identisch, da die Personen für eine<br />

begrenzte Zeit in die Organisation hineintreten,<br />

also Mitgliedschaftsrollen annehmen<br />

und sich der Weisungsbefugnis des Managements<br />

unterwerfen. Die Beziehung ist daher<br />

nicht marktlich im Sinne von Kaufverträgen,<br />

sondern marktförmig. Mittelfristige Beschäftigungsbeziehungen<br />

sind stärker durch die<br />

Organisation geprägt, daher betriebsförmig.<br />

Betriebsförmige Offene BBSS mit mittelfristiger<br />

Beschäftigung finden sich sowohl im<br />

Primären als auch im Sekundären Segment<br />

des Arbeitsmarktes. Im Primären Segment<br />

handelt es sich zunächst um die in der alten<br />

Segmentationstheorie identifizierten<br />

Strukturen berufsfachlicher Arbeitsmärkte.<br />

Im berufsfachlichen Typus sind in unserem<br />

Sample Systeme für Baufacharbeiter (B:O1)<br />

und Pflegekräfte (P:W2) stark vertreten.<br />

Bei einer Minderheit der Fälle<br />

gilt dies auch für Bankkaufleute und<br />

Seite 41<br />

Betriebswirte (Bk:W1, Bk:O2). Im<br />

Sekundären Segment finden sich betriebsförmige<br />

Offene BBSS ebenso im Bauwesen.(B:<br />

O4, B:O1, B:W2).


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Die marktförmigen Offenen Systeme zeichnen<br />

sich durch kurzfristige Beschäftigung aus, die<br />

häufig mit atypischen Verträgen (Befristung,<br />

Leiharbeit, Geringfügigkeit, freie Mitarbeit)<br />

verbunden wird. Für die große Mehrheit der<br />

Beschäftigten endet das Arbeitsverhältnis im<br />

Betrieb nach einer kurzen und absehbaren<br />

Zeitspanne, d.h. es besteht keine mittel- und<br />

Interne Arbeitsmärkte<br />

Geschlossene BBSS<br />

Externe Arbeitsmärkte<br />

Offene BBSS<br />

Primär<br />

senioritätsbasiert<br />

leistungsbasiert<br />

betriebsförmig<br />

marktförmig<br />

Sekundär<br />

senioritätsbasiert<br />

leistungsbasiert<br />

betriebsförmig marktförmig<br />

Abb. 8 .1 Arbeitsmarktsegmentation und BBSS – eine erweiterte Typologie<br />

längerfristige Anschluss- bzw. Übernahmeperspektive.<br />

Die erforderlichen Qualifikationen<br />

werden über kurze Anlernprozesse erworben.<br />

Arbeitsplätze werden hier zumeist direkt vom<br />

Externen Arbeitsmarkt besetzt.<br />

Seite 42 Auch marktförmige Offene BBSS<br />

sind sowohl im Primären als auch<br />

im Sekundären Segment zu finden. Im Primären<br />

Segment gilt dies für berufsfachliche<br />

Qualifikationen in der Zeitarbeit in der<br />

Produktion (M:O3, M:O4, M:W1) aber auch<br />

für Free Lancer, die hochverantwortungsvolle<br />

Tätigkeiten der Projektleitung in der Bau- und<br />

Softwareindustrie (B:W1) übernehmen. Entsprechende<br />

Beschäftigungssysteme fungieren<br />

als Ergänzung zu anderen Systemen innerhalb<br />

des Unternehmens als – gewissermaßen – abgeschottete<br />

Randbelegschaft, können aber auch<br />

Geschäftsprozesse und Arbeitssysteme alleinstehend<br />

tragen. Im Sekundären Segment sind<br />

marktförmige Offene BBSS weit verbreitet. So<br />

lassen sich in BBSS diesen Typs tätigkeitsbasierte<br />

Qualifikationen bei freien Dozenten in<br />

der Weiterbildung finden (z.B. W:O4, W:W1).<br />

Weitere Beispiele sind Verputzkolonnen (B:<br />

W5) und Saisonkräfte im Bau (B:O2).


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Offene BBSS – Qualifizierung für den Arbeitsmarkt<br />

Das empirische Material verweist schließlich<br />

auf eine Vielzahl an zeitlich begrenzten<br />

Beschäftigungsverhältnissen, die produktive<br />

Arbeit mit formalisierten Qualifizierungselementen<br />

verbinden (wie etwa in Praktika, aber<br />

auch in der Ausbildung im dualen System)<br />

und nach deren Abschluss enden. Es könnte<br />

sich hier um das Grundmuster einer neuen<br />

Beschäftigungsbeziehung handeln, in der keine<br />

betriebliche Arbeitsplatzsicherheit, wohl aber<br />

über Qualifizierung Beschäftigungsfähigkeit<br />

für die Externen Märkte garantiert wird.<br />

Bei zeitlich begrenzten Beschäftigungsverhältnissen<br />

diesen Typs handelt es sich einmal um<br />

Aus- und Weiterbildung mit arbeitsmarktgängiger<br />

Zertifizierung, andererseits aber auch um<br />

Beschäftigung mit geringer Bezahlung und<br />

Qualifizierungselementen ohne anerkannten<br />

Abschluss. Letzteres nimmt immer mehr zu<br />

und findet sich für alle Qualifikationsniveaus<br />

und -typen (Praktikanten in Arbeitsamtskursen,<br />

Studenten-Praktika, Trainees verschiedenster<br />

Art). Publizisten sprechen von der<br />

„Generation Praktikum“ oder der „Génération<br />

Précair“. Da die Kombination von produktiver<br />

Arbeit mit mehr oder weniger ausgeprägten<br />

Qualifizierungselementen und geringer Bezahlung<br />

stark zugenommen hat, darf diese Art der<br />

Beschäftigungsbeziehung in einer Typologie<br />

von Beschäftigungssystemen nicht vergessen<br />

werden.<br />

Zum Typus Offener BBSS gehören diese „Qualifizierungssysteme“<br />

nach unseren Definitionen<br />

dann, wenn die Wahrscheinlichkeit eines langfristigen<br />

Verbleibs in der Organisation nach<br />

Beendigung des Vertrags gering ist. Die hier<br />

Beschäftigten müssen also den Betrieb nach<br />

Abschluss der Qualifizierung verlassen. Die<br />

BBSS funktionieren unter diesen Voraussetzungen<br />

nur dann, wenn die Beschäftiger durch<br />

den produktiven Einsatz einen Nettoertrag<br />

einfahren und die Beschäftigten sich durch<br />

den Erwerb von Qualifikationen, Zertifikaten<br />

und Reputationen einen höheren Marktwert<br />

versprechen. Theoretisch interessant sind<br />

diese Beschäftigungsverhältnisse, weil sie auf<br />

eine besondere Lösung des Grundproblems<br />

Offener BBSS verweisen (vgl. Struck 2006):<br />

Wie können Beschäftigte motiviert werden,<br />

wenn das Ende der Beschäftigungsbeziehung<br />

absehbar ist?<br />

Wir ordnen solche Beschäftigungsverhältnisse<br />

dann dem Primären Segment zu, wenn Nachwuchskräfte<br />

verschiedener Bildungsniveaus<br />

innerhalb und außerhalb des Arbeitsprozesses<br />

einschlägige Qualifikationen erwerben und<br />

den Betrieb nach Abschluss der Qualifizierungsphase<br />

mit einem arbeitsmarktgängigen<br />

Zertifikat verlassen. Sekundär sind zeitlich<br />

begrenzte Beschäftigungsverhältnisse mit<br />

Qualifizierungsanteilen dann, wenn sie ohne<br />

anerkannte und arbeitsmarktgängige Zertifikate<br />

abgeschlossen werden. Hier macht die<br />

Rede von der „Génération Précair“ Sinn. Wir<br />

definieren arbeitsmarktgängige Zertifikate<br />

im Anschluss an die Regelungen für berufsfachliche<br />

Qualifikationen durch eine<br />

Ausbildungszeit von mindestens zwei<br />

Jahren und eine überbetrieblich an-<br />

Seite 43<br />

erkannte Prüfung. In diese Kategorie<br />

fallen sowohl klassische Ausbildungsverhältnisse<br />

als auch Abschlüsse für Steuerberater<br />

und Zertifikate auf der Basis von Hochschulabschlüssen<br />

(z.B. für Fachärzte).


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Seite 44<br />

Im Rahmen der dualen Berufsausbildung sind<br />

solche Qualifizierungssysteme in Primären<br />

Offenen BBSS in Teilen des Handwerks weit<br />

verbreitet. In unserem Kernsample betraf<br />

dies insbesondere Ausbildungsverhältnisse<br />

im ostdeutschen Bau (z.B. B:O2), wobei die<br />

Übernahmechancen strukturell schlecht sind.<br />

Geringe betriebliche Verbleibsquoten nach<br />

der Qualifizierung zeigten sich auch in großstädtischen<br />

Sparkassen (Bk:O3) und Teilen<br />

der Privatbanken (Bk:W1) – hier erfolgte<br />

der Austritt allerdings eher auf Initiative der<br />

Ausgebildeten. Für sie boten sich in den Ausbildungsunternehmen<br />

kaum Karrieremöglichkeiten,<br />

so dass oft ein Wechsel an die<br />

Universität oder zu anderen Banken mit dem<br />

Zweck der Weiterqualifizierung erfolgte. Da<br />

die Ausbildungsinstitution jedoch eine solide<br />

Ausbildung bietet, einen guten Ruf genießt<br />

und sich damit berufliche Anschlussmöglichkeiten<br />

eröffnen, bewerben sich immer wieder<br />

Auszubildende. Dies stabilisiert die Qualifizierung<br />

in Offenen BBSS (Bk:W1).<br />

Die Arbeitskräftegruppen des Offenen BBSS<br />

mit Qualifizierung tragen einen erheblichen<br />

Teil der produktiven Geschäftsprozesse,<br />

verlassen aber nach Erhalt des arbeitsmarktgängigen<br />

Zertifikats das Unternehmen. Voraussetzung<br />

für diese Systeme sind strukturelle<br />

und überzyklische Arbeitskräfteüberschüsse<br />

für den Nachwuchs der jeweiligen Tätigkeiten<br />

und Berufe – andernfalls würde das<br />

qualifizierte Personal übernommen;<br />

die Ausbildung wäre in die jeweiligen<br />

Beschäftigungssysteme integriert.<br />

Qualifizierung in Sekundären Offenen BBSS der<br />

„Génération Précair“ auf der Basis befristeter<br />

Verträge, geringer Bezahlung und geringer<br />

Qualifizierungsanteile ohne anerkannte und<br />

arbeitsmarktgängige Zertifikate ist mittlerweile<br />

gut dokumentiert (unter anderem Brinkmann<br />

u.a. 2006). Viele Unternehmen nutzen hier<br />

billige Arbeitskräfte für einfache Aufgaben. In<br />

unserem Sample betrifft dies etwa Firmen der<br />

Weiterbildung und der Softwareindustrie. Für<br />

die jungen Nachwuchskräfte bieten sich hier<br />

auch ohne signifikante Qualifizierungsanteile<br />

Überbrückungsmöglichkeiten und Reputationsgewinne<br />

als Anreiz (S:O3, S:W1, W:W5,<br />

W:O1).<br />

9. Erklärungsprobleme und –ansätze<br />

Als Ergebnis unserer vorangestellten Überlegungen<br />

unterscheiden wir nach dem Niveau<br />

der Schließung zwischen Geschlossenen<br />

und Offenen Systemen sowie nach dem<br />

Beschäftigungs- und Einkommensrisiko zwischen<br />

Primären und Sekundären BBSS. Die<br />

entsprechenden Fallanalysen bestätigen die<br />

klassische Segmentationsmatrix mit ihren vier<br />

Grundvarianten an Teilarbeitsmärkten. Unsere<br />

eigenen Untersuchungen legen es jedoch<br />

ebenso wie die neuere Arbeitsmarktforschung<br />

nahe, die Typologie zu erweitern. Wir bilden<br />

sowohl für Geschlossene als auch für Offene<br />

BBSS – wiederum nach dem Grad der Schließung<br />

– jeweils zwei Varianten: Geschlossene<br />

Systeme sind entweder „senioritätsbasiert“ oder<br />

„leistungsbasiert“. Offene BBSS unterscheiden<br />

sich in „betriebsförmige“ und „marktförmige“<br />

Systeme.<br />

Wir haben in den vorangestellten empirischen<br />

Analysen bewusst auf schnelle und<br />

übergreifende Erklärungslinien verzichtet.


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Konzepte Interner und Externer Arbeitsmärkte<br />

wurden in den vergangenen Jahrzehnten<br />

derart mit mikro- und makrosoziologischen<br />

und -ökonomischen Ansätzen aufgeladen<br />

und überladen, dass es zunächst darum ging,<br />

sich der Grundannahmen und empirischer<br />

Entwicklungslinien zu versichern. In diesem<br />

Abschnitt unternehmen wir den Versuch, die<br />

vorliegenden Erklärungsansätze zu sichten und<br />

eine Forschungsstrategie im Umgang mit den<br />

Erklärungsproblemen zu formulieren.<br />

Für die Analyse betrieblicher Beschäftigungspolitik<br />

und BBSS müssen wir zeigen, aufgrund<br />

welcher Interessen, Orientierungen und Constraints<br />

betriebliche Entscheider handeln – also<br />

eine Mikro-Perspektive einnehmen. Hier hat<br />

die neoinstitutionalistische Arbeits- und<br />

Personalökonomik die soziologische Arbeitsmarkt-<br />

und Organisationsforschung seit den<br />

80er Jahren weit überholt (vgl. Alewell 1993;<br />

Baron/Kreps 1999; Sadowski 2002; Sesselmeier/Blauermel<br />

1997) und die Vielfalt und<br />

Komplexität der Ansätze ist für den Außenstehenden<br />

kaum noch überschaubar.<br />

Klassische Kausalitätsannahmen – Erklärungsprobleme<br />

Ausgangspunkt vieler Ansätze ist immer noch<br />

die Humankapitaltheorie (Becker 1975), die<br />

zwischen „specific skills“ und „general skills“<br />

unterscheidet. Betriebsspezifische Qualifikationen<br />

sind nicht zwischen Betrieben<br />

transferierbar. Investitionen in diesen Qualifikationstypus<br />

führen zur Betriebsbindung, also<br />

zur Schließung von BBSS, da beide Arbeitsmarktparteien<br />

die Erträge sichern wollen.<br />

Die Stärke des Transaktionskostenansatzes<br />

(Williamson 1985, 1996) besteht in der Ausweitung<br />

des mikroökonomischen Blicks auf<br />

Markttransaktionen und Informationsasymmetrien,<br />

Letztere stehen im Prinzipal-Agent-<br />

Ansatz im Vordergrund. Er thematisiert das<br />

sog. Transformationsproblem der Arbeit und<br />

stellt damit das Bezugsproblem der Kontrolle<br />

und Leistung gleichrangig neben das Qualifikationsproblem.<br />

Im Rahmen des Transaktionskostenansatzes<br />

sind in den letzten 20 Jahren<br />

eine Vielzahl an bahnbrechenden Studien<br />

entstanden. Nienhüser plädiert dafür, diesen<br />

Ansatz gegen sich selbst bzw. gegen Engführungen<br />

zu schützen und ihn kritisch zu nutzen<br />

(vgl. Alewell/Hackert 1998; Nienhüser 2004).<br />

Die eher soziologisch inspirierten Vertrauensansätze<br />

stellen das Transformationsproblem<br />

von Arbeitskraft in den Vordergrund ihrer<br />

Analysen, thematisieren allerdings im Gegensatz<br />

zu den meisten ökonomischen Ansätzen<br />

nicht nur die instrumentellen, sondern auch<br />

die normativen und sozialmoralischen Voraussetzungen<br />

von Motivation und Kooperation<br />

(Behrens 1984; Behrens/Heinz 1991; Seifert/<br />

Pawlowski 1998). Diese Fragen werden neuerdings<br />

in einem anerkennungstheoretischen<br />

Bezugsrahmen reformuliert und erweitert<br />

(Deutschmann 2002; Brose/Diewald/Goedicke<br />

2005; Holtgrewe/Voswinkel/Wagner<br />

2000).<br />

Den Ausgangspunkt der Arbeit an<br />

einem Erklärungsmodell Betrieb-<br />

Seite 45<br />

licher Beschäftigungssubsysteme<br />

bildete die Auseinandersetzung mit dem<br />

Humankapitalansatz und dessen Derivaten,<br />

denen zufolge Investitionen in betriebsspezifische<br />

Qualifikationen zur Betriebsbindung,


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

also zur Schließung von BBSS führen, da beide<br />

Arbeitsmarktparteien die Erträge sichern<br />

wollen. Dieses Argument ist aufgrund seiner<br />

Eleganz und Plausibilität auch in die späteren<br />

und komplexeren Theorieansätze der Arbeitsund<br />

Personalökonomik eingegangen und<br />

noch heute aktuell (Lazear 2003; Sadowski<br />

2002). Aus unserer Sicht ist das Argument der<br />

„betriebsspezifischen Qualifikation“ jedoch<br />

nicht mehr als Allzweckwaffe der Arbeitsmarktforschung<br />

brauchbar, wofür begriffliche<br />

Unschärfen und die begrenzte empirische Erklärungskraft<br />

ausschlaggebend sind (Alewell<br />

1993; Struck 2006).<br />

Jede Tätigkeit weist einen Anteil von Aufgaben<br />

und Aufgabenkombinationen auf, die für den<br />

Betrieb einmalig sind. Die entsprechenden<br />

betriebsspezifischen Qualifikationskomponenten<br />

können sich aus Produktmerkmalen<br />

bzw. Kundenbeziehungen sowie aus den<br />

Prozesstechnologien, Organisationsformen<br />

und Kooperationsbeziehungen ergeben. Jede<br />

Tätigkeit zeichnet sich damit durch eine<br />

Mischung aus betriebsspezifischen und nichtbetriebsspezifischen<br />

Qualifikationen aus<br />

(Lazear 2003). Die Frage ist, ob Unterschiede<br />

im Mischungsverhältnis unterschiedliche Beschäftigungsdauern<br />

erklären.<br />

Ein Blick auf unsere Fälle und Beschäftigungssysteme<br />

zeigt, dass die Erklärungskraft<br />

des Spezifitätsargumentes für unterschiedliche<br />

Beschäftigungsperspek-<br />

Seite 46 tiven begrenzt bleibt. CNC-Maschinenbediener<br />

im Maschinenbau weisen<br />

ebenso wie BuchhalterInnen in verschiedenen<br />

Branchen lange Beschäftigungsperspektiven<br />

auf, ohne dass wir es mit besonders hohen Anteilen<br />

an betriebsspezifischen Qualifikationen<br />

zu tun haben (vgl. Abschnitt 6). Es handelt sich<br />

vielmehr um stark berufsfachlich strukturierte<br />

Tätigkeitsfelder mit hohen arbeitsplatz- und<br />

betriebsübergreifenden Qualifikationsanteilen.<br />

CNC-Maschinenbediener übersetzen komplizierte<br />

geometrische Vorgaben in mechanische<br />

Teile mit hohen Genauigkeitsanforderungen.<br />

Für welche Endprodukte welcher Hersteller<br />

die Teile genutzt werden, ist dabei unerheblich.<br />

Buchhaltungssysteme sind betriebswirtschaftlich,<br />

rechtlich und softwaretechnisch hochgradig<br />

normiert, so dass auch hier hohe Anteile<br />

nicht betriebsspezifischer Qualifikationen<br />

gefordert sind. Statistische Analysen unseres<br />

<strong>SFB</strong>-Betriebspanels stützen Zweifel an der<br />

Stärke des Spezifitätsargumentes (Struck u.a.<br />

2007).<br />

Ähnliche Argumente lassen sich für Geschlossene<br />

Beschäftigungssysteme mit langen<br />

Beschäftigungsperspektiven bei Hochqualifizierten<br />

geltend machen. Das Spezifitätsargument<br />

dürfte z.B. nicht erklären können, warum<br />

Maschinenbau-Ingenieure und Betriebswirte<br />

in der Buchhaltung überwiegend lange und<br />

Software-Ingenieure teilweise nur begrenzte<br />

Beschäftigungsperspektiven haben. Ingenieure<br />

in Maschinenbau und Chemie weisen durch<br />

die Verwissenschaftlichung des Wissens einen<br />

hohen Anteil allgemeiner Qualifikationen auf.<br />

Software-Engineering hat durch Standardisierung<br />

von Programmiersprachen, -werkzeugen<br />

und Ausbildungsgängen einen Professionalisierungsschub<br />

durchlaufen und dürfte sich in dieser<br />

Hinsicht heute kaum noch den technischen<br />

Ingenieurwissenschaften unterscheiden.<br />

Ebenso problematisch sind Annahmen über<br />

einen pauschalen Zusammenhang von Qualifikationsniveau<br />

und Beschäftigungsdauern, wie


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

sie teilweise aus den soziologisch inspirierten<br />

Vertrauens- und Anerkennungsansätzen<br />

hergeleitet werden (Seifert/Pawlowski 1998;<br />

Deutschmann 2002) und sich teilweise auf<br />

mikro-ökonomische Prinzipal-Agent-Ansätze<br />

beziehen (Baron/Kreps 1999). Zugespitzt<br />

könnte man diese Hypothese wie folgt zusammenfassen:<br />

Je höher die Komplexität der<br />

Arbeitsaufgabe und die der Qualifikation der<br />

Arbeitskraft, desto schwieriger ist die Kontrolle<br />

durch den „Prinzipal“ und desto eher muss der<br />

Beschäftiger auf die Sicherheitserwartungen<br />

der Beschäftigten eingehen, langfristige Beschäftigungsperspektiven<br />

bieten und Vertrauen<br />

schaffen. Auch hier legen unsere qualitativen<br />

und quantitativen Analysen erhebliche Zweifel<br />

nahe. So finden sich in unserem Sample eine<br />

Vielzahl von Offenen BBSS für Hochqualifizierte<br />

(z.B. für Software-Ingenieure, Ärzte,<br />

Journalisten, Dozenten in der Weiterbildung;<br />

vgl. Abschnitt 7). Auch diese Überlegungen<br />

werden durch multivariate Analysen unseres<br />

Betriebspanels gestützt (Struck u.a. 2007).<br />

Spezifität und Niveau von Qualifikationen mögen<br />

Ausschnitte des Rätsels erläutern, können<br />

jedoch das Gesamtbild nicht plausibel erklären.<br />

Unsere These ist, dass sich die Bedeutung des<br />

Arbeitsmarktes für die Strukturierung von<br />

betrieblichen Beschäftigungsperspektiven erst<br />

erschließt, wenn strukturelle Relationen von<br />

Angebot und Nachfrage unabhängig von der<br />

Frage nach der Betriebsspezifität von Qualifikationen<br />

betrachtet werden. Es geht also<br />

um die Verfügbarkeit von Arbeitskraft. Wenn<br />

einschlägige Qualifikationen nicht auf dem<br />

Arbeitsmarkt verfügbar sind, müssen sie unter<br />

hohem Aufwand und mit hohem Zeitverlust<br />

selber generiert werden. Dies bildet dann auch<br />

bei nicht betriebsspezifischen Qualifikationen<br />

einen massiven Anreiz, die Arbeitskräfte über<br />

Einkommens- und Beschäftigungsanreize zu<br />

binden. Umgekehrt können Betriebe auf feste<br />

Bindung verzichten, wenn die Arbeitskräfte<br />

ohne großen Aufwand ersetzbar sind. Es<br />

spricht also vieles dafür, das Qualifikationsproblem<br />

abstrakter als Problem der Verfügbarkeit<br />

einschlägig qualifizierter Arbeitskraft<br />

zu thematisieren.<br />

Vier Bezugsprobleme betrieblicher Beschäftigungssysteme<br />

Als Folge der Auseinandersetzung mit diesen<br />

Ansätzen und Kausalitätsannahmen galt es,<br />

die Bezugsprobleme offener zu fassen, so dass<br />

die im Rahmen der Segmentations-, Transaktions-<br />

und Anerkennungsansätze entwickelte<br />

Reichhaltigkeit an empirischem Material<br />

sowie die Vielfalt und Komplexität der Erklärungsangebote<br />

für unsere Analysen fruchtbar<br />

gemacht werden konnten. Dafür greifen wir<br />

die im Anschluss an industriesoziologische<br />

und personalökonomische Traditionen zur<br />

Bestimmung des Konzepts BBSS eingeführten<br />

zwei Grundprobleme betrieblicher Personalund<br />

Beschäftigungspolitik auf (Abschnitt 3)<br />

und differenzieren diese aus.<br />

Seite 47


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Seite 48<br />

Das Verfügbarkeitsproblem bezeichnet Probleme<br />

der Beschaffung, Qualifizierung und<br />

Bindung (bzw. Entlassung) von Personal. Dabei<br />

ist die zeitliche Dimension im Sinne des<br />

Beginns und der Dauer des Personalbedarfs<br />

von großer Bedeutung. Wir differenzieren<br />

deshalb in zwei Unterprobleme:<br />

- Das Rekrutierungs- und Qualifizierungsproblem<br />

bezieht sich auf die Sicherung<br />

ausreichend qualifizierten Personals zu möglichst<br />

geringen Kosten, wobei Interne und<br />

Externe Märkte genutzt werden können. Je<br />

stärker die benannten Probleme, desto eher<br />

erwarten wir Schließungsstrategien.<br />

- Das Kontinuitätsproblem bezieht sich im<br />

Sinne der Frequency-Variable des Transaktionskostenansatzes<br />

auf die Dauer und<br />

Häufigkeit des Personalbedarfs. Je dauerhafter<br />

und kontinuierlicher der Bedarf an<br />

bestimmten Qualifikationen, desto eher<br />

ist eine langfristige Bindung des Personals<br />

möglich. Umgekehrt erschweren starke<br />

Schwankungen in Auftrags- und Arbeitsvolumina<br />

stabile Beschäftigungsverhältnisse.<br />

Das Leistungsproblem thematisiert Folgeprobleme<br />

des so genannten „Transformationsproblems<br />

von Arbeitskraft“ bei nicht spezifizierten<br />

Arbeitsverträgen (Deutschmann 2002;<br />

Sadowski 2002), es geht um die Sicherstellung<br />

der Leistungsbereitschaft des Personals.<br />

Auch hier differenzieren wir in<br />

zwei Unterprobleme:<br />

- Das Kontrollproblem bezieht sich auf<br />

Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle<br />

der Arbeit bei Informationsasymmetrien<br />

zwischen Beschäftiger (Prinzipal) und<br />

Beschäftigten (Agent). Je höher die Komplexität<br />

der Arbeitsaufgabe und je geringer die<br />

Zurechenbarkeit zur einzelnen Person, desto<br />

schwieriger die Kontrolle.<br />

- Das Herrschaftsproblem bezieht sich auf<br />

die Möglichkeiten und Grenzen der Durchsetzung<br />

von Leistungszielen, die von den<br />

Machtpotenzialen und der Legitimität der<br />

Personal- und Beschäftigungspolitik gegenüber<br />

den Beschäftigten abhängig sind. Bei<br />

starker Gegenmacht erwarten wir, dass die<br />

Beschäftiger auf die Präferenzen der Beschäftigten<br />

eingehen und Langfristperspektiven<br />

bieten.<br />

Dieser sehr offene Ansatz mit der Zusammenführung<br />

der Bezugsprobleme betrieblicher<br />

Beschäftigungspolitik erlaubt eine plausible<br />

Deutung der in unseren qualitativen Studien<br />

identifizierten Beschäftigungssysteme. Abbildung<br />

9.1 sortiert unsere BBSS-Fälle nach den<br />

vier Varianten der erweiterten Typologie und<br />

fragt nach der Ausprägung der vier Bezugsprobleme.<br />

Wir schauen dabei auf die Primären<br />

Teilarbeitsmärkte.<br />

Wie die Abbildung zeigt, setzen alle Geschlossenen<br />

BBSS unseres Samples ein hohes Kontinuitätsniveau<br />

durch die Stabilisierung der Arbeitsvolumina<br />

voraus. Dies gelingt über stabile<br />

Marktsegmente und Netzwerke (B:W2), über<br />

institutionelle Förderung (W:W3) oder über<br />

Randbelegschaften mit Pufferfunktion (S:O2).<br />

Für die Mehrheit der Geschlossenen Systeme<br />

gilt, dass ein zweites Problem hinzukommen<br />

muss, um die Schließung zu erzeugen. Dies<br />

kann das Verfügbarkeitsproblem, indiziert<br />

durch überzyklischen Fachkräftemangel (B:<br />

W1, B:O2, S:O1), das Leistungs- und Kon-


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Geschlossene BBSS<br />

Offene BBSS<br />

Senioritätsbasiert<br />

Leistungsbasiert<br />

Betriebsförmig<br />

Marktförmig<br />

Verfügbarkeit:<br />

- Rekrutierungs-/<br />

Qualifizierungsproblem<br />

Teilweise Teilweise Selten Nein<br />

- Kontinuitätsproblem Ja Ja Teilweise Nein<br />

Leistung:<br />

- Kontrollproblem Teilweise Teilweise Teilweise Nein<br />

- Herrschaftsproblem Ja Nein Nein Nein<br />

Abb. 9.1: Betriebliche Problemlagen und Primäre BBSS<br />

trollproblem, indiziert durch geringe Zurechenbarkeit<br />

und hohe Verantwortung (Bk:O3),<br />

aber auch das Herrschaftsproblem sein. Leistungsbasierte<br />

BBSS folgen derselben Logik,<br />

zeichnen sich aber durch interessenspolitisch<br />

schwach organisierte Belegschaften aus. Hier<br />

kann das Management Leistungskriterien bei<br />

Allokations- und Gratifikationsprozessen stärker<br />

durchsetzen.<br />

In der überwiegenden Mehrheit der betriebsförmigen<br />

Offenen BBSS mit mittelfristigen<br />

Beschäftigungsperspektiven ist eine ausreichende<br />

Verfügbarkeit des Arbeitskräfteangebots<br />

und -nachwuchses auf den Internen<br />

und/oder Externen Arbeitsmärkten gegeben<br />

(besonders ausgeprägt im Journalismus und<br />

bei Weiterbildungsplanern, hier können die<br />

„Reservearmeen“ des Arbeitsmarktes genutzt<br />

werden). Die Ausnahme bilden die Pflegedienste<br />

und die Softwareindustrie in der<br />

Phase des schnellen Wachstums der „New<br />

Economy“. Pflegedienste können aufgrund<br />

der vorgegebenen Tarife keine marktgerechten<br />

Löhne zahlen – die Öffnung ergibt<br />

sich hier aus der freiwilligen Fluktuation<br />

(P:O1, P:O2, P:W1). In der<br />

Seite 49<br />

Softwareindustrie entwickelte sich<br />

durch den starken Boom vorübergehend eine<br />

komplette Räumung der Externen Märkte. In<br />

beiden Branchen erklärt sich also die Öffnung<br />

von Beschäftigungssystemen aus einer starken


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Marktposition der Beschäftigten und freiwilligem<br />

Betriebswechsel.<br />

Bei einem Teil der betriebsförmigen Offenen<br />

BBSS kommt eine ausgeprägte Diskontinuität<br />

der Auftragslagen und Arbeitsvolumina als<br />

zusätzliches Motiv für die Öffnung der Beschäftigungssysteme<br />

hinzu. Kontrollprobleme<br />

liegen bei einer Reihe von Offenen Systemen<br />

vor, sie wirken offensichtlich nur bei starker<br />

Ausprägung prohibitiv. BBSS mit zeitlich<br />

begrenzten Beschäftigungsperspektiven zeichnen<br />

sich generell durch interessenpolitisch<br />

schwache Belegschaften aus. Dort wo zeitlich<br />

begrenzte Beschäftigung mit zertifizierter<br />

Qualifizierung verbunden wird, findet sich ein<br />

strukturell hoher Nachwuchsüberschuss (z.B.<br />

Journalisten in Printmedien) oder es bestehen<br />

attraktive Anschlussmöglichkeiten nach<br />

Abschluss der Aus- oder Weiterbildung (z.B.<br />

Ärzte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer).<br />

Die Übersicht (Abb. 9.1) zeigt, dass Offene<br />

und marktförmige Systeme mit kurzfristiger<br />

Beschäftigung hoch voraussetzungsvoll<br />

sind, da weder die Verfügbarkeit noch die<br />

Leistungsbereitschaft der Arbeitskraft problematisch<br />

sein dürfen. In der Regel findet<br />

sich eine hohe Diskontinuität bei Aufträgen<br />

oder Arbeitsvolumina. Dies gilt für die klassischen<br />

Randbelegschaften im Bau (B:O1), in<br />

der Serienfertigung (z.B. M:O3, M:O4) und<br />

im Handel bei starken saisonalen<br />

und/oder konjunkturellen Auftrags-<br />

Seite 50 schwankungen, aber auch teilweise<br />

bei den hoch qualifizierten Dozenten<br />

in der Weiterbildung (W:O1, W:O2, W:O4,<br />

W:W1, W:W5), in der Software-Beratung<br />

von Unternehmen (S:O3) und in der Projektleitung<br />

großer Bauvorhaben. Voraussetzung<br />

für den schnellen Auf- und Abbau von<br />

Personal ist eine ausreichende Verfügbarkeit<br />

auf den Arbeitsmärkten, wobei diese im Falle<br />

Hochqualifizierter in bestimmten Berufsgruppen<br />

nur durch hohe finanzielle Anreize zu<br />

gewährleisten ist (B:W1). Die meisten dieser<br />

Tätigkeiten sind durch eine gute Zurechenbarkeit<br />

der Arbeitsleistung und damit einfache<br />

Kontrollierbarkeit gekennzeichnet. Dies gilt<br />

auch für komplexe Tätigkeiten von freien<br />

Mitarbeitern in der Software-Beratung, der<br />

Projektleitung im Bau und für die Erstellung<br />

von Aufsätzen und Büchern in den Printmedien.<br />

Die Ergebnisse des Arbeitsprozesses sind<br />

eindeutig zurechenbar und für die Reputation<br />

auf dem Arbeitsmarkt und den nächsten Vertragsabschluss<br />

entscheidend.<br />

Anders als in einfachen Kausalitätsannahmen<br />

aus der Humankapital-, Prinzipal-Agent- oder<br />

der Transaktionskostentheorie unterstellt,<br />

können also von ihrer Grundstruktur identische<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

unterschiedliche Problemlagen und Strategien<br />

reflektieren. Dabei scheint es für Geschlossene<br />

und Offene Beschäftigungssysteme jeweils<br />

eine notwendige, aber nicht hinreichende<br />

Bedingung zu geben (Stabilität der Arbeitsvolumina<br />

bzw. Arbeitskräfteüberschüsse). Die<br />

Schließung oder Öffnung kann dann durch<br />

jeweils unterschiedliche Zusatzbedingungen<br />

ausgelöst werden.<br />

Dieser sehr offene und heuristisch ausgerichtete<br />

Erklärungsansatz ermöglicht ein Verständnis für<br />

personalpolitische Differenzen in der Betriebsund<br />

Arbeitsmarktlandschaft. Eine Schließung<br />

von BBSS ist vor allem dort zu erwarten, wo<br />

mindestens zwei der folgenden Bedingungen<br />

vorliegen: überzyklische Arbeitskräftedefizite,


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Stabilität der Arbeitsvolumina im Zeitablauf<br />

(Verfügbarkeitsprobleme), komplexe Arbeitsaufgaben<br />

und hohe Kontrollkosten, individuelle<br />

und kollektive Gegenmacht der Beschäftigten<br />

(Leistungsprobleme). Eine Öffnung von BBSS<br />

ist dort möglich, wo Verfügbarkeits- und/oder<br />

Leistungsprobleme schwächer ausgeprägt<br />

sind. 5 Marktförmige Offene Beschäftigungssysteme<br />

mit kurzfristiger Beschäftigung sind<br />

am voraussetzungsvollsten, hier dürfen weder<br />

Verfügbarkeits- noch Leistungsprobleme vorliegen.<br />

Damit sind der Expansion dieses Typus<br />

hohe Barrieren gesetzt.<br />

10. BBSS – Entwicklungslinien<br />

Unsere BBSS-Typologie erlaubt eine systematische<br />

Prüfung von Erklärungsansätzen<br />

ebenso wie eine differenzierte Beschreibung<br />

der Arbeitsmarkt- und Betriebslandschaft<br />

im Quer- und Längsschnitt. Im Folgenden<br />

versuchen wir auf der Basis unseres Fallstudienmaterials<br />

Hypothesen zur aktuellen Struktur<br />

und zu Verschiebungen zwischen Typen von<br />

BBSS und Teilarbeitsmärkten zu entwickeln.<br />

Die große Mehrzahl der Untersuchungsbetriebe<br />

bestand im Untersuchungszeitraum<br />

2002 bis 2006 seit mindestens zehn Jahren und<br />

schaute auf die Transformationsphase Anfang<br />

der 90er Jahre und den sich anschließenden<br />

Konjunkturzyklus zurück. Die beschäftigungspolitischen<br />

Erfahrungen und Lernprozesse aus<br />

dieser Zeit waren Bestandteil unserer Befragung.<br />

Dementsprechend liegen eine Vielzahl<br />

von Textpassagen und Daten über Veränderungen<br />

der beschäftigungspolitischen Muster<br />

im Zeitablauf und im Ost-West-Vergleich vor.<br />

Darüber hinaus wurden von den Befragten auf<br />

Basis der aktuellen betrieblichen Altersstrukturen<br />

sowie der absehbaren demografischen<br />

Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt Erwartungen<br />

für die nächsten Jahre formuliert. Die<br />

Aussagen der personalpolitischen Entscheider<br />

zu Vergangenheit und Zukunft wurden einer<br />

Reihe von Plausibilitätsprüfungen unterzogen<br />

und dann in die Hypothesenbildung einbezogen.<br />

Westdeutschland – von der Hegemonie Interner<br />

zur Koexistenz mit Externen Märkten<br />

Westdeutschland wurde im internationalen<br />

Vergleich durch eine lange Tradition stark<br />

institutionalisierter Interner Arbeitsmärkte<br />

und durch relativ schwache Sekundäre<br />

Teilarbeitsmärkte sowie eine durchgängige<br />

berufliche Strukturierung des Bildungs- und<br />

Beschäftigungssystems gekennzeichnet (vgl.<br />

Lutz 1987; Lutz u.a. 2007; Köhler u.a. 2006;<br />

Sengenberger 1987). Wir konnten also hier<br />

von einer Hegemonie Geschlossener BBSS<br />

und von Beruflichkeit ausgehen. Vor diesem<br />

Hintergrund zeichnen sich auf der Basis unseres<br />

Fallstudienmaterials für die 90er Jahre<br />

im Hinblick auf die Verteilung und Dynamik<br />

von BBSS vier Entwicklungstendenzen ab<br />

(siehe Abb. 10.1).<br />

1. Externalisierung: Die in der These um die<br />

Erosion Interner Arbeitsmärkte und des Normalarbeitsverhältnisses<br />

am stärksten<br />

beschworene Tendenz ist die der<br />

Substitution Geschlossener durch<br />

Seite 51<br />

Offene BBSS, auch und gerade im<br />

Primären Segment des Arbeitsmarktes für gut<br />

qualifizierte und gut bezahlte Beschäftigte.<br />

Für diese These finden sich in unseren empirischen<br />

Analysen Belege, aber auch Hinweise


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

auf Gegenbewegungen. Ohne Zweifel vollzieht<br />

sich in den mittel- und großbetrieblich<br />

organisierten Betriebsstätten der Industriebranchen<br />

(M:W1) unseres Samples und des<br />

Dienstleistungssektors (Bk:W1, Bk:W3) ein<br />

weit reichender Restrukturierungsprozess, der<br />

in vielen Fällen zur Zunahme des Anteils von<br />

innerbetrieblichen Arbeitsplatzbereichen mit<br />

zeitlich begrenzter Beschäftigung gegenüber<br />

solchen mit langfristiger Beschäftigung, also<br />

zur Substitution Geschlossener durch Offene<br />

BBSS führt: „Deswegen wird der hohe<br />

Preis für die Arbeitsstunde, der draußen bei<br />

der Leiharbeitsfirma verlangt wird, gezahlt,<br />

ohne dass man das Risiko einer langfristigen<br />

Beschäftigung eingeht. … denn die ganzen<br />

Abfindungsregelungen haben natürlich viele<br />

geschockt…“ (M:W1). Diese Entwicklung<br />

ist dann in der Regel mit geringen Übergangschancen<br />

in die Geschlossenen BBSS<br />

verbunden.<br />

Ein weiteres Beispiel hierfür ist die organisatorische<br />

Verselbstständigung der Finanzberatung<br />

von Privat- und Geschäftskunden in<br />

Banken, Bausparkassen und Versicherungen.<br />

Auch in Teilen der Weiterbildungsbranche<br />

unseres Samples zeigen sich Substitutionsprozesse:<br />

„Wir haben einen hohen Stamm an<br />

– sie nennen es hier – Stammmitarbeitern, also<br />

unbefristeten Beschäftigten; äh in der Verwaltung<br />

ohnehin, da geht das gar nicht anders;<br />

in den anderen Overheadbereichen,<br />

auch im pädagogischen Bereich auch,<br />

Seite 52 allerdings mit einer zunehmenden<br />

Tendenz, dass wir dort, wo wir unbefristete<br />

Stellen abbauen, nur noch mit<br />

befristeten ergänzen.“ (W:W5).<br />

Gerade bei technischen Funktionen zeigen sich<br />

aber auch Gegenbewegungen. So führte die<br />

schon fast strukturelle Knappheit bei Informatikern<br />

und Ingenieuren in den letzten zehn Jahren<br />

zu einer Verfestigung der Betriebsbindung<br />

dieser Arbeitskräftegruppen und damit zu einer<br />

Zunahme des Anteils Geschlossener BBSS (S:<br />

W1). Auch dort, wo Funktionen ausgelagert<br />

werden, bedeutet dies nicht notwendigerweise<br />

eine Erosion Geschlossener zugunsten Offener<br />

BBSS, da viele dieser Funktionen in spezialisierten<br />

Firmen wiederum mit langfristiger<br />

Beschäftigung gefahren werden (S:W2; vgl.<br />

Hinze 2004). Wie insgesamt nach dem „New<br />

Economy“ Boom zu beobachten, kommt es in<br />

vielen Fällen zu einer Retraditionalisierung der<br />

Beschäftigungspolitik (vgl. Boes 2005). Dahinter<br />

stehen häufig Rekrutierungsprobleme:<br />

Funktionierende Externe Arbeitsmärkte für<br />

qualifizierte Arbeitskraft sind hoch voraussetzungsvoll.<br />

2. Sekundarisierung: Ein eindeutiger Trend der<br />

Substitution von Geschlossenen durch Offene<br />

BBSS zeichnet sich bei vielen unserer Untersuchungsfälle<br />

dagegen im Sekundären Segment<br />

auf der Basis von Niedrigqualifikationen und<br />

Niedriglöhnen ab. In vielen direkt produktiven<br />

Arbeitsbereichen, aber auch Serviceabteilungen<br />

wird die Betriebsbindung für die Beschäftigten<br />

aufgelöst. Aus Sekundären Geschlossenen<br />

Systemen werden Sekundäre Offene Systeme<br />

mit mittelfristigen, aber häufig auch kurzfristigen<br />

Beschäftigungsperspektiven. Besonders<br />

deutlich und in verschiedenen Studien gut dokumentiert<br />

ist die Einführung von Leiharbeit<br />

für einfache und repetitive Teilarbeiten, etwa<br />

am Band (M:W1). Stark betroffen sind auch<br />

Arbeitsbereiche mit Servicefunktionen für<br />

Beschäftigte im Wachdienst, in der Cafeteria


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

und der Reinigung, die ehemals fest beschäftigt<br />

und tarifvertraglich gesichert waren. Diese<br />

Arbeiten werden zunehmend ausgelagert und<br />

von spezialisierten Firmen mit Offenen und<br />

teilweise marktförmigen BBSS ausgeführt, die<br />

nicht tarifvertraglich gebunden sind.<br />

3. Re-Kommodifizierung Interner Märkte:<br />

Die am meisten verbreiteten Veränderungen<br />

betreffen endogene Modifikationen Geschlossener<br />

BBSS, werden aber in der Diskussion um<br />

die Erosion Interner Arbeitsmärkte am wenigsten<br />

beachtet. In unserem Sample können<br />

wir bei vielen Mittel- und Großbetrieben eine<br />

Transformation von senioritätsbasierten zu<br />

leistungbasierten Systemen beobachten (z.B.:<br />

M:W1, M:W2, B:W2, S:W1, Bk:W3-2. Welle,<br />

LF 04/05- Bk:W7, LF05/06_M:W9). Dabei<br />

verändern sich die Binnenstrukturen, ohne<br />

die relative Abschottung vom Externen Markt<br />

aufzuheben. Die klassischen aufwärtsgerichteten<br />

und senioritätsbasierten Mobilitäts- und<br />

Qualifizierungsketten werden in Richtung<br />

horizontal strukturierter leistungsbasierter<br />

Systeme modifiziert. Die „Internen Märkte“<br />

nehmen mehr Markt und weniger Hierarchie<br />

auf: Zum einen nimmt die Zahl der Eintrittspositionen<br />

auf allen Ebenen der Arbeitsplatzstruktur<br />

zu, zum anderen wird die interne<br />

Konkurrenz um sichere und privilegierte Positionen<br />

intensiviert, ohne die Dominanz der<br />

Langfristbeschäftigung und damit das zentrale<br />

Merkmal Geschlossener BBSS aufzugeben.<br />

Beim Personalabbau treten Qualifikationsund<br />

Leistungskriterien gegenüber sozialen<br />

Auswahlkriterien (Seniorität, Alter, Familie) in<br />

den Vordergrund.<br />

Das Versprechen und die reale Chance einer<br />

langfristigen Beschäftigung bis zur Verrentung<br />

gelten auch für die neuen leistungsbasierten<br />

BBSS. Dieses Versprechen ist jedoch nicht<br />

mehr an die Betriebszugehörigkeitsdauer,<br />

sondern an individuelle Leistungsstandards<br />

und die Produktivität von Betriebsteilen gebunden<br />

und wird damit relativiert. Damit verändert<br />

sich die Selektivität innerbetrieblicher<br />

Personalströme. Dies muss aber keine Auswirkungen<br />

auf durchschnittliche betriebliche<br />

Verweildauern zeitigen und mag erklären,<br />

warum sich auf der makrostatistischen Ebene<br />

trotz der weit reichenden Transformation der<br />

Binnenstrukturen von BBSS nach wie vor<br />

wenig Veränderung zeigt.<br />

Diese endogenen Modifikationen Geschlossener<br />

BBSS werden in der industriesoziologischen<br />

und personalwirtschaftlichen Literatur<br />

unter Stichworten wie „Intra-Preneur“ und<br />

„Subjektivierung der Arbeit“ dokumentiert<br />

(Moldaschl 2002; Kratzer 2003; Pongratz/Voß<br />

2003; Voß/Pongratz 1998). Wir teilen diese<br />

Beobachtungen, können hier aber keine Aufweichung<br />

oder sogar Auflösung Geschlossener<br />

BBSS erkennen. Im Gegenteil: Leistungsorientierte<br />

Personalpolitik und „Subjektivierung“<br />

stärken den „Markt“ im Internen Markt und<br />

oft auch die ökonomische Leistungsfähigkeit<br />

und Stabilität Geschlossener BBSS.<br />

Ein Umschalten auf Offene Systeme und<br />

externe Arbeitskräfteversorgung fällt schwer,<br />

da funktionierende Externe Arbeitsmärkte<br />

für qualifizierte Arbeitskraft hoch<br />

voraussetzungsvoll sind (Abschnitt 9;<br />

Lutz 1987).<br />

4. Re-Kommodifizierung Externer Märkte:<br />

Auch bei den Offenen BBSS finden sich<br />

endogene Veränderungen. Diese betreffen den<br />

Übergang von betriebförmigen zu marktför-<br />

Seite 53


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

migen Systemen. Eine Reihe von Betrieben<br />

berichtet über einen deutlichen Rückgang<br />

der mittelfristigen Beschäftigungsdauern von<br />

mehreren Jahren und eine Zunahme der kurzfristigen<br />

Dauern, etwa im Zusammenhang mit<br />

der Nutzung von Leiharbeit (M:W1, M:W2),<br />

aber auch unabhängig davon (P:W1, P:W2, B:<br />

W3, B:W5). Wie bereits ausgeführt (Abschnitt<br />

8) macht es einen großen Unterschied für die<br />

Binnenstrukturen des BBSS, ob Beschäftiger<br />

und Beschäftigte etwa in einem klassischen<br />

berufsfachlichen Markt (z.B. in der Bauwirtschaft)<br />

für mehre Jahre zusammenbleiben<br />

oder ob für beide Seiten das baldige Ende der<br />

Beschäftigung bereits beim Betriebseintritt<br />

feststeht: Die Betriebe verzichten weitgehend<br />

auf Binnenmobilität und Qualifizierung und<br />

sie arbeiten mit engmaschigen Kontroll- und<br />

Gratifikationssystemen. Die Beschäftigten<br />

suchen nach Alternativen auf dem überbetrieblichen<br />

Arbeitsmarkt.<br />

Entberuflichung: In Bezug auf die berufliche<br />

Strukturierung des Arbeitsmarktes zeigen<br />

sich Entberuflichungs- aber auch Re-Professionalisierungstendenzen.<br />

Eine Durchsicht<br />

der Betriebsfälle unseres Kernsamples macht<br />

deutlich, dass Deutschland nach wie vor das<br />

Paradies der berufsfachlichen Qualifikation<br />

ist. Wo immer möglich und machbar, werden<br />

Personen mit für die jeweiligen Tätigkeiten<br />

einschlägigen Berufsabschlüssen eingesetzt<br />

und auch ausgebildet. An den Rändern<br />

dieses berufsfachlichen Systems<br />

Seite 54 zeichnen sich jedoch Tendenzen<br />

der Entberuflichung ab. Wie in<br />

Abschnitt 7 gezeigt, organisieren z.B. Offene<br />

Beschäftigungssysteme auch nicht-beruflich<br />

erzeugte, sondern eher tätigkeits- und anlernbasierte,<br />

durchaus anspruchsvolle Qualifikationen<br />

und Kompetenzen, die häufig nach einer<br />

nicht einschlägigen allgemeinen, beruflichen<br />

oder akademischen Ausbildung im Rahmen<br />

inner- und überbetriebliche Mobilitätsketten<br />

erworben werden.<br />

Interessanterweise sind solche Phänomene<br />

dort zu beobachten, wo Branchen eher<br />

metafachliche Kompetenzen nachfragen<br />

und sich die strukturell hohen Überschüsse<br />

Hochqualifizierter aus den Geistes- und Sozialwissenschaften<br />

zunutze machen (W:W3, W:<br />

W5). Eine solche „Entberuflichung“ ist aber<br />

auch bei qualifizierten bis hoch qualifizierten<br />

technischen Berufen zu beobachten, wo immer<br />

wieder in starken Expansionsphasen und bei<br />

geringen Absolventenzahlen (im Tal der studentischen<br />

„Schweinezyklen“) massive Rekrutierungsprobleme<br />

auftreten. Dies gilt etwa für<br />

Produktionsfacharbeiter in der Metallindustrie<br />

sowie Informatiker und Ingenieure. Für Maschinenbediener<br />

in der Metallindustrie setzt<br />

man in alter Tradition auf mehr oder weniger<br />

verwandte Handwerksberufe. In einigen Fällen<br />

entwickeln sich aber auch feste Präferenzen für<br />

„berufsfremde“ Qualifikationen, z.B. werden<br />

in der Softwareindustrie für ausgewählte Tätigkeiten<br />

Absolventen der Betriebswirtschaftslehre<br />

anstelle von Informatikern eingestellt<br />

(S:W1) und in der Weiterbildung beruflich<br />

qualifizierte Fachkräfte anstelle von Pädagogen<br />

(W:W5).<br />

Das Umschalten von Beruflichkeit auf Anlernung<br />

und Weiterbildung ist mit einer Vertiefung<br />

der Arbeitsteilung und Vereinfachung der<br />

Arbeitsaufgaben im Sinne eines „downgrading“<br />

der Arbeitsplatzstruktur verbunden. Interessant<br />

ist, dass die betroffenen Unternehmen im<br />

Sinne des deutschen berufsfachlichen Systems


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Dieser Blick auf Prozesse der Modifikation<br />

