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CATI abseits<br />

von Mikrozensus<br />

und Marktforschung<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong><br />

Gesellschaftliche<br />

Diskontinuität<br />

Entwicklungen<br />

Tradition<br />

nach dem Systemumbruch<br />

Strukturbildung<br />

Telefonische Expertenbefragungen -<br />

Erfahrungen und Befunde<br />

Thomas Ritter<br />

Thomas Engel<br />

Ina Götzelt<br />

Stefan Jahr<br />

Bernd Martens<br />

(Hrsg.)<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Mitteilungen 2006<br />

17


17 <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Mitteilung<br />

Heft 17, März 2006<br />

Sonderforschungsbereich <strong>580</strong><br />

„Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch.<br />

Diskontinuität, Tradition und Strukturbildung“<br />

Sprecher:<br />

prof. Dr. Heinrich Best<br />

sfb <strong>580</strong>, Carl-Zeiß-Straße 2, 07743 <strong>Jena</strong><br />

Telefon: +49 (0) 3641 94 55 40<br />

fax: +49 (0) 3641 94 55 42<br />

e-Mail: best@soziologie.uni-jena.de<br />

internet: www.sfb<strong>580</strong>.uni-halle.de<br />

www.sfb<strong>580</strong>.uni-jena.de<br />

Verantwortlich für dieses Heft:<br />

Thomas Ritter<br />

friedrich-<strong>Schiller</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong><br />

sfb <strong>580</strong>, Carl-Zeiß-Straße 2, 07743 <strong>Jena</strong><br />

Telefon: +49 (0) 3641 94 55 93<br />

fax: +49 (0) 3641 94 55 52<br />

e-Mail: thomas.ritter@uni-jena.de<br />

Logo:<br />

elisabeth Blum; Peter Neitzke (Zürich)<br />

Cover & Satz: Jarno Müller, Thomas Ritter<br />

Druck:<br />

universität <strong>Jena</strong><br />

ISSN: 1619-6171<br />

Diese Arbeit ist im Sonderforschungsbereich <strong>580</strong> „Gesellschaftliche<br />

Entwicklungen nach dem Systemumbruch. Diskontinuität, Tradition und Strukturbildung“<br />

entstanden und wurde auf seine Veranlassung unter Verwendung<br />

der ihm von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellten<br />

Mittel gedruckt.<br />

Alle Rechte vorbehalten.


<strong>SFB</strong> <strong>580</strong><br />

Gesellschaftliche<br />

Diskontinuität<br />

Entwicklungen<br />

Tradition<br />

nach dem Systemumbruch<br />

Strukturbildung<br />

CATI abseits<br />

von Mikrozensus<br />

und Marktforschung


Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung<br />

1<br />

Vorwort<br />

Thomas Ritter ............6<br />

2<br />

Das CATI-Instrument in der Anwendung für Expertenbefragungen<br />

am Beispiel des <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2 Betriebspanels<br />

Ina Götzelt ..........11<br />

3<br />

Telefonbefragungen ökonomischer Funktionseliten -<br />

Erfahrungen und Schlussfolgerungen<br />

Bernd Martens ..........27<br />

4<br />

Telefonische Befragung von parlamentarischen Eliten -<br />

CATI auf Abwegen?<br />

Stefan Jahr ..........43<br />

Seite <br />

5<br />

Personalisierte Fragebögen am Beispiel<br />

von Netzwerkerhebungen<br />

Sören Petermann ..........57


Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung<br />

6<br />

Telefonische Experteninterviews mit Managern – Nutzen,<br />

Anforderungen, Praxis<br />

Thomas Engel, Michael Behr ..........67<br />

7<br />

Protokoll <strong>SFB</strong>-Kolloquium 27.04.2005<br />

Moderation - T. Ritter<br />

Referenten - C. Buchwald, T. Engel, I. Götzelt, P. Kirch,<br />

S. Jahr, B. Martens, N. Meingast, S. Petermann,<br />

R. Schünemann ..........84<br />

Autoren<br />

Vitae ..........93<br />

Seite


Einleitung<br />

Vorwort - Computer-Assisted<br />

Telephone Interviewing<br />

Thomas Ritter<br />

1<br />

Die <strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong><br />

<strong>Jena</strong> verfügt seit Sommer 2004<br />

über ein modernes CATI-Labor.<br />

Aus Anlass der Eröffnung des Labors am<br />

Institut für Soziologie und zum Austausch<br />

von Erfahrungen mit computerunterstützten<br />

Telefonbefragungen, die in einer Reihe von<br />

Forschungsprojekten gewonnen werden konnten,<br />

organisierte der Sonderforschungsbereich<br />

<strong>580</strong> „Gesellschaftliche Entwicklungen nach<br />

dem Systemumbruch. Diskontinuität, Tradition<br />

und Strukturbildung“ im April<br />

2005 ein Kolloquium. Bereits 2002<br />

Seite fand zum Thema Computer-Assisted<br />

Telephone Interviewing ein Workshop<br />

im Rahmen des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> statt. Dieser erste<br />

CATI-Workshop (vgl. <strong>SFB</strong> Mitteilungen,<br />

2002 Heft 4) 1 sollte die Leistungsfähigkeit des<br />

CATI-Instrumentes vorstellen und Besonderheiten<br />

gegenüber anderen Erhebungsmethoden<br />

herausarbeiten. In der Fortsetzung galt<br />

es in dem Kolloquium 2005 die gewonnenen<br />

Erfahrungen in einer projektübergreifenden<br />

Diskussion zu thematisieren um Grenzen und<br />

Potentiale auszuloten. Dieses Heft beinhaltet<br />

nun die überarbeiteten Beiträge der Referenten,<br />

sowie im Anhang die Diskussion zu<br />

den Referaten. 2<br />

In der Markt- und Meinungsforschung<br />

werden bereits über 44 % (ADM Geschäftsbericht<br />

2004) der Daten telefonisch erhoben.<br />

Der größte Anteil entfällt dabei auf Haushaltsbefragungen.<br />

Zu telefonischen Expertenbefragungen<br />

gibt es jedoch keine vertiefenden<br />

Auswertungen weder im erwähnten ADM-<br />

Geschäftsbericht noch einer anderen Quelle.<br />

Beide Befragungstypen verlangen allerdings<br />

unterschiedliche und differenzierte Arbeitsweisen.<br />

Da sich der Forschungsgegenstand<br />

der hiesigen CATI-Nutzer, vorrangig auf politische<br />

und wirtschaftliche Eliten sowie Experten<br />

bezieht, beeinflusst er zwangsläufig auch<br />

das Arbeitsprofil des Labors. Die Interviewer<br />

müssen ausdrücklich auf die Besonderheiten<br />

in der Akquise und in der Interviewsituation<br />

vorbereitet und auf die unterschiedlichen Erfordernisse<br />

eines telefonischen Experteninterviews<br />

geschult werden, um angemessen agieren<br />

und reagieren zu können.<br />

Die Phase, die über Erfolg oder Misserfolg<br />

einer Telefonbefragung entscheidet, ist<br />

die Akquisition von Interviewpartnern. Dies<br />

erfordert sowohl eine wohlüberlegte Anbahnungsphase<br />

im Vorfeld, als auch die Arbeit im<br />

Nachgang (Feldpflege z.B. durch Information<br />

über die Forschungsergebnisse). Der „behutsame“<br />

Umgang mit den Befragten und deren


Einleitung<br />

Zufriedenheit ist für die weitere Forschung<br />

elementar. Wenn sich hierzulande ähnliche<br />

Zugangsschwierigkeiten wie in England einstellen<br />

sollten 3 , dann wäre es für die hiesige<br />

Forschung, die auf Expertenbefragungen<br />

angewiesen ist, hochproblematisch und würde<br />

erhebliche Mehrkosten verursachen.<br />

Per Definition sind „Experten bzw. Expertinnen<br />

Personen, die sich - ausgehend von spezifischem<br />

Praxis- oder Erfahrungswissen, das<br />

sich auf einen klar begrenzbaren Problemkreis<br />

bezieht - die Möglichkeiten geschaffen haben,<br />

mit ihren Deutungen das konkrete Handlungsfeld<br />

sinnhaft und handlungsleitend zu strukturieren“<br />

(Bogner/Menz 2002, 45). Bogner und<br />

Menz verknüpfen mit dieser Definition die<br />

Forderung nach einem Interaktionsmodell für<br />

Experteninterviews, mit dem die interaktiven<br />

Effekte weniger als Störfaktor begriffen wird,<br />

sondern eher als eine konstitutiv und produktiv<br />

Rahmenbedingung (ebd., 46). Die allgemeine<br />

methodische Problemstellung des Experteninterviews,<br />

wird durch die Besonderheiten einer<br />

computergestützten Telefonbefragung erweitert.<br />

Diese Verfahrenskombination scheint<br />

sich heute als alltägliche Forschungspraxis<br />

durchzusetzen.<br />

Das „quick and dirty“ Stigma, welches der<br />

Telefonbefragung jahrzehntelang anhaftete,<br />

bezog sich gerade auf die qualitative Unsauberkeit<br />

des Verfahrens und schien deshalb im<br />

Besonderen nicht für Experten oder Elitenbefragungen<br />

geeignet zu sein. Die zunehmende<br />

Anforderung an sozialwissenschaftliche<br />

Forschungsvorhaben, repräsentativ-belastbare<br />

Aussagen aus Daten zu gewinnen und die<br />

neuen technischen Möglichkeiten (Computerisierung)<br />

erklären den verstärkten Rückgriff<br />

auf das CATI-Instrument. 4 Die neuen Bedingungen<br />

erfordern im Gegenzug aber auch eine<br />

inhaltliche Auseinandersetzung mit telefonisch<br />

geführten Experteninterviews.<br />

Der <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> bietet im Rahmen der projektübergreifenden<br />

Methodendiskussion die<br />

Basis für eine vertiefte Beschäftigung mit dem<br />

telefonischen Experteninterview. Die langfristig<br />

angelegten Teilprojekte im <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> ermöglichen<br />

eine synergetische „Reflexionsfläche“,<br />

die sowohl dem Telefonlabor als auch den<br />

Projekten in ihrer Arbeit zugute kommt.<br />

Hauptanliegen des hier vorgelegten Heftes<br />

ist die Darstellung von Erfahrungen bei der<br />

telefonischen Befragung von ökonomischen<br />

Funktionseliten (Bernd Martens), von parlamentarischen<br />

Eliten (Stefan Jahr) sowie von<br />

Personalverantwortlichen in Industrieunternehmen<br />

im Rahmen einer telefonischen Panelbefragung<br />

(Ina Götzelt). In der Diskussion<br />

um personalisierte Fragebögen am Beispiel<br />

von Netzwerkerhebungen (Sören Petermann)<br />

und in einem zusammenfassenden Diskussionsbeitrag<br />

über telefonische Experteninterviews<br />

von Managern (Michael Behr und<br />

Thomas Engel) werden, erste verallgemeinernde<br />

Schlussfolgerungen zur Anwendung<br />

des CATI-Instrumentes für die Befragung<br />

von Experten gezogen.<br />

Von höchstem Interesse wäre<br />

resümierend ein forschungsbegleitendes<br />

Projekt, das die strukturellen<br />

Seite <br />

Merkmale und Besonderheiten telefonischer<br />

Experteninterviews untersucht. Das<br />

vorliegende Heft möchte für Fragestellungen<br />

eines solchen Forschungsprojektes einen ersten<br />

Beitrag leisten.


Einleitung<br />

Fussnoten<br />

Literatur<br />

1<br />

Als Download einzusehen auf der Web-Präsenz des <strong>SFB</strong>:<br />

http://www.sfb<strong>580</strong>.uni-jena.de/veroeffentlichungen/zeitschrift/heft4.pdf<br />

(09/2005)<br />

2<br />

Zwei Referate (Christina Buchwald und Ralf Schünemann)<br />

die ebenfalls während des Kolloquiums vorgetragen wurden,<br />

werden in einem gesonderten Heft veröffentlicht.<br />

ADM-Jahresbericht (2004): http://www.adm-ev.de/pdf/Jahresbericht_04.pdf<br />

Bogner, A.; Menz, W. (2002): Das theoriegenerierende Experteninterview<br />

– Erkenntnisinteresse, Wissensformen, Interaktion.<br />

In: Bogner, A.; Littig, B.; Menz, W. (Hg.) 2002: Das Experteninterview.<br />

Theorie, Methode, Anwendung – Wiesbaden, S.<br />

33-70<br />

3<br />

Eine Vergleichsstudie (Teilprojekt A2) in England ließ sehr<br />

bittere Erfahrungen zurück, da sich das Management in den<br />

angerufenen Betrieben nur höchst selten zu einem Interview<br />

bereit erklärte. Von ca. 302 aus <strong>Jena</strong> angerufenen Betrieben<br />

konnten nur 16 Interviews realisiert werden.<br />

4<br />

Behr und Engel führen den gestiegenen Anteil an computergestützten<br />

Telefonbefragungen im universitären Bereich unter<br />

anderen auch auf diese veränderte Rahmenbedingung zurück.<br />

(vgl. Behr/Engel in diesem Heft).<br />

Bogner, A.; Littig, B.; Menz, W. (Hg.) (2002): Das Experteninterview.<br />

Theorie, Methode, Anwendung – Wiesbaden<br />

Sahner, H. (Hg.) (2002): Zur Leistungsfähigkeit telefonischer<br />

Befragungen. Das Methodenprojekt des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> zwischen Methodenentwicklung<br />

und Dienstleistung (<strong>SFB</strong> <strong>580</strong>-Mitteilungen,<br />

Heft 4) – <strong>Jena</strong>, Halle<br />

Seite


Seite


Das<br />

Cati-Instrument<br />

in der Anwendung<br />

für Expertenbefragungen<br />

Seite 10


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

2<br />

Reuband 1995). Die Zunahme der Bedeutung<br />

computergestützter Telefonbefragungen in<br />

der modernen empirischen Sozialforschung<br />

erklärt sich durch die zahlreichen Vorteile, die<br />

dieses Instrument bei der Erhebung von Massendaten<br />

bietet. Diese sollen im vorliegenden<br />

Beitrag am Beispiel näher beleuchtet werden.<br />

Wie Abbildung 1 zeigt, zeichnet sich die<br />

computergestützte Telefonbefragung durch<br />

drei zentrale Merkmale aus.<br />

1.) Die Interviews werden von einem Interviewer<br />

geleitet, welcher aktiv die Situation<br />

und den Verlauf der Befragung beeinflusst.<br />

Das CATI-Instrument in der<br />

Anwendung für Expertenbefragungen<br />

am Beispiel des<br />

<strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2 Betriebspanels<br />

Ina Götzelt<br />

(unter Mitarbeit von Sabrina Laufer)<br />

Computergestützte Telefonbefragungen<br />

(CATI-Befragungen) ersetzen in der<br />

empirischen Sozialforschung zunehmend<br />

schriftlich-postalische sowie persönliche<br />

Befragungen. Insbesondere in der quantitativen<br />

Sozialforschung findet diese Methode<br />

immer häufiger Anwendung (vgl. Blasius/<br />

2.) Die Terminvereinbarung sowie die Befragung<br />

finden über das Kommunikationsmedium<br />

Telefon statt.<br />

3.) Die Befragung erfolgt computergestützt,<br />

was bedeutet, dass z.B. die Filterführung und<br />

die Reihenfolge der Präsentation von Fragen<br />

und Antwortkategorien automatisch ablaufen<br />

und vom Interviewer nicht direkt zu beeinflussen<br />

sind sowie dass Antworten während<br />

der Befragung bereits in den PC eingegeben<br />

werden.<br />

Sowohl durch die Einflussnahme eines<br />

Interviewers auf den Verlauf sowie durch den<br />

Modus telefonisches Interview als auch durch<br />

die Computerunterstützung werden Qualität,<br />

Quantität und Kosten der Befragung<br />

bestimmt. Im Folgenden sollen die<br />

Vor- und Nachteile der CATI-Me-<br />

Seite 11<br />

thode, auch in Bezug auf die Besonderheiten,<br />

die dieses Instrument<br />

bietet, anhand des <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2 Betriebspanels<br />

diskutiert werden.


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

Abbildung 1<br />

<strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2 Betriebspanel<br />

Bei dem <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2-Betriebspanel handelt<br />

es sich um eine Expertenbefragung zu dem<br />

Thema “Beschäftigungsstruktur und Beschäftigungsentwicklung”<br />

(vgl. Köhler et al. 2004, S.<br />

17ff ). In den Jahren 2002 und 2004 wurden<br />

Personalverantwortliche in vorwiegend kleinund<br />

mittelständischen Unternehmen befragt.<br />

Eine dritte Welle ist für das Jahr 2006 geplant.<br />

Die Erhebungen wurden jeweils in Form von<br />

CATI-Befragungen durchgeführt.<br />

Das <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2 Betriebspanel weist<br />

diverse Spezifika im Vergleich zu ähnlichen<br />

Erhebungen auf. So handelt es sich um eine<br />

Panelstudie in betrieblichen Organisationen.<br />

Die Interviewpartner sind Experten<br />

im Bereich betrieblicher Personal-<br />

Seite 12 planung und -entwicklung. Weiterhin<br />

kam in der zweiten Welle ein<br />

Mixed-Mode-Verfahren, in Form der<br />

Kombination des CATI-Instrumentes und<br />

der schriftlich-postalischen Befragung, zur<br />

Anwendung.<br />

Die Stichprobenziehung für das <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-<br />

B2 Betriebspanel fand im Jahre 2002 am<br />

Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung<br />

(IAB) statt. Die Grundgesamtheit stellten alle<br />

Betriebsstätten klein- und mittelständischer<br />

Unternehmen in zehn Branchen 1 und fünf<br />

Bundesländern 2 dar, wobei die Erststichprobe<br />

anhand eines Quotenauswahlverfahrens 3 ermittelt<br />

wurde.<br />

Von den 3874 ausgewählten Betriebsstätten<br />

konnten etwa 3200 kontaktiert werden. Dies<br />

bedeutet, für knapp 20 Prozent der ausgewählten<br />

Betriebsstätten war eine falsche Telefonnummer<br />

vorhanden oder diese Betriebsstätten<br />

waren bereits nicht mehr existent. 4 Weiterhin<br />

wurde die Erhebung im Jahre 2002 zu einem<br />

festgelegten Stichtag beendet, was zur Folge<br />

hatte, dass in etwa 400 Fällen die bis dato<br />

erfolgreiche Anbahnung abgebrochen wurde.<br />

Insgesamt konnten somit im Jahre 2002 in<br />

874 Betriebsstätten telefonische Interviews<br />

realisiert werden. Von diesen 874 realisierten<br />

Interviews waren 809 gültig 5 . Somit ergab sich


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

eine Nettorücklaufquote 6 von 29 Prozent der<br />

kontaktierten Unternehmen.<br />

Im Jahre 2004 konnten in 67 Prozent der<br />

Betriebsstätten, in denen bereits im Jahre<br />

2002 befragt wurde, gültige Interviews realisiert<br />

werden. Aufgrund der angenommenen<br />

in der zweiten Welle ist etwa eineinhalbmal<br />

so hoch wie die Bruttorücklaufquote aller<br />

vor Beginn der Befragung neu gezogenen<br />

Betriebsstätten. 9 Dies zeigt, die Bereitschaft<br />

von Panelunternehmen an der Befragung<br />

teilzunehmen, war, gemessen an neu gezo-<br />

Stichprobe<br />

Brutto-<br />

Stichprobe<br />

Netto-<br />

Stichprobe<br />

Brutto Rücklauf<br />

Brutto<br />

Rücklaufquote<br />

Netto Rücklauf<br />

(nach Plausibilitätsprüfung)<br />

Netto<br />

Rücklaufquote<br />

(nach Plausibilitätsprüfung)<br />

Welle 1 3874 2813 854 30,36 809 28,75<br />

Welle 2<br />

Wiederholung 785 771 538 69,77 528 68,48<br />

Neuziehung 220 210 89 40,45 45 21,42<br />

Nachziehung 107 91 26 24,29 25 27,47<br />

Welle 2 gesamt: 1112 1072 653 60,91 605 56,44<br />

Pretest 267 k.A.m. 8 6<br />

Tabelle 1 Rücklaufquoten Welle 1 und 2<br />

Panelmortalität wurden in Vorbereitung der<br />

Befragung der zweiten Welle zusätzlich 220<br />

Betriebsstätten aus der Grundgesamtheit neu<br />

ausgewählt. Des Weiteren wurde die Stichprobe<br />

im Verlauf der Befragung nochmals um<br />

etwa 100 Betriebsstätten erhöht. 7 Insgesamt<br />

konnten somit 605 gültige Interviews durchgeführt<br />

werden, was einer Nettorücklaufquote<br />

von 56 Prozent entspricht (vgl. Tabelle 1).<br />

Die Bruttorücklaufquote aller erreichten<br />

und noch existierenden Panelunternehmen 8<br />

genen Betrieben, höher. Hier wirkten vor<br />

allem Selbstselektionseffekte. Zudem ergaben<br />

sich bei Panelunternehmen auch Vorteile in<br />

Hinsicht auf den Erfolg des Anbahnungsgesprächs,<br />

welche im folgenden<br />

Abschnitt diskutiert werden. Die<br />

im Vergleich zu den vor der Befra-<br />

Seite 13<br />

gung neu gezogenen Unternehmen<br />

nochmals um die Hälfte geringere<br />

Bruttorücklaufquote der im Verlauf nachgezogenen<br />

Unternehmen lässt sich auf zwei<br />

entscheidende Unterschiede des Befragungs-


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

Seite 14<br />

verlaufs zurückführen. Zum einen betrug der<br />

Befragungszeitraum für die im Verlauf nachgezogenen<br />

Unternehmen lediglich eineinhalb<br />

Monate, während der Gesamtbefragungszeitraum<br />

für die vorher neu gezogenen Betriebe<br />

dreieinhalb Monate ausmachte. Zum anderen<br />

wurden zur postalischen Ankündigung bei<br />

den ersteren Unternehmen keine Broschüren<br />

mit einer Ergebnispräsentation aus den Daten<br />

der ersten Welle versandt. 10<br />

Da es nur wenige Studien zum Thema<br />

Ausschöpfung und Ausschöpfungsquoten in<br />

Expertenbefragungen gibt und ein Vergleich<br />

zwischen Studien mit unterschiedlichem<br />

Expertenklientel aufgrund unterschiedlicher<br />

Auswahlprobleme und somit verschiedenen<br />

Ausfallgründe kaum möglich ist, fällt es<br />

schwer, die vorgestellten Rücklaufquoten<br />

allgemein zu bewerten. Die Gründe der<br />

Verweigerung der Teilnahme an einer Expertenbefragung<br />

zum Thema Beschäftigung<br />

von Seiten der Personalverantwortlichen sind<br />

auch anders strukturiert als in allgemeinen<br />

CATI-Bevölkerungsumfragen. Bei Expertenbefragungen<br />

in betrieblichen Kontexten<br />

wirken sich Befugnis-, Zuständigkeits- und<br />

Erreichbarkeitsprobleme (vgl. Hartmann/<br />

Kohaut 2000, S. 612ff ) zusätzlich auf Ausfälle<br />

und Teilnahmebereitschaft aus. Somit wird<br />

klar, dass der aus allgemeinen CATI-Bevölkerungsumfragen<br />

bekannte Wert von 40 bis 60<br />

Prozent Rücklauf (vgl. Porst 1991) in<br />

CATI-Expertenbefragungen nur mit<br />

wesentlich größeren Anstrengungen<br />

erreichbar ist.<br />

Besonderheiten der Anreizstrategie bei<br />

Betriebsbefragungen im Paneldesign<br />

Die Spezifik von Betriebsbefragungen<br />

erzeugt, wie bereits angesprochen, einige<br />

Probleme hinsichtlich der Erreichbarkeit der<br />

zu befragenden Person sowie bei der Vereinbarung<br />

von Befragungsterminen. Bei CATI-Expertenbefragungen<br />

in Organisationen besteht<br />

eben nicht nur das Problem, den richtigen<br />

Zeitpunkt zu wählen, um den Experten am<br />

Arbeitsplatz zu erreichen. Die Schwierigkeiten<br />

liegen zum einen darin, Gatekeeper (vgl. Jahr in<br />

diesem Heft) zu überzeugen, und zum anderen<br />

auch den zuständigen, kompetenten und zur<br />

Teilnahme an Umfragen befugten Gesprächspartner<br />

zu erreichen. Wobei diese Schwierigkeiten<br />

durch die Panelstruktur ab der zweiten<br />

Welle etwas leichter zu bewältigten sind.<br />

In Vorbereitung der zweiten Welle sollte,<br />

wie bereits in der ersten Welle durchgeführt,<br />

den Unternehmen der Stichprobe eine<br />

schriftliche Ankündigung der Befragung<br />

zugesandt werden. Die schriftliche Ankündigung<br />

enthielt neben einem Anschreiben auch<br />

eine in Broschürenform erstellte Zusammenfassung<br />

der Ergebnisse der ersten Welle. Für<br />

neu ausgewählte Unternehmen ergab sich,<br />

wie schon in der ersten Welle, das Problem,<br />

dass kein Ansprechpartner bekannt war; die<br />

Briefe konnten somit lediglich an „den Personalverantwortlichen“<br />

adressiert werden. Dies<br />

führte dazu, dass die Briefe häufig ungelesen<br />

in Papierkörben oder der Ablage „Sonstiges“<br />

verschwanden. Zum Teil wurden sie von<br />

Personalverantwortlichen nach telefonischer<br />

Kontaktierung ausfindig gemacht. Häufiger<br />

wurde den Personalverantwortlichen oder den<br />

Gatekeepern Informationsmaterial 11 noch-


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

Versendung von<br />

Infomatrial via<br />

E-Mail<br />

%<br />

alle kontaktierte<br />

Betriebe<br />

%<br />

Betriebe<br />

CATI-Interview<br />

%<br />

Betriebe<br />

schrift.-postalisches<br />

Interview<br />

%<br />

Betriebe<br />

Interview gesamt<br />

%<br />

Betriebe<br />

Ablehnung<br />

Netto-stichprobe<br />

Betriebe<br />

Netto<br />

Rücklauf<br />

Wiederholung 39,95 43,62 44,12 43,68 31,33 771 538<br />

Neuziehung 40,47 65,33 35,71 60,67 25,62 210 89<br />

Nachziehung 43,93 82,61 - 84,61 38,46 91 26<br />

Welle 2 gesamt: 41,04 48,06 44,7 47,62 20,28 1072 653<br />

N 440 273 38 311 85<br />

Basis N 771 568 85 653 419 8<br />

Tabelle 2<br />

mals per E-Mail zugesandt (vgl. Tabelle 2).<br />

Aber auch für Panelunternehmen, bei denen<br />

ein Ansprechpartner bekannt war, ergaben<br />

sich Probleme. Waren Ansprechpartner nicht<br />

mehr in der Betriebsstätte beschäftigt, wurden<br />

die Briefe häufig ungelesen zurückgesandt<br />

oder landeten ebenfalls in unbekannten Ablagen.<br />

Auch hier bewährte sich das Angebot,<br />

das Informationsmaterial auf elektronischem<br />

Wege zu versenden. Etwa 41 Prozent der<br />

kontaktierten Betriebsstätten machten von<br />

dieser Möglichkeit Gebrauch (vgl. Tabelle 2).<br />

Wie Tabelle 2 zeigt, nutzte etwa die Hälfte<br />

aller Betriebsstätten, die an der Befragung<br />

tatsächlich teilnahmen, die Möglichkeit sich<br />

Informationsmaterial per E-Mail zusenden zu<br />

lassen. Bei den neu gezogenen Betrieben waren<br />

es etwa 61 Prozent. Dies deutet darauf hin, dass<br />

häufiger als bei den Panelbetrieben Anschreiben<br />

und Ergebnisbroschüre auf postalischem<br />

Wege nicht ankamen. Bei den nachgezogenen<br />

Unternehmen waren es sogar 84 Prozent, die<br />

die angebotene Möglichkeit der Zusendung<br />

in Anspruch nahmen. Dies erklärt sich daraus,<br />

dass im Vorfeld postalisch nur ein Anschreiben<br />

versandt wurde und erst bei der telefonischen<br />

Kontaktierung die Zusendung von Informationsmaterial<br />

angeboten wurde.<br />

Rückblickend lässt sich festhalten, dass eine<br />

schriftlich-postalisch zugestellte Vorankündigung<br />

generell positiv auf die Erreichbarkeit<br />

und das Antwortverhalten der Personalverantwortlichen<br />

wirkt. Über die Rückfrage nach<br />

Eingang des Ankündigungsbriefes können<br />

Interviewer eine Verbindlichkeit schaffen,<br />

die hilft, zur zu befragenden Person<br />

überhaupt erst vorzudringen.<br />

Seite 15<br />

Der postalische Versand von Informationsmaterial<br />

im Voraus kann<br />

allerdings als wenig sinnvoll erachtet werden,<br />

da eine elektronische Zusendung oder eine<br />

postalische Zusendung von Informationsma-


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

terial lediglich auf Wunsch nach telefonischer<br />

Kontaktierung sich als wesentlich preiswerter<br />

und ebenso effektiv darstellt. Dennoch ist das<br />

Angebot der Zusendung von Informationsmaterial<br />

generell sehr wichtig; die Befragung<br />

wirkt dadurch seriöser und es wird seltener in<br />

Frage gestellt, ob die Interviewer tatsächlich<br />

im Auftrag einer Forschungseinrichtung, wie<br />

im vorliegenden Falle der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>, Daten erheben.<br />

Für die Panelunternehmen der Befragung<br />

im Jahre 2004 stellten sich die Nennung eines<br />

Ansprechpartners sowie der Hinweis auf die<br />

Beteiligung an der Befragung im Jahre 2002<br />

als sehr gute „foot-in-the-door“ Techniken<br />

(Diekmann/ Jahn 2001) heraus. Anstrengende<br />

Überzeugungsarbeit, um zu einem Personalverantworlichen<br />

vorzudringen, wurde bei Panelunternehmen<br />

so häufig vermieden. Konnte,<br />

wie bei neu- und nachgezogenen, Betrieben<br />

kein Ansprechpartner genannt werden, bot<br />

dies eine Angriffsfläche, um die Anfrage<br />

nach Teilnahme an der Befragung bereits auf<br />

Vorzimmerebene abzulehnen. Die einzige Gegenstrategie<br />

gegen dieses generelle Problem<br />

von Befragungen in Organisationen ist es, auf<br />

überzeugungsstarke und gleichzeitig freundliche<br />

Interviewer zu setzen. Hilfreich für die<br />

Lösung dieses Problems sind dabei auch eine<br />

gute Protokollführung der Kontaktierungsversuche<br />

und eine gute Kommunikation unter<br />

den Interviewern.<br />

Seite 16 Bei Betriebsbefragungen wird<br />

immer wieder die Frage der Befragungseinheit<br />

(Abteilung, Betriebsstätte,<br />

Unternehmen, Gesamtunternehmen,<br />

Unternehmensgruppe) diskutiert. Für das<br />

<strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2-Betriebspanel wurde - analog<br />

zum IAB-Betriebspanel - das Betriebsstättenprinzip<br />

festgelegt. Das heißt, es sollte jeweils der<br />

Personalverantwortliche einer Betriebsstätte<br />

vor Ort Auskunft über die Personalstruktur etc.<br />

lediglich dieser Betriebsstätte geben. Bereits im<br />

Vorfeld der Erhebung wurde klar, dass sich auf<br />

Grund der Branchenvielfalt Schwierigkeiten<br />

ergeben würden; konkrete Intervieweranweisungen<br />

schafften in diesem Fall Abhilfe.<br />

Dennoch wurde in der ersten Auswertung der<br />

erhobenen Daten der zweiten Welle deutlich,<br />

dass die Befragung nicht immer auf der richtigen<br />

Ebene stattfand. In etwa fünf Prozent<br />

aller realisierten Interviews wurden Daten<br />

für die falsche Aggregationsebene erhoben.<br />

Einerseits erklärt sich dieser Befragungsfehler<br />

durch organisatorische Gegebenheiten der<br />

Untersuchungsunternehmen, die eben nicht<br />

bereit waren, Aussagen für die tiefer liegende<br />

Ebene zu machen. Andererseits liegt hier ein<br />

Interviewerfehler vor, der nur durch eine intensivere<br />

Schulung behoben werden kann. Zu<br />

erwähnen ist auch, dass insbesondere in einer<br />

Panelstruktur Befragungen auf falscher Ebene<br />

fatal für die Qualität der Daten sind. Denn<br />

gerade Längsschnittmessungen, beispielsweise<br />

die Analyse von Wachstums- und Schrumpfungsprozessen,<br />

werden durch diesen Fehler<br />

unmöglich.<br />

Vor- und Nachteile von CATI-Expertenbefragung<br />

Zentrales Merkmal einer Expertenbefragung<br />

ist es, dass fachkundige Personen<br />

Auskunft über einen ihnen gut bekannten<br />

Sachverhalt geben. Dies steht im Gegensatz zu<br />

allgemeinen Bevölkerungsumfragen, wo Probanden<br />

Auskunft über eigene Eigenschaften


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

und Einstellungen geben und somit selbst<br />

Merkmalsträger des zu beobachtenden Untersuchungsgegenstandes<br />

sind. Im <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2-<br />

Betriebspanel werden Experten zum Thema<br />

Beschäftigungsstruktur, Beschäftigungsentwicklung<br />

sowie Personalstrategien einzelner<br />

Betriebsstätten befragt.<br />

Die zu befragenden Personalverantwortlichen<br />

des Betriebspanels stellen eine sehr heterogene<br />

Gruppe dar. Befragt wurden Inhaber/<br />

innen, Geschäftsführer/innen, Personalleiter<br />

und –referenten/innen, Abteilungsleiter/innen,<br />

Gruppenleiter/innen, Sekretäre/innen, Sachbearbeiter/innen<br />

und Verwaltungsangestellte.<br />

Aber nicht nur die zu befragenden Personen<br />

bilden eine heterogene Gruppe, auch die Organisationseinheiten<br />

über die die Person in ihrer<br />

Funktion als Experte Auskunft erteilen, stellen<br />

aufgrund der befragten Branchenvielfalt und<br />

der unterschiedlichen Betriebstättengrößen<br />

nur schwer miteinander vergleichbare Beobachtungsobjekte<br />

dar.<br />

Das <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2-Betriebspanel wird in<br />