und Substitution von BBSS in unseren Untersuchungsbetrieben<br />

legt eine Reihe von<br />

Hypothesen über die Strukturveränderungen<br />

des westdeutschen Arbeitsmarktes nahe. Überraschender<br />

Befund ist, dass, gemessen an den<br />

weitreichenden globalen und regionalen, wirtschaftlichen<br />

und gesellschaftlichen Veränderungen,<br />

Geschlossene BBSS und das Segment<br />

Interner Arbeitsmärkte insgesamt relativ stabil<br />

sind. Deutlich werden allerdings endogene<br />

Modifikationen Geschlossener BBSS in Rich-<br />

Teil-Arbeitsmärkte<br />

und BBSS<br />

Interne Arbeitsmärkte<br />

Geschlossene BBSS<br />

Externe Arbeitsmärkte<br />

Offene BBSS<br />

Senioritätsbasiert<br />

Leistungsbasiert<br />

Betriebsförmig<br />

Marktförmig<br />

Primär<br />

3<br />

1<br />

1<br />

4<br />

Sekundär<br />

2<br />

Abb. 10.1: Entwicklungstendenzen BBSS<br />

immer wieder auf Re-Professionalisierung setzen<br />

wenn sich die Versorgung mit einschlägig<br />

qualifiziertem Personal verbessert (Biehler u.a.<br />

2003; Boes/Trinks 2006).<br />

tung einer Re-Kommodifizierung Interner<br />

Märkte, wobei die Grenzen zum Externen<br />

Arbeitsmarkt erhalten bleiben.<br />

Marktgrenzverschiebungen (Dörre/Brinkmann<br />

2005) im Sinne einer Externalisierung<br />

von Allokationsprozessen zeichnen sich vor<br />

allem an den Rändern des Segments Interner<br />

Arbeitsmärkte über die Substitution Geschlossener<br />

durch Offene BBSS ab. Diese<br />

gewinnen nicht nur, aber besonders<br />

deutlich in Sekundären Teilarbeitsmär-<br />

Seite 55<br />

kten mit Niedriglöhnen an Gewicht.<br />

Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus,<br />

dass sich der westdeutsche Arbeitsmarkt von<br />

einer „Hegemonie“ Interner Arbeitsmärkte<br />

und langfristiger Beschäftigung auf eine eher


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

spannungsgeladene und dynamische, denn<br />

„friedliche“ und stabile Koexistenz von Internen<br />

und Externen Arbeitsmärkten zu bewegt,<br />

wobei diese geopolitischen Metaphern sowohl<br />

die objektiven Beschäftigungsmuster als auch<br />

die diskursive und normative Verarbeitung der<br />

Thematik bezeichnen sollen.<br />

Ostdeutschland – Überholen ohne Einzuholen<br />

Während wir für die alte Bundesrepublik von<br />

einer Hegemonie Interner Arbeitsmärkte<br />

sprechen können, zeichnete sich die DDR<br />

durch eine durchgängige Verallgemeinerung<br />

Interner Arbeitsmärkte auf der Basis Geschlossener<br />

BBSS in großen Betrieben und<br />

Kombinaten aus (Grünert/Lutz 1996). Der<br />

Systemumbruch und der Anschluss an den<br />

„nicht-sozialistischen“ Weltmarkt führten<br />

zunächst zu einem, auch gegenüber den anderen<br />

Transformationsländern, einmaligen<br />

Arbeitsplatzverlust von etwa zwei Fünfteln<br />

des Beschäftigungsvolumens und zu einer<br />

anhaltenden Unterbeschäftigung von etwa<br />

einem Viertel des nach der kollektiven Vorzeitverrentung<br />

verbleibenden Arbeitskräftepotenzials<br />

(Köhler u.a. 2006: S.168ff )<br />

Als erste Reaktion auf diese historisch singuläre<br />

Strukturtransformation können wir<br />

eine weitgehende Zerstörung dieser großen<br />

Internen Märkte Anfang der 90er Jahre beobachten.<br />

Es vollzieht sich ein massiver<br />

Prozess der Externalisierung von<br />

Seite 56 Allokationsprozessen auf dem Arbeitsmarkt,<br />

womit in der Regel auch<br />

eine Externalisierung von sozialpolitischen<br />

Funktionen (Kindergärten, Reha-Zentren,<br />

Jugendhilfe, Berufsbildung etc.) verbunden ist.<br />

Auf dieser Basis zeichnet sich dann im Verlauf<br />

der 90er Jahren eine schrittweise Annäherung<br />

an die westdeutschen Muster von Offenen und<br />

Geschlossenen BBSS ab. Bei betriebsökonomisch<br />

ähnlichen Betrieben bildeten sich in den<br />

Kernbereichen ähnlich strukturierte Beschäftigungssysteme<br />

heraus. Die Ubiquität Interner<br />

Arbeitsmärkte in der DDR weicht einer Struktur<br />

der Koexistenz von Internen und Externen<br />

Märkten auf der Basis Geschlossener und<br />

Offener BBSS. In diesem Prozess bilden sich<br />

neue und signifikante Differenzen gegenüber<br />

Westdeutschland heraus, die im Kontrast zu<br />

den oben für Westdeutschland beschriebenen<br />

vier Entwicklungslinien verdeutlicht werden<br />

sollen.<br />

1. Externalisierung und Polarisierung: In Bezug<br />

auf die Substitution Geschlossener durch Offene<br />

BBSS im Primären Arbeitsmarktsegment<br />

zeigt sich in den ersten Jahren nach dem Systemumbruch<br />

vor allem in der Industrie eine<br />

kurze Phase der Renaissance hoher Betriebsbindung<br />

und Geschlossener Beschäftigungssysteme.<br />

Im Verlauf der 90er Jahre entwickelt sich<br />

dann ein rascher und schmerzhafter Prozess<br />

der Annäherung an das westdeutsche Niveau<br />

von stabiler und instabiler Beschäftigung (Bk:<br />

O4, Bk:O4-2. Welle), wobei sich neue Differenzen<br />

herausbilden: Aufgrund der anhaltend<br />

hohen Arbeitslosigkeit sowie des Transformationsschocks<br />

und tradierter sozialmoralischen<br />

Gemeinschaftsnormen entwickelt sich bei den<br />

Beschäftigten eine starke Betriebsbindung.<br />

Diese führt zu einer stärkeren Abschottung der<br />

Geschlossenen BBSS gegenüber dem Externen<br />

Arbeitsmarkt. Dies gilt aber auch gegenüber den<br />

Offenen BBSS in den weniger qualifizierten<br />

und attraktiven Arbeitsbereichen der Erwerbsorganisationen.<br />

Besonders deutlich kann diese<br />

ausgeprägte Insider-Outsider-Struktur dort


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

beobachtet werden, wo Belegschaftsgruppen<br />

aus DDR-Betrieben in restrukturierten Unternehmen<br />

zusammenbleiben. Die Geschäftsführerin<br />

eines kleinen Baubetriebs fasst ihre<br />

Aussagen zu diesem Thema zusammen: „Nee,<br />

da sind die, das kann man sich gar nicht mehr<br />

vorstellen, wie die Hyänen, die lassen keinen in<br />

ihr Revier, schlimm auch, ich mein, solange das<br />

dem Geschäft nicht schadet… .“ (B:O3).<br />

2. Sekundarisierung: Unter dem ökonomischen<br />

Druck des Transformationsprozesses einerseits<br />

und der hohen Arbeitskräfteüberschüsse<br />

andererseits bildet sich ein starkes Sekundäres<br />

Segment des Arbeitsmarktes auf der Basis von<br />

Niedriglöhnen heraus, wobei hier wiederum<br />

Offene BBSS mit atypischen Verträgen und<br />

teilweise subventionierter Beschäftigung eine<br />

große Rolle spielen (z.B. M:O1). Hier überholt<br />

der ostdeutsche den westdeutschen Arbeitsmarkt.<br />

In unserem Sample betrifft dies BBSS<br />

für Hilfstätigkeiten in allen 6 Branchen, aber<br />

auch Dozenten in Weiterbildungsfirmen: „Man<br />

versucht sich mit einem kleinen begrenzten<br />

Grundstamm stabil zu halten ... und die Flexibilität<br />

ist ja bei den Honorarkräften eigentlich<br />

am größten, das ist ja nun das spezifische eines<br />

Bildungs-Projektträgers.“ (W:O1).<br />

3. Re-Kommodifizierung Interner Märkte: In<br />

Bezug auf die endogenen Modifikationen Geschlossener<br />

Systeme von senioritätsbestimmten<br />

zu leistungsorientierten Regeln bildet der<br />

ostdeutsche Arbeitsmarkt zweifellos eine<br />

Vorreiterfunktion. Westliche Unternehmen<br />

nutzen für ihre ostdeutschen Niederlassungen<br />

die sich aus der hohen Arbeitslosigkeit und<br />

Unsicherheit der Belegschaften ergebenden<br />

neuen Spielräume aus, um westdeutsche Standards<br />

zu unterlaufen. Die Zugehörigkeit zur<br />

Stammbelegschaft wird an hohe Leistungsstandards<br />

gebunden, beim Personalabbau<br />

wird stark nach Leistung selektiert (B:O1, Bk:<br />

O3, LF05/06_Bk:O10; vgl. auch Bultemeier<br />

u.a. 2007). Stammbelegschaften und viele<br />

Betriebsräte tragen diese Leistungs- und Beschäftigungspolitik<br />

angesichts der Angst vor<br />

roten Zahlen und Arbeitplatzverlust mit.<br />

4. Re-Kommodifizierung Externer Märkte:<br />

Auch in Bezug auf die endogene Transformation<br />

Offener Systeme von betriebsförmigen zu<br />

marktförmigen BBSS, also von mittelfristiger<br />

zu kurzfristiger Beschäftigung, spielen die<br />

ostdeutschen Betriebe eine Vorreiterrolle (M:<br />

O1, M:O3, M:O4, P:O1-3). Der Anreiz der<br />

Beschäftigungsförderung über Subventionen<br />

für neu rekrutiertes Personal der damaligen<br />

Bundesanstalt für Arbeit hat zu einem im<br />

Verhältnis zu Westdeutschland starken Personalumschlag<br />

in den Offenen BBSS geführt.<br />

Ein Großteil der Beschäftigungsverhältnisse<br />

endet nach einem Jahr. Dies wird auch in den<br />

quantitativen Analysen der Beschäftigtenstatistik<br />

deutlich (vgl. Grotheer 2007).<br />

Entberuflichung: Im Hinblick auf die Frage<br />

nach der Erosion berufsfachlicher Qualifikationen,<br />

z.B. in „Offenen BBSS“, ist zunächst<br />

festzuhalten, dass das ostdeutsche Beschäftigungssystem<br />

noch stärker als Westdeutschland<br />

vom Beruflichkeitsprinzip durchdrungen war<br />

und ist. Die Restrukturierungsprozesse<br />

der ersten fünf bis zehn Jahre<br />

nach dem Systemumbruch haben<br />

Seite 57<br />

jedoch gerade hier zur massenhaften<br />

Entwertung von Qualifikationen und Umbrüchen<br />

in Erwerbs- und Berufsbiografien<br />

geführt. So wurde etwa ein Teil des restrukturierungsbedingten<br />

Arbeitskräfteüberschusses


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

in naturwissenschaftlich-technischen Berufen<br />

aus dem ehemals großen Industriesektor in<br />

betriebswirtschaftlich-kaufmännische Berufe<br />

umqualifiziert und angelernt. In unserem<br />

Sample betraf dies vor allen den Banken- und<br />

Versicherungssektor, wo in vielen Funktionen,<br />

auch in Kundenbetreuung und Verkauf, sehr<br />

viele Naturwissenschaftler aufgenommen und<br />

umgeschult wurden (z.B. Bk:O2).<br />

In der Weiterbildung setzen auch heute noch<br />

einige Unternehmen auf „Berufsfremde“: „Nee.<br />

Das sind auch nicht unbedingt Pädagogen, …<br />

also es gibt wirklich zwei explizite Pädagogen<br />

und der Rest sind Geistes- oder Kulturwissenschaftler<br />

oder wie man das auch nennen will.<br />

Das liegt ein bisschen daran, dass das Profil<br />

der Pädagogenausbildung inhaltsleer ist und…<br />

seitdem ich einstellen darf, werden keine<br />

Pädagogen mehr eingestellt, auf gut Deutsch<br />

gesagt. Meine Kollegin vorher, die war selber<br />

Pädagogin, die hat gerne Pädagogen eingestellt,<br />

aber weil wir müssen Bildungsplanung<br />

machen und jetzt nicht Lehrkräfte, das ist eine<br />

völlige Fehlqualifikation. Wir brauchen Leute,<br />

die von Inhalten Ahnung haben und nicht von<br />

pädagogischem Schnickschnack.“ (W:O4).<br />

Zusammenfassend lässt sich für Ostdeutschland<br />

festhalten, dass nach der weitgehenden<br />

Zerstörung der großen Internen Arbeitsmärkte<br />

der Kombinate ein Prozess der schrittweisen<br />

Annäherung und des selektiven<br />

Überholens der westdeutschen<br />

Seite 58 Strukturen einsetzt. Für die Mehrzahl<br />

der ostdeutschen Untersuchungsfälle<br />

gilt, dass über die Krisenerfahrungen der 90er<br />

Jahre und korrespondierende Lernprozesse<br />

und Umorientierungen die ehemals betriebsdeckenden<br />

Geschlossenen BBSS innerhalb<br />

der Betriebe zusehends kleiner werden.<br />

Konsequenterweise nehmen die Anteile an<br />

Beschäftigten mit Langfristperspektiven an<br />

den Belegschaften ab, kurz- und mittelfristige<br />

Beschäftigung in Offenen BBSS nimmt zu, so<br />

dass sich auch hier eine Koexistenz von Internen<br />

und Externen Märkten herausbildet. Im<br />

Untersuchungszeitraum in der ersten Hälfte<br />

dieses Jahrzehnts haben die ostdeutschen<br />

Betriebe das westdeutsche Sample im Hinblick<br />

auf Externalisierung und Polarisierung,<br />

Sekundarisierung und Re-Kommodifizierung<br />

überholt. Die hohe Arbeitslosigkeit und die<br />

starke Betriebsbindung der Beschäftigten<br />

führen zu einer – im Vergleich – stärkeren<br />

Abschottung der Geschlossenen BBSS gegenüber<br />

dem Externen Arbeitsmarkt, aber auch<br />

gegenüber den Randbelegschaften im eigenen<br />

Betrieb; sie generieren also eine starke Polarisierung.<br />

Senioritäts- und statusbasierte Regeln<br />

für Geschlossene BBSS wurden von vornherein<br />

vermieden oder unterlaufen, so dass hier in der<br />

Tat von einem „Überholen ohne Einzuholen“<br />

gesprochen werden kann.<br />

11. Challenge and Response – Schub- und<br />

Ziehkräfte des Wandels<br />

Will man die Triebkräfte der Dynamik des<br />

west- und ostdeutschen Arbeitsmarktes verstehen<br />

und erklären, so muss man in einem ersten<br />

Schritt auf die Erwerbsorganisationen schauen,<br />

in die die BBSS eingebettet sind. Wir haben<br />

dafür im Anschluss an neuere mikrosozio/<br />

ökonomische Ansätze das Konzept der personalpolitischen<br />

Bezugsprobleme betrieblichen<br />

Handelns entwickelt und das Verfügbarkeitsund<br />

Leistungsproblem in den Vordergrund ge-


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

stellt (Abschnitt 9). Das Verfügbarkeitsproblem<br />

gliedert sich in Probleme der Rekrutierung und<br />

der Kontinuität von Auftrags- und Arbeitsvolumina;<br />

das Leistungsproblem in Probleme<br />

der Kontrolle und Legitimation. Über diesen<br />

Ansatz können wir einmal betriebliche Problemlagen<br />

in den Zusammenhang mit mikro-,<br />

meso- und makrostrukturellen Rahmenbedingungen<br />

stellen. Zum anderen können wir die<br />

Handlungen der betrieblichen Entscheider im<br />

Sinne des Ansatzes von Best u.a. (Best 2007;<br />

Lutz 2007) als Challenge-Response-Ketten<br />

modellieren.<br />

Westdeutschland<br />

Anfang der neunziger Jahre sahen sich die<br />

personalverantwortlichen Entscheider international<br />

agierender mittlerer und großer Unternehmen<br />

vor eine doppelte Herausforderung<br />

gestellt: Einerseits nahm der Kostendruck und<br />

die Volatilität auf den internationalen Märkten<br />

zu, womit in der Sprache unseres Erklärungsansatzes<br />

„Diskontinuitätsprobleme“ stärker<br />

zunehmen und starke Schubkräfte in Richtung<br />

auf die Reduzierung der Personalfixkosten und<br />

Strategien der Personalanpassung entstehen.<br />

Andererseits nehmen aufgrund der langfristigen<br />

Zunahme des Arbeitskräftepotenzials<br />

(geburtenstarke Jahrgänge, Wiedervereinigung)<br />

und der wachsenden Massenarbeitslosigkeit<br />

„Verfügbarkeitsprobleme“ für die meisten Berufsgruppen<br />

ab. Im Zusammenhang damit und<br />

auf der Basis der Internationalisierung des Kapitals<br />

verlieren die Interessenvertretungsorgane<br />

auf betrieblicher und überbetrieblicher Ebene<br />

an Macht. Durch die Machtverschiebung<br />

zwischen Kapital und Arbeit nehmen „Herrschaftsprobleme“<br />

und damit Widerstände<br />

gegen flexible Personalstrategien ab.<br />

In den Interviews mit den Personalverantwortlichen<br />

werden immer wieder die Veränderungen<br />

der Absatzmärkte sowie die Strategien<br />

der Unternehmenszerlegung und Marksteuerung<br />

von Geschäftsprozessen (vgl. auch Bultemeier<br />

u.a. 2007; Dörre/Brinkmann 2005; Sauer<br />

2005; Windolf 2005) hervorgehoben. Die<br />

Organisationen werden nach Geschäftsfeldern<br />

zerlegt, parallel erfolgt eine Konzentration<br />

auf das Kerngeschäft und eine Zunahme des<br />

Outsourcing (Verkleinbetrieblichung). Die<br />

ehemals in Unternehmen oder Non-Profit-Großorganisationen<br />

eingebetteten und<br />

geschützten Wirtschaftseinheiten sind stark<br />

auf einzelne Geschäftsfelder fokussiert und<br />

direkt dem Markt ausgesetzt (Vermarktlichung).<br />

Die verbliebenen Reste sind häufig<br />

so stark auf Kernfunktionen reduziert, dass<br />

eine Stabilisierung der Beschäftigung durch<br />

die Rücknahme von Unteraufträgen nicht<br />

mehr möglich ist, es fehlt das erforderliche<br />

Sach- und Humankapital. Damit reduzieren<br />

sich in vielen Fällen die beschäftigungs- und<br />

betriebswirtschaftlichen Spielräume für Beschäftigungssicherung.<br />

Die internen Puffer<br />

zur Bewältigung von Absatz- und Profitabilitätsschwankungen<br />

nehmen ab: In der<br />

Sprache unseres Erklärungsansatzes nehmen<br />

Diskontinuitätsprobleme zu – das Personal<br />

muss schneller dem Arbeitsvolumen angepasst<br />

werden. Geschlossene Beschäftigungssysteme<br />

werden abgebaut, Offene und marktförmige<br />

Beschäftigungssysteme gewinnen an<br />

Bedeutung. Das Austauschvolumen<br />

zwischen den Erwerbsorganisationen<br />

Seite 59<br />

und dem Externen Arbeitsmarkt<br />

nimmt zu. Exemplarisch hierfür steht ein<br />

traditionsreiches mittelständisches Unternehmen<br />

(M:W1), das komplexe Aggregate<br />

und Apparate in kleinen Serien fertigt und


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

weltweit vertreibt.<br />

Das Unternehmen entwickelte in den 60er<br />

und 70er Jahren eine typische „funktionale<br />

Organisationsstruktur“. Alle benötigten<br />

Funktionen und damit Qualifikationen<br />

waren „in einem Haus einbettet“. Doch<br />

bereits Ende der 70er Jahre, „als es praktisch<br />

um Ideologie ging und nicht mehr<br />

um Betrieb und Betriebszukunft“, werden<br />

die Kosten derartiger Strukturen immer<br />

deutlicher. Um der Unflexibilität der<br />

Tarifverträge entgegen zu wirken, führte<br />

man bereits in den 70er Jahren gleitende<br />

Arbeitszeiten ein. Als „Pionierarbeit“ wird<br />

die Einführung von Leiharbeit in den 80er<br />

Jahren gesehen. Weiterhin gründete man<br />

Niederlassungen im europäischen Ausland.<br />

Zu Beginn der 90er Jahre (1993) wurde ein<br />

Grossteil der Belegschaft (180 Mitarbeiter)<br />

in Deutschland bedingt durch einen<br />

Konjunkturknick entlassen. Auch Büros in<br />

den neuen Bundesländern wurden (wieder)<br />

geschlossen.<br />

In den Jahren 1995/96 erfährt die Organisation<br />

den größten Strukturwandel der Firmengeschichte.<br />

Das Gesamtunternehmen<br />

wurde nach Geschäftsfeldern zerlegt, so<br />

dass 6 Geschäftsbereiche entstanden. Die<br />

Geschäftsfelder 1 bis 4 stellen „Profitcenter“<br />

dar. Diesen Feldern werden klare Vorgabezielsetzungen<br />

gemacht, so dass „ganz<br />

bestimmte Renditen erzielt werden“.<br />

Seite 60 Die Produktion (Geschäftsfeld 6) ist<br />

berechtigt, Leistungen extern zu verkaufen.<br />

Das Unternehmen wiederum<br />

holt Angebote von der eigenen Produktion<br />

ein, aber orientiert sich auch am Markt.<br />

Die Produktion steht damit „praktisch<br />

im Wettbewerb zum eigenen Haus“. Das<br />

fünfte Geschäftsfeld (Service) wurde im<br />

Jahre 2000 gänzlich aus der Organisation<br />

als eigenständige GmbH ausgegründet. Am<br />

Standort der Mutterfirma bleiben vor allem<br />

die Konstruktion nach kundenspezifischen<br />

Anforderungen und die Montage der komplexen<br />

Aggregate erhalten.<br />

Eine enge Führungsriege aus 7 Leuten<br />

leitet das Unternehmen. Die „absolute<br />

Unstetigkeit in den Geschäftsbeziehungen“<br />

und die starke Abhängigkeit vom Kunden-<br />

und Lieferantenmarkt bekräftigten<br />

die Personalentscheider in ihrem Kalkül,<br />

„alles was benötigt wird, kauft man sich<br />

draußen ein“. So werden heute die starken<br />

saisonalen Auftragsschwankungen vor<br />

allem über Leiharbeiter aufgefangen. Rund<br />

70 Leiharbeiter werden jährlich zusätzlich<br />

zur Stammbelegschaft für mehrere Monate<br />

zum Zweck einfacher Monatearbeiten<br />

beschäftigt. Für die derzeitige Kernmannschaft<br />

wird eine langfristige Beschäftigungsdauer<br />

postuliert, wobei jedoch weitere<br />

quantitative Reduzierungen denkbar<br />

sind. Die Leiharbeiter stellten und stellen<br />

zudem für das Unternehmen „ein tolles<br />

Nachwuchsbecken dar“, dennoch bestehen<br />

nur selten Übernahmemöglichkeiten. Die<br />

Stammbelegschaft oder Kernmannschaft ist<br />

der „Träger des betrieblichen Know-hows“.<br />

Und weiter: „Es ist auch so, dass sicherlich<br />

auch von außen der Eine oder Andere<br />

mal in diesen Topf mit reinkommt, aber<br />

befristet“. Die Beschäftiger wissen um die<br />

Risiken langfristiger Bindungen und haben<br />

ihre Präferenzen marktgerecht moduliert:<br />

„Deswegen wird der Preis, der draußen<br />

verlangt wird, wahrscheinlich gezahlt, ohne


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

dass man das Risiko einer langfristigen Beschäftigung<br />

eingeht. Denn alle rechnen aus<br />

... denn die ganzen Abfindungsregelungen<br />

haben natürlich viele geschockt. Und die<br />

sind natürlich bei allen Einstellungen verdammt<br />

vorsichtig geworden.“<br />

Laut Personalentscheider kann das Wissen,<br />

das im Unternehmen benötigt wird, nicht<br />

mehr ausschließlich intern erzeugt werden.<br />

Er erwartet, dass die Entwicklung hin „zu<br />

einer Kernmannschaft“ führt, die von einer<br />

„außen liegenden Zuarbeitermannschaft“<br />

und einer „noch weiter außen liegenden<br />

freien Mitarbeit“ unterstützt wird. Die<br />

Kernmannschaft werde jedoch auch in<br />

Zukunft ein wesentliches Element der Beschäftigtenstruktur<br />

darstellen.<br />

Im Ergebnis tritt bereits jetzt neben das<br />

Geschlossene Beschäftigungssystem für<br />

die geschrumpfte Stammbelegschaft ein<br />

marktförmiges System für die Leiharbeiter.<br />

Es gibt zwar Überlappungen in den Arbeitsaufgaben<br />

und Tätigkeiten, aber wenig<br />

Übergangsmöglichkeiten.<br />

Vergleichbare Tendenzen zeigen sich bei der<br />

Mehrzahl der groß- und mittelbetrieblichen<br />

Unternehmen unseres eigenen (S:W1, Bk:<br />

W3-2. Welle) und des erweiterten Samples<br />

im Maschinenbau und in der Chemie, bei<br />

Banken und Versicherungen und größeren<br />

Softwareunternehmen (Fälle der Lehrforschungen).<br />

Bei den großen öffentlich geförderten<br />

Institutionen der Weiterbildung und<br />

der Pflege ergeben sich Veränderungen aus der<br />

Finanzkrise der öffentlichen Hand. Zuschüsse<br />

werden reduziert und stärker von politischen<br />

Konjunkturen abhängig.<br />

Marktveränderungen sowie Strategien der<br />

Vermarktlichung und Verkleinbetrieblichung<br />

können aber auch – wie aus der Literatur<br />

bekannt – zu einer Stabilisierung und Schließung<br />

der Beschäftigung in den fokalen Unternehmen<br />

auf Kosten der Unterauftragnehmer<br />

führen. In unserem Sample haben sich entsprechende<br />

Strukturen bei Niederlassungen<br />

der großen Bauunternehmer herausgebildet,<br />

die als Generalunternehmer Großbaustellen<br />

leiten.<br />

Die Niederlassung eines großen Unternehmens<br />

(B:W1) führte bereits in den 80er<br />

Jahren Strukturanpassungen des Personals<br />

im gewerblichen Bereich durch. Die zweite<br />

Welle dieser Maßnahmen erfolgte in den<br />

90er Jahren, wobei knapp 70 gewerbliche<br />

Mitarbeiter meist über Verrentungen den<br />

Betrieb verließen und nur noch 34 Mitarbeiter<br />

in diesem Bereich verblieben. Der<br />

Personalverantwortliche geht von einer<br />

weiteren Reduzierung des Personalbestandes<br />

bis auf einen stabilen Kern von ca.<br />

20 Mitarbeitern aus. Da der Altersdurchschnitt<br />

sehr hoch ist – der Anteil der über<br />

50-Jährigen liegt bei 45% – wird dies über<br />

Verrentungen geschehen. Ein Stamm von<br />

gewerblichen Mitarbeitern mit langfristiger<br />

Perspektive soll jedoch im Unternehmen<br />

verbleiben. Dies stehe einerseits in<br />

der Tradition der Organisation und sichere<br />

andererseits die notwendige Flexibilität.<br />

Denn durch ihre Erfahrung<br />

seien die Facharbeiter Spezialisten<br />

und Allrounder zugleich.<br />

Der Personalabbau wird seitens des Personalverantwortlichen<br />

mit der seit Jahren<br />

anhaltenden Rezession sowie dem mas-<br />

Seite 61


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

siven Verdrängungswettbewerb im Baubereich<br />

begründet. Zudem erfolgte eine<br />

Konzentration des Angebots auf die Projektierung<br />

und das Management größerer<br />

Bauvorhaben, deren Realisierung über die<br />

Zusammenarbeit mit Nachunternehmen<br />

abgesichert wird. Bei solchen Projekten<br />

sind oft 40 bis 50 Nachtunternehmen<br />

beteiligt. Die daraus gezogenen Kostenvorteile<br />

– „jede Stunde, die ich extern einkaufe,<br />

ist billiger“ – subventionieren den eigenen<br />

gewerblichen Bereich. Weiterhin wird auf<br />

freie Mitarbeiter und „Leiharbeiter“ aus anderen<br />

Niederlassungen des Unternehmens<br />

zurückgegriffen. Die Vorteile einer solchen<br />

Konstellation werden in der Aufrechterhaltung<br />

eines stabilen Personalbestandes und<br />

in der Sicherstellung der Handlungsfähigkeit<br />

des Betriebes bei Auftragsspitzen oder<br />

-engpässen gesehen. „…für die tägliche<br />

Arbeit macht das wirklich … den Rücken<br />

frei, weil ich habe meinen festen Stamm,<br />

da weiß ich, was das im Jahr kostet. …<br />

Das kann ich genau ausrechnen, das sind<br />

meine Fixkosten und die müssen gedeckt<br />

werden. Und wenn ich darüber hinaus die<br />

anderen einsetze, sind das variable Kosten.<br />

Das macht es mir möglich, mit… vielleicht<br />

mit der Hälfte des Umsatzes für dieses Jahr<br />

über die Runden zu kommen.“<br />

Im Ergebnis erfolgt durch die Vergabe bzw.<br />

Rücknahme von Unteraufträgen eine<br />

Stabilisierung der Beschäftigung bei<br />

Seite 62 diskontinuierlichen Auftrags- und Arbeitsvolumina.<br />

Man vermeidet große<br />

Belegschaften, die „bei Engpässen nicht zu<br />

beschäftigen, aber zu bezahlen sind“. Im<br />

Längsschnitt hat sich somit die langfristige<br />

Beschäftigung im Unternehmen erhalten,<br />

jedoch auf einem quantitativ niedrigeren<br />

Niveau.<br />

Während bei mittel- und großbetrieblichen<br />

Organisationen deutliche Restrukturierungsprozesse<br />

zu erkennen sind, wird aus<br />

dem Fallstudienmaterial bei den Klein- und<br />

Kleinstbetrieben kein grundlegender Wandel<br />

in der Struktur und im Mischungsverhältnis<br />

der BBSS sichtbar. Die von uns befragten Erwerbsorganisationen<br />

bestanden mehrheitlich<br />

seit mindestens zehn Jahren, stellen in der<br />

kleinbetrieblichen Betriebspopulation (mit<br />

hohen Sterbequoten nach der Gründung) als<br />

Überlebende eine Positivauswahl dar und haben<br />

es frühzeitig gelernt, mit begrenzten finanzund<br />

beschäftigungspolitischen Spielräumen zu<br />

agieren. Sie weisen – wie bei der Breite unseres<br />

Samples zu erwarten – die verschiedensten<br />

Mischungen von Beschäftigungssystemen auf;<br />

deren Struktur bleibt aber im Beobachtungszeitraum<br />

relativ stabil.<br />

Die Ausnahme in unserem qualitativen Sample<br />

bilden die Pflegedienste, die nach der Einführung<br />

der Pflegeversicherung (1997) expandierten<br />

und aufgrund des stark zunehmenden<br />

Arbeitskräftebedarfs und der korrespondierenden<br />

Fachkräfteknappheit einerseits, der harten<br />

Arbeitsbedingungen und geringen Gehälter<br />

andererseits eine hohe Fluktuation aufweisen.<br />

In vielen Fällen werden bei Pflegediensten<br />

Offene BBSS mit mittleren Beschäftigungsdauern<br />

von zwei bis zehn Jahren gefahren.<br />

Hier nimmt das Austauschvolumen mit dem<br />

Externen Arbeitsmarkt zu – meist auf Initiative<br />

der Beschäftigten (P:W2, P:W3). Die durchschnittlichen<br />

Verweildauern verkürzen sich. In<br />

einzelnen Fällen finden Strukturwechsel von<br />

Geschlossenen zu Offenen Beschäftigungs-


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

systemen statt: Immer mehr Pflegepositionen<br />

werden von nur mittelfristig verbleibenden<br />

Kräften besetzt. Die Fachkräfteknappheit<br />

bildet ein zentrales Thema der Interviews: „Es<br />

wäre schöner, wenn die Personalbeschaffung<br />

einfacher wäre – dass ich die Kohle, die ich<br />

in den ganzen Anzeigen schalte, lieber den<br />

Mitarbeitern zukommen lassen würde.“ (P:<br />

W1) oder „Ich könnte aber auf einen Schlag<br />

zehn einstellen oder zwanzig, wenn sie denn da<br />

wären.“ (P:W3).<br />

Zusammenfassend lassen sich auf der Basis<br />

unseres Fallstudienmaterials eine Reihe von<br />

Hypothesen festhalten. Bei den mittel- und<br />

großbetrieblichen Erwerbsorganisationen<br />

führen teilweise weitreichende Restrukturierungsprozesse<br />

der Verkleinbetrieblichung<br />

und Vermarktlichung zu einer Zunahme von<br />

Diskontinuitätsproblemen, während gleichzeitig<br />

Verfügbarkeits- und Herrschaftsprobleme<br />

abnehmen. Auf dieser Basis schrumpft der<br />

Raum für Geschlossene BBSS, während die<br />

Anteile Offener BBSS zunehmen. Bei der<br />

Mehrheit der Klein- und Kleinstbetriebe sind<br />

dagegen keine grundlegenden Veränderungen<br />

in der Struktur der Beschäftigungssysteme<br />

auszumachen.<br />

Ostdeutschland<br />

Mit einer Vernichtung fast der Hälfte des<br />

gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumens<br />

innerhalb von drei Jahren wurde der ostdeutsche<br />

Arbeitsmarkt dem härtesten Schock<br />

aller Transformationsländer ausgesetzt. Erste<br />

Reaktion war die weitgehende Zerstörung<br />

der flächendeckenden großen Internen Arbeitsmärkte<br />

der Kombinate, womit in der<br />

Regel auch ein Verlust ihrer sozialpolitischen<br />

Funktionen verbunden war (vgl. Kaelble<br />

1994). Nach dieser historisch singulären<br />

Strukturtransformation des sozialistischen<br />

Wirtschaftssystems nahm die neu konstituierte<br />

Betriebslandschaft eine weitgehend verkleinbetrieblichte<br />

und vermarktlichte Struktur<br />

an, deren durchschnittliche Produktivität weit<br />

unter der Westdeutschlands lag. Insbesondere<br />

für die überregional agierenden Niederlassungen<br />

und Betriebe bestand der Challenge<br />

darin, Personalfixkosten einzusparen. Sowohl<br />

das fast unbegrenzte Arbeitskräfteangebot<br />

auf den überbetrieblichen Arbeitsmärkten<br />

als auch die inner- und überbetrieblichen<br />

Machtverhältnisse setzten Externalisierungsprozessen<br />

keine Schranken. Konsequenterweise<br />

diagnostizierten und prognostizierten<br />

viele Journalisten, Politiker aber auch Wissenschaftler<br />

einen „wilden Osten“ mit hoher<br />

Beschäftigungsinstabilität.<br />

Umso erstaunlicher war nach dem Transformationssturm<br />

der ersten Jahre die in der<br />

Mehrheit der ostdeutschen Untersuchungsbetriebe<br />

erreichte hohe Beschäftigungsstabilität.<br />

Die ganz überwiegende Zahl der überlebenden<br />

oder neu gegründeten Ost-Betriebe begann<br />

mit personalpolitischen Stabilisierungs- und<br />

Sicherheitsstrategien. Damit wurde unter<br />

gänzlich neuen Rahmenbedingungen an die<br />

Tradition Interner Arbeitsmärkte in der DDR<br />

angeknüpft (Grünert/Lutz 1996). Dies wurde<br />

durch besondere ökonomische und<br />

institutionelle Rahmenbedingungen<br />

ermöglicht und gefördert und ent-<br />

Seite 63<br />

sprach den dominanten sozialmoralischen<br />

Orientierungen von Beschäftigern<br />

und Beschäftigten, deren Verletzung massive<br />

Probleme der Legitimation betrieblicher<br />

Herrschaft nach sich gezogen hätte.


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Die Mehrheit unserer ostdeutschen Untersuchungsfälle<br />

erlebte nach Abschluss der<br />

„blutigen“ Transformation als überlebende<br />

Positivauswahl zunächst eine mehr oder<br />

weniger starke Wachstumsphase, so dass<br />

das Konzept langfristiger Beschäftigung in<br />

Internen Arbeitsmärkten nicht in Frage gestellt<br />

werden musste. Dies betrifft aufgrund<br />

des ökonomischen Strukturwandels sowie<br />

des großen West-Ost-Finanztransfers Banken<br />

und Versicherungen, die Bauindustrie<br />

und den Weiterbildungssektor (B:O1-3, W:<br />

O1-3). Dort, wo – wie in Teilen der Industrie<br />

– die ökonomische Sanierung schwierig<br />

war, sorgten zunächst die wirtschafts- und<br />

arbeitsmarktpolitischen Institutionen wie die<br />

Treuhand und die Bundesanstalt für Arbeit<br />

(BA) für eine Stabilisierung der Beschäftigung<br />

auch bei unsicheren wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen. Bei von der Treuhand<br />

übernommenen Betrieben galt es, Beschäftigungsgarantien<br />

einzuhalten. Die BA gewährte<br />

großzügig Kurzarbeitergeld, so dass auch in<br />

Betrieben und Branchen mit schwierigen<br />

ökonomischen Rahmenbedingungen zunächst<br />

eine relative Stabilität erreicht wurde (M:O1,<br />

M:O2). Dies gilt nicht flächendeckend, wie<br />

krisenhafte Betriebsbiografien belegen; hier<br />

wird Beschäftigungsstabilität erst nach Jahren<br />

und mannigfaltigen Anpassungsprozessen<br />

erreicht (M:O3, M:O4).<br />

Diese relative Kontinuität von Auftragslagen<br />

und Beschäftigung in den<br />

Seite 64 überlebenden Betrieben unseres Samples<br />

in der ersten Hälfte der 90er Jahre<br />

wird durch die bereits erwähnte dominante<br />

sozialmoralische Orientierung von Beschäftigern<br />

und Beschäftigten gestützt. Sie bestand<br />

darin, den „Zwängen des Kapitalismus“ durch<br />

niedrige Löhne, hohe Leistungsbereitschaft<br />

und lange Arbeitzeiten entgegenzukommen,<br />

aber dieses mit einem Schutz der Beschäftigten<br />

gegen die Unbill der Arbeitsmärkte zu<br />

verbinden. Dies stand zunächst durchaus in der<br />

Tradition der sozialistisch-paternalistischen<br />

Betriebsgemeinschaft (vgl. Behr u.a. 2006).<br />

Aus unseren Fallstudien gibt es eine Vielzahl<br />

an Hinweisen darauf, dass und wie Sicherheit<br />

auch gegen ökonomische Kalküle geboten<br />

und akzeptiert wurde. Unübertroffen bleibt<br />

das Beispiel eines Thüringer Metallbetriebes<br />

aus dem erweiterten Sample, in dem an einer<br />

Montagelinie die – eigentlich überflüssige<br />

– Stelle der Qualitätskontrolle mit Wissen aller<br />

Beschäftigten mit einer halbblinden Person besetzt<br />

war. Personalverantwortliche Entscheider<br />

haben Kündigungen auch gegen ökonomische<br />

Kalküle zu vermeiden versucht. In vielen Industriebetrieben<br />

haben Beschäftigte immer<br />

wieder wochenlang auf ihren Lohn gewartet<br />

und teilweise sogar darauf verzichtet, um das<br />

Überleben der Firma und ihren Arbeitplatz zu<br />

sichern (LF 02/03-M:O1).<br />

Eine Ausnahme bilden die neu gegründeten<br />

Privatbanken, die offensichtlich die ostdeutschen<br />

Niederlassungen als Experimentierfeld<br />

für neue personalpolitische Strategien nutzen,<br />

häufige Umsetzungen auch in entfernte Zweigstellen<br />

vornehmen (Bk:O2, Bk:O4) und auch<br />

schnell Kündigungen aus betriebsbedingten<br />

oder leistungsbedingten Gründen vornehmen.<br />

Im Verlauf der 90er Jahre verändern sich die<br />

ökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen<br />

ebenso wie die dominanten<br />

sozialmoralischen Orientierungen der Entscheider.<br />

Die neuen Dienstleistungssektoren<br />

sind aufgebaut (Banken, Software, etc.), die


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Phase schnellen Wachstums ist vorbei. Die<br />

staatliche und institutionelle Förderung wird<br />

zurückgefahren (besonders betroffen sind<br />

die Weiterbildungs- sowie die Baubranche),<br />

besondere Beschäftigungsgarantien und Fördermaßnahmen<br />

in der Industrie laufen aus.<br />

Mit zunehmender Instabilität der Auftragslagen<br />

lernen die personalverantwortlichen<br />

Entscheider die Probleme und Kosten von<br />

Geschlossenen Beschäftigungssystemen und<br />

Beschäftigungssicherheit kennen. Häufig sind<br />

sie gezwungen, mit hohen Kosten Personal<br />

abzubauen. Dies führt zur Verunsicherung der<br />

Weiterbeschäftigten und zu Gegenreaktionen<br />

der Entlassenen. In einzelnen Fällen werden<br />

Betriebsräte aktiv, die Gewerkschaften bieten<br />

Rechtsschutz, viele individuelle Widerspruchsklagen<br />

werden initiiert (Sadowski/Schneider<br />

2000; Schneider 1999). In der Folge halten<br />

sich die personalverantwortlichen Entscheider<br />

mit vertraglichen Angeboten langfristiger<br />

Beschäftigung zurück: „ … also nur, dass<br />

ich jemanden beschäftige, weil ich ein guter<br />

Arbeitgeber bin; das geht heute nicht mehr.“<br />

(B:O3). Ausgewählte Arbeitsbereiche und<br />

Tätigkeiten werden nur noch mit kurz- und<br />

mittelfristigen Beschäftigungsdauern und über<br />

unterschiedliche zeitlich begrenzte Vertragsformen<br />

gefahren.<br />

Nach den Krisenerfahrungen schrumpft der<br />

gesicherte Allokationsraum sukzessive auf die<br />

attraktiveren und häufig höher qualifizierten<br />

Tätigkeiten des Bereichs zusammen, das Geschlossene<br />

Beschäftigungssystem wird kleiner:<br />

„Also wir werden versuchen gut qualifizierte<br />

Mitarbeiter längerfristig ans Haus zu binden.<br />

Wobei aber die Tendenz dahin gehen wird,<br />

dass der Mitarbeiter im Laufe seines Berufslebens<br />

öfter den Arbeitsplatz wechseln wird.“<br />

(Bk:O4). Die restlichen Tätigkeiten werden<br />

mit Personal mit kurz- und mittelfristigen<br />

Beschäftigungsperspektiven besetzt. Es<br />

entstehen separate Allokationsräume mit<br />

vielen Eintritts- und Austrittspositionen und<br />

einem hohen Austauschvolumen mit dem<br />

Externen Arbeitsmarkt, die wir als Offene<br />

BBSS charakterisieren. Die Beendigung des<br />

Beschäftigungsverhältnisses erfolgt hier in der<br />

Regel auf Initiative des Arbeitgebers. Neben<br />

den Geschlossenen BBSS konstituieren sich<br />

also in den Grenzen der Erwerbsorganisation<br />

Offene BBSS mit geringen Übergangsmöglichkeiten<br />

in den Geschlossenen „Sektor“.<br />

Selbst in Branchen mit hoher Personalfluktuation<br />

finden sich die – inzwischen<br />

geschrumpften – Schicksalsgemeinschaften,<br />

die sich seit der Unternehmensgründung nach<br />

dem Umbruch und teilweise schon vorher<br />

kannten. Diese je nach Betriebsbiografie<br />

altershomogenen, aber auch häufig altersheterogenen<br />

Belegschaften konstituieren ihre Gemeinschaft<br />

gegen neu eingestellte Kollegen.<br />

Die Lasten der Diskontinuitäten werden auf<br />

betriebsjüngere abgewälzt – es entstehen ausgeprägte<br />

Randbelegschaften. Entsprechende<br />

Unterscheidungen von „Kern“ bzw. „Stamm“<br />

und „Rand“ werden bei den befragten<br />

Entscheidern, aber auch bei Betriebsräten<br />

und Beschäftigten immer häufiger genannt.<br />

Bezeichnend für derartige Entwicklungen ist<br />

das Beispiel eines kleinen Thüringer<br />

Bauunternehmens in einer Kleinstadt<br />

(B:O3):<br />

Nach dem Ende der DDR wurde der Betrieb<br />

1991 mit 2 Beschäftigten gegründet.<br />

Durch die tradierten Beziehungen fiel es<br />

nicht schwer, einen geeigneten Mitarbei-<br />

Seite 65


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

terstamm aufzubauen, denn man „kennt<br />

sich von früher und wir haben ja alle im<br />

VEB gearbeitet“, so die Aussage des Interviewpartners.<br />

Über die Jahre (bis 1997)<br />

wuchs die Mitarbeiterzahl auf 27 an. In<br />

dieser Zeit mussten die Geschäftsführer<br />

viele leidvolle Erfahrungen sammeln und<br />

mannigfaltige Lernprozesse durchlaufen.<br />

So trennte man sich recht bald von Subunternehmerfunktionen.<br />

Die Zahlungsunfähigkeit<br />

von Auftraggebern führte im Jahr<br />

1997 an den Rand des Konkurses. Man sah<br />

sich gezwungen, aus Kostengründen und<br />

auf Anraten der Bank 17 der 27 Arbeiter<br />

zu entlassen. Mit 10 Beschäftigten sollte<br />

weiter gearbeitet werden. Doch auch der<br />

Markt veränderte sich schnell weiter: „Ja,<br />

früher hatten wir gesagt, dass pro Beschäftigter<br />

der uns zehntausend Mark im Monat<br />

bringt, reiner Umsatz, dass ungefähr so<br />

zwischen 15 und 20% Gewinn rauskommen.<br />

Das ist ja totale Illusion! Heute ist im<br />

Bau 5 bis 6% Gewinn“.<br />

Die Auftragslage zwang zu einer weiteren<br />

Reduzierung der Mitarbeiterzahl: „Und<br />

heute ist es nicht mehr so auf dem Bau,<br />

dass du einen Handlanger hast. Irgendwo<br />

musst du ja Mindestlohn zahlen und da<br />

müssen sie durch. Einer der die Schubkarre<br />

fährt und nicht so ausgebildet ist, der kostet<br />

mich ja inzwischen 16,89, was soll´s, es geht<br />

nicht mehr.“ Selbst ein reduzierter<br />

Grundstamm aus 8 Mitarbeitern<br />

Seite 66 konnte nicht dauerhaft im Unternehmen<br />

verbleiben. Flexibilisierung<br />

wurde angedacht: „Da hatten wir nur einen,<br />

der befristet war und da haben wir gesagt,<br />

es ist ja gang und gebe, ich mein, man kann<br />

es sich nicht mehr leisten, weil wenn nicht<br />

mehr genügend Aufträge da sind.“ Zum<br />

Interviewzeitpunkt arbeiteten 8 Mitarbeiter<br />

im Unternehmen, 4 von ihnen befristet.<br />

Nach Ablauf der Befristung werden die<br />

Mitarbeiter bei guter Auftragslage befristet<br />

weiterbeschäftigt, bei schlechter jedoch<br />

nicht. Das Unternehmen hat sich über die<br />

Jahre bis auf einen kleinen Grundstamm<br />

reduzieren müssen: Es entstehen „stinkige<br />

Familien“, so die Gesprächspartnerin.<br />

Die Interviews mit den Personalverantwortlichen<br />

zeigen einen Umbruch in den sozialmoralischen<br />

Orientierungen. War „Kapitalismus<br />

pur“ zunächst etwas Anrüchiges, so werden<br />

„Marktzwänge“ jetzt ungebrochen zu einem<br />

für das Überleben notwenigen Imperativ<br />

hochstilisiert. Im Osten arbeiten die härteren<br />

Kapitalisten und Arbeiter: „Ich habe da einen<br />

Verwandten in Darmstadt, die im Westen arbeiten<br />

wie zu DDR-Zeiten.“ (M:O3). So betonen<br />

die ostdeutschen Entscheider die Notwendigkeit<br />

der schnellen Personalanpassung auch<br />

bei Leistungsdefiziten, um das Überleben der<br />

Organisation im Kapitalismus zu sichern.<br />

Die Abkehr von der Strategie einer generellen<br />

Langfristbeschäftigung wird durch die<br />

arbeitsmarktpolitischen Institutionen und<br />

Leiharbeitsfirmen nun massiv gestützt. Die<br />

Arbeitsämter versuchen, die geschlossenen<br />

Betriebsgemeinschaften und die Risikoaversion<br />

der gebrannten Kinder bzw. Entscheider<br />

durch „Sonderangebote“ mit Lohn- und<br />

Qualifizierungssubventionen sowie mit dem<br />

Hinweis auf den Instrumentenkasten zeitlich<br />

begrenzter Beschäftigung aufzubrechen.<br />

Leiharbeitsfirmen bemühen sich, die Entscheider<br />

von den Vorteilen ihres Systems zu<br />

überzeugen. Die sozialmoralischen Konzepte


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

von Beschäftiger und Beschäftigten verändern<br />

sich. Die „Überlebensgemeinschaften“ von Beschäftiger<br />

und Beschäftigten legitimieren ihre<br />

Beschäftigungssicherheit über marktgerechte<br />

Leistungen und nicht mehr über die soziale<br />

Verantwortung des Beschäftigers.<br />

Liest man die im Zeitraffer verlaufende<br />

Annäherung und das Überholen der westdeutschen<br />

Muster als Lehrstück für das Verhältnis<br />

von Akteuren und Institutionen im<br />

Prozess sozialen Wandels, so zeigt sich, dass<br />

die ostdeutschen Personalverantwortlichen<br />

die neuen Institutionen zunächst von „links“<br />

interpretieren (hohe Beschäftigungssicherheit<br />

für möglichst viele), um sie dann im Zeitablauf<br />

von „rechts“ zu überholen (durch extensive<br />

Nutzung personalpolitischer Flexibilisierungsmöglichkeiten).<br />

Ohne Zweifel spielen die<br />

Anpassung an das importierte Arbeitsrecht<br />

und die entsprechenden Leitbilder im Sinne<br />

des neuen soziologischen Institutionalismus<br />

in diesem Prozess eine große Rolle. Die praktische<br />

Abkehr von den alten Leitbildern der<br />

Betriebsgemeinschaft erfolgt jedoch erst mit<br />

schmerzhaften und teilweise traumatischen<br />

ökonomischen Krisenerfahrungen sowie auf<br />

Basis der anhaltenden Arbeitskräfteüberschüsse<br />

auf den ostdeutschen Arbeitsmärkten.<br />

Dies spricht eher für die Erklärungskraft der<br />

alten soziologischen und neuen ökonomischen<br />

Institutionentheorien, die ökonomische und<br />

politische Constraints und Gelegenheitsstrukturen<br />

in den Vordergrund stellen (vgl. zu dieser<br />

Debatte Brussig 2000; Schmid/Maurer 2003).<br />

In der zweiten Hälfte diesen Jahrzehnts<br />

zeichnet sich auf Basis der geringen Wachstumsraten<br />

und der Arbeitsmarktsituation eine<br />

Fortführung der Flexibilisierungstendenz ab<br />

(z.B. Bk:O3, B:O2, M:O3, W:O1, W:O3).<br />

Die anstehende organisationsdemografisch<br />

bedingte Verrentungswelle wird zur Auflösung<br />

der Bindekraft der „kohäsiven Schicksalsgemeinschaften“<br />

führen. Die anhaltenden<br />

Arbeitskräfteüberschüsse sowie die schwache<br />

Marktposition großer Teile der ostdeutschen<br />

Betriebslandschaft fördern Anpassungs- und<br />

Austauschstrategien der Betriebe, ein breiter<br />

und wirksamer Widerstand der betrieblichen<br />

oder überbetrieblicher Interessenvertretungsstrukturen<br />

ist kaum zu erwarten.<br />

12. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen<br />

Vor dem Hintergrund der Strukturveränderungen<br />

des deutschen Arbeitsmarktes<br />

sowie der anhaltenden Diskussion über die<br />

Generalisierung von Beschäftigungs- und<br />

Prekaritätsrisiken stellt sich dieser Aufsatz<br />

die Frage, ob die in der Soziologie fast vergessenen<br />

Segmentationsansätze dazu geeignet<br />

sind, eine neue Sichtweise auf die großen Erosionsdebatten<br />

zu entwickeln. Die Ergebnisse<br />

unserer Analysen möchten wir hiermit in vier<br />

Schritten zusammenfassen.<br />

Betriebliche Beschäftigungs-Sub-Systeme (BBSS)<br />

und Arbeitsmarktsegmentation<br />

In einem ersten und entscheidenden<br />

Schritt ging es darum, ein geeig-<br />

Seite 67<br />

netes Analyse-Instrumentarium<br />

zu entwickeln und die Brauchbarkeit des<br />

Segmentationsansatzes zu prüfen. Die auf<br />

Individualdaten und einzelne Indikatoren<br />

wie Beschäftigungsdauern, Arbeitsverträge,


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

und Erwerbsverläufe beschränkten Analysen<br />

bleiben in der Regel bei Beschreibungen des<br />

„Hoch und Runter“ von einzelnen Variablen<br />

und Determinanten stehen. Die innere Logik<br />

von Positionssystemen auf dem Arbeitsmarkt<br />

erschließt sich aber erst, wenn man einzelne<br />

Beschäftigungsverhältnisse im Zusammenhang<br />

betrachtet und in den Kontext von Betrieben<br />

und Märkten einordnet.<br />

Die hier vorgelegten Analysen zeigen, dass<br />

wir nicht auf Arbeitsmarkttheorien verzichten<br />

können, die relativ dauerhafte Strukturen von<br />

Preisbildungs- und Allokationsprozessen in<br />

Teilarbeitsmärkten abbilden und erklären<br />

können. Dabei bietet die dem Segmentationsansatz<br />

zugrunde liegende Matrix mit der<br />

Unterscheidung von Internen und Externen<br />

sowie von Primären und Sekundären Arbeitsmärkten<br />

nach wie vor einen gutes heuristisches<br />

Analyseinstrument. Die Typologie<br />

des dreigeteilten Arbeitsmarktes – entwickelt<br />

und bewährt an der Arbeitsmarktkonstellation<br />

der Prosperitätsphase – erwies sich jedoch<br />

für die differenzierte Betrachtung der Veränderungsprozesse<br />

als zu grob und in ihrem<br />

Erklärungsgehalt unterkomplex.<br />

Wir betrachten deshalb Betriebliche Beschäftigungs-Sub-Systeme<br />

(BBSS) innerhalb von<br />

Erwerbsorganisationen als kleinste strukturierte<br />

Einheiten des Arbeitsmarktgeschehens,<br />

um damit die Heterogenität angemessen<br />

zu erfassen und nach deren<br />

Seite 68 Analyse wieder zur Makroebene zurückkehren<br />

zu können. Im Ergebnis<br />

der Analysen steht eine Typologie von BBSS,<br />

die die Segmentationsmatrix ergänzt und<br />

differenziert. Wir unterscheiden nach den Beschäftigungsdauern<br />

zwischen Geschlossenen<br />

und Offenen und nach Einkommens- und<br />

Beschäftigungsrisiken in Primäre und Sekundäre<br />

Systeme. BBSS bilden die Bausteine<br />

überbetrieblicher Teilarbeitsmärkte.<br />

Fokussiert man auf Geschlossene BBSS als<br />

Bausteine des Segments Interner Arbeitsmärkte,<br />

so wird nach der Selektivität der vorherrschenden<br />

Allokationsregeln eine weitere Differenzierung<br />

zwischen senioritätsbasierten und<br />

leitungsbasierten Systemen erforderlich. Erstere<br />

gewähren eine hohe Arbeitplatzsicherheit mit<br />

zunehmenden Betriebszugehörigkeitsdauern<br />

und standardisierten Leistungen. In letzteren<br />

gewinnen individualisierte Qualifikations- und<br />

Leistungsprofile ein hohes Gewicht beim Aufund<br />

Abbau des Personals.<br />

Die materialen Analysen zeigen, dass die den<br />

Segmentationsansätzen zugrunde liegende<br />

Matrix mit der Unterscheidung von Internen<br />

und Externen sowie Primären und Sekundären<br />

Arbeitsmärkten nach wie vor aktuell ist. Jedoch<br />

sind gegenüber der alten Münchner Typologie<br />

des dreigeteilten Arbeitsmarktes Ergänzungen<br />

und Revisionen vorzunehmen. Die empirischen<br />

und konzeptuellen Analysen zeigen: Erstens,<br />

dass Betriebe nicht als Ganzes Teilarbeitsmärkten<br />

zugeschlagen werden können, da sie mit<br />

verschiedenen innerbetrieblichen Allokationsräumen<br />

an unterschiedliche überbetriebliche<br />

Teilarbeitsmärkte angeschlossen sind; zweitens,<br />

dass aufgrund von Restrukturierungsprozessen<br />

am Arbeitsmarkt Sekundäre Geschlossene<br />

BBSS sowie weitere Differenzierungen eingeführt<br />

werden müssen.<br />

Besonders auffällig ist drittens, dass die<br />

humankapitaltheoretisch inspirierte Kopplung<br />

von Qualifikationstypen mit Teilarbeitsmärk-


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

ten heute nicht mehr funktioniert. So belegt<br />

unser Fallstudienmaterial, dass Offene BBSS<br />

in Externen Arbeitsmärkten sowohl durch<br />

berufsfachliche und akademische Qualifikationsprofile<br />

als auch durch tätigkeitsbasierte<br />

Anlernqualifikationen gekennzeichnet sind<br />

(die früher pauschal als betriebsspezifisch charakterisiert<br />

wurden, dies aber häufig nicht sind).<br />

In Sekundären BBSS finden sich nicht nur<br />

einfache Basisqualifikationen („Jederperson-<br />

Qualifikationen“), sondern auch berufsfachlich<br />

Qualifizierte und Akademiker (insbesondere<br />

Geistes- und Sozialwissenschaftler in der<br />

Weiterbildung und in den Medien) sowie erwartungsgemäß<br />

die „Generation Praktikum“.<br />

Für die Erklärung von Prozessen der dynamischen<br />

Segmentation liegen bisher eher einzelne<br />

Bausteine denn ein ausgereifter Ansatz<br />

vor. Soziologische Ansätze verknüpfen makrosoziale<br />

und -ökonomische Entwicklungstrends<br />

wie Globalisierung, sektoraler Strukturwandel,<br />

Wertewandel und Deregulierung mit Veränderungen<br />

der Beschäftigungsbeziehung, Für die<br />

Analyse betrieblicher Beschäftigungspolitik<br />

und BBSS müssen wir allerdings zeigen, aufgrund<br />

welcher Interessen, Orientierungen und<br />

Constraints betriebliche Entscheider handeln<br />

– also eine Mikro-Perspektive einnehmen. Unsere<br />

Forschungsstrategie bestand daher darin,<br />

zunächst einmal die mikroökonomischen Ansätze<br />

zu öffnen und auf grundlegende Bezugsprobleme<br />

betrieblicher Beschäftigungssysteme<br />

und Akteure zu beziehen. Über eine vorsichtige<br />

Verknüpfung mit gesamtgesellschaftlichen<br />

Entwicklungstendenzen werden dann Aussagen<br />

über die Struktur und Dynamik des Gesamtarbeitsmarktes<br />

möglich. Eine Soziologie<br />

von Beschäftigungsrisiken kommt ohne den<br />

Rekurs auf Betriebe und Arbeitsmärkte nicht<br />

aus. Dabei kann sich der Rückgriff auf Segmentationskonzepte<br />

als hilfreich erweisen.<br />

Entwicklungslinien – Externalisierung, Sekundarisierung<br />

und Re-Kommodifizierung<br />

In einem zweiten Schritt ging es darum, auf<br />

der Basis der Typologie von BBSS und unserer<br />

Untersuchungsfälle, Entwicklungslinien<br />

für die letzten fünfzehn Jahre zu beschreiben<br />

und Hypothesen zu Strukturveränderungen<br />

am Arbeitsmarkt zu formulieren (Abschnitt<br />

10). Den Ausgangspunkt für Westdeutschland<br />

bildet der Befund einer Hegemonie Interner<br />

Arbeitsmärkte für die fordistische Prosperitätskonstellation<br />

der 60er und 70er Jahre.<br />

Unsere Analyse von betrieblicher Beschäftigungspolitik<br />

und Betrieblichen Beschäftigungs-Sub-Systemen<br />

(BBSS) legt dann eine<br />

Reihe von Hypothesen zu Strukturveränderungen<br />

am westdeutschen Arbeitsmarkt nahe:<br />

- So ist zunächst ein Prozess der Schrumpfung<br />

der großen Internen Märkte zu beobachten,<br />

der mit einer Externalisierung von Allokationsprozessen<br />

verbunden ist. Offene BBSS<br />

in Externen Teilarbeitsmärkten gewinnen<br />

an Gewicht (vgl. auch Struck u.a. 2007).<br />

Langfristige Beschäftigungsverhältnisse<br />

bilden nach wie vor einen gewichtigen Bestandteil<br />

des Arbeitsmarktgeschehens. Sie<br />

koexistieren jedoch mit zeitlich begrenzten<br />

Beschäftigungsdauern, die in den<br />

letzten 15 Jahren begrenzt, aber<br />

deutlich zugenommen haben.<br />

- Hierbei spielt das Wachstum des Sekundären<br />

Arbeitsmarktsegments, indiziert durch<br />

eine Zunahme des Niedriglohnsektors, eine<br />

besondere Rolle. Der deutsche Arbeitsmarkt<br />

Seite 69


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

ist durch ein Mehr an externer Flexibilität<br />

gekennzeichnet, ohne dass von einem generellen<br />

Umbruch gesprochen werden kann.<br />

Folge ist, dass sich die Polarisierung der<br />

Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen<br />

verschärft, gleichzeitig werden Übergänge in<br />

das Primäre Segment erschwert.<br />

- Von großer Bedeutung sind zudem endogene<br />

Modifikationen von Geschlossenen BSSS<br />

im Sinne eines Umstiegs von senioritäts- auf<br />

leistungsbasierte Regeln, die praktisch eine<br />

De-Institutionalisierung und Re-Kommodifizierung<br />

von Internen Arbeitsmärkten<br />

bedeuten und in der Arbeitsmarkforschung<br />

weitgehend übersehen werden. Der Auf- und<br />

Abbau von Personal wird heute stärker als<br />

zuvor an individuelle Leistungen und gleichzeitig<br />

an die Produktivität und Profitabilität<br />

von Betriebsteilen geknüpft. Hier findet im<br />

Sinne des Subjektivierungsdiskurses eine<br />

„Vermarktlichung“ Interner Arbeitsmärkte<br />

statt, ohne dass die Grenzen zwischen Intern<br />

und Extern aufgehoben würden (Bernhardt<br />

u.a. 2007, in diesem Heft).<br />

- Bei Offenen BBSS beobachten wir eine<br />

Zunahme marktförmiger kurzfristiger Beschäftigung<br />

über atypische Arbeitsverträge.<br />

Auch diese Entwicklung ist mit einer Deregulierung<br />

der Arbeitsmarktsituationen verbunden,<br />

die wir als Re-Kommodifizierung<br />

beschreiben.<br />

Seite 70 In Ostdeutschland bilden die alles<br />

überwölbenden großen Internen<br />

Märkte der Kombinate den Ausgangspunkt<br />

des Transformationsprozesses. Diese werden in<br />

den ersten Jahren des Transformationssturms<br />

weitgehend zerstört. In den verbliebenen und<br />

neu entstehenden Betrieben nähern sich die<br />

beschäftigungspolitischen Muster den westdeutschen<br />

Strukturen im Zeitraffer an, wobei<br />

neue Differenzen entstehen. In Bezug auf das<br />

Gewicht Offener und Sekundärer BBSS haben<br />

die ostdeutschen Betriebe den Westen überholt.<br />

Zudem ist die Zunahme der Sekundären und<br />

Offenen BBSS mit einem wesentlich höheren<br />

Personalumschlag als im Westen verbunden, so<br />

dass wir eine starke Polarisierung von Internen<br />

und Externen Märkten konstatieren. Die nach<br />

der Zerstörung der großen Internen Märkte<br />

neu entstandenen Geschlossenen BBSS<br />

wurden von vornherein ohne formelle und<br />

informelle Statusrechte angelegt, so dass wir<br />

mit Ausnahme des öffentlichen Dienstes von<br />

einer durchgehenden Vermarktlichung und<br />

Leistungsorientierung dieser Beschäftigungssysteme<br />

ausgehen.<br />

Während wir beim Externalisierungsprozess<br />

ein schrittweises Einholen und Überholen der<br />

westdeutschen Strukturen beobachten, sind bei<br />

der Sekundarisierung, Polarisierung und Re-<br />

Kommodifizierung von Beschäftigungsbeziehungen<br />

sprungweise neue Muster entstanden.<br />

Hier trifft die alte Ulbricht-Metapher vom<br />

Überholen ohne Einzuholen wieder einmal<br />

zu: In den benannten Dimensionen hat der<br />

ostdeutsche Arbeitsmarkt den westdeutschen<br />

überholt, ohne ihn jemals eingeholt zu haben.<br />

Abbildung 12.1 fasst die Ergebnisse unserer<br />

vergleichenden Analyse zusammen.<br />

Challenge-Response-Ketten und der Wandel der<br />

Arbeitsmarktstruktur<br />

In einem dritten Schritt bemühen wir uns um<br />

eine Erklärung der vorangehend beschriebenen<br />

Entwicklungslinien betrieblicher Beschäfti-


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

gungssysteme und Teilarbeitsmärkte (Abschnitt<br />

11). Dabei gehen wir auf unseren Ansatz der<br />

Bezugsprobleme betrieblicher Beschäftigungspolitik<br />

zurück (Abschnitt 9) und verknüpfen<br />

damit makrostrukurelle Veränderungen sowie<br />

Akteurskonstellationen und Institutionen.<br />

In Westdeutschland führen vor allem bei den<br />

mittel- und großbetrieblichen Erwerbsorganisationen<br />

teilweise weitreichende Restrukturierungsprozesse<br />

der Verkleinbetrieblichung<br />

und Vermarktlichung zu einer Zunahme von<br />

„Diskontinuitätsproblemen“, während gleichzeitig<br />

„Verfügbarkeits- und Herrschaftsprobleme“<br />

abnehmen. Hinter den betriebinternen<br />

Restrukturierungsprozessen stehen<br />

Veränderungen der globalisierten Märkte und<br />

Finanzierungssysteme (Bosch u.a. 2007; Dörre/Brinkmann<br />

2005); hinter der Abnahme der<br />

Verfügbarkeitsprobleme für bestimmte Arbeitskräftegruppen<br />

eine massive Zunahme des<br />

Arbeitskräfteangebots in den letzten 20 Jahren<br />

bei einer Stagnation des Beschäftigungssystems<br />

(Lutz u.a. 2007; Vobruba 2000); hinter<br />

dem Rückgang der Herrschaftsprobleme eine<br />

Verschiebung im Kräfteverhältnis zwischen<br />

Kapital und Arbeit (Dörre 2005; Lutz u.a.<br />

2007).<br />

Durch die Kombination von Druck- und<br />

Ziehkräften baute sich in Westdeutschland<br />

ein starker „Challenge“ für beschäftigungspolitische<br />

Veränderungen auf. Dieser wird<br />

von den personalpolitischen Entscheidern in<br />

Modifikation des vorherrschenden Leitbildes<br />

zum „Normalarbeitsverhältnis“ aufgegriffen<br />

und über eine Vielzahl von kollektiven und individuellen<br />

Konflikten in die Praxis umgesetzt.<br />

Konsequenterweise finden wir Prozesse der<br />

Substitution von Geschlossenen durch Offene<br />

BBSS, von Primären durch Sekundäre BBSS<br />

sowie endogene Modifikationen von BBSS,<br />

die wir mit den Begriffen der Externalisierung,<br />

Sekundarisierung und Re-Kommodifizierung<br />

zusammenfassen.<br />

Für die absehbare Zukunft des Jahrzehnts<br />

erwartet die Mehrheit der personalverantwortlichen<br />

Entscheider keinen grundlegenden<br />

Umbruch, aber anhaltende beschäftigungspolitische<br />

Anpassungserfordernisse.<br />

Dabei wurden im Zeitraum der Befragung<br />

(2002-2005) schon erste Stimmen deutlich,<br />

die auf einen „Challenge“ zweiter Ordnung<br />

(Best 2007) verweisen. Als Folge der neuen<br />

Personalpolitik der „schlanken Linie“ und der<br />

flexiblen Beschäftigung in Offenen BBSS ist<br />

man auf eine funktionierende Arbeitskräfteversorgung<br />

aus Externen Märkten angewiesen.<br />

Für den – inzwischen eingetretenen<br />

– konjunkturellen Aufschwungs wurden eine<br />

starke Arbeitskräftenachfrage für ausgewählte<br />

Berufsgruppen und Verfügbarkeitsprobleme<br />

erwartet. Diese Erwartung hat sich bestätigt.<br />

Bei den begrenzten Ausbildungsleistungen<br />

der Unternehmen sowie dem anhaltenden demografischen<br />

Umbruch wird sich das Problem<br />

der Arbeitskräfteversorgung auf den Arbeitsmärkten<br />

im nächsten Jahrzehnt verschärfen.<br />

Mit einer Vernichtung fast der Hälfte des<br />

gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumens und<br />

der weitgehenden Zerstörung der<br />

flächendeckenden großen Internen<br />

Arbeitsmärkte der Kombinate wurde<br />

Seite 71<br />

der ostdeutsche Arbeitsmarkt dem<br />

härtesten Schock aller Transformationsländer<br />

ausgesetzt. Die neue Betriebslandschaft zeichnete<br />

sich durch eine weitgehend verkleinbetrieblichte<br />

und vermarktlichte Struktur mit


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Westdeutschland<br />

Ostdeutschland<br />

Externalisierung ++ (aber auch -) ++<br />

Sekundarisierung ++ ++++<br />

Re-Kommodifizierung ++ ++++<br />

Polarisierung ++ ++++<br />

Abb. 12.1: Hypothesen zu Strukturveränderungen des ost- und westdeutschen Arbeitsmarktes nach Abschluss<br />

der ersten Transformationsphase 1990-93<br />

niedriger durchschnittlicher Produktivität und<br />

hohen Personalfixkosten aus, es bestanden<br />

massive Diskontinuitäts- und Kostenprobleme.<br />

Auf der anderen Seite gab es aufgrund<br />

der extrem hohen Arbeitslosigkeit und der<br />

Schwäche der Interessensvertretung so gut wie<br />

keine Barrieren gegen Externalisierungs- und<br />

Sekundarisierungsprozesse, weshalb viele Beobachter<br />

einen „wilden Osten“ diagnostizierten<br />

und prognostizierten.<br />

Dieser sich in der Folge der Restrukturierung<br />

aufbauende „Challenge“ wurde von den Entscheidern<br />

zunächst nur begrenzt aufgegriffen.<br />

Viele der verantwortlichen Geschäftsführer<br />

hielten gewissermaßen kontrafaktisch am<br />

alten Leitbild der Betriebsgemeinschaft<br />

fest und versuchten ihre Ko-<br />

Seite 72 stenprobleme durch niedrige Löhne<br />

und andere Maßnahmen der internen<br />

Flexibilisierung zu mildern. Über langjährige<br />

und schmerzhafte Krisenerfahrungen haben<br />

die überlebenden Unternehmen unseres Samples<br />

dann Differenzierungen von Stamm- und<br />

Randbelegschaften eingeführt oder ausgebaut<br />

und im Hinblick auf Externalisierung, Sekundarisierung,<br />

Re-Kommodifizierung und die<br />

Polarisierung der Beschäftigungsbedingungen<br />

die westdeutschen Vergleichsbetriebe überholt.<br />

Für das Ende diesen Jahrzehnts zeichnet sich<br />

in Ostdeutschland auf Basis des erreichten<br />

hohen Externalisierungs- und Sekundarisierungsniveaus<br />

eine zweite Challenge-Response-Kette<br />

ab. Externe Märkte sind auf<br />

eine funktionierende Arbeitskräfteversorgung<br />

angewiesen. Durch die absehbare Halbierung<br />

der Nachwuchskohorten und Fehlallokationen<br />

im Bildungs- und Ausbildungssystem werden<br />

sich in ausgewählten Branchen, Berufen<br />

und Regionen „Mis-Match-Phänomene“<br />

am Arbeitsmarkt verstärken. Auf Basis der<br />

Erfahrungen mit der südeuropäischen EU-<br />

Integration erwarten wir, dass die Öffnung der<br />

Grenzen nach Osteuropa für Teilarbeitsmärkte<br />

mit mittleren und hohen Qualifikationen keine<br />

große Entlastung bringen wird.


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Die „Responses“ auf die selektive Fachkräfteknappheit<br />

und deren Folgen für die<br />

Betrieblichen Beschäftigungssysteme sind<br />

ungewiss. Die klein- und mittelbetriebliche<br />

ostdeutsche Betriebslandschaft hat aufgrund<br />

ihrer größtenteils schwachen Marktpositionen<br />

starke Diskontinuitätsprobleme und ist auf den<br />

Austausch mit dem Externen Arbeitsmarkt<br />

angewiesen. Auf der anderen Seite werden von<br />

Rekrutierungs- bzw. Verfügbarkeitsproblemen<br />

in bestimmten Regionen und Teilarbeitsmärkten<br />

starke Impulse zur Bindung und Hortung<br />

von knappen Humankapitalressourcen in Geschlossenen<br />

Beschäftigungssystemen ausgehen,<br />

ohne dass die Masse der Betriebe über die<br />

Ressourcen und Gelegenheiten zu klassischen<br />

Bindungs- und Schließungsstrategien verfügt.<br />

Für die Auflösung dieser Spannungen gibt es<br />

kein historisches Vorbild. So ist der „fordistische<br />

Ausweg“ der 1960er Jahre verstellt, der<br />

durch „Vergroßbetrieblichung“ und Internalisierung<br />

im Rahmen des „Wirtschaftswunders“<br />

gekennzeichnet war.<br />

Die Entwicklung des ostdeutschen Beschäftigungssystems<br />

lässt sich zusammenfassend als<br />

Prozess der doppelten Modernisierung kennzeichnen.<br />

Einerseits werden die Institutionen<br />

und Praktiken des „Rheinischen Kapitalismus“<br />

im Sinne einer „einfachen“ Modernisierung<br />

übertragen. Andererseits befindet sich eben<br />

dieses Kapitalismus- und Beschäftigungsmodell<br />

selber in der Krise, so dass wichtige Akteure<br />

die erweiterten Handlungsspielräume in<br />

Ostdeutschland für eine „Modernisierung“ des<br />

Modells nutzen. Im Spannungsfeld zwischen<br />

den übertragenen westdeutschen Institutionen<br />

und den sich neu herausbildenden ökonomischen,<br />

sozialen und politischen Strukturen<br />

entstehen in den Neuen Bundesländern neue<br />

Lösungsansätze für alte Probleme.<br />

Offene Fragen<br />

Ergebnis unserer Analysen ist, dass der<br />

deutsche Arbeitsmarkt sich als Reaktion auf<br />

die „Challenges“ der 90er Jahre und über die<br />

„Responses“ von entscheidungsmächtigen<br />

Akteuren von einer Hegemonie Interner<br />

Arbeitsmärkte zu einer spannungsgeladenen<br />

und instabilen Koexistenz von Internen und<br />

Externen Arbeitsmärkten entwickelt, wobei<br />

Ostdeutschland eine Vorreiterposition übernommen<br />

hat. Es zeigt sich also weder eine<br />

Generalisierung von Beschäftigungsrisiken<br />

oder gar von Prekarität, noch eine stabile Arbeitsmarktspaltung.<br />

Wir gehen vielmehr von<br />

einer dynamischen Segmentation aus, in der<br />

„Marktgrenzverschiebungen“ zwischen Internen<br />

und Externen, aber auch endogene Transformationen<br />

innerhalb von Teilarbeitsmärkten<br />

sich vollziehen. Gegen Ende diesen Jahrzehnts<br />

bildet sich als Folge des erreichten Externalisierungsniveaus<br />

und der demografischen<br />

Entwicklung eine neuer „Challenge“ heraus:<br />

Die Arbeitskräfteversorgung für mittlere und<br />

höhere Qualifikationen in Offenen BBSS und<br />

Externen Teilarbeitsmärkten wird problematisch.<br />

Die Auflösung dieser Herausforderung<br />

bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen.<br />

Dies verweist auf ein zentrales Problem der<br />

Arbeitsmarkt- und Segmentationsforschung.<br />

Offene BBSS und<br />

Externe Teilarbeitsmärkte sind weder<br />

Seite 73<br />

empirisch noch konzeptuell ausreichend<br />

erforscht. Sie können auf Dauer nur<br />

funktionieren, wenn die Beschäftiger die Verfügbarkeit<br />

einschlägig qualifizierten Personals<br />

ohne hohe Transaktionskosten sicherstellen


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

können. Die Beschäftigten wiederum werden<br />

bei Wahlmöglichkeiten nur dann in Externe<br />

Teilarbeitsmärkte strömen, wenn diese ihnen<br />

Anschlussmöglichkeiten und Sicherheit bieten.<br />

Beide Bedingungen sind unwahrscheinlich<br />

(Lutz 1987, Marsden 1999), da Arbeitgeber<br />

Investitionen in Humankapital sichern und<br />

Beschäftigte die Risiken von Betriebswechseln<br />

reduzieren wollen: Tauschakte auf dem<br />

Arbeitsmarkt implizieren Schließungsmechanismen.<br />

Damit wird deutlich, dass Offene BBSS<br />

und Externe Teilarbeitsmärkte nicht alleine<br />

über die Logik von Erwerbsorganisationen<br />

erklärt werden können. Vielmehr bedarf<br />

es der Bestimmung der außerbetrieblichen<br />

und außerökonomischen Voraussetzungen<br />

dieser Strukturen. Unser Rückgriff auf die in<br />

diesem Beitrag ausgeführte neoinstitutionenökonomische<br />

Mikro-Perspektive ist für eine<br />

differenzierte Analyse von Beschäftigungssystemen<br />

unabdingbar. Wir konnten damit<br />

allerdings nur Ausschnitte des sozialen Phänomens<br />

erklären. Beschäftigungsverhältnisse<br />

und -systeme werden primär aus der Sicht der<br />

betrieblichen Entscheider erfasst; Interessen,<br />

Orientierungen und Handlungen von Beschäftigten<br />

gehen nur als „Black Box“ in den<br />

Ansatz ein. Für die Analyse dieser Zusammenhänge<br />

liegen mittlerweile konzeptuell und<br />

empirisch fruchtbare soziologische Ansätze<br />

vor (Bohler 1995: Schmid, Gazier<br />

2002; Brose u.a. 2005; Dörre 2005;<br />

Seite 74 Blossfeld 2006; Stephan u.a. 2006;<br />

Bultemeier u.a. 2007), an die wir in<br />

weiterführenden Arbeiten anknüpfen können<br />

(vgl. Bernhardt u.a. 2007, in diesem Heft).<br />

Veränderungsprozesse im Längsschnitt lassen<br />

sich letztlich aber nur erklären, wenn die sozioökonomischen<br />

Mikro-Ansätze mit Makro-<br />

Annahmen über die Entwicklung der Güterund<br />

Arbeitsmärkte und arbeitsmarktrelevanten<br />

Institutionen verknüpft werden (Lutz 1987;<br />

Sengenberger 1987). In Bezug auf Arbeitsmärkte<br />

interessiert die Genese von Arbeitskräftedefiziten,<br />

die Schließungstendenzen befördern<br />

sowie die von Arbeitskräfteüberschüssen, die<br />

Öffnungstendenzen ermöglichen. Da vorübergehende<br />

Nachfrage-Angebotslagen selten für<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme strukturbildend<br />

sind, geht es vor allem um langfristig<br />

wirksame Ungleichgewichte. Diese erschließen<br />

sich nur über komplexe Ansätze zur Interaktion<br />

von Arbeitskräftenachfrage und -angebot,<br />

die ohne den Rekurs auf überbetriebliche<br />

Arbeitsmärkte, Arbeitnehmerpräferenzen,<br />

die arbeitsmarktrelevanten Institutionen, das<br />

Bildungssystem, sozialstrukturelle Lagen und<br />

die Bevölkerungs- und Organisationsdemografie<br />

nicht auskommen (Lutz 1987; Lutz<br />

u.a. 2007; Sackmann 1998; Struck 2006). Wie<br />

aus den Ausführungen deutlich geworden ist,<br />

sehen wir in einer modernisierten Variante von<br />

Segmentationsansätzen einen brauchbaren<br />

Ausgangspunkt für die Konzeptualisierung der<br />

komplexen Zusammenhänge.


Arbeitsmarktsegmentation Vorwort und<br />

Betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

Fussnoten<br />

1 Eine Synthese der Analysen zur Arbeitsmarktsegmentation<br />

und betrieblichen Beschäftigungssystemen wurde im Berliner<br />

Journal für Soziologie veröffentlicht (Köhler/Loudovici/Struck<br />

2007a).<br />

2 Einen beeindruckenden Überblick zur Datenlage und zum<br />

Stand der Forschung in Deutschland hat die Arbeitsgruppe zur<br />

„sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland“ erarbeitet<br />

(Baethge u.a. 2005).<br />

3 Produktionssysteme umfassen die technisch-organisatorischen<br />

Produktionsmittel; Arbeitssysteme die Arbeitsteilung und Arbeitsorganisation<br />

(vgl. Lutz 1987).<br />

4 Die hierfür benötigten Informationen wurden der BIBB/IAB-<br />

Erhebung von 1998 sowie aus einschlägigen Branchen-Studien<br />

entnommen.<br />

5 Statistische Analysen unseres <strong>SFB</strong> Betriebspanels mit 600<br />

Fällen und drei Erhebungswellen bestätigen unseren Erklärungsansatz<br />

(Struck/Schröder 2006; Struck u.a. 2007).<br />

Seite 75


L i t e r at u r-<br />

verzeichnis<br />

Seite 76


literaturverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Literatur<br />

Abraham, Martin/ Hinz, Thomas (Hrsg.) (2005): Arbeitsmarktsoziologie,<br />

Wiesbaden.<br />

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Alewell, Dorothea (1997): Die Finanzierung betrieblicher<br />

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Aspekte. Wiesbaden.<br />

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professionel services, <strong>SFB</strong> <strong>580</strong>, discussion paper 14, Jena.<br />

Alewell, Dorothea/ Bähring, Katrin/ Canis, Anne/ Hauff, Sven/<br />

Thommes, Kirsten (2007): Outsourcing von Personalfunktionen<br />

– Welche Unternehmen nutzen Personaldienstleistungen? Eine<br />

Charakterisierung von Nutzern und Nichtnutzern, <strong>SFB</strong> <strong>580</strong>,<br />

Arbeitspapier 15, Jena.<br />

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im technologischen Wandel. Wirkungen<br />

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Wiesbaden.<br />

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Theoretische Überlegungen und explorative Ergebnisse, In:<br />

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Wandel und personalpolitischer Response in Kommunen, In:<br />

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Sektor, Wiesbaden.<br />

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Frankfurt a.M./New York.<br />

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Frankfurt a.M./New York.<br />

Behr, Michael/ Engel, Thomas/ Hinz, Andreas/<br />

Möller, Mario (2006): Produktive Leistungsgemeinschaften<br />

und erzwungene Arrangements.<br />

Ergebnisse einer Beschäftigtenbefragung in der<br />

Metall- und Elektroindustrie 2005/06 in allen fünf neuen<br />

Bundesländern (bisher unveröffentlicht). Institut für Soziologie,<br />

Jena.<br />

Seite 77


literaturverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Behrens, Johann (1984): Die Reservearmee im Betrieb.<br />

Machttheoretische Überlegungen zu den Konzepten der „Kontrolle“,<br />

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In: Jürgens, Ulrich/ Naschold, Frieder (Hrsg.), Arbeitspolitik.<br />

Materialien zum Zusammenhang von politischer Macht,<br />

Kontrolle und betrieblicher Organisation der Arbeit, Leviathan<br />

(Sonderheft) 1/1984 Opladen: S.133-155.<br />

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S.121-140.<br />

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Simon/Pineda de Castro, Marcela/Sittig, Christina/Spiller,<br />

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Bosch, Gerhard (1978): Arbeitsplatzverlust – Die sozialen Folgen<br />

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Seite 78<br />

Blien, Uwe (1986): Unternehmensverhalten und Arbeitsmarktstruktur.<br />

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SAMF Arbeitspapier 2004/1, Cottbus.<br />

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Bonn.


literaturverzeichnis<br />

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im Zeitverlauf, Wiesbaden.<br />

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Seite 79


literaturverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Seite 80<br />

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(Hrsg.), 25 Jahre SAMF. Perspektiven Sozialwissenschaftlicher<br />

Arbeitsmarktforschung, SAMF-Arbeitspapier 2004-1, Cottbus:<br />

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Erscheint im VS Verlag.<br />

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Seite 81<br />

Lappe, Lothar (1981): Die Arbeitssituation erwerbstätiger<br />

Frauen. Geschlechtsspezifische Arbeitsmarktsegmentation und<br />

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literaturverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Mendius, Hans G./ Sengenberger, Werner (1976): Konjunkturschwankungen<br />

und betriebliche Politik. Zur Entstehung<br />

und Verfestigung von Arbeitsmarktsegmentation, In: Mendius,<br />

Hans G. u.a. (Hrsg.), Betrieb, Arbeitsmarkt, Qualifikation I.<br />

Beiträge zu Rezension und Personalpolitik, Bildungsexpansion<br />

und Arbeitsteilung, Humanisierung und Qualifizierung,<br />

Reproduktion und Qualifikation, Frankfurt a.M.<br />

Moldaschl, Manfred (2002): Subjektivierung von Arbeit,<br />

München.<br />

Neuendorf, Hartmut (1982): Arbeitsmarktstrukturen und<br />

Tendenzen der Arbeitsmarktentwicklung, In: Littek, Wolfgang/<br />

Rammert, Werner/ Wachtler, Günther (Hrsg.), Einführung<br />

in die Arbeits- und Industriesoziologie, Frankfurt a.M./New<br />

York.<br />

Nienhüser, Werner (2004): Subkontrahierung als Arbeitskräftestrategie.<br />

Eine (gescheiterte?) Erklärung aus transaktionskostentheoretischer<br />

Perspektive am Beispiel der Bauwirtschaft, In:<br />

Struck, Olaf/ Köhler, Christoph (Hrsg.), Beschäftigungsstabilität<br />

im Wandel? Empirische Befunde und theoretische Erklärungen<br />

für Ost- und Westdeutschland. München/Mering: S.201-226.<br />

Osterland, Martin (1990): „Normalbiographie” und „Normalarbeitsverhältnis”,<br />

In: Hradil, Stefan (Hrsg.), Lebenslagen,<br />

Lebensläufe, Lebensstile, Soziale Welt, Sonderband 7, Göttingen:<br />

S.351-362.<br />

Osterman, Paul (1987): Choice of Employment Systems in Internal<br />

Labour Markets, In: Industrial Relations 26: S.46-67.<br />

Pfau-Effinger, Birgit (2004): Das Segmentationskonzept der<br />

Arbeitsmarkt-Forschung. Konzeptionelle Differenzierung und<br />

Weiterentwicklung, In: Gensior, Sabine/ Mendius, Hans G./<br />

Seifert, Hartmut (Hrsg.), 25 Jahre SAMF. SAMF Arbeitspapier<br />

2004-1: S.105-116.<br />

Rosa, Hartmut/ Schmidt, Steffen (2007): 1989 als Spezialfall<br />

des sozialen Wandels. Zur transformationstheoretischen Analyse<br />

des anhaltenden Systemumbruchs, FSU Jena: unveröffentlichtes<br />

Manuskript.<br />

Pongratz, Hans J./ Voß, Günter G. (2003): Arbeitskraftunternehmer.<br />

Erwerbsorientierungen in entgrenzten Arbeitsformen,<br />

Berlin.<br />

Rubery, Jill (1994): Internal and External Labour Markets:<br />

Towards an Integrated Analysis, In: Rubery, Jill/ Wilkinson,<br />

Frank (Hrsg.), Employer Strategy and the Labour Market,<br />

Oxford: S.37-68.<br />

Sackmann, Reinhold (1998): Konkurrierende Generationen auf<br />

dem Arbeitsmarkt. Altersstrukturierung in Arbeitsmarkt und<br />

Sozialpolitik, Opladen, Wiesbaden.<br />

Sackmann, Reinhold/ Bartl, Walter (2007): Personalflexibilität<br />

im öffentlichen Dienst in Krisensituationen. Ein Challenge-Response<br />

Modell, In: De Nève Dorothée/ Reiser, Marion/ Schnapp,<br />

Kai-Uwe (Hrsg.), Herausforderung - Akteur – Reaktion,<br />

Baden-Baden.<br />

Sackmann, Reinhold/ Struck, Olaf (1997): School-to-Work-<br />

Transition after Reunification, In: ILM Conference: “Understanding<br />

the School-to-Work-Transition” (Ed. by The Robert<br />

Gordon University) Aberdeen: S.34-47.<br />

Sadowski, Dieter/ Schneider, Martin (2000): Die Rolle der<br />

Gerichte in den Arbeitsbeziehungen. Eine ökonomische Analyse<br />

am Beispiel der Arbeitnehmerhaftung, In: Industrielle Beziehungen<br />

7(2000)4: S.348-367.<br />

Sadowski, Dieter (2002): Personalökonomie und Arbeitspolitik,<br />

Stuttgart.<br />

Seite 82<br />

Pries, Luttger (1998): „Arbeitsmarkt“ oder erwerbsstrukturierende<br />

Institutionen? Theoretische<br />

Überlegungen zu einer Erwerbssoziologie, In: Kölner<br />

Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie,<br />

50/1.<br />

Rosa, Hartmut (2005): Beschleunigung. Die Veränderung der<br />

Zeitstruktur in der Moderne, Frankfurt a.M.<br />

Sauer, Dieter (2005): Arbeit im Übergang. Zeitdiagnosen,<br />

Hamburg.<br />

Schmid, Günther (2002): Wege in eine neue Vollbeschäftigung.<br />

Übergangsarbeitsmärkte und aktivierende Arbeitsmarktpolitik,<br />

Frankfurt a.M./New York.


literaturverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Schmid, Günther/ Gazier, Bernard (2002): The Dynamics<br />

of Full Employment. Social Integration through Transitional<br />

Labour Markets, Cheltenham.<br />

Struck, Olaf/ Köhler, Christoph (2005): Beschäftigungsstabilität<br />

im Wandel? Empirische Befunde und theoretische Erklärungen<br />

für West- und Ostdeutschland, München/Mering.<br />

Schneider, Martin (1999): Gerichtliche Konfliktregulierung in<br />

turbulenten Arbeitsbeziehungen: Die Funktion der Arbeitsgerichtsbarkeit<br />

in der ostdeutschen Transformation, In: Industrielle<br />

Beziehungen 6(1999)4: 455-475.<br />

Struck, Olaf (2005): Betrieb und Arbeitsmarkt, In: Martin<br />

Abraham/ Thomas Hinz (Hrsg.), Arbeitsmarktsoziologie.<br />

Probleme, Theorien, empirische Befunde, Wiesbaden: S.169-<br />

198.<br />

Schmid, Michael/ Maurer, Andrea (Hrsg.) (2003): Ökonomischer<br />

und soziologischer Institutionalismus, Marburg.<br />

Schultz-Wild, Rainer/ Asendorf, Inge/ Behr, Marhild von/<br />

Köhler, Christoph/ Lutz, Burkart/ Nuber, Christoph (1986):<br />

Flexible Fertigung und Industriearbeit - Die Einführung eines<br />

flexiblen Fertigungssystems in einem Maschinenbaubetrieb,<br />

Frankfurt a.M./New York.<br />

Seifert, Matthias/ Pawlowski, Peter (1998): Innerbetriebliches<br />

Vertrauen als Verbreitungsgrenze atypischer Beschäftigungsformen,<br />

In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />

31: S.599-611.<br />

Sengenberger, Werner (1975): Arbeitsmarktstruktur. Ansätze zu<br />

einem Modell des segmentierten Arbeitsmarkts, Frankfurt a.M.<br />

Sengenberger, Werner (1987): Struktur und Funktionsweise von<br />

Arbeitsmärkten. Die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich,<br />

Frankfurt a.M./New York.<br />

Sørensen, Aage B. (1983): Process of Allocation to Open and<br />

Closed Positions in Social Structure, In: Zeitschrift für Soziologie<br />

12. H. 3: 203-224.<br />

Stephan, Gesine/ Struck, Olaf/ Köhler, Christoph/ Krause, Alexandra/<br />

Sohr, Tatjana/ Pfeifer, Christian (2006): Arbeit und<br />

Gerechtigkeit. Zur Akzeptanz von Lohn- und Beschäftigungsanpassung,<br />

Wiesbaden.<br />

Sesselmeier, Werner/ Blauermel, Gregor (1997): Arbeitsmarkttheorien<br />

– Ein Überblick, Heidelberg.<br />

Struck, Olaf (2006): Flexibilität und Sicherheit. Empirische<br />

Befunde, theoretische Konzepte und institutionelle Gestaltung<br />

von Beschäftigungsstabilität, Wiesbaden.<br />

Struck, Olaf/ Grotheer, Michael/ Schröder, Tim/ Köhler,<br />

Christoph (2006): Beschäftigungsstabilität: Entwicklung im<br />

Zeitverlauf und Ursachen ihrer Veränderung. <strong>SFB</strong> <strong>580</strong>, Arbeitspapier<br />

10. Jena.<br />

Struck, Olaf/ Schröder, Tim (2006): Ursachen betrieblicher<br />

Beschäftigungsdauern: Theoretische Zugänge und empirische<br />

Befunde anhand des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> B2- Betriebspanels, In: Nienhüser,<br />

Werner (Hrsg.), Beschäftigungspolitik von Unternehmen,<br />

München/Mering: S.39-74.<br />

Struck, Olaf/ Stephan, Gesine/ Köhler, Christoph/ Krause,<br />

Alexendra/ Sohr, Tatjana/ Pfeifer Christian (2006): Arbeit und<br />

Gerechtigkeit. Zur Akzeptanz von Lohn- und Beschäftigungsanpassung,<br />

Wiesbaden.<br />

Struck, Olaf/ Grotheer, Michael/ Schröder, Tim/ Köhler, Christoph<br />

(2007): Instabile Beschäftigung. Neue Ergebnisse zu einer<br />

alten Kontroverse, In: Friedrichs, Jürgen/ Schluchter, Wolfgang/<br />

Solga, Heike (Hrsg.), KZfSS 59/2, Wiesbanden.<br />

Vobruba, Georg (2000): Alternativen zur Vollbeschäftigung,<br />

Frankfurt a.M.<br />

Voß, Günter/ Pongratz, Hans J. (1998): Der Arbeitskraftunternehmer.<br />

Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft?<br />

In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und<br />

Sozialpsychologie 50/1: S.131-158.<br />

Wiekert, Ingo (2007): Wild blühende Landschaften?<br />

Strukturelle Merkmale der ostdeutschen Bildungsträgerlandschaft,<br />

In: Berger, Klaus/ Grünert, Holle (Hrsg.),<br />

Zwischen Markt und Förderung – Wirksamkeit und Zukunft<br />

von Ausbildungsplatzstrukturen in Ostdeutschland, Bielefeld:<br />

S.139ff.<br />

Seite 83


literaturverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Williamson, O. E (1985): The Economic Institutions of Capitalism.<br />

Firms, Markets Relational Contracting, New York.<br />

Williamson, O. E. (1996): Transaktionskostenökonomik. 2.<br />

Aufl., LIT Verlag, Hamburg<br />

Windolf, Paul (1984): Formale Bildungsabschlüsse als Selektionskriterium<br />

am Arbeitsmarkt. KZfSS 36: 56-74.<br />

Windolf, Paul (Hrsg.) (2005): Finanzmarkt-Kapitalismus.<br />

Analysen zum Wandel von Produktionsregimen. Sonderheft<br />

45 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie.<br />

Wiesbaden.<br />

Witzel, Andreas (1989): Das problemzentrierte Interview, In:<br />

Jüttemann, Gerd (Hrsg.), Qualitative Forschung in der Psychologie.<br />

Grundfragen, Verfahrensweisen, Anwendungsfelder,<br />

Heidelberg: S.227-256<br />

Witzel, Andreas (1996): Auswertung problemzentrierter<br />

Interviews. Grundlagen und Erfahrungen, In: Strobl, Rainer/<br />

Böttger, Andreas (Hrsg.), Wahre Geschichten? Zur Theorie und<br />

Praxis qualitativer Interviews, Baden-Baden. 49-76<br />

Witzel, Andreas (2000): Das problemzentrierte Interview, In:<br />

Forum Qualitative Sozialforschung, Volume 1, Nr. 1.<br />

Seite 84


A n h a n g<br />

Seite 85


Vorwort Anhang<br />

Samplestruktur<br />

Die Fälle verteilen sich auf 10 Branchen, jeweils in Ost- und Westdeutschland. Das Kernsample<br />

(eigene Erhebungen in zwei Wellen des Teilprojektes B2 am <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Jena) wird durch Fälle aus<br />

4 Lehrforschungen erweitert.<br />

Für das Kernsample (Fallcodes: Bk:O1; M:O1 etc.) wurden in einer ersten Befragungswelle<br />

(2002/2003) Personalverantwortliche befragt. In einer zweiten Welle (2004/2005) wurden<br />

Interviews mit Arbeitnehmern aus der Bankenbranche (Fallcodes: Bk:O4-2. Welle etc.) und<br />

zusätzlich Experteninterviews (Fallcodes: Bk:O6-2. Welle(E) etc.) mit Betriebsräten und Gewerkschaftsvertretern<br />

durchgeführt.<br />

Die Lehrforschungen (Fallcode: LF) in den Jahren 2002/2003 und 2003/2004 ergänzen das<br />

Kernsample um Interviews mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus jeweils einem Betrieb. Die<br />

Lehrforschungen der Folgejahre repräsentieren Arbeitnehmerperspektiven.<br />

Zahlenmäßige Verteilung der Fälle, sortiert nach Branchen und Ost-/Westdeutschland:<br />

Kernsample: N= 51<br />

erweitertes Sample (LF): N= 101<br />

Gesamtanzahl: N= 152<br />

Seite 86


Vorwort Anhang<br />

Branche und Kurzkennung Ostdeutschland Westdeutschland<br />

Bank/Versicherung (Bk)<br />

(N=35)<br />

Bk:O1<br />

Bk:O2<br />

Bk:O3<br />

Bk:O4<br />

Bk:O4-2. Welle<br />

Bk:O6-2. Welle(E)<br />

Bk:O7-2. Welle(E)<br />

Bk:O10-2. Welle(E)<br />

LF02/03_Bk:O2<br />

LF02/03_Bk:O3<br />

LF04/05_Bk:O3<br />

LF04/05_Bk:O4<br />

LF04/05_Bk:O5<br />

LF04/05_Bk:O6<br />

LF05/06_Bk:O2<br />

LF05/06_Bk:O5<br />

LF05/06_Bk:O6<br />

LF05/06_Bk:O7<br />

LF05/06_Bk:O8<br />

LF05/06_Bk:O9<br />

LF05/06_Bk:O10<br />

Bk:W1<br />

Bk:W2<br />

Bk:W3<br />

Bk:W1-2. Welle<br />

Bk:W2-2. Welle<br />

Bk:W3-2. Welle<br />

Bk:W5-2. Welle<br />

Bk:W8-2. Welle(E)<br />

Bk:W9-2. Welle(E)<br />

LF02/03_Bk:W1<br />

LF04/05_Bk:W1<br />

LF04/05_Bk:W2<br />

LF04/05_Bk:W7<br />

LF05/06_Bk:W1<br />

Seite 87


Vorwort Anhang<br />

Branche und Kurzkennung Ostdeutschland Westdeutschland<br />

B:O1<br />

B:O2<br />

B:O3<br />

B:W1<br />

B:W2<br />

B:W3<br />

B:W5<br />

LF02/03_B:O1<br />

LF02/03_B:O2<br />

LF02/03_B:O3<br />

LF03/04_B:O1<br />

LF03/04_B:O2<br />

Bau (B)<br />

(N=21)<br />

LF04/05_B:O2<br />

LF04/05_B:O3<br />

LF04/05_B:O4<br />

LF04/05_B:O5<br />

LF04/05_B:O6<br />

LF05/06_B:O1<br />

LF05/06_B:O2<br />

LF05/06_B:O3<br />

LF05/06_B:O5<br />

Seite 88


Vorwort Anhang<br />

Branche und Kurzkennung Ostdeutschland Westdeutschland<br />

M:O1<br />

M:O2<br />

M:O3<br />

M:O4<br />

M:W1<br />

M:W2<br />

LF02/03_M:O1<br />

LF02/03_M:O2<br />

LF02/03_M:O3<br />

Maschinenbau/Metall (M)<br />

(N=28)<br />

LF04/05_M:O1<br />

LF04/05_M:O2<br />

LF04/05_M:O4<br />

LF04/05_M:O5<br />

LF04/05_M:O6<br />

LF04/05_M:O7<br />

LF04/05_M:O8<br />

LF04/05_M:O9<br />

LF04/05_M:O10<br />

LF05/06_M:O1<br />

LF05/06_M:O2<br />

LF05/06_M:O3<br />

LF05/06_M:O8<br />

LF05/06_M:O10<br />

LF05/06_M:O12<br />

LF05/06_M:O13<br />

LF05/06_M:O14<br />

LF05/06_M:W6<br />

LF05/06_M:W9<br />

Seite 89


Vorwort Anhang<br />

Branche und Kurzkennung Ostdeutschland Westdeutschland<br />

P:O1<br />

P:O2<br />

P:O3<br />

P:O4<br />

P:W1<br />

P:W2<br />

P:W3<br />

LF02/03_P:O2<br />

Pflege (P)/Gesundheit (G)<br />

(N=21)<br />

LF03/04_P:O1<br />

LF05/06_G:O1<br />

LF05/06_G:O2<br />

LF05/06_G:O3<br />

LF05/06_G:O4<br />

LF05/06_G:O6<br />

LF05/06_G:O7<br />

LF05/06_G:O9<br />

LF05/06_G:O10<br />

LF05/06_G:O11<br />

LF05/06_G:O12<br />

LF05/06_G:O13<br />

LF05/06_G:W8<br />

Seite 90


Vorwort Anhang<br />

Branche und Kurzkennung Ostdeutschland Westdeutschland<br />

Software (S)<br />

(N=5)<br />

S:O1<br />

S:O2<br />

S:O3<br />

S:W1<br />

S:W2<br />

Weiterbildung (W)<br />

(N=16)<br />

W:O1<br />

W:O2<br />

W:O3<br />

W:O4<br />

LF03/04_W:O1<br />

LF04/05_W:O1<br />

LF04/05_W:O3<br />

LF04/05_W:O4<br />

LF04/05_W:O5<br />

LF04/05_W:O6<br />

W:W1<br />

W:W2<br />

W:W3<br />

W:W4<br />

W:W5<br />

LF04/05_W:W2<br />

Chemie (C)<br />

(N=7)<br />

LF05/06_C:O2<br />

LF05/06_C:O3<br />

LF05/06_C:O4<br />

LF05/06_C:O5<br />

LF05/06_C:O6<br />

LF05/06_C:O7<br />

LF05/06_C:O8<br />

Seite 91


Vorwort Anhang<br />

Branche und Kurzkennung Ostdeutschland Westdeutschland<br />

LF02/03_Md:W1<br />

Medien (Md)/Printmedien<br />

(PM)<br />

(N=7)<br />

LF04/05_Md:O1<br />

LF04/05_Md:O2<br />

LF05/06_PM:O1<br />

LF05/06_PM:O2<br />

LF05/06_PM:O3<br />

LF04/05_Md:W3<br />

Dienstleistung (D)/UN<br />

-nahe DL (UnD)<br />

(N=6)<br />

LF03/04_D:O2<br />

LF03/04_D:O3<br />

LF05/06_UnD:O2<br />

LF05/06_UnD:O3<br />

LF05/06_UnD:O4<br />

LF05/06_UnD:O5<br />

Handel (Hd/H)<br />

(N=6)<br />

LF02/03_Hd:O1<br />

LF04/05_Hd:O3<br />

LF04/05_Hd:O5<br />

LF05/06_H:O1<br />

LF04/05_Hd:W1<br />

LF05/06_H:W2<br />

Seite 92


Vorwort Anhang<br />

Studenten der LF 02/03: Fabian Dittmar (Maschinenbau); Maik Ganswig, Toralf Stoll (Maschinenbau);<br />

Benjamin Frick (Verlag); Christiane Möller (Bau-Ingenieurbüro); Julia Reinard, Susann<br />

Talk (Finanzdienstleistung); Andrea Geicke, Kristin Hoppert, Daniela Lindner (Finanzdienleistung);<br />

Alexandra Blöthner (Großhandelsunternehmen); Thomas Bauer, Sebastian Kneitschel,<br />

Maria Reinhold (Groß- und Einzelhandel); Madlen Juhe, Henry Kreutzmann, Julia Fallinski<br />

(Behindertenwerkstatt); Andreas Leopold, Sebastian Kellner, Alexander Strangfeld (Bau); Stefanie<br />

Ferber (Bau); Heidi Hornickel, Katrin Füllsack, Gabriella Szilagyi (Krankenhaus); Uwe<br />

Jordan (Bank); Eike Drews, Norbert Krause (Maschinenbau); Torsten Winkler (Software)<br />

Studenten der LF 03/04: Jana Eccarius (Automobilindustrie); Christian Pooch (Bau); Sabine<br />

Schönherr (Bau); Triebel (Dienstleistung); Julia Tripke, Jessica Sollmann (Dienstleistung); Antje<br />

Winkelmann (Dienstleistung); Justyna Andziak, Sandra Junghardt (Pflege); Alexander Lehmann<br />

(Weiterbildung)<br />

Studenten der LF 04/05: Hendrikje Riemann (Bau); Franziska Wolf (Weiterbildung); Jasmin<br />

Köhler (Bank, Weiterbildung)); Friedrich Döhrer (Medien, Weiterbildung); Anett Pilz- Schmidt<br />

(Handel); Silvia Dubilzik (Metall); Alex Reisser (Bank); Matthias Albrecht (Handel; Metall);<br />

Franziska Hofmann (Bank, Metall); Alexandra Sauer (Bank, Bau); Nicole Baumann (Bank);<br />

Simona Pietruschke (Medien; Weiterbildung); Daniela Huschke (Handel, Metall); Melanie<br />

Krug (Metall); Wiebke Lückert (Bau); Matthias Wagner (Medien, Weiterbildung); Sandy Thier<br />

(Metall)<br />

Studenten der LF 05/06: Andrea Ruge (Printmedien); Anke Noack (UN-nahe DL, Metall); Anne-<br />

Kathrin Hofmann (Gesundheit); Christin Lucas (Gesundheit, Bau); Christina Sittig (Bau, Unnahe<br />

DL); Christoph Wendt (Metall, Gesundheit); Daniela Steins (Bank, Handel); Franziska<br />

Langenhahn (Metall, Gesundheit); Janine Bernhardt (Bank, Un-nahe DL); Janine Bradschetl<br />

(Bau, Printmedien); Jeannine Albrecht (Bank, Metall); Josefine Bär (Metall, Handel); Kevin<br />

Diesing (Gesundheit); Kirsten Limbecker (Chemie); Lena Lieverscheidt (Metall, Gesundheit);<br />

Marcela Pineda de Castro (Chemie); Marcus Schulze (Chemie); Patricia Reupsch (Metall, Gesundheit);<br />

Peter Frey (Metall); Ralf Bartho (Metall, Bank); Ronny Gärtner (Gesundheit); Sandra<br />

Spiller (Bau, Metall); Sebastian Helbig (Metall, UN-nahe DL); Stefanie Horn (Bank); Tina<br />

Nitsche (Bank); Tobias Ludwig (Gesundheit, Bank); Tom Urban (Chemie, Gesundheit)<br />

Seite 93


Seite 94


“Generalisierung<br />

von Unsicherheit?”<br />

Ergebnisse einer<br />

qualitativen<br />

Beschäftigtenbefragung<br />

Seite 95


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

2<br />

„Generalisierung von<br />

Unsicherheit?“<br />

Ergebnisse einer qualitativen<br />

Beschäftigtenbefragung<br />

von Janine Bernhardt, Christoph Köhler,<br />

Kai Loudovici, Simon Dittrich, Marcela<br />

Pineda de Castro, Christina Sittig, Sandra<br />

Spiller<br />

Nahezu jeder kennt heutzuta-<br />

Seite 96<br />

ge in seinem unmittelbaren<br />

Umfeld Menschen, die von<br />

Entlassungen und Arbeitslosigkeit betroffen<br />

sind. Die gesellschaftliche Brisanz des Themas<br />

wird verstärkt durch regelmäßige Medienberichte<br />

über Entlassungswellen, Standortverlagerungen<br />

und Firmenschließungen. Zusätzlich<br />

nähren arbeitsrechtliche Neuerungen sowie<br />

steigende Flexibilitäts- und Leistungsanforderungen<br />

Diskussionen um Arbeitsplatzsicherheit.<br />

Sennett (1999) spricht sogar von einem<br />

mit der Instabilität verbundenen „Corrosion<br />

of Character“, dessen destruktive Folgen in<br />

die Familie und weitere sozialen Beziehungen<br />

hineinreichen.<br />

Wir möchten deshalb zu den Menschen im<br />

Arbeitsprozess vorstoßen – sie mit ihren Anschauungen,<br />

ihrem Erleben, ihren Ängsten<br />

und Hoffnungen zu Wort kommen lassen<br />

und somit den Blick von Arbeitnehmern auf<br />

aktuelle Geschehnisse in einem Teil unserer<br />

Gesellschaft abbilden. Dabei sollen drei eng<br />

miteinander verbundene Themen in den Vordergrund<br />

gestellt werden. 1. Wie beschreiben<br />

die Beschäftigten die wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen<br />

Risiken des Betriebes<br />

und ihres Arbeitsbereichs? 2. Wie beurteilen<br />

sie ihre individuelle Arbeitsplatzsicherheit und<br />

welches Sicherheitsempfinden verbinden sie<br />

damit? 3. Wie sehen darauf bezogene Handlungsstrategien<br />

aus?<br />

1. Einleitung<br />

von Christoph Köhler, Janine Bernhardt,<br />

Kai Loudovici<br />

1.1 Stand der Forschung<br />

In der sozialwissenschaftlichen Forschung hat<br />

das Thema seit gut 20 Jahren Hochkonjunktur.<br />

Die Großthese der Erosion des Normalarbeitsverhältnisses<br />

(Mückenberger 1985) hat eine<br />

Vielzahl von Folgestudien angeregt. Ulrich<br />

Beck hebt mit der These der Risikogesellschaft<br />

(1986) bzw. der Brasilianisierung des deutschen<br />

Arbeitsmarktes (1999) u.a. auf die Ausweitung<br />

von Beschäftigungsrisiken ab. Autoren wie


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Bourdieu (1998, 2000), Castel (2000, 2005)<br />

und, in Deutschland, Dörre (2005a, 2005b,<br />

2006) betonen den Zusammenhang von<br />

prekärer Arbeit, Beschäftigungsrisiken und<br />

zunehmender Unsicherheit im Zentrum der<br />

Arbeitsgesellschaft. Diese Thesen sind mit den<br />

Annahmen einer Ausweitung von „objektiven“<br />

Beschäftigungsrisiken und einer möglichen<br />

Generalisierung von subjektiv „gefühlter“ Arbeitsplatzunsicherheit<br />

verbunden.<br />

Die Gegenposition steht in der Tradition der<br />

Segmentations- und Schichtungsforschung<br />

und hebt die Konzentration von Arbeitsmarktrisiken<br />

auf „benachteiligte“ soziale Gruppen in<br />

sekundären Arbeitsmärkten hervor. In dieser<br />

Richtung argumentieren Autoren aus ganz<br />

unterschiedlichen Richtungen (z.B. Blossfeld<br />

2006; Geißler 2006; Hradil 2004). Autoren<br />

wie Peter Glotz in den 80er Jahren (mit der<br />

These der Zwei-Drittel-Gesellschaft: 1984,<br />

1985) und heute Wolfgang Streeck (mit der<br />

Unterscheidung von Stamm- und Randbelegschaften:<br />

2004) gehen noch weiter und behaupten,<br />

dass die Arbeitsmarkt-Insider Sicherheit<br />

durch Ab- und Ausgrenzung gegenüber den<br />

Outsidern gewinnen.<br />

In der gegenwärtigen empirischen Forschung<br />

zu Arbeitsplatzunsicherheit aus der Beschäftigtenperspektive<br />

belegen repräsentative Untersuchungen<br />

eine Zunahme subjektiver Unsicherheit<br />

(z.B. Green 2003; Heitmeyer 2006;<br />

Krause u.a. 2007; OECD 1997). Dabei werden<br />

in den einzelnen Studien unterschiedliche Indikatoren<br />

zugrunde gelegt, die je verschiedene<br />

Ergebnisse produzieren. So konnte gezeigt<br />

werden, dass die wahrgenommene Wahrscheinlichkeit<br />

des Arbeitsplatzverlustes im Allgemeinen<br />

mit der Arbeitslosenquote korrespondiert<br />

(z.B. Green 2003; Schmidt 2000) und in<br />

Deutschland in den 1990er Jahren bei 10 bis<br />

12 Prozent lag. Für Ostdeutschland hat Green<br />

(2003) gezeigt, dass dieser Indikator ein Jahr<br />

nach der Wiedervereinigung sprunghaft auf<br />

fast 21 Prozent anstieg (im Vergleich zu unter<br />

fünf Prozent bei westdeutschen Beschäftigten)<br />

und sich seither langsam an das westdeutsche<br />

Niveau annähert.<br />

Dagegen zeigen Untersuchungen, die als<br />

Indikator nicht die Wahrnehmung eines<br />

Arbeitsplatzrisikos, sondern die Sorge um<br />

den Arbeitsplatz zugrunde legen, dass sich im<br />

Durchschnitt etwa 60 Prozent der deutschen<br />

Arbeitnehmer „einige bis große Sorgen“ um<br />

ihren Arbeitsplatz machen (vgl. Krause u.a.<br />

2007), wobei das Sorgenniveau der ostdeutschen<br />

Beschäftigten konstant um 15 bis 20<br />

Prozent über dem Niveau der westdeutschen<br />

Beschäftigten bei etwa 70 Prozent liegt.<br />

Damit sind die Anteile der „pessimistischen“<br />

Beschäftigten in diesen Untersuchungen<br />

deutlich höher. In dem Versuch verschiedene<br />

Dimensionen von subjektiver Unsicherheit<br />

zusammenzuführen, kommt Fuchs (2006)<br />

zu dem Ergebnis, dass 2004 über 70 Prozent<br />

der abhängig Beschäftigten Risiken konstatieren<br />

und über die Hälfte dieser Personen<br />

jene Unsicherheit als „etwas“ bis „sehr stark“<br />

belastend empfand. Studien zu Qualität,<br />

Einflussfaktoren und Auswirkungen von<br />

Arbeitsplatzunsicherheit verweisen<br />

auf vergleichsweise hohe Sorgen und<br />

Ängste bei Beschäftigten in produk-<br />

Seite 97<br />

tionsnahen Bereichen, ostdeutschen<br />

Arbeitnehmern, atypisch Beschäftigten sowie<br />

Personen mit Arbeitslosigkeitserfahrung<br />

(Fuchs 2006; Krause u.a. 2007; OECD 1997).


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Qualitative Analysen konzentrieren sich auf<br />

den Zusammenhang von Vermarktlichungsprozessen<br />

der Beschäftigungsbeziehung mit<br />

Handlungsstrategien. Hier haben Voß und<br />

Pongratz (1998) bahnbrechende empirische<br />

und konzeptuelle Analysen vorgelegt. Ihnen<br />

zufolge reagieren die Beschäftigten auf die<br />

Vermarktlichung und die damit verbundene<br />

Entsicherung der Beschäftigungsbeziehung<br />

mit zunehmenden quasi unternehmerischen<br />

(Gegen-)Strategien des „Arbeitskraftunternehmers“,<br />

die die alte Betriebsbindung des<br />

verberuflichten Arbeitnehmers auflösen und<br />

eine Orientierung am externen Arbeitsmarkt<br />

implizieren. Diese These hat eine Welle<br />

weiterführender Forschung ausgelöst. Witzel<br />

u.a. (2000) haben für JungfacharbeiterInnen<br />

gezeigt, dass betriebsbezogene berufsbiografische<br />

Gestaltungsmodi nach wie vor<br />

dominieren. Auch Pongratz und Voß selber<br />

kommen über eine Analyse von Beschäftigten<br />

in Normalarbeitsverhältnissen zu diesem<br />

Befund (Voß/Pongratz 2003) und relativieren<br />

damit ihre alten Thesen. Sie heben allerdings<br />

die zunehmende Brüchigkeit der „Sicherheitsfiktionen“<br />

und Orientierungen hervor.<br />

Im Rahmen des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> hat Anja Bultemeier<br />

diese Debatte aufgegriffen, weitergeführt<br />

und verdichtet sowie anhand von Fallstudien<br />

und Beschäftigteninterviews mit unbefristet<br />

Beschäftigten in (ehemals) stabilen Branchen<br />

(Automobilindustrie, Banken) untersucht.<br />

Sie bezieht sich im kritischen<br />

Seite 98 Anschluss auf Autoren wie Bourdieu<br />

und Castel und widerlegt Bourdieus<br />

Annahme einer allgemeinen subjektiven<br />

Unsicherheit, erkennt dennoch Prekarität<br />

bei der Mehrzahl der von ihr identifizierten<br />

Typen (Bultemeier u.a. 2007).<br />

1.2 Fragen und Hypothesen<br />

Vor dem Hintergrund einer Diskussion des<br />

oben kurz skizzierten Forschungsstandes wurde<br />

unsere allgemeine Frage nach der Generalisierung<br />

von Unsicherheit konkretisiert:<br />

- In Bezug auf die Zielgruppe konzentrieren<br />

wir uns auf Beschäftigte in Normalarbeitsverhältnissen.<br />

Bei prekär Beschäftigten und<br />

Arbeitslosen sind Zukunftsängste evident.<br />

Die Generalisierungsfrage zielt direkt auf die<br />

„Destabilisierung der Stabilen“ (Castel 2000,<br />

2005; Dörre 2005a, 2005b).<br />

- In Bezug auf die Untersuchungsfrage ging<br />

es uns konkret um die Wahrnehmung von<br />

Risiken des Arbeitsplatzverlustes und um<br />

Erwerbsorientierungen. Deshalb stehen in<br />

unserem Leitfaden die betriebliche Situation,<br />

die individuelle Arbeitsplatzsicherheit sowie<br />

die Erwerbsorientierungen und Handlungsstrategien<br />

im Vordergrund.<br />

- In Bezug auf die Methoden haben wir uns<br />

für einen qualitativ verstehenden Ansatz entschieden,<br />

da es darum ging, die Stärke und<br />

subjektive Relevanz von Unsicherheit sowie<br />

deren Handlungsfolgen zu erfassen und Hypothesen<br />

zu generieren.<br />

Vor dem Hintergrund der neueren Literatur<br />

von Bourdieu, Castel, Dörre u.a. sowie den<br />

Arbeiten von Anja Bultemeier in unserer Forschungsgruppe<br />

spitzten wir den Forschungsstand<br />

auf drei Ausgangshypothesen zu:<br />

- Hypothese 1 (wahrgenommene Risiken im<br />

betrieblichen Umfeld): Das betriebliche<br />

Umfeld von Beschäftigten zeichnet sich


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

heute aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheit<br />

und flexibler Personalpolitik durch starke<br />

Arbeitsplatzrisiken aus. Dies wird von den<br />

Beschäftigten deutlich wahrgenommen.<br />

- Hypothese 2 (individuelle Arbeitsplatzrisiken):<br />

Die wahrgenommenen Risiken im betrieblichen<br />

Umfeld korrespondieren mit der<br />

Wahrnehmung individueller Arbeitsplatzrisiken<br />

und führen zu einer Verbreitung von<br />

Unsicherheit auch bei Normalbeschäftigten.<br />

- Hypothese 3 (Erwerbsorientierung): Die<br />

Unsicherheit führt nicht – wie für den „Arbeitskraftunternehmer“<br />

erwartet – zu einer<br />

externen Arbeitsmarktorientierung, sondern<br />

eher zu einer verstärkten Betriebsbindung,<br />

Leistung und Anpassung.<br />

2. Der Untersuchungsansatz<br />

von Christoph Köhler, Janine Bernhardt, Kai<br />

Loudovici<br />

2.1 Methoden und Instrumente<br />

Aufgrund der Fragestellung und Rahmenbedingungen<br />

der Lehrforschung wurde für einen<br />

qualitativen methodischen Ansatz optiert. Die<br />

Erhebung erfolgte über Leitfadeninterviews<br />

nach der Methode des problemzentrierten<br />

Interviews (Fiebertshäuser 1997; Witzel 2000).<br />

Den Schwerpunkt der Erhebung bildete die<br />

Wahrnehmung der Arbeitsplatzsicherheit im<br />

Betrieb. Diese wurde über drei Fragekomplexe<br />

erhoben: Als Einstieg diente eine geschlossene<br />

Frage zum Niveau der Sicherheit, deren<br />

Begründung zweitens mittels offener Fragen<br />

angeregt wurde. Drittens erfragten wir die<br />

Relevanz der individuellen Sicherheitslage.<br />

Die These der Generalisierung von Unsicherheit<br />

besagt, dass „objektive“ Beschäftigungsrisiken<br />

und „gefühlte Unsicherheit“ sich auch in<br />

bis dato gesicherten Normalarbeitsverhältnissen<br />

ausbreiten. Zur Prüfung dieser Hypothese<br />

musste dann genau diese Beschäftigtengruppe<br />

in stabilen Beschäftigungsverhältnissen erfasst<br />

werden. Die Sampleauswahl erfolgte nach einer<br />

Mischung aus systematischen und – den<br />

Limitationen einer Lehrforschung folgend<br />

– pragmatischen Kriterien nach der Methode<br />

des „dimensionalen Sampling“ (Arnold 1970;<br />

Boos/Fisch 1986).<br />

Alle TeilnehmerInnen der Lehrforschung<br />

waren aufgefordert, zwei Beschäftigte zu<br />

suchen und zu befragen. Bei der Auswahl der<br />

Befragten galten folgende Kriterien:<br />

- Erstens sollten – den zu prüfenden Hypothesen<br />

folgend – Personen in gesicherten<br />

Normalarbeitsverhältnissen (unbefristete<br />

Arbeitsverträge, Vollzeit, langfristige Beschäftigung<br />

erwartet) erfasst werden.<br />

- Diese sollten zweitens über mindestens zehn<br />

Jahre Berufserfahrung verfügen und nicht<br />

älter als 45 Jahre sein.<br />

Durch die Altersgrenze von 45 Jahren<br />

schlossen wir altersbedingte Risiken<br />

Seite 99<br />

von vornherein aus; durch die Mindestzahl<br />

an Berufsjahren wollten wir sicherstellen,<br />

dass eine anfängliche berufliche Orientierungsphase<br />

als abgeschlossen betrachtet<br />

werden kann. Mit diesen Vorgaben zielten wir


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Betriebsgröße bzw. Größe der Niederlassung<br />

(Anzahl Beschäftigte)<br />

Branche<br />

Unter 50 50-100 Über 100 Gesamt<br />

Bau<br />

(B)<br />

Banken/Versicherungen<br />

(BkV)<br />

Chemie<br />

(C)<br />

B: 1,3,5 B: 2 -<br />

BkV: 2,6,10 - BkV: 1,4,5,7-9<br />

- - C:2-5,8<br />

4<br />

(7,7%)<br />

9<br />

(17,3%)<br />

5<br />

(9,6%)<br />

Gesundheit<br />

(G)<br />

G: 2,3,9,11,12<br />

C:6,7*<br />

G: 10 G: 4-8,13,14<br />

15<br />

(28,8%)<br />

Handel<br />

(H)<br />

Metall<br />

(M)<br />

Printmedien<br />

(P)<br />

Unternehmensnahe<br />

Dienstleistungen (UnD)<br />

H: 1 H: 2 -<br />

M: 6,9,12 M: 3,8 M: 1,2,5,14,15<br />

P: 1,2 P: 3 -<br />

UnD: 3,4 - UnD: 2,5<br />

2<br />

(3,8%)<br />

10<br />

(19,3%)<br />

3<br />

(5,8%)<br />

4<br />

(7,7%)<br />

Gesamt<br />

21<br />

(40,4%)<br />

6<br />

(11,5%)<br />

25<br />

(48,1%)<br />

N = 52 (100%)<br />

Tabelle 2.1.1 Fallauswahl – Branche und Betriebsgröße<br />

* Fälle nachträglich der Gesundheitsbranche zugeordnet<br />

auf eine Personengruppe mit einer statistisch<br />

hohen Beschäftigungsstabilität (vgl.<br />

Blossfeld 2006; Grotheer 2007).<br />

Seite 100<br />

In diesem Rahmen suchten wir nach<br />

Varianz. So wurden den Teilnehmern der<br />

Lehrforschung zehn Branchen zur Auswahl<br />

gestellt, die sich aus dem Forschungsprojekt<br />

B2 des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> zu Beschäftigungsstabilität<br />

im Ost-West-Vergleich ergaben (Köhler/Loudovici/Struck<br />

2007b, in diesem Heft; Struck<br />

u.a. 2006). Diese repräsentierten Bereiche mit<br />

hoher und niedriger Beschäftigungsstabilität<br />

im Industrie- und Dienstleistungssektor. Damit<br />

variieren wir das wirtschaftliche und betriebliche<br />

Umfeld der befragten Beschäftigten<br />

mit Normalarbeitsverhältnissen. Darüber<br />

hinaus sollten Frauen und Männer mit unter-


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Position<br />

Mit ausführender<br />

Tätigkeit<br />

Mit leitender<br />

Tätigkeit<br />

Qualifikation<br />

♀ ♂ ♀ ♂ Gesamt<br />

Keine<br />

abgeschlossene<br />

Berufsausbildung<br />

- - - -<br />

0<br />

(0%)<br />

BkV:5,7,9<br />

B: 1,3,5<br />

B: 2<br />

Einfache<br />

Berufsausbildung<br />

G: 3,5<br />

H: 1<br />

P: 3<br />

C: 3,8<br />

G: 9,14<br />

H: 2<br />

M: 1,5,12<br />

P: 2<br />

UnD: 5<br />

C: 2<br />

G: 13<br />

M: 2,3<br />

25<br />

(48,1%)<br />

Berufsausbildung<br />

mit zusätzlichen<br />

Weiterbildungen<br />

BkV: 1,10<br />

C: 7<br />

G:<br />

6,8,11,12<br />

UnD: 4<br />

G: 7<br />

M: 6<br />

BkV: 2<br />

M: 9<br />

12<br />

(23,1%)<br />

Hochschulabschluss<br />

BkV: 6,8<br />

C: 4,6<br />

M: 8<br />

BkV: 4<br />

M: 15<br />

P: 1<br />

UnD: 2<br />

G: 4<br />

M: 14<br />

UnD: 3<br />

C: 5<br />

G: 2,10 15<br />

(28,8%)<br />

Gesamt 20<br />

(38,5%)<br />

19<br />

(36,5%)<br />

6<br />

(11,5%)<br />

7<br />

(13,5%)<br />

N = 52<br />

(100%)<br />

Tabelle 2.1.2: Qualif ikation und Position nach Geschlecht und Branche<br />

Seite 101


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

schiedlichen Bildungsniveaus und beruflicher<br />

Stellung vertreten sein. Da die Mehrzahl der<br />

Studierenden aus Ostdeutschland kam und<br />

konsequenterweise über ihren Bekanntenkreis<br />

Ostdeutsche für die Befragung rekrutierte,<br />

bemühten wir uns gezielt um einige westdeutsche<br />

Kontrastfälle.<br />

Nach Abschluss der Vorphase legten die 26<br />

Teilnehmer der Lehrforschung 1 Kurzprofile<br />

der zu Befragenden vor, die einen ersten<br />

Überblick über die Fälle ermöglichten. Wie<br />

beabsichtigt, erfassen wir eine Beschäftigtengruppe<br />

mit einer statistisch hohen Beschäftigungsstabilität.<br />

Alle 52 Befragten arbeiten mit<br />

unbefristetem Vertrag, davon zwei in Teilzeit.<br />

Erwartungsgemäß konzentriert sich das Alter<br />

der Befragten auf 35-45 Jahre. Auch in Bezug<br />

auf die gewünschte Varianz war die Auswahl<br />

erfolgreich. Die Fälle konzentrieren sich auf<br />

acht der zehn vorgegebenen Branchen und erfassen<br />

alle Betriebsgrößen, wobei der Schwerpunkt<br />

auf kleinen und mittleren Betrieben<br />

liegt (siehe Tabelle 2.1.1).<br />

In Bezug auf die geografische Herkunft der<br />

Befragten setzte sich unser Sample erwartungsgemäß<br />

aus überwiegend ostdeutschen<br />

Beschäftigten zusammen. Jedoch haben wir<br />

sechs westdeutsche Kontrastfälle in unserem<br />

Sample (BkV: 1,4; M: 6,9; H:2; G:8). Die<br />

Verteilung nach dem Geschlecht ist ausgeglichen,<br />

von den Befragten war genau<br />

die Hälfte weiblich. In Bezug auf die<br />

Seite 102 Qualifikation sind alle Gruppen (mit<br />

Ausnahme der Ungelernten) vertreten<br />

(siehe Tabelle 2.1.2).<br />

Im Ergebnis der Fallauswahl konnten wir<br />

davon ausgehen, dass wir die Zielgruppe von<br />

Beschäftigten in Normalarbeitsverhältnissen<br />

erfasst haben. Auf der Basis der Hypothese<br />

der Ausweitung oder Generalisierung von<br />

Beschäftigungsrisiken und Unsicherheit<br />

erwarteten wir, dass die Befragten für ihr<br />

betriebliches Umfeld, aber auch für sich selber,<br />

Arbeitsplatzrisiken für Gegenwart und<br />

Zukunft hervorheben. Diese Erwartung wurde<br />

aufgrund der Besonderheiten des Samples<br />

sowie des Zeitpunkts der Befragung verstärkt.<br />

Erstens war für die mehrheitlich ostdeutschen<br />

Befragten – vor dem Hintergrund der hohen<br />

Beschäftigungssicherheit in der DDR und der<br />

daran anschließenden Umbruchsphase mit<br />

vielfach gebrochenen Erwerbsbiografien – eine<br />

hohe Sensibilität für Arbeitsplatzrisiken zu<br />

vermuten. Zweitens wurde die Befragung im<br />

Winter 2005/06 am Ende einer langen Stagnationsphase<br />

und vor Beginn des Aufschwungs<br />

durchgeführt, so dass auch aus diesem Grund<br />

eher pessimistische Einstellungen zu erwarten<br />

waren.<br />

2.2 Auswertung und Berichtskonzept<br />

Die hier vorgelegten Ergebnisse dokumentieren<br />

die Auswertung des umfangreichen Textmaterials<br />

der 52 Interviews mit ca. 1800 Seiten. In<br />

einem ersten Schritt haben die Teilnehmer ihre<br />

jeweils zwei Fälle nach einem gemeinsam erarbeiteten<br />

Raster entlang der drei Hypothesen zur<br />

Wahrnehmung des betrieblichen Umfelds, der<br />

individuellen Arbeitsplatzsicherheit sowie den<br />

erwerbsbezogenen Handlungsorientierungen<br />

ausgewertet. Diese Analysen wurden in branchenbezogenen<br />

Arbeitsgruppen diskutiert und<br />

auf Workshops zu ersten Übersichten verarbeitet.<br />

Der Problemzentrierung der Interviews


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

entsprach eine problemzentrierte Auswertung<br />

der Fälle. Im Ergebnis lagen eine erste Typisierung<br />

der Fälle sowie Auszählungen entlang der<br />

drei vorgegebenen Hypothesen und Dimensionen<br />

vor, die eine Reihe von Überraschungen<br />

bereit hielten.<br />

Zur Erarbeitung eines Berichtes wurde dann<br />

eine Redaktionsgruppe gebildet, deren AutorInnen<br />

auch die einzelnen Berichtsteile<br />

zeichnen. Die Aufgabe dieser Gruppe bestand<br />

darin, die in der Lehrforschung erarbeiteten<br />

vergleichenden Übersichten zu prüfen, vertiefen,<br />

verschriftlichen und mit prägnanten<br />

Interviewpassagen zu unterlegen. Darüber<br />

hinaus wurden Verknüpfungen innerhalb und<br />

zwischen den drei Analyse-Ebenen hergestellt.<br />

So fragten die Verantwortlichen für das Kapitel<br />

zum betrieblichen Umfeld (Dittrich/Loudovici/Spiller)<br />

nach der Wahrnehmung der wirtschaftlichen<br />

Situation der Betriebe und ihrer<br />

personalpolitischen Strategien und Muster. Die<br />

zweite Gruppe (Bernhardt/Riemann) fragte<br />

nach Zusammenhängen mit der Wahrnehmung<br />

der individuellen Arbeitsplatzsicherheit. Die<br />

Autorinnen der „Handlungsgruppe“ (Pineda<br />

de Castro/Sittig) wiederum erforschten mögliche<br />

Erwerbs- und Handlungsorientierungen<br />

und suchten nach Zusammenhängen mit der<br />

wahrgenommenen Arbeitsplatzunsicherheit.<br />

Wie aus den vorangestellten Ausführungen<br />

und dem Bericht sichtbar wird, arbeiteten<br />

wir in einem abduktiven Verfahren zwischen<br />

Hypothesen und dem empirischen Material.<br />

Dabei war alles erlaubt, was zur Generierung<br />

von intelligenten Hypothesen nicht verboten<br />

ist. Dazu gehört auch der Wechsel zwischen<br />

sinnverstehenden und erklärenden Auswertungsstrategien.<br />

So wurden ausgewählte Fälle<br />

problembezogen und sinnverstehend ausgewertet,<br />

andererseits aber auch vergleichende<br />

Auswertungen nach bestimmten Merkmalen<br />

vorgenommen und kreuz-tabelliert. Die Zielsetzung<br />

bestand einmal darin, typologische<br />

Ansätze zu entwickeln. Wir wollten aber auch<br />

grobe Verteilungen und Kovarianz von Merkmalsausprägungen<br />

ermitteln. Das Ergebnis<br />

muss dann als ein Satz von – hoffentlich weiterführenden<br />

– Hypothesen gelesen werden,<br />

die mit interpretativen Methoden einerseits<br />

und klassisch quantitativen Ansätzen andererseits<br />

zu vertiefen wären.<br />

Entsprechend den drei Hypothesen, gliedert<br />

sich unser Bericht in drei Teile. In Kapitel 3<br />

fragen wir danach, wie die Beschäftigten die<br />

wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen<br />

Risiken des Betriebes und ihres Arbeitsbereichs<br />

sehen. In Kapitel 4 geht es dann<br />

um die individuelle Arbeitsplatzsicherheit und<br />

das damit verbundene Sicherheitsempfinden.<br />

Kapitel 5 und 6 behandeln die Frage nach dem<br />

Zusammenhang von Arbeitsplatzunsicherheit<br />

und Handlungsstrategien. In Kapitel 7 fassen<br />

wir die Ergebnisse zusammen und entwickeln<br />

weiterführende Hypothesen.<br />

Seite 103


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

3. Arbeitsplatzrisiken – das betriebliche<br />

Umfeld<br />

von Simon Dittrich, Kai Loudovici,<br />

Sandra Spiller<br />

3.1 Vorbemerkung<br />

Wie in der Einleitung gezeigt, ist aus der Vielzahl<br />

an Untersuchungen, kontroversen Großthesen<br />

und Forschungsergebnissen ersichtlich,<br />

dass es sich bei der Frage nach Arbeitsplatzund<br />

Beschäftigungsunsicherheit um ein ausgesprochen<br />

komplexes Thema handelt. Je nach<br />

dem Fokus der Untersuchung kommt man zu<br />

unterschiedlichen Ergebnissen und häufig<br />

auch Missverständnissen. Bei uns steht die<br />

Frage nach der Arbeitsplatzunsicherheit aus<br />

der Sicht der Beschäftigten im Vordergrund.<br />

Damit bezeichnen wir das wahrgenommene<br />

Risiko eines unfreiwilligen Arbeitsplatzverlustes<br />

im jeweiligen Betrieb.<br />

Um dieses Thema differenziert zu erforschen,<br />

haben wir im Gesprächsleitfaden eine Reihe<br />

von Fragen zur Arbeitsplatzsicherheit im<br />

betrieblichen Umfeld vorgesehen, bevor wir<br />

dann auf die Einschätzung der eigenen Position<br />

eingingen. Wir gehen davon aus, dass<br />

die Ausleuchtung des betrieblichen Umfeldes<br />

ein besseres Verständnis der Wahrnehmung<br />

der eigenen Chancen und Risiken<br />

durch die Betroffenen ermöglicht.<br />

Seite 104 Die Ergebnisse zum betrieblichen<br />

Umfeld werden in diesem Kapitel, die<br />

zur Wahrnehmung der eigenen Arbeitsplatzsicherheit<br />

im nächsten Kapitel vorgestellt.<br />

Bei der Analyse der Arbeitsplatz(un)sicherheit<br />

im betrieblichen Umfeld der Befragten müssen<br />

wir zwischen zwei Themen unterscheiden. Einmal<br />

geht es um die wirtschaftliche Situation des<br />

Betriebes und die Beschäftigungsentwicklung,<br />

von der evidenterweise die Arbeitsplatzrisiken<br />

der Beschäftigten direkt abhängen. Zentral<br />

sind aber auch die personalpolitischen Strategien<br />

für einzelne Arbeitsbereiche, denn diese<br />

bestimmen darüber, ob überhaupt und wie<br />

auf wirtschaftliche Anpassungserfordernisse<br />

reagiert wird. Zu denken ist hier etwa an die<br />

berühmte Atkinson-Zwiebel (Atkinson 1985)<br />

mit der Unterscheidung von interner und externer<br />

Flexibilität.<br />

So gibt es Betriebe und Arbeitsbereiche, in<br />

denen vor allem langfristig Beschäftigte tätig<br />

sind, die auch bei Absatzeinbrüchen geschützt<br />

werden. Es kann aber auch im selben Betrieb<br />

Arbeitsbereiche geben, die die Personalanpassung<br />

schnell vollziehen und häufig ihr Personal<br />

austauschen. Auch die Selektionsregeln bei Entlassungen<br />

bzw. aktivem Personalabbau spielen<br />

eine große Rolle für die relative Sicherheit von<br />

Beschäftigten: Es macht einen Unterschied, ob<br />

das Betriebsalter und andere soziale Kriterien<br />

eine Rolle spielen oder eher nach Qualifikation<br />

und Leistung entlassen wird. Im ersten Fall<br />

können betriebsältere Beschäftigte in relativ<br />

stabilen großen Unternehmen von einer sehr<br />

hohen Beschäftigungssicherheit ausgehen, im<br />

zweiten Fall ist die Sicherheit stärker von der<br />

Ersetzbarkeit der jeweiligen Qualifikation und<br />

der individuellen Leistungsfähigkeit abhängig.<br />

Zur Analyse solcher Strukturen wird häufig<br />

auf die Unterscheidung von Stamm- und<br />

Randbelegschaften zurückgegriffen (z.B.<br />

Köhler/Preisendörfer 1989; Sengenberger


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

1987). Diese Metapher bleibt häufig deskriptiv,<br />

ohne dass die Muster der Personalpolitik<br />

genau beschrieben und deren Determinanten<br />

erfasst werden. Für eine vertiefende Analyse<br />

benötigen wir Kategorien, die die relativ dauerhaften<br />

Strukturen von Gratifikations- und<br />

Allokationsprozessen innerhalb von Betrieben<br />

abbilden und erklären können. Hierfür greifen<br />

wir auf den Ansatz von Köhler u.a. zurück, die<br />

im kritischen Anschluss an den Münchner<br />

Segmentationsansatz (Köhler/Preisendörfer<br />

1989; Lutz 1987; Sengenberger 1987) und<br />

neuere Ansätze aus der Arbeits- und Personalökonomik<br />

(Alewell 1993; Baden u.a.<br />

1996; Osterman 1987) mit dem Konzept des<br />

Betrieblichen Beschäftigungs-Sub-Systems<br />

(BBSS) eine eigenständige Perspektive auf das<br />

Arbeitsmarktgeschehen (Köhler/Loudovici/<br />

Struck 2007b, in diesem Heft) entwickeln.<br />

Vor diesem Hintergrund lässt sich unsere Eingangshypothese<br />

für die Arbeitsplatzrisiken im<br />

betrieblichen Umfeld wie folgt spezifizieren:<br />

a) Wir nehmen an, dass im Arbeitsbereich der<br />

Beschäftigten sowie in den Betrieben insgesamt<br />

personalpolitische Strategien und Muster<br />

der zeitlich begrenzten Beschäftigung<br />

sowie der Leistungssteuerung zunehmen,<br />

dass dadurch die Arbeitsplatzrisiken auch<br />

der normalbeschäftigten Stammbelegschaften<br />

wachsen und dass dies durch die<br />

Beschäftigten wahrgenommen wird.<br />

b) Wir nehmen weiterhin an, dass aufgrund der<br />

Restrukturierung der deutschen Wirtschaft<br />

in Ost- und Westdeutschland sowie der zum<br />

Befragungszeitpunkt (Winter 2005/06)<br />

lang anhaltenden gesamtwirtschaftlichen<br />

Schwäche viele Beschäftigte unsicher über<br />

die weitere Beschäftigungsentwicklung in<br />

ihrem Betrieb sind.<br />

Zur Prüfung dieser beiden Hypothesen fassen<br />

wir zunächst die Forschungsergebnisse zu<br />

personalpolitischen Strategien und Mustern<br />

mit dem Konzept des BBSS zusammen.<br />

Anschließend werten wir die Angaben der<br />

Befragten zur wirtschaftlichen Situation und<br />

Beschäftigungsentwicklung aus. In einem<br />

dritten Schritt wird ein Fazit zur Thematik<br />

der Arbeitsplatzrisiken im betrieblichen Umfeld<br />

der Befragten formuliert.<br />

3.2 Personalpolitische Strategien und<br />

Muster<br />

Zur Analyse personalpolitischer Strategien<br />

und Muster nutzen wir – wie oben ausgeführt<br />

– das Konzept Betrieblicher Beschäftigungs-Sub-Systeme<br />

(BBSS) von Köhler,<br />

Loudovici und Struck. Diesen zufolge sind<br />

BBSS sozioökonomische Räume innerhalb<br />

von Erwerbsorganisationen, die sich über<br />

Konflikt- und Aushandlungsprozesse zwischen<br />

Management und Belegschaftsteilen<br />

konstituieren. Es handelt sich um Teilmengen<br />

von Arbeitsplätzen und Arbeitskräften, die<br />

sich nach innen (gegenüber anderen Arbeitsbereichen)<br />

und nach außen (gegenüber den<br />

überbetrieblichen Arbeitsmärkten)<br />

durch unterschiedliche Niveaus der<br />

Schließung abgrenzen. Diese inner-<br />

Seite 105<br />

betrieblichen Allokationsräume weisen<br />

im Binnenbereich distinkte Regeln und<br />

Strukturmuster der Allokation, Qualifikation<br />

und Gratifikation auf. Erwerbsorganisationen<br />

operieren in der Regel mit mehreren und


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Interne Arbeitsmärkte<br />

Geschlossene BBSS<br />

Externe Arbeitsmärkte<br />

Offene BBSS<br />

Primär senioritätsbasiert leistungsbasiert betriebsförmig marktförmig<br />

Sekundär senioritätsbasiert leistungsbasiert betriebsförmig marktförmig<br />

Tabelle 3.2.1: Arbeitsmarktsegmente und BBSS<br />

Seite 106<br />

verschiedenen BBSS, welche an verschiedene<br />

überbetriebliche Märkte angeschlossen sind.<br />

BBSS sind also Bausteine überbetrieblicher<br />

Teilarbeitsmärkte und Arbeitsmarktsegmente<br />

(vgl. Köhler/Loudovici/Struck 2007b, in diesem<br />

Heft).<br />

Köhler u.a. unterscheiden vier Grundmuster<br />

von BBSS und bestätigen damit die Grundgedanken<br />

des Segmentationsansatzes (Tabelle<br />

3.2.1). In den Erwerbsorganisationen finden<br />

sich Arbeitsplätze, die durch langfristige<br />

Beschäftigung gekennzeichnet und damit<br />

vom Externen Markt abgekoppelt sind<br />

(Geschlossene BBSS). Hier sind Allokation,<br />

Qualifikation und Gratifikation stark organisationsgesteuert.<br />

In einer anderen Gruppe<br />

von Arbeitsbereichen dominiert die zeitlich<br />

begrenzte Beschäftigung. Allokation, Qualifikation<br />

und Gratifikation werden stärker von<br />

den Externen Märkten beeinflusst (Offene<br />

BBSS). Geschlossene BBSS bilden<br />

den betrieblichen Baustein des Arbeitsmarktsegments<br />

Interner Märkte,<br />

Offene BBSS den Baustein Externer<br />

Märkte.<br />

Offene und geschlossene BBSS unterscheiden<br />

sich ferner in einer vertikalen Dimension<br />

nach dem Lohnniveau und den Beschäftigungsrisiken<br />

bei Arbeitsplatzverlust. Primäre<br />

BBSS zeichnen sich durch durchschnittliche<br />

bis überdurchschnittliche Einkommen und<br />

betriebliche oder überbetriebliche Beschäftigungssicherheit<br />

aus; Sekundäre BBSS durch<br />

Niedriglöhne und/oder hohe Beschäftigungsrisiken.<br />

Die unterschiedlichen sozialen Risiken<br />

der Beschäftigten in Primären und Sekundären<br />

BBSS haben Handlungsfolgen für beide Arbeitsmarktparteien<br />

und generieren distinkte<br />

Muster der Allokation, Qualifikation und<br />

Gratifikation (vgl. Köhler/Loudovici/Struck<br />

2007b, in diesem Heft).<br />

Betriebliche Beschäftigungs-Sub-Systeme im<br />

Arbeitsumfeld der Befragten<br />

Zur Erhebung der Merkmale des BBSS<br />

wurden eine Reihe von Fragen gestellt. Die<br />

grundlegende Frage bezieht sich auf die Beschäftigungsperspektiven<br />

der KollegInnen im<br />

Arbeitsbereich der Befragten, woraus sich die<br />

Zuordnung zu Geschlossenen bzw. Offenen<br />

BBSS ergab. Am Schluss des Interviews wurde<br />

nach Einkommensgruppen gefragt, die der<br />

Zuordnung nach primären bzw. sekundären<br />

BBSS zugrunde lag (vgl. Appendix I):