Form einer standardisierten Befragung durchgeführt.<br />

Es ist leicht nachzuvollziehen, dass<br />

ein Fragebogen, der die genannten Untersuchungsgegenstände<br />

im beschriebenen Untersuchungsfeld<br />

realitätsgetreu messen möchte,<br />

sehr umfangreich sein muss. Um die Vergleichbarkeit<br />

der zu erhebenden Daten zu gewährleisten,<br />

unterlagen die Befragungsinhalte in<br />

dem, vom Projekt B2 des <strong>SFB</strong><strong>580</strong> entwickelten,<br />

standardisierten Fragebogen einer starken<br />

Strukturierung nach Fragen, Antwort- und<br />

Filtervorgaben. Der Fragebogen umfasste etwa<br />

320 Teilfragen und zeichnete sich durch eine<br />

komplexe Filterführung aus. Dank des computergestützten<br />

Modus war es möglich auch eine<br />

komplexe Filterführung, erste Konsistenzprüfungen<br />

sowie Intervieweranweisungen vor der<br />

Befragung für den Eingabefragebogen, das<br />

Erhebungsinstrument, zu programmieren.<br />

Während der Befragung wurden den Experten<br />

somit lediglich relevante Fragen gestellt, wobei<br />

diese in der vom Forscher gewünschten Reihenfolge<br />

präsentiert wurden. Zudem konnten<br />

den Interviewern hilfreiche Anweisungen zu<br />

einzelnen Fragen im entscheidenden Moment<br />

eingeblendet werden.<br />

Die durchschnittliche Befragungsdauer<br />

betrug 46 Minuten. Erhoben wurden Daten<br />

für Mitarbeitergruppen mit speziellen Arbeitsvertragsformen<br />

oder Perspektiven der Beschäftigungsdauer.<br />

Je heterogener die Gruppe<br />

der beschäftigten Mitarbeiter hinsichtlich der<br />

genannten Merkmale, desto umfangreicher<br />

war die Befragung.<br />

Bei telefonischen Expertenbefragungen<br />

kommt dem Interviewerhandeln ein zentraler<br />

Stellenwert zu, um die Qualität der erhobenen<br />

Daten zu sichern und zu verbessern (vgl. auch<br />

Martens in diesem Heft). Insbesondere bei heterogener<br />

Belegschaft sind oftmals für einzelne<br />

Befragungsinhalte zusätzliche Erläuterungen<br />

notwendig. Dabei gilt, nur dann, wenn der<br />

Interviewer selbst keine Verständnisprobleme<br />

in Bezug auf Befragungsinhalte und Fragenformulierung<br />

hat, wird erhoben, was erhoben<br />

werden soll. Es ist hervorzuheben, dass<br />

bei computergestützten telefonischen<br />

Interviews im Vergleich zu face-to-<br />

Seite 17<br />

face Expertenbefragungen häufig<br />

Interviewer zum Einsatz kommen,<br />

die sowohl an der Erarbeitung des Fragebogens<br />

sowie bei der Auswertung der erhobenen<br />

Daten nicht mitwirken. Interviewer in CATI-


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

Seite 18<br />

Expertenbefragungen müssen selbst keine<br />

Experten sein. Ermöglicht wird dies durch die<br />

Distanz, welche durch das Medium Telefon<br />

geschaffen wird. Akzeptanzprobleme 12 spielen<br />

in der Anbahnungsphase von telefonischen<br />

Experteninterviews keine so zentrale Rolle<br />

wie bei der Face-to-Face Befragung. Ferner<br />

steht dem Interviewer während des Interviews<br />

das Hilfsmedium Computer zur Verfügung,<br />

um den Befragungsverlauf entsprechend<br />

der Situation zu gestalten und gleichzeitig<br />

auf wichtige Zusatzinformationen in Form<br />

von Intervieweranweisungen oder inhaltlich<br />

richtige Frage- und Antwortformulierungen<br />

zurückzugreifen.<br />

Umso wichtiger ist es dennoch, dass die<br />

eingesetzten Interviewer gut informiert und<br />

auf Rückfragen vorbereitet sind. Befragungsfehler,<br />

die auf Verständnisfehlern beruhen,<br />

können durch eine sehr gründliche methodische<br />

und inhaltliche Einarbeitung der Interviewer<br />

verringert werden (vgl. Fuchs 1994,<br />

S. 178ff ). Hilfreich ist auch eine intensive<br />

Pretestphase unter Einbezug der späteren Interviewer.<br />

Außerdem eignen sich regelmäßige<br />

Gesprächsrunden um Verständnisprobleme<br />

der Interviewer, aber auch der Befragten zu<br />

erkennen, zu diskutieren und entsprechend<br />

dem Ziel der Studie zu lösen.<br />

Im Zuge einer CATI-Expertenbefragung<br />

können darüber hinaus Probleme<br />

auftreten, die dem telefonischen<br />

Modus der Befragung geschuldet<br />

sind. Insbesondere wenn, wie beim<br />

<strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2-Betriebspanel, Schätzungen<br />

von Anteilswerten oder Anzahlen<br />

einen großen Teil der Antworten ausmachen.<br />

In Telefonbefragungen werden den Probanden<br />

die Fragen lediglich verbal präsentiert, somit<br />

treten häufiger Verständnisprobleme auf, die<br />

nicht in jedem Fall kommuniziert werden (vgl.<br />

Fuchs 1994, S. 97). Hinzu kommt eine Distanz<br />

zwischen Interviewer und Experten, die das<br />

Medium Telefon in die Befragungssituation<br />

hineinträgt und welche eine gewisse Unverbindlichkeit<br />

in Bezug auf wahrheitsgetreue<br />

Antworten hervorruft. Außerdem verleitet das<br />

Kommunikationsmedium Telefon zu „ad hoc<br />

Antworten“; ein Nachschlagen nach Fakten<br />

würde den selbst gesetzten Zeitrahmen sprengen,<br />

wobei von Expertenseite für Telefonbefragungen<br />

meist nur kurze Zeitfenster eingeplant<br />

werden.<br />

Um die angesprochenen Probleme zu verringern,<br />

sind erneut die Interviewer gefordert.<br />

Im Einzelnen können nur Interviewer Motivations-<br />

und Konzentrationsschwächen oder<br />

Fehlimplikationen des Befragten erkennen und<br />

durch geeignete Strategien beheben. Aber auch<br />

die Flexibilität, die das Instrument CATI bietet,<br />

muss richtig eingesetzt werden. Wird klar,<br />

dass ein Proband in Zeitnot gerät oder Fakten<br />

nachschlagen beziehungsweise recherchieren<br />

möchte, sollte die Befragung unterbrochen<br />

und zu einem späteren Zeitpunkt fortgeführt<br />

werden. Bei der Terminvereinbarung ist die<br />

wahrscheinliche Zeitdauer des Interviews klar<br />

anzukündigen, auch wenn dies teilweise zu<br />

Abbrüchen in der Anbahnungsphase führt.<br />

Hilfreich für den Befragungsverlauf allgemein<br />

ist es, eine elektronische Version des Fragebogens<br />

nach Terminvereinbarung und einige<br />

Tage vor dem Interviewtermin dem Experten<br />

zukommen zu lassen. Auf diese Weise ist der<br />

Experte in der Lage, sich auf das vereinbarte<br />

CATI-Interview vorzubereiten. 13


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

Zu betonen ist, dass mit den Interviewern<br />

im Vorfeld der Befragung, Strategien des Verhaltens<br />

während des Interviews und in problematischen<br />

Interviewersituationen besprochen<br />

und vereinbart werden müssen.<br />

Mixed-Mode Erhebungsverfahren im<br />

<strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2 Betriebspanel<br />

Im Verlauf der zweiten Befragungswelle<br />

des <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2- Betriebspanels sollte bei<br />

den Panelunternehmen eine möglichst hohe<br />

Ausschöpfungsquote erzielt werden, um<br />

Längsschnittuntersuchungen zu gewährleisten.<br />

Einige der Panel-Betriebsstätten waren allerdings<br />

nicht bereit, erneut an einer telefonischen<br />

Befragung teilzunehmen, erklärten sich aber<br />

damit einverstanden, schriftlich-postalisch den<br />

Fragebogen zu beantworten. Gründe für die<br />

Ablehnung eines Telefoninterviews stellten<br />

aktuelle Zeitnot, schlechte telefonische Erreichbarkeit<br />

oder aber die Unmöglichkeit, das<br />

einzig vorhandene Telefon für längere Zeit zu<br />

blockieren, dar.<br />

Von den insgesamt 210 Personalverantwortlichen,<br />

die sich am Telefon bereit erklärten,<br />

an der Befragung auf schriftlich-postalischem<br />

Wege teilzunehmen, sendeten letztlich 85<br />

Probanden den Fragebogen tatsächlich zurück.<br />

Dies entspricht einem Rücklauf von etwa 40<br />

Prozent. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen,<br />

dass die Befragten, die schriftlich postalisch am<br />

<strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2 Panel teilnehmen wollten, etwa<br />

eine Woche nach Versendung des Fragebogens<br />

und anschließend im wöchentlichen Rhythmus<br />

nochmals, mit der Bitte nach Rücksendung des<br />

Fragebogens, telefonisch kontaktiert wurden.<br />

Es ist zu vermuten, dass die Rücklaufquote<br />

der postalischen Fragebögen durch diese Art<br />

der Erinnerung wesentlich gesteigert werden<br />

konnte.<br />

Wenn auch ein Mixed-Mode Verfahren,<br />

insbesondere in Betriebspanelerhebungen<br />

äußerst hilfreich ist um Ausfälle zu vermeiden<br />

(vgl. Dillman 2000, S. 217; 323 ff ), so gehen<br />

doch auch zahlreiche Probleme mit der Auswertung<br />

dieser Daten einher. Probleme entstehen<br />

dadurch, dass jede der Erhebungsmethoden<br />

ihre eigenen Vor- und Nachteile besitzt.<br />

Das Selbstausfüllen des Fragebogens durch<br />

den Experten bietet beispielsweise die Vorteile<br />

größere Anonymität zu gewährleisten und die<br />

Möglichkeit, einzelne Fakten in Ruhe nachschlagen<br />

zu können. Allerdings entstehen auch<br />

entscheidende Nachteile; beispielsweise muss<br />

die komplexe Filterführung im Fragebogen<br />

vom Probanden allein bewerkstelligt werden<br />

und bei eventuellen Verständnisproblemen zu<br />

Frageninhalten oder Antwortkategorien steht<br />

nicht sofort ein Ansprechpartner für Rückfragen<br />

zur Verfügung.<br />

Wie sich anhand Tabelle 3 zeigen lässt,<br />

wirkte sich im <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2-Betriebspanel der<br />

Befragungsmodus nicht darauf aus, ob heikle<br />

Fragen, wie beispielsweise die Frage nach Entlassungsgründen,<br />

beantwortet wurden. Sowohl<br />

bei CATI als auch bei selbst ausgefüllten und<br />

postalisch zurückgesendeten Fragebögen gab<br />

es bei dieser Frage hohe Item-Nonresponse-Werte,<br />

die sich jedoch im<br />

Vergleich der zwei Erhebungsmodi<br />

Seite 19<br />

nicht signifikant voneinander unterscheiden.<br />

Allerdings scheint sich die<br />

Annahme, dass heikle Fragen bei Selbstausfüllern<br />

ehrlicher beantwortet werden, zu bestätigen.<br />

Tabelle 4 zeigt den Anteil der Ja-Antwor-


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

Strategien bei sinkendem Arbeitsvolumen<br />

Angabe “ja”<br />

CATI<br />

Angabe “ja” post. Differenz Phi<br />

Überstunden abgebaut 62,70% 64,30% (-)1,6 (-)0,011<br />

Urlaube vorgezogen 34,30% 39,50% (-)5,2 (-)0,036<br />

unbezahlten Urlaub gewährt 11,90% 17,10% (-)5,1 (-)0,051<br />

Arbeitskräfte innerbetrieblich umgesetzt 55,60% 45,50% 10,1 0,068<br />

Reduzierung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich 13,50% 7,00% 6,5 0,065<br />

Lohnsenkung 14,20% 4,70% 9,7 0,094*<br />

Kurzarbeit angeordnet 10,60% 11,60% (-)1 (-)0,011<br />

ausscheidendes Personal nicht ersetzt 69,90% 84,10% (-)14,2 (-)0,105 **<br />

Verträge mit Zeitarbeitern/ Freien nicht verlängert 21,70% 19,00% 1,7 0,022<br />

Mitarbeiter entlassen/ Aufhebungsverträge 48,50% 60,50% (-)12 (-)0,079<br />

Aufträge an Fremdfirmen verringert 22,10% 22,50% (-)0,4 (-)0,003<br />

Bearbeitungsrückstände abgebaut 42,10% 25,60% 16,5 0,107**<br />

N 303 43<br />

Mittelwert SV-pflichtig Beschäftigte 120 175<br />

Fragen wurden nur gestellt, wenn Rückgänge Arbeitsvolumen; die Verteilung in den Gruppen ist nach Region und<br />

Branche in etwa gleich; * p


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

Günde des Personalabbau<br />

fehlende Werte<br />

CATI<br />

fehlende Werte post. Differenz Cramers V<br />

technische Rationalisierung 40,28% 41,77% 1,49 0,01<br />

Auslagerung 40,28% 40,50% 0,32 0,002<br />

innerbetriebliche Reorganisation 40,63% 40,50% -0,13 0,001<br />

Ausschöpfung Personalkapazität 40,28% 41,77% 1,49 0,01<br />

Auftragsrückgänge 40,45% 39,24% -1,21 0,008<br />

* p


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

dass sich die in unterschiedlicher Form erhobenen<br />

Daten hauptsächlich hinsichtlich sozial<br />

erwünschter Antworten auf heikle Fragen<br />

unterscheiden. Da allerdings im vorgestellten<br />

Betriebspanel nur wenig heikle Sachverhalte<br />

erhoben wurden, wirkt sich also der gewählte<br />

Mixed-Mode kaum auf die Auswertungsstrategien<br />

aus. Letztlich lässt sich mit Blick auf<br />

eine Koppelung von CATI und schriftlichpostalischer<br />

Befragung für das vorgestellte<br />

Beispiel eine positive Bilanz ziehen, da durch<br />

die zusätzliche Möglichkeit der postalischen<br />

Beantwortung noch weitere fünfundsiebzig<br />

gültige und stichprobenrelevante Interviews<br />

durchgeführt werden konnten.<br />

Bilanz zum Einsatz des CATI-Instruments<br />

im <strong>SFB</strong><strong>580</strong> B2 Betriebspanel<br />

Telefonische Interviews galten in der<br />

empirischen Sozialforschung im Vergleich<br />

zu persönlichen Befragungen lange Zeit als<br />

„quick, cheap and dirty“ (vgl. Dillman 1978,<br />

S. 1ff ). Dies meint, dass mittels Telefonbefragungen<br />

schnell und billig Daten erhoben<br />

werden, wobei die Daten aber eine geringere<br />

Qualität im Vergleich zum traditionellen<br />

Erhebungsinstrument persönliches Interview<br />

aufweisen (vgl. Noelle-Neumann/ Petersen<br />

2000, S. 183ff ).<br />

Allerdings hat sich die Einstellung<br />

gegenüber der Erhebungsmethode<br />

Seite 22 aufgrund zahlreicher technischer<br />

Innovationen, wie der Durchsetzung<br />

von CATI, und der zunehmenden Erweiterung<br />

des Telefonnetzes in neuester Zeit stark<br />

gewandelt. CATI-Befragungen sind heutzutage<br />

die gängige Praxis in der quantitativen<br />

Sozialforschung, nicht nur zur Erhebung von<br />

Massendaten.<br />

Nach wie vor gelten Telefoninterviews als<br />

preiswert gegenüber anderen Methoden der<br />

Erhebung, wobei vielleicht gerade dieser Fakt<br />

in Expertenbefragungen zu relativieren ist.<br />

Sicherlich sind die Kosten eines persönlichen<br />

Experteninterviews nicht mit den Kosten eines<br />

CATI – Experteninterviews zu vergleichen,<br />

dies ergibt sich schon allein aus der Erfordernis<br />

heraus, in persönlichen Experteninterviews,<br />

nur einschlägig qualifizierte Interviewer einzusetzen.<br />

Aber gerade schriftlich-postalische<br />

Interviews können unter Einsatz von Mixed-<br />

Mode Verfahren eine preiswertere Alternative<br />

darstellen und bieten, wie oben diskutiert, Vorteile<br />

bei der Erhebung heikler Sachverhalte.<br />

Allerdings bieten CATI-Befragungen einen<br />

entscheidenden Vorteil gegenüber schriftlich-postalischen<br />

und persönlichen Befragung,<br />

der sich zum einen durch das Medium Telefon<br />

als Kommunikationsweg und zum anderen<br />

aus dem computergestützten Modus ergibt.<br />

Die Methode erweist sich als „quick“. Die<br />

Daten können schnell erfasst, bewertet und<br />

ausgewertet werden. Der computergestützte<br />

Modus ermöglicht außerdem die Abfrage von<br />

Zwischenständen und damit die regelmäßige<br />

Datenkontrolle (Bayer, S. 22). Aber nicht nur<br />

die Datenverarbeitung ist schnell, auch die<br />

computergestützte Präsentation von einzelnen<br />

Fragen gewährleistet eine überschaubare,<br />

gut strukturierte Befragung. Das Interview<br />

wird auf diesem Wege erleichtert, das lästige,<br />

aufhaltende Blättern im Fragebogen entfällt<br />

(Fuchs 1995, S. 287). Organisatorischer Vorteil<br />

ist die Terminmanagementfunktion des<br />

CATI-Programmes (vgl. Buchwald in Sahner


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

2002, S. 37), welche jedoch in Betriebsbefragungen<br />

nur zum Teil in Anspruch genommen<br />

werden kann. Die Befragung in betrieblichen<br />

Organisationen erfordert nicht zeitnahe sondern<br />

zeitgenaue Kontaktierung des Experten.<br />

Dies ist bei einer zufälligen Zuordnung von<br />

vereinbarten Rückrufen an freie Interviewplätze,<br />

wie es das CATI-Programm anbietet, nur<br />

schwer zu gewährleisten. Teilweise ergibt sich<br />

in Anbahnungsgesprächen auch eine persönliche<br />

Bindung von Interviewer und Experten;<br />

eine zufällige Zuordnung des Interviewtermins<br />

zu einem anderen Interviewer kann<br />

hier zu Verunsicherung und Abbruch führen.<br />

Allerdings stellt die automatische Terminvereinbarungsfunktion<br />

des CATI-Programmes<br />

eine hilfreiche Ergänzung zu einem von Hand<br />

geführten Terminkalender der „konkreten<br />

Interviewtermine“ dar, wobei einfache Rückrufe<br />

zur Terminvereinbarung automatisch den<br />

Interviewern, die gerade keinen „konkreten<br />

Termin“ wahrnehmen, zugespielt werden. Somit<br />

kann auch der Organisationsaufwand einer<br />

Expertenbefragung durch die automatische<br />

Terminvereinbarungsfunktion im Wesentlichen<br />

verringert werden. Dennoch besteht<br />

hier Handlungsbedarf von Seiten der CATI-<br />

Software-Anbieter.<br />

Zur Bewertung der Qualität, der in CATI-<br />

Expertenbefragungen erhobenen Daten ist<br />

nochmals die zentrale Rolle der Telefoninterviewer<br />

hervorzuheben. Das Verhalten der<br />

Interviewer hat entscheidenden Einfluss auf<br />

die Anbahnungsphase und den Befragungsverlauf.<br />

Somit wirken sich Interviewerfehler<br />

zentral auf die Antwortquote (Quantität) und<br />

die Güte der Daten (Vermeidung von Verständnisproblemen,<br />

Item-Non-Response, Abbrüche)<br />

aus. Eine intensive Schulung und der<br />

Einbezug der Interviewer in die Pretestphase<br />

sind somit grundlegend für eine hohe Qualität<br />

der erhobenen Daten. Zudem ist es sinnvoll in<br />

CATI-Expertenbefragungen das Angebot der<br />

Zusendung zusätzlicher Informationen (wie<br />

eine Übersicht über den Fragenkatalog, den<br />

vollständigen Fragebogen, Ergebnisberichte<br />

vorangegangener Forschung o.ä.) via E-Mail,<br />

Fax oder Briefpost zu unterbreiten. Dies<br />

steigert nicht nur das Interesse an den Forschungsinhalten;<br />

zusätzliche Informationen<br />

helfen vor allem den Experten zur besseren<br />

Vorbereitung auf das Interview und verkürzen<br />

damit die Interviewdauer.<br />

Seite 23


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

Fussnoten<br />

1<br />

Dies sind Verlagsgewerbe, Maschinenbau, Chemische Industrie,<br />

Baugewerbe, Einzelhandel, Kreditwesen, Software, Beratung,<br />

Erwachsenenbildung und Gesundheitsdienste.<br />

2<br />

Befragt wurde in den Regionen Bayern, Niedersachsen, Hansestadt<br />

Bremen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.<br />

ersten Welle. Weiterhin wurden in Vorbereitung auf Interviews<br />

eine Kurzübersicht über die Frageninhalte, der aufbereitete<br />

Fragebogen, welcher auch postalisch versandt wurde, z.T. Heft<br />

11 und 14 der <strong>SFB</strong><strong>580</strong> – Mitteilungen versandt.<br />

12<br />

Gemeint sind Akzeptanzprobleme von Seiten der Experten<br />

gegenüber einem nicht einschlägig fachlich qualifizierten Interviewer<br />

(vgl. Einwurf von Michael Behr in Diskussion des dem<br />

Heft zu Grunde liegenden Workshops – siehe Diskussionszusammenfassung).<br />

3<br />

Kriterien für die Quotenauswahl waren dabei die Branche, die<br />

Region und die Größen, wobei eine Gleichverteilung bezogen<br />

auf die Kriterien angestrebt wurde.<br />

13<br />

Dies empfiehlt sich allerdings nur dann, wenn durch das<br />

vorherige Lesen oder Mitlesen von Fragen nicht Probleme hinsichtlich<br />

sozial erwünschter Antworten provoziert werden.<br />

Seite 24<br />

4<br />

Gründe hierfür sind Meldefehler oder verspätete Meldung<br />

einer Anschriftsänderungen bzw. Betriebsstättenschließung bei<br />

der Bundesanstalt für Arbeit.<br />

5<br />

809 Interviews konnten für die Auswertung herangezogen<br />

werden, d.h. die Interviews waren plausibel und stichprobenrelevant.<br />

6<br />

Die Nettorücklaufquote entspricht dem Anteil der fertig gestellten<br />

und für die Auswertung verwendbaren Interviews an<br />

der Gesamtstichprobe.<br />

7<br />

Dies geschah um eine gleich verteilte Zellenbesetzung hinsichtlich<br />

der Merkmale: Branche, Region, Größe auch in der Welle 2<br />

zu gewährleisten.<br />

8<br />

Mit Panelunternehmen sind im Folgenden die bereits in der<br />

ersten Welle befragten Betriebsstätten gemeint.<br />

9<br />

Die Nettorücklaufquote ist geringer, da aufgrund der quotierten<br />

Stichprobenauswahl im Zuge der Datensatzbereinigung<br />

etwa 40 Weiterbildungseinrichtungen aus<br />

dem Datensatz gelöscht wurden.<br />

10<br />

Versendet wurden lediglich Ankündigungsschreiben<br />

mit der Bitte um Beteiligung an der Befragung.<br />

14<br />

Das heißt, einzelne Mitarbeitergruppen bspw. freie Mitarbeiter<br />

oder geringfügig Beschäftigte wurden in Folgefragen, wie<br />

der Aufteilung in Funktionsbereich oder Dauerbereiche nicht<br />

berücksichtigt.<br />

15<br />

Nach der im Fragebogen verfolgten Logik sollten Mitarbeiter<br />

entweder dem Führungs-, dem Forschungs- und Entwicklungs-,<br />

dem Verwaltung-, dem Service-(bspw. Kantine, Hausmeister)<br />

oder dem Kernbereich (der Erstellung oder Dienstleistung)<br />

zugeordnet werden.<br />

Literatur<br />

Blasius, Jörg / Reuband, Karl-Heinz (1995): Telefoninterviews<br />

in der empirschen Sozialforschung: Ausschöpfungsquoten und<br />

Antwortqualität. In: ZA-Informationen 37, S. 64-87<br />

Bayer, Michael (1998): Computer Assisted Telephon Interviewing<br />

- Methodik und praktische Umsetzung, Der Hallesche Graureiher<br />

1998,1. Forschungsberichte des Instituts für Soziologie.<br />

Martin-Luther-<strong>Universität</strong> Halle-Wittenberg: (PDF-Datei:<br />

Graureiher 1998,1)<br />

DeLeeuw, Edith (1999): The Effect of Computer-Assisted Interviewing<br />

on Data Quality: A Review of the Evidence. Methods<br />

and Statistics Series Nr. 66. Amsterdam<br />

11<br />

Informationsmaterial meint hier: hauptsächlich das postalische<br />

Anschreiben und die Broschüre mit Ergebnissen aus der<br />

Diekmann, Andreas / Ben Jahn (2001): Anreizformen und<br />

Ausschöpfungsquoten bei postalischen Befragungen. Eine Prü-


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - Einleitung B2 - Betriebspanel<br />

fung der Reziprozitätshypothese. In: ZUMA-Nachrichten 48.<br />

Mannheim<br />

Dillman, Don A. (2000): Mail and Internet Surveys – The<br />

tailored Design Method. New York: Wiley<br />

Dillman, Don A. (1978): Mail and Telephon Surveys. The Total<br />

Design Method. New York: Wiley<br />

Fuchs, Marek (1994): Umfrageforschung mit Telefon und Computer.<br />

Weinheim: Psychologie Verlags Union<br />

Fuchs, Marek (1995): Die computergestützte telefonische Befragung<br />

– Antworten auf Probleme der Umfragenforschung.<br />

In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 24, Heft 4. Stuttgart: F. Enke<br />

Verlag, S. 284-299<br />

Hartmann, Josef / Kohaut, Susanne (2000): „Analysen zu Ausfällen<br />

(Unit-Nonresponse) im IAB-Betriespanel“ In: Mitteilung<br />

aus der Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Jg. 33<br />

Köhler, Christoph / Struck, Olaf / Schröder, Tim / Schwiedereck,<br />

Frank (2004): Betriebe und Beschäftigungsperspektiven.<br />

Ergebnisse einer Betriebsbefragung in zehn Wirtschaftszweigen.<br />

In: Köhler a.al.: Beschäftigungsstabilität und betriebliche<br />

Beschäftigungssysteme in West- und Ostdeutschland (<strong>SFB</strong><strong>580</strong><br />

– Mitteilung Heft 14). <strong>Jena</strong>, Halle<br />

Noelle-Neumann, Elisabeth / Petersen, Thomas (2000): Das<br />

halbe Instrument, die halbe Reaktion. Zum Vergleich von Telefon-<br />

und Face-to-Face-Umfragen. In: Hüfken, Volker: Methoden<br />

in Telefonumfragen. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag<br />

Porst, Rolf (1991): Ausfälle und Verweigerungen bei einer telefonischen<br />

Befragung. In: ZUMA-Nachrichten 29, S.57-69<br />

Reuband, Karl-Heinz (2000): Telefonische und postalische<br />

Bevölkerungsumfragen in Ostdeutschland. In: Hüfken, Volker:<br />

Methoden in Telefonumfragen. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag<br />

Seite 25<br />

Sahner, Heinz (Hrsg.) (2002): Zur Leistungsfähigkeit telefonischer<br />

Befragungen (<strong>SFB</strong><strong>580</strong>-Mitteilung Heft 4). <strong>Jena</strong>, Halle


Telefonbefragungen<br />

ökonomischer<br />

Funktionseliten<br />

Seite 26


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

Telefonbefragungen<br />

ökonomischer Funktionseliten –<br />

Erfahrungen und<br />

Schlussfolgerungen<br />

Bernd Martens<br />

3<br />

1. Die <strong>Jena</strong>er Studie über Leiter mittelständischer<br />

Industrieunternehmen<br />

Das Telefon als technisches Hilfsmittel<br />

bei sozialwissenschaftlichen Datenerhebungen<br />

ist inzwischen zum<br />

Standard geworden (vgl. auch den Beitrag von<br />

Jahr in diesem Heft). Dieses Erhebungsverfahren<br />

wird nicht mehr als „quick and dirty“<br />

angesehen, denn langjährige Erfahrungen<br />

insbesondere von Marktforschungsinstituten<br />

belegen, dass die Unterschiede zwischen persönlichen<br />

Interviews und Telefonbefragungen<br />

nach verschiedenen Bewertungskriterien eher<br />

gering sind. Die Vergleichbarkeit von Telefonbefragungen<br />

und Face-to-Face-Interviews<br />

bezieht sich beispielsweise auf die Ausschöpfungsquoten,<br />

die Dauer der Gespräche, auf die<br />

Komplexität von Erhebungsinstrumenten und<br />

die Datenqualität (Diekmann 2001, S. 429ff.).<br />

Als Vorteil gegenüber anderen Verfahren der<br />

Datenerhebung werden die geringeren Kosten<br />

angeführt – doch hier ist kritisch anzumerken,<br />

dass sich die Aussagen über Vergleichbarkeit<br />

und Vorteile zum überwiegenden Teil auf<br />

allgemeine Bevölkerungsumfragen beziehen.<br />

In diesem Aufsatz wird stattdessen über Erfahrungen<br />

mit einer computerunterstützten<br />

Telefonbefragung (CATI) von Unternehmensleitern<br />

mittelständischer Industriebetriebe<br />

berichtet, eines Personenkreises, der<br />

als ökonomische Funktionselite angesehen<br />

werden kann.<br />

Die Befragung fand im Rahmen des Sonderforschungsbereichs<br />

<strong>580</strong>, Projekt A2 „Generationswechsel<br />

im Management“ im Telefonlabor<br />

des Zentrums für Sozialforschung Halle<br />

statt (Martens/Michailow 2003). Im Zeitraum<br />

August bis Oktober 2002 wurden insgesamt<br />

778 Interviews durchgeführt. Zielpersonen<br />

der Befragung waren Personen<br />

der obersten Leitungsebene – also<br />

Geschäftsführer, Eigentümer, Vor-<br />

Seite 27<br />

standsvorsitzende – mittelständischer<br />

Industrieunternehmen mit 50-1000<br />

Beschäftigten in fünf Bundesländern (Bayern,<br />

Nord-rhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt,<br />

Sachsen und Thüringen). Es handelte sich um


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

eine Vollerhebung relevanter Unternehmen,<br />

entweder auf der Ebene der Bundesländer (das<br />

ist für Ostdeutschland der Fall) oder hinsichtlich<br />

ausgewählter Regionen (Industrie- und<br />

Handelskammerbezirke in Bayern und Nordrhein-Westfalen).<br />

Der gesamte Adressenpool<br />

beinhaltete 3000 Unternehmen.<br />

Die Befragten wurden auf Grund ihrer<br />

Position als Mitglied der Unternehmensleitung<br />

angesprochen. Die Erhebung lässt sich<br />

also als eine Expertenbefragung 1 ansehen,<br />

bei der die Befragten wegen ihres beruflichen<br />

Aufgabenspektrums Auskunft geben können<br />

über das Unternehmen, ihre eigene Person<br />

oder andere Sachverhalte, über die sie in besonderer<br />

Weise informiert sind. Gläser und<br />

Laudel (2004, S. 11) betonen zu Recht, dass<br />

Expertenbefragungen nicht die Festlegung auf<br />

ein bestimmtes Erhebungsverfahren beinhalten.<br />

„Entscheidend sind vielmehr das Ziel der<br />

Untersuchung, der daraus abgeleitete Zweck<br />

des Interviews und die sich daraus ergebende<br />

Rolle des Interviewpartners.“<br />

In dem Projekt „Generationswechsel im<br />

Management“ stand im Mittelpunkt des Interesses,<br />

einen umfassenden Überblick über<br />

die Situation an der Spitze mittelständischer<br />

Industrieunternehmen in Deutschland zu erhalten.<br />

Daher wurde eine größere quantitative<br />

Erhebung mit einem weitgehend standardisierten<br />

Fragebogen konzipiert (auf<br />

die Folgen für die Interviewsituation,<br />

Seite 28 die sich aus dieser Methodenwahl<br />

und der spezifischen Befragtengruppe<br />

ergeben, wird noch weiter unten<br />

eingegangen). Das Erhebungsinstrument<br />

umfasste Fragen nach dem Betrieb (u.a. Nachfolgeregelungen,<br />

Finanzierungsbedingungen,<br />

betriebliche Umstrukturierungsmaßnahmen),<br />

nach der Person (u.a. Qualifikationen, Karrieren,<br />

soziale Herkunft) sowie nach Einstellungen<br />

(beispielsweise Führungsstile und<br />

gesellschaftspolitische Wertorientierungen,<br />

Martens/Michailow 2003, S. 14). Im Durchschnitt<br />

dauerte ein Telefoninterview ungefähr<br />

30 Minuten. Von den in Halle durchgeführten<br />

778 Interviews waren 770 vollständig, d.h.<br />

Abbrüche während einer Befragung kamen<br />

kaum vor.<br />

Weil das Telefonlabor in Halle nur während<br />

eines beschränkten Zeitraums zur Verfügung<br />

stand und zudem die finanziellen Ressourcen<br />

erschöpft waren, wurde die Befragung im Oktober<br />

2002 abgebrochen. Bereits vereinbarte<br />

Interviewtermine wurden dann noch ohne<br />

Computerunterstützung von <strong>Jena</strong> aus wahrgenommen.<br />

2 Bis zum Jahresende konnten auf<br />

diese Weise 29 zusätzliche Interviews realisiert<br />

werden, so dass schließlich eine Stichprobe von<br />

799 Fällen zu Stande kam. Außerdem führten<br />

wir noch 48 Interviews mit Unternehmensnachfolgern,<br />

die einen kürzeren Fragebogen im<br />

Umfang von ca. 15 Minuten beantworteten.<br />

In der Tabelle 1 sind die Verweigerungsraten<br />

und Ausschöpfungsquoten der<br />

Telefonbefragung für die fünf Bundesländer<br />

gegenübergestellt worden. Die hohe Teilnahmebereitschaft<br />

in Thüringen korreliert vermutlich<br />

mit der Wahrnehmung der <strong>Universität</strong><br />

<strong>Jena</strong> als Hochschule des Landes. Außerdem<br />

wurden in der Vergangenheit etliche industrie-<br />

und arbeitssoziologische Projekte am<br />

Jenenser Institut für Soziologie durchgeführt,<br />

welche sicherlich einen positiven Einfluss auf<br />

die regionale Teilnahmebereitschaft hatten.<br />

Die niedrige Quote für Nordrhein-Westfalen


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

Bundesland<br />

Zahl der Adressen<br />

Explizite Verweigerung,<br />

kein Interesse an einem Interview<br />

Zahl der Interviews<br />

(Ausschöpfungsquoten)<br />

Bayern<br />

NRW<br />

Sachsen<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Thüringen<br />

663<br />

1354<br />

422<br />

213<br />

371<br />

363 (54,7 %)<br />

800 (59,1 %)<br />

212 (50,2 %)<br />

93 (43,7 %)<br />

133 (35,8 %)<br />

176 (26,5 %)<br />

244 (18,0 %)<br />

143 (33,9 %)<br />

69 (32,4 %)<br />

167 (45,0 %)<br />

Gesamt 3023 1601 (52,9 %) 799 (26,4 %)<br />

Tabelle 1 - Übersicht über die Stichprobe, Zahl der<br />

Adressen und Ausschöpfungsquoten nach Bundesländern<br />

hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass<br />

zwar alle Adressen im Befragungszeitraum angerufen<br />

wurden. Weitere Kontakte jedoch auf<br />

Grund der beschränkten Nutzungsdauer des<br />

CATI-Labors in Halle gerade für einige der<br />

nordrhein-westfälischen Adressen nicht mehr<br />

wahrgenommen werden konnten.<br />

Häufiger wurde von Seiten der angerufenen<br />

Unternehmensleiter moniert, dass die Dauer<br />

der Befragung mit 30 Minuten an der Grenze<br />

des Akzeptierbaren sei. Hier war es hilfreich,<br />

dass ab und zu von der Möglichkeit des<br />

CATI-Systems, Interviews zeitlich aufzuteilen,<br />

Gebrauch gemacht werden konnte. Auch<br />

wurde angemerkt, dass sie als Verantwortliche<br />

für das Unternehmen von einer Vielzahl von<br />

Befragungen unterschiedlicher Institutionen<br />

oder auch Anfragen der amtlichen Statistik<br />

behelligt würden – beides wurde zusammen<br />

gesehen und zu letzteren sei man verpflichtet<br />

–, da beteilige man sich an weiteren Befragungsaktionen<br />

nicht mehr. 3 Befragte äußerten<br />

sich im Allgemeinen positiv dazu, dass in dem<br />

Forschungsprojekt Ost/West-Vergleiche und<br />

Probleme aufgegriffen werden. Demgegenüber<br />

war mangelnde Praxisrelevanz der Forschung<br />

ein häufig genannter Kritikpunkt und zugleich<br />

die Begründung dafür, weshalb man sich an der<br />

Befragung nicht beteiligen wolle. Angesichts<br />

des Erkenntnisinteresses der Grundlagenforschung,<br />

die im Sonderforschungsbereich im<br />

Vordergrund steht, ist dieser Eindruck der relativen<br />

Praxisferne nicht so ohne weiteres von<br />

der Hand zu weisen. Hilfreich war in diesem<br />

Zusammenhang der Hinweis darauf, dass den<br />

Befragten eine Kurzfassung der Projektergebnisse<br />

zu Verfügung gestellt werde. Das stieß<br />

auf ein breites Interesse und steigerte vermutlich<br />

die Akzeptanz.<br />

Die folgenden Aussagen beziehen sich<br />

überwiegend auf die Erfahrungen, die mit<br />

dem CATI-System 4 in Halle gesammelt wurden,<br />

die jedoch für Telefonbefragungen mit<br />

wirtschaftlichem Führungspersonal verallgemeinerbar<br />

sind.<br />

Seite 29


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

2. Besonderheiten von Telefonbefragungen<br />

ökonomischer Funktionseliten<br />

2.1 Hohe Kontakthäufigkeiten<br />

Ähnlich wie bei anderen Expertenbefragungen<br />

(vgl. die Beiträge von Engel, Götzelt<br />

und Jahr in diesem Heft) waren auch bei der<br />

Befragung der ökonomischen Funktionseliten<br />

viele Kontakte notwendig, um Interviews zu<br />

realisieren. Es liegt eine gänzlich andere Situation<br />

als bei allgemeinen Bevölkerungsumfragen<br />

vor, bei denen methodische „Faustregeln“<br />

angewendet werden können, etwa dass eine<br />

Person, die dreimal nicht erreicht wurde, aus<br />

dem Adressenpool zu entfernen sei, um den<br />

Erhebungsaufwand in Grenzen zu halten. Auf<br />

Grund der beschränkten Zahl von Unternehmen,<br />

insbesondere in Ostdeutschland, wo wir<br />

schon mit relativ überschaubaren Fallzahlen<br />

eine Vollerhebung realisierten, verbietet sich<br />

ein solches Vorgehen. Ein wichtiges Grundprinzip<br />

der Akquisition war stattdessen, dass<br />

möglichst jedes relevante Unternehmen so<br />

lange kontaktiert wurde, bis ein Interview zu<br />

Stande kam oder eine Verweigerung ausgesprochen<br />

wurde.<br />

Zusätzlich zu dem, im Vergleich mit allgemeinen<br />

Bevölkerungsumfragen, eher geringen<br />

Umfang der Grundgesamtheit, ist auch in<br />

Rechnung zu stellen, dass die zu befragenden<br />

Personen, in unserem Fall die „Chefs“<br />

mittelständischer Industrieunterneh-<br />

Seite 30 men, schwierig direkt zu kontaktieren<br />

sind. Zumeist muss der Kontakt über<br />

Sekretariate hergestellt werden, die<br />

eine nicht zu unterschätzende Selektions- oder<br />

„Gatekeeper“-Funktion ausüben. Geschka<br />

(1997, S. 31) schreibt in seiner Studie zur Arbeitsweise<br />

ökonomischen Führungspersonals:<br />

„Alle Spitzenmanager besitzen und nutzen<br />

auch die Möglichkeit, sich durch ihre Sekretärin<br />

abschotten zu lassen.“ Diese Aussage<br />

können wir im Wesentlichen gleichfalls für die<br />

mittelständische Industrie bestätigen.<br />

Um die Akzeptanz der Befragung zu erhöhen,<br />

wurden im Vorfeld der eigentlichen Erhebung<br />

alle Betriebe von uns angeschrieben. Ob<br />

beispielsweise dieser Brief hilfreich war, um die<br />

erste „Hürde“ des Sekretariats zu überwinden,<br />

lässt sich auf Grund unserer Erfahrungen nicht<br />

klären. Häufig schien dieses Anschreiben nicht<br />

zur Kenntnis genommen worden zu sein. Aber<br />

von dem Angebot ein Fax oder eine Email<br />

mit schriftlichen Erläuterungen zur Befragung<br />

und zum Forschungsprojekt nach dem<br />

ersten telefonischen Kontakt zu verschicken,<br />

um dem Interviewwunsch „Nachdruck“ zu<br />

verleihen und um die „Legitimation“ nachzuweisen,<br />

wurde rege Gebrauch gemacht. Für<br />

den Erfolg der Befragung war das unerlässlich.<br />

Die Akquisition für Telefonbefragungen ökonomischer<br />

Funktionseliten bedarf auf jeden<br />

Fall der zeitnahen Unterstützung mit einem<br />

Anschreiben, das heute am besten per Fax oder<br />

Email übermittelt wird.<br />

Unternehmensleiter sind jedoch nicht nur<br />

in dem Sinne schwierig zu erreichen, dass sie<br />

vom Personal gegen Außenkontakte mehr oder<br />

minder stark abgeschirmt werden, sondern sie<br />

haben auch hochgradig flexible Arbeitsplätze.<br />

Häufig befinden sie sich in Besprechungen,<br />

auf Dienstreisen oder sind im Betrieb unterwegs.<br />

In einigen Fällen war es möglich, gerade<br />

mit Hilfe des Instruments der telefonischen<br />

Befragung sich dieser Flexibilität anzupassen,<br />

indem Interviews per Handy beispielsweise bei


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

Maßzahlen für Kontakthäufigkeiten An der Befragung teilgenommen An der Befragung nicht teilgenommen<br />