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Jetzt interessieren nicht die Arbeitsverträge an<br />

sich, sondern wie lange die Kollegen aus Ihrem<br />

Arbeitsbereich tatsächlich in Ihrem Unternehmen<br />

bleiben, bevor sie den Betrieb verlassen? (Egal ob<br />

freiwillig oder unfreiwillig).<br />

a) Wie groß ist der Anteil derer, die schon in den<br />

ersten zwei Jahren gehen (egal ob freiwillig oder<br />

unfreiwillig)? Bitte schätzen Sie den Anteil!<br />

b) Wie viele bleiben mittelfristig und gehen nach<br />

mehreren Jahren (maximal 10 Jahre) (wiederum<br />

egal ob freiwillig oder unfreiwillig)? Bitte<br />

schätzen Sie den Anteil!<br />

c) Wie viele bleiben langfristig und im Extremfall<br />

bis zur Rente? Bitte schätzen Sie den Anteil!<br />

Was vermuten Sie sind die Gründe dafür,<br />

dass die Beschäftigungsverhältnisse in Ihrem<br />

Arbeitsbereich vorrangig kurz-, mittel- oder<br />

langfristig (Interviewanweisung: passend<br />

benennen) sind?<br />

…<br />

Wie hoch ist Ihr monatliches Netto-Einkommen<br />

aus Ihrer Erwerbstätigkeit? Ich meine damit<br />

die Summe, die nach Abzug von Steuern und<br />

Sozialversicherungsbeiträgen verbleibt? Ich<br />

nenne Ihnen jetzt Einkommensgruppen. Bitte<br />

ordnen Sie sich entsprechend zu:<br />

bis unter 500 €<br />

501 bis 1000 €<br />

1001 bis 2000 €<br />

2001 bis 3000 €<br />

3001 bis 4000 €<br />

4001 und mehr.<br />

Bei einer Dominanz von Langfristperspektiven<br />

(von mehr als zehn Jahren) im Arbeitsumfeld<br />

schlossen wir auf Geschlossene BBSS in<br />

Internen Arbeitsmärkten. Bei Einkommen<br />

unter 1000 Euro und Vollzeitarbeit ordneten<br />

wir die Fälle dem sekundären Segment zu. Die<br />

Fallanalysen zeigen zunächst, dass die Samplestrategie<br />

der Lehrforschung aufgegangen ist.<br />

Gesucht wurde nach Beschäftigten im mittleren<br />

Alter mit unbefristeten Arbeitsverträgen<br />

und langfristigen Beschäftigungsperspektiven<br />

im Unternehmen. Wir haben – wie geplant<br />

– fast ausschließlich geschlossene BBSS<br />

erfasst. Nach unseren Einkommenskriterien<br />

fallen 3 dieser 49 Untersuchungsfälle in die<br />

Gruppe der Sekundären BBSS. Hierbei handelt<br />

es sich um die Branchen Bau, Gesundheit<br />

und Metall. Die ganz überwiegende Mehrheit<br />

der befragten Personen (46) arbeitet damit in<br />

Primären BBSS (Tabelle 3.2.2).<br />

In Geschlossenen BBSS gilt das Versprechen<br />

langfristiger Beschäftigung, das im Extremfall<br />

bis zur Rente reicht. Dieses Versprechen ist<br />

jedoch an die wirtschaftliche Situation des<br />

Unternehmens und Mindestleistungen des<br />

Beschäftigten gebunden (vgl. Köhler/Loudovici/Struck<br />

2007b, in diesem Heft). Geschlossene<br />

BBSS gewähren also nur bedingte<br />

Beschäftigungssicherheit und bei anstehenden<br />

Entlassungen bzw. aktiven Personalabbauaktionen<br />

stellt sich immer die Frage nach den<br />

Selektionsregeln. Hierbei konkurrieren<br />

tradierte Senioritätsregeln,<br />

denen zufolge nach Betriebsalter<br />

Seite 107<br />

sowie nach anderen sozialen Kriterien<br />

differenziert wird auf der einen Seite, mit<br />

Leistungskriterien, die immer wieder von den<br />

Betriebsleitungen in den Vordergrund gestellt<br />

werden auf der anderen Seite. Wenn Senio-


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

ritätsregeln vorherrschen, sind betriebsältere<br />

Beschäftigte geschützt. Deshalb konnten<br />

Beschäftigte im öffentlichen Dienst und in<br />

stabilen Großkonzernen noch vor zwanzig<br />

Jahren in Westdeutschland davon ausgehen,<br />

dass ihnen nach etwa zehn Jahren nicht mehr<br />

viel passieren konnte (vgl. Köhler/Sengenberger<br />

1983). Wenn dagegen – wie in vielen<br />

kleinen und nicht gewerkschaftlich kontrollierten<br />

Betrieben der Fall – Leistungskriterien<br />

vorherrschen, ist potenziell jeder gefährdet,<br />

wenn die Qualifikation ersetzbar wird oder<br />

die Leistung nachlässt. Bei Letzteren finden<br />

sich also eher qualifikations- und leistungsbezogene<br />

Allokationsregeln und Sicherheiten<br />

(vgl Köhler/Loudovici/Struck 2007b, in<br />

diesem Heft). Deshalb unterscheiden wir im<br />

Anschluss an Köhler u.a. Geschlossene BBSS<br />

in Senioritätsbasierte Systeme einerseits und<br />

Leistungsbasierte Systeme andererseits (Tabelle<br />

3.2.1).<br />

Die internen Allokationsregeln fallen unterschiedlich<br />

aus. In Senioritätsbasierten BBSS<br />

werden vakante Stellen eher nach Betriebserfahrung<br />

und Betriebsalter besetzt, in Leistungsbasierten<br />

eher nach Qualifikations- und<br />

Leistungskriterien. Im ersten Fall kommen<br />

die Betriebsälteren auf die besseren Positionen:<br />

Eintrittspositionen in das „BBSS“ sind<br />

die niedriger qualifizierten und entlohnten<br />

Jobs. Wenn der Stellenkegel wächst, gibt es<br />

eine Aufwärtsmobilität; bei einer<br />

Schrumpfung eine Abwärtsmobilität<br />

Seite 108 bzw. einen Verdrängungsprozess<br />

von oben nach unten. Auf diese<br />

Weise können auch schwankungsempfindliche<br />

Organisationen den Betriebsälteren im<br />

Zeitverlauf eine hohe Sicherheit bieten. Die<br />

Allokationsregeln sind also senioritätsbezogen<br />

(Köhler/Loudovici/Struck 2007b, in diesem<br />

Heft).<br />

Auch in Leistungsbasierten BBSS sind langfristige<br />

Beschäftigungsperspektiven gegeben, aber<br />

an individuelle Leistungsstandards und die<br />

kollektive Produktivität und Profitabilität von<br />

Unternehmensbereichen und Betriebsstätten<br />

gebunden. Auch hier konkurrieren Insider um<br />

die attraktiven Positionen in der Organisation.<br />

Diese werden aber eher mit den durchsetzungsfähigen<br />

sowie qualifikations- und leistungsstarken<br />

Personen besetzt; diese können,<br />

aber müssen nicht die Betriebsälteren sein (vgl.<br />

Köhler/Loudovici/Struck 2007b, in diesem<br />

Heft). Statistisch findet man einen weniger<br />

starken Zusammenhang von Betriebsalter und<br />

Position nach Einkommen, Status etc. als bei<br />

eher senioritätsbezogenen Allokationsregeln<br />

(vgl. Sengenberger 1987). Auch hier gibt es im<br />

Falle einer internen Besetzung eine Folgemobilität<br />

von anderen Positionen des Betriebes im<br />

Sinne von Vakanzketten. Beim Personalabbau<br />

geht man eher nach Qualifikation und Leistung<br />

vor: Entlassen werden die eher qualifikationsund<br />

leistungsschwachen Personen auf den unteren<br />

Ebenen der Arbeitsplatzhierarchie. Auch<br />

hier gibt es Verdrängungsprozesse von „oben“<br />

nach „unten“, aber sie folgen anderen Regeln<br />

(vgl. Köhler/Preisendörfer 1989).<br />

Im Leitfaden spielte die Frage nach den Regeln<br />

der Allokation von Arbeitskraft eine gewichtige<br />

Rolle. So wurde nach Kriterien für den<br />

Personalaufbau und nach Entlassungen gefragt<br />

(vgl. Appendix I):


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Personalaufbau<br />

Wie werden in Ihrer Abteilung freie Stellen<br />

besetzt: Eher von Innen oder eher von Außen?<br />

(Interviewanweisung: intern und extern -><br />

beides abfragen)<br />

Stellenbesetzung intern:<br />

Was sind das für Stellen, die von Innen<br />

besetzt werden?<br />

Gibt es typische Aufstiegswege?<br />

Wie kommt man an die guten Jobs?<br />

Stellenbesetzung extern:<br />

Was sind das für Stellen, die von Außen besetzt<br />

werden?<br />

Was sind die Einstellungsvoraussetzungen?<br />

Kommt es vor, dass Kollegen gegen Personal von<br />

Außen ausgetauscht werden? Warum? Wie läuft<br />

das ab?<br />

…<br />

Entlassungen<br />

Hat es in Ihrem Arbeitsbereich Entlassungen<br />

gegeben?<br />

Wenn ja:<br />

Wie laufen Entlassungen ab?<br />

Was waren die Gründe für Entlassungen (personell<br />

oder betrieblich)?<br />

Bei betriebsbedingten Kündigungen: Nach welchen<br />

Kriterien wurden die Leute entlassen? Wer<br />

wurde warum ausgewählt?<br />

Warum? oder Warum nicht?<br />

(passend fragen)<br />

Könnten Sie im Falle einer Entlassung irgendwie<br />

Einfluss nehmen?<br />

Für die Zuordnung zu Leistungs- oder Senioritätsbasierten<br />

BBSS wurden die Fragen<br />

zu Entlassungen in den Vordergrund gestellt.<br />

Hier interessierte besonders, nach welchen<br />

Kriterien Personen entlassen wurden bzw.<br />

werden. Bei einer Dominanz von sozialen<br />

Kriterien ordnen wir den Arbeitsbereich<br />

den senioritätsbasierten Systemen, bei einer<br />

Dominanz von Leistungskriterien den Leistungsbasierten<br />

BBSS zu.<br />

Die Auswertung macht deutlich, dass nach<br />

diesem engen Kriterium nur eine starke<br />

Minderheit der Befragten in Leistungsbasierten<br />

BBSS arbeitet (Tabelle 3.2.2), in denen<br />

langfristige Beschäftigungsperspektiven<br />

gegeben, aber an individuelle Leistungen<br />

gebunden sind. Die Mehrheit der Befragten<br />

arbeitet nach diesen Zuordnungsregeln in<br />

Senioritätsbasierten BBSS mit einem höheren<br />

Sicherheitsniveau. Bei einer Berücksichtigung<br />

zusätzlicher Kriterien, wie der Regeln bei der<br />

innerbetrieblichen Stellenbesetzung und der<br />

Lohnfindung, würde der Leistungsaspekt Geschlossener<br />

BBSS stärker in den Vordergrund<br />

rücken. In Kapitel 5 wird deshalb die<br />

Dimension Leistungsorientierung<br />

differenzierter betrachtet.<br />

Seite 109<br />

Kann man sich in Ihrem Betrieb auf den Kündigungsschutz<br />

nach Betriebszugehörigkeit/Alter<br />

und Familienstand verlassen?


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Senioritätsbasierte BBSS Leistungsbasierte BBSS Gesamt<br />

Primär<br />

B: 2<br />

BkV: 1,2,4-9<br />

C: 2-5,8<br />

G: 2,4,7-11,13,14<br />

H: 1,2<br />

M: 1,2,12,14,15<br />

P: 1-3<br />

UnD: 2,3<br />

B: 1,5<br />

BkV: 10<br />

C: 6,7<br />

G: 3,6<br />

M: 5,8,9<br />

UnD: 4<br />

= 35<br />

= 11<br />

46<br />

(93,9%)<br />

Sekundär<br />

G: 12<br />

M: 3<br />

B: 3<br />

= 2<br />

= 1 3<br />

(6,1%)<br />

Gesamt<br />

37<br />

(75,5%)<br />

12<br />

(24,5%)<br />

N = 49*<br />

(100%)<br />

Tabelle 3.2.2: Varianten Geschlossener „BBSS“<br />

*Nicht zugeordnet:<br />

M: 6 (keine Kündigungen)<br />

UnD: 5 (offenes BBSS)<br />

G: 5 (primär und senioritätsbasiert, aber Tendenz zu offenem BBSS)<br />

Seite 110


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

3.3 Randbelegschaften<br />

Randbelegschaften sind nach unserer Definition<br />

Arbeitsplätze im Betrieb, die mit zeitlich<br />

begrenzt Beschäftigten besetzt und geräumt<br />

werden, also Offene BBSS. Die Existenz von<br />

Randbelegschaften (in Offenen BBSS) kann<br />

die Arbeitsplatzsicherheit der Stammbelegschaften<br />

(in Geschlossenen BBSS) erhöhen,<br />

indem diese beim Personalabbau als erste gehen<br />

und so die Sicherheit der anderen erhöhen. Sie<br />

können aber auch als interne „Reservearmee“<br />

(Marx 1985) fungieren und als Konkurrenten<br />

die Stammbelegschaft bedrohen; dies gilt insbesondere<br />

für die leistungsbasierten Systeme.<br />

Als groben Indikator für die Existenz von<br />

Randbelegschaften nehmen wir „atypische“ Arbeitsvertragsformen<br />

mit zeitlicher Begrenzung,<br />

die wir detailliert abgefragt haben: Beschäftigte<br />

mit befristeten Arbeitsverträgen, Leiharbeiter<br />

und Externe (Personal von Fremdfirmen) im<br />

Arbeitsbereich. In 34 von 52 Fällen sind befristete<br />

Mitarbeiter, Leiharbeiter oder Externe<br />

Mitarbeiter im Arbeitsbereich des jeweiligen<br />

Befragten präsent. In 7 Fällen werden nur<br />

Leiharbeiter eingesetzt. In 18 Fällen handelt es<br />

sich um befristete Arbeitsverträge. In 9 Fällen<br />

sind sowohl befristet Beschäftigte als auch<br />

Leiharbeiter im Arbeitsbereich tätig. Diese<br />

Beschäftigtengruppen (im Folgenden zusammenfassend<br />

atypisch Beschäftigte genannt)<br />

haben in der Regel nur begrenzte Chancen<br />

auf eine Position in der Stammbelegschaft<br />

und ein großer Teil verlässt das Unternehmen<br />

nach Ablauf der Vertragszeit. Sie können aber<br />

auch als Konkurrenten der Stammbelegschaft<br />

eingesetzt werden, wenn sich Tätigkeiten überlappen.<br />

Insbesondere in Produktionsbetrieben dienen<br />

Randbelegschaften oft dem Zweck des Abfangens<br />

von temporären Nachfragespitzen:<br />

Pharmaunternehmen, Vorarbeiterin, 42<br />

Jahre: „Also, das ist `n Hoch und `n Runter,<br />

würde ich sagen bei uns. [...] es kommt<br />

drauf an, wie die Auftragslage ist.“ (C:2)<br />

Weichenbau, Schweißer, 45 Jahre: „Während<br />

in schwerpunktmäßigen Auftragsspitzen,<br />

da wir auch ein saisonaler Betrieb sind,<br />

die werden dann durch Zeitarbeitskräfte<br />

und Leiharbeitskräfte abgefangen.“ (M:12)<br />

Pharmaunternehmen, Industriemechaniker,<br />

40 Jahre: „[...] die wollen einen Stamm<br />

haben [...] und der Rest für zwei Jahre oder<br />

Zeitarbeitsfirmen, [...] der Stamm ist, [...]<br />

eigentlich der größte Teil ja.“ (C:3)<br />

Die Aussagen der Befragten legen es nahe,<br />

hier zwei Gruppen zu unterscheiden. In der<br />

ersten Gruppe ist eine klare Abgrenzung zwischen<br />

Insidern und Outsidern zu erkennen.<br />

Hier übernehmen die atypisch Beschäftigten<br />

eher Hilfstätigkeiten mit geringen Qualifikationsanforderungen,<br />

die größtenteils auch<br />

von Fachfremden zu leisten sind, und stellen<br />

damit keine Bedrohung für eine einschlägig<br />

qualifizierte Stammbelegschaft dar.<br />

In der zweiten Gruppe überschneiden<br />

sich die Einsatzfelder.<br />

Eine klare Abgrenzung der Tätigkeitsfelder<br />

findet sich etwa im Versicherungswesen:<br />

Seite 111


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Krankenversicherung, Versicherungskauffrau,<br />

35 Jahre: „[...] Aushilfskräfte, die [...]<br />

wenn wirklich sehr viel zu tun ist [...] Botendienste<br />

übernehmen, wirklich einfache<br />

Tätigkeiten, Sortiertätigkeiten, kopieren,<br />

[...] so Hilfstätigkeiten.“ (BkV: 1)<br />

Auch in der Produktion handelt es sich bei<br />

einzelnen Fällen um Aushilfstätigkeiten:<br />

Rohbau, Vorarbeiter, 36 Jahre: „...[Leiharbeiter<br />

arbeiten] hauptsächlich in der Reinigung<br />

von der Baustelle und in Ordnung und<br />

Sauberkeit.“ (B: 2)<br />

Es ist zu vermuten, dass diese atypisch Beschäftigten<br />

eher die Stammbelegschaft in<br />

den Geschlossenen BBSS stabilisieren bzw.<br />

vom externen Markt abschotten. Die atypisch<br />

Beschäftigten haben kaum Aussicht auf eine<br />

Übernahme.<br />

Unser Sample beinhaltet ebenso Fälle aus<br />

der zweiten Gruppe atypisch Beschäftigter,<br />

mit sich überlappenden Tätigkeitsfeldern, bei<br />

denen sich über die letzten Jahre eine Veränderung<br />

in der Vergabemodalität von unbefristeten<br />

Stellen zeitigt: So werden Befristungen<br />

immer häufiger als verlängerte Probezeit für<br />

feste Stellen genutzt. Dies gilt in unserem<br />

Sample stärker für Produktionsbetriebe als<br />

z.B. im Bereich Banken und Versicherungen<br />

oder in der Gesundheitsbranche.<br />

Da die Neueingestellten in diesen Fällen in<br />

die Tätigkeiten der Stammbelegschaft eingearbeitet<br />

werden, ist der Unterschied zwischen<br />

Rand- und Stammbelegschaft häufig nur auf<br />

dem Lohnzettel vorhanden. Dies kann als ein<br />

Hinweis auf den Umbau von Senioritätsbasierten<br />

BBSS zu Leistungsbasierten BBSS gelesen<br />

werden, in denen ein erhöhter Leistungsdruck<br />

nicht nur für die atypisch Beschäftigten, sondern<br />

auch für die Festangestellten besteht. Die<br />

Stammbelegschaft hat nach wie vor gewisse<br />

Sicherheiten durch unbefristete Verträge und<br />

– soweit vorhanden – über die Betriebsräte;<br />

allerdings wird hier eine stärkere Konkurrenz<br />

zwischen Insidern und Outsidern aufgebaut.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass<br />

bei etwa zwei Drittel unserer Fälle (34 von<br />

52) nach den einschlägigen Interviewpassagen<br />

und unserer Definition Randbelegschaften in<br />

Form von atypisch Beschäftigten zu erkennen<br />

sind. Bei einem Teil dieser Betriebe findet sich<br />

auf der Basis von Senioritätsregeln und/oder<br />

Qualifikationen eine deutliche Abgrenzung<br />

von Insidern und Outsidern. Hier sind<br />

Stammarbeitsplätze nicht durch die Randbelegschaften<br />

gefährdet. Bei einem zweiten Teil<br />

dieser Betriebe mit atypisch Beschäftigten<br />

(insbesondere in der Produktion) werden befristet<br />

Beschäftigte auch für die Tätigkeiten der<br />

StammarbeiterInnen eingesetzt. Hier kann es<br />

zu einer Konkurrenz zwischen Outsidern und<br />

Insidern kommen.<br />

Seite 112 Pharmaunternehmen, Vorarbeiterin, 42<br />

Jahre: „Neueinstellungen [...] kommen<br />

ja jetzt über ’ne Zeitfirma.“ (C: 2)


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

12<br />

N=49<br />

10<br />

Anzahl der Befragten<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

2.5<br />

4.5<br />

5<br />

6<br />

6.5 7 7.5 8<br />

wirtschaftliche Situation<br />

8.5<br />

9<br />

9.5<br />

10<br />

Abbildung 3.4.1: Wirtschaftlche Situation der Betriebe<br />

3.4 Wirtschaftliche Lage und Beschäftigungsentwicklung<br />

Arbeitsplatzrisiken werden nicht alleine<br />

an den personalpolitischen Mustern und<br />

Strategien, sondern auch und vor allem an<br />

der wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen<br />

Situation von Unternehmen und<br />

Betriebsteilen festgemacht. Wir untersuchen<br />

daher, wie die befragten NormalarbeiterInnen<br />

diese beurteilen. Des Weiteren wurden die Beschäftigungsentwicklung<br />

in der Vergangenheit<br />

und die erwartete Beschäftigungsentwicklung<br />

in der Zukunft erfragt. Zur Vertiefung des<br />

Themas wurde schließlich nach Entlassungserfahrungen<br />

im betrieblichen Umfeld gefragt.<br />

Die Wirtschaftliche Situation der Betriebe<br />

Während der Befragung wurden die<br />

Interviewten gebeten, die wirtschaft-<br />

Seite 113<br />

liche Situation ihres Unternehmens<br />

auf einer Skala von 1 bis 10 einzuschätzen<br />

(wobei 10 die positivste Ausprägung der Skala<br />

ist). Die Auswertung belegt, dass etwa zwei<br />

Drittel der Befragten die wirtschaftliche Si-


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

tuation ihres Betriebes als positiv eingeschätzt<br />

haben. Neben 25 von 49 Befragten, die die<br />

wirtschaftliche Situation mit 7 oder 8 von<br />

10 möglichen Punkten bewerteten, gaben 8<br />

weitere Befragte ihrem Unternehmen sogar 9<br />

oder 10 Punkte. In nur einem Fall wurde die<br />

wirtschaftliche Lage als eindeutig schlecht<br />

eingestuft, in 3 Fällen sahen sich die Befragten<br />

außerstande eine Einschätzung abzugeben.<br />

Insgesamt ist die Verteilung in Richtung einer<br />

guten wirtschaftlichen Lage geneigt (Abbildung<br />

3.4.1).<br />

Beschäftigungsentwicklung<br />

Eine positiv eingeschätzte wirtschaftliche Situation<br />

der Unternehmen übersetzt sich nicht<br />

notwendigerweise in eine positive Einschätzung<br />

zur Entwicklung der Beschäftigung im<br />

Unternehmen. Daher wurden die Befragten<br />

gebeten, Einschätzungen zur Beschäftigungsentwicklung<br />

für die Zukunft abzugeben. Um<br />

ein vollständiges Bild der Beschäftigungsentwicklung<br />

im jeweiligen Befragungsunternehmen<br />

zu erhalten, fragten wir zusätzlich nach<br />

Erfahrungen zur Beschäftigungsentwicklung<br />

innerhalb der letzten 5 Jahre.<br />

In 26 von 52 Fällen ergaben unsere Auswertungen,<br />

dass die Beschäftigtenzahlen in der<br />

Vergangenheit weitestgehend stabil geblieben<br />

sind. In 16 Fällen wird sogar ein Beschäftigungswachstum<br />

in der Vergangenheit<br />

konstatiert. In nur 10 Fällen, also etwa<br />

Seite 114 einem Fünftel der Befragten, wird<br />

von einer Schrumpfung der Beschäftigungszahlen<br />

berichtet (Abbildung 3.4.2).<br />

Nach den Angaben der Befragten haben sich<br />

die Beschäftigtenzahlen in der Vergangenheit<br />

branchenspezifisch unterschiedlich entwickelt,<br />

auch wenn der Anteil der stabilen Betriebe in<br />

allen Branchen sehr hoch ist. Das starke Beschäftigungswachstum<br />

bei Banken und Versicherungen<br />

ergab sich möglicherweise aus dem<br />

Nachholbedarf der neuen Bundesländer.<br />

Für die Zukunft rechnet die Mehrheit der<br />

Befragten (30 von 50) entweder mit Stabilität<br />

oder einem Wachstum der Beschäftigtenzahlen<br />

(24 bzw. 6) – die Erwartungen an die Zukunft<br />

zeigen also in unserem Sample eine durchaus<br />

positive Tendenz. Jedoch gehen immerhin 20<br />

Befragte von einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen<br />

aus (Abbildung 3.4.3). Diese<br />

Ein schätzung könnte ein Hinweis auf den<br />

sich branchenspezifisch verschärfenden Wettbewerb<br />

bzw. auf Restrukturierungsprozesse<br />

in den Unternehmen in der Vergangenheit<br />

sein, welche entsprechende Erwartungen für<br />

die Zukunft schüren. Zwei Befragte machten<br />

keine Angabe zur zukünftigen Entwicklung<br />

der Beschäftigung im Unternehmen.<br />

Insbesondere Befragte aus ostdeutschen Banken<br />

und Versicherungen (die für die Vergangenheit<br />

überproportional positive Einschätzungen<br />

machten) gehen eher von einer Schrumpfung<br />

als von einem Wachstum der Beschäftigtenzahl<br />

aus. In der Bau- und Chemiebranche geht die<br />

Hälfte der Befragten und in der Gesundheitsbranche<br />

eine starke Minderheit der Befragten<br />

ebenso von einer Schrumpfung der Beschäftigtenzahlen<br />

in der Zukunft aus. Besonders<br />

die Metallbranche steht beispielhaft für die<br />

dennoch insgesamt dominante Tendenz in den<br />

Erwartungen der Befragten hinsichtlich einer<br />

stabilen bzw. zunehmenden Beschäftigtenzahl.<br />

Abschließend werden die Aussagen zu Erfahrungen<br />

hinsichtlich der Beschäftigungs-


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

100<br />

80<br />

Beschäftigungsentwicklung<br />

in der Vergangenheit<br />

Schrumpfung<br />

Stabilität<br />

Wachstum<br />

Prozent<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Bau<br />

Chemie<br />

BKV<br />

Branche<br />

Metall<br />

Gesundheit<br />

Abbildung 3.4.2: Beschäftigungsentwicklung in der Vergangenheit nach Branchen (N=43) 2<br />

entwicklung in der Vergangenheit und die<br />

Angaben der Befragten zu Erwartungen in<br />

der Zukunft direkt verglichen. Abbildung<br />

3.4.4 zeigt die Verteilung der Zukunftserwartungen<br />

gemessen an der Einschätzung der<br />

Vergangenheit. Die Ergebnisse belegen, dass<br />

die Befragten sehr differenziert urteilen und<br />

keineswegs die Trends der Vergangenheit für<br />

die Zukunft verlängern. So erwarten viele der<br />

Befragten aus „Schrumpfbetrieben“ für die<br />

Zukunft eine Stabilisierung der Beschäftigung.<br />

Auf der anderen Seite wird jedoch für einen<br />

Teil der stabilen Betriebe eine Verschlechterung<br />

erwartet, jedoch gehen mehr Beschäftigte<br />

in stabilen Betrieben von Stabilität oder<br />

Wachstum aus. Insgesamt überwiegt die Zahl<br />

der „Optimisten“ die der „Pessimisten“.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass<br />

die Mehrheit von drei Fünftel der Befragten<br />

mit einer positiven Entwicklung<br />

rechnet, d.h. sie geht von einer<br />

Zunahme oder Stabilisierung der<br />

Seite 115<br />

Beschäftigtenzahlen aus. Allerdings<br />

erhöht sich die Zahl der „Pessimisten“ von<br />

einem auf zwei Fünftel, wenn man nach der<br />

zukünftigen Entwicklung fragt.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

100<br />

80<br />

Beschäftigungsentwicklung<br />

in der Zukunft<br />

Schrumpfung<br />

Stabilität<br />

Wachstum<br />

Prozent<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

BKV<br />

Bau Chemie Gesundheit Metall<br />

Branche<br />

Abbildung 3.4.3: Beschäftigungsentwicklung in der Zukunft nach Branchen (N=42) 3<br />

Entlassungen<br />

Eine negative Beschäftigungsentwicklung<br />

ist nicht zwangsläufig mit aktivem Personalabbau<br />

gleichzusetzen, denn sie kann über<br />

weiche Personalanpassungsmaßnahmen wie<br />

Nichtersetzen der Altersabgänge und<br />

arbeitnehmerseitigen Kündigungen<br />

Seite 116 erfolgen. Es ist aber zu vermuten,<br />

dass Entlassungen im betrieblichen<br />

Umfeld in der Vergangenheit einen starken<br />

Einfluss auf die wahrgenommene individuelle<br />

Arbeitsplatzsicherheit ausüben. Aus diesem<br />

Grund wurden die Befragten gebeten, Auskünfte<br />

über Entlassungen in ihrem Arbeitsbereich<br />

zu geben (siehe Appendix I).<br />

In 25 von 52 Fällen gaben die Befragten an,<br />

dass es in ihrem Arbeitsbereich seit Beschäftigungsbeginn<br />

Entlassungen gegeben hat. In<br />

unserer Auswertung wurde, im Anschluss an<br />

das Kündigungsschutzgesetz, eine Unterscheidung<br />

zwischen betrieblichen und personellen<br />

Entlassungsgründen vorgenommen. In der<br />

überwiegenden Mehrheit der Fälle mit Entlassungen<br />

lagen personelle Gründe vor. In 3<br />

Fällen wurde eine Mischung aus personellund<br />

betriebsbedingten Kündigungen deutlich


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

12<br />

10<br />

Beschäftigungsentwicklung<br />

in der Zukunft<br />

Schrumpfung<br />

Stabilität<br />

Wachstum<br />

Anzahl der Befragten<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Schrumpfung<br />

Stabilität<br />

Wachstum<br />

Beschäftigungsentwicklung in der Vergangenheit<br />

N=52<br />

Abbildung 3.4.4:<br />

Beschäftigungsentwicklung in den letzten 5 Jahren und Erwartungen für die Zukunft (N=50) 4<br />

und in lediglich 9 Fällen lagen rein betriebliche<br />

Entlassungsgründe vor. Folglich hat weniger<br />

als ein Viertel aller Befragten rein betrieblich<br />

bedingte Entlassungsmaßnahmen erlebt.<br />

Zusammenfassend können wir festhalten,<br />

dass in etwa die Hälfte aller Befragten von<br />

Entlassungserfahrungen im Arbeitsbereich<br />

berichtet, wovon wiederum etwas mehr als<br />

die Hälfte rein personelle Entlassungsgründe<br />

benennt. Die Anzahl der personell bedingten<br />

Kündigungen verweist darauf, dass die individuellen<br />

Qualifikationen und Leistungen der<br />

Beschäftigten zu einem wichtigen Kriterium<br />

der Beschäftigungssicherheit geworden sind,<br />

d.h. auch in stabilen Unternehmen werden<br />

individuelle Beschäftigungsrisiken auf Basis<br />

von Leistungsproblemen wahrgenommen und<br />

konstatiert (vgl. Abschnitt 4.3). Auch<br />

dies lesen wir als einen Beleg für den<br />

Umbau von Senioritätsbasierten auf<br />

Leistungsbasierte BBSS.<br />

Zudem zeigt sich, dass die wirtschaftliche<br />

und beschäftigungspolitische Situation der<br />

Betriebe durch eine Mehrheit der Befragten<br />

Seite 117


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

positiv beurteilt wird. Für die Beschäftigungsentwicklung<br />

in der Vergangenheit konstatieren<br />

vier Fünftel der Befragten Stabilität oder sogar<br />

Wachstum, für die Zukunft erwarten dies immerhin<br />

noch drei Fünftel der Befragten, d.h.<br />

der Anteil der negativen Einschätzungen im<br />

Hinblick auf die Beschäftigungsentwicklung<br />

steigt bis auf rund zwei Fünftel an. Die Basis<br />

dafür könnten die Erfahrungen der Beschäftigten<br />

mit betrieblichen Restrukturierungsprozessen<br />

(insbesondere in Großunternehmen)<br />

sowie die gesellschaftspolitische ‚Großwetterlage’<br />

sein. Ein Viertel aller Befragten berichtet<br />

von rein personell bedingten Kündigungen im<br />

Arbeitsbereich. Ein anderer, jedoch kleinerer<br />

Teil aller Befragten, berichtet von betrieblich<br />

bedingten Entlassungen im Arbeitsbereich.<br />

3.5 Fazit<br />

Das Hauptziel der Lehrforschung besteht<br />

darin, die Ausweitung von wahrgenommener<br />

Unsicherheit für NormalarbeiterInnen in<br />

Bezug auf die eigenen Berufsperspektiven<br />

sowie deren Handlungsfolgen zu prüfen.<br />

Wir gehen allerdings davon aus, dass die „gefühlte<br />

Unsicherheit“ mit der Wahrnehmung<br />

des betrieblichen Umfeldes in Verbindung<br />

steht. Deshalb beginnen wir den Bericht im<br />

vorangestellten Kapitel mit Analysen zur<br />

wirtschafts- und beschäftigungspolitischen<br />

Situation der Unternehmen.<br />

Seite 118 Ziel der Fallauswahl war es, Personen<br />

in Normalarbeitsverhältnissen mit<br />

unbefristeten Arbeitsverträgen zu erfassen,<br />

um die Ausbreitung von Unsicherheit<br />

in der „Zone der Integration“ (Castel 2000,<br />

2005; Dörre 2005a, 2005b) zu prüfen. Unsere<br />

Samplestruktur zeigt, dass die Zielstellung für<br />

die Fallauswahl erreicht ist. Fast alle Befragten<br />

unseres Samples arbeiten in Arbeitsbereichen<br />

mit dominant langfristiger Beschäftigung,<br />

die wir als Geschlossene BBSS bezeichnen.<br />

Davon erzielt die überwiegende Mehrheit<br />

durchschnittliche bis überdurchschnittliche<br />

Einkommen, während nur drei Fälle unterdurchschnittliche<br />

Löhne erhalten.<br />

Unsere Ausgangshypothesen waren, dass a)<br />

personalpolitische Strategien der Langfristbeschäftigung<br />

auch im Bereich der Normalbeschäftigung<br />

brüchig werden und dass<br />

b) die Beschäftigungsentwicklung vor dem<br />

Hintergrund des Restrukturierungsprozesses<br />

der west- und ostdeutschen Wirtschaft eher<br />

negativ wahrgenommen wird. Im Ergebnis<br />

der Auswertungen haben sich unsere weit<br />

reichenden Hypothesen nicht voll bestätigt,<br />

sondern müssen relativiert werden. Die Beschäftigten<br />

gehen für ihre Arbeitsbereiche von<br />

einem Sicherheitsversprechen der Betriebe<br />

aus, dies ist einmal in unbefristeten Verträgen<br />

verankert. Es wird aber auch über die Personalpolitik<br />

in den Geschlossenen BBSS bestätigt:<br />

Wenn nichts „Schlimmes“ dazwischenkommt,<br />

besteht Beschäftigungssicherheit.<br />

Allerdings beobachtet eine starke Minderheit<br />

der Befragten, dass auch in den Arbeitsbereichen<br />

mit langfristiger Beschäftigung<br />

Leistungs- und Qualifikationskriterien in<br />

der Personalpolitik eine große Rolle spielen.<br />

Dies heißt, dass im Normalbetrieb, aber<br />

insbesondere bei anstehenden Personalanpassungsmaßnahmen,<br />

Sicherheit an Leistung<br />

gebunden ist. Das Sicherheitsversprechen der<br />

Normalbeschäftigung besteht weiter, es wird<br />

aber relativiert.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Auch in Bezug auf die Beschreibung des wirtschafts-<br />

und beschäftigungspolitischen Umfeldes<br />

der Befragten können wir nicht von einer<br />

Generalisierung von Unsicherheit ausgehen:<br />

Für die Vergangenheit konstatieren vier Fünftel<br />

der Befragten eine positive Beschäftigungsentwicklung,<br />

für die Zukunft immerhin noch<br />

drei Fünftel. Erfahrungen mit Entlassungen im<br />

betrieblichen Umfeld haben in etwa die Hälfte<br />

aller Befragten gemacht, wovon wiederum etwas<br />

mehr als die Hälfte eher personelle und ein<br />

anderer, jedoch kleinerer Teil eher betriebliche<br />

Gründe nennt.<br />

Zusammenfassend halten wir fest, dass unsere<br />

empirischen Analysen zu Arbeitsplatzrisiken<br />

im betrieblichen Umfeld der Befragten erste<br />

Zweifel an der Großthese der „Generalisierung“<br />

von Unsicherheit bei Normalbeschäftigten<br />

nahe legen. Unser Sample legt einen<br />

Schwerpunkt auf kleinere und mittlere ostdeutsche,<br />

z.T. nicht tarifgebundene Betriebe<br />

ohne Betriebsrat. Gerade hier hätten wir eine<br />

Vielzahl von Konstellationen erwartet, in<br />

denen Beschäftigte hohe Arbeitsplatzrisiken<br />

für ihr Arbeitsumfeld konstatieren. Diese Erwartungen<br />

haben sich nicht bestätigt. Fast alle<br />

Befragten gehen davon aus, dass die Betriebe<br />

personalpolitisch das Sicherheitsversprechen<br />

für die Stammbeschäftigten einlösen, wenn<br />

diese ihre Leistung bringen und keine große<br />

Krise des Unternehmens dazwischenkommt.<br />

4. Wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit<br />

von Janine Bernhardt<br />

4.1 Vorbemerkung<br />

Die Ergebnisse zur wirtschafts- und beschäftigungspolitischen<br />

Situation der untersuchten<br />

Unternehmen im vorangegangenen Kapitel<br />

sprechen gegenwärtig gegen eine Generalisierung<br />

von kollektiven Beschäftigungsrisiken.<br />

An das betriebliche Umfeld der befragten<br />

Beschäftigten anknüpfend wird in diesem<br />

Kapitel der Frage nach einer Generalisierung<br />

von individuellen Beschäftigungsrisiken 5 im<br />

„Zentrum der Arbeitsgesellschaft“ nachgegangen<br />

(Bultemeier u.a. 2007). Dazu untersuchen<br />

wir die wahrgenommene Sicherheit<br />

im aktuellen Beschäftigungsverhältnis und<br />

grenzen diese Arbeitsplatzsicherheit ab von<br />

überbetrieblichen Sicherheiten der Befragten,<br />

ausgehend von wahrgenommenen Chancen<br />

auf dem externen Arbeitsmarkt bzw. der<br />

Ausweichmöglichkeit auf Alternativrollen<br />

(Familie oder Sozialleistungen).<br />

In der Analyse der Interviews zur wahrgenommenen<br />

Arbeitsplatzsicherheit der Befragten<br />

sind drei Zusammenhänge von Bedeutung:<br />

1. Wie beurteilen die Befragten ihre<br />

Chancen, langfristig bei ihrem gegenwärtigen<br />

Arbeitgeber beschäftigt<br />

zu bleiben?<br />

Seite 119<br />

2. Wie begründen sie diese Einschätzung<br />

(direkt oder indirekt)?


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Seite 120<br />

3. Welche Relevanz hat die subjektiv wahrgenommene<br />

Arbeitsplatzsicherheit im<br />

Gesamtzusammenhang aller Sicherheitsnetze<br />

(betrieblich und überbetrieblich) der<br />

Befragten?<br />

Die Untersuchung dieser Teilfragen erfolgte<br />

insbesondere anhand der folgenden Fragen<br />

aus dem Leitfaden (vgl. Appendix I).:<br />

Unsicherheit ist in vielen Branchen und<br />

Betrieben weit verbreitet. Inwieweit hat das<br />

wachsende Umfeld von Unsicherheit Auswirkungen<br />

in Ihrem Arbeitsbereich?<br />

Wie sicher ist Ihr Arbeitsplatz? 100 Prozent<br />

oder weniger? Bitte schätzen Sie.<br />

Was sind die Gründe für diese Sicherheit/Unsicherheit?<br />

Was bedeutet diese Sicherheitslage für Sie?<br />

Welchen Wert hat betriebliche Beschäftigungssicherheit<br />

für Sie?<br />

Fühlen Sie sich eher sicher oder unsicher?<br />

Was können Sie tun, um Ihre Sicherheit zu<br />

verbessern?<br />

Wie schätzen Sie die Chance ein,<br />

einen vergleichbaren Arbeitsplatz zu<br />

finden?<br />

Jeder Mensch braucht Sicherheit.<br />

Welche Rolle spielen bei Ihnen in diesem<br />

Zusammenhang der Betrieb, die Familie, der<br />

Arbeitsmarkt?<br />

Aus früheren Lehrforschungen wissen wir, dass<br />

wir im Interview zunächst oft mit allgemein<br />

gehaltenen Aussagen wie „100 Prozent sicher<br />

ist sicher mal niemand“ (G: 12) konfrontiert<br />

werden. Die erste Frage im Leitfaden diente<br />

somit der Hinführung auf das unter Umständen<br />

für die Beschäftigten sensible Thema<br />

und der Gewinnung eines ersten Eindrucks<br />

bezüglich der Brisanz von Unsicherheit in den<br />

einzelnen Branchen und Betrieben. Mit der<br />

Frage nach dem wahrgenommenen Niveau der<br />

Arbeitsplatzsicherheit (in Prozent) wollten wir<br />

dann eine Selbstpositionierung der Befragten<br />

erreichen, die es uns ermöglicht das Gespräch<br />

vertiefend fortzuführen. Vermutlich werden<br />

nicht alle Befragten, die Unsicherheit in ihrem<br />

Arbeitsbereich konstatieren, ihren eigenen<br />

Arbeitsplatz als unsicher bewerten. Die Begründungen<br />

der individuellen Sicherheitslage<br />

sollen darüber Aufschluss geben.<br />

Zudem erheben wir die Relevanz der Sicherheitslage<br />

für die jeweiligen Befragten, von<br />

der wir annehmen, dass sie das individuelle<br />

Erleben von (Un-)Sicherheit beeinflusst<br />

und auf mögliche Verarbeitungsformen von<br />

Unsicherheit hinweist. Einige Ausnahmefälle<br />

implizieren einerseits, dass eine relativ hoch<br />

wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit<br />

trotzdem mit großen Sorgen und Ängsten um<br />

die Existenzsicherung verbunden sein kann.<br />

Andererseits zeigt sich empirisch, dass geringe<br />

Arbeitsplatzsicherheit auch nicht prinzipiell<br />

als bedrohlich empfunden wird, insbesondere<br />

dann nicht, wenn alternative Optionen zur<br />

Verfügung stehen (vgl. z.B. Schramm 1992).<br />

Bei der Auswertung des vorliegenden Interviewmaterials<br />

auf diese Zusammenhänge hin<br />

wollen wir sinnverstehend vorgehen; d.h. wir


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

suchen in den Interviews nach immanenten<br />

Sinnzusammenhängen, welche die Befragten<br />

selbst herstellen, und versuchen diese zu interpretieren.<br />

Folgende empirische Ergebnisse<br />

sollen in den Abschnitten 4.2 bis 4.4 herausgestellt<br />

werden:<br />

- Das Thema Arbeitsplatzunsicherheit ist bei<br />

einer Mehrheit der in stabilen Arbeitsverhältnissen<br />

befragten Beschäftigten präsent.<br />

- Dennoch fühlt sich die überwiegende Mehrheit<br />

der Befragten auf ihrem Arbeitsplatz<br />

„relativ sicher“ bis „sehr sicher“.<br />

- Die Begründungszusammenhänge zu individuellen<br />

Beschäftigungsrisiken verweisen insgesamt<br />

darauf, dass nicht die wirtschaftliche<br />

Situation des Betriebes oder der Kündigungsschutz,<br />

sondern die individuelle Leistung<br />

und/oder Qualifikation ausschlaggebend für<br />

Arbeitsplatzsicherheit sind.<br />

- Die Relevanz der wahrgenommenen Arbeitsplatzsicherheit<br />

für die einzelnen Befragten<br />

richtet sich insbesondere nach deren überbetrieblichen<br />

Sicherheiten – ihren wahrgenommenen<br />

Chancen auf dem externen Arbeitsmarkt<br />

und dem familiären Hintergrund.<br />

4.2 Wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit<br />

Auswirkungen von Unsicherheit auf Arbeitsbereich<br />

und Betrieb<br />

Zur Eröffnung der Thematik wollten wir<br />

wissen, welche Brisanz Arbeitnehmer in Normalarbeitsverhältnissen<br />

dem Thema Unsicherheit<br />

für ihren Arbeitsbereich und Betrieb<br />

überhaupt beimessen. Wie Abbildung 4.2.1<br />

zeigt, berichtet eine Mehrheit der Befragten<br />

über Unsicherheit in ihrem Arbeitsbereich.<br />

In der Baubranche wird Unsicherheit mit<br />

der schwankenden Auftragslage, Zahlungsausfällen<br />

sowie der Bedrohung durch ausländische<br />

Mitarbeiter begründet. Die befragten<br />

Mitarbeiter von Kranken- und Rentenversicherungen<br />

(ÖD) und einer Sparkasse<br />

führen eine zunehmende Verunsicherung auf<br />

Leistungsdruck zurück, der mittels Zielvorgaben<br />

auf sie ausgeübt wird. Zum Zweiten<br />

tragen zu dieser Verunsicherung auch bereits<br />

durchgeführte bzw. bevorstehende Rentenund<br />

Gesundheitsreformen bei, meist gefolgt<br />

von Umstrukturierungen und teilweise von<br />

Personalabbau. Auch seien Fusionen im<br />

Gespräch, die aufgrund eines potentiellen<br />

Personalüberhangs Entlassungen befürchten<br />

lassen. In der Chemiebranche verbreitet sich<br />

Unsicherheit den Befragten zufolge in erster<br />

Linie angesichts drohender bzw.<br />

realisierter Firmenübernahmen durch<br />

multinationale Konzerne und damit<br />

Seite 121<br />

befürchteten Rationalisierungen oder<br />

Standortverlagerungen bzw. -schließungen.<br />

In den kommunalen Krankenhäusern und<br />

Unikliniken sieht man kommenden Privatisierungen<br />

ungewiss entgegen, da auch dort


Bau<br />

Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

Anzahl der Befragten<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

kein thema<br />

thema<br />

handel<br />

metall<br />

gesundheit<br />

printmedien<br />

chemie<br />

Banken- und Vers.<br />

unternehmensnahe dL<br />

Abbildung 4.2.1: Ist Unsicherheit Thema im Arbeitsbereich der Befragten? (N=52)<br />

mit Effizienzsteigerungen und Personalabbau<br />

gerechnet wird. Beschäftigte im Bereich der<br />

Printmedien hegen Zweifel am Erhalt ihrer<br />

Lokalredaktionen. Der massive Konkurrenzdruck<br />

im Handel wirkt sich ebenfalls negativ<br />

auf das Sicherheitserleben der Kollegen im<br />

Arbeitsbereich der Befragten aus. Lediglich<br />

in den Branchen Metall und unternehmensnahe<br />

Dienstleistungen gibt der<br />

überwiegende Teil der Befragten an,<br />

Seite 122 Unsicherheit sei kaum ein Thema im<br />

Arbeitsbereich. Die Gründe hierfür<br />

werden von den Beschäftigten vor allem in der<br />

gegen wärtig guten wirtschaftlichen Lage des<br />

arbeitgebenden Unternehmens gesehen.<br />

Diese, einen ersten Eindruck vermittelnden,<br />

Aussagen zu Unsicherheiten im Arbeitsbereich<br />

bestätigen damit die Ausführungen zur Situation<br />

der Betriebe im vorangegangenen Kapitel.<br />

Die Selbstpositionierung – das wahrgenommene<br />

Niveau der Arbeitsplatzsicherheit<br />

Im Anschluss an die Frage nach Unsicherheit<br />

im Arbeitsbereich wollten wir über die Einschätzung<br />

der individuellen Arbeitsplatzsicherheit<br />

(in Prozent) eine Selbstpositionierung<br />

der Befragten erreichen. Abbildung 4.2.2 zeigt<br />

überraschend, dass die überwiegende Mehrheit<br />

der befragten Beschäftigten die Sicherheit<br />

ihres Arbeitsplatzes zu 80 Prozent bzw. darüber


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

Anzahl der Befragten<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

50<br />

60-65<br />

70-75<br />

80-85<br />

90-95<br />

100<br />

Abbildung 4.2.2: Wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit in Prozent (N=52)<br />

einschätzt. Vier Beschäftigte sprechen gar von<br />

einem 100 Prozent sicheren Arbeitsplatz.<br />

Zudem stufen sich nahezu alle Befragten<br />

mit ihrer Sicherheit deutlich über dem Bevölkerungsdurchschnitt<br />

ein. Dies gilt quer zu<br />

Berufen, Qualifikationsniveaus, Geschlecht,<br />

Branchen und Betriebsgrößen. Lediglich bei<br />

den Interviewten mit einer wahrgenommenen<br />

Arbeitsplatzsicherheit von 50 Prozent ist eine<br />

Mehrheit der Meinung, im Bevölkerungsdurchschnitt<br />

zu liegen. Keiner der Befragten<br />

ordnet sich mit seiner Sicherheitsbewertung<br />

unterhalb des Bevölkerungsdurchschnittes ein.<br />

Aus der Gegenperspektive betrachtet verweist<br />

das Ergebnis jedoch auch darauf, dass in etwa<br />

einem Drittel der Fälle der Arbeitsplatz subjektiv<br />

als weniger sicher eingeschätzt wird, im<br />

Extremfall nur zu 50 Prozent, wie sechs Befragte<br />

angeben 6 . Überdies berichten fast alle<br />

Interviewten, dass ihr Sicherheitsgefühl in den<br />

vergangenen Jahren abgenommen habe. Zur<br />

Illustration sind nachstehend einige<br />

Reaktionen auf die Sicherheitsfrage<br />

aufgeführt:<br />

Bauunternehmen, Vorarbeiter, 35 Jahre,<br />

60% 7 : fühlt sich „Unsicher. Es wird immer<br />

unsicherer, von Jahr zu Jahr wird es unsicherer“.<br />

(B: 2)<br />

Seite 123


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Rentenversicherung, Kundenberaterin, 44<br />

Jahre: „80 % kann man noch sicher sagen,<br />

aber eben keine 100%ige Sicherheit mehr<br />

in der heutigen Zeit. Auch wenn das viele<br />

in der freien Wirtschaft so sehen, dass der<br />

Öffentliche Dienst sicher ist, aber man<br />

sieht ja auch was jetzt gestreikt wird und<br />

so, da sieht man ja, dass eine Unsicherheit<br />

entstanden ist“. (BkV6)<br />

Rentenversicherung, Kundenberaterin, 45<br />

Jahre: „Früher hätte ich mal gesagt 100<br />

Prozent. Vielleicht 80“. (BkV: 9)<br />

Apotheke, PTA, 36 Jahre: „Also, 100% auf<br />

keinen Fall, wobei ich denke, welcher Job<br />

ist heute schon 100 Prozent sicher. Äh, ich<br />

würde es mal mit 70 Prozent einschätzen“.<br />

(C: 7)<br />

Tageszeitung, Redakteur, 32 Jahre: „Und<br />

die 80 Prozent, die ich noch habe, die waren<br />

mal höher. Aber tendenziell würde ich<br />

sagen, geht die Sicherheit zurück“. (P: 1)<br />

Pharmaunternehmen, Abteilungsleiter,<br />

43 Jahre, 80%: „Es ist so, dass bei meinen<br />

Mitarbeitern, die, ich sage mal die Angst<br />

um den Arbeitsplatz in den letzten Jahren<br />

drastisch gestiegen ist. [...] Man merkt<br />

auch, dass, ich sag mal, im Gegensatz vielleicht<br />

vor fünf Jahren, oder vor zehn Jahren,<br />

äh, die Sicherheit des Arbeitsplatzes nicht<br />

mehr so groß ist wie damals. [...] Also<br />

man, äh, hat jetzt doch mehr das Ge-<br />

Seite 124 fühl, dass ein gewisses Risiko da ist,<br />

dass man den Arbeitsplatz verliert“.<br />

(C: 5)<br />

Pharmaunternehmen, Mechaniker, 39<br />

Jahre, 60%: „Diese Unsicherheit, die hat<br />

man in der Gesellschaft immer, muss man<br />

immer haben, weil nen festen Arbeitsplatz<br />

gibt’s nicht mehr“. (C: 8)<br />

In Bezug auf die Brisanz des Themas Arbeitsplatzunsicherheit<br />

im Arbeitsbereich der<br />

Befragten deuteten sich branchenspezifische<br />

Unterschiede an. Ebenso haben wir auch – je<br />

nach Branchenzugehörigkeit – unterschiedliche<br />

individuelle Sicherheitsniveaus gefunden<br />

(Tabelle 4.2.1).<br />

Da bei den Befragten der Branche Banken<br />

und Versicherungen in unserem Sample fast<br />

ausschließlich Angestellte des Öffentlichen<br />

Dienstes vertreten sind, wird kaum überraschend<br />

eine vergleichsweise hohe Sicherheit<br />

angegeben. Trotzdem klagten gerade Befragte<br />

dieser Branche über eine zunehmend sich<br />

ausbreitende Unsicherheit. In der Gesundheitsbranche<br />

ist bis auf einzelne Ausnahmen<br />

ebenfalls eine sehr hohe Sicherheit zu verzeichnen<br />

8 . Auch in den Branchen Metall und<br />

unternehmensnahe Dienstleistungen bewerten<br />

die Befragten ihre Sicherheitslage überwiegend<br />

positiv. Die Sicherheitswahrnehmung der befragten<br />

Personen in den Printmedien bewegen<br />

sich innerhalb unseres Samples im Mittelfeld,<br />

wobei diese Einschätzung für den Verbleib<br />

im Unternehmen gilt. Was die Erhaltung der<br />

jeweiligen Lokalredaktion samt ihres Arbeitsplatzes<br />

anbelangt, äußern sich die Redakteure<br />

mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent<br />

weitaus pessimistischer. In der Chemiebranche<br />

fallen die Sicherheitsurteile sehr unterschiedlich<br />

aus. Im Vergleich zu den übrigen untersuchten<br />

Branchen ist die wahrgenommene<br />

Arbeitsplatzsicherheit dieser Beschäftigten<br />

jedoch eher im unteren Bereich einzuordnen.<br />

Schließlich finden sich – wie kaum anders zu


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Branchen<br />

Arbeitsplatzsicherheit in Prozent<br />

50 60-65 70-75 80-85 90-95 100<br />

Bau B1, 3 B2 B5<br />

BkV BkV 1 BkV 6,9 BkV 2,4,8 BkV 5,7,10<br />

Chemie C 4 C 2,8 C 7 C 3,5 C 6<br />

Gesundheit G 5 G 4 G 9 G 8,11,12<br />

Handel H 2 H 1<br />

G 2,3,6,7,<br />

10,13,14<br />

Metall M 5 M 6,9,14 M 1,8 M 2,3, 15 M 12<br />

Printmedien P 1,3 P 2<br />

UnD UnD 3 UnD 2 UnD 4,5<br />

Tabelle 4.2.1: Wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit in Prozent nach Branchen (N=52)<br />

erwarten war – am eher unteren Ende die Sicherheitswahrnehmungen<br />

der Befragten in der<br />

Baubranche wieder.<br />

Unsicherheit im Arbeitsbereich und Selbstpositionierung<br />

im Vergleich<br />

Wahrgenommene Unsicherheit im betrieblichen<br />

Umfeld muss nicht zwangsläufig<br />

mit der Wahrnehmung eines individuellen<br />

Arbeitsplatzrisikos korrespondieren. Ein Vergleich<br />

der Textpassagen zur Thematisierung<br />

von Unsicherheit im Arbeitsbereich und der<br />

eigenen Positionierung der Befragten ergibt,<br />

dass der individuelle Arbeitsplatz trotz konstatierter<br />

Unsicherheit im Arbeitsbereich oftmals<br />

als relativ sicher eingeschätzt wird (Tabelle<br />

4.2.2). Wir vermuten, dass die Begründungszusammenhänge<br />

zur wahrgenommenen<br />

Arbeitsplatz(un)sicherheit in Abschnitt 4.3<br />

Aufschluss über diese Diskrepanz geben werden.<br />

Ein Stufenmodell der Arbeitsplatzsicherheit<br />

In den vorangegangenen Abschnitten<br />

sind die Antworten auf unsere Einstiegsfragen<br />

zur wahrgenommenen<br />

Arbeitsplatzsicherheit<br />

zusammengefasst<br />

dargestellt. Die dabei ermittelten Profile<br />

und Verteilungen geben einen Überblick der<br />

wahrgenommenen Sicherheit und liefern<br />

Seite 125


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Unsicherheit im<br />

Arbeitsbereich<br />

Arbeitsplatzsicherheit<br />

sicher<br />

unsicher<br />

Gesamt<br />

Thema 14 16<br />

Kein Thema 19 3<br />

30<br />

(57,7%)<br />

22<br />

(42,3%)<br />

Gesamt<br />

33<br />

(63,5%)<br />

19<br />

(36,5%)<br />

N = 52<br />

(100%)<br />

Tabelle 4.2.2: Unsicherheit im Arbeitsbereich und wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit im Vergleich 9<br />

Ansatzpunkte für eine vertiefende Analyse der<br />

einschlägigen Textpassagen. Erwartungsgemäß<br />

ergeben sich dabei Korrekturen.<br />

Probleme bei der Auswertung ergaben sich<br />

zum einen daraus, dass nicht alle Interviewten<br />

die Frage nach der Sicherheit des Arbeitsplatzes<br />

im Sinne einer Zukunftsprognose<br />

beantworteten, sondern lediglich auf die gegenwärtige<br />

Situation Bezug nahmen.<br />

Krankenversicherung, Kundenberaterin, 41<br />

Jahre, 100%: „Also, was heißt, wie sicher?<br />

Wenn ich es momentan sehe, ist es unbedingt<br />

erforderlich, da würde ich spontan<br />

sagen 100 Prozent. [...] Aber, was heißt 100<br />

Prozent. Ich habe es schon gesagt. Ich weiß<br />

nicht, ob jetzt gemeint ist. Wie<br />

weit man denken soll heute, da<br />

Seite 126 kann man ja nicht so weit denken“.<br />

(BkV: 5)<br />

Auffällig bei diesen Personen ist, dass sie ihr<br />

Niveau der Arbeitsplatzsicherheit oftmals<br />

höher bewerteten als Befragte, die eine ungewisse<br />

Zukunft einkalkulierten. Damit wird<br />

die Vergleichbarkeit der Selbsteinschätzungen<br />

in Frage gestellt. Unser qualitativer Zugang<br />

eröffnet uns die Möglichkeit, verstärkt die entsprechenden<br />

Textpassagen zur Interpretation<br />

heranzuziehen.<br />

Bei der Interpretation dieses Textmaterial<br />

ergab sich dann ein weiteres Problem daraus,<br />

dass einige Befragte ihre eingangs vorgenommene<br />

Selbstpositionierung im Verlauf des Gespräches<br />

relativierten. An drei Fällen soll diese<br />

Problematik verdeutlicht werden.<br />

Eine im Handel tätige Befragte gibt die Sicherheit<br />

ihres Arbeitsplatzes mit 80 Prozent<br />

an, kommt jedoch zu dem Schluss, dass sie sich<br />

auf ihrem Arbeitsplatz unsicher fühlt. Sie rechnet<br />

in naher Zukunft mit einem Arbeitsplatzabbau,<br />

der sie nach sozialrechtlichen Kriterien<br />

nicht betreffen dürfte. Dennoch hat sie Sorge,<br />

dass die Geschäftsleitung den Sozialplan nicht<br />

berücksichtigen könnte (H: 1).


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Eine Kundenberaterin der Sparkasse bewertet<br />

ihr Sicherheitsniveau gar mit 100 Prozent. Auf<br />

die Frage, ob sie sich eher sicher oder unsicher<br />

fühle, antwortet sie: „Das schwankt. Habe ich<br />

ein paar gute Geschäfte gemacht, fühle ich<br />

mich wieder relativ sicher. Läuft’s mal eine Zeit<br />

lang nicht so gut, dann werde ich schon unsicher,<br />

weil ich dann denke, hoffentlich bleibt es<br />

nicht so, hoffentlich wird’s nicht zu schlecht“<br />

(BkV: 10). Das persönliche Sicherheitsgefühl<br />

der Befragten scheint stark von ihrer individuellen<br />

Leistungsfähigkeit abzuhängen.<br />

Ein Groß- und Außenhandelskaufmann<br />

schätzt die Sicherheit seines Arbeitsplatzes<br />

mit 50 Prozent ein mit der Begründung, dass<br />

„immer irgendwelche unfreiwilligen oder unvorhergesehenen<br />

Dinge passieren [können], da<br />

hast du gar keinen Einfluss drauf“ (H: 2). Mit<br />

einem Arbeitsplatzabbau sei in naher Zukunft<br />

nicht zu rechnen – im Gegenteil: „Bei jeder<br />

Versammlung sagt der Chef, man muss sich<br />

keine Gedanken machen. Und das ist auch<br />

jetzt gerade erst unterstrichen worden durch<br />

Tantiemenzahlungen“. Einen Hinweis darauf,<br />

dass es sich bei dem Befragten eher um Unzufriedenheit<br />

als Unsicherheit handelt, liefert er<br />

selbst, indem er auf seinen diskontinuierlichen<br />

Erwerbsverlauf verweist. Bereits viermal habe<br />

er den Arbeitgeber wechseln müssen. „Ich will<br />

nicht mehr wechseln, will ich einfach nicht.“<br />

Alle drei Fälle verdeutlichen, dass die wahrgenommene<br />

Arbeitsplatzsicherheit per se offen<br />

lässt, welche Bedeutung die jeweilige Beschäftigungssituation<br />

für die Beschäftigten hat und<br />

welche subjektiven Verarbeitungsformen daraus<br />

resultieren. Über die Wahrnehmung und das<br />

Ausmaß eines individuellen oder kollektiven<br />

Arbeitsplatzrisikos hinaus interessieren uns<br />

deshalb auch die damit verbundenen Ängste<br />

und Sorgen von Beschäftigten. Diese zweite<br />

Dimension von Arbeitsplatz(un)sicherheit,<br />

welche sich auf die emotionale Verarbeitung<br />

eines wahrgenommenen Arbeitsplatzrisikos<br />

bezieht, bezeichnen wir als (Un-)Sicherheitsgefühl.<br />

Auf der Basis dieser beiden Dimensionen<br />

schlagen wir ein Stufenmodell der Arbeitsplatzsicherheit<br />

vor, das eine Differenzierung<br />

von wahrgenommenem Risiko und subjektiver<br />

Verarbeitung aufgreift. Die beiden<br />

Dimensionen „Wahrnehmung eines gegenwärtigen<br />

Risikos des Arbeitsplatzverlustes“<br />

und das daraus folgende „Sicherheitsgefühl“<br />

der Beschäftigten lassen eine eindeutige<br />

Abgrenzung der Kategorien zu. Der Fokus<br />

liegt dabei zunächst ausschließlich auf dem<br />

betrieblichen Kontext, d.h. wir betrachten<br />

die individuelle Sicherheit im aktuellen Beschäftigungsverhältnis.<br />

(Un-)Sicherheiten in<br />

anderen Kontexten (Anschlussfähigkeit am<br />

Arbeitsmarkt, Familie, sozialstaatliche Netze<br />

usw.) werden hier ausgeblendet. Sie werden<br />

wieder aufgegriffen, wenn es um die Relevanz<br />

der wahrgenommenen Arbeitsplatzsicherheit<br />

für die Befragten geht.<br />

Im Einzelnen gehen wir von folgenden, auf<br />

Basis der inhaltlichen Textpassagen entwickelten<br />

Stufen und Definitionen von Arbeitsplatzsicherheit<br />

aus:<br />

1. Unsicher:<br />

Die in der kollektiven Wahrnehmung dominierende<br />

reale Bedrohung von Arbeitsplätzen<br />

eines Arbeitsbereiches oder ganzen Betriebes<br />

führt zu einer hohen individuellen Unsi-<br />

Seite 127


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Seite 128<br />

cherheit. Das Bewusstsein darüber, dass der<br />

Arbeitsplatz permanent zur Disposition steht,<br />

während die eigenen Einflussmöglichkeiten<br />

als gering erachtet werden, hat darüber hinaus<br />

oftmals eine Angst vor Arbeitsplatzverlust zur<br />

Folge.<br />

Familienberatung, Leiterin, 44 Jahre, 65%:<br />

„[Wir] sind verunsichert und wissen nicht,<br />

wie lange unsere Stelle noch bestehen wird,<br />

weil wir ja sehen, dass die Fördermittel<br />

immer wieder gekürzt werden und nicht<br />

reichen. [...] Wir haben ja auch schon alle<br />

mal die Kündigung in der Hand gehabt.<br />

Die war schon mündlich ausgesprochen,<br />

wurde dann aber zurückgezogen. Das<br />

hängt schon wie so ein Damoklesschwert<br />

über uns“. (G: 4)<br />

2. Relativ sicher:<br />

Eine individuell wahrgenommene reale Chance<br />

des Verbleibs im Unternehmen überwiegt das<br />

kollektiv geteilte, gegenwärtige Risiko des Arbeitsplatzverlustes<br />

und führt zu einer relativen<br />

Sicherheit. Diese Form der Sicherheit ist für<br />

die Beschäftigten dieser Kategorie mit explizit<br />

an sie gerichtete Erwartungen geknüpft, mit<br />

der Folge, dass sie sich einem fortwährenden<br />

Leistungsdruck ausgesetzt sehen. Können<br />

Anforderungen nicht erfüllt werden, steht<br />

auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes zur<br />

Disposition. Dennoch nehmen sie für<br />

sich Einflussmöglichkeiten wahr und<br />

versuchen diese zu nutzen.<br />

LKW-Werkstatt, Kfz-Meister, 45 Jahre,<br />

70%: „Ich fühle mich durch Leistung, die<br />

ich bringen kann, relativ sicher in, wollen<br />

wir mal sagen, sehr starker Unsicherheit,<br />

die von Druck geprägt ist“. (M: 9)<br />

3. Überwiegend sicher:<br />

Die individuelle Sicherheit des Arbeitsplatzes<br />

gründet sich darauf, dass die Befragten dieser<br />

Kategorie gegenwärtig kein kollektives Beschäftigungsrisiko<br />

wahrnehmen. Allerdings<br />

schwingt immer auch eine latente Verunsicherung<br />

mit, deren Ursache diese Personen in<br />

einer hypothetischen bzw. (noch) nicht absehbaren<br />

und oftmals unspezifischen Bedrohung<br />

begründet sehen.<br />

Rentenversicherung, Kundenberaterin, 45<br />

Jahre, 80%: „Ja sicher, eine gewisse Unsicherheit<br />

ist vorhanden, aber das ist im Moment<br />

noch zu unsicher, um da irgendwas,<br />

in welche Richtung das mal gehen wird“.<br />

(BkV: 9)<br />

4. Sehr sicher:<br />

Der Arbeitsplatz wird ohne Einschränkung<br />

gegenwärtig und für die absehbare Zukunft<br />

als sicher eingeschätzt. Aussagen über die<br />

langfristige Perspektive ihres derzeit sicheren<br />

Arbeitsplatzes will der überwiegende Teil der<br />

dieser Kategorie zugeordneten Personen zwar<br />

nicht treffen. Andererseits deutet für sie in ihrer<br />

momentanen Beschäftigungssituation auch<br />

nichts auf eine Gefährdung der Sicherheit ihres<br />

Arbeitsplatzes.<br />

Arztpraxis, Arzthelferin, 45 Jahre, 90%:<br />

„Nee, nee. Das glaub ich nicht. Weil ich<br />

wirklich eigentlich nicht glaube, dass sie von<br />

den 2 Menschen, die sie beschäftigt, einen<br />

einfach entlassen kann und der andere das<br />

schafft. Das geht einfach nicht. Wie gesagt,


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

ich müsste dann irgendeinen Bockmist<br />

bauen, [...] dass vielleicht ein Patient zu<br />

schaden kommt. Das kann ich mir eigentlich<br />

als einzigsten Grund ner Kündigung<br />

überhaupt vorstellen. […] Moment ja, im<br />

Moment empfinde ich eigentlich keine Unsicherheit,<br />

so blöd wie das klingt. […] Ich<br />

denk mal, die weiß genau, was sie an uns<br />

hat“. (G: 3)<br />

Kuratorium, Arzt, 43 Jahre, über 90 %: „Also,<br />

das […] ist noch eine Branche, die durch<br />

diese, die durch den Patientenzuwachs eine<br />

hohe Sicherheit noch nachweist. Also der,<br />

das Berufsbild ist nach wie vor, würde ich<br />

sagen, sicher. […] Also ich hoffe auf 100%.<br />

Das andere liegt nicht in meiner Hand“.<br />

(G: 2)<br />

Die Zuordnung der Fälle nach der vorangestellten<br />

heuristischen Typologie ergibt die in<br />

Abbildung 4.2.3 dargestellte Verteilung. Etwa<br />

80 Prozent fühlen sich derzeit auf ihrem Arbeitsplatz<br />

„relativ sicher“ bis „sehr sicher“. Von<br />

den Befragten, die eine gegenwärtige und reale<br />

Bedrohung ihres Arbeitsplatzes wahrnehmen<br />

(„unsicher“ und „relativ sicher“), fühlen sich<br />

unter den gegebenen Umständen weniger als<br />

die Hälfte tatsächlich „unsicher“ auf ihrem<br />

Arbeitsplatz. Insgesamt betrifft dies neun<br />

Personen.<br />

Die Einordnung der Fälle in das vorgeschlagene<br />

Stufenmodell bestätigt damit weitgehend<br />

die Ergebnisse zum wahrgenommenen Niveau<br />

der Arbeitsplatzsicherheit der Befragten (siehe<br />

oben). In der Kategorie „unsicher“ finden sich<br />

Befragte mit Selbsteinschätzungen zwischen<br />

50 und 65 Prozent wieder. Der Kategorie<br />

„relativ sicher“ entsprechen Sicherheitsniveaus<br />

zwischen 70 und 80 Prozent. Die Kategorie<br />

„überwiegend sicher“ besteht aus Befragten<br />

mit wahrgenommenen Arbeitsplatzsicherheiten<br />

zwischen 70 und 90 Prozent. „Sehr<br />

sicher“ fühlen sich Befragte mit wahrgenommenen<br />

Sicherheiten von 80 bis 100 Prozent.<br />

Nur in Ausnahmefällen haben sich aufgrund<br />

von widersprüchlichen Aussagen Verschiebungen<br />

zwischen den einzelnen Kategorien<br />

ergeben. 10<br />

Das Stufenmodell der Arbeitsplatzsicherheit<br />

bietet den Vorteil, den (Un-)Sicherheitsbegriff<br />

detaillierter zu fassen im Gegensatz zu einer<br />

reinen Betrachtung der wahrgenommenen<br />

Sicherheitsniveaus. Dabei zeichnet sich schon<br />

jetzt eine Relativierung der Sicherheitslage ab,<br />

indem Aussagen häufig nur für eine kurz- bis<br />

mittelfristige Perspektive getroffen werden<br />

und Arbeitsplatzsicherheit an die Erfüllung<br />

bestimmter Anforderungen gebunden ist.<br />

Dies führt uns zur Frage nach der Sicherheitskonstruktion<br />

von Beschäftigten, die über<br />

eine vertiefende Analyse der Begründungszusammenhänge<br />

Gegenstand des folgenden<br />

Abschnitts ist.<br />

4.3 Ursachen von Arbeitsplatz(un)siche<br />

rheit – Begründungszusammenhänge<br />

Die vorangestellte Analyse des empirischen<br />

Materials bezog sich auf die<br />

Frage nach der wahrgenommenen<br />

Seite 129<br />

Arbeitsplatzsicherheit von Beschäftigten<br />

in Normalarbeitsverhältnissen. Es zeigte<br />

sich, dass der überwiegende Teil der Befragten<br />

den eigenen Arbeitsplatz im Durchschnitt zu<br />

80 Prozent sicher einschätzt und sich „relativ


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

Anzahl der Befragten<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

unsicher<br />

relativ sicher<br />

Überwiegend sicher<br />

sehr sicher<br />

Abbildung 4.2.3: Arbeitsplatzsicherheit auf Basis der inhaltlichen Textpassagen (N=52)<br />

sicher“ bis „sehr sicher“ fühlt. Ausgehend<br />

davon wollen wir nun sinnverstehend die Begründungszusammenhänge<br />

zur individuellen<br />

Arbeitsplatzsicherheit nachvollziehen: Wie<br />

konstruieren Beschäftigte ihr persönliches<br />

Sicherheitsgerüst im betrieblichen Kontext<br />

und worin begründet sich ihre steigende Verunsicherung?<br />

Seite 130 Betrachten wir zuerst die Aussagen<br />

der Befragten zur Begründung ihrer<br />

Sicherheit, d.h. Faktoren, die ihnen in ihrer<br />

jeweiligen Beschäftigungssituation ein Gefühl<br />

der Arbeitsplatzsicherheit vermitteln.<br />

Überraschend ist, dass die individuelle Arbeitsplatzsicherheit<br />

nicht in erster Linie mit der guten<br />

wirtschaftlichen Lage bzw. Marktposition<br />

des arbeitgebenden Unternehmens begründet<br />

wird, obwohl über die Hälfte der Befragten die<br />

Unternehmenslage als gut oder sehr gut beschreibt.<br />

11 Nur in einem Drittel aller Fälle wird<br />

die günstige Betriebslage als ausschlaggebend<br />

für Arbeitsplatzsicherheit angegeben.<br />

Metallbaubetrieb, Leiterin der Marketingabteilung,<br />

36 Jahre, 75%: macht ihre Sicherheit<br />

fest „an der stabilen, wachsenden Vergangenheit<br />

des Unternehmens. [...] Indem<br />

die Geschäftsleitung die unternehmerisch


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

bzw. strategisch richtigen Entscheidungen<br />

trifft und so die Existenz des Unternehmens<br />

sichert und so auch alle Arbeitsplätze“.<br />

(M: 14)<br />

Für den Großteil dieser Befragten, die ihre<br />

Arbeitsplatzsicherheit in Verbindung mit der<br />

günstigen Unternehmenslage bringen, steht<br />

der Unternehmenserfolg jedoch in direktem<br />

Bezug zum eigenen Beitrag. 12 Sie konstruieren<br />

ihr Sicherheitsgerüst über Leistung und/oder<br />

Qualifikation, mittels derer sie Einfluss auf die<br />

wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers und somit<br />

auch auf die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes<br />

zu nehmen glauben.<br />

Sparkasse, Kundenberaterin, 42 Jahre,<br />

100%: „Ich meine, wenn ich meine Ziele erfülle,<br />

dann läuft das Unternehmen gut, weil<br />

ich bin ja am Markt, ich habe die Gelder<br />

reinzuholen, ich erwirtschafte das Geld,<br />

und wenn ich meine Ziele nicht erfülle,<br />

dann ist es auch für die Firma schlecht, weil<br />

dann werden die Ziele nicht erfüllt, das<br />

Geld kommt nicht rein und dann kann es<br />

zu Folgen kommen. Das ist schon eine hohe<br />

Verantwortung, die man hat“. (BkV: 10)<br />

Behindertenwohnheim, Heimleiter, 44 Jahre,<br />

90%: „Und die wirtschaftliche Lage, sage<br />

ich mal, ist ja wieder ein Ausdruck auch<br />

meiner Arbeit“. (G: 10)<br />

Metallbaubetrieb, Leiterin der Marketingabteilung,<br />

36 Jahre, 75%: „Meine Abteilung<br />

trägt in einem großen Maße zum Unternehmenserfolg<br />

bei. Die wirtschaftliche<br />

Lage spielt eine Rolle. Aber die Prognosen<br />

sehen gut aus“. (M: 14)<br />

Dieser erste sich andeutende Begründungszusammenhang<br />

von Leistung gegen Arbeitsplatzsicherheit<br />

zeigt sich auch unabhängig von<br />

der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers<br />

und gilt quer zu Branchen, Berufen, Qualifikations-<br />

und Sicherheitsniveaus. Insgesamt<br />

treten bei fast jedem dritten Befragten vor<br />

allem die persönliche Leistung, Zielerfüllung<br />

und Flexibilität in den Vordergrund mit dem<br />

Ziel, die eigene Sicherheit im Unternehmen<br />

zu erhöhen.<br />

LKW-Werkstatt, Kfz-Meister, 45 Jahre,<br />

70%: „Wo ich meine Sicherheit hernehme?<br />

Die kriege ich daher, dass ich mich jeden<br />

Tag neu engagiere und meine Manpower<br />

reinsetze und dadurch die Werkstatt möglichst<br />

optimal, optimal …. zu führen. Und<br />

dadurch möglichst hohe Deckungsbeiträge<br />

zu erzielen. [...] Ich fühle mich durch Leistung,<br />

die ich bringen kann relativ sicher<br />

in, wollen wir mal sagen, sehr starker Unsicherheit,<br />

die von Druck geprägt ist. Man<br />

muss halt sehen, wie man damit lebt“. (M:<br />

9)<br />

Nicht selten zielen die Bestrebungen darauf<br />

ab, innerhalb des übertragenen Aufgabenbereiches<br />

ein ganz eigenes und damit für den<br />

Arbeitgeber schwer substituierbares Profil<br />

zu gewinnen, beispielsweise über persönliche<br />

Netzwerke. 13<br />

Personalvermittlung und Zeitarbeitsfirma,<br />

Niederlassungsleiterin,<br />

Seite 131<br />

42 Jahre, 70%: „Na ja, dadurch,<br />

dass ich halt sehr flexibel bin und immer<br />

präsent am Markt, denke ich schon, dass<br />

ich meine Zahlen schaffen werde und demzufolge<br />

auch eine gewisse Sicherheit schon


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

haben werde. Ja ich denke auch dadurch,<br />

dass ich ja sehr viele Menschen kenne und<br />

ich mir ein Netzwerk im Laufe der Jahre<br />

aufgebaut habe, ich auch nicht ganz so<br />

schnell ersetzbar bin“. (UnD: 3)<br />

Pharmaunternehmen, Abteilungsleiter,<br />

43 Jahre, 80%: „Man hat das immer im<br />

Hinterkopf, man weiß genau, es gibt<br />

keinen sicheren Arbeitsplatz mehr. Das<br />

ist illusorisch. Man versucht natürlich<br />

mit der Qualität seiner Arbeit diesen<br />

Unsicherheitsfaktor zu minimieren. Also<br />

ganz einfach, um sich ein bisschen jetzt in<br />

Anführungsstrichen unentbehrlich zu machen.<br />

Also zu zeigen, [...] dass man seine<br />

Arbeit sehr gut macht und damit auch dem<br />

Betrieb auch was gibt“. (C: 5)<br />

Der Begründungszusammenhang Leistung<br />

gegen Sicherheit wird ebenso offensichtlich<br />

bei Befragten, die ihre Arbeitsplatzsicherheit<br />

an expliziten Leistungs- und Qualitätsfeedbacks<br />

durch ihre Vorgesetzten festmachen.<br />

Versicherung, Kundenbetreuer, 41 Jahre,<br />

95%: „Mein Chef hat mir gesagt, dass ich<br />

im Moment der Beste bin. Dass ich eine<br />

klasse Arbeit mache und da teilweise auch<br />

Aufgaben mache, die jetzt nicht unbedingt<br />

verlangt sind. Wenn da mal bei jemandem<br />

was liegen geblieben ist oder so. Dann<br />

mach ich das mit. Ich werde auch mal<br />

gefragt, wenn es teilweise Probleme<br />

Seite 132 gibt“. (BkV: 4)<br />

Metall verarbeitender Betrieb, Monteur, 34<br />

Jahre, 85%: „Und wir haben jährlich mit<br />

unserm Meister ein persönliches Gespräch<br />

und in dem Gespräch wird man denn jedes<br />

Jahr eingeschätzt und da habe ich auch ne<br />

gute Einschätzung gekriegt. Deswegen bin<br />

ich da- oder deswegen kann ich diese 85%<br />

dort anbringen“. (M: 1)<br />

Neben der persönlichen Rückmeldung durch<br />

unmittelbare Vorgesetzte werden Feedbacks<br />

seitens der Unternehmensleitung sowie eine<br />

Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg<br />

von diesen als Bestätigung und<br />

Wertschätzung ihrer Leistung für das Unternehmen<br />

empfunden. Dabei stellen sie stets den<br />

damit verbundenen Sicherheitsaspekt zentral.<br />

Stahlhandel, Groß- und Außenhandelskaufmann,<br />

31 Jahre, 50%: „Aber bei jeder<br />

Versammlung sagt der Chef, man muss sich<br />

keine Gedanken machen. Und das ist auch<br />

jetzt gerade erst unterstrichen worden durch<br />

Tantiemenzahlungen. Also wenn der Erfolg<br />

da ist, wird die Belegschaft auch dran beteiligt.<br />

Und das trägt zur Motivation bei, und<br />

auch zur Sicherheit.“ (H: 2)<br />

Stahlbau, Konstrukteur, 45 Jahre, 80%<br />

zur Frage, inwiefern der Arbeitgeber zum<br />

Sicherheitsempfinden beiträgt: „Ja zum<br />

Beispiel durch eine betriebliche Rente. Also,<br />

das machen die auch nicht bei allen, aber<br />

haben sie halt bei mir gemacht. Wenn man<br />

bleibt, dann zahlen die dort jeden Monat<br />

was ein. Und wenn man Rentner ist, kriegt<br />

man dann was raus. Das sind 300 Euro im<br />

Monat. Damit wollen sie eben die Leute<br />

binden, die sie haben wollen.“ (M: 8)<br />

Neben dem Leistungsargument kristallisiert<br />

sich Seniorität als ein zweiter Begründungszusammenhang<br />

für die individuelle Arbeitsplatzsicherheit<br />

heraus. Fast jeder fünfte Beschäftigte


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

stützt seine Sicherheitslage auf das Argument<br />

der Betriebszugehörigkeit. 14<br />

Krankenhaus, Hebamme, 45 Jahre, 80-90%:<br />

„Also ich schätze mal, dass mein Arbeitsplatz<br />

ziemlich sicher ist. Dadurch, dass ich<br />

eine Derjenigen bin, die schon am allerlängsten<br />

da ist. Ich kann mir nicht denken,<br />

dass die meine Stelle so schnell einsparen“.<br />

(G: 8)<br />

Uniklinik, Krankenpfleger, 34 Jahre, 90%:<br />

„Also es, ich weiß nicht ob es so ist, aber<br />

so zum Gefühl trägt es bei so die Dauer so,<br />

wenn man schon lange dabei ist, dass man<br />

doch schon auch länger dabei bleiben kann.<br />

Als wenn ich jetzt vor einem halben oder<br />

vor einem Jahr angefangen hätte, so einen<br />

Arbeitsvertrag gekriegt hätte, und dann<br />

müssen doch Stellen abgebaut werden, geh<br />

ich davon aus, dass die allein stehenden jüngeren<br />

Mitarbeiter, die grad angefangen haben<br />

oder befristete Verträge haben, das alles<br />

die ersten sind, die dann gehen müssten.“<br />

(G: 14)<br />

Die Aussagen verweisen hierbei auch auf<br />

betriebsspezifisches Wissen, welches nur über<br />

eine längere Betriebszugehörigkeitsdauer aufgebaut<br />

werden kann und von dessen hohem<br />

Wert für das Unternehmen diese Beschäftigten<br />

ausgehen. Auch sie verbinden mit ihrer<br />

besonderen Position das Gefühl, ein Stück weit<br />

unersetzbar zu sein.<br />

Automobilzulieferer, Schichtleiter, 34 Jahre,<br />

90%: „Das kannst du nicht einfach jemandem<br />

der sich bewirbt im Unternehmen<br />

kannst du so einen Arbeitsplatz verpassen.<br />

Das geht nicht! Du musst dich mit den<br />

Teilen auskennen, die produziert werden,<br />

du musst wissen was für Fehler gemacht<br />

werden können und das lernst du ja nur<br />

im Laufe der Zeit. Deswegen sage ich ganz<br />

einfach mal kannst du für meine Position<br />

nur jemanden nutzen, der schon länger im<br />

Unternehmen ist.“ (M: 2)<br />

Pharmaunternehmen, Vorarbeiterin, 42<br />

Jahre, 65%: „[...] weil ich das jetzt schon<br />

drei, vier, fünf, drei, vier Jahre alleine mache,<br />

diese Tätigkeit, weil ich ja für den zweiten<br />

mitarbeite und, und in naher Zukunft kein<br />

Weiterer da ist, der dafür eingearbeitet<br />

wird. Also gehe ich mal davon aus, dass es<br />

für mich etwas sicherer ist“. (C: 2)<br />

Auch in diesem Kontext zeigt sich immer<br />

wieder das Leistungsargument. So betonen<br />

einige Befragte in ihren Begründungen zur<br />

wahrgenommenen Arbeitsplatzsicherheit das<br />

Zusammenspiel von Betriebszugehörigkeit<br />

und anderen betrieblich relevanten, individuellen<br />

Faktoren wie die persönliche Leistung<br />

(C: 8), die Position im Unternehmen (C: 2),<br />

Weiterbildungen (M: 2) und Flexibilität (H:<br />

1). Auch diese Befragten engagieren sich aktiv<br />

für die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes.<br />

Handwerkskammer, Ausbildungsberater,<br />

45 Jahre, 80%: „Aufgrund meiner sehr guten<br />

Leistungen bin ich seit fast 15 Jahren<br />

in diesem Unternehmen tätig. [...]<br />

Durch meine Weiterbildung habe<br />

ich meine Sicherheit erhöht und<br />

Seite 133<br />

habe sozusagen einen Zweitposten.<br />

Also ist meine Sicherheit höher als<br />

meiner Kollegen“. (UnD: 2)


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Krankenversicherung, Sachbearbeiterin, 34<br />

Jahre, 70%: „Gründe für die Sicherheit sind,<br />

dass ich immer noch für meine persönliche<br />

Sicherheit, sag ich mal, dass ich denke, ich<br />

hab schon ne gewisse Qualifikation, ich bin<br />

auch schon ne gewisse Zeit im Unternehmen,<br />

was einem ja schon ne gewisse Sicherheit<br />

gibt, es ist ja schon mehr, als wenn ich<br />

gerade erst aus der Ausbildung kommen<br />

würde. Ja, die Betriebszugehörigkeit ist<br />

vielleicht ne Sicherheit und eben, dass ich<br />

schon auch jetzt ne Zusatzqualifikation<br />

hab, die ich außerbetrieblich eben gemacht<br />

hab, dass man da vielleicht irgendwo sieht,<br />

na ja gut, im Vergleich zu anderen hat sie<br />

vielleicht noch irgendwo so’n kleinen Bonus.<br />

Wie auch immer, ob der einem unterm<br />

Strich weiterhelfen wird, wird man sehen,<br />

aber für mich persönlich würd ich schon<br />

sagen, ist das noch eine Sicherheit“.<br />

(BkV: 1)<br />

Nur von einer kleinen Minderheit der Befragten<br />

werden in erster Linie soziale oder<br />

arbeitsrechtliche Gründe für die Arbeitsplatzsicherheit<br />

genannt, so etwa eine Betriebs- bzw.<br />

Personalratstätigkeit (BkV: 6,7; M: 12).<br />

Rentenversicherung, Personalratsvorsitzende,<br />

40 Jahre, 100%: „Also, ich fühle<br />

mich insofern sicher, dass ich als Personalrat<br />

doch im Moment so viel zu tun hab,<br />

dadurch das ich an diesen Dingen<br />

mitwirke, Beschäftigungssicherung,<br />

Seite 134 dass man die Gremien, die man noch<br />

zusätzlich hat, dass man sagt, doch die<br />

Arbeit nimmt als Personalrat zu. Und man<br />

hat wirklich so lange zu tun bis die letzten<br />

Türen hier zugeschlossen sind“. (BkV: 7)<br />

Die Ergebnisse legen nahe, das Senioritätsargument<br />

dem Leistungsargument nicht als<br />

alternativen Begründungszusammenhang<br />

gegenüberzustellen, sondern an dieses anzuschließen.<br />

Betriebszugehörigkeit, als einzelnes<br />

Argument für Arbeitsplatzsicherheit, scheint<br />

an Kraft zu verlieren. Im Gegenzug gewinnt<br />

für die Beschäftigten der individuelle Beitrag<br />

zum Unternehmenserfolg an Bedeutung, um<br />

den eigenen Arbeitsplatz zu sichern. Eine lange<br />

Betriebszugehörigkeit wird zunehmend als<br />

Wertschätzung, und damit als Folge der eigenen<br />

Leistung, interpretiert. Arbeitsplatzsicherheit<br />

wird somit in erster Linie über Leistung generiert<br />

und nicht mehr – wie im fordistischen<br />

Modell der westdeutschen Nachkriegszeit<br />

– über Seniorität bzw. – wie in der DDR – über<br />

politisch motivierte Arbeitsplatzgarantien.<br />

Betrachten wir nun die Begründungszusammenhänge<br />

für Arbeitsplatzunsicherheit.<br />

Interessant ist, dass Unsicherheit – wieder<br />

unabhängig davon, in welchem Ausmaß sie<br />

von den einzelnen Befragten wahrgenommen<br />

wird – kaum über eine defizitäre Qualifikation<br />

oder Leistung begründet wird. Lediglich vier<br />

Personen geben an, durch gravierende Fehler<br />

bei der Ausführung ihrer Tätigkeit den Arbeitsplatz<br />

zu gefährden. 15 Dagegen verortet<br />

mehr als jeder zweite Befragte die individuelle<br />

Arbeitsplatzunsicherheit in der ökonomischen<br />

Situation des Unternehmens, je nach Branche<br />

resultierend aus schlechter/sinkender Auftragslage<br />

(Bau, Metall), Personalüberhang (Öffentlicher<br />

Dienst, Handel), Standortschließungen<br />

(Chemie und Metall) oder der Privatisierung<br />

von Krankenhäusern (Gesundheit). Oftmals<br />

spielt dabei ein Gefühl von Einflusslosigkeit<br />

gegenüber der eigenen Lage eine Rolle.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Pharmaunternehmen, Abteilungsleiter, 43<br />

Jahre, 80%: „Also, man hat jetzt doch mehr<br />

das Gefühl, dass ein gewisses Risiko da ist,<br />

dass man den Arbeitsplatz verliert. Nicht<br />

weil man seine Aufgaben nicht ordentlich<br />

erfüllt, sondern ganz einfach aufgrund der<br />

wirtschaftlichen Situation, die es heutzutage<br />

gibt. Aufgrund dessen, dass immer mehr<br />

Betriebe auch Arbeitsplätze in Billiglohnländer<br />

verlagern und das wahrscheinlich vor<br />

keiner Branche so richtig halt macht“.<br />

(C: 5)<br />

Stahlhandel, Groß- und Außenhandelskaufmann,<br />

31 Jahre, 50%: „Es können<br />

immer irgendwelche unfreiwilligen oder<br />

unvorhergesehenen Dinge passieren, da hast<br />

du gar keinen Einfluss drauf. Da kannste<br />

jeden Tag zur Arbeit kommen, kannst deine<br />

Arbeit wirklich überdurchschnittlich gut<br />

erledigen und kannst Überstunden reißen<br />

bis zum Gehtnichtmehr. Wenn irgendwo<br />

etwas passiert, wo du keinen Einfluss drauf<br />

hast, dann hängst du genauso am seidenen<br />

Faden“. (H: 2)<br />

Pharmaunternehmen, Mechaniker, 39<br />

Jahre, 60%: „Aber die Unsicherheit, ob man<br />

da gut arbeitet oder schlecht arbeitet, die<br />

hat man immer. Also, es ist jetzt nicht, dass<br />

wenn ich, dass ich jetzt sage, ich habe mir<br />

nichts vorzuwerfen, also die Leute sind mit<br />

mir zufrieden, ist noch lange keine Beschäftigungsgarantie“.<br />

(C: 8)<br />

Aber auch Befragte, welche die gegenwärtige<br />

Unternehmenslage als gut bis sehr gut beschreiben,<br />

vermögen diesen Trend nicht bedenkenlos<br />

in die Zukunft fortschreiben. Die befragten<br />

Beschäftigten verweisen dabei insbesondere<br />

auf die Auftragslage, die Zahlungsmoral der<br />

Kunden und folglich auch auf überbetriebliche<br />

Faktoren, wie politische Entscheidungen und<br />

Konjunkturphasen, die Arbeitsplatzunsicherheit<br />

schüren.<br />

Handwerksbetrieb, Kundenbetreuer, 44<br />

Jahre, 50%: „Es beschäftigt eigentlich schon<br />

einen tagtäglich kann man bald sagen, dass<br />

man nicht weiß, was (pff ) übermorgen<br />

ist. Dass sowohl beruflich gesehen, oder<br />

hauptsächlich beruflich gesehen, dass man<br />

nicht weiß, wie lang der Betrieb existiert,<br />

auch wenn er wie jetzt unserer, gesund ist<br />

und wirtschaftlich ist, weiß man’s trotzdem,<br />

dass zwei, drei Ausfälle von größeren Kunden<br />

schon reichen, um kaputt zu gehen“.<br />

(B: 1)<br />

Maschinenbau, Programmierer, 34 Jahre,<br />

70%: „[...] ich werde praktisch aus marktwirtschaftlichen<br />

Interessen höchstens<br />

entlassen. Deswegen kann ich da keine<br />

hundert Prozent geben“.(M: 6)<br />

Ist das beschäftigende Unternehmen börsennotiert,<br />

zeigt sich eine zusätzliche Ungewissheit<br />

und Verunsicherung der betroffenen<br />

Beschäftigten, resultierend aus einer wahrgenommenen<br />

Einflusslosigkeit auf die Erhaltung<br />

des Standorts.<br />

Maschinenbau, Diplomingenieur,<br />

40 Jahre, 90%: „Was ist heutzutage<br />

eigentlich sicher? In der Branche,<br />

Seite 135<br />

in der ich tätig bin und in der auch<br />

ein Haufen Mitbewerber sind [...]. Die Firma<br />

ist ja ein aktiennotiertes Unternehmen,<br />

da ist man vor keiner Sache sicher, weil es<br />

könnte sich eine Investorengruppe finden,


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

die sagen, okay, da ist was zu machen. Die<br />

kaufen mal schnell die Firma“. (M: 15)<br />

Allerdings spielen auch in den Aussagen zu<br />

Arbeitsplatzunsicherheit Leistungskriterien<br />

eine Rolle. Viele Befragte sehen sich mit<br />

einem massiv zunehmenden Leistungsdruck<br />

konfrontiert, indem der Erhalt des Arbeitsplatzes<br />

an die individuelle Zielerfüllung<br />

gekoppelt wird. 16 Die Beschäftigten interpretieren<br />

ihre Lage einerseits in Richtung<br />

einer Notwendigkeit, sich für die Erhaltung<br />

ihres Arbeitsplatzes flexibel an Firmen- und<br />

Marktinteressen anzupassen. Andererseits<br />

kann dieser selbst auferlegte oder durch das<br />

Management weitergereichte Druck auch als<br />

permanentes Spannungsfeld erlebt werden<br />

(siehe dazu auch Kapitel 5.3).<br />

Sparkasse, Kundenberaterin, 42 Jahre,<br />

100%: „Solange ich meine Ziele erfülle, ist<br />

der [Arbeitsplatz] hundertprozentig. Ist die<br />

Frage, ob ich das immer kann. [...] Habe<br />

ich ein paar gute Geschäfte gemacht, fühle<br />

ich mich wieder relativ sicher. Läuft’s mal<br />

eine Zeit lang nicht so gut, dann werde<br />

ich schon unsicher, weil ich dann denke,<br />

hoffentlich bleibt es nicht so. [...] Wenn<br />

die Leistung nicht kommt, ist es natürlich<br />

nicht mehr 100 Prozent“. (BkV: 10)<br />

Krankenversicherung, Sachbearbeiterin,<br />

34 Jahre, 70%: „Also zunehmend. In<br />

zunehmendem Maße! Gerade jetzt,<br />

Seite 136 wo das wirklich auch konkreter wird,<br />

wo man eben, wo Zielvorgaben immer<br />

weiter nach oben geschraubt werden<br />

äh, spürt man das auf jeden Fall, auch die<br />

Unsicherheit. Man denkt sich zwar immer<br />

so insgeheim, ja ich hab ja noch, irgendwo<br />

noch nen sicheren Arbeitsplatz, aber da<br />

kann man sich nicht vor verschließen. Also<br />

sicher ist da kein Arbeitsplatz mehr.“<br />

(BkV: 1)<br />

Die in offenen Fragen erhobenen Begründungszusammenhänge<br />

für individuelle<br />

Arbeitsplatzsicherheit bzw. -unsicherheit<br />

lassen sich folgendermaßen zusammenfassen.<br />

Obwohl über die Hälfte der Befragten die<br />

Unternehmenslage als gut oder sehr gut beschreibt,<br />

wird die günstige Betriebslage nur in<br />

einem Drittel aller Fälle als ausschlaggebend<br />

für Arbeitsplatzsicherheit angegeben. Stattdessen<br />

treten für die Beschäftigten betrieblich<br />

relevante, individuelle Faktoren, allen voran<br />

Leistung, Qualifikation und Flexibilität, in den<br />

Vordergrund. Seniorität als eine zweite häufig<br />

genannte Begründung für Arbeitsplatzsicherheit<br />

stellt dagegen keine alternative Argumentationslinie<br />

zu Leistung dar, sondern wird von<br />

den Beschäftigten zumeist in Zusammenhang<br />

mit weiteren Faktoren gesetzt, wie dem<br />

über Jahre kumulierten, betriebsspezifischen<br />

Humankapital.<br />

Im Gegensatz dazu ist Arbeitsplatzunsicherheit<br />

bei den Befragten fast ausschließlich<br />

betrieblich bedingt. Daneben gewinnt ein<br />

zunehmender Leistungsdruck ebenfalls an<br />

Einfluss, dem auf Dauer standzuhalten einigen<br />

Beschäftigten Sorge bereitet.<br />

Dadurch erklärt sich auch, warum ein Teil<br />

der Befragten, welcher Unsicherheit für den<br />

Arbeitsbereich konstatiert, sich selbst „relativ“<br />

bis „sehr sicher“ auf seinem Arbeitsplatz fühlt.<br />

Die Begründungszusammenhänge verweisen<br />

darauf, dass nicht die wirtschaftliche Situation<br />

des Betriebes oder der Kündigungsschutz, son-


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

dern die individuelle Qualifikation und/oder<br />

Leistung ausschlaggebend für Arbeitsplatzsicherheit<br />

sind. Bei schlechter Betriebslage<br />

gewinnt der/die Beschäftigte Sicherheit durch<br />

individuelle Merkmale, wenn der Betrieb keine<br />

Arbeitsplatzsicherheit für alle garantiert.<br />

Demgegenüber wird jedoch auch eine gute<br />

Betriebslage oftmals nicht mehr im Sinne einer<br />

Beschäftigungsgarantie interpretiert, sondern<br />

die individuelle Leistung in den Vordergrund<br />

gestellt. Während also insbesondere individuelle<br />

Faktoren Sicherheit generierend wirken,<br />

werden betriebliche und überbetriebliche<br />

Faktoren maßgeblich im Zusammenhang mit<br />

Unsicherheit genannt.<br />

Damit wird der erste Eindruck einer bei Normalarbeitsverhältnissen<br />

hohen und ungebrochenen<br />

Arbeitsplatzsicherheit in Frage gestellt.<br />

Die Sicherheitskonstruktion wird an die Aufrechterhaltung<br />

eines spezifischen Qualifikationsprofils<br />

und/oder hohen Leistungsniveaus<br />

gebunden und damit deutlich relativiert. Aus<br />

der subjektiven Perspektive der Beschäftigten<br />

betrachtet, unterstützen die Ergebnisse das von<br />

Köhler u.a. entwickelte Konzept Leistungsbasierter<br />

Beschäftigungssysteme, wonach „das<br />

Versprechen und die reale Chance einer langfristigen<br />

Beschäftigung bis zur Verrentung […]<br />

nicht mehr an die Betriebszugehörigkeitsdauer,<br />

sondern an Qualifikations- und Leistungsstandards<br />

für die Einzelnen und die Produktivität<br />

und Profitabilität von Betriebsteilen gebunden<br />

[ist]“ (Köhler/Loudovici/Struck 2007b, in<br />

diesem Heft).<br />

Gleichzeitig implizieren die Begründungszusammenhänge<br />

der Befragten, die auf das<br />

Tauscharrangement ‚Leistung gegen Arbeitsplatzsicherheit’<br />

abstellen, dass Unternehmen<br />

durch Informationsweitergabe und Erfolgsbeteiligung<br />

sowie die Wahrnehmung sozialer<br />

Verantwortung die für den Unternehmenserfolg<br />

notwendige Leistungsbereitschaft der<br />

Beschäftigten erzeugen und ihnen zugleich<br />

ein Gefühl von Kontinuität und Sicherheit<br />

vermitteln können.<br />

Die in unserer Untersuchung empirisch vorgefundenen<br />

Begründungszusammenhänge<br />

zu gefühlter Arbeitsplatzsicherheit sind in<br />

Abbildung 4.3.1 zusammengefasst. Dabei<br />

gehen wir davon aus, dass alle drei Faktoren<br />

– die wirtschaftliche Lage des Unternehmens,<br />

kündigungsschutzgesetzliche und arbeitsrechtliche<br />

Kriterien (die auch auf das Senioritätsprinzip<br />

Bezug nehmen) sowie die individuelle<br />

Leistungsfähigkeit und -bereitschaft<br />

– Einfluss auf das Sicherheitsempfinden von<br />

Beschäftigten nehmen. Auf der Grundlage<br />

unseres empirischen Materials gelangen wir<br />

jedoch zu der Annahme, dass Leistungs- und<br />

Qualifikationskriterien heute schon ein hohes<br />

Gewicht haben. Unsere Hypothese ist (angedeutet<br />

durch die Pfeile), dass sie in Zukunft<br />

weiterhin an Einfluss auf die wahrgenommene<br />

Arbeitsplatzsicherheit gewinnen werden.<br />

Die Sicherheitskonstruktion jedes Einzelnen<br />

ist ohne Zweifel weitaus komplexer als in<br />

diesem kurzen Abschnitt dargestellt. Unser<br />

Anspruch bestand jedoch vor allem darin,<br />

die Vielfalt an möglichen Begründungszusammenhängen<br />

zu Arbeitsplatzsicherheit<br />

und -unsicherheit<br />

Seite 137<br />

einzufangen und dennoch erste Systematisierungsversuche<br />

zu wagen. Wie die jeweilige<br />

Sicherheitslage von den Beschäftigten<br />

erlebt wird bzw. welche Relevanz sie jeweils<br />

hat, ist Gegenstand des nächsten Abschnitts.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Abbildung 4.3.1: Wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit im betrieblichen Kontext<br />

4.4 Relevanz von Arbeitsplatzsicherheit<br />

Die Auswertungen in den vorangestellten<br />

Abschnitten bezogen sich auf die subjektive<br />

Einschätzung des Sicherheitsniveaus und die<br />

jeweiligen Begründungszusammenhänge im<br />

betrieblichen Kontext der Befragten. Es zeigte<br />

sich, dass sich die Befragten mehrheitlich<br />

relativ bis sehr sicher auf ihrem Arbeitsplatz<br />

fühlen. Ausgehend davon geht es<br />

nun erstens um die Bedeutung dieser<br />

Seite 138 Sicherheit für die „Arbeitsplatzsicheren“<br />

im betrieblichen Kontext.<br />

Wir fragen nach dem Wert von betrieblicher<br />

Beschäftigungssicherheit für Arbeitnehmer<br />

und wie im Gegensatz dazu die „Unsicheren“<br />

ihre Situation erleben, welche Folgen also die<br />

wahrgenommene Bedrohung ihres Arbeitsplatzes<br />

für sie hat. Zweitens nehmen wir überbetriebliche<br />

Sicherheiten der Beschäftigten in<br />

den Blick, die ebenfalls in Bezug zur Relevanz<br />

von betrieblicher Arbeitsplatzsicherheit stehen.<br />

Drittens sollen die Folgen von Arbeitsplatz<br />

(un)sicherheit für Privatleben und Familie<br />

erörtert werden.<br />

In den meisten Fällen wird Arbeitsplatzsicherheit<br />

eine hohe Bedeutung beigemessen: „Das<br />

ist mit das Wichtigste heutzutage, aus meiner<br />

Sicht“ (C: 5). Stabilität und Kontinuität im<br />

bestehenden Arbeitsverhältnis gelten dabei als<br />

zentrale Elemente von Arbeitsplatzsicherheit.<br />

Für viele Beschäftigte hat sie „einen hohen<br />

[Wert], da die Kontinuität bei der Beschäfti-


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

gung auch bei mir Anwendung findet. Es gibt<br />

ja auch Unternehmen, die ihre Mitarbeiter aller<br />

paar Monate wechseln. Das würde mir nicht so<br />

gut gefallen“ (M: 14).<br />

In Bezug auf die Arbeitssituation betonen die<br />

„Arbeitsplatzsicheren“ vor allem die positive<br />

Wirkung von Arbeitsplatzsicherheit auf die<br />

Motivation und Arbeitsleistung 17 . Man könne<br />

ohne Angst und Druck konzentriert an die<br />

Arbeit gehen.<br />

Behindertenwohnheim, Heimleiter, 44 Jahre,<br />

90%: „[...] man kann ruhiger herangehen<br />

an den Job. Ja, und mit ruhig ist natürlich<br />

ausruhen nicht gemeint. Ich meine, es ist<br />

genügend zu tun, wie gesagt die Bürokratie<br />

nimmt zu. Aber wie gesagt, dieser Druck<br />

und du wirst kontrolliert, das ist einfach<br />

weg. Also es ist ein entspannteres Arbeiten,<br />

so würde ich es bezeichnen“. (G: 10)<br />

Kanzlei, Steuerassistentin, 43 Jahre, 95%:<br />

„Also einen sehr hohen Wert, denn sonst<br />

würde ja auch die Arbeit keinen Spaß<br />

machen. Ne, wenn man durch solche<br />

Existenzängste Tag täglich auch abgelenkt<br />

ist und man sich nicht mehr auf seine Arbeit<br />

konzentrieren kann, denk ich mir dann, ja<br />

dann machst keinen Spaß mehr. Dann geht<br />

man mit ganz anderen Gefühlen morgens<br />

auf die Arbeit“. (UnD: 4)<br />

Mitunter wird ein sicherer Arbeitsplatz gar als<br />

Privileg wahrgenommen: „Das ist für mich in<br />

der Situation eindeutig ein Privileg. Ich kann<br />

es zwar manchmal mit meiner Arbeit begründen,<br />

aber ich glaube, es gibt so viele Menschen,<br />

die sich mindestens ebenso engagieren und<br />

deren Arbeitsplatz nicht so sicher ist. Deswegen<br />

ist es ein Privileg“ (P: 1). Dafür würden<br />

die befragten Beschäftigten fast ausnahmslos<br />

Lohn- bzw. Gehaltskürzungen hinnehmen,<br />

längere Arbeitszeiten oder Abstriche beim<br />

Urlaubsanspruch akzeptieren und auf Prämienzahlungen<br />

verzichten. Diese Bereitschaft<br />

steigt, je größer das Unsicherheitsgefühl der<br />

Befragten ist.<br />

Fensterbau, Kundenbetreuer, 35 Jahre,<br />

50%: „Ja. Ja. Ja. Muss ich ganz klar sagen ja.<br />

Würd ich kein Problem mit haben in der<br />

Woche 5 Stunden mehr zu arbeiten, wenn<br />

ich wüsste, dass ich dafür irgendeinen<br />

Arbeitsplatz bis zum Rentenalter haben<br />

würde.“ (B: 1)<br />

Befragte, die sich bezüglich ihrer Arbeitsplatzsicherheit<br />

eher unsicher fühlen, reagieren<br />

entweder mit Besorgnis oder versuchen ihre<br />

Sicherheitslage zu verdrängen, um zu verhindern,<br />

dass die erlebte Unsicherheit ihre<br />

Arbeits- und Lebenssituation dominiert.<br />

Pharmaunternehmen, mittleres Management,<br />

45 Jahre, 50%: „Ich beschäftige mich<br />

eigentlich fast nicht damit, außer dass ich<br />

weiß, dass wenn irgendetwas passiert, dass<br />

ich mir was Neues suchen muss. Weil wenn<br />

ich mich nämlich verrückt mache, dann<br />

kann ich, brauche ich keinen Tag mehr<br />

auf Arbeit zu gehen. Dann könnte ich hier<br />

sein und rumjammern. Das bringt<br />

nichts! Was willst du machen?<br />

Man muss es so nehmen wie es<br />

Seite 139<br />

kommt. [...] Ich fühle mich nicht<br />

sicher. Ich verdränge aber die Unsicherheit,<br />

weil ich mir sage, ich kann eh nichts ändern.<br />

Und wenn ich mich jetzt hier hängen lasse,<br />

damit helfe ich weder mir, noch irgendje-


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

mand anderem. Ich verdränge einfach“.<br />

(C: 4)<br />

Familienberatung, Leiterin, 44 Jahre, 65%:<br />

„Na das bedeutet für mich, dass ich mir<br />

große Sorgen mache letztendlich. Nicht<br />

ständig aber regelmäßig. Was dann werden<br />

soll, weil ich bin ja nicht mehr 20, und mit<br />

meiner Qualifikation ist es nicht so einfach,<br />

eine neue Stelle zu finden. Also, das macht<br />

mir schon Sorgen. Ich wäre froh, wenn ich<br />

mehr Sicherheit hätte“. (G: 4)<br />

Der Kontinuitäts- und Stabilitätsaspekt von<br />

Arbeitsplatzsicherheit hat für fast alle befragten<br />

Beschäftigten einen ausgesprochen<br />

hohen Wert. In Bezug auf die Arbeitssituation<br />

wird vor allem der positive Einfluss<br />

von Arbeitsplatzsicherheit auf die eigene<br />

Arbeitsleistung betont. Die Beschäftigten<br />

versuchen einerseits durch Leistung auf ihre<br />

Arbeitsplatzsicherheit Einfluss zu nehmen<br />

und andererseits motiviert sie das durch den<br />

Arbeitgeber eingehaltene Tauscharrangement<br />

‚Arbeitsplatzsicherheit gegen Leistung’ zu<br />

mehr Engagement (vgl. 4.3).<br />

Einige Befragte gehen in ihren Sicherheitskonstruktionen<br />

jedoch über diesen betrieblichen<br />

Kontext hinaus und beziehen als alternative<br />

(Un-)Sicherheitsfaktoren die Familie bzw. den<br />

externen Arbeitsmarkt in die Überlegungen<br />

zu Arbeitsplatzsicherheit ein.<br />

Seite 140 Einem Teil der Beschäftigten vermitteln<br />

ihre wahrgenommenen Chancen<br />

auf dem externen Arbeitsmarkt ein zusätzliches<br />

Gefühl von Sicherheit 18 , insbesondere<br />

wenn die Arbeitsplatzsicherheit als gering wahrgenommen<br />

wird.<br />

Maschinenbauunternehmen, Programmierer,<br />

34 Jahre, 70%: „Ich weiß was ich kann,<br />

ich denke ich bin gut in dem was ich tue.<br />

Wenn es in dieser Firma pleite geht, dann<br />

gibt’s irgendwo andere Firmen, wo ich anfangen<br />

kann. Also die Arbeitssicherheit ist<br />

in meinem Fall relativ hoch“. (M: 6)<br />

In Ausnahmefällen wird auch Selbständigkeit<br />

als Alternative zum derzeitigen Arbeits-verhältnis<br />

in Betracht gezogen.<br />

Krankenhaus, Hebamme, 45 Jahre, 80-90%:<br />

„Das ist eigentlich relativ nebensächlich.<br />

Hebammen können auch selbständig arbeiten.<br />

[...] Ich mache mich halt nicht verrückt.<br />

Ich bin zufrieden mit der Situation, meine<br />

Welt würde aber auch nicht untergehen,<br />

wenn sich die Situation verändern würde<br />

und ich mich also selbständig machen<br />

müsste. Da habe ich ja mittlerweile auch<br />

Kontakte und bei den Frauen spricht sich<br />

das auch rum. Ich habe eigentlich ein ganz<br />

gutes Gefühl was die Zukunft betrifft“.<br />

(G: 8)<br />

Als entscheidende Faktoren für außerbetriebliche<br />

Chancen gelten dabei die außerbetrieblich<br />

verwertbare Qualifikation und Berufserfahrung,<br />

die branchenspezifische Arbeitsmarktlage,<br />

soziale Netzwerke sowie das Alter – mit<br />

45 Jahren ist man aus Sicht vieler Befragten<br />

so gut wie chancenlos. Deshalb bereitet die<br />

wahrgenommene Chancenlosigkeit gerade<br />

den Beschäftigten Sorge, die verunsichert der<br />

Zukunft im Unternehmen entgegenblicken. 19<br />

Handwerksbetrieb, Kundenbetreuer, 44<br />

Jahre, 50%: „Und da ist man ja automatisch<br />

auch jetzt mit dem Alter, wie man jetzt ist


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

mit 45 Jahren auf dem Markt auch schon<br />

in einer Situation, wo man auch ganz klar<br />

sagen muss, wo man dann schon langsam<br />

mit Sicherheit richtige Probleme kriegt bei<br />

ner Neubewerbung. Weil man in dem Alter<br />

schon lächerlicherweise schon aussortiert<br />

wird“. (B: 1)<br />

Rentenversicherung, Kundenberaterin, 44<br />

Jahre, 80%: „In der heutigen Zeit, wo man<br />

sieht, wie viele Leute arbeitslos sind, wo<br />

will man sich orientieren. Und da ist das<br />

Problem bei uns, den Abschluss, den wir<br />

hier haben als Berater, nur intern anerkannt<br />

ist. [...] Die Krankenkassen bauen ab an<br />

Arbeitskräften, Arbeitsämter und überall,<br />

also wo die Fachrichtung gebraucht wird,<br />

Berufsgenossenschaften, keiner will die<br />

Leute mehr haben“. (BkV: 6)<br />

Darüber hinaus kann die Familie ein Ort sein,<br />

an dem Arbeitsplatzunsicherheit aufgefangen<br />

wird, beispielsweise durch die Sicherheit weiterer<br />

Einkommen.<br />

Personalvermittlung und Zeitarbeitsfirma,<br />

Niederlassungsleiterin, 42 Jahre, 70%: „Ja,<br />

das ist einfach wichtig, weil ich sage mal in<br />

der heutigen Zeit ist es schon nett, wenn<br />

man zwei Einkommen hat über die man<br />

verfügen kann. Man ist ein bisschen sicherer,<br />

ein bisschen befreiter“. (UnD: 3)<br />

Oder aber die familiären Bedingungen erheben<br />

Arbeitsplatzsicherheit zur zwingenden<br />

Voraussetzung für Existenzsicherheit, wie sich<br />

die Situation etwa bei Hauptverdienern oder<br />

Haushalten mit mittel- bis langfristigen Darlehensverbindlichkeiten<br />

darstellt (vgl. nächster<br />

Abschnitt).<br />

Rentenversicherung, Kundenberaterin, 44<br />

Jahre, 80%: „Die Sicherheit ist für mich<br />

schon ein wichtiger Punkt, weil ich sagen<br />

muss, dass ich der Hauptverdiener in der<br />

Familie bin. Das bedeutet für mich, ich<br />

muss mein Arbeitsplatz erhalten, ich muss<br />

sehen, dass ich diesen Arbeitsplatz auch in<br />

Zukunft erhalten kann, um eben meiner<br />

Familie die Sicherheit auch zu geben“.<br />

(BkV: 6)<br />

Die Mehrheit der befragten Beschäftigten<br />

unseres Samples generiert individuelle Sicherheit<br />

über das Ausmaß der wahrgenommenen<br />

kollektiven Beschäftigungsrisiken. Die vorangegangenen<br />

Aussagen implizieren jedoch, dass<br />

Beschäftigte ihre Sicherheit – bezogen auf<br />

die Beschäftigungssituation – nicht notwendigerweise<br />

allein aus der wahrgenommenen<br />

betrieblichen Sicherheit ableiten, sondern<br />

sich darüber hinaus auch von der subjektiven<br />

Sicherheit durch Arbeitsmarkt und Familie<br />

beeinflussen lassen. 20 Besteht für Beschäftigte<br />

kein Zweifel an ihrer Arbeitsplatzsicherheit,<br />

kann Sicherheit im betrieblichen Kontext<br />

subjektive Unsicherheiten, ausgehend von<br />

Arbeitsmarkt und Familie, abfedern. Demgegenüber<br />

können Sicherheiten aufgrund alternativer<br />

Optionen Arbeitsplatzunsicherheit<br />

kompensieren. Fehlen bei geringer Arbeitsplatzsicherheit<br />

alternative Sicherheitsquellen,<br />

verstärkt dies das Gefühl von Unsicherheit<br />

oder hat einen Verdrängungseffekt<br />

zur Folge. Arbeitsmarkt und Familie<br />

können also alternative bzw. ergän-<br />

Seite 141<br />

zende Sicherheitsquellen zu Arbeitsplatzsicherheit<br />

im Sinne einer materiellen<br />

Absicherung darstellen. Dabei umspannen<br />

subjektive Sicherheiten im Beschäftigungsverhältnis,<br />

am Arbeitsmarkt und innerhalb


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

der Familie das individuelle Sicherheitsnetz<br />

(Tabelle 4.4.1).<br />

Das Fundament dieser drei Sicherheitssäulen<br />

bilden die ebenfalls in Tabelle 4.4.1 abgebildeten,<br />

empirisch gewonnenen Indikatoren 21 .<br />

Innerhalb der einzelnen Kontexte unterscheiden<br />

wir individuelle und kollektive Faktoren,<br />

in Abhängigkeit davon, ob ein einzelner<br />

Beschäftigter oder eine Gruppe von Beschäftigten<br />

(Abteilung, Berufszweig usw.) involviert<br />

ist. Wie oben bereits ausgeführt wurde, können<br />

innerhalb des individuellen Sicherheitsnetzes<br />

Sicherheiten in einem Bereich Unsicherheiten<br />

in einem anderen kompensieren bzw. mehrere<br />

Unsicherheiten zugleich einander verstärken.<br />

4.5 Exkurs: Auswirkungen von<br />

Arbeitsplatz(un)sicherheit auf<br />

das Privatleben<br />

von Hendrikje Riemann, Janine Bernhardt<br />

Ausgehend von den vorhergehenden Ausführungen<br />

zu Arbeitsplatz(un)sicherheit sollen<br />

im Folgenden deren Auswirkungen auf den<br />

Menschen und seine bedürfnisgeleitete Lebensplanung<br />

dargestellt werden. Leitend soll<br />

die Frage sein, welche Bedeutung der Familie<br />

hierbei zukommt: Wird sie von den Beschäftigten<br />

als erstrebenswerter Teil der<br />

Biografie oder vielmehr als nach-<br />

Seite 142 rangig zur beruflichen Entwicklung<br />

gesehen? Dabei wollen wir besonders<br />

auf den Begründungszusammenhang<br />

‚Sicherheit gegen Leistung’ eingehen, auf den<br />

ein großer Teil der Befragten die individuelle<br />

Arbeitsplatzsicherheit abstellt (vgl. 4.3).<br />

In den meisten Fällen wird der Arbeitsplatzsicherheit<br />

die zentrale Bedeutung für die<br />

Lebensplanung zugewiesen. Von den Interviewten<br />

wird vor allem die finanzielle Sicherheit<br />

als maßgeblich für eine planbare Absicherung<br />

der Existenz und Umsetzung von Handlungsorientierungen<br />

dargestellt. Viele Aussagen zur<br />

Relevanz von Arbeitsplatzsicherheit implizieren,<br />

dass diese von den Befragten im Sinne<br />

einer grundlegenden, materiellen Sicherheit<br />

verstanden wird. 22<br />

Krankenversicherung, Sachbearbeiterin,<br />

34 Jahre, 70%: „Ja, ich sag mal es ist schon<br />

beruhigend, wenn man weiß, dass man<br />

einen Arbeitsplatz hat und sich da auch einigermaßen<br />

sicher fühlt an diesem Arbeitsplatz.<br />

Trotz natürlich dieser zunehmenden<br />

Unsicherheit, die sich da rein drückt.<br />

Aber ich sag mal, ich hab jetzt auch keine<br />

Panik, also hat das schon für mich in dem<br />

Sinne nen hohen Stellenwert, nen sicheren<br />

Arbeitsplatz zu haben, weil es ist nun mal<br />

Grundlage für ne Existenz, die man hat,<br />

für ein Leben, was man sich aufgebaut hat<br />

mittlerweile und wenn dann alles auf einmal<br />

nicht mehr sein könnte, von daher hat diese<br />

Sicherheit schon nen hohen Stellenwert für<br />

mich“. (BkV: 1)<br />

Zugleich zeigt sich ein Zusammenhang von<br />

Arbeitsplatzsicherheit und der Zukunftsplanung<br />

mit der Familie, auch wenn diese<br />

Planung von den Beschäftigten eher mittel- als<br />

langfristig angelegt ist.<br />

Pharmaunternehmen, Abteilungsleiter, 43<br />

Jahre, 80%: „Ja, das bedeutet dann eben<br />

doch eine gewisse innere Sicherheit, eine<br />

gewisse doch Planungssicherheit, wenn


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Arbeitsplatz(un)sicherheit Arbeitsmarkt(un)sicherheit Soziale (Un)Sicherheit<br />