Mittelwert<br />

Median<br />

Standardabweichung<br />

Maximum<br />

7,3<br />

6<br />

5,7<br />

57<br />

4,4<br />

3<br />

4,7<br />

38<br />

Zahl der Fälle 2223 777<br />

Tabelle 2 - Einträge des CATI-Systems, Kontakthäufigkeiten,<br />

Quelle: CATI-System<br />

Autofahrten durchgeführt wurden.<br />

Eberwein und Tholen (1990, S. 159) konstatieren,<br />

dass Führungskräfte in Wirtschaftsunternehmen<br />

keinen festen Arbeitsplatz haben.<br />

Ihr Arbeitstag sei angefüllt mit „unvorhergesehenen<br />

bzw. ungeplanten Kontakten oder<br />

Ereignissen“. Hierzu gehört dann auch das von<br />

uns vorgebrachte Ansinnen, sich an einer Tele-<br />

Abbildung 1 - Zahl der Kontaktversuche differenziert<br />

nach der Teilnahme an der Befragung, Quelle: CATI-<br />

Datenbank<br />

fonbefragung zu beteiligen. Nur vereinzelt ließen<br />

sich die angesprochenen Manager spontan<br />

auf diesen Interviewwunsch ein. Die Quote<br />

für solche Spontaninterviews liegt bei 5,8 %.<br />

Für 94,2 % der abgeschlossenen Befragungen<br />

war mehr als ein Telefonanruf notwendig. 5<br />

In der Tabelle 2 werden die durchschnittlichen<br />

Kontakthäufigkeiten für sämtliche Fälle, die<br />

im CATI-System gespeichert sind, aufgeführt.<br />

Demnach mussten im Mittel 7,3<br />

Anrufe für den erfolgreichen Abschluss<br />

eines Interviews getätigt werden. Doch das<br />

Maximum von 57 Kontakten verdeutlicht,<br />

dass in bestimmten Fällen ein großer Akquisitionsaufwand<br />

getrieben werden musste,<br />

der oft nicht von Erfolg gekrönt war, wie<br />

das analoge Maximum der Kontaktversuche<br />

für die Unternehmensleiter veranschaulicht,<br />

die sich nicht an der Befragung beteiligten.<br />

Dieser große Aufwand wird gleichfalls in<br />

den Verteilungen der Kontaktversuche<br />

sichtbar (Abbildung 1): die<br />

absolute Zahl nicht erfolgreicher<br />

Seite 31<br />

Akquisitionsverläufe liegt auch<br />

bei mehr als 20 Kontaktversuchen<br />

immer noch in der Größenordnung der<br />

schließlich erfolgreichen Interviewanbahnungen.<br />

Deshalb mag es sein, dass die Ver-


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

Beispiel einer erfolgreichen Akquisition mit 11 Telefonanrufen<br />

1,29/08/2002,09:24,29/08/2002,09:28,15,<strong>580</strong>208, herr k. wollte das infoschreiben per mail, möchte auch interview geben,<br />

2,30/08/2002,10:57,30/08/2002,11:04,15,<strong>580</strong>201, herr k. wusste von nichts! termin muss noch vereinbart werden,<br />

3,30/08/2002,12:19,30/08/2002,12:23,15,<strong>580</strong>204, termin direkt mit herrn k. vereinbart,<br />

4,30/08/2002,12:24,30/08/2002,12:24,15,<strong>580</strong>204, termin direkt mit herrn k. vereinbart,<br />

5,03/09/2002,09:02,03/09/2002,09:05,15,<strong>580</strong>201, war krank, kommt erst am mittag, s.o.,<br />

6,03/09/2002,14:05,03/09/2002,14:08,15,<strong>580</strong>201, interview ist wg krankheit ausgefallen, neuen termin absprechen,<br />

7,04/09/2002,10:18,04/09/2002,10:19,15,<strong>580</strong>208, ging keiner ran - siehe versuche-,<br />

8,04/09/2002,10:28,04/09/2002,10:31,15,<strong>580</strong>208, herr k. möchte interview im auto machen, er ist natürlich nur beifahrer Nr.<br />

0160/xxx klang sehr nett,<br />

9,04/09/2002,11:30,04/09/2002,11:38,15,<strong>580</strong>203, ist noch im büro...warten bis er im auto ist...handy nr.,<br />

10,04/09/2002,12:00,04/09/2002,12:25,15,<strong>580</strong>203,auf handy anrufen....interview fertigstellen!,<br />

11,04/09/2002,14:00,04/09/2002,14:15,99,<strong>580</strong>203,<br />

Beispiel einer nicht erfolgreichen Akquisition mit 17 Kontakten<br />

Seite 32<br />

1,12/09/2002,14:58,12/09/2002,15:00,15,<strong>580</strong>206, haben fax bekommen,<br />

2,16/09/2002,15:38,16/09/2002,15:39,15,<strong>580</strong>209, Assistentin der GF Frau S. -202 fragen, wegen GF,<br />

3,17/09/2002,10:09,17/09/2002,10:11,15,<strong>580</strong>209, -202,<br />

4,18/09/2002,10:14,18/09/2002,10:15,15,<strong>580</strong>209, Assis. -202 fragen ob Herr F. da ist,<br />

5,18/09/2002,14:15,18/09/2002,14:16,15,<strong>580</strong>209, DW oben fragen ob Herr F. da ist (Frau S. ist auch Soziologin!!),<br />

6,20/09/2002,09:51,20/09/2002,09:53,15,<strong>580</strong>201, niemand erreicht,<br />

7,26/09/2002,13:54,26/09/2002,13:54,15,<strong>580</strong>209, -202 war gerade Aufsichtsratsitzung,<br />

8,01/10/2002,09:36,01/10/2002,09:38,15,<strong>580</strong>204, war gerade besetzt bei assistentin, dw. s.o.,<br />

9,01/10/2002,10:22,01/10/2002,10:24,15,<strong>580</strong>205, erst morgen wieder im Haus,<br />

10,02/10/2002,09:54,02/10/2002,09:56,15,<strong>580</strong>208,herr f. war zwar im haus, aber steht längere besprechung an,<br />

DW zur assistentin 202,<br />

11,07/10/2002,16:47,07/10/2002,16:49,15,<strong>580</strong>201,war nicht da,<br />

12,08/10/2002,16:52,08/10/2002,16:56,15,<strong>580</strong>201,war nicht da,<br />

13,09/10/2002,09:06,09/10/2002,09:07,15,<strong>580</strong>207,besetzt,<br />

14,09/10/2002,09:25,09/10/2002,09:26,15,<strong>580</strong>209,-202 hat vorher die ganze zeit beratung,<br />

15,10/10/2002,14:01,10/10/2002,14:02,15,<strong>580</strong>209,nicht im haus,<br />

16,14/10/2002,11:02,14/10/2002,11:06,15,<strong>580</strong>209,202 bei frau s. nachfragen ob der herr f. interesse hat und dann<br />