Individuell Individuell Individuell<br />

♦ Leistung<br />

♦ Sozialkriterien<br />

♦ (Betriebsspezifische)<br />

Qualifikation<br />

♦ Position<br />

♦ Betriebs-/<br />

Personalratstätigkeit<br />

♦ (Betriebsinterne)<br />

Weiterbildung<br />

♦ Qualifikation<br />

♦ Berufserfahrung<br />

♦ Soziale Netzwerke<br />

♦ Finanzielle Ressourcen<br />

♦ Familie (zu versorgende/mitverdienende<br />

Haushaltsmitglieder;<br />

finanzielle Verpflichtungen<br />

wie Unterhalt, Kredite)<br />

Kollektiv Kollektiv Kollektiv<br />

♦ Ökonomische Situation<br />

♦ Öffentlicher vs.<br />

Privater Sektor<br />

♦ Unternehmenshauptsitz<br />

im In- oder Ausland<br />

♦ Firmenübernahme/<br />

Umstrukturierung/<br />

Privatisierung<br />

♦ Unternehmensgröße<br />

♦ Anreiz- und Kontrollsysteme<br />

(Leistungsrückmeldung,<br />

Ergebniszurechnung,<br />

Erfolgsbeteiligung)<br />

♦ Betriebliche Altersvorsorge<br />

♦ Branchenspezifische<br />

Arbeitsmarktlage<br />

♦ Sozialleistungen<br />

Tabelle 4.4.1: Das individuelle Sicherheitsnetz<br />

Seite 143


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

man das so sagen kann, oder darf. Dass<br />

man zumindest mittelfristig, ich spreche<br />

da so von fünf Jahren, viel weiter kann man<br />

sowieso nicht hinausgucken, sagen kann,<br />

ok, mein Einkommen ist gesichert, ich<br />

kann damit auch entsprechend die Dinge<br />

finanzieren, die ich finanzieren will und<br />

muss, kann mein Leben finanzieren, kann<br />

die Familie finanzieren. Und das ist doch<br />

schon etwas Beruhigendes, wenn man so<br />

was weiß“. (C: 5)<br />

Rentenversicherung, Kundenberaterin, 44<br />

Jahre, 80%: „Zukunft ist eben Sicherheit<br />

für die Familie und das man da eben weiß,<br />

dass in den nächsten zwei, drei Jahren Geld<br />

noch reinkommt, dass man da sein Leben<br />

noch finanzieren kann. Das ist eben die<br />

Grundlage“. (BkV: 6)<br />

Insbesondere die befragten unsicheren Beschäftigten<br />

sehen vor dem Hintergrund ihrer<br />

ungewissen Beschäftigungssituation der Zukunft<br />

sorgenvoll entgegen.<br />

Handwerksbetrieb, Kundenbetreuer, 44<br />

Jahre, 50%: „Ja einfach mit nem unsicheren,<br />

unruhigen Gefühl, dass du öfters mal<br />

einfach auch in ner ruhigen Stunde drüber<br />

nachdenkst, was wäre wenn. Weil man hat<br />

ja auch irgendwo seinen Lebensstandard<br />

und den will man ja auch halten möglichst.<br />

Man hört nur Hiobs-Botschaften<br />

rundrum und das heißt ganz einfach,<br />

Seite 144 dass man sich dadurch ja auch irgendwo<br />

Gedanken macht, was wäre wenn,<br />

und was ist morgen. So einfach ist es. [...]<br />

Ich will nicht sagen, dass da du bei der<br />

Arbeitsleistung drüber nachdenkst. Es ist<br />

also nicht so, dass ich an der Arbeit darüber<br />

nachgrübel. So, es ist halt einfach nur ab<br />

und zu mal, grad wenn man ne Zukunftsplanung<br />

macht oder wenn man das und das<br />

mal manchmal bedenkt zu investieren und<br />

dann halt darüber nachdenkt, ob man sich’s<br />

dann überhaupt leisten könnte, wenn dann<br />

was passiert“. (B: 1)<br />

Haben die Befragten noch keine eigene Familie,<br />

äußern sie sich zögerlich über ihre Bindungsund<br />

Kinderwünsche. Das Fehlen langfristiger<br />

beruflicher Sicherheit gepaart mit der Angst<br />

vor einem drohenden Abstieg im derzeitigen<br />

Lebensstandard, führt zu Unschlüssigkeit bezüglich<br />

der privaten Lebensplanung.<br />

Tageszeitung, stellv. Redaktionschef, 32<br />

J., 70-80%: „Dass man sich natürlich über<br />

langfristige Dinge Gedanken macht. Man<br />

macht sich natürlich auch Gedanken, irgendwann<br />

mal ein bisschen Ruhe zu finden.<br />

Man denkt natürlich über Familie nach.<br />

Aber ich habe noch nicht so viel gefühlte<br />

Sicherheit, dass ich in der letzten Konsequenz<br />

da noch keine Entscheidung habe.<br />

Das hängt ganz stark vom Arbeits- und<br />

Einsatzort ab.“ (P: 1)<br />

Bauunternehmen, Vorarbeiter, 35 Jahre,<br />

60%: „Na ja Sicherheit ist halt ist schon<br />

schön, wenn man eine Sicherheit hat hätte<br />

von 100%. Da wüsste man genau, man kann<br />

langfristig planen mit der Familie und alles,<br />

man könnte ein Haus bauen oder irgendwas,<br />

ja nachdem. Aber wenn man jetzt, man<br />

kann halt langfristig, das geht auch allein<br />

von die Kinder her. Setzt man Kinder in<br />

die Welt? Setzt man nicht so viele in die<br />

Welt? Das ist halt immer von der Sicherheit<br />

abhängig“. (B: 2)


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Doch selbst wenn sich die Befragten beruflich<br />

sicher fühlen, sind sie bereit, den betrieblichen<br />

Leistungsanforderungen auf Kosten der Familie<br />

zu entsprechen. Der Erhalt des Arbeitsplatzes<br />

scheint hier vorrangig, um weiterhin die<br />

finanzielle Absicherung zu gewährleisten.<br />

Tageszeitung, stellv. Redaktionschef, 32 J.,<br />

70-80%: „Also, Familie spielt für mich eine<br />

große Rolle. Aber wenn man jetzt einen<br />

Arbeitsplatz in Köln, München, Frankfurt<br />

oder so hätte, das müsste sich dann vereinbaren<br />

lassen. Also, ich sehe da auch keine<br />

Alternativen. Entweder die Familie zieht<br />

dann mit oder es würde dann zu so einer<br />

Konstellation hinaus laufen, dass man sagt,<br />

ich bin die Woche über woanders und versuche<br />

dann wenigstens am Wochenende da<br />

zu sein“. (P: 1)<br />

Zunehmende berufliche Flexibilitätsanforderungen<br />

lassen eine familiäre Planung als Hindernis<br />

für eine kurzfristige Anpassung an den<br />

Markt erscheinen. Gerade für die Unsicheren<br />

ist die Unterordnung der privaten Bedürfnisse<br />

eine Reaktion auf steigende arbeitsweltliche<br />

Diskontinuität.<br />

LKW-Werkstatt, Kfz-Meister, 45 J., 70%:<br />

„Man muss dann auch teilweise, muss man<br />

so mal sagen, also sich familiär und finanziell<br />

nicht so dermaßen festlegen, dass wenn<br />

sich beruflich mal was verändert, dass man<br />

halt keine Situation schafft, die nicht mehr<br />

zu tragen ist“. (M: 9)<br />

Dennoch lässt sich feststellen, dass die Befragten<br />

mit Familie diese vorrangig als Ruhepol<br />

und notwendigen Ausgleich zum Arbeitsalltag<br />

ansehen. Sie wird als bedingungslose Quelle für<br />

Verlässlichkeit und als Rückzugsmöglichkeit<br />

vor betrieblichen Leistungsanforderungen<br />

gesehen.<br />

Pharmaunternehmen, Industriemechaniker,<br />

39 J., 80%: „Private Sicherheit und<br />

Zukunft ist die Familie, die Sicherheit, die<br />

gibt einem ja Rückhalt und stärkt einen,<br />

wenn es mal schlecht läuft oder wenn bei<br />

meiner Frau mal schlecht läuft, sagen wir<br />

mal so, tun wir uns unterhalten drüber und<br />

machen uns gegenseitig Mut, halt. Und<br />

die Kinder sind auch da noch, das ist die<br />

andere Sicherheit“. (C: 3)<br />

Abschließend kann festgehalten werden, dass<br />

sich die Befragten stärker im Sinne einer Absicherung<br />

des Arbeitsverhältnisses engagieren,<br />

als dass sie sich eine Umsetzung ihres privaten<br />

Lebensentwurfs zutrauen. Eine bedürfnisgeleitete<br />

Lebensplanung wird häufig den<br />

betrieblichen Flexibilitäts- und Leistungsanforderungen<br />

und der damit intendierten<br />

Sicherung des Arbeitsplatzes untergeordnet;<br />

sowohl bei den Singles, als auch bei den Müttern<br />

oder Vätern.<br />

4.6 Fazit<br />

Ein zentrales Ziel der Lehrforschung 2005/06<br />

bestand in der Untersuchung der<br />

These einer „Generalisierung von<br />

Unsicherheit“ (Bourdieu 1998) bis<br />

Seite 145<br />

hinein in die „Zone der Integration“<br />

(Castel 2000). Während die bisherige<br />

Forschung zur Verbreitung von Unsicherheit<br />

vordergründig auf die Untersuchung atypisch<br />

Beschäftigter konzentriert wurde (vgl. z.B.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Vogel 2004), galt unsere Aufmerksamkeit den<br />

Beschäftigten in Normalarbeitsverhältnissen.<br />

Ausgangspunkt unserer Untersuchung bildet<br />

dabei die Annahme einer fortschreitenden<br />

„Entstandardisierung“ (Beck 1986: 220) und<br />

„Prekarisierung von Erwerbsarbeit“ (Dörre<br />

2005b: 250), die zunehmend auch in einer<br />

„Destabilisierung der Stabilen“ (Castel 2000:<br />

357) und folglich einer Verbreitung von Arbeitsplatzunsicherheit<br />

mündet.<br />

Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen<br />

zunächst eine Mehrheit an Befragten, die die<br />

Sicherheit ihres Arbeitsplatzes bei 80% oder<br />

darüber einschätzen. Auch das nachfolgend<br />

eingeführte Stufenmodell der Arbeitsplatzsicherheit<br />

offeriert ein ähnliches, jedoch<br />

differenzierteres Ergebnis: Die Mehrheit<br />

der Befragten fühlt sich „relativ sicher“ bis<br />

„sehr sicher“ auf ihrem Arbeitsplatz. Vor dem<br />

Hintergrund der Befragung von überwiegend<br />

ostdeutschen, unbefristet Beschäftigten<br />

mittleren Alters über verschiedene Branchen,<br />

Unternehmensgrößen, Berufe und Qualifikationsniveaus,<br />

widersprechen diese Befunde<br />

den Großthesen der „Generalisierung von<br />

Unsicherheit“ und Prekarität.<br />

Die in offenen Fragen erhobenen Begründungszusammenhänge<br />

verweisen dann<br />

allerdings darauf, dass oftmals nicht die wirtschaftliche<br />

Situation des Betriebes oder der<br />

Kündigungsschutz, sondern die individuelle<br />

Leistung und/oder Quali-<br />

Seite 146 fikation ausschlaggebend für Arbeitsplatzsicherheit<br />

sind. Bei schlechter<br />

Betriebslage liegt der Zusammenhang auf der<br />

Hand: Der/die Beschäftigte gewinnt Sicherheit<br />

durch individuelle Merkmale, wenn der<br />

Betrieb nicht für alle Arbeitsplatzsicherheit<br />

garantiert. Demgegenüber wird jedoch auch<br />

eine gute Betriebslage oftmals nicht mehr im<br />

Sinne einer Beschäftigungsgarantie interpretiert,<br />

sondern die individuelle Leistung in den<br />

Vordergrund gestellt.<br />

Zugleich ist Unsicherheit in den Köpfen der<br />

in Normalarbeitsverhältnissen beschäftigten<br />

Arbeitnehmer präsent. In einigen Fällen ist<br />

aus einer latenten Unsicherheit bereits ein<br />

Angstgefühl erwachsen, das aus einer wahrgenommenen,<br />

konkreten Bedrohung des<br />

Arbeitsplatzes resultiert. In jedem Fall ist diese<br />

gefühlte Unsicherheit eine in die Zukunft gerichtete<br />

Ungewissheit, meist in Kombination<br />

mit dem Gefühl von Ohnmacht hinsichtlich<br />

der eigenen wahrgenommenen Einflussmöglichkeiten<br />

(vgl. Bultemeier u.a. 2007).<br />

Die Sicherheitskonstruktion des Einzelnen<br />

besteht immer nur für den gegenwärtigen<br />

Augenblick und die absehbare Zukunft. Ihr<br />

Fortbestand gilt stets unter Vorbehalt und ist<br />

an Bedingungen geknüpft. Diese beziehen sich<br />

vorrangig auf individuelle Faktoren wie Qualifikation<br />

und Leistungsbereitschaft. Damit<br />

wird der erste Eindruck einer bei Normalarbeitsverhältnissen<br />

hohen und ungebrochenen<br />

Arbeitsplatzsicherheit in Frage gestellt und<br />

deutlich relativiert. Insgesamt gehen wir<br />

deshalb nicht von einer Generalisierung von<br />

Unsicherheit aus, sondern von einer Relativierung<br />

von Sicherheit. Welchen Einfluss die<br />

wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit auf<br />

die Handlungsorientierungen von Beschäftigten<br />

hat, soll im nächsten Kapitel eingehend<br />

untersucht werden.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

5. Unsicherheit und<br />

Erwerbsorientierungen<br />

von Marcela Pineda de Castro,<br />

Christina Sittig<br />

5.1 Vorbemerkungen<br />

Ausgehend von der zentralen Fragestellung<br />

der Lehrforschung zur Verbreitung von Arbeitsplatzunsicherheit,<br />

wird im Folgenden der<br />

Schwerpunkt auf die Erwerbsorientierungen<br />

von Beschäftigten gelegt. Den Auswertungen<br />

liegt die Annahme eines Zusammenhangs<br />

zwischen Sicherheitsempfinden und Handlungsorientierung<br />

zugrunde. Ein zentrales Ziel<br />

unserer Ausführung ist es, letztere zu explorieren,<br />

zu erläutern und zu typisieren.<br />

Bislang gibt es noch sehr wenig Forschungsliteratur<br />

über den Zusammenhang von wahrgenommener<br />

Arbeitsplatzunsicherheit mit den<br />

Erwerbsorientierungen von abhängig Beschäftigten,<br />

besonders jenen, die nicht in prekären<br />

Arbeitsverhältnissen stehen. Empirische<br />

Analysen als auch theoretische Überlegungen<br />

(Dörre 2005b; Voß/Pongratz 1998) legen<br />

einen solchen Zusammenhang nahe, welcher<br />

sich im Arbeitsverhalten von Beschäftigten<br />

niederschlägt. Ergebnis unserer Sichtung der<br />

Literatur war die in der Einleitung vorgestellte<br />

Hypothese 3: „Die Unsicherheit führt nicht<br />

– wie für den „Arbeitskraftunternehmer“<br />

erwartet – zu einer externen Arbeitsmarktorientierung,<br />

sondern eher zu einer verstärkten<br />

Betriebs-bindung, Leistung und Anpassung.“<br />

Den Hintergrund für die These bildet eine<br />

Auseinandersetzung mit der von Pongratz<br />

und Voß (1998) vertretenen These des<br />

„Arbeitskraftunternehmers“ – eines neuen<br />

Arbeitnehmertypus – und der Gegenthese der<br />

Disziplinierungseffekte in der „Zone der Integration“<br />

(Castel 2005; Dörre 2005a, 2005b)<br />

als Reaktion auf die Zunahme von Beschäftigungsunsicherheit.<br />

Nach Pongratz und Voß<br />

führt Beschäftigungsunsicherheit zum Typus<br />

des marktorientierten Arbeitskraftunternehmers.<br />

Dies bedeutet, dass Unsicherheit eine<br />

Auflösung der Betriebsbindung und einen<br />

zunehmend unternehmerischen Umgang mit<br />

der eigenen Arbeitskraft fordert. Die Arbeitskraftunternehmer-These<br />

postuliert demnach<br />

einen durch Selbstkontrolle (Arbeitsausführung),<br />

Selbstökonomisierung (Steigerung der<br />

Wirtschaftlichkeit, Effizienz der Arbeitskraft)<br />

und Selbstrationalisierung (der eigenen<br />

Lebensführung) gekennzeichneten Arbeitertypus,<br />

der keine intrinsische Betriebsbindung<br />

mehr aufweist und in hohem Maße extern<br />

orientiert ist. „Der Arbeitskraftunternehmer<br />

ist die gesellschaftliche Form der Ware<br />

Arbeitskraft, bei der Arbeitende nicht mehr<br />

primär ihr latentes Arbeitsvermögen verkaufen,<br />

sondern (inner- oder überbetrieblich)<br />

vorwiegend als Auftragnehmer für Arbeitsleistung<br />

handeln […]“ (Voß/Pongratz 1998,<br />

S.131). Überbetrieblich oder extern orientiert<br />

bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der/<br />

die Arbeitende seinen/ihren Blick auch auf<br />

die Chancen auf dem externen Arbeitsmarkt<br />

richtet und seine/ihre Arbeitskraft<br />

auf diesem zur Verfügung stellt.<br />

Seite 147<br />

Aus unserer Sicht hat sich die These<br />

einer Ausweitung externer Arbeitsmarktorientierungen,<br />

wie sie implizit und explizit<br />

von Voß und Pongratz in ihrem Aufsatz von<br />

1998 vertreten wurde, nicht bestätigt. Dies


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Seite 148<br />

gilt insbesondere für die uns interessierenden<br />

Normalarbeitsverhältnisse. So haben die neueren<br />

empirischen Analysen von Pongratz und<br />

Voß (Pongratz 2004; Voß/Pongratz 2003) die<br />

Arbeitskraftunternehmer-These stark relativiert.<br />

Klaus Dörre u.a. (Brinkmann u.a. 2006;<br />

Dörre u.a. 2004; Dörre 2005b, S.254) kommen<br />

mit guten Argumenten zu einer Gegenthese,<br />

der zufolge die Existenz und Ausweitung einer<br />

Zone der Prekarität und Entkopplung auf dem<br />

Arbeitsmarkt zu einer Verunsicherung der<br />

Normalbeschäftigten in der Zone der Integration<br />

mit Anpassungs- und Disziplinierungseffekten<br />

führt.<br />

Will man diese Fragen prüfen, braucht man<br />

einen erweiterten Begriff von Erwerbsorientierungen,<br />

der unterschiedliche Lösungen<br />

von subjektivem Problemdruck zulässt. Wir<br />

differenzieren daher Erwerbsorientierungen<br />

in Arbeitsmarktorientierung (intern/extern),<br />

Leistungsorientierung und Konfliktorientierung<br />

im Betrieb. Wir wollen prüfen, ob<br />

Unsicherheit in Normalarbeitsverhältnissen zu<br />

einer betriebsinternen Arbeitsmarktorientierung<br />

sowie zu hoher Leistung und Anpassung<br />

im Betrieb führt. Zu dieser Thematik haben<br />

wir im Leitfaden eine Vielzahl von Fragen vorgesehen.<br />

Folgende Stimulusfragen bilden unter<br />

anderem die Grundlage unserer Betrachtungen<br />

(vgl. Leitfaden im Appendix I):<br />

Sie haben Ihren Arbeitsplatz als …%<br />

sicher und …% unsicher eingeschätzt.<br />

Wie geht man eigentlich damit um? Was<br />

machen Sie in dieser Situation?<br />

Welche Folgen hat das [Bedeutung der Arbeitsplatzsicherheit]<br />

für Sie?<br />

Welche Einflussmöglichkeiten hat man als Beschäftigter?<br />

Wie nehmen Sie Einfluss?<br />

Würden Sie dafür [Erhöhung der Sicherheit]<br />

auch Abstriche bei Lohn/Gehalt und Arbeitszeit<br />

hinnehmen?<br />

Sucht man nach Alternativen?<br />

Haben Sie einen Plan B für den Fall, dass Sie<br />

Ihren Arbeitsplatz verlieren?<br />

Gibt es Konflikte innerhalb Ihres Arbeitsbereichs<br />

in Bezug auf Arbeitsplatzunsicherheit?<br />

Unseren Auswertungen legen wir die Antworten<br />

auf diese Fragen zugrunde. Mittels dieser<br />

und weiterer, sich aus dem Gesprächsverlauf<br />

ergebender, spezifischer Textpassagen werden<br />

im Folgenden die Erwerbsorientierungen rekonstruiert<br />

und anschließend typisiert. Dabei<br />

stützen wir uns nicht nur auf direkte Antworten<br />

auf unsere Fragen, sondern interpretieren<br />

auch Textpassagen, die nur indirekt mit den<br />

„Handlungsfragen“ zusammenhängen.<br />

Im folgenden Abschnitt wird zunächst die<br />

Hypothese einer hohen Betriebsbindung and<br />

Anpassung geprüft. Ausgehend von einer<br />

heuristischen und deskriptiven Typologie<br />

von Erwerbsorientierungen erfolgt eine erste<br />

Kategorisierung der betrachteten Fälle. Im<br />

Zuge dieser vorläufigen Einteilung werden die<br />

Kategorien interne und externe Arbeitsmarktorientierung<br />

sowie Konfliktorientierung näher<br />

erläutert. Mit Hilfe dieses Rasters lassen sich<br />

erste Aussagen über die Erwerbsorientierungen<br />

der Befragten treffen.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Weiterhin werden in Abschnitt 5.3 die Leistungsorientierungen<br />

der Befragten näher<br />

betrachtet. Bedingt durch die sich ergebenden<br />

Schwierigkeiten bei der Einordnung und<br />

Erfassung, erfolgt im Anschluss daran eine<br />

graduelle Erweiterung des Ansatzes. Ziel ist<br />

demzufolge eine deskriptiv gerichtete Typologie<br />

der Erwerbsorientierungen. Im Abschnitt<br />

5.4 fassen wir die zentralen Ergebnisse der<br />

einzelnen Betrachtungsschritte zusammen<br />

und suchen dann, ausgehend von ihnen, im<br />

Abschnitt 6 nach Zusammenhängen zur wahrgenommenen<br />

Arbeitsplatzunsicherheit und<br />

möglichen Erklärungsansätzen.<br />

5.2 Arbeitsmarkt- und Konfliktorientierungen<br />

– eine Übersicht<br />

Unsere Hypothese geht von hoher Betriebsbindung<br />

und Anpassung bei Normalbeschäftigten,<br />

also nicht Abwanderung und Konfliktverhalten<br />

aus. Als interne Orientierung wird im Anschluss<br />

an Pongratz (2004) und Witzel (2000) eine<br />

Arbeitsmarktorientierung verstanden, die sich<br />

auf den betrieblichen Arbeitsmarkt beschränkt.<br />

So gehen wir mit Pongratz davon aus, dass bei<br />

den Befragten eine „starke Bindung an den<br />

Betrieb“ vorherrscht. Auf die These der Disziplinierungseffekte<br />

der „Stabilen“ von Dörre<br />

gestützt, legen wir der Analyse die Vermutung<br />

zugrunde, dass Unsicherheit mit Anpassung<br />

und nicht mit Konfliktbereitschaft einhergeht.<br />

Eine zweidimensionale Matrix<br />

Ausgehend von unserer Hypothese hoher<br />

Betriebsbindung und Anpassung bei Beschäftigten<br />

in Normalarbeitsverhältnissen, sortieren<br />

wir die Fälle in einem ersten Schritt nach zwei<br />

Dimensionen der Arbeitsmarktorientierung<br />

(intern, extern) und der Konfliktbereitschaft<br />

(Anpassung, Konflikt). Diese Matrix wendet<br />

die grundlegenden Arbeiten von Hirschman<br />

(1970) auf unser Forschungsfeld an und soll im<br />

Folgenden kurz erläutert werden.<br />

Wesentlich unterscheiden sich interner und<br />

externer Arbeitsmarkt in der Dauer der jeweils<br />

vorherrschenden Beschäftigungsverhältnisse in<br />

den Betrieblichen Beschäftigungs-Sub-Systemen<br />

(zu BBSS siehe Kapitel 3). Während<br />

in Geschlossenen BBSS langfristige Beschäftigung<br />

vorherrscht, sind Offene BBSS in<br />

externen Arbeitsmärkten durch kurzfristige<br />

Arbeitsverhältnisse charakterisiert. Bei den in<br />

der Lehrforschung Befragten handelt es sich<br />

überwiegend um Beschäftigte mit Normalarbeitsverhältnissen<br />

in Geschlossenen BBSS. Vor<br />

diesem Hintergrund wollten wir die Arbeitsmarktorientierungen<br />

der Befragten erfassen<br />

und darstellen. Die Frage ist also, ob sich die<br />

Beschäftigten ausschließlich im Betrieb verorten,<br />

zum Beispiel durch Weiterbildungen zur<br />

Verbesserung der eigenen Position, oder ihren<br />

Blick auch auf die Chancen auf dem externen<br />

Arbeitsmarkt richten.<br />

Die „berufsbiographischen Gestaltungsmodi“<br />

von Witzel und Kühn (2000) beziehen sich auf<br />

Berufsanfänger, liefern aber einen guten Beleg<br />

für die Relevanz der hier vorgeschlagenen<br />

Unterscheidung von internen<br />

und externen Arbeitsmarktorientie-<br />

Seite 149<br />

rungen. Die von Witzel und Kühn<br />

aufgestellten Typen unterscheiden sich<br />

unter anderem hinsichtlich ihrer Biographiegestaltung.<br />

Während die beiden Typen Betriebsidentifizierung<br />

und Lohnarbeiterhabitus


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

der Kategorie Statusarrangement sich durch<br />

eine geschlossene Biographiegestaltung und<br />

das Streben nach Erhalt des Arbeitsplatzes<br />

auszeichnen, richtet der Typus Chancenoptimierung<br />

der Kategorie Karriereambition<br />

seinen Blick auch auf den überbetrieblichen<br />

Arbeitsmarkt (Witzel/Kühn 2000).<br />

Aus pragmatischen Gründen mussten wir im<br />

Rahmen der Lehrforschung eine einfache und<br />

eher deskriptive Definition von „intern“ und<br />

„extern“ entwickeln. Da wir es mit unbefristet<br />

Beschäftigten in Normalarbeitsverhältnissen<br />

zu tun haben, legen wir als Unterscheidungsmerkmal<br />

konkrete Aktivitäten in Bezug auf<br />

den externen Markt zugrunde. Wer also in der<br />

untersten Aktivitätskategorie eine Bereitschaft<br />

zum Stellenwechsel signalisiert und etwas<br />

dafür tut (Weiterbildung, Suche nach Alternativen)<br />

oder einen konkreten Ausweichplan hat,<br />

den er bei einem Arbeitsplatzverlust anstrebt,<br />

wird der Gruppe der externen Orientierung<br />

zugerechnet:<br />

Bauunternehmen, Maurer, 42 J.: „Man guckt<br />

schon bissl. Manchmal in den Zeitungen,<br />

ob man irgendwas Leichteres findet und<br />

wo man natürlich keine Lohneinbüßungen<br />

macht.“ (B: 3)<br />

Metall verarbeitender Betrieb Monteur, 34<br />

J.: „Ja. Na (äh) Bewerbungen geschrieben,<br />

bei anderen Firmen beworben und<br />

Seite 150 so weiter.“ (M: 1)<br />

Im Gegensatz dazu werden alle diejenigen,<br />

die keine der genannten externen Aktivitäten<br />

zeigen, der Kategorie interne Arbeitsmarktorientierung<br />

zugewiesen. Durch diese sehr weiten<br />

Definitionen setzen wir unsere Hypothese der<br />

hohen Betriebsbindung einem starken Test<br />

aus.<br />

Auch in der Konfliktdimension entscheiden<br />

wir uns für eine weite Definition der Konfliktbereitschaft,<br />

um unsere Anpassungsthese<br />

einem starken Test zu unterziehen. Der Konfliktgruppe<br />

ordnen wir alle Beschäftigten zu,<br />

die Konfliktbereitschaft signalisieren. Dabei<br />

kann es sich z.B. um passiven Dienst nach<br />

Vorschrift, aber auch um aktiven individuellen<br />

oder kollektiven Widerspruch handeln. Alle<br />

anderen Befragten, die ihre Handlungen an die<br />

Gegebenheiten und Anforderungen im Betrieb<br />

angleichen (z.B. durch Verzicht auf Lohnerhöhung,<br />

Akzeptanz von Mehrarbeit, keine<br />

Eigeninitiative zeigen) und darüber hinaus<br />

keine Konfliktmerkmale aufweisen, werden der<br />

Anpassungsgruppe zugerechnet. Die folgende<br />

Tabelle (Tabelle 5.2.1) zeigt eine Einteilung<br />

der Befragten hinsichtlich ihrer Arbeitsmarktorientierung<br />

und Konfliktorientierung.<br />

Unseren Erwartungen entsprechend, zeigt sich<br />

bei der überwiegenden Zahl der Befragten eine<br />

deutliche interne Arbeitsmarktorientierung.<br />

Nur bei 14 (26,9%) der 52 Beschäftigten lassen<br />

sich externe Arbeitsmarktorientierungen<br />

erkennen. Dies bestätigt zunächst unsere Ausgangshypothese<br />

einer Betriebsbindung, d.h.<br />

die Mehrheit der Befragten sucht nicht nach<br />

Alternativen auf dem externen Arbeitsmarkt.<br />

Weiterhin wird bezüglich der Konfliktorientierung<br />

deutlich, dass rund zwei Drittel der<br />

Beschäftigten (33 von 52) sich eher anpassen<br />

als Konflikte zu riskieren. Allerdings ist eine<br />

starke Minderheit von etwa einem Drittel der<br />

Beschäftigten (19 von 52) dazu bereit, größere


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Arbeitsmarktorientierung<br />

Konfliktorientierung<br />

Intern Extern Gesamt<br />

Anpassung<br />

B: 1,5<br />

BkV: 4,5,9<br />

C: 2,5,6-8<br />

G: 3,5,12,14<br />

H: 2<br />

M: 2,3,8,14,15<br />

P: 1,2<br />

UnD: 2,3<br />

C: 4<br />

G: 2,6-8,11<br />

M: 5,6<br />

UnD: 5<br />

= 24<br />

= 9 33<br />

(63,5%)<br />

Konflikt<br />

B: 2<br />

BkV: 1,2,7,8,10<br />

C: 3<br />

G: 9,10,13<br />

M: 9,12<br />

P: 3<br />

UnD: 4<br />

= 14<br />

B: 3<br />

BKV: 6<br />

G: 4<br />

H: 1<br />

M: 1<br />

= 5 19<br />

(36,5%)<br />

Gesamt<br />

38<br />

(73,1%)<br />

14<br />

(26,9%)<br />

N = 52<br />

(100%)<br />

Tabelle 5.2.1: Arbeitsmarktorientierung und Konfliktorientierung<br />

Seite 151


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

oder kleinere Konflikte im Sinne unserer weiten<br />

Definition zu riskieren. Die Erwerbsorientierungen<br />

und Handlungen dieser Befragten<br />

verweisen eindeutig auf Konfliktbereitschaft.<br />

Konfliktorientierung im Betrieb – eine Vertiefung<br />

der Matrix<br />

Wie oben ausgeführt, gehen wir von einer<br />

weiten Definition von Konflikt aus und<br />

identifizieren bei rund einem Drittel der Befragten<br />

Konfliktbereitschaft. Diese wollen wir<br />

im Folgenden detaillierter betrachten. Dazu<br />

unterscheiden wir die Konfliktorientierung<br />

zunächst in passiv und aktiv, bei letzterer<br />

differenzieren wir weiter zwischen aktiv-individuellem<br />

und aktiv-kollektivem Konflikt.<br />

Aktiv-individueller Konflikt bedeutet z.B. eine<br />

Beschwerde beim Chef. Im Gegensatz dazu ist<br />

unter aktiv-kollektivem Konflikt der gemeinsame<br />

Protest oder die Teilnahme an Aktionen<br />

zusammengefasst, die durch Betriebsrat oder<br />

Gewerkschaft initiiert wurden. Passiver Konflikt<br />

umfasst Arbeitsverhalten, das sich durch<br />

Leistungszurückhaltung, mehr Kranktage,<br />

bewusste Fehler oder „innere Kündigung“ und<br />

Dienst nach Vorschrift auszeichnet.<br />

Nur bei einer, allerdings starken, Minderheit<br />

unserer Fälle finden wir Konfliktbereitschaft.<br />

Tabelle 5.2.2 zeigt, dass in dieser Gruppe<br />

aktive Protestformen dominieren. So geben<br />

12 der 19 Konfliktbereiten an, sich an<br />

aktiven und kollektiven Konflikten<br />

Seite 152 wie gemeinsamem Protest oder dem<br />

Zusammenschluss im Betriebsrat<br />

zu beteiligen. Ebenso deutlich wird bei den<br />

Beschäftigten die Neigung zu aktiv-individuellem<br />

Konflikt. Diese 19 Konfliktfälle relativieren<br />

unsere pauschalen Annahmen über<br />

konfliktlose Anpassung an die Gegebenheiten<br />

im Betrieb. Neben Anpassungsstrategien weisen<br />

diese Befragten ebenso das Engagement<br />

auf, sich kollektiv zu organisieren als auch<br />

individuelle Beschwerden vorzubringen.<br />

Für passiv-individuellen Konflikt (innere Kündigung)<br />

lässt sich exemplarisch eine Geschäftsstellenleiterin,<br />

45 Jahre, Versicherungsbranche<br />

(BkV: 2), anführen:<br />

„Und ich weiß auch nicht, was ich danach<br />

machen werde, aber das macht mich auch<br />

heute noch nicht heiß. Weil ich denke, solange<br />

ich nicht den goldenen Löffel klaue,<br />

müssen sie mich schon irgendwo unterbringen.<br />

*lacht* Naja, das ist so. Und auch<br />

vom Gehalt her- eigentlich haben sie keine<br />

Handhabe, keine Möglichkeit mir da was<br />

abzuknapsen. Und natürlich muss ich auch<br />

sagen, bin ich äh so geschickt, jetzt meine<br />

innere Einstellung jetzt nicht irgendwie<br />

durchblicken zu lassen. Also, weder bei<br />

den Kollegen. Und Klar sagen wir mal, „oh,<br />

wir haben heut keine Lust“ oder so oder<br />

„ich habe dazu keine Lust“. Aber, das denk<br />

ich ist gut, wenn man das auch mal sagen<br />

kann, wenn das erlaubt. Das hat jetzt damit<br />

nichts zu tun. Aber diese Grundstimmung<br />

so, da bin ich einfach geschickt genug, um<br />

das nicht- und mein Chef würde aus allen<br />

Wolken fallen, wenn der das erfahren würde<br />

oder so. Weil, das ist- ich weiß genau, welche<br />

Karten ich Zeigen muss und das mach<br />

ich und das verkauf ich auch ordentlich und<br />

damit versuch ich mir da auch nicht (*) 24 na<br />

ja irgendwas einzuhandeln.“


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Konfliktorientierung passiv-individuell aktiv-individuell aktiv-kollektiv<br />

Fälle nach<br />

höchstem<br />

Konfliktniveau<br />

BkV: 2* BkV: 1<br />

C: 3<br />

G: 4*,9,10<br />

UnD: 4<br />

B: 2,3<br />

BkV: 6-8,10*<br />

G: 13*<br />

H: 1<br />

M: 1,9,12<br />

P: 3<br />

Gesamt: N = 19<br />

(100%)<br />

1<br />

(5,3%)<br />

6<br />

(31,6%)<br />

12<br />

(63,1%)<br />

Tabelle 5.2.2: Vertiefte Konfliktorientierung 23<br />

5.3 Leistungsorientierungen<br />

Basierend auf dem Teilergebnis des 4. Kapitels<br />

zur Sicherheitskonstruktion durch Leistung,<br />

wollen wir im Folgenden den Fokus auf die<br />

betrieblichen Leistungsorientierungen der<br />

Befragten legen. Die Dimension Leistungsorientierung<br />

muss hier deutlich von der bereits<br />

betrachteten Konfliktdimension unterschieden<br />

werden. In der Konfliktdimension geht es pauschal<br />

um den Umgang mit den Vorgaben des<br />

Managements in Bezug auf alle Bestandteile<br />

der Beschäftigungsbeziehung (Lohn/Leistung,<br />

Arbeitsbedingungen und Arbeitszeit, Arbeitsbeziehungen,<br />

Führungsstile etc.) und um Formen<br />

des Protests. Die Leistungsorientierung<br />

bezieht sich dagegen speziell auf die Arbeitsleistung<br />

im Betrieb: Es geht um das Maß der<br />

erbrachten Leistung und die damit einhergehende<br />

Eigeninitiative. Diese Differenzierung<br />

erwies sich als notwendig, weil Orientierungen<br />

und Handlungen in beiden Dimensionen bei<br />

vielen Befragten auseinander laufen. So sind<br />

häufig gerade die betrieblichen „Leistungsträger“<br />

diejenigen, die auch bereit sind Konflikte<br />

einzugehen.<br />

Aktive und passive Leistungsorientierungen<br />

– eine Deskription des Samples<br />

In einem ersten Schritt fragen wir in deskriptiver<br />

Absicht nach dem Aktivitätsniveau der<br />

Leistung in Bezug auf die betrieblichen<br />

Vorgaben. Eine Einordnung<br />

in die Kategorien passive und aktive<br />

Seite 153<br />

Leistungsorientierung unterscheiden<br />

wir vorwiegend auf der Grundlage der Eigeninitiative<br />

und des Maßes der erbrachten Leistung<br />

der Befragten: Als aktiv charakterisieren<br />

wir alle diejenigen Befragten, die mindestens


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

eines der folgenden Merkmale erkennen lassen:<br />

- Beteiligung an Weiterbildungen<br />

- Streben nach einem schwer<br />

ersetzbaren Berufsprofil durch<br />

Leistung und Qualifikation<br />

- Erfüllung freiwilliger<br />

Zusatzaufgaben<br />

- Ergreifung von Eigeninitiative<br />

- Bestehen einer hohen<br />

Leistungsbereitschaft<br />

- Bereitschaft mit Kollegen zu<br />

konkurrieren<br />

Wenn keine der genannten Aktivitäten und<br />

Einstellungen aus den Interviews erkennbar<br />

werden, sprechen wir von einer passiven<br />

Leistungsorientierung. Exemplarisch lässt<br />

sich die Differenzierung in passive und aktive<br />

Leistungsorientierung anhand eines befragten<br />

Bauleiters, 44 Jahre, Handwerksbetrieb (B: 1)<br />

und eines befragten Vorarbeiters, 35 Jahre,<br />

Baubranche (B: 2) erläutern.<br />

Der Bauleiter wird aufgrund folgender Indikatoren<br />

in die Kategorie passive Leistungsorientierung<br />

eingeordnet. Zum einen<br />

sieht der Befragte keine Möglichkeit<br />

Seite 154 auf sein subjektives Sicherheitsgefühl<br />

von 50% Einfluss zu nehmen. Er fühlt<br />

sich in dieser Situation handlungsohnmächtig<br />

und ist deshalb ausschließlich zu Weiterqualifikationen<br />

bereit, „wenn ich einen Sinn drinne<br />

sehen würde“. Darüber hinaus sucht er auch<br />

keine Alternativen zu seiner jetzigen Situation<br />

und ist durchaus bereit, Abstriche bei Lohn<br />

und Arbeitszeit hinzunehmen, um so seine<br />

Sicherheitslage zu verbessern.<br />

Der interviewte Vorarbeiter (B: 2) schätzt<br />

seine Einflussmöglichkeiten auf die eigene<br />

Sicherheitslage ebenso gering ein. Er versucht<br />

allerdings trotzdem seine Sicherheitslage, unter<br />

anderem durch Zusatzqualifikation/Weiterbildungen,<br />

zu verbessern. In der Vergangenheit<br />

war er durchaus bereit, für seine Sicherheitslage<br />

die geforderte Mehrarbeit in Kauf zu nehmen.<br />

Es wird also deutlich, dass auch bei dem Vorarbeiter<br />

passive Orientierungen zu verzeichnen<br />

sind. Aufgrund der aktiven Bemühungen<br />

ordnen wir ihn dennoch der Kategorie aktive<br />

Leistungsorientierung zu.<br />

Neben der bereits in der ersten Übersicht dargestellten<br />

überwiegend internen Arbeitsmarktorientierung<br />

der befragten Beschäftigten, dominiert<br />

hier eine aktive Leistungsorientierung<br />

in unserem Sample (Tabelle 5.3.1). Die Leistungsorientierungen<br />

von mehr als vier Fünftel<br />

(44 von 52) der Interviewten sind vorwiegend<br />

durch die genannten aktiven Eigenschaften<br />

gekennzeichnet, d.h. bei fast allen Beschäftigten<br />

ist eine gesteigerte Leistungsbereitschaft<br />

erkennbar. Demgegenüber weisen nur acht<br />

Akteure eine Leistungsorientierung mit vorherrschend<br />

passiven Merkmalen auf.<br />

Eine vertiefende Typologie basaler Leistungsorientierungen<br />

Die vorangestellte Analyse aus der Lehrforschung<br />

erlaubt einen ersten deskriptiven<br />

Überblick über die Leistungsorientierungen<br />

der Befragten. Für ein vertiefendes Verständ-


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Aktiv<br />

Passiv<br />

Leistungsorientierung<br />

B: 2,3,5<br />

BkV: 1,4-10<br />

C: 3-8<br />

G: 2-10,12,13<br />

H: 1<br />

M: 1-3,6,9,12,14,15<br />

P: 1-3<br />

UnD: 2-5<br />

B: 1<br />

BkV: 2<br />

C: 2<br />

G: 11,14<br />

H: 2<br />

M: 5,8<br />

Gesamt: N = 52<br />

(100%)<br />

44<br />

(84,6%)<br />

8<br />

(15,4%)<br />

Tabelle 5.3.1: Leistungsorientierung<br />

nis dieser Orientierungsmuster wollen wir<br />

versuchen, einen ersten Blick auf den Zusammenhang<br />

mit anderen Wahrnehmungs- und<br />

Handlungsdimensionen zu werfen, um daraus<br />

eine Typologie basaler Leistungsorientierungen<br />

zu entwickeln. Es gilt, den Modus der<br />

Arbeitstätigkeit zu erfassen, wobei dies in erster<br />

Linie über eine Spezifikation der qualitativen<br />

Aspekte der Erwerbsorientierung erfolgt. 25<br />

Hierfür wird eine konzeptuelle Verfeinerung<br />

der Leistungsorientierungen vorgenommen,<br />

denn eine binäre Unterscheidung in passiv und<br />

aktiv – wie sie im Rahmen der Lehrforschung<br />

vorgenommen wurde – reicht dazu nicht aus.<br />

Erstens ermöglicht die theoretische Konzeption<br />

nur eine dichotome Unterteilung der<br />

Leistungsorientierungen in passive und aktive,<br />

während die empirisch erwartbare und auch<br />

nachgewiesene Kombination verschiedener<br />

konkreter Handlungen eher eine graduelle<br />

Abstufung der im Aktivitätsgrad differierenden<br />

Leistungsorientierungen nahe legt.<br />

Besonders problematisch wird die dichotome<br />

Konzeption bei dem Versuch einer trennscharfen<br />

Abgrenzung zwischen passiv und<br />

aktiv Orientierten. Hier stößt das Modell nur<br />

allzu schnell an seine Grenzen.<br />

Zweitens fließt eine äußerst heterogene<br />

Bandbreite an Handlungsmustern in ein und<br />

denselben Handlungstypus ein. Insbesondere<br />

fällt auf, dass sowohl Beschäftigte, die<br />

kaum Handlungsfolgen zeigen, als<br />

auch Beschäftigte, die außerordent-<br />

Seite 155<br />

lich viele passive Anpassungshandlungen<br />

erkennen lassen, gemäß der bisherigen<br />

Einteilung der Gruppen, der passiven Leistungsorientierung<br />

zugeordnet werden. Dieser<br />

Unterschied könnte jedoch möglicherweise


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

zwei unterschiedliche Leistungsorientierungen<br />

implizieren.<br />

Drittens bleibt der Einfluss des beruflichen<br />

Kontextes, insbesondere Art und Umfang der<br />

berufs- und arbeitgeberspezifischen Anforderungen,<br />

auf die jeweilige Bedeutung von<br />

einzelnen Handlungsfolgen unberücksichtigt.<br />

Denn beispielsweise ist eine Weiterbildung,<br />

die in einem Rahmen geschieht, der es dem<br />

Arbeitnehmer leicht macht, Weiterbildungsmaßnahmen<br />

in Anspruch zu nehmen bzw.<br />

wo solche explizit gefordert und bereit gestellt<br />

werden, deutlich zu trennen von einer<br />

Durchführung von Weiterbildungen, die vom<br />

Arbeitgeber weder gefördert noch gefordert<br />

werden. Der Grad des damit verbundenen<br />

Aufwands und der Motivation, diesen auf sich<br />

zu nehmen variiert beträchtlich. Deshalb müssen<br />

die jeweiligen Handlungen, wenn möglich,<br />

im Kontext betrachtet werden.<br />

Den hier dargestellten Schwierigkeiten<br />

versuchen wir im Folgenden mit einer Typologie<br />

der basalen Leistungsorientierungen<br />

in Normalarbeitsverhältnissen zu begegnen,<br />

die einen vertiefenden Zugang zu den oben<br />

beschriebenen Ansätzen ermöglicht. Diese<br />

Typologie soll die Leistungsorientierung von<br />

Beschäftigten näher spezifizieren. Eine ähnliche<br />

Typologie wurde von Voß und Pongratz<br />

(1998) entwickelt. Sie unterscheiden drei Typen<br />

von Leistungs-orientierung bei<br />

Beschäftigten, wobei hier ebenfalls<br />

Seite 156 die „Art und Weise wie die Beschäftigten<br />

ihre Arbeitsleistung erbringen<br />

wollen“ (ebd. S.65) und „die Begründungen<br />

für das persönliche Arbeitsengagement“ (ebd.<br />

S.66) betrachtet werden. Allerdings entsprechen<br />

diese Typen nur begrenzt den unseren,<br />

was auf die unterschiedlichen zugrunde liegenden<br />

Fragestellungen zurückgeführt werden<br />

kann. Voß und Pongratz systematisierten die<br />

Handlungen und Haltungen, die sich aus einer<br />

veränderten Arbeitsorganisation im Zuge von<br />

betrieblichen Reorganisationsmaßnahmen<br />

ergeben. Wir fragten hingegen vorrangig<br />

nach Handlungs-orientierungen, die mit dem<br />

Sicherheitsempfinden der Befragten in Zusammenhang<br />

stehen könnten.<br />

Unsere Typologie ist darauf ausgelegt, ein<br />

möglichst breites Spektrum an Handlungen zu<br />

erfassen. Die Leistungsorientierung wird hierbei<br />

eine von mehreren Eigenschaften sein, mit<br />

deren Hilfe die Fälle unterschieden werden. Es<br />

werden weitere Elemente in die Analyse einbezogen,<br />

um eine grobe Skizze der verschiedenen<br />

Erwerbsorientierungen der befragten Beschäftigten<br />

zu entwerfen. Es werden im Folgenden<br />

drei Typen unterschieden: a) Unterwerfung,<br />

b) Anforderungen erfüllen und c) Maßstäbe setzen.<br />

26 Die Typen werden ausgehend von dem<br />

empirischen Material entwickelt und anhand<br />

von exemplarischen Fällen illustriert, deren<br />

Handlungsorientierungen am vollständigsten<br />

den beschriebenen Merkmalen entsprechen.<br />

Es handelt sich bei dieser Typologie insofern<br />

um Idealtypen.<br />

a) Unterwerfung:<br />

Fälle, die eine Handlungstendenz dieser Art<br />

aufweisen, zeichnen sich insbesondere durch<br />

eine ausgeprägte Passivität aus.<br />

Allgemeinarztpraxis, Arzthelferin, 36 Jahre:<br />

„[…] ich müsste eigentlich auch mal hingehen,<br />

müsste sagen, also haben Sie schon mal<br />

mitgekriegt, dass ich mich überfordert fühl,


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

dass ich im Moment so richtig kaputt bin<br />

und so und auch mal Fehler mach und so.<br />

So was müssten wir eigentlich machen, aber<br />

das macht keiner von uns.“(G: 3)<br />

Wie sich diese Passivität äußert, soll anhand<br />

der Aussagen einer 36-jährigen Krankenschwester<br />

(G: 5) dargestellt werden, welche<br />

in einem städtischen Krankenhaus beschäftigt<br />

ist. Arbeitnehmer, die diesen Handlungstypus<br />

aufweisen, nehmen verschlechtere Arbeitsbedingungen<br />

auch ohne adäquaten Ausgleich in<br />

Kauf.<br />

„Ich bin eigentlich sehr zufrieden, muss<br />

ich sagen, aber da sich der Arbeitsbereich<br />

in den letzten Jahren größer geworden ist,<br />

was eben diese Schreibarbeiten betrifft, was<br />

vor Jahren nicht war, durch die ganze Gesundheitspolitik<br />

und da könnte man sagen,<br />

müsste im Schnitt ein bis zwei Schwestern<br />

pro Schicht mehr arbeiten, weil das ist ein<br />

Mehraufwand in jeder Schicht von mindestens<br />

zwei Stunden und das schlaucht, auf<br />

deutsch gesagt, da muss man, man wird immer<br />

schneller mit arbeiten, weil man muss<br />

ja ein bestimmtes Pensum schaffen und<br />

das ist schon ganz schön extrem geworden,<br />

also das ist ein bisschen, das hat sich sehr<br />

zum Negativen entwickelt, was nicht nur<br />

ich sage, sondern alle anderen auch, das ist<br />

so.“ Und „[…] dass sowieso schon extreme<br />

Kürzungen bei uns eingetreten sind, ist es<br />

sehr schwierig da zu sagen, ich kann auf,<br />

was weiß ich, noch 200 Euro weniger verzichten“<br />

Es wird keine Eigeninitiative gezeigt:<br />

„[…] wir arbeiten eben nur und hoffen,<br />

dass wir noch ein paar Jahre können.“<br />

Man verzichtet bewusst auf Rechte und Konflikt.<br />

„Aber wir können, man kann nicht irgendwo<br />

hingehen und sagen, hier das gefällt<br />

mir nicht, dies nicht, man kann wirklich<br />

nur auf Arbeit gehen, machen, was sie<br />

von einen wollen und mehr nicht, das ist<br />

so und sicherlich auch in jedem anderen<br />

Arbeitsbereich oder Arbeitsberuf, sage ich<br />

mal. Es ist so, es traut sich auch keiner was<br />

zu sagen, weil dann heißt es, pass auf, wenn<br />

es dir nicht passt, dann geh und gut.“ Die<br />

Konsequenz ist: „Wir nehmen alles hin,<br />

müssen es hinnehmen.“<br />

Es erfolgen vorrangig passive Handlungen<br />

und die Einstellung gegenüber den eigenen<br />

Einflussmöglichkeiten zur Verbesserung der<br />

Arbeitsplatzsicherheit ist als resigniert zu<br />

bezeichnen.<br />

„Wir gehen nicht anders an die Arbeit<br />

heran, wir arbeiten ganz normal weiter,<br />

so als ob das eben so ist. Ich meine, wir<br />

diskutieren öfter mal in der Runde, was<br />

könnte man anders machen, dies, das, jenes,<br />

aber im Endeffekt, wir gehen<br />

nirgends wohin und sagen hier<br />

horch zu, das und das wollen wir<br />

Seite 157<br />

anders machen, so und so geht es<br />

besser, weil es bringt nichts, es ist wirklich<br />

so, wir arbeiten, sagen nichts, denken uns<br />

manchmal unseren Teil und sind froh, dass<br />

wir noch gehen können.“


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Seite 158<br />

Überdies wurde von den beiden betreffenden<br />

Arbeitnehmerinnen ein Gefühl der Überforderung<br />

beschrieben, das mit einer subjektiv<br />

wahrgenommenen Handlungsohnmacht<br />

einhergeht. Eine Arzthelferin, 44 Jahre, die<br />

in einer kleinen Allgemeinarztpraxis arbeitet,<br />

bemerkt:<br />

„Dann mal irgendwie zu sagen hier als das,<br />

zum Beispiel jetzt, dass ich halt, ich müsste<br />

eigentlich auch mal hingehen, müsste sagen,<br />

also haben Sie schon mal mitgekriegt,<br />

dass ich mich überfordert fühl, dass ich<br />

im Moment so richtig kaputt bin und so<br />

und auch mal Fehler mach und so. So was<br />

müssten wir eigentlich machen, aber das<br />

macht keiner von uns.“ (G: 3)<br />

b) Anforderungen erfüllen:<br />

Im Gegensatz zum Handlungstyp der Unterwerfung<br />

sind die zwei nachfolgend beschriebenen<br />

Typen deutlich aktiver. Jedoch divergiert<br />

der Aktivitätsgrad der Beschäftigten,<br />

die sich zwar tendenziell anpassen, aber keine<br />

Handlungen im Sinne einer Unterwerfung<br />

zeigen, so stark, dass dem mit der Trennung<br />

in die zwei Typen Anforderungen erfüllen und<br />

Maßstäbe setzen Rechnung getragen wurde.<br />

Zur Illustration des Handlungstyps „Anforderungen<br />

erfüllen“ werden an dieser Stelle die<br />

Aussagen eines Krankenpflegers einer<br />

Universitätsklinik, 34 Jahre (G: 14),<br />

wiedergegeben.<br />

Uniklinik, Krankenpfleger, 34 Jahre „Ich<br />

sag mal so ich tu auf jeden Fall nichts dafür,<br />

dass es unsicherer wird. Aber im Mo (*) 27<br />

dass es großartig noch sicherer wird tu ich<br />

natürlich auch nicht viel dafür.“(G: 14)<br />

Man unterwirft sich nicht den gestellten Anforderungen,<br />

sondern erbringt die geforderte<br />

Arbeitsleistung, ohne ein überdurchschnittliches<br />

Maß an Arbeitseifer an den Tag zu<br />

legen. Meist bedeutet das im Konkreten, dass<br />

das Hauptaugenmerk auf der Vermeidung von<br />

Fehlern und nicht der besonderen Qualität<br />

der geleisteten Arbeit liegt. So antwortet der<br />

Befragte auf die Frage, welche Möglichkeiten<br />

er sähe, auf seine Sicherheitslage Einfluss zu<br />

nehmen:<br />

„Na gewisse Einflussmöglichkeiten die<br />

denk ich die hat jeder. Also einfach fehlerfreies<br />

Arbeiten, so als ganz grob. Wenn man<br />

viele Fehler macht ist natürlich die Chance,<br />

dass man die Arbeitsstelle verliert natürlich<br />

deutlich höher.“<br />

Dementsprechend lassen sich bei Arbeitnehmern<br />

dieses Typs selten Handlungen<br />

finden, die dazu dienen, sich durch eigene<br />

Leistung und Qualifikation unersetzbar zu<br />

machen.<br />

„Also wenn es nach Leistung geht, dann<br />

hätten andere Leute wahrscheinlich bessere<br />

Chancen als ich.“<br />

Unser Beispielfall antwortet weiterhin bezüglich<br />

der Frage nach Weiterbildungen:<br />

„Ich sehe mich nicht gezwungen im Moment<br />

irgendwelche zusätzlichen (*) freiwilligen<br />

Arbeiten zu übernehmen. Wie könnte<br />

man das beschreiben? Irgendwelche Kurse<br />

geben oder lernen oder... Es gibt da immer<br />

so Kollegen, die dann noch eben freiwillig


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

neben der Arbeit noch irgendwelche Sachen<br />

sich da weiterbilden und das dann an<br />

Kollegen weiter vermitteln das Wissen, aber<br />

das muss man nicht und da sehe ich mich<br />

auch nicht gezwungen dazu.“<br />

Vielmehr verlässt er sich auf den Schutz durch<br />

Sozialkriterien:<br />

„Also es (*) ich weiß nicht ob es so ist, aber<br />

das so zum Gefühl trägt es bei so die Dauer<br />

so, wenn man schon lange dabei ist das man<br />

doch schon auch länger dabei bleiben kann.<br />

Als wenn ich jetzt vor einem halben oder<br />

vor einem Jahr angefangen hätte, so einen<br />

Arbeitsvertrag gekriegt hätte und dann<br />

müssen doch Stellen abgebaut werden, geh<br />

ich davon aus, dass die Alleinstehenden<br />

jüngeren Mitarbeiter, die grad angefangen<br />

haben oder befristete Verträge haben,<br />

dass alles die ersten sind, die dann gehen<br />

müssten.“<br />

Verschlechterte Arbeitsbedingungen werden<br />

nicht uneingeschränkt akzeptiert. Ein anderer<br />

Altenpfleger, angestellt in einem kirchlichen<br />

Pflegeheim, bemerkt hierzu:<br />

„Ich würde nur auf Geld verzichten, wenn<br />

ich unter Druck gesetzt werde und äh das<br />

ist ja ein Leichtes heute, aber nicht freiwillig<br />

[…]sondern nur, wenn er sagen würde,<br />

wenn du es nicht machst, dann fliegst du<br />

oder dann holen wir einen anderen. Dann<br />

würde ich es natürlich machen, weil mir<br />

keine andere Wahl bleibt.“ (G: 9)<br />

c) Maßstäbe setzen:<br />

Personen, die vorrangig dieser Handlungsorientierung<br />

folgen, zeigen in hohem Maße<br />

Handlungen, die darauf abzielen, sich bestmöglich<br />

mit den gegebenen Umständen zu<br />

arrangieren und sie im eigenen Interesse zu<br />

nutzen.<br />

Lokalzeitung, Fotoredakteur, 32 Jahre<br />

„Man darf nie den Tag so beginnen, das ist<br />

meine persönliche Einstellung, dass man da<br />

hin geht und sagt, man lässt die Dinge auf<br />

sich zukommen. Also, selbst Ideen haben,<br />

selbst Ideen umsetzen, selbst die Dinge in<br />

die Hand nehmen.“ (P: 1)<br />

Gerade bei den Befragten aus dem Printmedienbereich<br />

ließen sich besonders klar diese Tendenzen<br />

nachweisen. Der im Folgenden zitierte<br />

Befragte ist ein 32-jähriger Fotoredakteur (P:<br />

1), angestellt bei einer Lokalzeitung.<br />

Arbeitnehmer dieses Typs sind bestrebt, überdurchschnittliche<br />

Leistung zu bringen. Das<br />

Maß ihrer erbrachten Arbeit geht über das<br />

Maß des Geforderten hinaus.<br />

„nicht nur 100 Prozent arbeiten ... das ist<br />

manchmal schon 120, 130 Prozent ... deswegen<br />

ist dieses Gefühl, den Arbeitsplatz<br />

möglicherweise etwas länger zu haben als<br />

alle anderen einfach ein bisschen<br />

da.“; „[…] teilweise eine 50-,<br />

60-Stundenwoche [...] da kann<br />

Seite 159<br />

vielleicht noch ein bisschen mehr<br />

draufgepresst werden. Aber vielmehr geht<br />

einfach nicht mehr.“


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Es wird also versucht, sich durch die eigene<br />