eventuell termin für später ausmachen,<br />

17,16/10/2002,11:17,16/10/2002,11:21,5,<strong>580</strong>207,<br />

Abbildung 2 - Memofelder von zwei Kontaktgeschichten,<br />

Quelle: CATI-Datenbank


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

teilung der expliziten Verweigerungen bei der<br />

hier vorgestellten Befragung ökonomischer<br />

Funktionseliten weitgehend der allgemeiner<br />

Bevölkerungsbefragungen entspricht (Aussage<br />

im Arbeitsbericht des M-Projekts, Sonderforschungsbereich<br />

2004, S. 339). Doch wird der<br />

Umfang der Bemühungen, der im Falle von<br />

Experteninterviews hiermit notwendigerweise<br />

verbunden ist, nur unzureichend dargestellt,<br />

wenn in dem gleichen Forschungsbericht<br />

formuliert wird: Der „Unterschied [zwischen<br />

Experten- und allgemeiner Bevölkerungsumfrage<br />

per Telefon] resultiert hierbei nur aus der<br />

größeren Anzahl der Kontaktaufnahmen, weshalb<br />

die Verweigerungen sich auf eine größere<br />

Spannweite erstrecken und die Kurven flacher<br />

abfallen“ (Sonderforschungsbereich 2004, S.<br />

339).<br />

Im Laufe der Datenerhebung stellte sich<br />

außerdem eher zufällig heraus, dass gängige<br />

CATI-Software sehr inflexibel auf Experteninterviews<br />

zugeschnitten ist: Eine Verwaltung<br />

hoher Kontakthäufigkeiten war insoweit nicht<br />

möglich, als Fälle, bei denen einige Male hintereinander<br />

das Telefon besetzt war, eine so<br />

niedrige Priorität gegenüber noch nicht angerufenen<br />

Adressen erhielten, dass diese Telefonnummern<br />

über Wochen hinweg nicht erneut<br />

vom System ausgewählt wurden. Um dieses<br />

Problem zu beseitigen, blieb nichts anderes<br />

übrig als das CATI-System zu „überlisten“.<br />

Bestimmte Dispositionscodierungen, wie „besetzt“,<br />

wurden nicht mehr vergeben. In solchen<br />

Fällen legte der Interviewer stets einen definitiven<br />

Termin für den folgenden Anruf fest.<br />

Um den in diesen 3000 Fallgeschichten<br />

dokumentierten Aufwand etwas konkreter<br />

zu illustrieren, werden in der Abbildung 2<br />

zwei Kontaktverläufe mittels ihrer Memo-<br />

felder wiedergegeben. 6 Die Memofelder<br />

des CATI-Systems dienen zum Informationsaustausch<br />

zwischen den Interviewern.<br />

Die dargestellten Fallgeschichten sind in der<br />

Weise typisch, dass sie vor allem Schwierigkeiten<br />

wiedergeben, die Zielpersonen<br />

zu erreichen. (Gründe für Teilnahme oder<br />

Verweigerung wurden schon kurz angerissen.)<br />

Auch in den erfolgreichen Fällen kam es<br />

wiederholt vor, dass mehrere Termine abgesprochen<br />

werden mussten. Im Durchschnitt<br />

waren 1,4 Termine für die Realisierung eines<br />

Interviews erforderlich 7 , d.h. Terminabsprachen<br />

wurden aus diversen Gründen nicht<br />

eingehalten.<br />

Ein weiterer Aspekt, der mit der Notwendigkeit<br />

hoher Kontakthäufigkeiten und der<br />

Endlichkeit des Adressenpools in Verbindung<br />

steht, ist das „Ausdünnen“ der Termine mit der<br />

Zeit. Wird die Zeitdauer zwischen dem ersten<br />

und letzten Kontakt bei der Telefonbefragung<br />

ost- und westdeutscher Unternehmensleiter<br />

betrachtet, werden die Hälfte aller kompletten<br />

Interviews innerhalb von neun Tagen realisiert,<br />

während 50 % aller Befragten, die schließlich<br />

verweigern, das innerhalb von drei Tagen tun<br />

(vgl. Tabelle 3). Bei einer beschränkten Anzahl<br />

von Telefonnummern führt dieses Verhalten<br />

zwangsläufig dazu, dass die Zahl möglicher<br />

Anrufe pro Zeiteinheit immer kleiner wird.<br />

Gleichwohl ist es opportun Termine<br />

nicht wahrzunehmen, weil auch nach<br />

längeren Zeiträumen hinweg immer<br />

Seite 33<br />

noch Interviews möglich sind (Abbildung<br />

3). Bei unserer Befragung wurden<br />

die letzten Interviews nach vier Monaten<br />

durchgeführt. Das „Ausdünnen“ von Terminen<br />

kann hinsichtlich der Auslastung von


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

Maßzahlen Interview verweigert Terminvereinbarung Interview durchgeführt<br />

Mittelwert<br />

Median<br />

Standardabweichung<br />

Maximum<br />

9,2<br />

3<br />

13,1<br />

62<br />

20,9<br />

11<br />

21,0<br />

67<br />

14,3<br />

9<br />

14,2<br />

63<br />

Zahl der Fälle 1327 214 539<br />

Tabelle 3 - Zeitdauer in Tagen zwischen dem ersten<br />

und letzten Anruf, differenziert nach dem letztem Dispositionscode,<br />

der in der CATI-Datenbank eingetragen<br />

wurde, Quelle: 70-%-Stichprobe aller CATI-Einträge<br />

Interviewern oder des Telefonlabors negative<br />

Folgen haben und höhere Kosten bewirken.<br />

Es ist aber beispielsweise bei telefonischen<br />

Panelerhebungen, die sich auf Eliten beziehen,<br />

nicht zu vermeiden. 8<br />

Auf Grund der eingeschränkten<br />

Analysemöglichkeiten<br />

der CATI-Datenbank<br />

lassen sich nur statistische<br />

Zusammenhänge zwischen<br />

den Kontaktgeschichten<br />

und dem Standort des Unternehmens<br />

belegen. Hier<br />

zeigt sich, dass die Leiter<br />

der westdeutschen Unternehmen,<br />

sowohl nach der<br />

Zahl der Kontakte als auch<br />

nach der verstrichenen Zeit<br />

zwischen dem ersten<br />

und letzten Anruf,<br />

schneller Verwei-<br />

Seite 34 gerungen aussprechen<br />

als die Leiter<br />

ostdeutscher Unternehmen (vgl.<br />

Tabelle 4). Hingegen gibt es eine weitgehende<br />

Entsprechung bei der Teilnahmebereitschaft,<br />

was beispielsweise der Hypothese wider-<br />

spricht, dass die schnelleren Verweigerungen<br />

im westdeutschen Fall unter Umständen mit<br />

komplizierteren Gesellschafterstrukturen in<br />

Ostdeutschland zusammenhängen, bei denen<br />

möglicherweise auskunftsberechtigte Personen<br />

(etwa Eigentümer) erst aufwändig kontaktiert<br />

werden müssen. Detaillierte Regressionsanaly-<br />

Abbildung 3: Verteilung der Zeitdauer zwischen erstem<br />

und letztem Anruf, differenziert nach dem letzten<br />

Dispositionscode, Quelle: 70-%-Stichprobe der CATI-<br />

Datenbank


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

Maßzahlen<br />

Ostdeutsches Unternehmen<br />

An der Befragung<br />

beteiligt<br />

Befragung<br />

verweigert<br />

Westdeutsches Unternehmen<br />

An der Befragung<br />

beteiligt<br />

Befragung<br />

verweigert<br />

Bis drei Kontakte 24,4 % 50,2 % 28,9 % 62,5 %<br />

Bis sechs Kontakte 56,0 % 75,1 % 58,2 % 86,3 %<br />

Zeitdauer zwischen erstem<br />

und letztem Anruf (in Tagen)<br />

Mittelwert<br />

Median<br />

Standardabweichung<br />

14,7<br />

9,5<br />

13,9<br />

12,0<br />

6,0<br />

14,5<br />

13,9<br />

9,0<br />

14,4<br />

8,8<br />

3,5<br />

12,5<br />

Zahl der Fälle 266 313 273 802<br />

Tabelle 4 - Befragtenverhalten (Kontakthäufigkeiten<br />

und Zeitdauer zwischen dem ersten und letzten Anruf )<br />

differenziert nach der Befragungsregion, Quelle: 70-%-<br />

Stichprobe aller CATI-Einträge<br />

sen der erfolgreich abgeschlossenen Interviews<br />

mit der Zahl der Kontakte als abhängiger Größe<br />

und unterschiedlichen Akteurs- und Betriebsvariablen<br />

als unabhängigen Merkmalen<br />

belegen keine Zusammenhänge. Die erklärte<br />

Varianz bewegte sich in der Größenordnung<br />

von 1 %. Analoge Auswertungen für die Verweigerungen,<br />

bei denen ja gerade Unterschiede<br />

im Verhalten sichtbar sind, lassen sich mit<br />

den verfügbaren Daten nicht durchführen.<br />

Das methodische Fazit dieses Abschnitts<br />

lautet also: Hohe Kontakthäufigkeiten sind bei<br />

Telefonbefragungen ökonomischer Eliten notwendig,<br />

weil dieser Personenkreis nach außen<br />

abgeschirmt wird, über flexible Arbeitsplätze<br />

verfügt und seine Arbeitszeiten wenig planbar<br />

sind. Es können Ost/West-Unterschiede etwa<br />

bei den Interviewverweigerungen beobachtet<br />

werden, die sich in den Kontakthäufigkeiten<br />

sowie der Zeitdauer zwischen erstem und<br />

letztem Anruf niederschlagen. Auf Grund<br />

der Datenlage stehen statistisch abgesicherte<br />

Erklärungen hierfür noch aus.<br />

Nach unseren Erfahrungen hat die eingesetzte<br />

CATI-Software mit der Verwaltung<br />

dieser Art von Befragungen teilweise Schwierigkeiten.<br />

Zudem existiert das Phänomen des<br />

„Ausdünnens“ der Termine, welches unter<br />

dem Aspekt der Auslastung von Interviewern<br />

und der CATI-Infrastruktur problematisch<br />

sein kann.<br />

2.2 Die Interviewsituation<br />

Wenn schließlich die verschiedenen „Hürden“<br />

genommen werden und die Akquisitionsaktivitäten<br />

einen erfolgreichen Abschluss<br />

finden, was lässt sich zur Interviewsituation<br />

bei telefonischen Befragungen ökonomischer<br />

Funktionseliten sagen?<br />

Eberwein und Tholen (1990, S.<br />

156) zitieren in ihrer vergleichenden<br />

Studie zum deutschen und englischen<br />

Management<br />

Zeitbudgetuntersuchungen.<br />

Demnach nehmen Kommunikation und<br />

Interaktion mit anderen innerhalb und außer-<br />

Seite 35


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

halb der Firma einen Umfang von 60-75 %<br />

der Arbeitszeit von Managern ein. Ähnliche<br />

Zahlen finden sich auch bei Geschka (1997, S.<br />

30), der auf der Grundlage einer Studie über<br />

Topmanager den Anteil der Kommunikation<br />

mit anderen an der Arbeitszeit sogar mit 85<br />

% angibt. Die unterschiedlichen Autoren<br />

kommen zu dem Schluss, dass telefonisch<br />

vermittelte Kommunikation ungefähr die<br />

Größenordnung von 13-15 % der Arbeitzeit<br />

von Managern einnehme (Eberwein/Tholen<br />

1990, S. 156; Geschka 1997, S. 30). Es bleibt<br />

also festzuhalten, dass Manager einen hoch<br />

kommunikativen Beruf ausüben und dass das<br />

technische Kommunikationsmittel Telefon<br />

häufig von ihnen genutzt wird. Telefonbefragungen<br />

knüpfen also an das übliche Arbeitsverhalten<br />

von Managern an. Diese Form<br />

der Datenerhebung scheint daher das Mittel<br />

der Wahl für diese Untersuchungsgruppe<br />

zu sein. Das zeigte sich beispielsweise bei<br />

unserer Studie auch darin, dass nur vereinzelt<br />

Wünsche geäußert wurden, schriftliche<br />

Versionen des Fragebogens zu erhalten. 9<br />

Trinczek (2005) hat sich mit Besonderheiten<br />

des Interviewverhaltens von Managern<br />

auseinandergesetzt. Am Beispiel von Leitfadeninterviews<br />

– was m.E. jedoch durchaus<br />

für standardisierte Befragungen vor allem von<br />

hierarchisch hochstehenden Führungskräften<br />

verallgemeinerbar ist – unterscheidet<br />

er zwei Phasen des Gesprächsverlaufs.<br />

In der Anfangssequenz sei man<br />

Seite 36 als Interviewer zunächst mit den<br />

Erwartungen der Manager an ein<br />

solches Gespräch konfrontiert. Diese<br />

Erwartungen seien stark durch das übliche betriebliche<br />

Kommunikationsverhalten geprägt<br />

(Trinczek 2005, S. 213). In der Interaktion<br />

mit Mitarbeitern überwiegen seitens des<br />

Führungspersonals Frage-Antwort-Situationen<br />

ohne große verbale Abschweifungen,<br />

weil diese angesichts des permanenten<br />

Zeitdrucks als dysfunktional wahrgenommen<br />

werden. Deshalb plädiert Trinczek für<br />

die Eingangsphase des Interviews mit Managern<br />

eher für geschlossene Varianten der<br />

Befragung. 10 In einer zweiten Phase solcher<br />

Gespräche, wenn sich eher ein Vertrauen<br />

eingestellt habe, sei es möglich in Bezug auf<br />

außerbetriebliche „Lebensarrangements“<br />

auch Erzählungen bei den Managern zu<br />

initiieren (Trinczek 2005, S. 215). Hingegen<br />

sei die dominante Kommunikationsform für<br />

fachbezogene, betriebliche Sachverhalte das<br />

„Fachgespräch“, „so wie es Manager in seiner<br />

kommunikativen Grundstruktur vorrangig<br />

aus offenen Diskussionen in teamartigen<br />

Arbeitszusammenhängen kennen“ (Trinczek<br />

2005, S. 216). 11 Der Interviewer sei in dieser<br />

Phase des Gespräches weniger Publikum des<br />

Managers, wie es zum Beispiel Kern, Kern<br />

und Schumann (1988, S. 88) beschreiben,<br />

sondern er werde im Idealfall seinerseits von<br />

der Führungskraft als Experte und Diskurspartner<br />

angesehen (Trinczek 2005, S. 217).<br />

Der damit implizierte Wunsch nach<br />

kompetenten und gleichgewichtigen Interviewern<br />

ergibt sich folglich zum Teil aus<br />

der Situationsdeutung des Managers, dass es<br />

sich bei dem Interview um ein Fachgespräch<br />

unter wohlinformierten Gesprächspartnern<br />

handle. „Je höher die eigene Qualifikation,<br />

der formale Status oder der Umfang des Verantwortungsbereiches<br />

ist, umso höher steigt<br />

auch die implizite Erwartung von Managern<br />

an die formelle Ausgewiesenheit des Gegenübers.<br />

[…] Wenigstens promoviert sollte der


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

Sozialforscher sein, wenn die <strong>Universität</strong> schon<br />

keinen ‚richtigen Professor’ geschickt hat“<br />

(Trinczek 2005, S. 219). Diese Erwartungen<br />

an Eigenschaften des Interviewers sind nach<br />

dieser Lesart nicht gänzlich „irrational“, nur<br />

durch Status- und Machtfragen bestimmt,<br />

sondern sie ergeben sich aus der Struktur des<br />

Fachgesprächs.<br />

Angenommen diese Beschreibung der<br />

Gesprächssituation ist zutreffend, dass nämlich<br />

Frage-Antwort-Situationen sowie Fachgespräche<br />

im Kontakt mit Sozialforschern von<br />

Managern erwarten werden, und dass diese<br />

Situationsdeutung auch Gültigkeit für telefonische<br />

Befragungen besitzt, dann ergeben sich<br />

einige Schlussfolgerungen: Zunächst entsprechen<br />

sie insbesondere in einer standardisierten<br />

Variante dem geschlossenen Frage-Antwort-<br />

Charakter. Doch erfordert das Fachgespräch<br />

einen kompetenten, professionellen und<br />

gleichgewichtigen Gesprächspartner, und – auf<br />

Grund unserer Erfahrungen mit der ersten Leitungsebene<br />

mittelständischer Firmen – scheint<br />

es auch bei einer quantitativ orientierten, weitgehend<br />

standardisierten Erhebungsform wichtig<br />

zu sein, eine Gesprächssituation zu schaffen,<br />

die mehr als ein bloßes „Abspulen“ von<br />

Fragen ist. Die Wertschätzung des Befragten<br />

durch den Interviewer korrespondiert mit der<br />

Verallgemeinerung der Situationsdeutung, dass<br />

es sich nämlich um ein Fachgespräch handelt.<br />

Insbesondere diese Erwartungshaltung der Befragten<br />

kann jedoch zu Komplikationen führen,<br />

weil sie mit den methodischen Standards gleicher<br />

Erhebungssituationen als Vorbedingung<br />

für die Vergleichbarkeit der Antworten nicht<br />

einfach zu vereinbaren ist.<br />

Bei unserer Erhebung haben wir besonderes<br />

Augenmerk auf die fachlichen Kompetenzen<br />

der Interviewer gelegt. Interviewerinnen 12<br />

wurden im Rahmen einer zweisemestrigen<br />

Lehrveranstaltung zu managementsoziologischen<br />

Inhalten rekrutiert, so dass hinsichtlich<br />

der Themenbereiche des Fragenbogens Kompetenzen,<br />

welche über normales studentisches<br />

Wissen hinausgingen, vorausgesetzt werden<br />

konnten. Bei den Kontaktgesprächen und<br />

in der Interviewsituation wurde zudem der<br />

professionelle Kontext der Befragung deutlich<br />

gemacht.<br />

Schwieriger ist die Forderung nach<br />

Gleichgewichtigkeit der Gesprächspartner zu<br />

realisieren – bei größeren Telefonbefragungen<br />

ist diese Erwartung seitens der ökonomischen<br />

Funktionseliten sogar unmöglich zu erfüllen.<br />

„Einen Werksleiter in den Mitfünfzigern<br />

zu interviewen, wird einem ähnlich alten<br />

Sozialforscher leichter gemacht als einem<br />

Kollegen Anfang 30; allerdings scheint es so<br />

zu sein, dass Alter in gewissen Grenzen über<br />

Titel und Status kompensiert werden kann“<br />

(Trinczek 2005, S. 219). Diese Variante der<br />

Problembewältigung scheidet bei der Beschäftigung<br />

studentischer Interviewer definitiv aus,<br />

gleichwohl haben wir mit unserem kompetenten,<br />

relativ jungen Interviewerinnenstab<br />

gute Erfahrungen gemacht. Es mag eine Rolle<br />

gespielt haben, dass es die Interviewerinnen<br />

überwiegend mit einer männlichen<br />

Untersuchungsgruppe zu tun hatten,<br />

der Frauenanteil in der realisierten<br />

Seite 37<br />

Stichprobe beträgt nur 7,5 % (Martens/Michailow<br />

2003, S. 19). Das<br />

heißt, dass es den Unternehmensleitern möglicherweise<br />

leichter fiel sich auf Gespräche mit<br />

jungen kompetenten Damen einzulassen. 13


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

In diesem Zusammenhang hat Michael<br />

Behr einen interessanten Gedanken geäußert 14 ,<br />

der auf einen strukturellen Vorteil telefonischer<br />

Befragungen verweist: die Einschränkungen<br />

telefonisch vermittelter Kommunikation<br />

ermöglichen gerade bei Elitebefragungen,<br />

die Illusion 15 der Gleichgewichtigkeit von<br />

Interviewpartnern zu etablieren und aufrechtzuerhalten.<br />

Für die Befragten stellt diese Art<br />

der Kommunikation Ausweichmöglichkeiten<br />

parat, Gesprächspartner – beispielsweise junge<br />

Studentinnen – als gleichgewichtig zu akzeptieren,<br />

was sie vermutlich in der Face-to-Face-<br />

Kommunikation so nicht täten. 16 Telefonische<br />

Befragungen hätten demnach eine nicht zu<br />

unterschätzende Entlastungsfunktion bei Datenerhebungen<br />

unter ökonomischen Experten<br />

oder Funktionseliten, durch die Einschränkungen<br />

der Wahrnehmungsmöglichkeiten<br />

bei der Kommunikation. Dieses Erhebungsverfahren<br />

ermöglicht erst größere Fallzahlen<br />

bei Managerbefragungen, weil größere Stichproben<br />

von Face-to-Face-Interviews weder<br />

zu finanzieren noch zu organisieren wären;<br />

aber auch weil die Vorstellung der Gleichgewichtigkeit<br />

in der direkten Interaktion nicht<br />

aufrechtzuerhalten wäre.<br />

Telefonbefragungen scheinen also zusammengefasst<br />

das Mittel der Wahl bei Umfragen<br />

unter Managern zu sein, weil sie an deren<br />

normalen Kommunikationsverhalten<br />

in der Arbeitsumgebung anknüpfen.<br />

Werden Aussagen zur Methode des<br />

Seite 38 Experteninterviews von Managern<br />

auf Telefonbefragungen übertragen,<br />

und das scheint insbesondere bei hierarchisch<br />

hochstehenden Personen plausibel<br />

zu sein, ergeben sich aus der Situationsdeutung<br />

des Interviews als diskursivem Fachgespräch<br />

Forderungen nach Kompetenzen,<br />

Professionalität und Gleichgewichtigkeit<br />

der Interviewer, die sich bei allgemeinen Bevölkerungsumfragen<br />

so nicht stellen und die<br />

schwierig zu erfüllen sind. Interessanterweise<br />

schränkt die Methode der Telefonbefragung<br />

durch die Illusion der Statusähnlichkeit diese<br />

Forderungen zum Teil wieder ein, so dass sie<br />

auch aus diesem Grunde als probate Methode<br />

der Datenerhebung bei ökonomischen<br />

Funktionseliten anzusehen ist.<br />

3. Telefonische Befragungen ökonomischer<br />

Eliten bewertet nach wirtschaftlichen<br />

und anderen Gesichtspunkten<br />

In der Konsequenz steht also ein positives<br />

Votum: Telefonbefragungen sind<br />

für die vorgestellte Untersuchungsgruppe<br />

sehr gut geeignet. Postalische Befragungen<br />

erreichen kaum die Ausschöpfungsquoten,<br />

persönliche Face-to-Face-Interviews wären<br />

in einer ähnlichen Größenordnung und<br />

Stichprobenzusammensetzung nur mit noch<br />

größerem Ressourceneinsatz und damit mit<br />

höheren Transaktionskosten zu realisieren.<br />

Doch sollte man sich durch einen komparativen<br />

Blickwinkel nicht dazu verleiten lassen<br />

anzunehmen, Elitebefragungen wie wir sie<br />

durchgeführt haben, seien billig.<br />

Der hohe Aufwand bei der Akquisition<br />

ist mit Kosten verbunden. Zur Abschätzung<br />

der Kosten kann man auf unterschiedliche<br />

Berechnungsgrundlagen zurückgreifen. Eine<br />

halbwegs realistische Kalkulation bezieht<br />

sich auf den Arbeitsumfang, der notwendig<br />

ist, um ein Interview zu realisieren. Dieses


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

Arbeitsvolumen der Interviewerinnen – in das<br />

aber nicht die Arbeitszeit von Operateuren<br />

des CATI-Labors und von Supervisoren der<br />

Erhebung eingeht – schließt nicht nur das<br />

Interview (einschließlich Akquisition) mit ein,<br />

sondern auch die vergeblichen Kontakte und<br />

die erfolglosen Fälle. Auf der Grundlage unseres<br />

Projektes in Halle lässt sich abschätzen,<br />

dass für die Durchführung eines erfolgreichen<br />

Interviews im Schnitt drei Stunden von den Interviewerinnen<br />

gearbeitet werden musste. Für<br />

studentische Interviewerinnen liegen demnach<br />

die „reinen“ Kosten eines Interviews mit einem<br />

Unternehmensleiter in der Größenordnung von<br />

25 €. Werden jedoch die in unserem Fall höheren<br />

Transaktionskosten (Reisekosten, Übernachtungskosten,<br />

Tagegelder), die notwendig<br />

waren, um das Kriterium der Kompetenz der<br />

Interviewer zu erfüllen und die Telefongebühren<br />

hinzugerechnet, ergibt sich ein Preis<br />

von 41 €/Interview. Und auch das scheint eher<br />

eine untere Grenze für die tatsächlichen Kosten<br />

zu sein, weil hier die laufenden Ausgaben<br />

für das Telefonlabor (Personal, Geräte, Räume,<br />

Software etc.), Abschreibungen und Gehälter<br />

für höher qualifiziertes Interviewerpersonal<br />

nicht mit eingerechnet wurden. Angesichts<br />

dessen sind Telefonbefragungen von Eliten<br />

und Experten vergleichsweise preiswert. 17<br />

Offensichtliche Optimierungsmöglichkeiten<br />

für telefonische Befragungen von Experten<br />

und Eliten liegen im Bereich der Software,<br />

die bislang auf die Bedürfnisse der herkömmlichen<br />

Umfrageforschung zugeschnitten<br />

ist. Auch wäre es unter dem Gesichtspunkt<br />

einer systematischen Methodenforschung<br />

wünschenswert, die Akquisitionsverläufe in<br />

einem stärkeren Maße statistischen Analysen<br />

zugänglich zu machen (schließlich handelt es<br />

sich um sekundengenau aufgezeichnete, prozessproduzierte<br />

Ereignisdaten), weil Gründe<br />

für Teilnahme oder Verweigerung sich mit den<br />

heute verfügbaren Daten nicht eindeutig eruieren<br />

lassen. Das Beispiel der hier behandelten<br />

ökonomischen Funktionseliten zeigt, dass<br />

die Anreizstrukturen für die Teilnahme an<br />

solchen Befragungen eher unklar sind, was auf<br />

Desiderate der Forschung über telefonische<br />

Befragungen verweist.<br />

Seite 39


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

Seite 40<br />

Fussnoten<br />

1<br />

„Experten sind Menschen, die ein besonderes Wissen über soziale<br />

Sachverhalte besitzen, und Experteninterviews sind eine<br />

Methode, dieses Wissen zu erschließen“ (Gläser/Laudel 2004, S.<br />

10). Zur Begrifflichkeit von Experten und Funktionseliten vgl.<br />

a. Meuser/Nagel (1994).<br />

2<br />

Im Vorwege der eigentlichen Erhebung wurden im Rahmen<br />

eines Pretests insgesamt 21 Telefoninterviews mit Unternehmensleitern<br />

in Brandenburg durchgeführt, ebenfalls ohne<br />

CATI-System, was insbesondere bei der Terminabsprache und<br />

-verwaltung gravierende Nachteile hat. Es besteht ein hoher<br />

Koordinationsaufwand, der sonst durch das CATI-System<br />

abgedeckt wird. Gleichwohl sind Telefonbefragungen ohne<br />

Computerunterstützung durchaus möglich.<br />

3<br />

Angesichts geringer Zahlen von Unternehmen in Ostdeutschland<br />

besteht hier das ernste Problem der Überforschung.<br />

4<br />

Nach Abschluss der Telefonbefragung wurde uns vom Telefonlabor<br />

in Halle ein Gesamtauszug der CATI-Datenbank als<br />

ASCII-Text zur Verfügung gestellt. Das Interessante an den<br />

dort abgespeicherten Informationen sind die Kontaktgeschichten,<br />

die vollständig für sämtliche angerufenen Telefonnummern<br />

in Form von Memofeldern vorliegen, in die die Interviewer<br />

Nachrichten eintragen, um künftige Anrufer über die bisherigen<br />

Akquisitionsaktivitäten zu unterrichten (vgl. Abbildung 2,<br />

in der Beispiele für solche Memofelder aufgeführt werden).<br />

Leider sind diese reichhaltigen Informationen nicht unmittelbar<br />

statistischen Auswertungen zugänglich. Um jedoch Eindrücke<br />

dieses Materials zu geben, wurde eine 70-%-Stichprobe der<br />

3000 Kontaktgeschichten gezogen. Die Informationen wurden<br />

anhand eines Kategorienschemas codiert. Für diese Codierarbeiten<br />

danke ich Monika Bialojan, Marléne Dietzel, <strong>Friedrich</strong><br />

Döhrer und Jens Hennig. Aussagen über das CATI-System<br />

beziehen sich auf diese inhaltsanalytisch bearbeitete Stichprobe<br />

der CATI-Datenbank und auf die gesamte Datenbank.<br />

5<br />

Die Aussage bezieht sich auf die 70-%-Stichprobe<br />

der Einträge des CATI-Systems.<br />

6<br />

Ein weiteres Beispiel findet sich bei Martens/<br />

Michailow (2003, S. 15).<br />

7<br />

Die Angabe bezieht sich auf die 70-%-Stichprobe der CATI-<br />

Einträge.<br />

8<br />

CATI-Systeme haben anscheinend Probleme mit dem Ausdünnen<br />

der Termine umzugehen, so dass im <strong>Jena</strong>er Telefonlabor<br />

bei Expertenbefragungen häufig die Terminverwaltung<br />

ohne Datenbankunterstützung durchgeführt wurde.<br />

9<br />

Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurde diesen Wünschen<br />

nicht entsprochen. – Im Rahmen einer internationalen Kooperation<br />

des A2-Projektes fand eine Telefonbefragung im Juli<br />

2005 unter Leitern mittelständischer Industrieunternehmen<br />

in England statt. Das Erhebungsinstrument entsprach<br />

weitgehend dem 2002 von uns eingesetztem Fragebogen. Auf<br />

Wunsch der Befragten wurden auch Fragebögen verschickt.<br />

Der Erfolg dieser Aktion war aber vergleichsweise gering.<br />

Von 224 per Email verschickten Fragebögen kamen 11 zurück<br />

(entsprechend 4,9 %). Die Erfolgsquote der Telefonkontakte<br />

lag bei etwa 10 % (Auskünfte von Mike Geppert, Queen<br />

Mary University London).<br />

10<br />

„Die Einführung anderer Verfahren [der qualitativen<br />

Datenerhebung, auf die sich Trinczek bezieht] bedürfen des<br />

behutsamen Überwindens dieser dominanten Frage-Antwort-Orientierung<br />

von Managern […]. Ein Interview mit<br />

einer Führungskraft etwa relativ rasch mit der Bitte um eine<br />

möglichst lange Narration einzuleiten, birgt die Gefahr des<br />

Scheiterns des gesamten Interviews – eben weil eine solche<br />

Interviewsituation den alltäglichen Kommunikationsstrukturen<br />

in Betrieben nahezu diametral entgegensteht“ (Trinczek<br />

2005, S. 214). Im Prinzip halte ich diese Aussage für<br />

zutreffend, doch auf der Basis von Leitfadeninterviews, die<br />

wir zusätzlich zu den standardisierten Telefonbefragungen<br />

durchgeführt haben, denke ich, dass in unserem Fall die<br />

Bereitschaft seitens der Unternehmensleiter zu einem solchen<br />

Interviewtermin auch mit besonderen Erwartungshaltungen<br />

an die Gesprächsthemen verbunden war (A2-Projekt,<br />

Sonderforschungsbereich 2004, S. 71). Und diese spiegelten<br />

sich beispielsweise bei ostdeutschen Managern darin wider,<br />

dass Erzählungen über die Wendezeit und die Geschichte des<br />

Unternehmens und damit auch die eigene Biographie einen<br />

größeren Stellenwert einnahmen als Trinczek konstatiert.<br />

Dadurch bekamen die Gespräche teilweise von vornherein<br />

einen narrativen Charakter.<br />

11<br />

„Die Attraktivität dieser folgenentlasteten Gesprächssituation<br />

[des Experteninterviews mit Sozialforschern] zeigt<br />

sich auch darin, dass die Befragten die Dauer der Interviews<br />

mitunter beträchtlich überziehen, auch wenn bei der Vereinbarung<br />

des Gesprächstermins noch um jede Viertelstunde<br />

gefeilscht worden war“ (Trinczek 2005, S. 216). Nicht nur<br />

bei Leitfadeninterviews mit Unternehmern und Managern<br />

haben wir ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Dauer der<br />

vollständigen Interviews im CATI-Labor variierte im


Elitenbefragungen<br />

Einleitung<br />

Bereich von 12 bis 134 Minuten (M-Projekt, Sonderforschungsbereich<br />

2004, S. 335).<br />

12<br />

Durch Zufall wurden außer den zwei Projektmitarbeitern nur<br />

Studentinnen als Interviewer beschäftigt.<br />

13<br />

Bei der erwähnten Telefonbefragung in England (vgl. Fußnote<br />

9) ließ sich das laut Auskunft unseres englischen Kooperationspartners<br />

ebenfalls beobachten.<br />

14<br />

Mündlicher Beitrag bei dem <strong>SFB</strong>-Kolloquium „Computer<br />

Assisted Telephone Interviewing“, in <strong>Jena</strong> 27.4.2005.<br />

15<br />

„Illusion“ wird hier als nicht ganz zutreffende Vorstellung<br />

verstanden.<br />

16<br />

Ein Beispiel für „Manager-Machtspiele“ in der persönlichen<br />

Interviewsituation ist bei Kern, Kern und Schumann (1988,<br />

S. 88f.) nachzulesen. – Eine selbst erlebte Episode, in der Besonderheiten<br />

der direkten Interaktion mit Managern anklingen,<br />

gibt ein Auszug eines Gesprächsprotokolls wieder: Im Vorwege<br />

des Interviews waren der Werks- und der Personalleiter eines<br />

größeren ostdeutschen Betriebes mit 800 Beschäftigten einige<br />

Male kontaktiert worden, und sie hatten in ein Interview eingewilligt.<br />

Das eigentliche Face-to-Face-Interview gestaltete sich<br />

gleichwohl zunächst viel schwieriger als gedacht. „Anfangs waren<br />

beide Gesprächspartner sehr reserviert. Der Sinn des ganzen<br />

Gesprächs wurde vehement in Frage gestellt und ich erwartete eigentlich<br />

einen Gesprächsabbruch. Erst nach etlichen erklärenden<br />

Worten von unserer Seite willigten X [der Werksleiter] und Y [der<br />

Personalleiter] schließlich ein und nahmen sich dann erstaunlich<br />

viel Zeit. Es war auch noch ein besonderes Anliegen von X, dass<br />

uns das Werk gezeigt wurde. Ich vermute, dass hier ein gewisser<br />

Stolz auf das Erreichte mitspielte, wir sollten einen Eindruck<br />

von den neuen bzw. renovierten Hallen erhalten“ (Gespräch<br />

10.12.2004). Anstelle der ursprünglich eingeplanten maximal<br />

zwei Stunden brachten die beiden Interviewer schließlich vier<br />

Stunden in dem Betrieb zu.<br />

17<br />

800 persönliche Interviews mit Unternehmensleitern in fünf<br />

Bundesländern zu realisieren, wären vermutlich auf Grund noch<br />

höherer Transaktionskosten sehr viel teurer geworden.<br />

Literatur<br />

Diekmann, A. (2001): Empirische Sozialforschung. Reinbek:<br />

Rowohlt. 7. Aufl.<br />

Eberwein, W./ Tholen, J. (1990): Managermentalität. Industrielle<br />

Unternehmensleitung als Beruf und Politik. Frankfurt:<br />

FAZ<br />

Gläser, J./ Laudel, G. (2004): Experteninterviews und qualitative<br />

Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruktiver Untersuchungen.<br />

Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften<br />

Geschka, H. (1997): Einsam an der Spitze. Perspektiven für die<br />

Arbeits- und Lebensweise des Topmanagers. Berlin: Springer<br />

Kern, B./ Kern, H./ Schumann, M. (1988): Industriesoziologie<br />

als Kartharsis. In: Soziale Welt 39, S. 86-96<br />

Martens, B./ Michailow, M. (2003): Konvergenzen und<br />

Divergenzen zwischen dem ost- und westdeutschen Management.<br />

In: Martens, B./ Michailow, M./ Schmidt, R. (Hrsg.):<br />

Managementkulturen im Umbruch. <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Mitteilungen 10,<br />

S. 13-55<br />

Meuser, M./ Nagel, U. (1994): Expertenwissen und Experteninterviews.<br />

In: Hitzler, R./ Honer, A./ Maeder, C. (Hrsg.):<br />

Expertenwissen. Die institutionalisierte Kompetenz zur<br />

Konstruktion von Wirklichkeit. Opladen: Westdeutscher Verlag,<br />

S. 180-192<br />

Sonderforschungsbereich <strong>580</strong> (2004): Gesellschaftliche<br />

Entwicklungen nach dem Systemumbruch. Diskontinuität,<br />

Tradition und Strukturbildung. Arbeits- und Ergebnisbericht<br />

2001-2004. <strong>Jena</strong> und Halle<br />

Trinczek, R. (2005): Wie befrage ich Manager? In: Bogner, A./<br />

Littig, B./ Menz, W. (Hrsg.): Das Experteninterview.<br />

Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

2. Aufl., S. 209-222<br />

Gait ate tat lum quat. Ut laore velestie magniam,<br />

commy nis am velit ipisciduis atisit wiscinit nos<br />

esed doloreet utpate delendit praesed ea consed tat la<br />

commy nullam nulla feu facin henim augait lorper<br />

suscilla con ut aliscilis nibh eugiamet, sectet ecte modio eu faccumsan<br />

velenis num doluptatue tat atiscid uismolo rperos autat,<br />

velismolore molenim nibh ero od min henim digna atum<br />

Seite 41


Telefonische<br />

Befragung von<br />

parlamentarischen<br />

Eliten<br />

Seite 42


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

Einleitung<br />

4<br />

Telefonische Befragung von<br />

parlamentarischen Eliten - CATI<br />

auf Abwegen?<br />

Anmerkungen zur CATI-Methode<br />

auf der Basis der Befragung<br />

parlamentarischer Eliten im<br />

Projekt A3 des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> an der<br />

<strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong><br />

<strong>Jena</strong><br />

Stefan Jahr<br />

Ungeachtet der jungen Geschichte<br />

telefonischer Befragungen als wissenschaftliche<br />

Datenerhebungsmethode<br />

und der teilweise gravierenden Pannen<br />

in ihren Anfangsjahren können deutsche<br />

Umfrageinstitute seit Mitte der 80er-Jahre<br />

eine stetig wachsende Anzahl telefonisch<br />

durchgeführter Befragungen verzeichnen.<br />

Laut ADM-Geschäftsbericht 2003 waren<br />

43 Prozent der 2003 durchgeführten Befragungen<br />

CATI-Erhebungen. Damit war die<br />

Anzahl der durchgeführten telefonischen<br />

Befragungen mehr als doppelt so hoch wie die<br />

Zahl durchgeführter postalischer Interviews<br />

und um ein Drittel höher als der Anteil von<br />

face-to-face Umfragen (vgl. ADM 2003).<br />

Allerdings lassen sich im Zentralarchiv Köln<br />

keine telefonisch durchgeführten Elitenbefragungen<br />

finden (Stand: Juni 2005). Angesichts<br />

der umfangreich in der Literatur dargelegten<br />

Vorteile von CATI-Erhebungen eine etwas<br />

unverständlich anmutende Tatsache. Mangelnde<br />

Telefonabdeckung, welche flächendeckende<br />

Bevölkerungsumfragen teilweise<br />

bis weit in die 90er-Jahre behinderte, kann<br />

nicht der Grund dafür gewesen sein. Wie das<br />

Beispiel des Deutschen Bundestags illustriert,<br />

dessen Abgeordnete bereits seit 1949 direkt<br />

per Telefon erreichbar sind 1 , gehören gerade<br />

Eliten zu den ersten Nutzern neuer Kommunikationstechnologien.<br />

Auch auf dem<br />

Gebiet der politisch-administrativen<br />

Eliten bediente sich außerhalb des<br />

Seite 43<br />

Sonderforschungsbereichs <strong>580</strong> bislang<br />

keine Untersuchung telefonisch<br />

durchgeführter Interviews. Die folgenden<br />

methodischen Ausführungen basieren daher<br />

alleine auf den Erfahrungen der im Projekt


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

A3 durchgeführten Befragung von Landes-,<br />

Bundes- und Europaparlamentariern. Schon<br />

aus diesem Grund kann dieser Beitrag keine<br />

erschöpfende Diskussion der Vor- und Nachteile<br />

des CATI-Einsatzes zur Datenerhebung<br />

in Elitenpopulationen leisten. Vielmehr soll<br />

ein erster Eindruck von der Leistungsfähigkeit<br />

telefonischer Interviews bei der Befragung<br />

parlamentarischer Eliten vermittelt und der<br />

Vergleich zu anderen in diesem Heft vorgestellten<br />

Eliten- und Expertenbefragungen<br />

ermöglicht werden.<br />

Zunächst werden die Befragungsziele<br />

des <strong>SFB</strong>-Teilprojektes A3 skizziert, um im<br />

Anschluß die Grundgesamtheit in ihren wesentlichen<br />

befragungsrelevanten Merkmalen<br />

zu charakterisieren. Daran schließt als erster<br />

Schwerpunkt eine Darstellung der durchgeführten<br />

erhebungsflankierenden Maßnahmen<br />

an, welche mit Blick auf eine geplante<br />

Wiederholungsbefragung auch hinsichtlich<br />

ihrer Wirksamkeit und Modifikationsnotwendigkeit<br />

geprüft werden. Den zweiten<br />

Schwerpunkt bilden die aus den Ergebnissen<br />

der Befragung abgeleiteten Erkenntnisse über<br />

die Faktoren der Stichprobenrepräsentativität<br />

sowie eine Diskussion möglicher Veränderungen<br />

im Erhebungsdesign.<br />

Befragungsziele und Grundgesamtheit<br />

Seite 44 Die im Projekt angelegte vergleichende<br />

Analyse der Rekrutierungsmuster<br />

und Karrierepfade von<br />

Delegationseliten der Landes-, Bundes- und<br />

Europaebene seit 1990 basiert auf zwei<br />

empirischen Säulen. Die erste Säule bilden<br />

die aus Parlamentshandbüchern erhobenen<br />

Strukturdaten, welche es ermöglichen, die Positionssequenzen<br />

der Mandatsträger seit ihren<br />

ersten beruflichen Schritten bis zum aktuellen<br />

Zeitpunkt bzw. Ausscheiden aus dem Mandat<br />

nachzuzeichnen. Aus den Strukturdaten<br />

können jedoch den Karriereweg bestimmende<br />

Motive, Aspirationen, Situations- und Selbstdeutungen<br />

sowie Bewertungen politischer Institutionen<br />

nicht abgeleitet werden. Derlei zum<br />

Verständnis von Karrieremustern notwendige<br />

Daten lassen sich nur durch eine Befragung<br />

der Parlamentarier selbst erheben. Eine solche<br />

Erhebung wurde zwischen September 2003<br />

und Januar 2004 am Zentrum für Sozialforschung<br />

Halle durchgeführt und bildet die<br />

zweite empirische Säule des Projekts. Die zu<br />

bearbeitende Grundgesamtheit der Parlamentarier,<br />

welche seit 1990 in mindestens einem der<br />

Untersuchungsparlamente 2 ein Mandat wahrgenommen<br />

hatten, umfasste ca. 3700 Personen.<br />

Aufgrund der zum Zeitpunkt der Befragung<br />

unterschiedlichen Karrierestadien der betrachteten<br />

Abgeordneten erschien es sinnvoll, zwei<br />

Teilpopulationen zu bilden. Die erste Teilpopulation<br />

umfasste die zum Feldphasenbeginn<br />

ehemaligen Parlamentarier (n = 2011), die<br />

zweite Teilpopulation die zum Erhebungsbeginn<br />

aktuellen Parlamentarier (n = 1703). Aufgrund<br />

des besonderen Stichprobendesigns und<br />

der unerwarteten Stichprobenentwicklung bei<br />

der Befragung der ehemaligen Parlamentarier 3<br />

werden sich die folgenden Ausführungen nur<br />

auf die Befragungspopulation der aktuellen<br />

Parlamentarier beziehen.


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

Befragungsrelevante Eigenschaften der<br />

Grundgesamtheit und Konsequenzen für<br />

die telefonische Befragung<br />

Zentrales Kriterium einer auf einem<br />

quantitativen Forschungsdesign beruhenden<br />

wissenschaftlichen Untersuchung ist die<br />

Repräsentativität der Aussagen über die<br />

beforschte Grundgesamtheit. Auch wenn<br />

Repräsentativität nicht zwingend an große<br />

Fallzahlen geknüpft ist, gelten eine große<br />

Stichprobe und eine entsprechend hohe Ausschöpfung<br />

als Garant für eine strukturgetreue<br />

verkleinerte Abbildung der Grundgesamtheit<br />

im Untersuchungssample. Im Vergleich zu<br />

allgemeinen Bevölkerungsumfragen muß<br />

bei Elitenbefragungen das Ziel einer hohen<br />

Ausschöpfung allerdings unter verschärften<br />

Randbedingungen erfüllt werden. So sind Elitenpopulationen<br />

meist relativ klein, oft stark<br />

beforscht und entsprechend interviewgesättigt.<br />

Die sich daraus ergebende Befragungsresistenz<br />

wird einerseits durch das knappe Zeitbudget<br />

parlamentarischer Eliten und andererseits<br />

durch die schlechte direkte Erreichbarkeit<br />

noch verstärkt. Natürlich wirken sich diese<br />

Umstände nicht nur auf telefonische Befragungen<br />

negativ aus. Die These ist aber, dass<br />

dadurch Elitenbefragungen per Telefon stärker<br />

flankierender Maßnahmen bedürfen als entsprechende<br />

face-to-face Befragungen.<br />

Bei face-to-face Interviews wird von amerikanischen<br />

Forschern in besonders befragungsresistenten<br />

Grundgesamtheiten gerne eine<br />

Holdup-Strategie praktiziert - man erscheint<br />

einfach ohne Termin im Büro der zu befragenden<br />

Person und bemüht sich um ein sofortiges<br />

Interview oder einen Termin (vgl. Frey/<br />

Kunz/Lüschen 1990, S. 44). Dieses teilweise<br />

sehr erfolgreiche Vorgehen lässt sich leider nur<br />

bedingt auf das Telefon übertragen. Bei den<br />

hier untersuchten Parlamentariern wurden lediglich<br />

5,5 Prozent der Interviews beim ersten<br />

Kontaktversuch realisiert. Im Durchschnitt<br />

mussten 11 Versuche unternommen werden,<br />

bevor ein Interview zustande kam. Meistens<br />

endeten die Kontaktversuche jedoch „schon<br />

bei denjenigen, die Zeit und Energie ihres<br />

Chefs überwachen“ (vgl. Frey/Kunz/Lüschen<br />

1990, S. 44). Mit dieser Einschätzung weisen<br />

Frey/Kunz/Lüschen auf die besondere Stellung<br />

der Sekretariate der Untersuchungspersonen<br />

hin. Im Regelfall laufen Interviewanfragen<br />

über die Büros der zu befragenden Person und<br />

unterliegen dort einer Vorsortierung (vgl. auch<br />

den Beitrag von Bernd Martens in diesem<br />

Heft). Diese Gatekeeper-Stellung zwischen<br />

Forscher und Elitenpositionsinhaber bedarf<br />

bei der Wahl der zur Interviewanbahnung<br />

eingesetzten Signalling-Strategien 4 besonderer<br />

Berücksichtigung. Oftmals führt nur eine<br />

Kombination direkter und indirekter Signalisierungsaktivitäten<br />

zum Erfolg. Im Falle der<br />

hier untersuchten parlamentarischen Eliten<br />

wurde auf direktem Wege über persönliche<br />

Projektvorstellungen in den Fraktionssitzungen,<br />

personalisierte Anschreiben, Faxe<br />

und E-Mails als auch auf indirektem Wege<br />

über Presse- und Forschungsberichte sowie<br />

Internetauftritt versucht, Informationen über<br />

das Forschungsvorhaben an die Befragungspopulation<br />

heranzutragen.<br />

Einen besonders positiven Effekt<br />

Seite 45<br />

auf die Teilnahmewahrscheinlichkeit<br />

versprach sich das Projektteam von<br />

der persönlichen Vorstellung der Erhebung<br />

in den jeweiligen Fraktionen. Aufgrund des<br />

damit verbundenen hohen Aufwandes wurde


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

aber nur in den Landesparlamenten von Thüringen,<br />

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen,<br />

Berlin sowie im Bundestag um einen Vorstellungstermin<br />

gebeten. Zwar konnte das Projekt<br />

nur in lediglich neun der angesprochenen<br />

Fraktionen vorgestellt werden, wie aber aus<br />

Tabelle 1 zu entnehmen ist, lassen sich weder<br />

der Befragung lässt sich daher festhalten,<br />

dass solche aufwendigen Informationsangebote<br />

primär auf die Fraktionsführungen<br />

zugeschnitten und beschränkt werden sollten.<br />

Qualität der Präsentation (Selbsteinschätzung)<br />

[s. gut - gut – mittel – schlecht – s. schlecht]<br />

Hessen<br />

Ausschöpfung im Vergleich (Befragungsbestes<br />

– erreichtes – Befragungsschlechtestes<br />

Fraktionsergebnis)* [in %]<br />

SPD gut 100-73-70<br />

FDP sehr gut 79-67-44<br />

B90/Die Grünen sehr gut 100-100-70<br />

Sachsen<br />

CDU mittel 84-66-45<br />

PDS gut 100-93-88<br />

Sachsen-Anhalt<br />

PDS sehr gut 100-100-88<br />

FDP schlecht 79-65-44<br />

Thüringen<br />

CDU sehr gut 86-86-45<br />

SPD gut 100-100-70<br />

Tabelle 1 - Auswirkungen der Projektvorstellungen in<br />

den Fraktionen auf die Ausschöpfungsrate<br />

* Der erste Prozentwert gibt die höchste Ausschöpfung, der<br />

zweite Prozentwert die in diesem Parlament erreichte<br />

und der letzte Prozentwert die geringste Ausschöpfung<br />

der Partei über alle befragten Parlamente wieder.<br />

ein eindeutig positiver Effekt der Vorstellungen<br />

an sich, noch ihrer Qualität<br />

Seite 46 auf die erreichte Ausschöpfung feststellen.<br />

Es erwies sich als wesentlich<br />

wichtiger für die erreichten Ausschöpfungsquoten,<br />

die jeweiligen Fraktionsführungen<br />

von der Untersuchungsteilnahme<br />

zu überzeugen. Für die erneute Durchführung<br />

Das Versenden von personalisierten<br />

Anschreiben, Faxen und E-Mails mit Informationen<br />

zum Forschungsanliegen ist in<br />

einer solchen Untersuchungspopulation Standardvorgehen<br />

und schon aus diesem Grund<br />

unverzichtbar. Zudem ermöglicht der Hinweis<br />

auf die bereits versendeten Informationen dem<br />

Interviewer einen leichteren Gesprächseinstieg<br />

beim ersten telefonischen Kontakt. Obwohl<br />

die Informationen ca. zwei bis drei Wochen vor<br />

Befragungsbeginn verschickt wurden, forderte<br />

ungefähr ein Drittel der Befragten nochmals<br />

Informationsmaterial an.<br />

Trotz dieser verschiedenen Strategien der<br />

Informationsverbreitung, die unter anderem<br />

auch darauf ausgerichtet waren, die Mono-


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

polstellung der Sekretariate bei der Informationsverteilung<br />

abzuschwächen, mussten<br />

teilweise die Mitarbeiter der Parlamentarier<br />

ebenso intensiv von der Teilnahme ihrer Chefs<br />

an der Untersuchung überzeugt werden, wie<br />

die Abgeordneten selbst.<br />

Die in der Literatur dargelegten Erfahrungen<br />

mit Elitenbefragungen deuteten darauf<br />

hin, dass Eliten persönliche Interviews bevorzugen<br />

(vgl. Lüschen 1979; zusammenfassend<br />

Frey/Kunz/Lüschen 1990). Ein Grund dafür<br />

könnte sein, dass der recht unpersönliche Kontakt<br />

am Telefon nicht im gleichen Maße wie ein<br />

direktes persönliches Gespräch Wertschätzung<br />

und Wichtigkeit des Interviewpartners vermittelt.<br />

Bei face-to-face Befragungen lassen sich<br />

über „nonverbale“ Kommunikationselemente<br />

(z.B. Interviewerauftreten und nicht zuletzt den<br />

persönlichen Besuch an sich) die Wichtigkeit<br />

des Befragten für die Untersuchung unterstreichen.<br />

Dieses Moment fehlt der telefonischen<br />

Befragung völlig. Bei gesellschaftlich höher<br />

gestellten Persönlichkeiten, wie es Eliten qua<br />

definitionem sind, kann sich das negativ auf die<br />

Teilnahmebereitschaft auswirken. Dennoch<br />

lässt sich auf der Basis der gemachten Erfahrungen<br />

das Verweigerungsrisiko aufgrund<br />

dieses Aspektes telefonischer Kommunikation<br />

als gering einschätzen. Offensichtlich werden<br />

Statusunterschiede durch den recht unpersönlichen<br />

und technisch vermittelten Kontakt<br />

zwischen den Kommunikationspartnern in den<br />

Hintergrund gedrängt, so dass auch aus Sicht<br />

der Befragten nicht ebenbürtige Kommunikationspartner<br />

akzeptiert werden. 5. Allerdings<br />

darf diese Erkenntnis nicht vergessen lassen,<br />

dass sich parlamentarische Eliten sehr wohl<br />

ihrer herausgehobenen Stellung in der Gesellschaft<br />

bewusst sind. Dieses Statusbewusstsein<br />

zeigt sich jedoch nicht in der ausschließlichen<br />

Präferenz für ein persönliches Interview oder<br />

einen statusäquivalenten Gesprächspartner,<br />

sondern äußert sich in entsprechenden Erwartungen<br />

an die Qualität der Befragung und<br />

Expertise der Interviewer.<br />

Aus den im Vorfeld der Erhebung geführten<br />

Leitfadeninterviews war bekannt, dass die<br />

Qualität der Befragung von den Parlamentariern<br />

auch daran gemessen wird, wie detailliert<br />

die politische Laufbahn und speziell politische<br />

(Führungs-)Positionen erfragt werden. Diese<br />

Erwartungshaltung erwies sich bei der Konstruktion<br />

des Fragebogens mitunter als problematisch.<br />

Einerseits sollte der Fragebogen<br />

durch den Verzicht auf Fragen nach bereits aus<br />

den erhobenen Strukturdaten bekannten Informationen<br />

möglichst kurz gehalten werden,<br />

auf der anderen Seite waren bestimmte Fragen<br />

notwendig, um den Befragten Vollständigkeit,<br />

Wissenschaftlichkeit und Seriosität der Erhebung<br />

zu vermitteln. Vor dem Hintergrund des<br />

geringen Zeitbudgets der Parlamentarier und<br />

der von im Vorfeld befragten Parlamentariern<br />

angemahnten Zeitdauer von maximal 30 Minuten<br />

pro Interview erhielt aber die Kürzung<br />

des Fragebogens Vorrang.<br />

Das maximale Zeitfenster von einer halben<br />

Stunde wurde sehr oft von den mit der Terminkoordination<br />

betrauten Sekretariaten der<br />

Untersuchungspersonen bestätigt.<br />

Wie aber die Auswertung der tatsächlichen<br />

Befragungszeiten zeigt, lag die<br />

Seite 47<br />

durchschnittliche Interviewdauer bei<br />

ca. 42 Minuten. Somit ist die von vielen<br />

Seiten dem Projekt empfohlene maximale<br />

Interviewdauer von 30 Minuten als zu pessimistisch<br />

zu bewerten. Allerdings glich es einer


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

Gratwanderung, die im Einleitungstext des<br />

Interviews zu nennende Interviewdauer festzulegen.<br />

Es musste eine Zeitangabe gefunden<br />

werden, die einerseits nicht abschreckte und<br />

andererseits eine nicht allzu große Diskrepanz<br />

zur tatsächlichen Interviewdauer aufwies (vgl.<br />

Wüst 1998, S. 16). In den ersten 14 Tagen der<br />

Befragung wurde mit der empfohlenen, aber<br />

faktisch zu kurzen Interviewdauer von 30 Minuten<br />

operiert. Nach dem sich die Unmutsbekundungen<br />

der befragten Abgeordneten<br />

über die tatsächliche Dauer häuften, wurde im<br />

Einleitungstext für den weiteren Befragungsverlauf<br />

die voraussichtliche Interviewdauer der<br />

Befragung auf „in der Regel etwa 40 Minuten“<br />

geändert. Laut Interviewerbemerkungen hatte<br />

diese Erhöhung nicht den von Collins et al.<br />

(1988) befürchteten negativen Einfluss auf die<br />

Teilnahmewahrscheinlichkeit, reduzierte aber<br />

merklich die Beschwerden über die tatsächliche<br />

Befragungsdauer.<br />

Unmutsbekundungen der Befragten über<br />

die Länge und inhaltliche Ausrichtung des<br />

Interviews waren nicht die einzigen Herausforderungen,<br />

denen sich die Interviewer stellen<br />

mussten. Neben den allgemein bekannten<br />

Anforderungen an Interviewer (für Details<br />

siehe: Fuchs 1995, S. 289f; Diekmann 1999,<br />

S. 399ff; <strong>Friedrich</strong>s 2000, S. 216f ) erwarteten<br />

die Befragten vor allem hohe fachliche<br />

Kompetenz und eine grundlegende<br />

Vertrautheit mit ihrer Biographie von<br />

den Interviewern.<br />

Seite 48<br />

Bei der Befragung von Eliten gehen<br />

weite Teile der erfragten Inhalte<br />

über das übliche Allgemeinwissen hinaus.<br />

Soll der Interviewer aber ein kompetenter<br />

Gesprächspartner sein, muss er über entsprechendes<br />

Fachwissen verfügen, welches sich nur<br />

bedingt in Interviewerschulungen vermitteln<br />

lässt. Die Folgen geringer Interviewerkompetenz<br />

wären nicht nur Daten minderer Qualität.<br />

Bei einer untereinander hochgradig so vernetzten<br />

Grundgesamtheit, wie es Parlamentarier<br />

in der Regel sind, können einzelne schlecht<br />

geführte Interviews schnell die Akzeptanz der<br />

Befragung in der gesamten Untersuchungspopulation<br />

verringern. Im schlimmsten Fall<br />

würden noch zu befragende Abgeordnete<br />

die Teilnahme an der Befragung verweigern,<br />

weil Parlamentskollegen ihnen aufgrund ihrer<br />

negativen Interviewerfahrung davon abgeraten<br />

haben. Daher ist für solche speziellen<br />

Befragungen die Rekrutierung entsprechend<br />

vorgeschulten Personals unumgänglich.<br />

Um die raportfördernde Vertrautheit der<br />

Interviewer mit den Viten der zu befragenden<br />

Abgeordneten zu erreichen, müssen sich die<br />

Interviewer bei face-to-face Befragungen das<br />

für die Befragung notwenige Wissen vor dem<br />

Gespräch aneignen. Im Falle von telefonischen<br />

Befragungen lassen sich dem Interviewer durch<br />

die ausschließlich verbale Kommunikation bei<br />

fehlendem Sichtkontakt Hilfsmittel zur Verfügung<br />

stellen, die im persönlichen Interview<br />

nicht im gleichen Umfang möglich sind. Unterstützende<br />

Listen, Institutionsorganigramme,<br />

Definitionen von Fachtermini oder Eckpunkte<br />

der Befragtenbiographie sind jederzeit im Gesprächsverlauf<br />

und ohne Wissen des Interviewten<br />

nutzbar. Dadurch ist die Vorbereitungszeit<br />

auf ein Interview im Vergleich deutlich kürzer,<br />

ohne dass der Befragte eine geringere fachliche<br />

Qualifikation des Interviewers wahrnehmen<br />

kann.<br />

Die Anforderungen an den Interviewer


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

sind jedoch trotz dieser möglichen Entlastungen<br />

nicht zu unterschätzen, denn während<br />

der Befragung müssen viele Dinge simultan<br />

erledigt werden. Um keine Zweifel an der<br />

Kompetenz des Interviewers aufkommen zu<br />

lassen, ist ein mehr oder weniger kontinuierlicher<br />

Sprachfluss am Telefon erforderlich.<br />

Gleichzeitig sind die Daten zu erfassen und<br />

eventuell Auskünfte über den Befragungsfortschritt<br />

zu geben. Erschwerend kommt hinzu,<br />

dass durch den leichten Einsatz von Filtern im<br />

Computerfragebogen der Befragungsverlauf<br />

fast individuell an den Gesprächspartner angepasst<br />

werden kann. Daraus resultieren jedoch<br />

fast unüberschaubare Fragebogenvarianten und<br />

machen es dem Interviewer schwer, den Überblick<br />

über den Befragungsverlauf zu behalten.<br />

Zwar ist durch die computergesteuerte Interviewführung<br />

dieser Überblick nicht im gleichen<br />

Maße wie bei face-to-face Befragungen<br />

notwendig, allerdings gilt es zu beachten, dass<br />

sich durch die exzessive Nutzung möglicher<br />

Regulierungs- und Steuerungsmechanismen<br />

eine gewisse Starrheit und Unnatürlichkeit<br />

in der Befragungssituation ergibt. Es ist fast<br />

unmöglich, alle durch die unterschiedlichen<br />

Filterführungen möglichen Fragereihenfolgen<br />

sprachlich und inhaltlich so aufeinander abzustimmen,<br />

dass keine mehr oder minder abrupten<br />

Themenwechsel während der Befragung<br />

auftreten. Durch eine intensive Nutzung von<br />

befragungssimultanen Plausibilitätsprüfungen<br />

leidet die Natürlichkeit des Gesprächsverlaufes<br />

ebenfalls. 6 Zu häufige Nachfragen bzw. Hinweise<br />

auf Inkonsistenzen bergen die Gefahr,<br />

den Befragten über Gebühr zu strapazieren und<br />

somit einen Abbruch des Interviews zu provozieren.<br />

Die Erfahrungen aus dieser Befragung<br />

bestätigen daher die Einschätzung von Fuchs<br />

(1995, S. 289), dass die Gestaltung der sozialen<br />

Interviewsituation durch die Möglichkeiten<br />

des Computers schnell übertrieben wird und<br />

dadurch ein Teil der durch Standardisierung<br />

gewonnenen Datenqualität wieder verloren<br />

gehen kann.<br />

Faktoren der Repräsentativität<br />

Der Begriff der Repräsentativität spricht in<br />

jedem Stichprobendesign einen der wichtigsten<br />

Punkte an. Eine Stichprobe gilt dann als<br />

repräsentativ, wenn sie „alle für die Grundgesamtheit<br />

typischen und charakteristischen Erhebungsmerkmale<br />

nebst deren verschiedenen<br />

Kombinationen genau entsprechend ihrer<br />

relativen Häufigkeit in der Grundgesamtheit<br />

enthält und somit ein getreues Miniaturbild der<br />

Grundgesamtheit, sozusagen ihr verkleinertes<br />

Modell darstellt.“ (Büschges 1961, S. 6). Damit<br />

wird auch deutlich, dass Repräsentativität<br />

und Stichprobenumfang keine Synonyme<br />

sind. Zwar steigt die Wahrscheinlichkeit der<br />

Repräsentativität einfacher Zufallsstichproben<br />

mit deren Umfang, jedoch ist damit nicht<br />

ausgeschlossen, dass auch kleine Stichproben<br />

strukturgetreue Abbilder der Grundgesamtheit<br />

darstellen können. Da im Falle der hier vorgestellten<br />

Studie auf keinerlei empirische Erfahrungen<br />

zurückgegriffen werden konnte, wie<br />

Parlamentarier auf telefonische Befragungen<br />

reagieren, ließen sich auch mögliche Ausfälle<br />

im Vorfeld nicht abschätzen. Somit<br />

war es unumgänglich, eine Totalerhebung<br />

der Untersuchungsparlamente<br />

Seite 49<br />

anzustreben, welche gleichzeitig als<br />

Referenzmessung der Befragungswilligkeit<br />

parlamentarischer Eliten am Telefon<br />

dienen sollte. Natürlich konnte nicht angenommen<br />

werden, dass sich alle Mitglieder der


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

Seite 50<br />

Grundgesamtheit an der Befragung beteiligen<br />

würden. Die dadurch - wenn auch ungewollt<br />

- entstandene Stichprobe galt es hinsichtlich<br />

der Merkmale Geschlecht, regionale Herkunft<br />

(Ost-/Westdeutschland), Verhältnis<br />

zwischen Mitgliedern der Regierungs- und<br />

Oppositionsfraktionen sowie dem Anteil an<br />

parlamentarischen Führungspersonen auf<br />

Repräsentativität zu prüfen. Die Auswahl<br />

dieser genannten Repräsentativitätsmerkmale<br />

bestimmte sich aus den im Projekt angelegten<br />

Untersuchungsschwerpunkten und Vergleichsperspektiven.<br />

Zur vollständigen Bearbeitung aller 1703<br />

Personen der Grundgesamtheit bedurfte es<br />

95 Befragungstage. Die erreichte Ausschöpfungsquote<br />

lag bei insgesamt 56 Prozent,<br />

differierte allerdings erheblich zwischen den<br />

einzelnen parlamentarischen Ebenen. Eine<br />

mit gut 76 Prozent außerordentlich hohe<br />

Ausschöpfung wurde auf der Landesebene<br />

erreicht, hingegen konnten nur 33 Prozent<br />

der deutschen Mitglieder des Europäischen<br />

Parlaments und nur 26 Prozent der Mitglieder<br />

des Deutschen Bundestages befragt werden.<br />

Um die Entwicklung der Stichprobengröße<br />

der einzelnen Befragungen untereinander<br />

vergleichen zu können und die unterschiedlichen<br />

Ausschöpfungsraten in der Darstellung<br />

zu neutralisieren, wurde in Abbildung 1 die<br />

zu einem bestimmten Zeitpunkt<br />

erreichte Interviewanzahl in Relation<br />

zu der am Befragungsende erreichten<br />

Stichprobengröße gesetzt.<br />

Zu erkennen ist, dass sich die<br />

Bundes- und Europaparlamentarierbefragungen<br />

in der Anfangsphase nicht so gut<br />

entwickelten wie die Befragung der Landtagsabgeordneten.<br />

Gut die Hälfte der insgesamt<br />

765 realisierten Landtagsinterviews war bereits<br />

nach 13 Befragungstagen abgeschlossen. Um<br />

die 50-Prozentmarke bei den Bundestagsabgeordneten<br />

zu erreichen, waren 21 und bei<br />

den EU-Parlamentariern 30 Befragungstage<br />

notwendig. Im weiteren Befragungsverlauf<br />

glichen sich jedoch die unterschiedlichen Entwicklungen<br />

einander an und nach ca. 56 Befragungstagen<br />

waren auf allen drei Ebenen 90<br />

Prozent der finalen Stichprobengröße erreicht.<br />

Die im Befragungsverlauf abflachenden<br />

Kurven zeigen das typische Bild einer angestrebten<br />

Vollerhebung. Der steile Kurvenanstieg<br />

in den ersten Befragungswochen<br />

erklärt sich daraus, dass aus dem Pool der<br />

Untersuchungseinheiten zuerst die leicht zu<br />

befragenden Personen abgeschöpft wurden.<br />

Die im späteren Befragungsverlauf degressiven<br />

Kurvenanstiege verdeutlichen, dass sich<br />

mit zunehmender Befragungsdauer nur noch<br />

schwer zu befragenden Personen im Adressenpool<br />

befanden.<br />

Es stellt sich die Frage, ob eine aus ökonomischen<br />

Gründen früher beendete Befragung<br />

(etwa nach 54 Befragungstagen) auch unter<br />

Repräsentativitätsgesichtspunkten gerechtfertigt<br />

gewesen wäre. Tabelle 2 zeigt die Abweichungen<br />

der Merkmalszusammensetzung<br />

der einzelnen finalen Ebenenstichproben<br />

von ihren jeweiligen Teilgrundgesamtheiten.<br />

Wie auf der Landesebene an den geringen<br />

Differenzen der Anteilswerte in den einzelnen<br />

Merkmalen zwischen Stichprobe und<br />

Grundgesamtheit zu erkennen ist, bildet die<br />

erreichte Auswahl die Grundgesamtheit recht<br />

gut ab. Auf der Bundesebene sind lediglich die<br />

Relationen zwischen Ost- und Westdeutschen


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

Abbildung 1 - Entwicklung der Stichprobengrößen im<br />

Befragungszeitraum<br />

(Alle Zahlen in %)<br />

Ost-West (Ost)<br />

Regierung – Opposition<br />

(Regierung)<br />

Geschlecht (weiblich)<br />

high-flyer – Backbencher<br />

(high-flyer)<br />

GG SP GG SP GG SP GG SP<br />

Landesebene 53 56 58 54 32 35 31 28<br />

Bundesebene 16 26 51 53 33 32 16 10<br />

EU-Parlament1 17 27 - - 38 30 13 9<br />

Tabelle 2 - Merkmalsrelationen in Grundgesamtheit<br />

(GG) und Stichprobe (SP) [Aktuelle Parlamentarier]<br />

Seite 51


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

70<br />

60<br />

50<br />

(in Prozent)<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61 65 69 73 77 81 85 89 93<br />

Befragungstage<br />

Frauen Ost Regierung high-flyer<br />

Abbildung 2 - Repräsentativitätsentwicklung der<br />

Landtagsstichprobe im Befragungsverlauf [Durchgezogene<br />

Linien zeigen den Merkmalsanteil in der Grundgesamtheit,<br />

die von Marken unterbrochenen Linien die<br />

Anteilsentwicklung in der Stichprobe]<br />

sowie high-flyern 7 und backbenchern nicht<br />

strukturgetreu.<br />

Die Gegenüberstellung der Stichprobenparameter<br />

mit den Sollwerten der Grundgesamtheit<br />

im Zeitverlauf der Befragung<br />

zeigt, dass sich die gute Repräsentativität der<br />

Landesebenenstichprobe nicht allein auf die<br />

hohe Ausschöpfung von 76 Prozent<br />

zurückführen lässt (vgl. Abbildung 2).<br />

Bereits nach 17 Befragungstagen und<br />

Seite 52 einer erreichten Ausschöpfung von 45<br />

Prozent wichen die Merkmalsanteile<br />

in der Stichprobe der Landesparlamente<br />

nur noch gering von ihren am Ende<br />

der Befragung erreichten Werten und der<br />

Verteilung in der Grundgesamtheit ab.<br />

Auf der Bundesebene findet sich ein ähnliches<br />

Bild, nur stellten sich die endgültigen<br />

Anteile erst nach ungefähr 41 Befragungstagen<br />

aber schon bei einer Ausschöpfung von 22 Prozent<br />

ein (Abbildung 3).<br />

Fazit<br />

Unter (befragungs-)ökonomischen Gesichtpunkten<br />

lässt sich aus der Repräsentativitätsbetrachtung<br />

schließen, dass die Erhebung<br />

auf der Landesebene nach 17 Befragungstagen<br />

und auf der Bundesebene nach 41 Tagen hätte<br />

abgebrochen werden können. Grund dafür ist,<br />

dass sich in den hier untersuchten Merkmalen<br />

bei einer bis zu diesen Tagen erreichten<br />

Ausschöpfung von ungefähr 45 Prozent auf<br />

der Landesebene und 22 Prozent auf der Bundesebene<br />

kaum noch Anteilsverschiebungen


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

80<br />

70<br />

60<br />

(in Prozent)<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61 65 69 73 77 81 85<br />

Befragungstage<br />

Frauen Ost Regierung high-flyer<br />

Abbildung 3 - Repräsentativitätsentwicklung der Bundestagsstichprobe<br />

im Befragungsverlauf [Durchgezogene<br />

Linien zeigen den Merkmalsanteil in der Grundgesamtheit,<br />

die von Marken unterbrochenen Linien die<br />

Anteilsentwicklung in der Stichprobe]<br />

ergaben. Bei gravierenden Abweichungen<br />

der Stichprobenzusammensetzung von der<br />

Grundgesamtheit hätten demzufolge bis spätestens<br />

zu diesen Zeitpunkten Korrekturen im<br />

Auswahlplan vorgenommen werden müssen.<br />

Als Argument für eine Kürzung des Stichprobenumfangs<br />

sind die gefundenen Erkenntnisse<br />

jedoch nicht verwendbar. Viele der im<br />

Untersuchungsdesign des Projektes angelegten<br />

Vergleichsperspektiven erfordern Analysen auf<br />

der Ebene einzelner Parlamentsfraktionen, die<br />

selbst bei einer 45-prozentigen Ausschöpfung<br />

auf der Landesebene teilweise nur durch eine<br />

oder zwei Personen repräsentiert wären und<br />

somit keine statistischen Auswertungen ermöglichen.<br />

Mit Blick auf die geplante Wiederholungsbefragung<br />

lässt sich als Fazit der Erfahrungen<br />

aus der Erhebung und der methodischen<br />

Betrachtungen befragungsrelevanter Eigenschaften<br />

der Untersuchungspopulation ziehen,<br />

dass CATI-Befragungen zur Datenerhebung<br />

in parlamentarischen Elitepopulationen<br />

durchaus geeignet sind. Die aus der Literatur<br />

über den Einsatz telefonischer Bevölkerungsumfragen<br />

bekannten positiven Eigenschaften<br />

wie z.B. schnelle Feldphase und im Vergleich<br />

hohe Responsraten, bleiben auch<br />

bei der Befragung parlamentarischer<br />

Eliten erhalten. Im Vergleich mit<br />

Seite 53<br />

bisher postalisch oder persönlich<br />

durchgeführten Befragungen von<br />

Parlamentariern konnte eine deutlich höhere<br />

Ausschöpfungsquote erzielt werden (vgl. Best<br />

et al. 2004, S. 5). Beschränkt man die Kosten-


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

betrachtung nur auf die Erhebungsphase, lässt<br />

sich der telefonischen Befragung von parlamentarischen<br />

Eliten auch eine sehr gute Kosten-Nutzen-Relation<br />

konstatierten. Ebenfalls<br />

war die Akzeptanz des Telefons als bis dato<br />

neues Kommunikationsmedium für wissenschaftliche<br />

Befragungen unter den Abgeordneten<br />

sehr hoch. Allerdings darf bei dieser<br />

positiven Einschätzung der hohe betriebene<br />

Aufwand in der Vorbereitung und Flankierung<br />

der Befragung nicht vergessen werden. Auch<br />

wenn noch einiges Optimierungspotential in<br />

den angesprochenen Signalling-Aktivitäten<br />

liegt, sind sie in ihrem Finanz- und Zeitaufwand<br />

nicht zu unterschätzen und relativieren<br />

teilweise die kostengünstige und schnelle<br />

Feldphase.<br />

Seite 54


CATI - und parlamentarische Einleitung Eliten<br />

Fussnoten<br />

Telephone Survey Methodology. New York, NY: John Wiley &<br />

Sons, S. 213-232<br />

1<br />

Der Verfasser dankt Wilhelm Weege für seine intensiven Recherchen<br />

zu dieser Fragestellung.<br />

2<br />

Untersucht wurden die deutschen Mitglieder des Europäischen<br />

Parlaments, die Abgeordneten des Bundestages und die Mitglieder<br />

der Landtage Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg,<br />

Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-<br />

Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.<br />

3<br />

Die Ankündigung der Befragung löste einen so hohen Respons<br />

aus, dass zwar der anvisierte Stichprobenumfang weit übertroffen<br />

wurde, aber auch die Stichprobe nur sehr begrenzt gesteuert<br />

werden konnte.<br />

4<br />

Unter Signalling werden alle Aktivitäten des Forschers verstanden,<br />

die zu befragenden Personen über das Forschungsprojekt<br />

zu informieren, um somit das mit einem unerwarteten Telefonanruf<br />

verbundene Element der Überraschung zu reduzieren<br />

(Frey/Kunz/Lüschen 1990, S. 121).<br />

Diekmann, Andreas (1999): Empirische Sozialforschung. 5.<br />

Auflage. Hamburg: Reinbek<br />

Frey H. James / Kunz, Gerhard / Lüschen, Günther (1990):<br />

Telefonumfragen in der Sozialforschung. Methoden, Techniken,<br />

Befragungspraxis. Opladen: Westdeutscher Verlag<br />

<strong>Friedrich</strong>s, Jürgen (2000): Methoden empirischer Sozialforschung.<br />

14. Auflage. Opladen: Westdeutscher Verlag<br />

Fuchs, Marek (1995): Die computergestützte telefonische Befragung:<br />

Antworten auf Probleme der Umfrageforschung? In:<br />

Zeitschrift für Soziologie, Jg. 24, Heft 4 S. 284-299<br />

Lüschen, Günther (1979): Social Equality and the Impact of<br />

Education in Western Europe. Comparative Social Research 2,<br />

S. 41-69<br />

Wüst, Andreas M. (1998): Die Allgemeine Bevölkerungsumfrage<br />

der Sozialwissenschaften als Telefonumfrage. ZUMA-<br />

Arbeitsbericht 98/04<br />

5<br />

Vgl. Diskussionsanmerkung von Michael Behr auf Seite 90.<br />

6<br />

Z. B. ob die prozentualen Anteile an Wahlkreis- und Parlamentsarbeit<br />

sich zu 100 Prozent addieren.<br />

7<br />

Als high-flyer wurden alle Inhaber von Exekutivfunktionen,<br />

parlamentarische Geschäftführer, Mitglieder der Fraktionsvorstände<br />

und des Parlamentspräsidiums verstanden.<br />

Literatur<br />

ADM-Jahresbericht (2003): http://www.adm-ev.de/pdf/Jahresbericht_03.pdf<br />

Best et al. (2004): Zwischenauswertung der Deutschen Abgeordnetenbefragung<br />

2003/04. Informationsbroschüre. <strong>SFB</strong><strong>580</strong>/<strong>Universität</strong>-<strong>Jena</strong><br />

Büschges, Günter (1961): Die Gebietsauswahl als Auswahlmethode<br />

in der empirischen Sozialforschung. Dissertation. <strong>Universität</strong><br />

Köln<br />

Seite 55<br />

Collins, Martin et al. (1988): Nonresponse: the UK experience.<br />

In: Groves, Robert M. / Biemer P.P. / Lyberg L.E., et al., (eds.),


Interviewformen<br />

für Netzwerkerhebungen<br />

Seite 56


Netzwerkerhebungen<br />

Einleitung<br />

Personalisierte Fragebögen am<br />

Beispiel von Netzwerkerhebungen<br />

Sören Petermann<br />

5<br />

Jahrzehntelang war das Face-to-Face-<br />

Interview das Maß aller Dinge, wenn<br />

standardisierte Befragungen sozialer<br />

Netzwerke durchzuführen waren. Dies hing<br />

in der Vergangenheit mit deren Komplexität<br />

und der damit verbunden komplizierten Erhebung<br />

von Generatoren und Interpretatoren<br />

zusammen. So wurden relevante Studien im<br />

deutschsprachigen Raum, auf die das Teilprojekt<br />

A4 verweist, als Face-to-Face-Interviews<br />

durchgeführt (Däumer 1997, Laumann/Pappi<br />

1976). Man benötigt also gute Argumente, will<br />

man vom Face-to-Face- zum Telefoninterview<br />

wechseln. Wie lässt sich also begründen, dass<br />

im Teilprojekt A4 zur Untersuchung politisch-administrativer<br />

Eliten in sechs Untersuchungsgebieten<br />

in Ost- und Westdeutschland<br />

eine computerunterstützte Telefonbefragung<br />

(CATI) durchgeführt wird? Zunächst wird<br />

vorausgesetzt, dass die zu untersuchende Population<br />

telefonisch erreichbar ist (Fuchs 1994,<br />

Petermann 2001). Die zu untersuchenden<br />

Kommunalpolitiker des Teilprojekts A4 bilden<br />

eine Spezialpopulation, die aufgrund ihres<br />

Status ohnehin telefonisch erreichbar sein<br />

sollte. Die Voraussetzung der telefonischen<br />

Erreichbarkeit ist für sämtliche ausgewählten<br />

und befragbaren Kommunalpolitiker gegeben<br />

(<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> 2004). Aus Vergleichen zwischen<br />

Face-to-Face- und Telefoninterviews sind in<br />

der Methodenforschung zahlreiche Vorteile<br />

für Telefonbefragungen hervorgehoben worden,<br />

die sich auf den Ablauf sowohl in der<br />

Kontaktphase als auch in der Interviewphase<br />

beziehen (vgl. Fuchs 1994, Petermann 2001,<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> 2004, S. 327). Der wohl größte<br />

Vorteil ist die Zeit- und Kostenersparnis, die<br />

sich aus den zentral geführten Terminabsprachen<br />

und Interviews ergibt. Weil im Telefoninterview<br />

durch die zentral an einem Ort<br />

durchgeführte Befragung keine Reisekosten<br />

für Interviewer anfallen, müssen im Vergleich<br />

von Telefon- und Face-to-Face-Interview<br />

lediglich Telefongebühren gegen Reisekosten<br />

für Interviewer abgewogen werden. Gerade für<br />

räumlich ausgedehnte Befragungen<br />

können Fahrtkosten und Interviewerentlohnung<br />

für diese „Rüstzeit“<br />

Seite 57<br />

enorm hoch sein; Telefongebühren<br />

stellen dann nur noch einen Bruchteil<br />

dieser Reisekosten dar. Das Teilprojekt<br />

A4 untersucht ehemalige und gegenwärtige<br />

Kommunalpolitiker aus Nordrhein-Westfalen


Netzwerkerhebungen<br />

Einleitung<br />

und Sachsen-Anhalt. Gerade ehemalige Eliten<br />

müssen nicht zwangsläufig am Ort ihrer<br />

alten Tätigkeit wohnen - entsprechend hoch<br />

und schwierig kalkulierbar sind die für diese<br />

Gruppe zu veranschlagenden Reisekosten.<br />

Zwar liegen in der Regel die Telefongebühren<br />

unter den Fahrtkosten der Faceto-Face-<br />

Interviews. Die Entscheidung fällt<br />

jedoch deutlicher zugunsten der Telefoninterviews<br />

aus, wenn man die Kosten für das<br />

„Aufsuchen“ der Interviewpartner einbezieht<br />

(Kreiselmaier/Porst 1989). Mittlerweile<br />

machen die Kosten für Terminabsprachen,<br />

Terminverwaltung und Koordination von<br />

Interviewern und Befragungsterminen einen<br />

Großteil der Feldkosten aus. Dadurch das<br />

Kontakt- und Interviewphasen über das gleiche,<br />

preiswertere Kommunikationsmedium<br />

ablaufen, werden enorme Einsparpotenziale<br />

genutzt. Gerade vielbeschäftigte Elitenmitglieder,<br />

wie sie vom Teilprojekt A4 zu befragen<br />

waren, sind trotz hoher Teilnahmebereitschaft<br />

schwer zur Mitarbeit am Interview zu bewegen.<br />

Oftmals ist die Kontaktanbahnung umständlich,<br />

weil Sekretärinnen oder Referenten<br />

den direkten Zugang nur zögerlich gewähren,<br />

weil Kommunalpolitiker keine Büroarbeiter<br />

sind und weil Terminvereinbarungen auch mal<br />

platzen können. In unserer Untersuchung lag<br />

die mittlere Anzahl der Kontaktversuche bei<br />

20. Damit haben wir es noch mit vergleichsweise<br />

kooperativen Eliten zu<br />

tun, wie die Ergebnisse von Jahr und<br />

Seite 58 Martens in diesem Heft belegen. Ein<br />

weiterer Vorteil einer computergestützten<br />

Telefonbefragung ergibt sich<br />

für spontane Interviews. In unserer Befragung<br />

bestand immer die Möglichkeit, bereits in der<br />

Kontaktphase spontan, d.h. ohne Terminvereinbarung,<br />

ein Interview durchzuführen. Diese<br />

Möglichkeit wurde in der Elitenbefragung<br />

des A4-Projekts rege genutzt, denn allein 23<br />

% der Interviews wurden beim telefonischen<br />

Erstkontakt geführt. Für Face-to-Face-Interviews<br />

mit telefonischer Terminvereinbarung<br />

ergäbe sich in solchen Fällen ein logistisches<br />

Problem.<br />

Neben den Kosten bringt das Telefoninterview<br />

durch die Verknüpfung von Kontakt- und<br />

Interviewphase enorme Zeitsparpotenziale,<br />

wenn es sich um räumlich ausgedehnte Untersuchungsgebiete<br />

handelt. Dies kann anhand<br />

der Feldzeiten der Laumann/Pappi-Studie<br />

(1976) und der Däumer-Studie (1997) verdeutlicht<br />

werden. Laumann und Pappi hatten<br />

eine westdeutsche Kleinstadt als Untersuchungsgebiet<br />

ausgewählt und befragten 46<br />

Elitenmitglieder dieser Gemeinde innerhalb<br />

eines Monats. Däumer wählte einen Kreis als<br />

Untersuchungsgebiet und befragte eine nur<br />

unbedeutend größere Anzahl Bürgermeister<br />

(57). Zwar konstatiert Däumer eine hohe<br />

Teilnahmebereitschaft, allerdings war für<br />

Terminabsprachen und aufgrund der permanenten<br />

Zeitknappheit der Bürgermeister eine<br />

lange Feldphase von beinahe vier Monaten zu<br />

veranschlagen. Neben der Zeitersparnis in der<br />

Kontaktphase gibt es auch eine Zeitersparnis in<br />

der Interviewphase. Im computerunterstützten<br />

Telefoninterview können pro Zeiteinheit mehr<br />

Fragen gestellt werden als im Face-to-Face-<br />

Interview (Fuchs 1994). Bisher wurde diesem<br />

Argument entgegengehalten, dass telefonische<br />

Befragungen nicht länger als 30 Minuten dauern<br />

sollten. Faktisch können Telefoninterviews<br />

jedoch wesentlich länger dauern. Die durchschnittliche<br />

Interviewdauer in der Elitenbefragung<br />

des Teilprojekts A4 betrug mehr als eine


Netzwerkerhebungen<br />

Einleitung<br />

Stunde (63 Minuten) mit einem Maximum<br />

von über zwei Stunden (127 Minuten). Damit<br />

beläuft sich die Befragung auf insgesamt 147<br />

Interviewstunden. Bei einem Zeitverhältnis<br />

zwischen Telefoninterview und Face-to-Face-<br />

Interview von 1 zu 1,5 ergibt sich eine Ersparnis<br />

von etwa 74 Interviewstunden. Somit<br />

ist deutlich geworden, dass computergestützte<br />

Telefoninterviews mit integrierter telefonischer<br />

Kontaktierung und Terminvereinbarung,<br />

deutliche Zeit- und Kostenvorteile gegenüber<br />

Face-to-Face-Interviews haben.<br />

In älteren Methodenvergleichen wurde ein<br />

zweiter Vorteil für telefonische Befragungen<br />

in der besseren Ausschöpfung gesehen. Mittlerweile<br />

belegen jedoch vergleichende Meta-<br />

Analysen, dass hinsichtlich der Ausschöpfung<br />

keine Unterschiede zwischen Face-to-Faceund<br />

Telefoninterviews bestehen (Kreiselmaier/Porst<br />

1989). Für die hier untersuchten<br />

Kommunalpolitiker scheint die Ausschöpfung<br />

ohnehin kein relevantes Problem zu sein. Mit<br />

81 % Ausschöpfung ist die Elitenbefragung<br />

des A4-Projekts mit Abstand die erfolgreichste<br />

Telefonbefragung im <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> (<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> 2004).<br />

Dies scheint aber der besonderen Befragungsklientel<br />

kommunaler Eliten geschuldet zu sein.<br />

Diese scheinen generell hoch motiviert an Befragungen<br />

teilzunehmen. So haben Laumann<br />

und Pappi (1976, S. 273) 46 Interviews mit<br />

einflussreichen Personen geführt und damit<br />

eine Ausschöpfung von 90 % erzielt. Däumer<br />

(1997) berichtet gar eine Ausschöpfungsquote<br />

von 100 % seiner Face-to-Face-Befragung<br />

unter Bürgermeistern des Saalkreises. Im Referenzbundesland<br />

Nordrhein-Westfalen gab es<br />

in der jüngeren Vergangenheit zwei schriftliche<br />

Befragungen unter (hauptamtlichen) Bürgermeistern,<br />

wobei Schulenburg (1999) eine<br />

Ausschöpfungsquote von 77 % (57 Befragte)<br />

und Nienaber (2004) eine Rücklaufquote von<br />

66 % (260 Befragte) erzielten. Vergleicht man<br />

die Ausschöpfungen von Befragungen kommunaler<br />

Eliten, ergibt sich ein Vorteil für die<br />

Face-to-Face-Interviews. Gleichzeitig zeigt<br />

sich, dass Telefoninterviews den schriftlichen<br />

Befragungen überlegen sind.<br />

Ein dritter Vorteil ergibt sich insbesondere<br />

durch die Verknüpfung von Telefon und<br />

Computerunterstützung für die Organisation<br />

und den Ablauf von Kontakt- und Interviewphasen<br />

insgesamt. Die Computerunterstützung<br />

erlaubt eine automatische Steuerung der<br />

Terminverwaltung, des Interviewereinsatzes<br />

und eine automatische Filterführung. Dadurch<br />

wird der Interviewer von Nebenaufgaben entlastet<br />

und kann sich voll auf Kontaktierung<br />

und Interviewführung konzentrieren. Dieser<br />

Vorteil ergibt sich allerdings erst, wenn in<br />

der Kontaktphase ein hohes Aufkommen an<br />

Nachrecherche, Rücksprachen, unverbindlichen<br />

und verbindlichen Terminen usw. anfällt.<br />

Bei einer verhältnismäßig kleinen (Brutto-)<br />

Stichprobe von 186 Personen ist das scheinbar<br />

kein Problem. Zumal die Eliten bedingt durch<br />

ihr Tätigkeitsfeld generell häufig ein Telefon<br />

als Kommunikationsmittel nutzen. Dennoch<br />

ist diese Spezialpopulation schwer erreichbar.<br />

Denn gerade weil das Telefon ein häufiges<br />

Kommunikationsmittel für Eliten ist, werden<br />

eingehende Anrufe nach Wichtigkeit<br />

„sortiert“. Interviewgesuche, wenn sie<br />

nicht gerade von namhaften Journa-<br />

Seite 59<br />

listen kommen, dürften allgemein<br />

niedrige Rangplätze erhalten. Darüber<br />

hinaus sind Elitenmitglieder wegen zahlreicher<br />

Verpflichtungen außerhalb des Büros<br />

oftmals nicht telefonisch anzutreffen bzw.


Netzwerkerhebungen<br />

Einleitung<br />

interviewbar. So waren in der Elitenbefragung<br />

mit 181 zu kontaktierenden Personen nicht<br />

weniger als 882 Telefonkontakte notwendig,<br />

um letztendlich 138 Interviews zu führen.<br />

Das sind durchschnittlich 6,4 Kontakte pro<br />

erfolgreichem Interview. Der Interviewereinsatz<br />

war ebenfalls beträchtlich, so haben 18<br />

Personen Kontakte geknüpft und Interviews<br />

geführt. Ein Interviewer hat im Durchschnitt<br />

bei 49 Kontaktversuchen nicht mehr als 8<br />

Interviews geführt. Mit anderen Worten, bei<br />

Haustürkontakten und bei geringerem Personaleinsatz,<br />

wie in Face-to-Face-Interviews<br />

üblich, hätte ein deutlich größerer Zeitrahmen<br />

als die benötigten 3,5 Monate veranschlagt<br />

werden müssen.<br />

Als Zwischenresümee lässt sich konstatieren,<br />

dass Telefoninterviews für die Elitenbefragung<br />

des Teilprojekts A4 die bessere<br />

Erhebungsalternative gegenüber dem Faceto-Face-Interview<br />

ist. Deutliche Kosten- und<br />

Zeitersparnisse sind durch die CATI-Methode<br />

eingetreten. Die Interviewer können sich<br />

auf ihre Hauptaufgabe - den Frage-Antwort-<br />

Dialog - konzentrieren. Doch ein, für unsere<br />

Elitenbefragung wesentlicher Punkt ist bis<br />

jetzt noch gar nicht angesprochen worden,<br />

nämlich die Möglichkeit der Personalisierung<br />

des Interviews.<br />

Personalisierung in Netzwerkerhebungen<br />

Seite 60<br />

Personalisierung bedeutet, dass<br />

nicht allen Befragten die gleichen<br />

Fragen gestellt werden, sondern dass aufgrund<br />

bekannter Informationen über die befragte<br />

Person der Befragungsablauf gesteuert wird,<br />

indem zum Beispiel bestimmte Fragen zu<br />

stellen sind oder gerade nicht gestellt werden.<br />

Zunächst ist unter Personalisierung im CATI<br />

die automatische Filterführung zu verstehen.<br />

Automatische Filterführung bedeutet eine enorme<br />

Entlastung der Interviewer von Entscheidungen<br />

hinsichtlich der Fragenreihenfolge.<br />

Beispielsweise wird zunächst der Familienstand<br />

der befragten Person erhoben. Nichtverheiratete<br />

Personen werden herausgefiltert und können<br />

nun befragt werden, ob sie einen Lebenspartner<br />

haben. Im computergestützten Interview wird<br />

die Entscheidung, welche Frage als nächste zu<br />

beantworten ist, vom programmierten Fragebogen<br />

übernommen, d.h. der Interviewer trifft<br />

die Entscheidung nicht selbst, sondern muss<br />

nur noch die jeweilige Frage vorlesen. Entsprechende<br />

Intervieweranweisungen sind nicht<br />

notwendig, wodurch der Interviewer entlastet<br />

wird.<br />

Nun traue ich den meisten Interviewern<br />

zu, die richtige Filterentscheidung im Familienstand-Lebenspartner-Beispiel<br />

zu fällen. Personalisierung<br />

bedeutet in der Tat mehr als nur<br />

simple Filterführung. Mit bekannten Informationen<br />

sind nicht nur während der Befragung<br />

generierte Angaben gemeint, sondern auch<br />

relevante, vor dem Interview bekannte Angaben,<br />

die quasi als Input in die Befragung genommen<br />

werden. Für die Elitenbefragung des<br />

Teilprojekts A4 wurden im Vorfeld zahlreiche,<br />

öffentlich zugängliche Informationen über die<br />

Kommunalpolitiker gesammelt. Dies war aufgrund<br />

der Stichprobenziehung notwendig. Da<br />

wir den Positionsansatz gewählt haben, wurden<br />

Daten für alle sechs Untersuchungsgebiete zu<br />

den Elitenpositionen erhoben, um anschließend<br />

die Personen zu identifizieren, die diese<br />

Positionen besetzen bzw. nach 1990 besetzten.


Netzwerkerhebungen<br />

Einleitung<br />

Neben den Namen und Telefonnummern der<br />

Kommunalpolitiker, die zur Identifizierung<br />

und Ingangsetzung der Telefoninterviews als<br />

Input in das CATI-System eingingen, wurde<br />

das CATI-System zusätzlich mit Informationen<br />

zur bekleideten Elitenposition (politische<br />

oder administrative Elite) sowie der Spezifikation<br />

dieser Positionen (Partei- bzw. Dezernatszugehörigkeit)<br />

versorgt. Diese Informationen<br />

gaben der Befragung eine persönlichere Note:<br />

Die Befragten wurden direkt mit Namen<br />

angesprochen, in verschiedenen Fragen floss<br />

Filterführungen erfolgen zunächst mit der<br />

Angabe zum Positionsstatus (ehemaliges oder<br />

gegenwärtiges Elitenmitglied). Beispielsweise<br />

gibt es für ehemalige Elitenmitglieder einen<br />

Fragenblock zum Ausscheiden aus der Elitenposition<br />

und zum politischen und beruflichen<br />

Werdegang nach dem Ausscheiden. Für<br />

gegenwärtige, nicht aber für ehemalige Elitenmitglieder<br />

gibt es Fragen zur Zufriedenheit<br />

mit der lokalen Politik.<br />

Die eigentliche Personalisierung erfolgt<br />

nun in der Verknüpfung der Informationen<br />

zum Untersuchungsgebiet und den Namen<br />

der 181 Elitenmitglieder. Damit lassen sich die<br />

Elitennetzwerke dieser Untersuchungsgebiete<br />

abbilden (Abbildung 1).<br />

Ost<br />

West<br />

Großstadt 43 42<br />

Mittelstadt 33 14<br />

Landkreis 26 23<br />

Abbildung 1 - Anzahl der Eliten (= Netzwerkgröße) in<br />

den sechs Untersuchungsgebieten<br />

die genaue Dienstbezeichnung ein und signalisierte<br />

dem Befragten, dass der Interviewer<br />

Vorkenntnisse über ihn hat, dass ein erhöhtes<br />

Interesse an seiner Person besteht und er kein<br />

x-beliebiger Interviewpartner unter Tausenden<br />

ist. Dies trägt zu einer vertrauensvolleren und<br />

für den Befragten angenehmeren Befragungsatmosphäre<br />

bei. Diese Informationen hatten<br />

allerdings keine Auswirkungen auf den Befragungsablauf<br />

in dem Sinne, dass eine automatische<br />

Filterführung daran gebunden ist.<br />

Zu beachten ist, dass sich für jeden Befragten<br />

eine einmalige Informationsmenge<br />

ergibt, weil das Netzwerk natürlich immer<br />

aus dem Blickwinkel des Befragten erhoben<br />

wird. Insgesamt werden bis zu 50 verschiedene<br />

Informationen pro Befragten im Interview<br />

verwendet. Ich glaube, diese Informationen<br />

einzustudieren dauert länger als das eigentliche<br />

Interview. Ob der Interviewer im entscheidenden<br />

Moment die richtigen Informationen<br />

für die etwa 300 Filterentscheidungen unseres<br />

Fragebogens heranziehen kann, ist<br />

damit noch gar nicht gesagt. Diese<br />

Fähigkeit scheint mir aber doch eine<br />

Seite 61<br />

Meisterleistung zu sein, so dass man<br />

mit Fug und Recht behaupten kann,<br />

dass die Computerunterstützung im Hinblick<br />

auf die Personalisierung einen bedeutenden<br />

Beitrag zur Interviewerentlastung leistet.