Leistung und eine hohe Qualifikation unersetzbar<br />

zu machen. Letztere wird auch durchaus<br />

in Eigenregie verbessert und erweitert.<br />

„[...] man muss schon zusehen, dass man<br />

nicht einer von vielen ist. Wenn es irgendwann<br />

mal hart auf hart kommt, zählt das<br />

natürlich.“; „[...] jeder sollte nie da stehen<br />

bleiben, wo er gerade ist [...] permanente<br />

Weiterbildung [...] selbst organisiert [...]<br />

ganz wichtig [...] durchaus auch auf andere<br />

Arbeitsfelder [...] die irgendwas mit Kommunikation<br />

zu tun haben.“<br />

Man stellt hohe qualitative Ansprüche an die<br />

eigene Arbeit.<br />

„Und deswegen ist auch meine Überzeugung,<br />

dass ein Angestellter mehr für seine<br />

Arbeitsplatz tun kann, wenn er auch so ein<br />

bisschen als Selbstständiger arbeitet.“<br />

Bei den Befragten dieses Typs häufen sich<br />

Aussagen bezüglich ihrer Identifizierung mit<br />

dem Betriebswohl. Die Qualität ihrer Arbeit<br />

wird damit in direkte Verbindung gesetzt.<br />

„Und was die Arbeitsplatzunsicherheit<br />

anbetrifft, das ist tatsächlich ein wirtschaftlicher<br />

Faktor.“; „[...] wirtschaftlich<br />

begründet auf Privilegien, wie zum Beispiel<br />

Gehalt verzichten. […] ich erwarte,<br />

dass man auch wirtschaftlich denkt“;<br />

Seite 160 „Ich würde, sagen wir, etwas mehr<br />

tun für etwas weniger Geld“ „[….] da<br />

muss man schon richtig kämpfen ...“; „[...]<br />

drei langweilige Ausgaben in Folge können<br />

dazu führen, dass er [der Leser] einfach die<br />

Zeitung nicht mehr haben möchte.“<br />

Verschlechterte Arbeitsbedingungen werden<br />

zwar nicht uneingeschränkt akzeptiert, dennoch<br />

sind gerade Mehrarbeit und Überstunden<br />

bei entsprechender Entlohnung verbreitet.<br />

„Überstunden sind bei uns ein Fremdwort.<br />

Man bringt die zwar, aber sie werden nicht<br />

vergütet, aber ich muss ehrlicherweise der<br />

Fairness halber dazu sagen, das Gehalt ist<br />

überdurchschnittlich hoch [...] jeder weiß<br />

von vornherein, dass er Überstunden zu<br />

machen hat [...]Gehalt ist zu dem, was man<br />

macht angemessen […] das Pensum ist<br />

auch überdurchschnittlich.“<br />

Vereinzelt lässt sich die Tendenz beobachten,<br />

dass, im Bestreben eine unersetzliche Position<br />

einzunehmen, mit den Kollegen in Konkurrenz<br />

gegangen wird. So bemerkt ein anderer<br />

Journalist, der bei einer regional erscheinenden<br />

Tageszeitung angestellt ist:<br />

„Die Medienlandschaft ist allgemein aggressiver<br />

geworden. Das hat sich insofern<br />

bei uns ausgewirkt, dass eben halt die Leute<br />

nicht mehr so sehr zusammenhalten und<br />

sind eine Gruppe, sondern jeder versucht irgendwo<br />

seinen Arbeitsplatz zu sichern bzw.<br />

auch sein Wohlwollen beim Chef.“ (P: 2)<br />

Zum Zwecke der größtmöglichen Vergleichbarkeit<br />

der Fälle wurde versucht, nur solche<br />

Eigenschaften in die Konzeption dieser Typen<br />

einzubeziehen, die in je unterschiedlicher<br />

Intensität bei allen dreien auftraten. Dabei<br />

entstanden folgende Vergleichskategorien:<br />

Das Maß der erbrachten Leistung, das Maß<br />

an Eigeninitiative, die Einstellung gegenüber<br />

den eigenen Einflussmöglichkeiten und die<br />

Inkaufnahme von verschlechterten Arbeits-


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Handlungsmuster<br />

Leistungsorientierung<br />

Unterwerfung<br />

Anforderungen<br />

erfüllen<br />

Maßstäbe setzen<br />

Maß an Eigeninitiative<br />

Keine selbstständigen<br />

Schritte und<br />

keine Ergreifung von<br />

Maßnahmen, um<br />

auf die Bedingungen<br />

am Arbeits-platz zu<br />

reagieren und/oder<br />

sie zu verändern<br />

Arbeit wird „wie<br />

bisher“ erledigt, man<br />

richtet sich ausschließlich<br />

nach den verlangten<br />

Erfordernissen<br />

Hohes Maß an<br />

Eigeninitiative wie<br />

Übernahme von<br />

freiwilligen Zusatzaufgaben<br />

und Engagement<br />

zur Verbesserung<br />

der eigenen Leistung<br />

und Qualifikation<br />

Maß der erbrachten<br />

Leistung<br />

Arbeit bis an die<br />

Leistungsgrenzen, um<br />

die gestellten Anforderungen<br />

zu erfüllen<br />

Arbeitnehmer hält<br />

seine erbrachten<br />

Leistungen gegenüber<br />

den gestellten Anforderungen<br />

für angemessen<br />

Selbsteinschätzung der<br />

eigenen Leistungen<br />

als deutlich über dem<br />

geforderten Maß<br />

Einstellung den<br />

eigenen Einflussmöglichkeiten<br />

gegenüber<br />

Ausmaß der<br />

eigenen Leistung hat<br />

keinen Einfluss auf<br />

die Sicherheitslage<br />

Eigener Beitrag<br />

zur Verbesserung<br />

der individuellen<br />

Sicherheitslage wird als<br />

wirksam eingeschätzt<br />

Eigene<br />

Einflussmöglichkeit<br />

auf betriebliche<br />

und individuelle<br />

Sicherheitslage wird als<br />

wirksam eingeschätzt<br />

Akzeptanz von<br />

verschlechterten<br />

Arbeits- und<br />

Einkommensbedingungen<br />

und Verzicht auf<br />

Konzessionen<br />

(Entgegenkommen/<br />

Zugeständnisse)<br />

Inkaufnahme von verschlechterten<br />

Arbeitsbedingungen<br />

ohne<br />

adäquaten Ausgleich.<br />

Inkaufnahme von<br />

verschlechterten<br />

Arbeitsbedingungen<br />

teils mit teils ohne<br />

Forderung nach<br />

adäquatem Ausgleich<br />

Inkaufnahme von verschlechterten<br />

Arbeitsbedingungen<br />

nur mit<br />

adäquatem Ausgleich<br />

(in Form von besserer<br />

Bezahlung oder<br />

höherer Sicherheit)<br />

Tabelle 5.3.2: Typen der Erwerbsorientierung<br />

Seite 161


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

bedingungen mit/ohne adäquaten Ausgleich.<br />

Diese Auswertungsdimensionen stellen einen<br />

ersten Versuch dar, die beobachteten Handlungsmuster<br />

sinnvoll zu kategorisieren. Die<br />

so ermittelten Besonderheiten der einzelnen<br />

Typen sind in Tabelle 5.3.2 dargestellt.<br />

Betrachtet man nun die Verteilung der vorgestellten<br />

Typen der Erwerbsorientierung<br />

(Tabelle 5.3.3 und Abbildung 5.3.1), fällt auf,<br />

dass die deutliche Mehrzahl der Beschäftigten<br />

interne und aktive Handlungsorientierungen<br />

aufweist. Knapp die Hälfte der Befragten (24<br />

von 52) entspricht dem Typ Maßstäbe setzen,<br />

während knapp ein Viertel der Befragten sich<br />

dem Handlungstyp Anforderungen erfüllen zuordnen<br />

lässt. Demgegenüber unterwerfen sich<br />

lediglich zwei Befragte.<br />

Die These einer erhöhten Leistung im beruflichen<br />

Leben scheint also für die anteilsmäßig<br />

größte Gruppe der befragten Beschäftigten,<br />

den „Setzern“ von Maßstäben, zuzutreffen.<br />

Darüber hinaus legen die Ergebnisse nahe,<br />

dass diese Beschäftigten ein erhöhtes Arbeitspensum<br />

haben, welches sie bestrebt sind,<br />

gestalterisch zu bewältigen und es gar selbst<br />

erweitern. Nur ein verschwindend geringer<br />

Anteil von Beschäftigten resigniert aufgrund<br />

der als untragbar hoch empfundenen<br />

Leistungsanforderungen, die sie nichtsdestoweniger<br />

zu erfüllen versuchen.<br />

Allerdings ist dieser Befund mit den<br />

Seite 162 Erkenntnissen über die zweitstärkste<br />

Gruppe von Beschäftigten, die sich<br />

in ihrem Arbeitsverhalten vorwiegend an den<br />

an sie gestellten Anforderungen orientieren,<br />

zu relativieren. Diese Beschäftigten sind zwar<br />

meistenteils bemüht, diese Anforderungen<br />

angemessen zu erfüllen und insofern eher aktiv<br />

leistungsorientiert, zeigen allerdings darüber<br />

hinaus kaum Bemühungen ihre Leistung in<br />

Eigenregie zu erhöhen. Die hinter diesen<br />

Handlungsorientierungen und -mustern<br />

stehenden Motivkonstellationen müssen hier<br />

offen bleiben. Erste Hinweise erarbeiten wir<br />

im Kapitel 6.<br />

5.4 Fazit<br />

Um den Erwerbsorientierungen der interviewten<br />

Beschäftigten auf den Grund zu<br />

gehen, wurden zunächst drei Dimensionen der<br />

Erwerbsorientierung unterschieden: Arbeitsmarktorientierung,<br />

Konfliktorientierung und<br />

Leistungsorientierung. Dabei lassen sich zwei<br />

dominante Orientierungen herausstellen (Tabelle<br />

5.4.1): Erstens zeigen rund drei Viertel<br />

der Beschäftigen (38 von 52) eine starke Betriebsbindung<br />

und zweitens sind vier Fünftel<br />

der befragten Beschäftigten (44 von 52) aktiv<br />

leistungsorientiert. Diejenigen, die sowohl<br />

Betriebsbindung als auch aktive Leistungsorientierung<br />

aufweisen, sind zu drei Fünfteln vergleichsweise<br />

am häufigsten in unserem Sample<br />

vertreten (32 von 52 Fällen).<br />

Der wohl wichtigste Befund dieser Ausführungen<br />

ist, dass eine außerordentliche<br />

Leistungsbereitschaft bei den Befragten zu<br />

verzeichnen ist. Dies kann als ein Hinweis auf<br />

die These von Disziplinierungseffekten in der<br />

Castelschen Zone der Integration gelesen werden.<br />

Gleichwohl kann man es auch als Indiz<br />

im Sinne der Vermarktlichungs- und Subjektivierungsthese<br />

deuten, die u.a. von Moldaschl<br />

(2002), Sauer (2005) oder Schumann (2003)


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Arbeitsmarktorientierung<br />

Leistungs-<br />

Orientierung<br />

Unterwerfen<br />

Anforderungen erfüllen<br />

Intern Extern Gesamt<br />

G: 3,5<br />

= 2 - 2<br />

(3,9%)<br />

B: 1,5<br />

B: 3<br />

BkV: 2,9<br />

C: 2,7<br />

G: 9,14<br />

G: 6,7,11<br />

H: 2<br />

M: 3,8<br />

M: 1,5,6<br />

P: 3<br />

= 12<br />

= 7 19<br />

(36,5%)<br />

Maßstäbe setzen<br />

B: 2<br />

BkV: 1,4,5,7,8,10<br />

C: 3,5,6,8<br />

G: 10,12,13<br />

M: 2,9,12,14,15<br />

P: 1,2<br />

UnD: 2-4<br />

= 24<br />

BkV: 6<br />

C: 4<br />

G: 2,4,8<br />

H: 1<br />

UnD: 5<br />

= 7 31<br />

(59,6%)<br />

Gesamt 38<br />

(73,1%)<br />

14<br />

(26,9%)<br />

N = 52<br />

(100%)<br />

Tabelle 5.3.3: Basale Leistungsorientierungen<br />

Seite 163


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

Extern<br />

Intern<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Unterw erfung<br />

Anforderungen<br />

erfüllen<br />

Maßstäbe setzen<br />

Abbildung 5.3.1: Typen von Leistungsorientierung unter Berücksichtung der Arbeitsmarktorientierung (N=52)<br />

diskutiert wird. Es besteht eine Tendenz zur<br />

gesteigerten individuellen Leistung, die über<br />

das Maß an bloßer Anforderungserfüllung<br />

hinausgeht. Unklar bleibt, ob diese gesteigerte<br />

Leistungsbereitschaft mittel- und langfristig<br />

negative Folgen für die Beschäftigten zeitigt<br />

und sich die ArbeitnehmerInnen durch diese<br />

Handlungsorientierung möglicherweise in<br />

eine auf lange Sicht untragbare Anforderungssituation<br />

manövrieren.<br />

Seite 164<br />

Die aktive Leistungsorientierung<br />

ist stark mit dem zweiten Hauptbefund verknüpft.<br />

Rund drei Viertel der Befragten (38<br />

von 52) richten ihren Blick also nicht auf den<br />

externen Arbeitsmarkt, wie es das Modell des<br />

Arbeitskraftunternehmers suggeriert, sondern<br />

orientieren sich vorwiegend am eigenen Betrieb.<br />

In Bezug auf die Konfliktorientierungen waren<br />

bei knapp zwei Drittel der Befragten (33 von<br />

52) Orientierungs- und Handlungsmuster<br />

erkennbar, die auf ein „Sich-Abfinden“ mit<br />

wahrnehmbar verschlechterten Arbeitsbedingungen<br />

hindeuten. Sie verzichten auf Widerspruch<br />

und Konflikt, sei er nun kollektiv oder<br />

individuell. Vor dem Hintergrund der hohen<br />

Betriebsbindung und Leistungsbereitschaft<br />

war der Befund einer Verbreitung von Konfliktbereitschaft<br />

bei einer starken Minderheit<br />

der Fälle von rund einem Drittel (19 von 52)


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Arbeitsmarktorientierung<br />

Leistungsorientierung<br />

Intern Extern Gesamt<br />

Aktiv<br />

B: 2,5<br />

BkV: 1,4,5,7-10<br />

C: 3,5-8<br />

G: 3,5,9,10,12,13<br />

M: 2,3,9,12,14,15<br />

P: 1-3<br />

UnD: 2-4<br />

= 32<br />

B: 3<br />

BkV: 6<br />

C: 4<br />

G: 2,4,6-8<br />

M: 1,6<br />

H: 1<br />

UnD: 5<br />

= 12 44<br />

(84,6%)<br />

Passiv<br />

B: 1<br />

BkV: 2<br />

C: 2<br />

H: 2<br />

G: 14<br />

M: 8<br />

= 6<br />

G: 11<br />

M: 5<br />

= 2 8<br />

(15,4%)<br />

Gesamt<br />

38<br />

(73,1%)<br />

14<br />

(16,9%)<br />

N = 52<br />

(100%)<br />

Tabelle 5.4.1: Aufstellung der Fälle gemäß der Arbeitsmarktorientierung und Leistungsorientierung<br />

allerdings überraschend. Diese Beschäftigten<br />

liefern einen Hinweis darauf, dass Disziplinierungseffekte<br />

nicht überall zu verzeichnen sind.<br />

Die möglichen Gründe für die eben dargestellten<br />

Verhaltenstendenzen werden im folgenden<br />

Kapitel näher beleuchtet.<br />

Seite 165


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

6. Erwerbsorientierungen – Begründungszusammenhänge<br />

von Marcela Pineda de Castro, Christina Sittig<br />

Die Ausgangshypothese 3 geht von einer<br />

Verbreitung von Arbeitsplatzunsicherheit<br />

aus, die zu Betriebsbindung und Anpassung<br />

als dominanten Erwerbsorientierungen führt.<br />

Die vorangestellten Analysen in den Kapiteln<br />

3 und 4 relativieren den ersten Teil der Hypothese.<br />

Für die Mehrzahl der vorgefundenen<br />

Situationen gehen die Beschäftigten von einer<br />

relativen Arbeitsplatzsicherheit im Sinne von<br />

Sicherheitskonstruktionen aus, welche an individuelle<br />

Leistung gebunden sind. Der zweite<br />

Teil der Hypothese wird dagegen in Kapitel<br />

5 bestätigt. Betriebsbindung, Anpassung und<br />

hohe Leistung bilden die dominanten Orientierungsmuster.<br />

Diese Ergebnisse werfen<br />

Zweifel auf starke Kausalitätsannahmen, wie<br />

sie in der Hypothese formuliert werden.<br />

Gleichwohl könnten Zusammenhänge derart<br />

bestehen, dass das Niveau der wahrgenommenen<br />

Sicherheit sowie deren subjektive<br />

Relevanz im Lebenskontext in einem Zusammenhang<br />

mit den Erwerbsorientierungen<br />

und Leistungsorientierungen stehen. Auch<br />

könnten bisher nicht eingeführte Zusammenhänge<br />

zum Verständnis der Fälle beitragen.<br />

Wir wollen im Folgenden solche<br />

Zusammenhänge prüfen, wobei wir<br />

Seite 166 jeweils einen erklärenden Zugang<br />

über einfache bivariate Auszählungen<br />

und Kreuztabellen mit einem verstehenden<br />

Zugang über die Interpretation von exemplarischen<br />

Fällen verbinden.<br />

6.1 Arbeitsplatzunsicherheit und Erwerbsorientierungen<br />

In einem ersten Schritt prüfen wir eventuelle<br />

Zusammenhänge zwischen Arbeitsplatzunsicherheit<br />

und Erwerbsorientierungen. Dabei<br />

gehen wir von der Hypothese aus, dass subjektive<br />

Arbeitsplatzunsicherheit zu Betriebsbindung,<br />

höherer Leistung und Anpassung<br />

der Beschäftigten beiträgt. Zu diesem Zweck<br />

beziehen wir uns auf das Stufenmodell der<br />

subjektiven Arbeitssicherheit, das in Kapitel 4<br />

entwickelt wurde.<br />

Bei der Auswertung der Tabelle 6.1.1 wird<br />

deutlich, dass sich auch hier alle Orientierungstypen<br />

in allen Risikogruppen wieder<br />

finden. Auch bei den „überwiegend Sicheren“<br />

und den „sehr Sicheren“ dominieren eindeutig<br />

interne Arbeitsmarktorientierungen. Wiederum<br />

sind allerdings, gegen die Erwartungen<br />

der Hypothese, die Anteile extern Orientierter<br />

bei den Unsicheren deutlich höher als bei den<br />

anderen Gruppen.<br />

Weiterhin wird in Tabelle 6.1.2 deutlich, dass<br />

die Befragten mit einem höheren Aktivitätsniveau<br />

(Maßstäbe setzen) in allen Risikogruppen<br />

vertreten sind. Entgegen den Erwartungen<br />

sind die Anteile dieser „Leistungsträger“ bei<br />

den „relativ Sicheren“ und „sehr Sicheren besonders<br />

hoch.<br />

Die qualitative Interpretation der einschlägigen<br />

Textpassagen der „Sicheren“ und „Unsicheren“<br />

ermöglicht ein tiefer gehendes Verständnis der<br />

Zusammenhänge von Unsicherheit mit der<br />

Erwerbs- und Leistungsorientierung. Bezogen<br />

auf die „Sicheren“ wurde bereits in Kapitel<br />

4.3 der Frage nachgegangen, welche Faktoren


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

unsicher<br />

Subjektive Arbeitsplatzsicherheit<br />

relativ<br />

sicher<br />

Arbeitsmarktorientierung<br />

überwiegend<br />

sicher<br />

sehr sicher<br />

Gesamt<br />

intern 4 9 12 13<br />

extern 5 2 4 3<br />

38<br />

(73,1%)<br />

14<br />

(26,9%)<br />

Gesamt<br />

9<br />

(17,3%)<br />

11<br />

(21,1%)<br />

16<br />

(30,8%)<br />

16<br />

(30,8%)<br />

52<br />

(100%)<br />

Tabelle 6.1.1: Subjektive Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitsmarktorientierung<br />

auf die Sicherheitskonstruktion der Befragten<br />

Einfluss nehmen. So wurde schon ausgeführt,<br />

dass die wahrgenommene Sicherheit des Arbeitsplatzes<br />

von betrieblichen Faktoren wie<br />

auch von individuellen Merkmalen der Beschäftigten<br />

bestimmt ist. Hierzu zählen unter<br />

anderem die Qualifikation, die Leistung und<br />

die Position im Betrieb. Befragte mit hoher<br />

gefühlter individueller Arbeitsplatzsicherheit<br />

berufen sich häufig auf hohe Leistungen.<br />

Exemplarisch für ein sehr sicheres Gefühl<br />

und damit einhergehende aktive Handlungsorientierungen<br />

kann die in einer Kanzlei<br />

beschäftigte Steuerassistentin, 43 Jahre (UnD:<br />

4), angeführt werden. Ihre Sicherheit bestimmt<br />

sie vorwiegend durch ihre Qualifikationen und<br />

Weiterbildungen. Auf die Frage nach Weiterbildungen<br />

antwortet die Interviewte, dass sie<br />

zu 75% betriebsbedingte Weiterbildungen in<br />

Anspruch nimmt und sich zusätzlich aus eigener<br />

Motivation heraus weiterbildet.<br />

„Betriebsbedingt zu 75% und zu 25 %,<br />

weil ich ganz einfach will, dass ich halt<br />

nicht hinterher hinke. Das ich halt immer<br />

auf dem neusten Stand bin, um halt auch<br />

meinen Job zu sichern.“ (UnD: 4)<br />

Die Befragte wurde in Kapitel 4.2 zu den<br />

Arbeitsplatzsicheren gezählt, die ihr Sicherheitsgefühl<br />

vorwiegend durch betrieblich<br />

verwertbare Qualifikation und Weiterbildungen<br />

erreichen. Exemplarisch verdeutlicht<br />

die Betrachtung der Gründe für die<br />

Leistungsorientierungen der Beschäftigten<br />

die Vermutung, dass das hohe<br />

Seite 167<br />

Sicherheitsgefühl unter anderem<br />

durch interne aktive Leistung erzeugt wird.<br />

Der in der Eingangshypothese unterstellte<br />

kausale Zusammenhang von subjektiver Arbeitsplatzunsicherheit<br />

und Leistung wird also


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

unsicher<br />

Subjektive Arbeitsplatzsicherheit<br />

relativ<br />

sicher<br />

Basale<br />

Leistungsorientierung<br />

überwiegend<br />

sicher<br />

sehr<br />

sicher<br />

Gesamt<br />

Unterwerfung<br />

Anforderungen<br />

erfüllen<br />

Maßstäbe<br />

setzen<br />

1 - - 1<br />

3 3 10 3<br />

5 8 6 12<br />

2<br />

(3,9%)<br />

19<br />

(36,5%)<br />

31<br />

(59,6%)<br />

Tabelle 6.1.2: Individuelle Arbeitsplatzsicherheit und basale Leistungsorientierungen<br />

hier umgekehrt: Sicherheit wird über Leistung<br />

erzeugt.<br />

Wie oben ausgeführt finden sich aktive interne<br />

Leistungsorientierungen bei allen Risikogruppen:<br />

D.h. sowohl Befragte, die sich eher<br />

sicher fühlen als auch Beschäftigte, bei denen<br />

ein Unsicherheitsgefühl vorherrscht, können<br />

aktiv und intern handeln. Wie gezeigt, versuchen<br />

viele „Sichere“ durch aktive Handlungen<br />

ihre Positionen etc. im Betrieb zu behaupten<br />

und zu steigern. Die große Mehrheit der Unsicheren<br />

wendet diese Strategie aber<br />

ebenso an, um ihre Sicherheitslage,<br />

Seite 168 beispielsweise durch Leistung und<br />

Weiterbildungen, zu verbessern. Es<br />

wird deutlich, dass in beiden Fällen die Verbesserung<br />

der Sicherheit des Arbeitsplatzes durch<br />

Leistung als Motiv zugrunde liegen kann.<br />

6.2 Ressourcen und<br />

Arbeitsmarktorientierungen<br />

Die vorangestellten Analysen machen deutlich,<br />

dass zwischen dem Niveau der wahrgenommenen<br />

betrieblichen und individuellen<br />

Arbeitsplatzrisiken und den Erwerbsorientierungen<br />

bivariate „Zusammenhänge“ bestehen,<br />

die allerdings nicht in der Lage sind, das Gesamtbild<br />

zulänglich zu erklären. Die folgenden<br />

Abschnitte suchen daher nach alternativen oder<br />

ergänzenden Erklärungen. Geprüft wird, ob<br />

und wie sich Ressourcen und Chancen auf dem<br />

externen Arbeitsmarkt auf die Erwerbs- und<br />

Handlungsorientierungen von Beschäftigten<br />

auswirken. Allen Teilhypothesen liegt die<br />

Annahme zugrunde, dass bei guten Ressourcen<br />

und Gelegenheiten eher externe Arbeitsmarktorientierungen<br />

zu verzeichnen sind.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Die Analysen beziehen sich auf folgende Fragen<br />

aus dem Leitfaden (vgl. Appendix I):<br />

Worauf kommt es bei dieser Tätigkeit hauptsächlich<br />

an?<br />

Was muss man [für ihre Tätigkeit] vor allem<br />

können?<br />

Haben Sie einen Plan B für den Fall, dass Sie<br />

ihren Arbeitsplatz verlieren?<br />

Wie sieht der aus?<br />

Andere Jobs?<br />

Was waren Ihre bisherigen beruflichen Stationen?<br />

Welchen Beruf haben Ihre Eltern?<br />

Was ist Ihr höchster beruflicher Bildungsabschluss?<br />

Wie viele Monate könnten Sie im Notfall<br />

ohne ein Arbeitseinkommen Ihren derzeitigen<br />

Lebensstandard halten (inklusive Arbeitslosengeld,<br />

Geld des Partners und ähnlichem)?<br />

Wie hoch ist Ihr monatliches Netto-Einkommen<br />

aus Ihrer Erwerbstätigkeit?<br />

Um die Ressourcen der Befragten zu bestimmen,<br />

greifen wir zurück auf Bourdieus<br />

Konzepte des ökonomischen, kulturellen und<br />

sozialen Kapitals (Bourdieu 1983) 28 . Stark<br />

vereinfachend werden diese für abhängig<br />

Beschäftigte auf drei Komponenten reduziert:<br />

Erstens die wirtschaftlichen Verhältnisse der<br />

Beschäftigten, Zweitens ihre berufsbezogenen<br />

Qualifikationen und Drittens ihre sozialen<br />

Netzwerke, auf die sie im Falle einer Arbeitsplatzsuche<br />

zurückgreifen können.<br />

Ausgehend vom Konstrukt des Arbeitskraftunternehmers<br />

müsste man davon ausgehen,<br />

dass ArbeitnehmerInnen sich eher extern<br />

orientieren, wenn sie starke arbeitsmarktrelevante<br />

Ressourcen haben. Einige Aussagen<br />

lassen diese Annahme plausibel erscheinen.<br />

In den nächsten Abschnitten werden die Zusammenhänge<br />

zwischen den Erwerbsorientierungen<br />

einerseits und wirtschaftlichen Verhältnissen,<br />

berufsbezogenen Qualifikationen<br />

sowie sozialen Netzwerken von Beschäftigten<br />

andererseits näher beleuchtet.<br />

Haushaltseinkommen<br />

Das ökonomische Kapital von Beschäftigten,<br />

um das es in diesem Abschnitt gehen soll, wird<br />

maßgeblich bestimmt vom Haushaltskontext<br />

der Personen. Zweifelsohne sind Beschäftigte,<br />

die mit ihrem Einkommen ihre Familie versorgen<br />

und/oder finanziellen Verpflichtungen<br />

wie Hypotheken etc. nachkommen müssen,<br />

finanziell stärker belastet als Beschäftigte<br />

ohne derartige Verbindlichkeiten. Die ökonomischen<br />

Ressourcen der Beschäftigten<br />

sind also nicht ausschließlich über ihr eigenes<br />

Einkommen definiert.<br />

Mit abnehmenden ökonomischen<br />

Ressourcen, so die Überlegung,<br />

Seite 169<br />

steigt die Tendenz, Risiken auf dem<br />

externen Arbeitsmarkt zu vermeiden und sich<br />

an den Betrieb zu binden. Zu vermuten wäre,<br />

dass Beschäftigte mit hoher wirtschaftlicher<br />

Belastung sich gegen externe Aktivitäten


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

aussprechen. Eine Analyse der einschlägigen<br />

Textpassagen zeigt zunächst, dass diese Gruppe<br />

die Notwendigkeit oder sogar den Zwang<br />

zu bezahlter Erwerbsarbeit besonders betont.<br />

Im Folgenden sind beispielhaft einige solcher<br />

Aussagen wiedergegeben.<br />

Supermarkt, Einzelhandelskauffrau, 36<br />

Jahre: „Naja, die Familie ist schon für mich<br />

wichtig, aber auf der anderen Seite denk ich<br />

auch, wenn ich kein Geld habe, das nützt<br />

der Familie auch nichts. Und ich sag mal<br />

heutzutage ist ja das Geld mit das Wichtigste<br />

und deswegen... Wenn manchmal<br />

was ist, hier Versammlung oder so, sagt<br />

mein Mann auch immer warum gehst du<br />

da hin oder so, aber wenn du dich überall<br />

ausschließt, dann sagen die auch hier die<br />

kommt nirgendwo mit und so. Ich denke<br />

schon, dass das wichtig ist. Also die Familie<br />

ist schon für mich sehr wichtig, aber die<br />

Arbeit halt auch. Denn wenn ich jetzt keine<br />

Arbeit hab, dann kannst du es vergessen.<br />

Denn die Kinder fragen nicht und es wird<br />

ja immer... mit der Schule und allem.“<br />

(H: 1)<br />

Krankenhaus, Krankenschwester, 36 Jahre:<br />

„Also für mich ist wichtig, da ich ja einen<br />

16jährigen Sohn habe, dass ich für ihn da<br />

bin, deshalb bin ich auch bestrebt oder muss<br />

ich ja immer arbeiten gehen und alles andere<br />

steht eigentlich im Hintergrund. Da<br />

spreche ich aber auch ungern drüber.<br />

Seite 170 Also ich bin für mich verantwortlich<br />

und habe eben den Sohn und das muss<br />

laufen und für den muss ich da sein und das<br />

andere so, dass ergibt sich dann.“ (G: 5)<br />

Wir halten an dieser Stelle fest, dass Beschäftigte<br />

mit verhältnismäßig hoher wirtschaftlicher<br />

Belastung die Notwendigkeit von Erwerbsarbeit<br />

besonders hervorheben. In Kombination<br />

mit schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt<br />

kann dies dann zu erhöhter Betriebsbindung<br />

führen. Diese These wird im nachfolgenden<br />

Abschnitt anhand der Betrachtung der Qualifikationen<br />

und Chancen der Beschäftigten auf<br />

dem externen Arbeitsmarkt begründet.<br />

Qualifikationen<br />

Eine Übersicht der Untersuchungsfälle zeigt<br />

zunächst, dass ein Zusammenhang von Qualifikationsniveau<br />

und Leistungsorientierung<br />

vorliegt (Abbildung 6.2.1). Wir beziehen uns<br />

hier nicht nur auf den höchsten formalen<br />

Bildungsabschluss, sondern beziehen fachspezifische<br />

Qualifikationen (Weiterbildung, etc.)<br />

in die Bestimmung des Qualifikationsniveaus<br />

mit ein. 29 Es gilt, je höher die Qualifikationen<br />

eines/einer Beschäftigten, desto höher seine/<br />

ihre Leistungsbereitschaft.<br />

Eine Erklärung, die Voß und Pongratz (1998) 30<br />

für den Unterschied zwischen den von ihnen<br />

festgestellten Leistungsorientierungen heranziehen,<br />

ist die „unterschiedliche Restriktivität<br />

der Arbeitsbedingungen“ (Ebd. S.79), die<br />

besonders zwischen Angestellten und ArbeiterInnen<br />

herausgestellt wurden. Geringe Restriktivität<br />

bedingt insbesondere individuelle<br />

Gestaltungsspielräume im Verantwortungsbereich,<br />

die Beschäftigte zur Konzeption eines<br />

unverwechselbaren Berufsprofils nutzen, das<br />

für den Arbeitgeber schwer zu ersetzen ist, wie<br />

in Kapitel 4.3 herausgestellt wurde.<br />

Betrachtet man den Einfluss der beruflichen<br />

Qualifikationen auf die Arbeitsmarktorientie-


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

100,0%<br />

80,0%<br />

Basale<br />

Leistungsorientierung<br />

Unterwerfung<br />

Anforderungen<br />

erfüllen<br />

Maßstäbe setzen<br />

Anteil in Prozent<br />

60,0%<br />

40,0%<br />

20,0%<br />

0,0%<br />

abgeschl.<br />

Berufsausbildung<br />

abgeschl.<br />

Berusausbildung u.<br />

weiterführende<br />

Qualifikation<br />

Berufliches Qualifikationsniveau<br />

Hochschulabschluss<br />

Abbildung 6.2.1: Leistungsorientierung im Verhältnis zum beruflichen Qualif ikationsniveau (N=52)<br />

rung von Beschäftigten, ist anzunehmen, dass<br />

Beschäftigte, die über hohe Qualifikationen<br />

verfügen, sich eher extern orientieren. Der<br />

Grund dafür liegt in den steigenden Arbeitsmarktchancen<br />

eines Beschäftigten mit höherem<br />

kulturellen Kapital, das in institutionalisierter<br />

Form, beispielsweise als Bildungsabschluss<br />

vorliegt. Diese Auffassung vertritt Bourdieu,<br />

indem er bemerkt: „Um seine volle Wirkung,<br />

zumindest auf dem Arbeitsmarkt, ausspielen<br />

zu können, bedarf es in zunehmendem Maße<br />

der Bestätigung durch das Unterrichtssystem,<br />

also die Umwandlung in schulische Titel […].“<br />

(Bourdieu 1983, S.198)<br />

Wie oben dargelegt, sind höher Qualifizierte<br />

auch stärker an Weiterbildungen beteiligt<br />

und möglicherweise verbessern sie dadurch<br />

ihre Chancen auf dem externen<br />

Arbeitsmarkt. Im Gegensatz zu<br />

dieser Vermutung sieht ein Groß-<br />

Seite 171<br />

teil unserer „mittelalten“ Befragten<br />

Weiterqualifizierung vor allem als ein Mittel<br />

zur Verbesserung der eigenen Position im<br />

Unternehmen, also letztendlich zur Erhöhung<br />

der individuellen Arbeitsplatzsicherheit im


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

internen Arbeitsmarkt.<br />

Apotheke, Pharmazie-Ingenieurin, 44<br />

Jahre: „Wenn man sich nicht weiterbildet<br />

in unserer Branche, dann kann man ganz<br />

schnell weg vom Fenster sein. Man sollte<br />

immer auf Höhe der Zeit sein. Natürlich<br />

spielt auch die Arbeitsmoral eine Rolle,<br />

aber das liegt ja wohl auf der Hand.“<br />

(C: 6)<br />

Allgemeinarztpraxis, Arzthelferin, 44 Jahre:<br />

„So was macht man schon mit, Lehrgänge<br />

ja. Das man da auf dem neusten Stand immer<br />

ist und auch bleibt sag ich mal. Aber<br />

das man das nun speziell dafür macht um<br />

nen besseren, um bessere Chancen zu haben,<br />

ne eigentlich nicht. Das macht man ja<br />

um allgemein sein Wissen ein bisschen auf<br />

dem neusten Stand zu halten.“ (G: 12)<br />

Ein Viertel der Befragten bezieht die positive<br />

Wirkung ihrer Qualifikationen allerdings auch<br />

auf ihre Chancen auf dem externen Arbeitsmarkt.<br />

31 So bemerkt eine der Befragten:<br />

Leiterin einer psychosozialen Beratungsstelle,<br />

44 Jahre: „Qualifizierungen mache<br />

ich sowieso ständig. Also schon von Anfang<br />

an, seit ich arbeite, um auf dem neuesten<br />

Stand zu sein. Einfach um die Arbeit gut<br />

zu machen, aber natürlich auch um<br />

eine hohe Qualifikation zu erwerben,<br />

Seite 172 falls ich mich mal woanders bewerben<br />

muss.“ (G: 4)<br />

Soziale Netzwerke<br />

Soziale Netzwerke können hilfreich sein, wenn<br />

ein Arbeitsplatzwechsel geplant wird 32 . Denn,<br />

wie einer der interviewten Personen treffend<br />

bemerkte: „Beziehungen schaden nur dem,<br />

der sie nicht hat“ (C: 5). Die Vermutung ist,<br />

dass diejenigen, die über solche Beziehungen<br />

verfügen, auch eher externe Handlungsorientierungen<br />

zeigen. Und in der Tat verweist eine<br />

ganze Reihe der interviewten Personen bei<br />

der Frage, ob es im Falle eines Arbeitsplatzverlustes<br />

einen „Plan B“ gäbe, auf die Chancen<br />

auf eine neue Tätigkeit, welche sich durch ihre<br />

Netzwerke ergeben.<br />

Lokalzeitung, Journalist, 32 Jahre: „Ja.<br />

Ich hatte auch schon Angebote z.B. bei<br />

verschiedenen Agenturen oder Zeitungen<br />

zu arbeiten, kein Thema. Das würde funktionieren.<br />

Dort könnte ich von heute auf<br />

morgen dort anfangen, aber eben nur über<br />

die Beziehungsgeschichte, sonst alles andere<br />

wäre kritisch.“ (P: 2)<br />

Kuratorium für Dialyse, Facharzt, 42 Jahre:<br />

„Konkret nicht. Aber da meine Frau auch<br />

Ärztin ist, wäre geplant, wir sicher irgendwas<br />

Gemeinsames damit zu machen.“<br />

(G: 2)<br />

Pflegeheim, Altenpfleger, 45 Jahre: „Das<br />

ist immer hilfreich, und wenn man nur<br />

eine Adresse bekommt oder einen Ansprechpartner.<br />

Das ist heute ganz wichtig,<br />

ja. Vielleicht ist es auch, ganz blöd ausgedrückt,<br />

aber vielleicht ist das auch, weshalb<br />

ich jetzt so sage, ich will also auch äh in<br />

diese Besuchskommission mit rein äh. Man<br />

lernt andere Leute kennen und über andere


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Leute lernt man wieder kennen. Und wenn<br />

vielleicht wirklich mal der Fall X eintreten<br />

sollte, was man nicht hofft und so weiter,<br />

dann hätte man da vielleicht schon wieder<br />

eine Möglichkeit. Denn mein Job da oben<br />

habe ich ja über diese Schiene so bekommen.“<br />

(G: 9)<br />

Supermarkt, Einzelhandelskauffrau, 36<br />

Jahre: „Na ja ich denk mal, wenn ich dort<br />

bleiben kann, dann such ich auch nicht<br />

irgendwie weiter, aber wenn ich jetzt mal<br />

entlassen werden würde, würde ich schon<br />

mal überlegen, bei meinem Schwiegervater<br />

in der Firma was mit zu machen oder so.<br />

Mein Mann will sich ja jetzt auch weiter<br />

bilden und da einsteigen, dass ich dann<br />

vielleicht mal was mit machen würde, wenn<br />

es mal nicht mehr ist. Weiß man ja nicht<br />

wie das dann wird bei meinem Mann, wenn<br />

das dann gut läuft und er sagt, ich brauch da<br />

jetzt noch jemanden, der die Abrechnungen<br />

macht oder so. Das würde ich mir jetzt<br />

schon noch mit anlernen oder so. Aber das<br />

muss ja dann auch dementsprechend laufen,<br />

dass ich sagen kann. Ich sag mal auch, solange<br />

es in der Kaufhalle klappt und wenn<br />

es jetzt sehr gut laufen würde bei meinem<br />

Mann, ich würde nicht meine Arbeit aufgeben,<br />

da würde ich dann eher versuchen<br />

so nebenbei irgendwie, das würde ich nie<br />

anders machen.“ (H: 1)<br />

Interessanterweise folgt bei der Mehrheit<br />

unserer Fälle aus der Existenz von arbeitsmarktrelevanten<br />

sozialen Netzwerken nicht,<br />

dass der externe Arbeitsmarkt als gleichwertige<br />

Alternative zur bestehenden Tätigkeit gesehen<br />

wird. 33 Einen der möglichen Gründe für die<br />

Bevorzugung des bestehenden Arbeitsplatzes<br />

benennt eine 45-jährige Angestellte im mittleren<br />

Management eines pharmazeutischen<br />

Unternehmens, das zum Zeitpunkt der Befragung<br />

in Übernahmeverhandlungen mit einem<br />

anderen Pharmaziebetrieb stand.<br />

„Das macht auch kaum einer. Weil das gar<br />

nicht geht. Also, ansonsten müsste jeder, der<br />

in irgendeiner Form bedroht ist, sich sofort<br />

wie sonst was auf den prallen Arbeitsmarkt<br />

stürzen und versuchen und dieses und jenes.<br />

Das ist aber alles mit sehr großem Aufwand<br />

verbunden und wie gesagt, die Unsicherheit,<br />

wenn man einen neuen Arbeitsplatz<br />

anfängt wo es dann ist: Probezeit, keine Betriebszugehörigkeit<br />

und, und, und. Das ist<br />

wesentlich risikoreicher, als wenn ich hier<br />

bleibe, vielleicht sogar noch eine Abfindung<br />

kriege und erst mal zumindest eine gewisse<br />

Zeit Arbeitslosengeld, wo ich dann doch<br />

noch einen gewissen Zeitrahmen, Spielraum<br />

habe, ich weiß es auch hier rechtzeitig<br />

genug vorher, und außerdem ist es ja so,<br />

man muss dann höchst zielgerichtet alles<br />

umbauen, wenn es wirklich so wäre. Und<br />

das nur auf den bloßen Verdacht hin, da<br />

sind die neuen Arbeitsbedingungen einfach<br />

zu risikoreich. Das ist einfach das Problem.<br />

Man fällt vom Regen in die Traufe. Und<br />

deswegen bleibt man erst mal dort, wo man<br />

ist, weil man dort durchaus erst noch mal<br />

Vorteile hat, man weiß ja nicht...man ist<br />

sich ja nicht sicher, ob man wirklich<br />

unter die zählt, außer es wird<br />

der gesamte Standort geschlossen,<br />

Seite 173<br />

oder wie auch immer, oder man hat<br />

zumindest noch den Vorteil, man bekommt<br />

noch die Abfindung. Denn das ist ja alles<br />

Geld, ist ja alles reelles Geld. Ja. Und warum<br />

soll man das verschenken?’’ (C: 4)


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Die Transaktionskosten, die durch einen<br />

Arbeitsplatzwechsel entstehen, sind also ein<br />

Grund für eine eher zögerliche Orientierung<br />

der Beschäftigten am externen Arbeitsmarkt.<br />

Arbeitsmarktchancen<br />

Die vorangestellten Analysen haben gezeigt,<br />

dass weder das Einkommen im Haushaltskontext<br />

noch die Qualifikation oder soziale<br />

Netzwerke alleine zur Orientierung am externen<br />

Arbeitsmarkt beitragen. Deshalb prüfen<br />

wir abschließend, ob die Einschätzung der<br />

Chancen auf dem externen Arbeitsmarkt die<br />

Arbeitsmarktorientierung beeinflusst. In den<br />

Analysen beziehen wir uns auf Textpassagen<br />

zu folgenden Fragen (vgl. Leitfaden im Appendix<br />

I):<br />

Sucht man nach Alternativen?<br />

Wie schätzen Sie ihre Chancen draußen auf<br />

dem Arbeitsmarkt ein?<br />

Wie schätzen Sie die Chance ein, einen neuen<br />

Arbeitsplatz zu finden?<br />

Wie schätzen Sie die Chance ein, einen vergleichbaren<br />

Arbeitsplatz zu finden?<br />

Warum glauben Sie haben Sie einen Vorteil<br />

gegenüber Anderen?<br />

Seite 174 Was tun Sie, um Ihre Chancen auf dem<br />

Arbeitsmarkt zu verbessern? Können Sie<br />

ein Beispiel nennen?<br />

In welchem Jahr sind Sie geboren?<br />

Wenn wir von externen Chancen sprechen, so<br />

meinen wir die von den Befragten selbst eingeschätzten<br />

Chancen auf dem externen Arbeitsmarkt.<br />

Bezogen auf diese handeln die Befragten<br />

und deshalb ist unsere eigene Einschätzung der<br />

jeweiligen externen Chancen für diese Ausführungen<br />

zweitrangig. Die Befragten nennen<br />

drei Faktoren besonders häufig, die ihrer Meinung<br />

nach ihre externen Chancen besonders<br />

bedingen und aufgrund derer sie sich entweder<br />

stärker am internen oder am externen Arbeitsmarkt<br />

orientieren. Dies sind erstens ihr Alter,<br />

zweitens ihre Qualifikationen und drittens die<br />

Situation des externen Arbeitsmarktes.<br />

In Deutschland kann ein hohes Alter im Falle<br />

eines Arbeitsplatzverlustes ein ausschlaggebender<br />

Grund dafür sein, ein schwer zu vermittelnder<br />

Arbeitsloser zu werden. 34 Sprechen<br />

wir von hohem Alter, so meinen wir 50 Jahre<br />

und mehr, obwohl sich die Grenze bereits nach<br />

unten zu verschieben beginnt; zumindest in<br />

der Wahrnehmung der Befragten. Bereits bei<br />

denen über 40 Jahre beginnt sich Unsicherheit<br />

abzuzeichnen, was die Chancen auf dem externen<br />

Arbeitsmarkt betrifft. Die Folge ist, dass<br />

die Befragten sich intern am eigenen Betrieb<br />

orientieren.<br />

Kinder- und Jugendpsychiatrie, Krankenschwester,<br />

45 Jahre: „Also, was ich mir<br />

gedacht habe, wenn ich mal, wenn ich, wenn<br />

die mich da oben entlassen, ich denke mal<br />

als Erzieher kriege ich dann auch keine<br />

Arbeit mehr, weil ich auch in einem Alter<br />

bin, wo man dann, na ja, nicht mehr dazu<br />

gehört, nicht mehr vermittlungsfähig ist.“<br />

(G: 11)


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Dieselbe Krankenschwester sagt an anderer<br />

Stelle:<br />

„Na ja, ich denke diese Handlungsgeschichten…<br />

ich habe vorhin gesagt, wenn<br />

das ins Wanken gerät, habe ich bis jetzt<br />

immer gemacht. Aber ich denke, das ist<br />

auch so eine Altersgeschichte. Ab einem<br />

gewissen Alter kann man Initiative zeigen<br />

so viel wie man will, aber die, die läuft dann<br />

ins Leere, und ich denke, wenn mir das in<br />

den nächsten Jahren passieren sollte, dann<br />

denke ich, habe ich Pech gehabt, dann muss<br />

ich wirklich sehen, dass ich irgendwo dann<br />

für mich alleine irgendwo einen Fuß in die<br />

Tür kriege und dann wirklich so Kinder<br />

nehme, denn einstellen, denke ich, wird<br />

mich keiner mehr. Ich meine, ich werde<br />

dieses Jahr sechsundvierzig, und wo ich<br />

mich da oben beworben habe, hatte ich eine<br />

feste Einstellung, und da habe ich äh weil<br />

ich da aber weg wollte, weil ich da nicht<br />

arbeiten konnte, habe ich das einfach versucht,<br />

aber das war eigentlich ein Versuch,<br />

um mir dann zu bestätigen: Okay, du hast es<br />

versucht, etwas zu ändern, aber es hat nicht<br />

geklappt. So, aber es hat geklappt, aber ich<br />

denke mal, das wird das letzte mal gewesen<br />

sein, denn da war ich einundvierzig, und da<br />

habe ich auch schon gedacht: Dich nimmt<br />

keiner mehr. Aber mittlerweile ist das,<br />

denke ich mal, gegessen.“ (G: 11)<br />

Bezeichnend ist, dass in der subjektiven Wahrnehmung<br />

auch das Qualifikationsniveau an<br />

Bedeutung verliert, je älter ein Arbeitnehmer<br />

wird. Diese Einschätzung führt zum Wunsch,<br />

den bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können,<br />

da man davon ausgeht, dass ein gleichwertiger<br />

Arbeitsplatz sehr unwahrscheinlich<br />

wieder zu erlangen ist.<br />

Angestellte, mittleres Management, 45<br />

Jahre: „Ich tue laufend etwas um die<br />

Chancen auf meinem Arbeitsmarkt zu<br />

verbessern. Weil ich mich stets und ständig<br />

weiterbilde, weil ich für so viel Experte<br />

bin und, und Fachkraft, dass ich also eine<br />

Menge vorzuweisen habe. Das Problem ist<br />

einfach immer nur das Alter.“ (C: 4)<br />

Andere Beschäftigte misstrauen aufgrund der<br />

allgemeinen Arbeitsmarktsituation der Möglichkeit,<br />

einen vergleichbaren Arbeitsplatz zu<br />

finden. Es sind hier eher die überbetrieblichen<br />

Faktoren, die sie für ihre schlechten Chancen<br />

auf dem deutschen Arbeitsmarkt verantwortlich<br />

machen.<br />

Hydraulikunternehmen, Leiterin der<br />

Marketing-Abteilung, 36 Jahre. Sie antwortet<br />

auf die Frage nach ihren Chancen<br />

auf einen vergleichbaren Arbeitsplatz:<br />

„Wahrscheinlich weniger gut, da es nicht<br />

so viele Stellen im Marketingbereich in<br />

einem vergleichbaren Unternehmen gibt,<br />

die noch unbesetzt sind oder demnächst<br />

frei würden.“ (M: 14)<br />

Pharmaunternehmen, Abteilungsleiter,<br />

43 Jahre: „Es gibt immer mal so Phasen,<br />

wo das Arbeitsklima etwas negativer wird,<br />

als es ist und wo man doch mal<br />

drüber nachdenkt, also jetzt können<br />

sie mich alle mal und man<br />

Seite 175<br />

sollte mal gucken, ob man anderes<br />

kriegt. Das Problem ist heutzutage eher,<br />

dass die Alternativen, die man hat, nicht<br />

mehr so groß sind wie früher. Es gab, na<br />

ja, ich würde mal sagen so vor fünf Jahren,


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

vor zehn Jahren Zeiten, oder waren die<br />

Zeiten etwas anders, wo auch mehr Firmen<br />

Mitarbeiter eingestellt haben. Und gesucht<br />

haben. Fachkräfte. Da war es einfacher, sich<br />

nach einer Firma, nach einem anderen Job<br />

umzusehen. Heutzutage ist das nicht mehr<br />

ganz so, somit ist natürlich auch die Chance<br />

nicht mehr so groß, dass man irgendwo<br />

anders auch einen Job kriegt.“ (C: 5)<br />

Eine andere, etwa gleichstarke Gruppe der<br />

interviewten ArbeitnehmerInnen empfindet<br />

ihre Chancen einen neuen und gleichwertigen<br />

Arbeitsplatz zu finden als eher gut. Beispielsweise<br />

bemerkt ein Softwareentwickler, 34<br />

Jahre:<br />

„Ich bin noch relativ jung äh ich hab ähm<br />

ne ganze Menge Berufserfahrung, ich<br />

denke ich bin recht gut und hab kein, hab<br />

kein Bedenken, dass ich da einen Job finden<br />

kann.“ (M: 6)<br />

Es fällt auf, dass alle Beschäftigten, die ihre<br />

externen Chancen als gut einschätzen und<br />

sich außerdem auf dem externen Arbeitsmarkt<br />

orientieren, dies an individuellen Faktoren<br />

festmachen, allen voran ihre hohe Qualifikation,<br />

ihr unverwechselbares Berufsprofil und<br />

ihre gesammelte Berufserfahrung. 35 Vereinzelt<br />

werden auch soft-skills mit ins Kalkül genommen.<br />

36 Eine gute Arbeitsmarktlage wird<br />

dahingegen von keinem der Beschäftigten<br />

vorausgesetzt.<br />

Seite 176<br />

Abschließend bleibt festzuhalten,<br />

dass die befragten Beschäftigten eher selten<br />

auf eine ausreichende Arbeitsmarktlage vertrauen<br />

und ihre externen Chancen in nahezu<br />

allen Fällen mit ihren individuellen Merkmalen<br />

und Qualifikationen in Zusammenhang<br />

bringen. Deshalb wird die kontinuierliche<br />

Weiterqualifikation zum Aufbau eines unverwechselbaren<br />

Berufsprofils als adäquates<br />

Mittel zur Verbesserung der eigenen Chancen<br />

überdurchschnittlich oft betont. Die Bedeutung<br />

der Arbeitsmarktchancen erweist sich als<br />

ein aussichtsreicher Erklärungsansatz für die<br />

aktive Erwerbshaltung von Beschäftigten, die<br />

immer stärker auf ihre eigenen Leistungen im<br />

Erwerbsleben zurückgeworfen sind, um sich<br />

sowohl auf dem internen als auch auf dem<br />

externen Arbeitsmarkt abzusichern.<br />

6.3 Fazit<br />

Wir stellten in Kapitel 5 fest, dass sich bei den<br />

Befragten unseres Samples von Normalarbeitsbeschäftigten<br />

das dominante Muster der<br />

Erwerbsorientierung durch Betriebsbindung,<br />

hohe Leistungsbereitschaft und Anpassung<br />

auszeichnet. Allerdings zeigt sich bei einem<br />

Drittel der Befragten auch Konfliktbereitschaft.<br />

Ein erstes Ergebnis unserer Analysen<br />

ist, dass allein die unterschiedliche Wahrnehmung<br />

von Unsicherheit das Gesamtbild an<br />

Erwerbsorientierungen nicht „erklären“ kann.<br />

Allerdings ist bei der relativ kleinen Gruppe<br />

der Unsicheren die externe Arbeitsmarktorientierung,<br />

die Leistungsorientierung und die<br />

Konfliktbereitschaft etwas stärker ausgeprägt.<br />

Möglich ist, dass das wahrgenommene Risiko<br />

des Arbeitsplatzverlustes nicht so sehr die Erwerbsorientierungen<br />

bestimmt, wie vermutet.<br />

Die Risikowahrnehmung könnte vielmehr<br />

selber durch die Erwerbsorientierungen – allen<br />

voran zu Konflikt und Leistung – beeinflusst<br />

werden.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Weitere Hinweise auf die Gründe für die<br />

Arbeitsmarktorientierungen der Beschäftigten<br />

ergeben sich bei der Betrachtung der individuellen<br />

Ressourcen, Qualifikationen, sozialen<br />

Netzwerke und Haushaltseinkommen. So<br />

wird an einigen Fällen deutlich, dass ein geringes<br />

Haushaltseinkommen sowie fehlende<br />

personale Netzwerke und ein Alter über 40 die<br />

Betriebsbindung erhöhen. Die Entscheidung<br />

für oder gegen einen Arbeitsplatzwechsel oder<br />

– mit anderen Worten – eine aussichtsreiche<br />

Orientierung am externen Arbeitsmarkt wird<br />

vorwiegend von diesen individuellen Faktoren<br />

abhängig gemacht.<br />

Insgesamt sind es zwei Zusammenhänge, die<br />

sich aus der Betrachtung möglicher Determinanten<br />

der Erwerbsorientierungen ergeben:<br />

Erstens lässt die unsichere Lage des externen<br />

Arbeitsmarktes einen Teil der Beschäftigten<br />

ihren Blick auf den eigenen Betrieb richten,<br />

wo sie die unkalkulierbaren objektiven Risiken<br />

veranlassen, bis an ihre Leistungsgrenzen zu<br />

gehen, um so durch individuelle Leistung ihr<br />

Sicherheitsgefühl zu erhöhen. Der Effizienzdruck,<br />

der in Kapitel 4 beleuchtet wurde,<br />

tut sein Übriges, dass Beschäftigte sich mit<br />

den gegebenen Umständen konfliktfrei und<br />

mit hoher Leistungsbereitschaft arrangieren.<br />

Dörres These, dass auch bei ArbeitnehmerInnen<br />

in vergleichsweise sicheren Beschäftigungsverhältnissen<br />

„Disziplinierungseffekte“<br />

zu erkennen sind, scheint also zumindest für<br />

diesen Teil der von uns befragten Beschäftigten<br />

zuzutreffen. Sie „klammern“ sich förmlich an<br />

ihren Arbeitsplatz und verharren in einer für<br />

sie unmotivierenden Arbeitssituation, aufgrund<br />

der (zum Teil berechtigten) Sorge keinen<br />

gleichwertigen Arbeitsplatz mehr zu finden.<br />

Beschreibt man allerdings den zweiten Zusammenhang,<br />

so lässt sich auch ein anderes<br />

Bild zeichnen; für Beschäftigte, die ihre<br />

Sicherheit noch zu Teilen aus der objektiven<br />

Situation ziehen. Einige sehen laut eigener<br />

Aussage kaum Gründe dafür, sich um ihren<br />

Arbeitsplatz zu sorgen, da sie sich beispielsweise<br />

durch betriebliche Vereinbarungen<br />

zur Beschäftigungssicherheit ausreichend<br />

geschützt fühlen oder aber auf ihre Qualifikation<br />

setzen. Andere versuchen bei Verschlechterung<br />

der ihnen zugesicherten Rechte und<br />

Sicherheiten, diese mit Hilfe von kollektivem<br />

oder individuellem Konfliktverhalten geltend<br />

zu machen. Bei ihnen ist die Strategie, ihre<br />

Sicherheit einzig über exzessive Leistung zu<br />

erhöhen, weniger stark ausgeprägt.<br />

Über die ausschlaggebenden Gründe dafür,<br />

welche der beiden Tendenzen bei den einzelnen<br />

Beschäftigten zum Tragen kommt, kann<br />

nur gemutmaßt werden. Es wurden einige<br />

mögliche Zusammenhänge hergestellt, wobei<br />

die Bearbeitung der komplexen Wirkungsmechanismen<br />

noch aussteht und hier lediglich<br />

auf einige einfache Zusammenhänge heruntergebrochen<br />

wurde. Die in diesen Kapiteln<br />

angestellten Betrachtungen sind deshalb als<br />

ein erster Schritt zu verstehen, das Geflecht<br />

von ineinander greifenden Erwerbsorientierungen<br />

und deren Einbettung in inner- und<br />

überbetriebliche Kontexte zu entwirren.<br />

Seite 177


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Seite 178<br />

7. Zusammenfassung und Fazit<br />

von Christoph Köhler, Janine Bernhardt, Kai<br />

Loudovici<br />

Vor dem Hintergrund von Arbeitsplatzverlusten<br />

und anhaltend hoher Arbeitslosigkeit<br />

fragt der Beitrag nach der Generalisierung<br />

von Unsicherheit sowie nach Erwerbs- und<br />

Handlungsorientierungen. Im Gegensatz zu<br />

vielen anderen Studien, die sich auf prekär<br />

Beschäftigte konzentrieren, untersuchen<br />

wir diese Fragen für stabil Beschäftigte in<br />

Internen Arbeitsmärkten. Im Rahmen einer<br />

Lehrforschung wurden 52 problemzentrierte<br />

Interviews mit Beschäftigten mittleren Alters<br />

in Normalarbeitsverhältnissen erhoben. Ausgewählt<br />

wurden Personen aus acht Branchen mit<br />

einem Schwerpunkt auf Ostdeutschland. Die<br />

Interviews wurden in explorativer Absicht mit<br />

abduktiven Auswertungsstrategien sowie einer<br />

Mischung aus erklärenden und verstehenden<br />

Verfahren ausgewertet. Das Ziel der Analysen<br />

des umfangreichen Textmaterials bestand darin,<br />

zu den einzelnen Fragen und Hypothesen<br />

typologisierende Ansätze zu entwickeln. Wir<br />

wollten aber auch weiterführende Hypothesen<br />

zu Verteilungen und Kovarianzen entwickeln<br />

und haben uns deshalb nicht gescheut, hierzu<br />

Aussagen zu generieren.<br />

Ausgangspunkt der Arbeit waren drei aus dem<br />

Stand der Forschung extrahierte und stark<br />

zugespitzte Leithypothesen:<br />

- Hypothese 1 (wahrgenommene Risiken im<br />

betrieblichen Umfeld): Das betriebliche Umfeld<br />

von Beschäftigten zeichnet sich heute<br />

aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheit<br />

und flexibler Personalpolitik durch starke<br />

Arbeitsplatzrisiken aus. Dies wird von den<br />

Beschäftigten deutlich wahrgenommen.<br />

- Hypothese 2 (individuelle Arbeitsplatzrisiken):<br />

Die wahrgenommenen Risiken im betrieblichen<br />

Umfeld korrespondieren mit der<br />

Wahrnehmung individueller Arbeitsplatzrisiken<br />

und führen zu einer Verbreitung von<br />

Unsicherheit auch bei Normalbeschäftigten.<br />

- Hypothese 3 (Erwerbsorientierung): Die<br />

Unsicherheit führt nicht – wie für den „Arbeitskraftunternehmer“<br />

erwartet – zu einer<br />

externen Arbeitsmarktorientierung, sondern<br />

eher zu einer verstärkten Betriebsbindung,<br />

Leistung und Anpassung.<br />

7.1 Ergebnisse<br />

1. Wahrgenommene Risiken im betrieblichen<br />

Umfeld: Der erste Teil der problembezogenen<br />

Analyse des Textmaterials konzentriert sich<br />

auf die Frage nach den durch die Individuen<br />

beobachteten Risiken in Betrieb und Arbeitsumfeld.<br />

Die Ausgangshypothese war, dass<br />

Beschäftigte in Normalarbeitsverhältnissen<br />

heute in ihren Betrieben direkt und indirekt<br />

starken Beschäftigungsrisiken ausgesetzt sind<br />

und diese als solche wahrnehmen.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Überraschend war zunächst, dass zum Erhebungszeitraum<br />

im Winter 2005/06, trotz der<br />

lang anhaltenden Stagnation und hohen Arbeitslosenzahlen<br />

sowie der „Klein- und Mittelbetrieblichkeit“<br />

des Samples und des kritischen<br />

ostdeutschen Umfeldes, die wirtschaftliche<br />

Lage der 52 Betriebe aus den acht untersuchten<br />

Branchen überwiegend positiv beurteilt wird.<br />

Für die Zukunft wird allerdings bei zwei Fünftel<br />

der Betriebe ein Beschäftigungsrückgang<br />

erwartet, dieser muss nicht notwendigerweise<br />

auf die Arbeitsplatzsicherheit der Stammbelegschaften<br />

und der befragten Individuen<br />

durchschlagen.<br />

Unsere Samplingstrategie ist aufgegangen: Fast<br />

alle Befragten arbeiten in Arbeitsbereichen mit<br />

einer Dominanz unbefristeter Arbeitsverträge<br />

und mit langfristigen Beschäftigungsperspektiven<br />

vom Typ des Internen Marktes, die wir<br />

als Geschlossene Betriebliche Beschäftigungs-<br />

Sub-Systeme (BBSS) bezeichnen. Überraschend<br />

ist, dass Randbelegschaften mit atypischen<br />

Arbeitsverträgen (auch Leiharbeiter)<br />

in diesen Arbeitsbereichen keine Bedrohung<br />

der Stammbelegschaften darstellen, da sie eher<br />

für Hilfsarbeiten eingesetzt sind.<br />

Die in der Mehrzahl der Fälle wahrgenommene<br />

Beschäftigungssicherheit für das betriebliche<br />

Umfeld wird allerdings relativiert: Viele<br />

der Befragten verlassen sich heute nicht mehr<br />

auf differenzielle Beschäftigungsgarantien<br />

nach Betriebzugehörigkeitsdauer und auf den<br />

Kündigungsschutz. Sie beobachten, dass bei<br />

Entlassungen Qualifikations- und Leistungskriterien<br />

und nicht die Kriterien der Sozialauswahl<br />

an erster Stelle stehen. Die Geschlossenen<br />

Beschäftigungs-Sub-Systeme vom Typ des<br />

Internen Marktes sind hier nicht senioritäts-,<br />

sondern eher leistungsbasiert. Ähnlich wie<br />

in den klassischen Internen Märkten gilt das<br />

Versprechen langfristiger Beschäftigung, es<br />

wird aber an Qualifikation und Leistung gebunden<br />

und dadurch relativiert.<br />

2. Individuelle Arbeitsplatzrisiken: Beschäftigungsrisiken<br />

in Betrieb und Arbeitsbereich<br />

müssen nicht mit individuellen Arbeitsplatzrisiken<br />

zusammenfallen. Dies gilt etwa dann,<br />

wenn die Stellung des Befragten als gesichert<br />

erscheint. Deshalb haben wir im Leitfaden<br />

einen Schwerpunkt auf die Wahrnehmung der<br />

eigenen Chancen und Risiken im Betrieb gerichtet.<br />

Überraschender Befund ist zunächst,<br />

dass die Mehrheit der Befragten, quer zu<br />

Berufen, Qualifikationsniveaus, Geschlecht,<br />

Branchen und Betriebsgröße, ihre Arbeitsplatz-sicherheit<br />

als hoch oder sehr hoch<br />

einschätzt. Dies ist umso überraschender, als<br />

die Befragten überwiegend Ostdeutsche mit<br />

teilweise starken berufsbiografischen Brüchen<br />

sind.<br />

Vertiefende Analysen des Begründungszusammenhangs<br />

verweisen allerdings darauf,<br />

dass individuelle Beschäftigungssicherheit<br />

nicht in erster Linie über die wirtschaftliche<br />

Situation des Betriebes oder den Kündigungsschutz<br />

konstruiert wird. Selbst eine gute<br />

Unternehmenslage wird häufig nicht mit Arbeitsplatzsicherheit<br />

in Verbindung gebracht.<br />

Vielmehr bemessen die Beschäftigten<br />

ihre Sicherheit überwiegend an individuellen<br />

Faktoren, insbesondere der<br />

Seite 179<br />

Erfüllung von Leistungsanforderungen.<br />

In diesem Zusammenhang wird eine<br />

lange Betriebszugehörigkeit von den Beschäftigten<br />

als Folge und Erfolg fortwährenden<br />

persönlichen Leistungseinsatzes interpretiert.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Seite 180<br />