Netzwerkerhebungen<br />

Einleitung<br />

Personalisierung ist aber auch mehr als<br />

nur Filterführung - es bedeutet auch Fragengenerierung.<br />

Im Netzwerkprojekt Halle (vgl.<br />

Petermann 2001, 2002), einer Untersuchung<br />

zu sozialer Unterstützung durch egozentrierte<br />

Netzwerke, wurden die Netzwerke durch<br />

Namensgeneratoren erhoben. Anders als die<br />

Erhebung der Netzwerke in der Elitenbefragung<br />

war der Umfang der Netzwerke vor dem<br />

Interview nicht bekannt. Erst im Interview<br />

wurden die Namen der Netzwerkpersonen<br />

erhoben, wobei die Ego-Netzwerke bis zu<br />

33 Personen umfassen. Zu diesen Netzwerkpersonen<br />

waren zusätzlich etwa 40 Angaben,<br />

beispielsweise der Verwandtschaftsgrad oder<br />

die Stärke der Beziehung, zu erheben. Durch<br />

die Personalisierung wurden also bis zu 1.300<br />

Informationen generiert. Ohne Auswahl<br />

besonders fähiger Interviewer, ohne umfangreiche<br />

Interviewschulungen und vor allem<br />

ohne Computerunterstützung sind solche<br />

Datenerhebungen in einem zeit- und kostengünstigen<br />

Rahmen nur schwerlich möglich.<br />

Personalisierung bedeutet gerade im<br />

Zusammenhang mit Netzwerkbefragungen<br />

auch eine realitätsnähere Datenerhebung<br />

durch offene Fragen. Gewöhnlich werden<br />

aufgrund der Komplexität der Netzwerkdaten<br />

Namensgeneratoren durch eine Höchstzahl<br />

und gelegentlich durch eine Mindestzahl<br />

begrenzt. Im General Social Survey<br />

1985 wurde erstmals ein Namensgenerator<br />

eingesetzt, der nach Personen<br />

Seite 62 fragt, mit denen man wichtige Dinge<br />

besprochen hat (Marsden 1987).<br />

Zwar konnten beliebig viele Personen<br />

genannt werden, nachfolgende Namensinterpretatoren<br />

(Alter, Geschlecht, Bildung usw.)<br />

wurden aber nur für die ersten fünf Personen<br />

erfragt. Eingeschränkter geht der ALLBUS<br />

2000 vor, denn in dieser Bevölkerungsumfrage<br />

konnten nicht mehr als drei Personen genannt<br />

werden, mit denen man am häufigsten privat<br />

zusammen ist (ALLBUS 2000 CAPI-PAPI).<br />

Doch nicht nur in allgemeinen Bevölkerungsumfragen<br />

sondern auch in Elitenbefragungen<br />

wird dieser Weg gewählt. Ein Beispiel ist die<br />

Elitenstudie von Laumann und Pappi (1976).<br />

Zunächst können (beinahe) beliebig viele<br />

Personen einer Liste zu verschiedenen Namensgeneratoren<br />

genannt werden, schließlich<br />

werden davon jeweils drei mit dem intensivsten<br />

Kontakt ausgewählt. Solche zahlenmäßigen<br />

Begrenzungen der Netzwerke erfolgen zumeist<br />

aus forschungsökonomischen und datenanalytischen<br />

Gründen. Bayer (2004) betont jedoch<br />

die Bedeutung offener Fragen für die Operationalisierung<br />

theoretischer Konzepte im Telefoninterview.<br />

Hierdurch wird eine realitätsnähere<br />

Erhebung gewährleistet. Für Netzwerkerhebungen<br />

bedeutet das, den Interviewten keine<br />

zahlenmäßige Begrenzung für die Antworten<br />

auf Netzwerkgeneratoren vorzugeben. Diese<br />

Forderung wurde in der Elitenbefragung des<br />

Teilprojekts A4 umgesetzt. Netzwerkfragen<br />

wurden ohne vorgegebene Höchstzahl an zu<br />

nennenden Personen gestellt, d.h. es konnte<br />

minimal niemand und maximal alle Personen<br />

des jeweiligen Netzwerks ausgewählt werden.<br />

Eine weitere Anmerkung, die gleichzeitig<br />

den Bogen zum Vergleich von Netzwerkerhebungen<br />

in Telefon- und Face-to-Face-Interviews<br />

spannt, betrifft die Personalisierung<br />

durch Erfragung persönlicher Angaben der<br />

Netzwerkbeziehungen. Diese Angaben und<br />

hier insbesondere die Nennung von Namen<br />

nahe stehender Personen sind heikle Fragen,<br />

die viele Befragte dazu veranlassen kann, Antworten<br />

auf diese Fragen zu verweigern oder


Netzwerkerhebungen<br />

Einleitung<br />

gar das Interview abzubrechen (vgl. Petermann<br />

2000). Werden Antworten auf heikle oder<br />

sensitive Fragen gegeben, wird eine eher geringe<br />

Zuverlässigkeit der Antworten erwartet.<br />

Verzerrte Antworten, Antwortverweigerungen<br />

und Interviewabbrüche sind Versuche des<br />

Interviewten, sich dem Diktum des Interviewablaufs<br />

und dem normativen Einfluss des Interviewers<br />

zu entziehen. Ein solches Blockadebzw.<br />

Verweigerungshandeln zeigen Interviewte<br />

eher, wenn die Kosten des normabweichenden<br />

Verhaltens geringer sind. Eine solche Low-<br />

Cost-Situation trifft eher für das anonymere<br />

Telefoninterview zu. Entsprechend größer sind<br />

diese Kosten, wenn man dem Interviewer „ins<br />

Gesicht“ sagen muss, dass man die Antwort<br />

oder das weitere Interview verweigert.<br />

Leider liegen keine Vergleichsdaten von<br />

den oben erwähnten Face-to-Face-Interviews<br />

kommunaler Eliten vor. Für die Elitenbefragung<br />

des Teilprojekts A4 lassen sich aber<br />

folgende Ergebnisse anführen. Interviewabbrüche<br />

waren mit einem Anteil von 1 % an<br />

der Nettostichprobe äußerst gering, wobei kein<br />

Abbruch nach einer heiklen Netzwerkfrage<br />

erfolgte. Die Antwortverweigerungen bei den<br />

Netzwerkabfragen lagen im Schnitt bei 1 %<br />

mit einem einmaligen Maximum von 7 %.<br />

Antwortverzerrungen konnten nicht geprüft<br />

werden. Abbrüche und Antwortverweigerungen<br />

aufgrund heikler Netzwerkfragen sind<br />

für die Elitenbefragung demnach praktisch<br />

nicht zu konstatieren. Ähnliche und dennoch<br />

problematischere Ergebnisse wurden im bereits<br />

erwähnten Netzwerkprojekt Halle erzielt.<br />

Der Anteil vorzeitiger Abbrüche durch die<br />

Befragten an der Nettostichprobe lag mit 3 %<br />

geringfügig höher. 1% davon erfolgte allerdings<br />

während der Erhebung der Namensgeneratoren.<br />

Antwortverweigerungen kamen dagegen<br />

praktisch überhaupt nicht vor. Über die<br />

17 Namensgeneratoren schwankt der Anteil<br />

fehlender Werte (Weiß-nicht-Antworten und<br />

Antwortverweigerungen) lediglich zwischen 0<br />

und 1 %. Zwar sind die Probleme der Netzwerkfragen<br />

äußerst gering und unterscheiden<br />

sich nicht von anderen Fragen, aber es zeigt<br />

sich, dass Eliten eher die Antworten verweigern,<br />

während die Bevölkerung eher das<br />

Interview gänzlich abbricht. Dieser Befund<br />

könnte mit größerer Kompromissbereitschaft<br />

der Eliten interpretiert werden.<br />

Für die Befragung des Netzwerkprojekts<br />

Halle liegt darüber hinaus ein Indikator für<br />

Antwortverzerrungen vor. Im unmittelbaren<br />

Anschluss an die Interviews wurden die Interviewer<br />

gebeten, Fragen zum Interviewverlauf<br />

zu beantworten. Bezüglich der Namensgeneratoren<br />

wurde gefragt, ob zu viel oder zu wenig<br />

Namen genannt wurden. Zunächst deuten die<br />

Ergebnisse darauf hin, dass in der Mehrheit<br />

der Interviews (81 %) keine Verzerrungen<br />

vorliegen. In nur 1 % der Interviews wurden<br />

nach Interviewerangaben zu viele Namen<br />

genannt. Gleichzeitig geben die Interviewer<br />

eine massive Zurückhaltung bei der Namensnennung<br />

an. In 18 % der geführten Interviews<br />

schätzten die Interviewer eine zögerliche<br />

Namensnennung, vorrangig bei Fragen zur<br />

Geselligkeitsunterstützung, wie dem gemeinsamen<br />

Verbringen der Freizeit,<br />

gemeinsamen Hobbygesprächen oder<br />

dem Einladen von Geburtstagsgäs-<br />

Seite 63<br />

ten. Auch wenn Interviewerangaben<br />

nicht die zuverlässigsten und validesten<br />

Indikatoren für Antwortverzerrungen bei<br />

Netzwerkfragen darstellen, weisen doch die<br />

Ergebnisse in die erwartete Richtung.


Netzwerkerhebungen<br />

Einleitung<br />

Ein möglicher Einwand gegen diese Formen<br />

der Personalisierung liegt im Verlust standardisierter<br />

Angaben: Befragte können nicht<br />

ohne weiteres miteinander verglichen werden.<br />

Doch hierfür gibt es spezielle Analyseverfahren<br />

(Burt 1980, Petermann 2005). So können<br />

die Netzwerkdaten der Elitenbefragung mittels<br />

Blockmodellanalysen verdichtet werden.<br />

Die Ergebnisse dieser Analysen können dann<br />

als Input herkömmlicher Datenanalyseverfahren<br />

dienen. Angaben aus egozentrierten<br />

Netzwerken können in Mehrebenenanalysen<br />

einfließen, welche die Gruppierung von<br />

Netzwerkbeziehungen zu Ego-Akteuren<br />

berücksichtigen. Die Datenauswertung stellt<br />

heute kein Hindernis für die personalisierte<br />

Erfassung von Netzwerken dar.<br />

Abschließend kann festgehalten werden,<br />

dass in Bezug auf Netzwerkerhebungen sowohl<br />

in Eliten- als auch in Bevölkerungsbefragungen<br />

computerunterstützte Telefoninterviews zum<br />

Einsatz kommen können. Vorteilhaft ist der<br />

Einsatz von Telefon- gegenüber Face-to-Face-<br />

Interviews für Netzwerkerhebungen aber nur<br />

dann, wenn die Erhebungseinheiten räumlich<br />

weit verstreut sind und/oder wenn der Kontaktaufwand<br />

vor dem eigentlichen Interview<br />

hoch ist (wie im Falle von Elitenbefragungen<br />

üblich). Dagegen werden<br />

mit Telefoninterviews keine besseren<br />

Seite 64 Ausschöpfungsquoten erreicht. Die<br />

Computerunterstützung erlaubt die<br />

für Netzwerkerhebungen essentielle<br />

Personalisierung der Fragebögen. Personalisierung<br />

ist eine quantitative und qualitative<br />

Weiterentwicklung herkömmlicher Filterfragen<br />

und Filterführungen. Maßgeschneiderte<br />

Fragebögen, die eine große Zahl persönlicher<br />

Informationen als Befragungsinput verarbeiten<br />

oder sogar erst im Interview erzeugen können,<br />

werden dadurch möglich. Moderne Verfahren<br />

erlauben sinnvolle Verknüpfungen dieser idiosynkratischen<br />

Informationen in quantitativen<br />

Datenanalysen. Soziale Netzwerkdaten können<br />

damit valider als bisher erhoben werden.<br />

Allerdings erlaubt die Offenheit der Namensgeneratoren<br />

zugleich eine Antwortverzerrung<br />

„nach unten“.<br />

Fazit


Netzwerkerhebungen<br />

Einleitung<br />

Literatur<br />

ALLBUS 2000 CAPI - PAPI: Codebuch ZA-Nr. 3450.<br />

Bayer, Michael (2004): Ein Versuch, das telefonische Interview<br />

zu verstehen. In: Michael Bayer und Sören Petermann (Hrsg.):<br />

Soziale Struktur und wissenschaftliche Praxis im Wandel. Festschrift<br />

für Heinz Sahner. Wiesbaden: VS Verlag. S. 157-180<br />

Burt, Ronald S. (1980): Models of Network Structure, Annual<br />

Review of Sociology 6, S. 79-141<br />

Däumer, Roland (1997): Vom demokratischen Zentralismus<br />

zur Selbstverwaltung: Verwaltungen und Vertretungen kleiner<br />

kreisangehöriger Gemeinden Ostdeutschlands im Transformationsprozeß<br />

(Raum Halle: Saalkreis). Hamburg: Kovac<br />

Fuchs, Marek (1994): Umfrageforschung mit Telefon und<br />

Computer. Einführung in die computergestützte telefonische<br />

Befragung. Weinheim: Beltz<br />

Kreiselmaier, Jutta / Porst, Rolf (1989): Methodische Probleme<br />

bei der Durchführung telefonischer Befragungen. Stichprobenziehung<br />

und Ermittlung von Zielpersonen, Ausschöpfungen und<br />

Non-Response, Qualität der Daten. Mannheim: Zentrum für<br />

Umfragen, Methoden und Analysen<br />

Petermann, Sören (2001): Soziale Vernetzung städtischer und<br />

ländlicher Bevölkerungen am Beispiel der Stadt Halle. Abschlussbericht<br />

und Codebuch. Der Hallesche Graureiher 2001-2.<br />

Forschungsberichte des Instituts für Soziologie. Martin-Luther-<br />

<strong>Universität</strong> Halle-Wittenberg<br />

Petermann, Sören (2002): Persönliche Netzwerke in Stadt und<br />

Land: Siedlungsstruktur und soziale Unterstützungsnetzwerke<br />

im Raum Halle/Saale. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag<br />

Petermann, Sören (2005): Einsatzmöglichkeiten der Netzwerkanalyse<br />

am Beispiel politischer und administrativer Führungskräfte.<br />

Erscheint In: Aderhold, Jens / Meyer, Matthias / Wetzel,<br />

Ralf (Hrsg.): Modernes Netzwerkmanagement. Anforderungen<br />

- Methoden - Anwendungsfelder. Wiesbaden: Gabler, S. 343-<br />

365<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong>, 2004: Arbeits- und Ergebnisbericht 2001 - 2004.<br />

<strong>Jena</strong>/Halle: Sonderforschungsbereich <strong>580</strong><br />

Schulenburg, Klaus (1999): Direktwahl und kommunalpolitische<br />

Führung. Der Übergang zur neuen Gemeindeordnung in<br />

Nordrhein-Westfalen. Basel: Birkhäuser<br />

Laumann, Edward O. / Pappi, Franz Urban (1976): Networks<br />

of Collective Action. A Perspective on Community Influence<br />

Systems. New York: Academic Press<br />

Nienaber, Georg (2004): Direkt gewählte Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen:<br />

Positionierung zwischen Bürgern, Politik und<br />

Verwaltung im Fokus von Effektivierung und Demokratisierung<br />

der lokalen Ebene. Marburg: Tectum<br />

Marsden, Peter V. (1987): Core Discussion Networks of Americans,<br />

American Sociological Review 52, S. 122-131<br />

Petermann, Sören (2000): Die Erhebung sozialer Netzwerke im<br />

computerunterstützten Telefoninterview. Eine Methodendiskussion<br />

zum Forschungsprojekt Soziale Vernetzung städtischer und<br />

ländlicher Bevölkerungen am Beispiel der Stadt Halle/Saale.<br />

Halle: Martin- Luther-<strong>Universität</strong> Halle-Wittenberg, Institut<br />

für Soziologie<br />

Seite 65


Telefonische<br />

Experteninterviews<br />

mit Managern -<br />

Nutzen,<br />

Anforderungen,<br />

Praxis<br />

Seite 66


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

6<br />

Telefonische Experteninterviews<br />

mit Managern – Nutzen,<br />

Anforderungen, Praxis<br />

CATI im Einsatz der<br />

industriesoziologischen<br />

Forschung zu Personalwirtschaft<br />

und regionalen Arbeitsmärkten<br />

Thomas Engel, Michael Behr<br />

In der Werkzeugkiste der Methoden, derer<br />

sich Sozialforscher bei der Konzeption ihrer<br />

Forschungsdesigns bedienen, spielt das<br />

Experteninterview oder die Expertenbefragung<br />

als Instrument für einen qualitativen Ansatz<br />

eine Schlüsselrolle. Eine Expertenbefragung<br />

lässt sich definieren als „eine ermittelnde<br />

Befragung, bei der sich die Befragungsperson<br />

durch einschlägiges Wissen auszeichnet und<br />

Zielobjekt der Informationsbeschaffung ist“<br />

(Frackmann 1980, S. 34). Im Gegensatz zu<br />

anderen Interviewformen z.B. des narrativen,<br />

des fokussierten, des biographischen oder des<br />

Leitfadeninterviews – orientiert sich dieses<br />

Instrument von vornherein auf eine Zielgruppe<br />

und richtet seine Vorgehensweise an deren<br />

„vorgängigen Regeln der alltagsweltlichen<br />

Kommunikation“ (Schütze u.a. 1981, S. 434)<br />

aus. 1 Lange Zeit stand in der qualitativen Sozialforschung<br />

das Paradigma des narrativen<br />

Interviews im Vordergrund, in dem sich der<br />

Interviewer neutral, auf keinen Fall intervenierend,<br />

zu verhalten hat. Rainer Trinczek<br />

(1995) arbeitet besonders pointiert heraus,<br />

dass das Experteninterview dagegen in der<br />

Alltagswelt Betrieb auf eine argumentativ-diskursive<br />

Gesprächsführung setzen muss, weil<br />

die Gesprächspartner diese Kommunikationsstruktur<br />

kennen und diesen Stil von ihrem<br />

Gegenüber gleichermaßen erwarten. Diese<br />

völlig zu Recht formulierte Anforderung an<br />

das Experteninterview darf aber nicht zu der<br />

Schlussfolgerung führen, das Instrument sei<br />

kein geeignetes Verfahren zur systematischen<br />

Datengenerierung (vgl. Pfadenhauer 2002),<br />

wie wir am Beispiel des telefonischen<br />

Experteninterviews zeigen wollen.<br />

Seite 67<br />

Der vorliegende Text schlägt den<br />

Bogen von den kommunikativen<br />

Anforderungen, die herkömmliche Face-to-<br />

Face-Experteninterviews mit Managern sowie<br />

anderen betrieblichen Akteuren mit sich


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

bringen, zu den kommunikativ-technischen<br />

Möglichkeiten computergestützter Telefoninterviews<br />

(CATI). Es soll gezeigt werden,<br />

dass telefonische Experteninterviews mit<br />

Managern unter anspruchsvollen Voraussetzungen<br />

sehr gute Ergebnisse generieren, und<br />

unabhängig von rein forschungsökonomischen<br />

und budgettechnischen Erwägungen durchaus<br />

sowohl qualitativen als auch quantitativen Ansprüchen<br />

2 genügen können.<br />

Eine weitere Intention des Beitrags ist es,<br />

methodische Gestaltungsspielräume und Grenzen<br />

von computergestützten Telefoninterviews<br />

bei der Expertenbefragung zu diskutieren.<br />

Herausgearbeitet werden verschiedene Aspekte<br />

der Qualitätssicherung und Anforderungen,<br />

die sich im Laufe des Forschungsprozesses<br />

durch Einsatz dieses Instruments ergeben.<br />

Im folgenden wird die These vertreten, dass<br />

CATI besonders geeignet ist für die Befragung<br />

von Mitgliedern des betrieblichen Managements,<br />

von Vertretern aus dem Bildungs- und<br />

Forschungsbereich sowie des Leitungspersonals<br />

und von Fachexperten aus intermediären<br />

Organisationen, für die generell strukturierte<br />

Kommunikation eine große Rolle spielt und<br />

deren tägliche Arbeit stark durch das Kommunikationsmedium<br />

Telefon geprägt ist. Diese<br />

Zielgruppen erfordern einen professionellen<br />

Umgang in der Vor- und Nachbereitung und<br />

in der Durchführung von Interviews.<br />

Dieser Befragungstyp hat wenig ge-<br />

Seite 68 meinsam mit Haushaltsbefragungen<br />

in der Markt-, Produktimage- oder<br />

Wahlforschung, die typischerweise im<br />

Auftrag von größeren Firmen oder Instituten<br />

von professionellen Call-Centern abgewickelt<br />

werden.<br />

Die empirische Grundlage für unsere<br />

Überlegungen liefern Erfahrungen aus einer<br />

großen Zahl von Telefonbefragungen, die von<br />

den Autoren seit 1998 – ursprünglich angeregt<br />

durch Burkart Lutz während des von der<br />

VW-Stiftung geförderten Projekts „Bildung,<br />

Arbeitsmarkt und Beschäftigung in postsozialistischen<br />

Gesellschaften“ sowie im Rahmen<br />

zahlreicher Untersuchungen zum ostdeutschen<br />

Arbeitsmarkt, zur Wirtschaftsstruktur und zum<br />

Beschäftigungssystem durchgeführt wurden. 3<br />

Dazu gehören Studien zur Regionalentwicklung,<br />

Branchenpotential- sowie Personal- und<br />

Qualifikationsbedarfsanalysen. Dabei wurden<br />

Geschäftsführer aus Unternehmen in einigen<br />

Schwerpunktregionen Mitteldeutschlands wie<br />

der Region Dessau im Bereich Metall / Elektro,<br />

der Optikregion <strong>Jena</strong>, der Automobil- und<br />

Maschinenbauregion Südwestsachsen bereits<br />

mehrfach befragt. 4<br />

Die Reflexionen über das Instrument ,Telefonische<br />

Expertenbefragung’ beruhen auf<br />

intensiven Diskussionen über die Vor- und<br />

Nachteile sowie den laufenden Verbesserungen<br />

von CATI unmittelbar im konkreten Forschungskontext<br />

und dem Vergleich mit ähnlich<br />

gelagerten, aber auf Fallstudien setzenden<br />

Projekten. 5<br />

1. Wandel der Forschungsdesigns: Von<br />

Fallstudien mit Face-to-Face-Experteninterviews<br />

zu CATI-Befragungen mittlerer<br />

Fallzahlen<br />

Seit Ende der 90er Jahre erschließt sich die<br />

Industrie- und Wirtschaftssoziologie sowie<br />

die Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Managementforschung<br />

zunehmend die Möglichkeiten


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

der CATI-Befragung. Vergleicht man Forschungsdesigns<br />

aus Projektanträgen der 70er<br />

Jahre und Anfang der 80er Jahre mit denen der<br />

90er Jahre fällt auf, dass die Orientierung an<br />

größeren Fallzahlen stark zugenommen hat.<br />

Die Bewilligungschancen qualitativer Studien,<br />

die sich ausschließlich auf einige wenige<br />

vertiefende Einzelfallanalysen im Rahmen<br />

elaborierter Fallstudiendesigns stützen, sind<br />

geringer geworden. Demgegenüber werden<br />

mittlere Fallzahlengrößen gefordert, um der<br />

Gefahr einer kurzschlüssigen Generalisierung<br />

einzelner Fälle entgegenzuwirken. Gestützt<br />

wurde die Forderung nach größeren Fallzahlen<br />

durch die zunehmende Infragestellung des<br />

ursprünglichen modernisierungstheoretischen<br />

Ansatzes in der Industrie-, Arbeits- und<br />

Wirtschaftssoziologie, demzufolge Kapitalverwertungsimperative<br />

relativ bruchlos in betriebliche<br />

Arbeitsstrukturen und Personalpolitiken<br />

durchschlagen. Mit der Stärkung der Position,<br />

dass mikropolitische und akteurspezifische<br />

Konstellationen in hohem Maße an Bedeutung<br />

gewinnen und damit das Maß an Kontingenz<br />

und Konzeptionspluralismus steigt, steigt<br />

der Bedarf an Studien und Fallzahlen, die es<br />

möglich machen, das Spektrum an Varianz<br />

abzubilden.<br />

Darüber hinaus stieg das Interesse, das<br />

Maß an ‚qualitativer Repräsentanz’ von Aussagen<br />

aus Fallstudien auf die Grundgesamtheit<br />

insgesamt zu übertragen. Auch von Seiten der<br />

Auftraggeber und Projektfinanziers erhöht<br />

sich der Druck auf das wissenschaftliche<br />

Gütekriterium der Repräsentativität von Forschungsergebnissen.<br />

Aus diesem Anspruch<br />

heraus, entwickelten sich teilweise Mix-Designs,<br />

die sowohl vertiefende Einzelfallstudien<br />

– in denen die Fallspezifik besonders gründlich<br />

herausgearbeitet werden konnte – als auch<br />

Breitenerhebungen vorsahen. Der Industrieund<br />

Arbeitssoziologie kommt dabei zugute,<br />

dass sie methodische Grundsatzfragen ohnehin<br />

leichter zugunsten einer an Theoriebildung<br />

und der Gewinnung nachvollziehbarer<br />

empirischer Ergebnisse zurückzustellen bereit<br />

war. Der ‚methodologische Pragmatismus’ der<br />

Industrie- und Arbeitssoziologie befördert<br />

dabei Entwicklungen, die Forschungsdesigns<br />

mit breiter Instrumentennutzung vorsehen.<br />

Genau für diese Strategie der Ausweitung<br />

von Fallzahlen bei gleichzeitig hoher Skepsis<br />

gegenüber standardisierten schriftlichen Befragungen<br />

bot sich das qualifizierte Telefoninterview<br />

auf Basis der Methodik des systematisierenden<br />

Expertengespräches (im Gegensatz<br />

zum explorativen und theoriegenerierenden<br />

Expertengespräch – zur Unterscheidung vgl.<br />

Bogner/Menz 2002) an.<br />

In dem Maße wie sich die Einsatzmöglichkeiten<br />

des Instruments verbesserten<br />

und effizienter wurden, kann die Forschung<br />

diesem gestiegenem Anspruch nachkommen.<br />

Klassische Face-to-Face-Interviews werden<br />

weiterhin eine wichtige Rolle in der explorativen<br />

Phase und der Problemgenerierung<br />

behaupten. Methodisch belastbar werden<br />

dagegen die Aussagen, die sich auf größere<br />

Fallzahlen stützen, und unter kontrollierten<br />

Bedingungen entstanden sind.<br />

Sieht man einmal von der Mög-<br />

Seite 69<br />

lichkeit sehr ausführlicher und langer<br />

Vor-Ort-Interviews ab, in denen<br />

zwischen Interviewer und Interviewtem ein<br />

besonderes Vertrauensverhältnis entsteht,<br />

wobei die Gesprächspartner regelrecht eine


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

Deutungs- und Interpretationsgemeinschaft<br />

bilden und sich gemeinsam in den „Entdeckungszusammenhang“<br />

wissenschaftlicher<br />

Forschungsprobleme verstricken lassen, lässt<br />

sich zwischen beiden Interviewformen kein<br />

wesentlicher Qualitätsverlust feststellen. Im<br />

Gegenteil, das Telefon bringt gegenüber dem<br />

direkten Gespräch vor Ort sogar gewisse Vorteile<br />

für die Interviewführung. 6<br />

2. Kommunikativ-technische Anforderungen<br />

an Experteninterviews<br />

2.1 Erwartungen der Probanden<br />

Ausgehend von einem Ansatz der Methodenwahl<br />

entsprechend der alltagsweltlichen<br />

Kommunikationserfahrungen unserer Probanden<br />

ist zunächst die Frage zu beantworten,<br />

welche (kommunikativen) Erwartungen haben<br />

Manager und andere betriebliche Akteure<br />

an eine Interviewsituation, vor die sie sich<br />

durch Sozialwissenschaftler gestellt sehen.<br />

Der betriebliche Alltag enthält eine Reihe<br />

von Gesprächsroutinen, die regelmäßig zu<br />

absolvieren sind (wöchentliche Arbeitsgruppenbesprechungen,<br />

Betriebsversammlungen,<br />

Vorstandssitzungen, Mitarbeitergespräche<br />

u.ä.), aber auch spontane oder kurzfristig<br />

anberaumte Problemlösungs- und Fachgespräche.<br />

Ergebnisse dieser Gespräche<br />

sind immer handlungsstrukturierende<br />

Termine, Zielverabredungen und<br />

Seite 70 eine Planung nächster Tätigkeitsschritte.<br />

Das Interview mit einer<br />

Forschungsgruppe bedeutet zunächst<br />

ein Ausnahmezustand im Tagesablauf, weil<br />

dieses Gespräch voraussichtlich keine Handlungsstrukturierung<br />

hervorbringen wird, man<br />

also ohne ein strategisches Ziel in das Treffen<br />

gehen kann. Zudem zieht es Zeit von der Erledigung<br />

des Alltagsgeschäftes ab, ohne dass dies<br />

als Investition interpretiert werden kann. 7<br />

Diese Prämissen zwingen den Interviewer<br />

dazu, den Gesprächspartner zunächst bei seinem<br />

(Spezial-)Thema „abzuholen“, um ihn für<br />

das Gespräch zu gewinnen. Aus den ersten Frage-Antwort-Sequenzen<br />

muss deutlich werden,<br />

warum das Gespräch mit dieser Person geführt<br />

wird, weil nur dieser Weg zu im Sinne des<br />

Studienzieles wertvollen Erkenntnissen führt.<br />

Dies leistet kein Ansatz besser als die Anerkennung<br />

des Gesprächspartners als Experten<br />

für den betrieblichen Alltag. Solche Themen<br />

beziehen sich in unseren Studien vor allem auf<br />

konkrete Handlungsfelder betrieblicher Politik<br />

– wie Fragen zur Qualifizierung, Personalrekrutierung,<br />

Innovationsroutinen, Produktionsabläufe,<br />

Arbeitszeitregelungen, Fragen zur<br />

Marktintegration, Kooperationsbeziehungen,<br />

Austausch mit Aus- und Weiterbildungsträgern<br />

u.a.. Durch die Ansprache dieser Themen<br />

weist der Interviewer sein Interesse aus, macht<br />

aber auch deutlich, dass er ebenso als Experte<br />

(zwar mit einem anderen, möglicherweise zur<br />

betrieblichen Realität komplementären oder<br />

widersprüchlichen Blickwinkel) angesehen<br />

werden kann 8 : „Je mehr man im Verlauf des<br />

Interviews in der Lage ist, immer wieder kompetente<br />

Einschätzungen, Gründe und Gegenargumente<br />

einfließen zu lassen, umso eher sind<br />

Manager bereit, nun ihrerseits ihr Wissen und<br />

ihre Positionen auf den Tisch zu legen – und<br />

ihre subjektiven Relevanzsstrukturen und<br />

Orientierungsmuster in nicht-strategischer<br />

Absicht offenzulegen.“ (Trinczek 1995, S. 65)<br />

Würde man dagegen mit der Bitte um eine<br />

längere narrative Sequenz starten, setzt man


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

den Gesprächspartner einer Situation aus, die<br />

er aus seiner Kommunikationserfahrung des<br />

betrieblichen Alltags nicht kennt und möglicherweise<br />

als Provokation bewertet. Die enge<br />

Zeitplanung von Vertretern des Managements<br />

hat zur Folge, dass bereits im Vorfeld der<br />

Terminvereinbarung „um jede Viertelstunde<br />

gefeilscht worden war“ (ebd., S. 63). Schon<br />

allein dieses hohe Zeitreglement muss auf der<br />

Forschungsseite zu einer angepassten Interviewstrategie<br />

führen, die Rücksicht auf den<br />

durch den Gesprächspartner vorgegebenen<br />

Zeitrahmen nimmt.<br />

Ist das Interesse erst einmal geweckt, können<br />

persönliche Expertengespräche schnell<br />

einige Stunden beanspruchen. 9 Dann erzielen<br />

sie auch den Effekt, dass sich Geschäftsführer<br />

ausgiebig der Reflexionsmöglichkeiten über ihr<br />

Handeln und ihre Strategien bedienen und sich<br />

am Ende für das Gespräch bei dem Interviewer<br />

bedanken.<br />

Rudi Schmidt spricht sogar davon 10 , dass<br />

Befragte aus der Gruppe des betrieblichen Managements<br />

immer auch einen Nutzeneffekt erwarten,<br />

weshalb eine annähernd symmetrische<br />

Kommunikation unabdingbar sei (vgl. Sahner<br />

2002, S. 33). Tatsächlich lässt sich diese Erwartungshaltung<br />

beobachten, wenn beispielsweise<br />

ein noch sehr junges Forscherteam gestandenen<br />

Geschäftsführern mittleren Alters gegenüber<br />

sitzt und diese ihre Enttäuschung, „warum<br />

denn der Professor nicht selbst hat kommen<br />

können“ nicht verhehlen. Der (vermeintlich)<br />

ausbleibende Nutzeneffekt resultiert in diesem<br />

Fall aus nicht erfüllten Statuserwartungen. D.h.,<br />

hier erfüllt das Expertengespräch auch eine<br />

Funktion als Gelegenheit zur Selbstdarstellung<br />

bzw. Selbstinszenierung des Managements, in<br />

der die Expertenrolle gegenüber dem Forscher<br />

besonders herausgestellt wird.<br />

Für telefonische Expertenbefragungen<br />

gehen wir von vergleichbaren Erwartungsmustern<br />

aus und nutzen diese, um unsere<br />

Befragungsdesigns zu konzipieren. Das<br />

Gespräch per Telefon gehört unbestritten zu<br />

den wichtigsten Kommunikationsroutinen<br />

im Manageralltag. Die Diskrepanz zwischen<br />

handlungsstrukturierender Funktion eines<br />

solchen Telefongespräches gegenüber dem<br />

Telefoninterview hat vergleichbare Konsequenzen<br />

der Gesprächsgestaltung zur Folge<br />

wie die Face-to-Face-Variante. Auch hier gilt<br />

es, das Expertenwissen unter Berücksichtigung<br />

der zeitlich engen Vorgaben abzufragen<br />

und möglichst einen Nutzeneffekt für den<br />

Gesprächspartner zu erzielen. Allerdings<br />

spielt der letztgenannte Aspekt keine so starke<br />

Rolle beim Telefoninterview: Der subjektiv<br />

empfundene zeitliche Gewinn bei der Entscheidung<br />

für das Telefongespräch (gegenüber<br />

dem Gespräch vor Ort) führt auch dazu, dass<br />

die Erwartung an den persönlichen unmittelbar-erfahrbaren<br />

Reflexionsnutzen deutlich<br />

abgesenkt wird. Das Telefon ist in dieser<br />

Wahrnehmung in erster Linie ein Koordinations-<br />

kein Gesprächsinstrument. 11<br />

Einen entscheidenden Vorteil gegenüber<br />

dem klassischen Face-to-Face-Gespräch kann<br />

das telefonische Experteninterview<br />

von vornherein für sich verbuchen:<br />

Die Statusasymmetrie zwischen<br />

Seite 71<br />

Interviewer und Interviewtem stellt<br />

einen geringeren Grund für Interviewscheitern<br />

dar, da sich der Kontakt und die<br />

damit einhergehende soziale Verortung nur<br />

über die Stimme erschließen. Das ermöglicht


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

den Einsatz von erfahrenen in Fragestellung<br />

und Instrument gut eingearbeiteten Studenten<br />

und jungen Wissenschaftlern, die im<br />

Gespräch vor Ort wesentlich größere Akzeptanzschwierigkeiten<br />

hätten. Damit geht eine<br />

größere Akzeptanz von Positionsdifferenzen<br />

auf Seiten der Manager einher. Dagegen ist<br />

im Gespräch vor Ort das jüngere Alter sofort<br />

ein Anhaltspunkt für die Zuschreibung von<br />

Wissens- und Erfahrungsdefiziten in Bezug<br />

auf die betriebliche Realität – gleichgültig ob<br />

gerechtfertigt oder nicht.<br />

2.2 Verlauf und Typen von Expertengesprächen<br />

Wie bereits angedeutet, können sich im<br />

Verlauf des klassischen Face-to-Face-Expertengespräches<br />

Erwartungshaltung und<br />

Offenheit des Interviewpartners verändern,<br />

vorausgesetzt grundlegende Bedingungen<br />

wie eine annähernde Statussymmetrie oder<br />

das Einlassen auf „Small-Talk“ in der Begrüßungsprozedur<br />

sind erfüllt. Aus einem Frage-<br />

Antwort-Spiel zu Beginn entwickelt sich im<br />

Idealfall ein diskursives Gespräch, in dem Argumente<br />

ausgetauscht werden. Auf dem Höhepunkt<br />

des Gesprächs zielt die Fragestellung<br />

auf ein anspruchsvolles Reflexionsniveau, wie<br />

z.B. durch die Einordnung des Forschungsgegenstands<br />

in die subjektive Relevanzstruktur<br />

oder die sachliche, zeitliche<br />

und soziale Reflexion von Strategien,<br />

Seite 72 Handlungsweisen, Wissensgrundlagen.<br />

Gewinnbringende Einsichten in<br />

diesem Stadium des Interviews resultieren<br />

aus dem Vermögen des Interviewers, die<br />

Position des Gegenübers (zumindest theoretisch)<br />

zu verstehen und diese Position dann<br />

kontrovers zu diskutieren. Zu diesem Zeitpunkt<br />

entwickelt sich das Expertengespräch<br />

tatsächlich zu einem Gespräch unter Experten.<br />

In einem Face-to-Face-Expertengespräch erreicht<br />

man dieses Stadium mitunter mehrmals<br />

– gleichsam Höhepunkte im Gesprächsverlauf,<br />

deren Häufigkeit bzw. Dauer von dem Geschick<br />

der interviewenden Forscher abhängen.<br />

Inhaltlicher Gegenstand zu diesem Zeitpunkt<br />

sind natürlich die Kernthemen und -thesen der<br />

Befragung. Schließlich das formale Ende, bei<br />

erfolgreichen Gesprächen häufig verbunden<br />

mit dem Angebot, jederzeit wieder nachfragen<br />

und mit einer Fortsetzung der Diskussion<br />

rechnen zu können.<br />

Dieser idealtypische Verlauf eines Face-to-<br />

Face-Expertengespräches birgt einige Fallstricke<br />

für telefonische Expertenbefragungen, die<br />

sich zum einen strukturell am Verlauf erklären<br />

lassen, aber auch Gründe in den unterschiedlichen<br />

Darstellungsbedürfnissen von Gesprächspartnern<br />

haben können. Grundlegend<br />

folgt das telefonische Expertengespräch dem<br />

gleichen Muster: (1) Frage-Antwort-Spiel zu<br />

Beginn, (2) Bearbeitung der Kernthesen unter<br />

Berücksichtigung diskursiver, argumentativstrukturierender<br />

Elemente und (3) Herbeiführung<br />

des Gesprächsendes mit der Vergewisserung<br />

des Interesses an weiterer Kontaktpflege<br />

und Austausch über die Ergebnisse.<br />

Die starke, durch CATI vorgegebene Strukturierung<br />

des Gesprächsverlaufes entspricht<br />

jedoch nicht dem mehr oder weniger stark<br />

strukturierenden Leitfaden des Face-to-Face-<br />

Experteninterviews (vgl. Kanwischer 2002, S.<br />

98). D.h., insbesondere die diskursive Ebene<br />

spielt in der Anlage des Telefoninterviews eine<br />

geringere Rolle. Das bedeutet auch eine Ein-


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

schränkung der explorativen Erkenntnisgewinnerwartung<br />

zugunsten stärker vergleichbarer<br />

und damit belastbarerer Daten.<br />

Ein weiterer Unterschied besteht in der<br />

Anzahl und Dauer der „Höhepunkte“ des<br />

Gespräches. Die Zahl der Kernthesen, die<br />

behandelt werden können, mag aufrechtzuerhalten<br />

sein. Die standardisierte oder die durch<br />

die automatisierte Filterführung für bestimmte<br />

Betriebs- und Expertentypen immer gleich<br />

modifizierte Abfrage von Daten, Erfahrungen,<br />

Handlungsweisen erlaubt jedoch keine sehr<br />

spezifisch angepasste Kommunikationsstrategie,<br />

um wie in leitfadengestützten Interviews<br />

Seitenpfaden, Hinweisen auf besondere Vorkommnisse<br />

im Betriebsalltag o.ä. nachzugehen.<br />

Auf diese Weise sinken Zahl und Dauer<br />

der Gesprächshöhepunkte entsprechend der<br />

Verkürzung des Zeitrahmens gegenüber herkömmlichen<br />

Face-to-Face-Interviews. Ein<br />

entsprechend geschultes Interviewerpersonal<br />

und ein vorab dafür berücksichtigter Zeitraum<br />

im Fragenverlauf können diese Schwäche teilweise<br />

kompensieren.<br />

Eine wichtige Einflussgröße für die erfolgreiche<br />

Durchführung klassischer Experteninterviews<br />

können unterschiedliche Typen von<br />

Interviewpartnern darstellen. Das Spektrum<br />

reicht dabei von Störgrößen wie „Selbstinszenierung<br />

mit kathartischen Effekten“ (Trinczek<br />

1995, S. 64), einem „Nicht-Zulassen-Können<br />

an diskursiver Kommunikation“ (Kern/Kern/<br />

Schumann 1988, S. 93) und der „Verdrängung<br />

anderer berechtigter Weltsichten“ (ebd., S. 94)<br />

bis hin zu begünstigendem Interviewverhalten,<br />

das die komplementäre Expertensicht des<br />

Sozialwissenschaftlers ernsthaft in der Diskussion<br />

zu berücksichtigen bereit ist: „Manager<br />

sind offensichtlich impliziten Diskursnormen<br />

verpflichtet. Inhaltlich begründete Interviewinterventionen<br />

werden nicht primär als lästige<br />

Störungen im Prozess der Selbstinszenierung<br />

empfunden; es scheint mitunter eher so zu sein,<br />

dass die Befragten nachgerade auf Gegenargumente<br />

warten, um diese mit ihren Argumenten<br />

dann umso effektvoller als inadäquat,<br />

weltfremd oder betriebsblind zurückweisen zu<br />

können.“ (Trinczek 1995, S. 64)<br />

Dagegen konnten wir in der telefonischen<br />

Expertenbefragung die Erfahrung machen,<br />

dass diese Unterschiede zwischen den verschiedenen<br />

Interviewverhaltensmustern<br />

nivelliert wurden. Der disziplinierende Charakter<br />

des Kommunikationsmediums Telefon<br />

– Erfahrungen mit Frage-Antwort-Routinen<br />

am Telefon hat jeder der befragten Manager<br />

– und die Beschränkung auf Hören und Sprechen<br />

sorgen für die Minderung dieser Störgröße.<br />

Natürlich kommt es auch vor, dass ein<br />

Gesprächspartner partout nicht mehr an die<br />

vorgegebene Fragestruktur zurückzuführen<br />

ist – aber diese Art von Ausschweifungen und<br />

Bevorzugung diskursiver oder gar konfrontativer<br />

Gesprächsformen sind außerordentlich<br />

selten.<br />

Trotz dieser Einschränkungen hinsichtlich<br />

der Diskursivität gegenüber der ursprünglichen<br />

Intentionen dieses Verfahrens halten wir daran<br />

fest: Experteninterviews per Telefon<br />

sind ein geeignetes Instrument, wenn<br />

bestimmte Voraussetzungen erfüllt<br />

Seite 73<br />

sind (siehe Abschnitt 3), und wenn<br />

die Zielstellung auf eine mittlere<br />

Fallzahl und hohe Vergleichbarkeit, also weniger<br />

auf Exploration ausgerichtet sind. Denn:<br />

Das Instrument ist den Ansprüchen des For-


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

schungsgegenstandes angemessen, diszipliniert<br />

Interviewer und Interviewte, was sowohl den<br />

Kommunikationserwartungen der Probanden<br />

entgegenkommt als auch einen stark vorstrukturierten<br />

Output hervorbringt, es stellt nicht<br />

den Expertenstatus des Gesprächspartners<br />

infrage und ändert nichts am grundlegenden<br />

Charakter eines „handlungsentlastenden intellektuellen<br />

Austauschs“ (Trinczek 1995, S.<br />

64) des Expertengespräches.<br />

3. Erfahrungen aus der Praxis CATI-<br />

gestützter Expertenbefragungen<br />

3.1 Fragen- und Variablenumfang<br />

Insgesamt wurden im Rahmen unserer<br />

Forschungstätigkeiten in rund zehn Studien<br />

seit 1998 knapp 2.500 telefonische Interviews<br />

durchgeführt, darunter waren etwa 400 Wiederholbefragungen.<br />

Der Fragenumfang kann<br />

dabei sehr stark schwanken, im Durchschnitt<br />

arbeiten wir mit einer Fragenanzahl zwischen<br />

60 und 70. Diese Zahl kann zwischen dem<br />

doppelten und dem halben Umfang variieren.<br />

Für eine Bewertung des Aufwands einer<br />

Befragung ist darüber hinaus die Zahl der<br />

Variablen eine relevante Größe. Die aufwändigste<br />

Erhebung beinhaltete 430 Variablen,<br />

in der kleinsten Erhebung arbeiteten wir mit<br />

60 Variablen. Fragefilter spielen bei<br />

unserem Befragungstyp eine untergeordnete<br />

Rolle, d.h. ein Großteil<br />

Seite 74 der Fragen/Variablen kommt für<br />

die meisten Befragten tatsächlich<br />

zur Anwendung. Neben dem Fragen-<br />

und Antwortaufwand, der eine große<br />

Variablenzahl erzeugt, kalkulieren wir bei der<br />

Fragebogenentwicklung zunehmend auch den<br />

Auswertungsaufwand. Mitunter wird deshalb<br />

einer aggregierten Einschätzungsfrage der<br />

Vorzug gegeben vor einer Reihe von Einzelfragen,<br />

die den zu untersuchenden Aspekt<br />

gründlicher und in allen Einzelheiten erfassen<br />

könnten. Kurze Projektlaufzeiten können bei<br />

einem überbordenden, zu anspruchsvollen Instrument<br />

dazu führen, dass ein Teil der Variablen<br />

nie ausgewertet wird. Der Blick auf das zu<br />

erwartende Ergebnis und die Abschätzung des<br />

zu leistenden Aufwandes hilft das Instrument<br />

schlank zu halten.<br />

Für eine Befragung zur Erfassung der<br />

Tarifgestaltung in ostdeutschen Unternehmen<br />

der Metall- und Elektrounternehmen, die wir<br />

bei der Durchführung 2002 unterstützten,<br />

wurde ein Fragebogendesign entwickelt, das<br />

mit knapp 1.000 Variablen arbeitete (vgl. Hinke/Röbenack/Schmidt<br />

2002). Aufgrund der<br />

Filterführung kamen im Durchschnitt 30 %<br />

der Variablen pro Unternehmensfall zum Einsatz.<br />

Etwa 12 % der Variablen liefen über alle<br />

Unternehmensfälle, der Rest blieb spezifischen<br />

Gruppen von Unternehmen vorbehalten, die<br />

in einem aufwändigen Verfahren ausgefiltert<br />

wurden. Die Gespräche dauerten entsprechend<br />

lange und waren in der Gestaltung zum Teil<br />

schwer zu führen, weil die Fragebogenstruktur<br />

kaum Spielraum für die Unwägbarkeiten einer<br />

Gesprächssituation zuließ.<br />

Eine der entscheidenden Vorteile von<br />

CATI, die antwortabhängige Navigation durch<br />

den Fragebogen, kann zu einem Handicap<br />

werden, wenn die Antwortvorgaben zu stark<br />

einschränken und zu eng an einer Fallspezifik<br />

orientiert sind. Die empirische Realität, wie<br />

sie in der Beschreibung der Unternehmenssituation<br />

und der persönlichen Vorlieben für


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

eine Gesprächsführung bei den Experten zum<br />

Ausdruck kommt, beugt sich nur ungern einer<br />

‚Fragebogendiktatur’ von Sozialwissenschaftlern.<br />

3.2 Quantitativer vs. qualitativer Ansatz? Mix<br />

aus geschlossenen und offenen Fragen!<br />

In unseren Studien werden überwiegend<br />

betriebliche Experten befragt, darunter vor<br />

allem Geschäftsführer und Werksleiter sowie<br />

Personalleiter, kaufmännische Leiter, Abteilungsleiter,<br />

Ausbilder, Betriebsräte und andere<br />

Personen aus den verschiedenen Bereichen<br />

der Geschäftsführung bzw. der Leitungsebene<br />

von Unternehmen. Wenn nicht Unternehmen<br />

im Interesse stehen, sondern Forschungs- und<br />

Bildungseinrichtungen oder Organisationen<br />

(z.B. aus dem öffentlichen Bereich), werden<br />

Träger entsprechender Leitungsfunktionen<br />

angesprochen.<br />

Die Eingrenzung unseres Untersuchungsgegenstandes<br />

‚Betrieb’ erfolgt meist entlang eines<br />

regionalen Branchenzuschnitts. Ein typisches<br />

empirisches Design sieht nach sondierenden<br />

Expertengesprächen in der zu untersuchenden<br />

Region und Branche – auf diese explorativen<br />

oder iteraktiven Face-to-Face-Gespräche kann<br />

in der Phase der Instrumententwicklung meistens<br />

nicht verzichtet werden – eine Reihe von<br />

Telefoninterviews vor. Die zu behandelnden<br />

Fragestellungen – Themen sind z.B.: der betriebliche<br />

Zugriff auf Arbeitsmärkte, Aus- und<br />

Weiterbildungsengagement von Unternehmen,<br />

Kooperationsentwicklung und Einbindung<br />

in Innovationsnetzwerke – lassen kein<br />

hochstandardisiertes Instrument zu. Sowohl<br />

Themenstellung als auch die zu befragende<br />

Gruppe erfordern ein Instrument, das sowohl<br />

Zahlen (Beschäftigte, Umsatz o.ä.), Fakten<br />

(Ausbildungsberufe, Produktprofil, o.ä.), Einschätzungen<br />

(z.B. die Versorgungssituation<br />

mit Ingenieuren auf dem Arbeitsmarkt) systematisch<br />

und vergleichbar erfasst, als auch offene<br />

Fragen und damit ein eher am Leitfaden<br />

orientiertes Gespräch zulässt. Die einschlägige<br />

Literatur über das CATI-Instrument hinterlässt<br />

den Eindruck, dass es für diese hohen<br />

Qualitäts- und Flexibilitätsanforderungen<br />

nicht geeignet sei. 12<br />

Entgegen dieser Intention haben wir gute<br />

Erfahrungen gesammelt mit dem Einsatz<br />

eines Fragebogens, der sowohl offene als auch<br />

geschlossene Fragen zulässt – das Verhältnis<br />

beträgt in der Regel 1:2. Drei Gründe sprechen<br />

für die systematische Berücksichtigung<br />

von offenen Fragen:<br />

1. Offene Fragen lockern eine streng am<br />

Fragebogen geführte Interviewatmosphäre<br />

auf. Sie vermitteln dem Interviewpartner das<br />

Gefühl, an einem Gespräch teilzunehmen und<br />

erlauben Einschätzungen in eigenen Worten<br />

(ohne die üblichen Antwortvorgaben). Zum<br />

Teil gestalten wir die Fragen so, dass wir offen<br />

fragen und dann eine vorbereitete passende<br />

Antwortkategorie anbieten und vom Gesprächspartner<br />

bestätigen lassen: „Sie stimmen<br />

also dieser Aussage … eher zu/eher nicht zu?“.<br />

Außerdem lässt sich auf diese Weise eine<br />

Temposteuerung des Gespräches<br />

erreichen. Der Gesprächspartner<br />

braucht das Gefühl, dass er Teile des<br />

Seite 75<br />

Interviews schnell absolviert, aber<br />

auch die Gelegenheit hat, sich für<br />

wichtige Fragen Zeit nehmen zu können. Der<br />

Interviewer kann diese Dynamik durch offene<br />

und geschlossene Fragen vermitteln – Ant-


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

wortvorgaben beschleunigen das Gespräch,<br />

offene Fragen nehmen das Tempo heraus.<br />

2. Neben der Wahrnehmung eines ‚echten‘<br />

Gespräches, das auf diese Weise entsteht, wird<br />

dem Experten durch offene Fragen Raum<br />

eingeräumt, seine Einschätzung ungefiltert<br />

mitzuteilen, anstatt ihn in eine starre Abfrageroutine<br />

einzuschließen. Diese Fragen bieten<br />

darüber hinaus die Möglichkeit, vom Thema<br />

abzuschweifen – bei sorgfältiger Dokumentation<br />

bieten diese ‚Nebenantworten’ wertvolle<br />

Hinweise für eine hochwertige Diskussion<br />

bei der Auswertung der empirischen Befunde<br />

und eine Weiterentwicklung der Fragestellung.<br />

Auch ein Verschlagwortungsverfahren<br />

(z.B. mit Hilfe des Auswertungsprogrammes<br />

MAXQDA) bietet sich dafür an. Dieser<br />

Fragetyp stärkt somit den Expertenstatus des<br />

Befragten, indem es tatsächlich die Mitteilung<br />

von Expertenwissen zulässt.<br />

3. Michael Bayer (2002, S. 15) weist darauf<br />

hin, dass die Vorgabe von Antworten durch<br />

die telefonische Präsentation stark begrenzt<br />

wird. Dieses Defizit des Instruments könne<br />

man ausgleichen durch eine Einschränkung<br />

und randomisierte Vorgabe der Antwortmöglichkeiten<br />

(bei kleineren, für unser Design typischen<br />

Fallzahlen unter 300 problematisch)<br />

oder durch offene Fragen. Für Experteninterviews<br />

des hier vorgestellten Typs eignet<br />

sich vor allem letztere Variante.<br />

Seite 76 Schließlich bieten neuere CATI-<br />

Versionen die Möglichkeit, jede Frage<br />

bzw. Antwort zusätzlich mit einem<br />

Kommentar zu versehen. Diese Option ist<br />

fast genau so wertvoll wie die offenen Fragen<br />

selbst, denn häufig erzeugen geschlossene<br />

Fragen zusätzlichen Erklärungsbedarf auf<br />

Seiten der Befragten. Diese Abweichung vom<br />

vorgegebenen Frage-Antwort-Spiel stellt eigentlich<br />

eine Störung im Interviewverlauf dar.<br />

Die Interviewer werden entsprechend geschult,<br />

dass die zusätzlich gewonnenen Informationen<br />

protokolliert werden und die Gesprächspartner<br />

den vorgesehenen Leitfaden wieder aufnehmen.<br />

In Ausnahmefällen kommt es zu gravierenden<br />

Abweichungen. In diesem Fall kann<br />

das Klammern an die vorgegebene Fragedramaturgie<br />

den Gesprächspartner verärgern,<br />

wenn nicht sogar zu einem Interviewabbruch<br />

veranlassen. Auch hier ist ein geschickter<br />

Interviewer gefragt, der in der Lage ist, das<br />

Frageset ohne die vorgegebene Reihenfolge abzuarbeiten.<br />

Voraussetzung dafür ist als ‚Sicherheitsleine’<br />

die Vorlage einer Papierversion des<br />

Fragebogens. Mit dieser Hilfe kann zwischen<br />

verschiedenen Fragen hin- und hergesprungen<br />

werden, was die herkömmlichen CATI-Programme<br />

nur umständlich erlauben, ohne dass<br />

der Gesprächspartner große Störungen im<br />

Gesprächsverlauf bemerkt.<br />

3.3 Zeitlicher Umfang – Anforderungen an<br />

eine schnelle und effektive Durchführung<br />

Eine solche Fragebogengestaltung, die<br />

nicht ausschließlich starre Antwortvorgaben<br />

anbieten und die den Unwägbarkeiten eines<br />

Interviews Platz einräumen, führt natürlich<br />

insgesamt zu längeren Gesprächen. 20 bis 30<br />

Minuten sind für einen Fragebogen mit 200 bis<br />

300 Variablen (mit selten und kurz gesetzten<br />

Filtern) Standard. In einer Reihe von Erhebungen<br />

lag die mittlere Interviewdauer auch<br />

schon bei 45 Minuten.


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

Man hat aber geringe Akzeptanzprobleme,<br />

wenn die Gesprächspartner dadurch tatsächlich<br />

den Eindruck bekommen, als Experten<br />

und nicht ausschließlich als Datenlieferanten<br />

befragt worden zu sein. Einige Geschäftsführer,<br />

begreifen eine telefonische Befragung als<br />

Gelegenheit, über langfristige Strategien und<br />

regionale, branchenbezogene oder gesellschaftliche<br />

Entwicklungen nachzudenken, die Ihnen<br />

im Alltagsgeschäft selten eingeräumt wird.<br />

Der insgesamt zu kalkulierende Zeitaufwand<br />

bei einem solchen Befragungstyp mit<br />

etwa 300 Fällen liegt bei einem Monat. Eine<br />

derart schnelle Laufzeit lässt sich aber nur realisieren,<br />

wenn bestimmte Bedingungen erfüllt<br />

sind. Einige dieser, im folgenden aufgelisteten<br />

Faktoren können als Optimierungs-kriterien<br />

für CATI-Befragungen von Experten im<br />

Rahmen der skizzierten Forschungs- und Fragedesigns<br />

gelesen werden. 13<br />

- Die Verfügbarkeit über einen Interviewerstamm<br />

von etwa fünf bis sechs erfahrenen<br />

Studenten und Mitarbeitern, die die Fragestellung<br />

kennen und den Gesprächstyp<br />

kommunikativ gut beherrschen, ist ein wichtiger<br />

Erfolgsfaktor. Eine solche Gruppe muss<br />

systematisch aufgebaut und gepflegt werden.<br />

Die Interviewer müssen zudem in der Lage<br />

sein, sich intern schnell und effektiv abzustimmen,<br />

z.B. um vereinbarte Interviewtermine<br />

bei Terminhäufung mit den notwendigen,<br />

fallspezifischen Hintergrundinformationen<br />

weiterzugeben. Als erfolgreiche Instrumente<br />

zur Sicherstellung dieses Interviewerstammes<br />

haben sich nicht nur ausführliche Vorbesprechungen,<br />

Fragebogenschulungen und<br />

CATI-Trainings erwiesen, sondern auch eine<br />

erste Diskussionsrunde mit allen Interviewern<br />

(Interviewerworkshop) direkt nach dem Abschluss<br />

der Erhebungsarbeiten. In diesem Gespräch<br />

werten die Interviewer als Experten die<br />

Erhebung aus, angeleitet und moderiert vom<br />

Untersuchungsleiter. Auf diese Weise lässt<br />

sich schnell ein erster Eindruck verdichten,<br />

durch die anderen Interviewer gibt es Zustimmung<br />

oder wird die Meinung differenziert, bis<br />

hin zur Neuformulierung von Thesen. Für die<br />

anstehenden Auswertungen erhält man auf<br />

diese Weise wertvolle Hinweise, welche Suchstrategien<br />

für statistische Zusammenhänge<br />

neben den im Forschungsantrag gestellten<br />

Ausgangsthesen man noch verfolgen könnte.<br />

Schließlich erfahren die Interviewer die Wertschätzung<br />

und unmittelbare Einbindung in<br />

den Forschungsprozess, wenn die Analysen<br />

abgeschlossen sind und der Forschungsbericht<br />

verfasst wurde – nicht zuletzt durch eine Einladung<br />

zu einem Abschlussessen, bei dem neben<br />

der Darstellung der Projekte die persönliche<br />

Kommunikation nicht zu kurz kommt.<br />

- Eine Mindestausstattung zur Erreichung der<br />

angegebenen Fallzahl in diesem kurzen Zeitraum<br />

erfordert mindestens zwei, besser vier<br />

CATI-Arbeitsplätze, die werktags durchgehend<br />

zwischen 7 und 19 Uhr zu besetzen sind.<br />

Die Erreichbarkeit der Experten ist häufig<br />

stark eingeschränkt, so dass die Hinweise der<br />

Sekretärinnen oder der anderen Mitarbeiter,<br />

wann der Gesprächspartner in den nächsten<br />

Stunden oder Tagen wieder zu erreichen<br />

ist, sehr ernst genommen werden<br />

sollten. Diese Zeitvorgaben lassen<br />

sich nur mit einer entsprechenden<br />

CATI-Besetzung realisieren.<br />

- Eine Zielvorgabe von 300 zu realisierenden<br />

Interviews lässt sich gut erreichen bei der<br />

Seite 77


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

Verfügbarkeit einer entsprechend hohen Zahl<br />

von verfügbaren Kontakten und bei einer im<br />

Vorhinein bereits sichergestellten hohen Teilnahmebereitschaft<br />

der Befragungskandidaten.<br />

Je höher die Zahl der verfügbaren Kontakte,<br />

desto weniger ist man auf eine hohe Teilnahmebereitschaft<br />

angewiesen – eine typische<br />

Ausgangskonstellation bei Haushaltsbefragungen.<br />

Je höher die Teilnahmebereitschaft,<br />

die durch bestimmte Strategien in gewissem<br />

Maße beeinflusst werden kann, desto kleiner<br />

kann die verfügbare Zahl von Kontakten sein.<br />

Oder anders ausgedrückt: Wenn man nur über<br />

eine kleine Grundgesamtheit verfügt, sollte<br />

man jeden Kontakt sehr sorgfältig behandeln,<br />

um eine hohe Teilnahmequote zu erreichen.<br />

Mit dieser Konstellation haben wir es eher<br />

bei einer durch Region und Branche eingegrenzten<br />

Grundgesamtheit zu tun. So kann<br />

z.B. die Einbindung von Unternehmen in<br />

ein Netzwerk von Vorteil sein, wenn die Geschäftsführung<br />

des Netzwerkes die Erhebung<br />

unterstützt und seine Mitglieder dazu auffordert,<br />

möglichst zahlreich daran teilzunehmen.<br />

Auf diese Weise reichen auch weniger als<br />

400 verfügbare Unternehmenskontakte, um<br />

300 Fälle zu erzielen. Voraussetzung dafür ist<br />

jedoch eine sorgfältige Sondierung und Anwerbung<br />

von Unterstützungsleistung durch<br />

die unmittelbaren Organisationsumwelten,<br />

denen die Unternehmensvertreter vertrauen.<br />

Auch eine gehaltvolle Feldpflege nach<br />

Abschluss der Studie („Bericht an<br />

die Betriebe“, Präsentation der For-<br />

Seite 78 schungsergebnisse, u.a.) sorgt für eine<br />

Erhöhung der Ausschöpfungsquote.<br />

Im Bereich der Optischen Technologien<br />

begleiten wir Unternehmensnetzwerke<br />

mit Mitgliederbefragungen seit mehreren Jahren<br />

und erreichen unter diesen Bedingungen<br />

Ausschöpfungsquoten zwischen 60 % und 80<br />

%, vereinzelt sogar bis zu 100 %. 14<br />

4. Fazit<br />

Das telefonische Experteninterview scheint<br />

ein sehr geeignetes Instrument zu sein, um in<br />

verhältnismäßig kurzer Zeit Daten mit hoher<br />

Qualität und Statements mit ergiebigen Deutungs-<br />

und Interpretationsmöglichkeiten zu<br />

gewinnen. In Feldern mit Grundgesamtheiten<br />

zwischen 100 und 1.000 Fällen ist es das Mittel<br />

der Wahl, weil in dieser Größenordnung nur<br />

Ausschöpfungsquoten von 40 % und mehr eine<br />

zufrieden stellende Datenbasis generieren, die<br />

am Ende auch belastbare Aussagen mit Blick<br />

auf die Grundgesamtheit ermöglichen.<br />

Bei Interviews zwischen 20 und 60 Minuten<br />

und aussagekräftigen qualitativen Statements<br />

der Befragten vereint es Vorteile des<br />

klassischen, eher qualitativ orientierten Faceto-Face-Experteninterviews<br />

mit Verfahren<br />

der Generierung von Massendaten. Eine Ausschöpfungsquote<br />

von bis zu 100 % – meistens<br />

werden 50 % bis 60 % erreicht – erfordert auf<br />

allen Ebenen der Vorbereitung, Gesprächsakquisition<br />

und Durchführung eine sehr hohe<br />

Qualität. Wichtig sind ein vorbereitendes<br />

Schreiben und eine Gesprächsanbahnung, bei<br />

der der Interviewer nicht mit der Tür ins Haus<br />

fällt. Meistens lassen sich die Geschäftsführer<br />

auf einen späteren Termin ein, den sie dann<br />

– wie in ihrem Arbeitsalltag auch – fest einplanen<br />

(Terminkalender).<br />

Von großer Bedeutung für die Stimulierung<br />

der Teilnahmebereitschaft ist es, den Interviewpartner<br />

über ein Thema anzusprechen,


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

mit dem er sich identifiziert und über das er<br />

sich als Experte profilieren kann. Der Schlüssel<br />

dazu ist ein ausgewogener Mix aus offenen und<br />

geschlossenen Fragen. Zugehörigkeit zu einer<br />

Branche, einem Netzwerk oder einer Region<br />

erhöhen die Teilnahmebereitschaft, wenn<br />

dem Interviewpartner klar gemacht werden<br />

kann, dass eine Teilnahmeverweigerung seiner<br />

Person zu Qualitätseinbußen bei den späteren<br />

Untersuchungsergebnissen führen würde.<br />

Insgesamt muss die hohe Bedeutung von<br />

Reziprozität unterstrichen werden: Ergebnisse<br />

werden zugeschickt, der Gesprächspartner wird<br />

zum Abschlussworkshop eingeladen.<br />

Von eminenter Bedeutung sind Qualifikation<br />

und Motivation der Interviewer. Telefonische<br />

Interviews mit CATI sind kein Instrument zur<br />

Dequalifizierung des Interviewerpersonals,<br />

sondern stellen besonders hohe Ansprüche.<br />

Dies gilt nicht nur für wichtige Schlüsselqualifikationen,<br />

die auch in Call-Centern von<br />

Bedeutung sind, wie Freundlichkeit, deutliche<br />

Aussprache, Frustrationstoleranz und Geduld.<br />

Die Interviewer müssen im Rahmen der<br />

Schulung intensiv mit der Fragestellung und<br />

dem Erkenntnisinteresse der Studie vertraut<br />

gemacht werden.<br />

Der Interviewermotivation dienen regelmäßige<br />

Feedbacks, in denen die Interviewer<br />

ihre Erfahrungen rückkoppeln und erkennbar<br />

daraus Konsequenzen gezogen werden, die auf<br />

eine Feinjustierung des Erhebungsinstruments<br />

hinauslaufen. Von großem Vorteil ist es, die Interviewer<br />

regelmäßig nach ihren Eindrücken zu<br />

fragen. Diese summarischen ersten Eindrücke<br />

können zum Teil erheblich bei der Interpretation<br />

der Daten helfen. Ein Interviewerworkshop<br />

sollte zum Abschluss der Erhebungsphase ein<br />

wichtiges Element im Methodendesign sein.<br />

Will man die Entwicklung von regionalen<br />

Arbeitsmärkten, Branchen und Wirtschaftsstandorten<br />

über einen längeren Zeitraum<br />

beobachten, ist man angesichts der relativ<br />

kleinen Grundgesamtheit an Unternehmen<br />

– gerade in den Neuen Ländern – auf eine<br />

enorme Feldpflege angewiesen. Bisher haben<br />

wir die Erfahrung gemacht, dass bei Wiederholbefragungen<br />

höhere Ausschöpfungsquoten<br />

erreicht werden konnten, als bei der ursprünglichen<br />

Akquisition - offenkundig ein Hinweis<br />

auf die richtige Strategieentscheidung. Die<br />

Sicherung der Qualitätsstandards auf allen<br />

Ebenen des Erhebungsprozesses ist dabei von<br />

ebenso großer Bedeutung wie die Motivation<br />

des einbezogenen Personals.<br />

Seite 79


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

Fussnoten<br />

1<br />

Eine gründliche theoretische und methodische Fundierung des<br />

Instruments ‚Experteninterview’ wird in mehreren Beiträgen<br />

des von Bogner/Littig/Menz (2002) herausgegebenen Sammelbandes<br />

vorgenommen.<br />

2<br />

Gerald Prein (2002) weist zu recht auf die rückschrittliche<br />

und völlig überflüssig aufrechterhaltene Methodenkonkurrenz<br />

zwischen „Qualis“ und „Quantis“ hin, wenn er dabei sogar ganz<br />

bewusst Literatur aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts<br />

zitiert, die den notwendig komplementären Charakter beider<br />

Forschungsmethoden herausstellt und eine enge Interaktion als<br />

fruchtbringend empfiehlt.<br />

3<br />

Vgl. Lutz/Grünert/Steiner (Hg.) 2000; vgl. Lutz/Grünert/<br />

Steiner (Hg.) 2004; vgl. Behr 2000; vgl. Behr/Engel 2001; vgl.<br />

Behr 2004.<br />

4<br />

Ein Teil der Untersuchungen fand am Institut für Soziologie<br />

der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong> statt, ein Teil am Institut<br />

für praxisorientierte Sozialforschung und Beratung (IPRAS<br />

e.V. <strong>Jena</strong>) und ein weiterer Teil an der TU Chemnitz jeweils<br />

unter der Leitung von Michael Behr und unterstützt von Rudi<br />

Schmidt.<br />

Kunz/Lüschen 1990), der Kosten, der Stichprobengröße, der<br />

Ablaufsteuerung, der Datengenauigkeit sowie des Interviewereinflusses<br />

(vgl. Porst 1998).<br />

7<br />

Allein angesichts dieser ökonomisch ungünstigen Ausgangslage<br />

erstaunt die hohe Teilnahmebereitschaft der wirtschaftlichen<br />

Subeliten.<br />

8<br />

Pfadenhauer (2002) spricht vom Interviewer als „Quasi-Experten“,<br />

um ihn vom Interviewpartner als Experten deutlicher<br />

abzugrenzen und die Notwendigkeit hoher Qualität bei der<br />

Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Gespräches<br />

zu begründen. Soweit in Ordnung, aber diese Rollendiskrepanz<br />

allein ist keine ausreichende Begründung für eine behauptete<br />

strukturelle Schwäche des Instruments, systematisch Daten<br />

gewinnen zu können (ebd., S. 128). Gerade die telefonische<br />

Variante des Expertengespräches macht es möglich, dieses Defizit<br />

auszugleichen.<br />

9<br />

Hier ist von Face-to-Face-Interviews die Rede. Wir haben<br />

auch telefonische Experteninterviews mit einer Länge von 1 bis<br />

1½ Stunden geführt, aber die Regel ist das nicht.<br />

10<br />

in der Diskussion auf dem <strong>SFB</strong>-<strong>580</strong>-Methodenworkshop<br />

„Zur Leistungsfähigkeit telefonischer Befragungen“ (vgl. Sahner<br />

(Hg.) 2002, S. 33)<br />

Seite 80<br />

5<br />

An der ständigen Diskussion über den Einsatz von CATI für<br />

Expertenbefragungen, insbesondere von Managern, sind seit<br />

Jahren Thomas Ritter, Tina Seiwert und Christoph Thieme<br />

beteiligt. Ihnen verdanken wir zahlreiche Anregungen für<br />

Optimierungen des Instruments und Thesen, die auch in diesen<br />

Text eingeflossen sind.<br />

6<br />

Folgt man dem Vergleich von Frey/Kunz/Lüschen (1990) lassen<br />

sich alle großen Faktorvorteile der Face-to-Face-Befragung<br />

auf die telefonische Umfragetechnik übertragen. Ausnahmen<br />

sind das „Stellen komplexer Fragen“ und die „Benutzung<br />

visueller Hilfen“, letzteres lässt sich tatsächlich<br />

nicht für CATI verwenden. Allerdings sind die<br />

Möglichkeiten der Fragenkomplexität noch nicht<br />

ausreichend getestet und werden deshalb unentschieden<br />

bewertet (vgl. Porst 1998). Intention des hier<br />

vorgelegten Textes ist es auch, die Unterschätzung<br />

des Instruments in dieser Hinsicht abzubauen. Darüber hinaus<br />

bietet CATI eine Reihe von Vorteilen, über die Face-to-Face<br />

nicht oder nur eingeschränkt verfügen kann: z.B. hinsichtlich<br />

der Durchführungszeit, der Interviewer-Kontrolle (vgl. Frey/<br />

11<br />

Trotzdem lohnt sich das Angebot eines mittelbaren Nutzeneffekts<br />

bei telefonischen Expertenerhebungen: Unser an die<br />

Studienteilnehmer versendeter „Bericht an die Betriebe“ wird<br />

von vielen der Befragten aktiv zur Kenntnis genommen. In<br />

einigen Fällen hatten unsere Analysen sogar Einfluss auf Entscheidungsgrundlagen<br />

von Managementhandeln (z.B. bei der<br />

Entscheidung, Ausbildungsaktivitäten zu verstärken, weil die<br />

betrieblichen Altersstrukturen in einer Branche zu künftigen<br />

Knappheitskonstellationen spezifischer Qualifikationen auf dem<br />

Arbeitsmarkt führen können). Ein auf diese Weise gepflegtes Feld<br />

lässt sich leichter für Paneluntersuchungen gewinnen, wie wir in<br />

der wiederholten Befragung von Unternehmensvertretern der<br />

Optischen Industrie Thüringens erfahren konnten. Die Ausschöpfungsquoten<br />

konnten gesteigert werden, in einigen Fällen<br />

haben wir bereits das vierte Telefoninterview im Laufe der<br />

letzten drei Jahre geführt.<br />

12<br />

Diesen schlechten Ruf hatte sich das Telefoninterview bereits<br />

1936 durch eine falsche Prognose der amerikanischen Präsidentschaftswahl<br />

eingehandelt (vgl. Frey/Kunz/Lüschen 1990, S.<br />

24). Später festigte sich das Vorurteil durch die ‚quick and dirty’<br />

arbeitende Konsumentenforschung (vgl. Haase 2003, S. 10).