Damit werden die Sicherheitskonstruktionen<br />

aus der Sicht der Beschäftigten relativiert: Sie<br />

sehen keine ökonomisch oder politisch basierten<br />

Garantien vor, wie sie etwa in der DDR<br />

selbstverständlich waren, aber auch im alten<br />

westdeutschen Normalarbeitsverhältnis über<br />

ökonomische Stabilität und über Senioritätsrechte<br />

aufgebaut wurden.<br />

3. Erwerbsorientierungen und Unsicherheit:<br />

Leithypothese 3 geht von einer Verbreitung<br />

von Arbeitsplatzunsicherheit aus, die zu Betriebsbindung,<br />

Leistung und Anpassung als<br />

dominanter Erwerbs- und Handlungsorientierung<br />

führt. Die Analysen in den Kapiteln<br />

3 und 4 widersprechen dem ersten Teil der<br />

Hypothese. Für die Mehrzahl der vorgefundenen<br />

Situationen gehen die Beschäftigten<br />

von Arbeitsplatzsicherheit aus. Der zweite<br />

Teil der Hypothese wird dagegen in Kapitel 5<br />

bestätigt: Bei den Befragten unseres Samples<br />

von Normalarbeitsbeschäftigten zeichnet sich<br />

das dominante Muster der Erwerbsorientierung<br />

durch Betriebsbindung, hohe Leistungsbereitschaft<br />

und Anpassung aus. Allerdings<br />

zeigt sich bei einer starken Minderheit von<br />

einem Drittel der Befragten auch Konfliktbereitschaft.<br />

Der pauschal unterstellte kausale<br />

Zusammenhang zwischen Arbeitsplatzunsicherheit<br />

und Erwerbsorientierung konnte<br />

damit nicht belegt werden: Auf der einen Seite<br />

dominiert die Wahrnehmung einer relativen<br />

Sicherheit, auf der anderen Seite<br />

bilden Betriebsbindung, Leistung<br />

und Anpassung die vorherrschenden<br />

Erwerbsorientierungen.<br />

Gleichwohl könnten Zusammenhänge derart<br />

bestehen, dass das Niveau sowie die subjektive<br />

Relevanz der Sicherheit in einem Zusammenhang<br />

mit den Handlungsmustern stehen.<br />

Konsequenterweise haben wir im Kapitel 6<br />

Zusammenhänge zwischen den wahrgenommenen<br />

Arbeitsplatzrisiken im betrieblichen<br />

Umfeld sowie der individuellen Position im<br />

Betrieb mit der Arbeitsmarkt-, Leistungs- und<br />

Konfliktorientierung geprüft. Das Ergebnis<br />

der Analysen bestätigt den oben formulierten<br />

Eindruck, dass Arbeitsplatzunsicherheit nicht<br />

pauschal mit Betriebsbindung, Leistung und<br />

Anpassung korrespondiert. Stattdessen zeigt<br />

sich, dass bei der Mehrheit der Befragten die<br />

Sicherheitswahrnehmung mit einer Orientierung<br />

auf den Betrieb, Leistung und Anpassung<br />

einhergeht. Entgegen den Erwartungen sind<br />

die „Leistungsträger“ besonders konfliktbereit.<br />

Um die verschiedenen Orientierungen zu<br />

erklären, wurden in Kapitel 6.2 Zusammenhänge<br />

mit den Ressourcen im Sinne von<br />

ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapitalien<br />

sowie den Arbeitsmarktchancen der<br />

Befragten näher untersucht. Die Analysen geben<br />

Hinweise darauf, dass geringe Haushaltseinkommen<br />

die Betriebsbindung verstärken,<br />

während arbeitsmarktrelevante Netzwerke und<br />

wahrgenommene Arbeitsmarktchancen diese<br />

abschwächen. Umgekehrt scheint die pessimistische<br />

Einschätzung der überbetrieblichen<br />

Arbeitsmärkte durch die Befragten mittleren<br />

Alters zur Betriebsbindung and Anpassung<br />

beizutragen. Insgesamt gesehen zeigt sich, dass<br />

die hochkomplexen Zusammenhänge einer<br />

vertiefenden Analyse bedürfen, die im Rahmen<br />

der Lehrforschung nicht zu leisten war.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

7.2 Thesen<br />

Generalisierung von Unsicherheit oder Arbeitsmarktspaltung?<br />

Zusammenfassend halten wir fest, dass unsere<br />

empirischen Analysen zu wahrgenommenen<br />

Arbeitsplatzrisiken erhebliche Zweifel an der<br />

Großthese der „Generalisierung“ von Unsicherheit<br />

bei „Normalbeschäftigten“ nahe legen.<br />

Unser Sample legt einen Schwerpunkt auf<br />

kleinere und mittlere ostdeutsche, z.T. nicht<br />

tarifgebundene Betriebe ohne Betriebsrat, mit<br />

einer Mischung aus Branchen mit hoher und<br />

niedriger Beschäftigungsstabilität. Gerade hier<br />

hätten wir eine Vielzahl von Konstellationen<br />

erwartet, in denen Beschäftigte hohe Arbeitsplatzrisiken<br />

für ihr Arbeitsumfeld konstatieren.<br />

Diese Erwartungen haben sich nicht bestätigt.<br />

Die große Mehrheit der Befragten geht davon<br />

aus, dass die Betriebe personalpolitisch das<br />

Sicherheitsversprechen für die Stammbeschäftigten<br />

einlösen, wenn diese ihre Leistung bringen<br />

und keine große Krise des Unternehmens<br />

dazwischenkommt.<br />

Beeindruckend ist die durchgehend hohe Leistungsorientierung<br />

der befragten Beschäftigten,<br />

unabhängig von Ressourcen und Sicherheitsgefühl.<br />

Sowohl Befragte, die sich eher sicher<br />

fühlen als auch Beschäftigte bei denen ein<br />

Unsicherheitsgefühl vorherrscht, erfüllen oder<br />

übererfüllen die gesetzten Leistungsstandards.<br />

Wie gezeigt, versuchen die „Sicheren“ durch<br />

aktive Handlungen ihre Positionen im Betrieb<br />

zu behaupten und zu steigern. Die „Unsicheren“<br />

wenden diese Strategie aber ebenso an,<br />

um ihre Sicherheitslage beispielsweise durch<br />

Leistung und Weiterbildungen zu verbessern.<br />

Damit bestätigt sich ein Denk- und Handlungsmuster,<br />

das bereits bei den Analysen<br />

der wahrgenommenen Arbeitsplatzrisiken<br />

sichtbar wurde: Viele der Befragten fühlen<br />

sich relativ sicher, binden dies aber an hohe<br />

individuelle Leistungen.<br />

Vor diesem Hintergrund hat die Generalisierungsthese<br />

Recht und Unrecht zugleich.<br />

Einerseits ist Unsicherheit weit verbreitet:<br />

Die von uns Befragten verlassen sich nicht<br />

auf die Sicherheiten der wirtschaftlichen Situation<br />

ihres Betriebes oder des differenziellen<br />

Kündigungsschutzes. Andererseits gelingen<br />

den Beschäftigten durchaus überzeugende<br />

Sicherheitskonstruktionen über ihre Leistung,<br />

die die „gefühlte“ Unsicherheit klein zu arbeiten<br />

in der Lage sind. Im Ergebnis dieses<br />

Prozesses bildet sich bei der großen Mehrheit<br />

der von uns Befragten eine in diesem Sinne<br />

relativierte Sicherheit heraus. Vor der Folie des<br />

westdeutschen Fordismus und ostdeutschen<br />

Sozialismus macht es dann Sinn von einer<br />

relativierten Sicherheit, statt von einer Generalisierung<br />

von Unsicherheit zu sprechen.<br />

Diese Befunde decken sich auch nicht mit<br />

einer Insider/Outsider These, der zufolge die<br />

Normalbeschäftigten von starken Sicherheitsgarantien<br />

ausgehen, sich damit von den Outsidern<br />

abgrenzen oder diese sogar ausgrenzen<br />

(Glotz 1984, 1985; Streeck 2004). Sicherheit ist<br />

in den Augen der Beschäftigten abhängig von<br />

Qualifikation und Leistungsfähigkeit<br />

und damit immer auch gefährdet. Das<br />

im Normalarbeitsverhältnis ange-<br />

Seite 181<br />

legte Versprechen einer langfristigen<br />

Beschäftigung wird ernst genommen, aber<br />

gleichzeitig gegenüber dem alten senioritätsbasierten<br />

Arbeitsvertrag relativiert: Wenn die<br />

Qualifikation nicht mehr gebraucht oder die


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Leistung nicht mehr gebracht werden kann,<br />

ist die Weiterbeschäftigung gefährdet.<br />

Unsere Überlegungen bestätigen damit eher<br />

den Vermarktlichungs- und Subjektivierungsdiskurs<br />

in der neueren Arbeitssoziologie (Moldaschl<br />

2002; Sauer 2005; Voß/Pongratz 2003)<br />

sowie die Thesen zur Transformation Interner<br />

Arbeitsmärkte (Bultemeier u.a. 2007; Köhler/Loudovici/Struck<br />

2007b, in diesem Heft;<br />

Struck u.a. 2006). Diesen zufolge vollzieht<br />

sich ein Prozess der Re-Kommodifizierung<br />

„Interner Arbeitsmärkte“. Das Versprechen<br />

und die reale Chance einer langfristigen Beschäftigung<br />

bis zur Verrentung gelten auch für<br />

die neuen „Leistungsbasierten Betrieblichen<br />

Beschäftigungssysteme“. Dieses Versprechen<br />

ist jedoch nicht mehr an die Betriebszugehörigkeitsdauer,<br />

sondern an Qualifikations- und<br />

Leistungsstandards für die Einzelnen und die<br />

Produktivität und Profitabilität von Betriebsteilen<br />

gebunden. Aus der Sicht der Beschäftigten<br />

lautet der implizite Arbeitsvertrag:<br />

Leistung gegen Sicherheit, woraus sich die<br />

eigentümliche Ambivalenz der Sicherheitskonstruktionen<br />

erklärt.<br />

Eine neue post-fordistische Sicherheitskonstruktion?<br />

Unsere Analysen geben Hinweise auf ein<br />

grundlegendes Denkschema, demzufolge in<br />

unserer Gesellschaft Arbeitsplatzsicherheit<br />

vor allem mit Leistung<br />

Seite 182 verknüpft ist. Man könnte dieses<br />

Denkmuster bei unseren mehrheitlich<br />

ostdeutschen Beschäftigten als Reaktionsbildung<br />

auf den Transformationsschock zurückführen,<br />

in dem das Erlebnis des Arbeitsplatzverlustes<br />

und der Umorientierung auf dem<br />

Arbeitsmarkt bei sich selbst, der Familie und<br />

sozialen Netzwerken weit verbreitet ist. Dafür<br />

hat die Forschungsgruppe von Michael Behr<br />

eindrucksvolle Befunde erarbeitet (Behr u.a.<br />

2006).<br />

Vergleichende Analysen belegen allerdings,<br />

dass auch in Westdeutschland ähnliche Denkmuster<br />

weit verbreitet sind (Bultemeier u.a.<br />

2007). Es könnte sich hier ein allgemeines<br />

post-fordistisches Denkmuster andeuten. In<br />

der alten BRD der 60/70/80er Jahre war ein<br />

großer Teil der Beschäftigten über wirtschaftliches<br />

Wachstum und im Kündigungsschutz<br />

verankerte Senioritätsregeln geschützt, vorausgesetzt<br />

es wurden standardisierte Leistungen<br />

erbracht. Vor dem Hintergrund der allgemeinen<br />

wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />

Entwicklung und ihrer Verarbeitung in den<br />

Medien sowie der konkreten eigenen Erfahrungen,<br />

scheinen sich die Beschäftigten nicht<br />

mehr auf die fordistischen Beschäftigungsgarantien<br />

zu verlassen und nach neuen Sicherheitskonstruktionen<br />

zu suchen (siehe Tabelle<br />

7.2.1).<br />

Diese neuen Sicherheitskonstruktionen sind<br />

nicht mit neuen marktbezogenen Gerechtigkeitsideologien<br />

zu verwechseln, denen zufolge<br />

die Beschäftigungsbeziehung mit Leistung und<br />

Gegenleistung einer kaufvertraglichen Tauschbeziehung<br />

gleichgesetzt würde. Wie andere<br />

Studien zeigen (Köhler u.a. 2005), erwarten die<br />

Beschäftigten nach wie vor, dass „Arbeitgeber“<br />

die Beschäftigten vor den Risiken des Marktes<br />

schützen und dass bei „wirtschaftlich notwendigen“<br />

Entlassungen soziale Kriterien berücksichtigt<br />

und Abfindungen gezahlt werden.<br />

Im Rahmen dieser beschäftigungsbezogenen<br />

Erwartungen scheinen jedoch die Gefahr


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

Sicherheitskonstruktion Fordistisch Post-Fordistisch<br />

Wirtschaft<br />

Stabil bzw. Wachstum<br />

Volatil – Risiko<br />

Regulierung<br />

Kündigungsschutz<br />

Seniorität<br />

Qualifikation und Leistung<br />

Leistungsanforderung<br />

Tabelle 7.2.1: Sicherheitskonstruktionen<br />

Standardisierte<br />

Mindest-Leistung<br />

Individuelle Ziel-Leistung<br />

wirtschaftlicher Risiken sowie die Relevanz<br />

von individuellen Leistungen höher bewertet<br />

zu werden.<br />

7.3 Offene Fragen<br />

Unsere Analysen haben vor allem Zusammenhänge<br />

zwischen der durch die Individuen<br />

wahrgenommenen Arbeitsplatzsicherheit, den<br />

Erwerbsorientierungen und Ausschnitten<br />

der sozialen Situation (Betrieb, Arbeitsmarkt,<br />

Haushalt) ins Visier genommen, ohne zu einer<br />

überzeugenden Aufklärung der Thematik<br />

gekommen zu sein. Eine vertiefende Analyse<br />

müsste die „abhängigen Variablen“ nicht nur<br />

im Zusammenhang mit der sozialen Situation<br />

begreifen, sondern auch die individuelle<br />

Ausstattung der Befragten reflektieren. Dazu<br />

gehören dann nicht nur die jeweiligen Ressourcen,<br />

sondern auch der Habitus und die<br />

psychischen Dispositionen der Person.<br />

Eine vertiefende Auswertung des reichhaltigen<br />

empirischen Materials müsste die beiden<br />

„abhängigen Variablen“, die individuelle<br />

Arbeitsplatzunsicherheit und die Erwerbsorientierungen,<br />

in einen komplexen Zusammenhang<br />

stellen. Dabei müsste nicht nur die<br />

soziale Situation, sondern auch und gerade<br />

die „Persönlichkeit“ der Individuen differenziert<br />

erfasst werden. Hier ginge es einerseits<br />

um basale Einstellungsmuster, für die man<br />

im Anschluss an Bourdieu das Konzept des<br />

„Habitus“ nutzen könnte. So kann man etwa<br />

eine auf Selbständigkeit und den unternehmerischen<br />

Umgang mit der eigenen Arbeitskraft<br />

gerichtete Orientierung von risikoaversen<br />

Arbeitnehmer-Grundeinstellungen unterscheiden.<br />

Zum anderen spielen für das Sicherheitsempfinden<br />

auch im Sozialisationsprozess<br />

erworbene psychische Dispositionen<br />

eine große Rolle (Silbereisen u.a.<br />

2006).<br />

Eine Vertiefung der hier vorgelegten Analysen<br />

ist über zwei Wege möglich und sinnvoll. Erstens:<br />

Systematische Fallrekonstruktionen mit<br />

interpretativen Verfahren würden es erlauben,<br />

Seite 183


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

basale Handlungsorientierungen der befragten<br />

Personen zu rekonstruieren. Vor diesem Hintergrund<br />

würden dann die unterschiedlichen<br />

Ressourcen der Personen wie auch ihre wirtschaftliche<br />

und soziale Situation im Zusammenhang<br />

interpretiert werden können. Einen<br />

ersten Versuch hierzu haben wir in Bezug auf<br />

die Arbeitsorientierungen im Kapitel 5 unternommen.<br />

Diese Perspektive wird im laufenden<br />

<strong>SFB</strong>-Projekt von Anja Bultemeier bearbeitet<br />

(vgl. Bultemeier u.a. 2007). Auch besteht hier<br />

eine Kooperation mit Karl Friedrich Bohler<br />

vom Teilprojekt C3 des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> und der<br />

Forschungsgruppe von Klaus Dörre.<br />

Zweitens: Aufgrund der geringen Fallzahlen<br />

bleiben die Versuche einer Erklärung über<br />

einfache bivariate Auszählungen relativ<br />

beschränkt und können daher nur zur Generierung<br />

von weiterführenden Hypothesen<br />

genutzt werden. Für eine Vertiefung braucht<br />

man repräsentative Daten und multivariate<br />

Analysemethoden. Auch hierzu liegen aus unserem<br />

<strong>SFB</strong>-Projekt bereits erste Analysen auf<br />

der Basis des SOEP vor (Krause u.a. 2007). In<br />

diesem Zusammenhang ist auch eine Kooperation<br />

mit dem Teilprojekt C6 von Pinquart<br />

und Silbereisen geplant.<br />

Seite 184


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

12<br />

BkV: 4,10; C: 3,5,8; G. 3,10, M: 1,6; UnD: 2,4,5<br />

Fussnoten<br />

1<br />

Studenten der LF 05/06 (Branchen der untersuchten Fälle in<br />

Klammern): Andrea Ruge (P); Anke Noack (UnD, M); Anne-<br />

Kathrin Hofmann (G); Christin Lucas (G, B); Christina Sittig<br />

(B, UnD); Christoph Wendt (M, G); Daniela Steins (BkV, H);<br />

Franziska Langenhahn (M, G); Janine Bernhardt (BkV, UnD);<br />

Janine Bradschetl (B, P); Jeannine Albrecht (BkV, M); Josefine<br />

Bär (M, H); Kevin Diesing (G); Kirsten Limbecker (C); Lena<br />

Lieverscheidt (M, G); Marcela Pineda de Castro (C); Marcus<br />

Schulze (C); Patricia Reupsch (M, G); Peter Frey (M); Ralf<br />

Bartho (M, BkV); Ronny Gärtner (G); Sandra Spiller (B, M);<br />

Sebastian Helbig (M, UnD); Stefanie Horn (BkV); Tina Nitsche<br />

(BkV); Tobias Ludwig (G, BkV); Tom Urban (C, G)<br />

2<br />

Die Grafik enthält die im Sample zahlenmäßig am stärksten<br />

vertretenen Branchen; zur Berechnung wurden alle Branchen<br />

herangezogen.<br />

3<br />

Die Grafik enthält die im Sample zahlenmäßig am stärksten<br />

vertretenen Branchen; zur Berechnung wurden alle Branchen<br />

herangezogen.<br />

4<br />

Zwei Befragte machten keine Angaben zu zukünftigen Entwicklung<br />

der Beschäftigung.<br />

5<br />

Individuelles Beschäftigungsrisiko und wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit<br />

werden im Folgenden synonym verwendet.<br />

6<br />

Als geringe wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit interpretieren<br />

wir Selbsteinschätzungen von weniger als 80 Prozent.<br />

7<br />

Die Prozentwerte geben im Folgenden die wahrgenommene<br />

Arbeitsplatzsicherheit an.<br />

8<br />

Die auffällig breite Streuung der Sicherheitsurteile zwischen<br />

den Extrema 50 und 100 Prozent Sicherheit in den Branchen<br />

Gesundheit und Metall legt eine feinere Differenzierung nach<br />

Berufen und Betrieben innerhalb einer Branche nahe, die hier<br />

nicht zu leisten war.<br />

9<br />

Da die Befragten ihren Arbeitsplatz im Mittel zu 80 Prozent<br />

sicher bewerten, haben wir diesen Wert zur Klassifizierung der<br />

Fälle in „sicher“ und „unsicher“ gewählt.<br />

10<br />

BkV: 10; C: 2; H: 1,2<br />

13<br />

BkV: 6; C: 5; G: 3; UnD: 3,5<br />

14<br />

BkV: 2; C: 2,4,8; G: 8,14; H: 1; M: 2,3,12<br />

15<br />

G: 3,9; M: 2; UnD: 5<br />

16<br />

B: 1; BkV: 1,10; M: 9; P: 1,2; UnD: 3,5<br />

17<br />

z.B. C: 7; G: 7,10; M: 2,3,6,14; UnD: 4<br />

18<br />

G: 6,8; M: 6,15<br />

19<br />

B: 1; BkV: 6; G: 13; M: 9<br />

20<br />

Die Berufsbiografie, die darüber hinaus einen Einfluss auf<br />

das Sicherheitserleben von Beschäftigten hat, muss hier leider<br />

weitgehend unberücksichtigt bleiben.<br />

20<br />

Eine Ausnahme bilden Sozialleistungen, die von keinem der<br />

Befragten als Sicherheitsoption erwähnt wurden ein Befund,<br />

der möglicherweise auf eine wahrgenommene Erosion sozialer<br />

Sicherheit deutet.<br />

22<br />

z.B. BkV: 1,2,6; C: 5,7; P: 2; UnD: 3,4<br />

23<br />

Alle mit * gekennzeichneten Befragten in Tabelle 5.2.2 zeigen<br />

mehrere Konfliktarten. Eine Einordnung wird jeweils nach<br />

dem höchsten Konfliktniveau vorgenommen.<br />

24<br />

Siehe Appendix II: Transkriptionsregeln.<br />

25<br />

Diese Ausführungen sind als erster Schritt zu verstehen, den<br />

Habitus der Befragten aufzudecken.<br />

26<br />

Es lassen sich Gemeinsamkeiten zwischen den Typen<br />

„Maßstäbe setzen“ und Pongratz’„Leistungsoptimierer“ sowie<br />

„Anforderungen erfüllen“ und „Leistungssicherer“ feststellen.<br />

Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen den<br />

Leistungssicherern und dem Handlungstypus „Anforderungen<br />

erfüllen“, nämlich die höhere Leistungsbereitschaft des ersteren.<br />

Nicht ohne weiteres lassen sich hingegen die „überfordert Resignierten“<br />

und die „Leistungserfüller“ vergleichen.<br />

27<br />

Vgl. Appendix II: Transkriptionsregeln.<br />

28<br />

Begriffe des Kapitals geführt wurde und wird (zu einer<br />

Kritik dieses Konzepts Honneth 1990), entschieden<br />

uns jedoch für dieses Konzept, da insbesondere der<br />

Zustand des Kapitals als „inkorporiertes Kapital“<br />

einen viel versprechenden Anknüpfungspunkt<br />

liefert, wieso die Ressourcen von Befragten so bedeutsam<br />

für ihre Handlungsorientierungen sind.<br />

Seite 185<br />

11<br />

Die Unternehmenslage wurde über eine Skala von 1-10 erhoben,<br />

wobei 10 eine sehr gute wirtschaftliche Lage kennzeichnet.<br />

Über die Hälfte der Befragten bezifferte diese mit einem Wert<br />

zwischen 7,5 und 10.


Generalisierung Vorwort von Unsicherheit?<br />

29<br />

Es ergibt sich gemäß dieser Definition des beruflichen<br />

Qualifikationsniveaus eine teilweise Überschneidung der<br />

Dimensionen, da die Ansammlung von fachspezifischen Qualifikationen<br />

auch Merkmal der basalen Leistungsorientierung<br />

Maßstäbe setzen ist. Dennoch haben wir diese Überschneidung<br />

zugelassen, da einerseits Weiterbildung u.ä. formell wie auch in<br />

der subjektiven Wahrnehmung einen Einfluss auf das berufliche<br />

Qualifikationsniveau von Beschäftigten hat und andererseits<br />

die selbstständige Erweiterung der beruflichen Qualifikation<br />

nur eine Dimension der Kriterien zur Unterscheidung der<br />

Typen basaler Leistungsorientierung ist.<br />

30<br />

Die Ähnlichkeiten zwischen Pongratz` Typen der Leistungsorientierung<br />

und unseren Typen der Anpassungsorientierung<br />

wurden in Abschnitt 5.1. dargelegt.<br />

31<br />

BkV: 1; C: 4; G: 4,6,8; M: 2,6,8,9,14,15; P: 1: UnD: 2,5<br />

32<br />

Auf die Nützlichkeit von Beziehungsnetzwerken für den<br />

Zugang zum Arbeitsmarkt macht u.a. Dörre aufmerksam,<br />

wobei dieser besonders auf das häufig gemeinsame Auftreten<br />

von prekären Beschäftigungsverhältnissen und fehlenden bzw.<br />

instabilen sozialen Netzwerken hinweisen. Vergleiche hierzu<br />

auch den Klassiker von Windolf und Hohn (1984).<br />

33<br />

Dafür spricht, dass diejenigen, die sich eher extern orientieren,<br />

zwar Pläne und Vorstellungen haben, wie ein Wechsel mit einem<br />

Rückgriff auf ihre sozialen Netzwerke aussehen könnte, aber<br />

mehrheitlich bislang keine Initiative ergriffen haben, diesen<br />

Wechsel voranzubringen.<br />

34<br />

z.B. Bellmann u.a. 1996<br />

35<br />

G: 2,8; M: 1,5,6; UnD: 5<br />

36<br />

UnD: 5<br />

Seite 186


L i t e r at u r-<br />

verzeichnis<br />

Seite 187


literaturverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Seite 188<br />

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Beschäftigungsdauern und betriebliche Beschäftigungssysteme<br />

(BBSS), In: Arbeit. Zeitschrift für Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung<br />

und Arbeitspolitik. Jg. 15, Heft 3: S.167-180.<br />

Vogel, Berthold (2004): Leiharbeit. Neue sozialwissenschaftliche<br />

Befunde zu einer prekären Beschäftigungsform, Hamburg.<br />

Voß, G. Günter/ Pongratz, Hans J. (1998): Der Arbeitskraftunternehmer.<br />

Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft? In:<br />

Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 50,<br />

Heft 1: S.131-158.<br />

Voß, G. Günter/ Pongratz, Hans J. (2003): Der Arbeitskraftunternehmer.<br />

Erwerbsorientierungen in entgrenzten Arbeitsformen,<br />

Berlin.<br />

Windolf, Paul/ Hohn, Hans-Willy (1984): Arbeitsmarktchancen<br />

in der Krise. Betriebliche Rekrutierung und soziale Schließung<br />

- eine empirische Untersuchung, Frankfurt a.M.


literaturverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Witzel, Andreas (2000): Das problemzentrierte Interview, In:<br />

Forum Qualitative Sozialforschung, Volume 1, Nr. 1. Unter:<br />

http://qualitative-research.net/fqs.<br />

Witzel, Andreas/ Kühn, Thomas (2000): Biographiegestaltung<br />

junger Fachkräfte in den ersten Berufsjahren. Methodologische<br />

Leitlinien und Herausforderungen im Zuge einer qualitativprospektiven<br />

Längsschnittstudie, In: Forum Qualitative Sozialforschung,<br />

Volume 1, Nr. 2. Unter: http://qualitative-research.<br />

net/fqs.<br />

Zilian, Hans Georg (Hrsg.) (2004): Insider und Outsider,<br />

München/Mering.<br />

Seite 191


Abbildungsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 3.4.1:<br />

Wirtschaftliche Situation der Betriebe ...113<br />

Abbildung 3.4.2:<br />

Beschäftigungsentwicklung in der Vergangenheit nach Branchen (N=43) ...115<br />

Abbildung 3.4.3:<br />

Beschäftigungsentwicklung in der Zukunft nach Branchen (N=42) ...116<br />

Abbildung 3.4.4:<br />

Beschäftigungsentwicklung in den letzten 5<br />

Jahren und Erwartungen für die Zukunft (N=50) ...117<br />

Abbildung 4.2.1:<br />

Ist Unsicherheit Thema im Arbeitsbereich der Befragten? (N=52) ...122<br />

Abbildung 4.2.2:<br />

Wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit in Prozent (N=52) ...123<br />

Abbildung 4.2.3:<br />

Arbeitsplatzsicherheit auf Basis der inhaltlichen Textpassagen (N=52) ...130<br />

Abbildung 4.3.1:<br />

Wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit im betrieblichen Kontext ...138<br />

Abbildung 5.3.1:<br />

Typen von Leistungsorientierung unter Berücksichtung der<br />

Arbeitsmarktorientierung (N=52) ...164<br />

Seite 192<br />

Abbildung 6.2.1:<br />

Leistungsorientierung im Verhältnis zum beruflichen<br />

Qualifikationsniveau (N=52) ...171


Tabellenverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 2.1.1 Fallauswahl – Branche und Betriebsgröße ...100<br />

Tabelle 2.1.2: Qualifikation und Position nach Geschlecht und Branche ...101<br />

Tabelle 3.2.1: Arbeitsmarktsegmente und BBss ...106<br />

Tabelle 3.2.2: Varianten Geschlossener „BBSS“ ...110<br />

Tabelle 4.2.1: Wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit in Prozent nach<br />

Branchen (N=52) ...125<br />

Tabelle 4.2.2: Unsicherheit im Arbeitsbereich und wahrgenommene<br />

Arbeitsplatzsicherheit im Vergleich ...126<br />

Tabelle 4.4.1: Das individuelle Sicherheitsnetz ...143<br />

Tabelle 5.2.1: Arbeitsmarktorientierung und Konfliktorientierung ...151<br />

Tabelle 5.2.2: Vertiefte Konfliktorientierung ...153<br />

Tabelle 5.3.1: Leistungsorientierung ...155<br />

Tabelle 5.3.2: Typen der Erwerbsorientierung ...161<br />

Tabelle 5.3.3: Basale Leistungsorientierungen ...163<br />

Tabelle 5.4.1: Aufstellung der Fälle gemäß der Arbeitsmarktorientierung<br />

und Leistungsorientierung ...165<br />

Tabelle 6.1.1: Subjektive Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitsmarktorientierung ...167<br />

Tabelle 6.1.2: Individuelle Arbeitsplatzsicherheit und basale<br />

Leistungsorientierungen ...168<br />

Seite 193<br />

Tabelle 7.2.1: Sicherheitskonstruktionen ...183


Seite 194<br />

Appendix I&II


Appendix I: Vorwort Leitfaden LF 05/ 06<br />

Appendix I: Leitfaden LF 05/ 06<br />

Übersicht Themenkomplexe<br />

Themenkomplex 1:<br />

Einblick in den Arbeitsbereich<br />

Zielstellung: Erfassung was und wie der Proband<br />

arbeitet und Aussagen zu Vergangenheit<br />

/ Zukunft.<br />

Themenkomplex 2:<br />

Interner Arbeitsmarkt (BBS)<br />

Zielstellung: Erfassung der Struktur und<br />

Funktionsweise des internen Arbeitsmarktes in<br />

der Abteilung.<br />

Themenkomplex 3:<br />

Sicherheit / Unsicherheit im Betrieb und Handlung<br />

Zielstellung: Erfassung der betrieblichen Sicherheitslage<br />

des Probanden sowie Klärung der<br />

Intensität des Erlebens dieser Lage. Welche<br />

Handlungsfolgen hat die Sicherheitslage?<br />

Themenkomplex 4:<br />

Externer Arbeitsmarkt<br />

Zielstellung: Hat der Proband Alternativen<br />

auf dem Arbeitsmarkt und was tut er dafür?<br />

Themenkomplex 5:<br />

Haushaltskontext und Zukunftsfrage<br />

Zielstellung: Hängt dem Probanden die Familie<br />

finanziell am Bein und verschärft ggfs.<br />

seine Unsicherheit – oder bietet der Haushalt<br />

eher Sicherheit, weil andere dort Geld verdienen?<br />

Was tun die Leute, um über die<br />

Familie die Sicherheit zu erhöhen?<br />

Seite 195<br />

Die Themenkomplexe 1 und 2 dienen<br />

der Einführung. Die Themenkomplexe<br />

3 bis 5 leuchten die drei Säulen<br />

der Sicherheit (Betrieb, Arbeitsmarkt, Familie)<br />

sowie die Handlungsfolgen aus.


Appendix I: Vorwort Leitfaden LF 05/ 06<br />

Leitfaden LF 05 / 06<br />

Interviewanweisung Vorlesen:<br />

Vielen Dank für Ihre Bereitschaft zur Teilnahme<br />

an unserer Befragung. Wir, die Teilnehmer<br />

der Lehrforschung 2005/2006 an der FSU<br />

Jena, führen eine Erhebung in verschiedenen<br />

Branchen zur Beschäftigungsstabilität bzw.<br />

Beschäftigungsunsicherheit durch. Beschäftigungsunsicherheit<br />

ist momentan ein viel diskutiertes<br />

Thema. In unserer Erhebung sollen<br />

drei Fragen im Vordergrund stehen:<br />

1. Wie sieht die Situation in Ihrem Betrieb<br />

und Arbeitsbereich aus?<br />

2. Wie sehen Sie die Frage der Arbeitsplatzunsicherheit<br />

für Sie persönlich?<br />

3. Welche Handlungsmöglichkeiten haben<br />

sie in Betrieb und Arbeitsmarkt?<br />

Wir bitten Sie die Fragen umfassend zu beantworten.<br />

Falls Sie auf die eine oder andere<br />

nicht antworten wollen bzw. können ist dies<br />

kein Problem.<br />

Themenkomplex 1: Einblick in den Arbeitsbereich<br />

Als erstes möchte ich einen Einblick in Ihren<br />

Arbeitsbereich bekommen. Bitte nennen Sie<br />

mir Ihre Berufsbezeichnung und machen Sie<br />

mich ein wenig mit Ihrem Aufgabenbereich<br />

vertraut. Welches Aufgabengebiet haben<br />

Sie?<br />

Welche Produkte und Leistungen werden in<br />

ihrem Tätigkeitsbereich hergestellt?<br />

Was sind dabei Ihre Aufgaben?<br />

Worauf kommt es bei dieser Tätigkeit hauptsächlich<br />

an?<br />

Was muss man dafür vor allem können?<br />

Arbeiten Sie allein oder in der Gruppe?<br />

Wie lange sind sie schon im Unternehmen?<br />

Wie lange auf diesem Arbeitsplatz?<br />

Mit Blick auf Ihren Arbeitsbereich? Sind Sie<br />

zufrieden mit Ihrer Arbeit?<br />

Was motiviert Sie bzw. was demotiviert Sie?<br />

Hat sich in den letzten Jahren in Ihrem Arbeitsbereich<br />

viel verändert?<br />

Muss man mehr arbeiten, bei gleichem Lohn?<br />

Hat sich die Stimmung verändert?<br />

Wird sich an Ihrer Arbeitssituation, in ihrem<br />

Arbeitsbereich in Zukunft etwas verändern?<br />

Seite 196<br />

Wie können Sie dies beeinflussen?


Appendix I: Vorwort Leitfaden LF 05/ 06<br />

Themenkomplex 2: Interner Arbeitsmarkt<br />

(BBS)<br />

1. Beschäftigungsentwicklung und erwartete<br />

Zukunft<br />

Wie hat sich die Beschäftigung in Ihrem<br />

Betrieb in den letzten fünf Jahren entwickelt?<br />

Gab es Wachstum / Schrumpfung oder keine<br />

Veränderung?<br />

Warum? Was waren die Ursachen?<br />

Wird es in Zukunft eher ein Wachstum /<br />

Schrumpfung oder keine Veränderung in<br />

Ihrem Betrieb geben?<br />

Warum? Woran machen Sie das fest?<br />

2. Beschäftigungsdauern im Arbeitsbereich<br />

Wie sehen die Arbeitsverträge in Ihrer Abteilung<br />

aus?<br />

Merkpunkte:<br />

Anteil befristet oder unbefristet<br />

Anteil Teilzeit- oder Vollzeitarbeitsplätze<br />

Jetzt interessieren nicht die Arbeitsverträge<br />

an sich, sondern wie lange die Kollegen aus<br />

Ihrem Arbeitsbereich tatsächlich in Ihrem<br />

Unternehmen bleiben, bevor sie den Betrieb<br />

verlassen? (Egal ob freiwillig oder unfreiwillig).<br />

a) Wie groß ist der Anteil derer, die schon in<br />

den ersten zwei Jahren gehen (egal ob freiwil-<br />

lig oder unfreiwillig)? Bitte schätzen Sie den<br />

Anteil!<br />

b) Wie viele bleiben mittelfristig und gehen<br />

nach mehreren Jahren (maximal 10 Jahre)<br />

(wiederum egal ob freiwillig oder unfreiwillig)?<br />

Bitte schätzen Sie den Anteil!<br />

c) Wie viele bleiben langfristig und im Extremfall<br />

bis zur Rente? Bitte schätzen Sie den<br />

Anteil!<br />

Was vermuten Sie sind die Gründe dafür,<br />

dass die Beschäftigungsverhältnisse in Ihrem<br />

Arbeitsbereich vorrangig kurz-, mittel- oder<br />

langfristig (Interviewanweisung: passend benennen)<br />

sind?<br />

Gibt es Leiharbeiter oder andere externe<br />

Mitarbeiter in Ihrem Arbeitsbereich?<br />

Wenn ja: Auf welchen Arbeitsplätzen werden<br />

sie eingesetzt?<br />

3. Personalaufbau<br />

Wie werden in Ihrer Abteilung freie Stellen<br />

besetzt: eher von Innen oder eher von Außen?<br />

(Interviewanweisung: intern und extern<br />

-> beides abfragen)<br />

Stellenbesetzung intern:<br />

Was sind das für Stellen, die von Innen<br />

besetzt werden?<br />

Gibt es typische Aufstiegswege?<br />

Wie kommt man an die guten Jobs?<br />

Stellenbesetzung extern:<br />

Was sind das für Stellen, die von Außen besetzt<br />

werden?<br />

Seite 197


Appendix I: Vorwort Leitfaden LF 05/ 06<br />

Was sind die Einstellungsvoraussetzungen?<br />

Kommt es vor, dass Kollegen gegen Personal<br />

von Außen ausgetauscht werden? Warum?<br />

Wie läuft das ab?<br />

Merkpunkte - Gründe für den<br />

Austausch von Personal:<br />

Mehr Qualifikation und Leistung?<br />

Verjüngung der Belegschaft?<br />

Andere / spezifische<br />

Qualifikationen gefragt?<br />

altersbedingt<br />

Merkpunkte - Formen des Personalabbaus:<br />

Vorzeitverrentung / Altersteilzeit)<br />

Aufhebungsverträge /<br />

Abfindungen Kündigungen<br />

(betriebsbedingt / personenbedingt)<br />

Merkpunkte - Kriterien der Personalauswahl:<br />

bei Aufhebungsverträgen: freiwillig oder<br />

Druck bei betriebsbedingten Entlassungen:<br />

nur Leistung/Qualifikation<br />

oder auch soziale Kriterien<br />

(Familie, Beschäftigungsdauer)<br />

4. Entlassungen<br />

Hat es in Ihrem Arbeitsbereich Entlassungen<br />

gegeben?<br />

Wenn ja: Wie laufen Entlassungen ab?<br />

Was waren die Gründe für Entlassungen (personell<br />

oder betrieblich)? Bei betriebsbedingten<br />

Kündigungen: Nach welchen Kriterien wurden<br />

die Leute entlassen? Wer wurde warum ausgewählt?<br />

Kann man sich in Ihrem Betrieb auf den<br />

Kündigungsschutz nach Betriebszugehörigkeit<br />

/ Alter und Familienstand verlassen?<br />

Warum? oder Warum nicht? (passend fragen)<br />

Könnten Sie im Falle einer Entlassung irgendwie<br />

Einfluss nehmen?<br />

Seite 198


Appendix I: Vorwort Leitfaden LF 05/ 06<br />

Themenkomplex 3: Sicherheit / Unsicherheit<br />

im Betrieb und Handlung<br />

Interviewanweisung: Neutraler Einstieg, Themenkomplex<br />

3 nicht namentlich benennen:<br />

Im folgenden Themenkomplex 3 soll es um<br />

Beschäftigungsdauern in Ihrem Betrieb und<br />

in Ihrem Arbeitsbereich gehen.<br />

1. Zentrale Merkmale der Arbeit und Sicherheitslage<br />

Was steht bei Ihrer derzeitigen Arbeits- und<br />

Beschäftigungssituation im Vordergrund?<br />

(Interanweisung: Unterfrage nur stellen<br />

wenn Sicherheits- / Unsicherheitsthema<br />

nicht angesprochen wird)<br />

Unsicherheit ist in vielen Branchen und<br />

Betrieben weit verbreitet. Inwieweit hat das<br />

wachsende Umfeld von Unsicherheit Auswirkungen<br />

in Ihrem Arbeitsbereich? Können Sie<br />

etwas beobachten?<br />

2. Quantifizierung / gesellschaftlicher Vergleich<br />

und Bedeutung<br />

Wie sicher ist ihr Arbeitsplatz? 100 % oder<br />

eher weniger, schätzen Sie bitte?<br />

Warum diese Einteilung?<br />

(Interviewanweisung: Visualisierung?)<br />

Woran machen Sie das fest?<br />

Was sind die Gründe für diese Sicherheit/Unsicherheit?<br />

Hängt die Sicherheit / Unsicherheit mit der<br />

Arbeitsleistung der Abteilung zusammen,<br />

spielt die wirtschaftliche Lage eine Rolle?<br />

Sehen Sie sich mit einem Verhältnis von …%<br />

zu …% (Interviewanweisung: passend nennen)<br />

im Durchschnitt der Bevölkerung? Darüber<br />

oder darunter?<br />

Wenn Sie an Ihre eigene Situation denken,<br />

wie kann ich mir das vorstellen, was bedeutet<br />

diese Sicherheitslage von …% zu …% (Interviewanweisung:<br />

passend nennen) für Sie?<br />

Wie erleben Sie das? Welchen Wert hat<br />

betriebliche Beschäftigungssicherheit für<br />

Sie?Würden Sie dafür auch Abstriche bei Lohn<br />

/ Gehalt und Arbeitszeit hinnehmen?Wann ist<br />

man gefährdet?<br />

Fazit: Fühlen Sie sich mehr sicher oder unsicher?<br />

Welche Folgen hat das für Sie?<br />

3. Handlung<br />

Sie haben Ihren Arbeitsplatz als …% sicher<br />

und …% unsicher (Interviewanweisung:<br />

passend nennen) eingeschätzt. Wie geht man<br />

eigentlich damit um? Was machen Sie in<br />

dieser Situation?<br />

Welche Einflussmöglichkeiten hat man als<br />

Beschäftigter? Wie nehmen Sie Einfluss?<br />

Gehen Sie anders an die Arbeit heran?<br />

(Dienst nach Vorschrift)<br />

War das früher anders?<br />

Was oder wer hilft Ihnen dabei?<br />

Sucht man nach Alternativen?<br />

Seite 199


Appendix I: Vorwort Leitfaden LF 05/ 06<br />

Merkpunkte -<br />

Handlungsmöglichkeiten im Betrieb:<br />

a) Anpassung<br />

passiv (Verzicht auf Lohn(erhöhung),<br />

unbezahlte Mehrarbeit, Konfliktverzicht )<br />

aktiv (sich unersetzbar machen<br />

durch Qualifikation und Leistung,<br />

andere wegkonkurrieren)<br />

b) Konflikt<br />

passiv (weniger Leistung, mehr Krankentage,<br />

Fehler, innere Kündigung)<br />

aktiv individuell (Beschwerde beim Chef )<br />

aktiv kollektiv (gemeinsamer Protest,<br />

Betriebsrat, Gewerkschaft)<br />

c) Ausstieg vorbereiten<br />

Suche nach anderem Job / Weiterqualifizierung<br />

Selbständigkeit<br />

Ausstieg (Familie, Bildung, Rente)<br />

Sie haben jetzt über Ihre Handlungsmöglichkeiten<br />

gesprochen. Könnte sich diese<br />

Situation in Zukunft verändern?<br />

Wie können Sie dies beeinflussen?<br />

4. Folgen der Sicherheitslage für die Kollegen im<br />

Arbeitsbereich<br />

Sie haben vorhin Ihre Sicherheitslage als<br />

… (Interviewanweisung: passend nennen)<br />

beschrieben. Gilt diese Sicherheitslage auch<br />

für Ihre Kollegen gleichermaßen?<br />

Wenn ja: Welche Folgen hat das für Ihre Kollegen?<br />

Wie verhalten die sich?<br />

Rückt man enger zusammen?<br />

Kann man seine Meinung sagen?<br />

Verzichtet man auf Rechte, auf Kontakt mit<br />

dem Betriebsrat?<br />

Wenn nein:<br />

Wie schätzen sich Ihre Kollegen ein?<br />

Warum dieser Unterschied? Welche Folgen<br />

hat dieser Unterschied?<br />

Gibt es Konflikte innerhalb Ihres Arbeitsbereichs<br />

(in Bezug auf Arbeitsplatzunsicherheit)?<br />

Wie kann ich mir das vorstellen?<br />

Können Sie ein Beispiel nennen?<br />

Versucht der Arbeitgeber etwas für Sicherheit<br />

bzw. gegen die Unsicherheit zu machen?<br />

Geht das Unternehmen auf die Belange der<br />

Beschäftigten ein?<br />

Seite 200


Appendix I: Vorwort Leitfaden LF 05/ 06<br />

Themenkomplex 4: Externer Arbeitsmarkt<br />

Interviewanweisung: Themenkomplex 5 nicht<br />

namentlich benennen: Jetzt soll es um Sie und<br />

Ihre Chancen außerhalb des Unternehmens<br />

gehen.<br />

1. Chancen<br />

Merkpunkte - zu Chancen<br />

auf dem Arbeitsmarkt:<br />

Marktgängigkeit der Qualifikation<br />

Zweitqualifikationen / zweites berufliches<br />

Standbein, Weiterbildungen<br />

Vitamin B Netzwerke<br />

Aktive Nutzung dieser Ressourcen?<br />

Wie schätzen Sie ihre Chancen draußen auf<br />

dem Arbeitsmarkt ein?<br />

Wie schätzen die Chance ein, einen neuen<br />

Arbeitsplatz zu finden?<br />

Wie schätzen die Chance ein, einen vergleichbaren<br />

Arbeitsplatz zu finden?<br />

Warum glauben Sie haben Sie einen Vorteil<br />

gegenüber Anderen?<br />

2. Berufliche Anschlussfähigkeit<br />

Was tun Sie, um Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt<br />

zu verbessern?<br />

Können Sie ein Beispiel nennen?<br />

Haben Sie einen Plan B für den Fall, dass Sie<br />

ihren Arbeitsplatz verlieren?<br />

Wie sieht der aus?<br />

Andere Jobs?<br />

Seite 201


Appendix I: Vorwort Leitfaden LF 05/ 06<br />

Themenkomplex 5: Haushaltskontext<br />

und Zukunftsfrage<br />

Anhang I: Fragen zum Unternehmen, zur<br />

Abteilung und zum Arbeitsbereich<br />

Seite 202<br />

Jeder Mensch braucht Sicherheit. Welche<br />

Rolle spielt bei Ihnen in diesem Zusammenhang<br />

der Betrieb, die Familie, der Arbeitsmarkt?<br />

Warum biete Ihnen gerade der Betrieb, die Familie,<br />

der Arbeitsmarkt (Interviewanweisung:<br />

passend nachfragen) Sicherheit?<br />

Was können Sie tun, um Ihre Sicherheit zu<br />

verbessern?<br />

Wir haben jetzt viel über Ihren Betrieb und<br />

Ihre Arbeit gesprochen. Arbeit und Familie<br />

hängen aber ganz eng miteinander zusammen.<br />

Sind weitere Personen auf Ihr Einkommen<br />

angewiesen und welche Bedeutung hat<br />

das für Sie?<br />

Wie lange würden Sie und Ihre Familie ohne<br />

Ihr Einkommen auskommen? Wäre das ein<br />

großes Problem für Sie?<br />

Umgekehrt: Gibt es in Ihrer Familie / Haushalt<br />

/ Paarbeziehung jemand anderen mit<br />

einem regelmäßigen Einkommen, der Ihnen<br />

Sicherheit gibt?<br />

Was bedeutet das für Sie?<br />

Entlastet Sie das – auch von Ihrer Arbeit?<br />

Zum Schluss eine allgemeine Frage<br />

zur Zukunft: Was wollen Sie beruflich<br />

erreichen?<br />

Hat es hier Veränderungen gegeben (Revision<br />

beruflicher Ziele und Entwürfe)?<br />

Interviewanweisung: Anhang I und II alle<br />

Fragen / Einleitungen vorlesen!<br />

Die folgenden Fragen können Sie ganz kurz<br />

beantworten – ein bis zwei Sätze reichen<br />

völlig aus, in den meisten Fällen sogar Ja oder<br />

Nein. Sie haben es fast geschafft.<br />

Allgemeine Angaben zum Unternehmen<br />

1. Wie würden Sie die wirtschaftliche Situation<br />

Ihres Unternehmens auf einer Skala von 1 bis<br />

10, wobei 10 das Optimum darstellt beschreiben?<br />

Bitte begründen Sie ganz kurz!<br />

2. Wie viele Beschäftigte gibt es am Standort /<br />

in Ihrer Betriebsstätte?<br />

3. Bildet das Unternehmen aus? Werden die<br />

Auszubildenden übernommen?<br />

4. Gibt es einen Betriebsrat?<br />

Ihr Arbeitsbereich<br />

1. Wie lautet die Bezeichnung Ihres Arbeitsbereichs?<br />

2. Wie viele Beschäftigte hat Ihr Arbeitsbereich?<br />

3. Wie sieht die Altersverteilung in Ihrem<br />

Arbeitsbereich aus (unter 35; 35-50; 50 und<br />

mehr)?


Appendix I: Vorwort Leitfaden LF 05/ 06<br />

4. Gibt es spezielle Arbeitsplätze für ältere oder<br />

leistungsgeminderte Mitarbeiter?<br />

5. Gab es unfreiwillige Umsetzungen auf andere<br />

Arbeitsplätze oder gar in andere Standorte<br />

des Unternehmens?<br />

Wenn ja:<br />

Wie häufig kommt so etwas vor? Gibt es dafür<br />

spezielle Regelungen oder Verfahren?<br />

Haben sich die Leute bei Umsetzungen oder<br />

Entlassungen gewehrt?<br />

Wenn nein:<br />

Ist damit zu rechnen? Warum?<br />

Anhang II: Fragen zur Person<br />

Jetzt geht es abschließend um Ihre Person.<br />

Im Folgenden noch einige kurze Fragen.<br />

1. Was waren Ihre bisherigen beruflichen Stationen?<br />

2. In welchem Jahr sind Sie geboren?<br />

3. Welchen Beruf haben Ihre Eltern?<br />

4. In welcher Region verbrachten Sie Ihre Jugendzeit,<br />

d.h. die Zeit zwischen dem 12. und<br />

dem 20 Lebensjahr vorwiegend?<br />

Einkommen und Tarife<br />

1. Was haben Sie für ein Lohn- und Gehaltssystem?<br />

2. Wie kommt man zu Lohn-Gehaltserhöhungen?<br />

Betriebsvereinbarungen<br />

1. Gibt es für Ihre Abteilung oder Ihren Standort<br />

Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherheit?<br />

Wie sehen diese Vereinbarungen aus?<br />

5. Was ist Ihr höchster beruflicher Bildungsabschluss?<br />

6. Wie hoch ist Ihr monatliches Netto-Einkommen<br />

aus Ihrer Erwerbstätigkeit? Ich meine<br />

damit die Summe, die nach Abzug von Steuern<br />

und Sozialversicherungsbeiträgen verbleibt?<br />

Ich nenne Ihnen jetzt Einkommensgruppen.<br />

Bitte ordnen Sie sich entsprechend zu:<br />

bis unter 500 €<br />

501 bis 1000 €<br />

1001 bis 2000 €<br />

2001 bis 3000 €<br />

3001 bis 4000 €<br />

4001 und mehr.<br />

Merkpunkte:<br />

Festes Einkommen oder Leistungslohne<br />

Lohnsystem durch Tarifvertrag<br />

geregelt (Branchentarifvertrag, Haustarifvertrag)<br />

oder rein betrieblich<br />

Einkommen unter über oder auf dem Tarif?<br />

7. Leben Sie in einer Ehe oder einer<br />

festen Partnerschaft?<br />

8. Haben Sie Kinder? Alter der Kinder?<br />

Seite 203


Appendix I: Vorwort Leitfaden LF 05/ 06<br />

9. Ist Ihr Partner erwerbstätig? In welcher<br />

Branche? (Vollzeit oder Teilzeit; befristet oder<br />

unbefristet)<br />

Wie sicher ist der Arbeitsplatz Ihres Partners?<br />

10. Wie viele Monate könnten Sie im Notfall<br />

ohne ein Arbeitseinkommen Ihren derzeitigen<br />

Lebensstandard halten (inklusive Arbeitslosengeld,<br />

Geld des Partners und ähnlichem)?<br />

11. Sind Sie Mitglied einer Gewerkschaft?<br />

12. Noch eine Abschlussfrage: Wie würden Sie<br />

die Interessen von Arbeitnehmern heutzutage<br />

beschreiben?<br />

13. Geschlecht: ... (Interviewanweisung: nicht<br />

abfragen)<br />

Sie haben es geschafft! Vielen Dank für Ihre<br />

Geduld, Sie haben uns sehr geholfen.<br />

Seite 204


Appendix II: Transkriptionsregeln<br />

Vorwort<br />

Appendix II: Transkriptionsregeln<br />

1.) Sorgfältig transkribieren. Es geht schnell mal ein Wort, eine Verneinung etc. verloren.<br />

2.) Nach jedem Wechsel der Person (Proband; Interviewer) folgt ein Absatz.<br />

3.) Personen werden jeweils, d.h. vor jedem Absatz, mit Bef. (Befragter) und<br />

Int. (Interviewer) gekennzeichnet.<br />

4.) Sprachpausen werden im Text durch (*) gekennzeichnet.<br />

(*) bis 3 Sekunden / (**) 4-10 Sekunden / (***) mehr als 10 Sekunden<br />

5.) Verbale Laute des jeweiligen „Nicht-Hauptsprechers“ werden in Klammern<br />

im Text wiedergegeben. Zum Beispiel:<br />

Bef. ... da habe ich gesagt jetzt ist Schluss, da mache ich nicht mehr mit (hmhm),<br />

aber der hat keine Reaktion gezeigt (*), das war schon schwierig.<br />

Hier ist die verständnisvoll/ermunternde Reaktion durch (hmhm) markiert und eine<br />

kleine Pause durch (*) gekennzeichnet.<br />

6.) Unterbrechungen des Interviews werden als eigener Absatz und ebenfalls in<br />

Klammern ausgewiesen. Genannt wird die Dauer der Unterbrechung sowie der<br />

Anlass der Unterbrechung. Beispiele:<br />

(Unterbrechung: 5 Minuten, Telefongespräch) oder<br />

(Unterbrechung: 1 Minute, Bef. gießt Kaffe nach).<br />

7.) Erkennbare Betonungen werden durch Rauten gekennzeichnet. Beispiel:<br />

... und überlegen Sie mal, neun# Kinder, also da geht natürlich gar nichts mehr.<br />

Hier wird die Dehnung des Wortes n-e-u-n Kinder kenntlich gemacht.<br />

8.) Es ist bei unserem Forschungsgegenstand kein Problem die Umgangsprache in<br />

Maßen zu glätten und Dialekte nicht zu transkribieren. Beispiel:<br />

Nicht: ... da hamwa aba mächtich zujeschlajen, so dat dat voll jebrummt hat.<br />

Sondern: da haben wir aber mächtig zugeschlagen, so das das voll gebrummt<br />

hat.<br />

9.) Beim Speichern und Ausdruck bitte links 2,5 cm Rand,<br />

Schrift: Courier 12, 60 Zeichen pro Zeile, 1,5zeiligen Zeilenabstand<br />

Seite 205


Seite 206


Vitae<br />

Seite 207


Vorwort Vitae<br />

Janine Bernhardt (*geb. 1980), 1998-2002<br />

Ausbildung zur Bankkauffrau und Beschäftigung<br />

bei der Sparkasse Leipzig. Seit 2002 Studium<br />

der Soziologie, Wirtschaftswissenschaften<br />

und Psychologie (MA) in Jena. 2004-2005<br />

Auslandsstudium an der University of Aberdeen<br />

(UK). 2005 Praktika am Wirtschaftsforschungsinstitut<br />

in Halle (iwh) und am Institut<br />

für Arbeit und Wirtschaft in Bremen (iaw).<br />

Seit 2005 studentische Projektassistentin am<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> ( Jena/Halle), Teilprojekt B2. 2007<br />

Deutscher Studienpreis der KörberStiftung:<br />

Dritter Preis zum Thema Arbeit und Leben<br />

(mit K. Loudovici, H. Riemann). Forschungsinteressen:<br />

Arbeitsmarkt, Soziale Ungleichheit,<br />

Organisation.<br />

Christoph Köhler (*geb. 1950), Prof. Dr. phil,<br />

1980- 1992 Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am ISF- München. Seit 1996 Professor für<br />

Arbeitsmarkt und Berufsforschung am Institut<br />

für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena. Forschungsgebiete: Arbeitsmarkt- und<br />

Berufsforschung, Soziale Ungleichheit. Weitere<br />

Veröffentlichungen: Being Local Worldwide,<br />

Cornell University Press 1999 (mit J. Bèlanger,<br />

Ch. Berggren; T. Björkman). Beschäftigungsstabilität<br />

im Wandel, München, Mering 2005<br />

(mit O. Struck); Arbeit und Gerechtigkeit,<br />

Wiesbaden 2006 (mit G. Stephan, O. Struck<br />

u.a.). Labour Market Segmentation in Eastern<br />

and Western Europe, München, Mering 2007<br />

(mit O. Struck).<br />

Seite 208<br />

Email: janine_bernhardt@gmx.net<br />

Email: christoph.koehler@uni-jena.de


Vorwort Vitae<br />

Kai Loudovici (*geb. 1980), seit 2001 Studium<br />

der Soziologie und Erziehungswissenschaft<br />

(MA) an der Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena. Langjähriger studentischer Projektassistent<br />

im Teilprojekt B2 des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Jena.<br />

Forschungsgebiete: Arbeitsmarkt- und Organisationsforschung.<br />

Qualitative Methoden.<br />

Weitere Veröffentlichungen: Geschlossene, offene<br />

und marktförmige Beschäftigungssysteme<br />

- Überlegungen zu einer empiriegeleiteten<br />

Typologie. In: <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Mitteilungen, Heft 14<br />

(mit C. Köhler, A. Bultemeier). Generalisierung<br />

von Beschäftigungsrisiko oder anhaltende Arbeitsmarktsegmentation?<br />

In: Berliner Journal<br />

für Soziologie, Heft 3/2007 (mit C. Köhler, O.<br />

Struck).<br />

Olaf Struck (*geb. 1964), Priv. Doz. Dr.<br />

phil., Oberassistent für Wirtschafts- und<br />

Sozialstrukturanalyse am Institut für Soziologie<br />

der Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena. Forschungsgebiete: Lebensverlauf und<br />

Sozialstrukturanalyse, Arbeits-, Betriebs- und<br />

Bildungssoziologie, Theorie, Statistik und Methoden.<br />

Veröffentlichungen: Flexibilität und<br />

Sicherheit. Wiesbaden 2006; Arbeit und Gerechtigkeit,<br />

Wiesbaden 2006 (mit G. Stephan,<br />

C. Köhler u.a.). Labour Market Segmentation<br />

in Eastern and Western Europe, München,<br />

Mering 2007 (mit C. Köhler).<br />

Email: givefeedback@yahoo.de<br />

Email: olaf.struck@uni-jena.de.<br />

Seite 209<br />

Mitglieder der studentischen Redaktionsgruppe: Simon Dittrich, Marcela Pineda de Castro,<br />

Christina Sittig, Sandra Spiller


22 <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Mitteilung<br />

Heft 22, Dezember 2007<br />

Sonderforschungsbereich <strong>580</strong><br />

„Beschäftigungssysteme, Unsicherheit und Erwerbsorientierungen“<br />

Sprecher:<br />

prof. Dr. Everhard Holtmann<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,<br />

institut für Politikwissenschaft,<br />

emil-Abderhalden-Str. 7, 06108 Halle/Saale,<br />

phone: +49 (0) 345/ 5524211,<br />

e-mail: everhard.holtmann@politik.uni-halle.de<br />

Verantwortlich für dieses Heft:<br />

Kai Loudovici<br />

Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />

institut für Soziologie<br />

07743 Jena<br />

tel.: +49 (0) 3641 - 945561<br />

Fax: +49 (0) 3641 - 945552<br />

e-Mail: givefeedback@yahoo.de<br />

Logo:<br />

elisabeth Blum; Peter Neitzke (Zürich)<br />

Cover & Satz: Jarno Müller<br />

Druck:<br />

universität Jena<br />

ISSN: 1619-6171<br />

Diese Arbeit ist im Sonderforschungsbereich <strong>580</strong> „Gesellschaftliche<br />

Entwicklungen nach dem Systemumbruch. Diskontinuität, Tradition und Strukturbildung“<br />

entstanden und wurde auf seine Veranlassung unter Verwendung<br />

der ihm von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellten<br />

Mittel gedruckt.<br />

Alle Rechte vorbehalten.

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