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

Inzwischen sind die Start- und Akzeptanzschwierigkeiten des<br />

Instruments, vor allem aufgrund weiterer Verbreitung des Telefons<br />

und verbesserter Stichprobenziehungsverfahren, behoben<br />

– mit dem Effekt, dass es als besonders geeignet für repräsentative<br />

Haushaltsbefragungen angesehen wird. Nach wie vor finden<br />

sich jedoch in der Literatur qualitative Einschränkungen, die<br />

dem Instrument zugeschrieben werden und einen Einsatz in der<br />

Expertenbefragung verbieten würden, z.B. in dem Interviewer<br />

auf ihre Rolle als Fragesteller und Dokumentar der Antworten<br />

von Befragten, die wiederum um ihre Subjektivität reduziert<br />

werden: „Der Interviewer ist nicht für den Fragebogen verantwortlich:<br />

er ist nur Interviewer. Umgekehrt sollte auch dem<br />

Befragten seine Rolle bewusst sein.“ (ebd., S. 19 – Hervorhebung<br />

im Original)<br />

Behr, M (2004): Jugendentwöhnte Unternehmen in Ostdeutschland<br />

– Eine Spätfolge des personalwirtschaftlichen Moratoriums.<br />

In: Burkart Lutz (Hg.): Bildung und Beschäftigung<br />

Band 2. Berliner Debatte Wissenschaftsverlag<br />

Behr, M. / Engel, T. (2001): Entwicklungsverläufe und Entwicklungsszenarien<br />

ostdeutscher Personalpolitik. Ursachen,<br />

Folgen und Risiken der personalpolitischen Stagnation. In:<br />

Pawlowsky, P. / Wilkens, U. (Hg.): Zehn Jahre Personalarbeit<br />

in den neuen Bundesländern. Transformation und Demographie<br />

(Arbeit, Organisation und Personal im Transformationsprozess,<br />

Band 16). München und Mering 2001: S. 255-278<br />

13<br />

Auf einige andere grundlegende Voraussetzungen – wie die<br />

gründliche Vorbereitung des Erhebungsdesigns unter Einbindung<br />

der Organisationsumwelt bzw. bestimmter Expertengruppen,<br />

das vorbereitende Anschreiben, das den potentiellen Gesprächspartnern<br />

zugeht, ein eingespieltes Team bei der Entwicklung<br />

des Fragebogens (Routinen) bis hin zur Programmierung und<br />

dem Pretest, die Aufbereitung der Kontaktdatei und evtl. notwendiger<br />

zusätzlicher Informationsmaterialien für Interviewer,<br />

Befragungskandidaten u.ä. – soll an dieser Stelle nicht vertieft<br />

eingegangen werden.<br />

Behr, M. / Engel, T. / Thieme, C. (2005): Trendreport 2005<br />

– Die Optische Industrie in Thüringen (IPRAS-Forschungsbericht).<br />

<strong>Jena</strong><br />

Bogner, A. / Menz, W. (2002): Das theoriegenerierende Experteninterview<br />

– Erkenntnisinteresse, Wissensformen, Interaktion.<br />

In: Bogner, A. / Littig, B. / Menz, W. (Hg.) (2002):<br />

Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung.<br />

Wiesbaden: S. 33-70<br />

14<br />

Als Beispiel sei hier auf den aktuellen Trendreport „Die<br />

Optische Industrie in Thüringen“ verwiesen, für den wir mit<br />

einer Ausschöpfungsquote von 78% arbeiten konnten (vgl.<br />

Behr/Engel/Thieme 2005). 100% Ausschöpfungsquote erreichten<br />

wir im Rahmen einer Befragung von Unternehmen des<br />

Firmenverbunds Bayern Photonics als Teil einer von BMBF<br />

und VDI-Technologiezentrum 2003 in Auftrag gegebenen<br />

Evaluationsstudie zur Arbeit der Kompetenznetze für Optische<br />

Technologien in Deutschland.<br />

Literatur<br />

Bayer, M. (2002): Das telefonische Interview. In: Sahner, H.<br />

(Hg.) (2002): Zur Leistungsfähigkeit telefonischer Befragungen.<br />

Das Methodenprojekt des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> zwischen Methodenentwicklung<br />

und Dienstleistung (<strong>SFB</strong> <strong>580</strong>-Mitteilungen, Heft 4). <strong>Jena</strong>,<br />

Halle: S. 7-17<br />

Behr, M. (2000): Tradition und Dynamik, Beschäftigungsmuster,<br />

Rekrutierungsstrategien und Ausbildungsverhalten im Prozess<br />

der betrieblichen Konsolidierung, in: Lutz (Hg.), Bildung<br />

und Beschäftigung in Ostdeutschland. Band 1. Berliner Debatte<br />

Wissenschaftsverlag 2000, S. 87-146<br />

Bogner, A. / Littig, B. / Menz, W. (Hg.) (2002): Das Experteninterview.<br />

Theorie, Methode, Anwendung. Wiesbaden<br />

Frackmann, M. (1980): Experten-Interview. In: Arbeiten +<br />

Lernen, Heft 10-10a. Velber: S. 34f<br />

Frey, J. H. / Kunz, G. / Lüschen, G. (1990): Telefonumfragen in<br />

der Sozialforschung. Methoden, Techniken, Befragungspraxis.<br />

Opladen<br />

Haase, A. (2003): Methodologische und methodische Probleme<br />

von Telefonsurveys bei Bevölkerungsbefragungen. Realisierung,<br />

Ausschöpfung und Eigenschaften von Stichproben<br />

am Beispiel verschiedener CATI-Studien (unv.<br />

Diplomarbeit TU Chemnitz). Chemnitz<br />

Hinke, R. / Röbenack, S. / Schmidt, R. (2002):<br />

Repräsentative Erhebung über die Lohn- und<br />

Leistungsbedingungen in den Betrieben der ostdeutschen Metall-<br />

und Elektroindustrie (Kurzbericht, Institut für Soziologie<br />

an der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>). <strong>Jena</strong><br />

Kanwischer, D. (2002): Experteninterviews. Stellenwert,<br />

Seite 81


Telefonische Einleitung Experteninterviews<br />

Auswertungsmethoden und Verwendungsmöglichkeiten. In:<br />

Kanwischer, D. / Rhode-Jüchtern, T. (Hg.): Qualitative Forschungsmethoden<br />

in der Geographiedidaktik (Geographiedidaktische<br />

Forschungen, Bd.35). Nürnberg: S. 90-112<br />

Kern, B. / Kern, H. / Schumann, M. (1988): Industriesoziologie<br />

als Kartharsis. In: Soziale Welt, Jg. 39: S. 86-96<br />

Lutz, B. / Grünert, H. / Steiner, C. (Hg.) (2000): Bildung und<br />

Beschäftigung in Ostdeutschland, Band 1 (Forschungsberichte<br />

aus dem ZSH). Berlin, Halle<br />

Lutz, B. / Grünert, H. / Steiner, C. (Hg.) (2004): Jugend – Ausbildung<br />

– Arbeit. Bildung und Beschäftigung in Ostdeutschland,<br />

Band 2 (Forschungsberichte aus dem ZSH). Berlin, Halle<br />

Pfadenhauer, M. (2002): Auf gleicher Augenhöhe reden: Das<br />

Experteninterview – ein Gespräch zwischen Experten und<br />

Quasi-Experten. In: Bogner, A. / Littig, B. / Menz, W. (Hg.):<br />

Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. Wiesbaden:<br />

S. 113–130<br />

Porst, R. (1998): Im Vorfeld der Befragung. Planung, Fragebogenentwicklung,<br />

Pretesting (ZUMA-Arbeitsbericht 98/02).<br />

Mannheim<br />

Sahner, H. (Hg.) (2002): Zur Leistungsfähigkeit telefonischer<br />

Befragungen. Das Methodenprojekt des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> zwischen<br />

Methodenentwicklung und Dienstleistung (<strong>SFB</strong> <strong>580</strong>-Mitteilungen,<br />

Heft 4). <strong>Jena</strong>, Halle<br />

Schütze, F. / Meinefeld, W. / Springer, R. / Weymann, A.<br />

(1981): Grundlagentheoretische Voraussetzungen methodisch<br />

kontrollierten Fremdverstehens. In: Arbeitsgruppe Bielefelder<br />

Soziologen (Hg.): Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche<br />

Wirklichkeit. Opladen: S. 433-529<br />

Seite 82<br />

Trinczek, R. (1995): Experteninterviews mit Managern,<br />

methodische und methodologische Hintergründe.<br />

In: Brinkmann, C. / Deeke, A. / Völkel, B.<br />

(Hg.): Experteninterviews in der Arbeitsmarktforschung.<br />

Diskussionsbeiträge zu methodischen Fragen<br />

und praktischen Erfahrungen (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und<br />

Berufsforschung, Nr. 191). Nürnberg: S. 59-68


<strong>SFB</strong>-Kolloquium<br />

– Computer<br />

Assisted Telephone<br />

Interviewing<br />

Seite 83


Kolloquiumsprotokoll<br />

Einleitung<br />

Tagesordnung:<br />

Seite 84<br />

7<br />

Protokoll 27.04.2005<br />

<strong>SFB</strong>-Kolloquium<br />

– Computer Assisted<br />

Telephone Interviewing<br />

Moderation - Thomas Ritter<br />

Referenten - Christina Buchwald, Thomas<br />

Engel, Ina Götzelt, Petra Kirch, Stefan Jahr,<br />

Bernd Martens, Nicole Meingast, Sören Petermann,<br />

Ralf Schünemann<br />

1. Begrüßung und kurzer Rechenschaftsbericht<br />

über das neu eingerichtete CATI-Labor<br />

an der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>.<br />

Moderation: Thomas Ritter<br />

2. Sprechwissenschaftliche Impulse für die<br />

Arbeit im CATI-Labor. Referent: Ralf Schünemann<br />

(Martin-Luther-<strong>Universität</strong> Halle-<br />

Wittenberg)<br />

3. Einschätzungen zum Interview. Befunde<br />

aus dem CATI-Labor des ZSH. Referentin:<br />

Christina Buchwald (Zentrum für Sozialforschung<br />

Halle e.V. - ZSH)<br />

4. Erfahrungen mit CATI-Erhebungen.<br />

• <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Projekt B2 Betriebspanel, 2. Welle<br />

(Oktober 2004 – Februar 2005). Referentin:<br />

Ina Götzelt.<br />

• <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Projekt A2 Besonderheit Elitenbefragung<br />

(Wirtschaftseliten). Referent: Bernd<br />

Martens.<br />

• <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Projekt A3 Politische Eliten (Abgeordnetenbefragung).<br />

Referent: Stefan Jahr.<br />

• Personenzentrierte Fragebögen am Beispiel<br />

von Netzwerkerhebungen. Referent: Sören<br />

Petermann.<br />

• Über den Instrumentenwechsel von ‚Faceto-Face’-<br />

zu ‚CATI-Befragungen’ – unterschiedliche<br />

Erfahrungen. Referent: Thomas<br />

Engel.<br />

• Interviewerstatements. Erfahrungsberichte<br />

von zwei Interviewerinnen der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong><br />

<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong> (Nicole Meingast) und der<br />

Martin-Luther-<strong>Universität</strong> Halle-Wittenberg<br />

(Petra Kirch).


Kolloquiumsprotokoll<br />

Einleitung<br />

Anlass für das CATI-Kolloquium des<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> am 27. April 2005 war das<br />

einjährige Bestehen des Telefonlabors<br />

an der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>.<br />

Bis zum April 2005 wurden bereits ca. 2000<br />

Interviews mit einer Gesamtdauer von 1200<br />

Stunden durchgeführt. Im Mittelpunkt des<br />

Workshops standen Erfahrungen einzelner<br />

Projekte mit computergestützten telefonischen<br />

Befragungen.<br />

Ralf Schünemann, Diplomand der Sprechwissenschaften<br />

an der Martin-Luther-<strong>Universität</strong><br />

Halle, eröffnete den Workshop mit einem<br />

Vortrag zum Thema „Schreiben fürs Sprechen<br />

– Sprechdenken vs. Hörverstehen“. Inhalt der<br />

Präsentation waren unterschiedliche sprechwissenschaftliche<br />

Impulse, die den Umgang mit<br />

großen Textmengen und langen unverständlichen<br />

Sätzen erleichtern und das Sprechdenken<br />

des Interviewers fördern sollen. Diese Anregungen<br />

aus den Sprechwissenschaften können<br />

helfen, ein Gleichgewicht zwischen dem Interviewer<br />

und dem Befragten herzustellen, sowie<br />

das Verständnis zu fördern. Lange Sätze in<br />

Teilen der Intervieweinleitung sowie den Zwischentexten<br />

erschweren die Sprechumsetzung,<br />

da die herkömmlichen Textpassagen anfangs<br />

noch textgetreu abgelesen, später aber durch<br />

die Interviewer abgewandelt werden. Um eine<br />

überschaubare und sprechbare Sprachstruktur<br />

zu erhalten, sollten kurze Sätze mit maximal 13<br />

Wörtern formuliert werden, die an die spontane<br />

Mündlichkeit angelehnt sind und deren Passagen<br />

in Sinnschritte eingeteilt werden können.<br />

Einen Schritt weiter geht das Stichwortkonzept.<br />

Dem Interviewer werden nach dieser<br />

Methode nur noch Stichworte präsentiert; die<br />

genaue Formulierung bleibt dem jeweiligen<br />

Sprecher überlassen. Diese Variante zwingt<br />

dazu, über den Inhalt des Gesagten nachzudenken.<br />

Dadurch erhält der Interviewer ein<br />

gewisses Maß an Flexibilität, welche auch eine<br />

situative Rücksichtnahme auf den Befragten<br />

ermöglicht. Somit kann ein wichtiges Ziel,<br />

aus der Sprechwissenschaft, erreicht werden:<br />

Der Interviewer muss Sprechdenken und der<br />

Hörer kann bzw. muss Hörverstehen. In Studien<br />

konnte nachgewiesen werden, dass normale<br />

Intonationen von Befragten als störend<br />

empfunden werden. Durch die „Abtreppung“,<br />

d.h. eine gezielte Betonung ist es möglich,<br />

Eindrücke der störenden Betonung zu mindern.<br />

Voraussetzung für das „Abtreppen“ sind<br />

grammatikalisch vollständige Sätze. Somit<br />

ist diese Methode nur in Begrüßungs- und<br />

Zwischentexten denkbar. Es ist jedoch möglich,<br />

dass die gewonnenen Daten durch eine<br />

festgelegte Betonung beeinflusst werden.<br />

In dem Vortrag wurde die These aufgestellt,<br />

dass bei der ersten Kontaktaufnahme<br />

mit einem Interviewpartner der Name des<br />

Interviewers eine entscheidende, verbindliche<br />

Information sei. Die Diskussion ergab, dass<br />

dieser Punkt je nach Klientel der Befragung<br />

eine größere oder geringere Bedeutung hat. In<br />

bestimmten Populationen ist die befragende<br />

Institution wichtiger als der Name des Interviewers,<br />

bei anderen Zielpersonen unterstützt<br />

ein Zusammenspiel zwischen Name und<br />

Institution die Akzeptanz seitens der<br />

Befragten.<br />

Seite 85<br />

Im Anschluss an den Vortrag<br />

wurden verschiedene Probleme<br />

angesprochen. So wurde erwähnt, dass die<br />

Begrüßungs- und Zwischentexte mit nur ca. 5<br />

% einen sehr geringen Teil eines Fragebogens


Kolloquiumsprotokoll<br />

Einleitung<br />

ausmachen, obwohl gerade Einleitungstexte<br />

entscheidend für den Erfolg der Befragung<br />

sein können. Dieser „Türöffner“ sollte mittels<br />

sprechwissenschaftlicher Methoden besser<br />

(d.h. verständlicher) formuliert werden.<br />

Im zweiten Vortrag stellte Christina<br />

Buchwald vom Zentrum für Sozialforschung<br />

Halle e.V. Befunde zu Einschätzungen von<br />

Interviews in der Wahrnehmung von Interviewer<br />

und Befragtem vor. Grundlage für<br />

die Auswertungen waren fünf unterschiedliche<br />

Erhebungen. Die Befragten und die<br />

Interviewer wurden am Ende der jeweiligen<br />

Interviews um Einschätzung über die Wichtigkeit<br />

der Erhebung, über die empfundene<br />

Belastung während der Befragung, über die<br />

Verständlichkeit sowie über Schwierigkeiten<br />

der Beantwortung gebeten.<br />

Zusammenfassend konnte festgestellt werden,<br />

dass der überwiegende Teil der Befragten<br />

die Untersuchung als wichtig empfand. Ebenso<br />

bewerteten sie die Fragen als „verständlich<br />

formuliert“. Ein ähnliches Bild ergab die<br />

Auswertung der analogen Angaben der Interviewer.<br />

Die Mehrzahl von Ihnen fand die Befragung<br />

interessant. Die Interviewer gaben an,<br />

dass ihrer Einschätzung nach, die Befragten<br />

kaum Schwierigkeiten hatten, auf die Fragen<br />

zu antworten. In einigen Fällen sei es aber zu<br />

Sprach- und Verständlichkeitsproblemen<br />

gekommen. Die Erfahrung der Interviewer,<br />

das Interesse an den Themen<br />

Seite 86 und die angegebene geringe Belastung<br />

seitens der Interviewer glichen<br />

die wenigen aufgeführten Probleme<br />

wieder aus.<br />

Die Einschätzung der Interviewdauer<br />

durch die Befragten und Interviewer ergab,<br />

dass die Interviewer im Großen und Ganzen<br />

mit der geschätzten Dauer sehr nah an der<br />

realen Gesprächsdauer lagen, während die<br />

Befragten die tatsächliche Gesprächsdauer<br />

schwer einschätzen konnten.<br />

Am Ende des Vortrages wurden Wege zur<br />

Qualitätssicherung und -steigerung aufgezeigt:<br />

Das CATI-Labor sollte sprechwissenschaftliche<br />

Übungen anbieten und einen geschulten<br />

Stamm an Interviewern aufbauen. Hier sind<br />

auch die Projekte, die CATI-Untersuchungen<br />

durchführen, dazu angehalten, die Interviewer<br />

inhaltlich zu schulen und vorzubereiten. Diesem<br />

Pesonal sollte Ziel und Zweck der anstehenden<br />

Untersuchung näher gebracht werden.<br />

Auch Informationsblätter mit wichtigen<br />

Hinweisen zu Fachbegriffen, Besonderheiten<br />

des Fragebogens sowie Ansprechpartnern des<br />

Projektes sind wichtige Handreichungen für<br />

den Interviewerstab.<br />

In der anschließenden Diskussion wurden<br />

die Auswertungen aus Halle kritisch hinterfragt.<br />

Ein Problem der Aussagen über das<br />

Interesse an den Untersuchungen könnte sein,<br />

dass nur bei vollständigen Interviews nach dem<br />

Interesse gefragt wurde, also Interviews, in denen<br />

die Befragten durch ihre Teilnahme bereits<br />

Interesse gezeigt hatten. Auch die Validität der<br />

Interviewermeinungen hinsichtlich der dargestellten<br />

Qualitätskriterien wurde mit dem<br />

Hinweis auf extrinsische Motivationslagen und<br />

organisatorisch beeinflusste Antwortmuster<br />

kritisiert. Insbesondere Probleme der sozialen<br />

Erwünschtheit wurden durch die bisherigen<br />

Untersuchungen und Analysen nicht ausreichend<br />

erfasst. Ebenfalls bleibt das mögliche<br />

Auseinanderfallen der Einschätzungen von


Kolloquiumsprotokoll<br />

Einleitung<br />

Interviewer und Interviewtem ungeklärt.<br />

Im weiteren Verlauf folgten Statements<br />

verschiedener Projekte, die Untersuchungen<br />

mittels Telefonbefragung durchgeführt hatten.<br />

Das Projekt B2 des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong>, vertreten durch<br />

Ina Götzelt, stellte kurz die bisherigen Eindrücke<br />

und Ergebnisse eines Betriebspanels<br />

dar. Die Befragung richtete sich an Personalverantwortliche<br />

kleiner und mittelgroßer<br />

Unternehmen verschiedener Branchen in Ostund<br />

Westdeutschland. Insgesamt wurden 653<br />

Interviews geführt. Zusätzlich konnten sechs<br />

Interviews aus dem Pretest für die Auswertung<br />

verwendet werden. Der Fragebogen bestand<br />

aus 141 Fragen mit 323 Teilfragen und umfasste<br />

somit eine komplexe Filterführung. Die<br />

Anbahnung der Gesprächstermine wurde<br />

durch das Versenden von Broschüren und Anschreiben<br />

vorbereitet. Durchschnittlich wurden<br />

7 bis 15 Anbahnungsversuche benötigt, bis ein<br />

vollständiges Interview realisiert werden konnte.<br />

Zur Verbesserung der Ausschöpfungsquote<br />

wurde in der Befragung ein „Mixed-Mode-<br />

Verfahren“ angewandt. So konnten Befragte,<br />

denen es nicht möglich war, telefonisch an der<br />

Befragung teilzunehmen, den Fragebogen auch<br />

in schriftlicher Form ausfüllen und postalisch<br />

an das Projektteam zurücksenden.<br />

An der durchgeführten Studie nahmen 18<br />

Interviewer teil, die im Vorfeld in einer vierstündigen<br />

inhaltlichen Schulung eingewiesen<br />

wurden und zusätzlich zwei zweistündige<br />

Pretestphasen absolvierten. Im Verlauf der<br />

Befragung kam es dann zu drei Arbeitstreffen,<br />

bei denen in Gesprächen Interviewerfehler<br />

korrigiert sowie Verständnisprobleme der Probanden<br />

und der Interviewer aufgeklärt wurden.<br />

Eine umfassende und intensive Schulung der<br />

Interviewer wurde von dem B2-Projektteam<br />

als Basis einer erfolgreichen Befragung betrachtet.<br />

Die Projektgruppe stieß während und nach<br />

der Befragung auf einige Probleme: So führten<br />

lange Einführungs- und Erklärungstexte<br />

zu dem Phänomen, dass die Interviewer diese<br />

Texte unterschiedlich interpretierten und am<br />

Telefon vortrugen. Die Möglichkeit einige<br />

Fragen entweder durch Angabe von Anzahlen<br />

oder als durch die Angabe von Prozentwerten<br />

zu beantworten, verursachte bei der<br />

späteren Auswertung einige Schwierigkeiten.<br />

Besser wären wohl generell Angaben in<br />

Prozentzahlen gewesen. Des Weiteren wurde<br />

festgestellt, dass die postalisch zugeschickten<br />

Fragebögen gleichviel inhaltliche Fehler aufwiesen<br />

wie die im CATI-Labor ausgefüllte<br />

Fragebögen, aber bei heiklen Fragen seltener<br />

als sozial erwünschten Antworten aufwiesen.<br />

Dies stellte allerdings für die Güte der ersten<br />

Daten insofern kein Problem dar, als dass nur<br />

wenige Fragen mit heiklen Sachverhalten<br />

gestellt wurden.<br />

Bernd Martens vom Projekt A2 stellte<br />

in seinem Vortrag eine Befragung vor, die<br />

im Spätsommer 2002 in Halle durchgeführt<br />

worden war, und die sich an Personen der<br />

obersten Führungsebene mittelständischer Industrieunternehmen<br />

richtete. Die Gesprächsdauer<br />

betrug durchschnittlich 30<br />

Minuten. Anhand des Beispiels dieser<br />

Untersuchung wurden spezifische<br />

Seite 87<br />

Merkmale telefonischer Befragungen<br />

von Managern und Führungskräften<br />

erläutert. Hier sind hohe Kontakthäufigkeiten,<br />

große inhaltliche Kompetenzen seitens der<br />

Interviewer und nicht zu lange Fragebögen zu


Kolloquiumsprotokoll<br />

Einleitung<br />

nennen. Abschließend wurden Überlegungen<br />

zu Kostenaspekten der vorgestellten CATI-<br />

Befragung vorgetragen.<br />

Stefan Jahr berichtete über die gesammelten<br />

Erfahrungen bei der Befragung<br />

politischer Eliten aus dem <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Projekt<br />

A3. Aufgrund der angestrebten Vollerhebung<br />

und der großen geografischen Ausdehnung<br />

der Grundgesamtheit war es unmöglich, die<br />

Erhebung über „Face-to-Face“-Interviews zu<br />

realisieren. Neben diesen Faktoren sprach vor<br />

allem die schnelle Verfügbarkeit der Daten für<br />

die Durchführung einer computergestützten<br />

Telefonbefragung. Da politische Eliten auf<br />

Grund ihres Statusbewusstseins ein persönliches<br />

Interview bevorzugen, spielte auch bei<br />

dieser Befragung die Kontaktaufnahme und<br />

das „Überwinden“ des Sekretariates eine entscheidende<br />

Rolle. Die Interviewer benötigen<br />

eine hohe technische und fachliche Kompetenz,<br />

um einen starren Gesprächsverlauf zu<br />

vermeiden. Für künftige Befragungen plant<br />

die Projektgruppe eigene Hilfskräfte als Interviewer<br />

einzusetzen, die Wissen über parlamentarische<br />

Eliten haben sollten. Als Kriterien<br />

für die Beendigung einer Befragung wurden<br />

bisher entweder das Erreichen der gewünschten<br />

Stichprobe oder die Überschreitung des<br />

geplanten Forschungsbudget betrachtet. Der<br />

Referent stellte dar, dass durchaus rationalere<br />

Abbruchkriterien die Qualität der<br />

Erhebung nicht beeinträchtigt hätten.<br />

Es zeigte sich nämlich, dass die Be-<br />

Seite 88 fragung, die 95 Tage dauerte, bereits<br />

nach 60 bis 65 Tagen eine sehr gute<br />

Repräsentativität erreicht hatte. Wäre<br />

keine Vollerhebung angestrebt gewesen, hätte<br />

man, aus ökonomischer Sicht die Befragung<br />

nach ca. zwei Monaten abbrechen und verbliebene<br />

Gelder für selektive Tiefeninterviews<br />

verwenden können. Stefan Jahr bestätigte die<br />

Wichtigkeit eines vollständigen Pretestes. Die<br />

Befragungszeit aus Kostengründen über gedrittelte<br />

Pretests zu aproximieren, unterschätzte sie<br />

um 10 Minuten.<br />

Zusammenfassend wurde die Verwendung<br />

von CATI als „sehr geeignet“ bei der Elitenbefragung<br />

bewertet, obwohl Telefonbefragungen<br />

durch lange Vorbereitungen zeitaufwändig und<br />

durch die Anfertigung von Informationsmaterial<br />

kostenintensiv sind. In der anschließenden<br />

Diskussion wurde aufgezeigt, dass des Informationsmateriales<br />

allerdings auch ohne die<br />

Verwendung von CATI anfallen würde.<br />

Sören Petermann vom <strong>SFB</strong> <strong>580</strong>, Projekt A4,<br />

ging in seinem Vortrag unter anderem auf die<br />

Personalisierung von Fragebögen im Rahmen<br />

von Netzwerkerhebungen ein. Auch stellte er<br />

Argumente für die Verwendung von CATI<br />

vor. Durch die hohe Telefondichte können<br />

gerade Befragungen räumlich ausgedehnter<br />

Grundgesamtheiten günstig durchgeführt und<br />

komplexe Fragebögen mittels Filterführung für<br />

den Interviewer verwendet werden. Durch die<br />

Personalisierung der Fragbögen mittels vorab<br />

gesammelter Informationen ist es möglich,<br />

gezielt Filter einzusetzen und spezifische<br />

Fragen an den Interviewpartner zu stellen. In<br />

einer Untersuchung wurden bis zu 50 „Vorab-<br />

Informationen“ über die zu befragende Person<br />

gesammelt und in den Befragungsprozess<br />

eingespeist. Bei einer allgemeinen Bevölkerungsbefragung<br />

zu egozentrierten Netzwerken<br />

aus dem Jahr 2000 wurden sogar bis zu 1300<br />

Informationen während des Interviews neu<br />

generiert. Durch einen programmierten Fragebogen<br />

kann das Interview flüssiger geführt


Kolloquiumsprotokoll<br />

Einleitung<br />

werden. Der programmierte Fragebogen<br />

könnte natürlich auch ohne Telefon verwendet<br />

werden. Jedoch ermögliche nach Ansicht des<br />

Referenten die Verwendung des Telefons, das<br />

lästige Mitschreiben bzw. Eintippen der Antworten<br />

dem Blickfeld der Befragten zu entziehen.<br />

Das Interview am Telefon bleibe sachlich<br />

und professionell.<br />

Thomas Engel, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe<br />

von Michael Behr, ging in seinem<br />

Vortrag auf das Verhältnis zwischen offenen<br />

und geschlossenen Fragen ein. Die Forschergruppe<br />

führt seit 1998 CATI-Befragungen,<br />

vor allem von Personalchefs und Geschäftsführern.<br />

durch. Der Umfang der Fragebögen<br />

variiert zwischen 20 und 100 Fragen. Die<br />

Erfahrungen der Gruppe haben gezeigt, dass<br />

offene Fragen im Telefoninterview durchaus<br />

einsetzbar sind. Bestimmte Themen erfordern<br />

gerade dieses Design. Ein anderer Grund für<br />

die Verwendung offener Fragen ist, dass sie<br />

den Gesprächsverlauf positiv beeinflussen<br />

können, da der Befragte das Gefühl bekommt,<br />

nicht nur standardisierte Antworten geben zu<br />

müssen. Durchschnittlich wurden ein Viertel<br />

der Fragen offen gestaltet, um die „Diktatur“<br />

des Fragebogens aufzubrechen. Die Anforderungen<br />

an die Interviewer seien hoch. Günstig<br />

sei es, Studenten mit einigen Semestern Erfahrung<br />

einzusetzen.<br />

Das CATI-System kann unter Verwendung<br />

eines eingespielten Teams von Interviewern<br />

und der CATI-Verwaltung schnelle Ergebnisse<br />

vorweisen. So wurde zum Beispiel in nur einem<br />

Monat eine Studie mit ca. 400 Interviews<br />

durchgeführt. Die Auswertung der offenen<br />

Fragen erfolgt zurzeit mit dem Programm<br />

„Max QDA“. Diese Analysen befinden sich<br />

aber noch im Anfangsstudium. Jedoch können<br />

schon jetzt durch die Analysesoftware Belegstellen<br />

in den Texten der offenen Antworten<br />

einfach wiedergefunden und zusammengestellt<br />

werden.<br />

Im Anschluss an die Statements der<br />

einzelnen Projekte ergriffen zwei Interviewerinnen<br />

das Wort, um einige der angesprochenen<br />

Punkte aus ihrer Sicht darzustellen.<br />

Petra Kirch, Soziologiestudentin der Martin-<br />

Luther-<strong>Universität</strong> Halle, berichtete über die<br />

Schwierigkeiten der Kontaktaufnahme und<br />

Gesprächsführung bei zwei Erhebungen. Bei<br />

einer Befragung von Jugendlichen musste zunächst<br />

die Hürde „Eltern“ überwunden werden,<br />

um dann ein Interview mit den Zielpersonen<br />

führen zu können. Anhand einer anderen Befragung<br />

wurde referiert, dass die Opfer einer<br />

Flutkatastrophe auf Grund der emotionalen<br />

Betroffenheit die „geplante“ Gesprächsdauer<br />

häufig überschritten, da sie umfangreichere<br />

Antworten gaben als ursprünglich erwartet<br />

worden war. In beiden Fällen gab es im Vergleich<br />

zu einer Umfrage unter Betriebsräten<br />

weniger Gesprächsabbrüche. Die Befragung<br />

von Unternehmens- bzw. Geschäftsfilialen<br />

bereitete Schwierigkeiten, da die Interviewer<br />

häufig an die entsprechende Zentrale verwiesen<br />

wurden.<br />

Nicole Meingast, Studentin der <strong>Friedrich</strong>-<br />

<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>, betonte<br />

noch einmal die Wichtigkeit der Anschreiben<br />

vor der ersten Kontaktauf-<br />

Seite 89<br />

nahme. Diese Legitimation ermöglicht<br />

oft erst, an den „berüchtigten“<br />

Sekretärinnen vorbeizukommen. Ebenfalls<br />

hilft hier auch viel Überredungskunst, um<br />

zur gewünschten Zielperson durchgestellt zu


Kolloquiumsprotokoll<br />

Einleitung<br />

werden. Erwiesenermaßen steigt das Risiko<br />

des Interviewabbruches, je länger ein Interview<br />

dauert. Schon bei der Akquisition ist<br />

die Angabe der voraussichtlichen Dauer eines<br />

Interviews ein nicht unwesentlicher Faktor für<br />

die Terminvereinbarung. Als sehr nützlich hat<br />

es sich daher erwiesen, mit variierenden Zeitangaben<br />

zu operieren. Bei vielen offenen Fragen<br />

kann man auch auf die Zeitabhängigkeit<br />

der Ausführungen des Interviewten verweisen<br />

und sich so einen kommunikativen Spielraum<br />

verschaffen.<br />

In einer anschließenden kurzen Diskussion<br />

über die Notwendigkeit postalischer<br />

Anschreiben wurden Überlegungen angestellt,<br />

ob es nicht vielleicht sinnvoller und<br />

kostengünstiger wäre, entweder ganz auf<br />

Anschreiben zu verzichten oder sie per E-<br />

Mail oder Fax an die betreffende Person zur<br />

Legitimation zu versenden. Einig waren sich<br />

die Diskussionsteilnehmer darüber, dass Anschreiben<br />

für die Anbahnung von Gesprächen<br />

bei Unternehmensbefragungen sinnvoll sind,<br />

da sie die Seriosität und das Interesse der Forschungseinrichtung<br />

dokumentieren. Das ZSH<br />

führt inzwischen Versuchsbefragungen ohne<br />

Anschreiben durch, bzw. die Anschreiben<br />

werden nur auf ausdrücklichen Wunsch und<br />

Interesse der Gesprächspartner verschickt.<br />

den 1970er Jahren aus, 20 Intensivinterviews<br />

zu führen, welche dann in mehreren Jahren<br />

ausgewertet wurden. Heute werden weitaus<br />

größere Stichprobenzahlen von Drittmittelgebern<br />

erwartet.<br />

Gerade bei mittleren Fallzahlen, d.h. weniger<br />

als 1000 Interviews, erweist sich das CATI-<br />

System als optimales Forschungsinstrument,<br />

weil es ökonomisch sinnvoll ist. Besonderes<br />

Augenmerk sei jedoch auf die Anforderungen<br />

an die Interviewer zu legen, die bei Eliten- und<br />

Expertenbefragungen sehr hoch seien. Auch<br />

wurde die Hypothese vertreten, dass Selbstdarstellungsbedürfnisse<br />

von Eliten durch die<br />

Kommunikation mittels Telefon „gedämpft“<br />

werde, was die Möglichkeiten telefonischer<br />

Befragungen bei dieser Zielpopulation erhöhe.<br />

Zum Ende des Kolloquiums<br />

ergriff Michael Behr das Wort. Er<br />

zeigte auf, dass sich in der Forschung<br />

Seite 90 ein Paradigmenwechsel weg vom<br />

„Face-to-Face“-Interview hin zum<br />

Telefoninterview vollziehe, da sich<br />

die Anforderungen an die Forscher, insbesondere<br />

in der Industrie- und Arbeitssoziologie,<br />

drastisch gewandelt haben. So reichte es in


Kolloquiumsprotokoll<br />

Einleitung<br />

Seite 91


Seite 92<br />

Vitae


Autoren<br />

Michael Behr, geb. 1960, Dr. phil.,<br />

Studium der Soziologie in Freiburg, 1988 bis<br />

1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der<br />

<strong>Universität</strong> Bielefeld im Themenfeld sozialwissenschaftliche<br />

Begleitforschung zum Technikeinsatz<br />

in Industrieunternehmen, 1990 bis<br />

1992 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TH<br />

Darmstadt: Arbeiten zur Sozialstrukturanalyse<br />

und Industriesoziologie, 1993 bis 1995 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der <strong>Universität</strong><br />

Erlangen/Nürnberg: Promotion zum Thema<br />

Arbeit und Subjektivität „Perspektiven eines<br />

neuen Arbeitstyps“, 1995 bis 2001 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der <strong>Universität</strong><br />

<strong>Jena</strong>: Analyse regionaler Arbeitsmärkte und<br />

betrieblicher Personalpolitik, Fachkräfteentwicklung,<br />

Analysen zu Erwerbsbiographien<br />

und beruflicher Ausbildung, 2002-2004 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der Forschungsstelle<br />

Sozialökonomik der Arbeit an der TU<br />

Chemnitz: Leitung eines BMBF-Projektes<br />

zum Thema Früherkennung von Personal- und<br />

Qualifizierungsbedarf in Ostdeutschland, seit<br />

2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter am <strong>Jena</strong>er<br />

Zentrum für empirische Sozial- und Kulturforschung<br />

an der <strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>: Analyse von<br />

regionalen Arbeitsmärkten und betrieblicher<br />

Personalpolitik u.a. aus Beschäftigtenperspektive.<br />

e-mail: michael.behr@uni-jena.de<br />

Thomas Engel, geb. 1974, M.A.,<br />

1992 bis 1994 Ausbildung zum Buchhändler<br />

in Bayreuth, 1994 bis 2001 Studium der Soziologie<br />

und Politikwissenschaft in <strong>Jena</strong>, seit 2001<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter an der <strong>Friedrich</strong>-<br />

<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong> und der Technischen<br />

<strong>Universität</strong> Chemnitz – Arbeitsschwerpunkte:<br />

Arbeitsmarkt, Berufsbildung, Qualifikation,<br />

Transformation. Promotionsvorhaben zu Innovationsprozessen<br />

im Hightechsektor.<br />

e-mail: thomas.engel@uni-jena.de<br />

Seite 93


Autoren<br />

Ina Götzelt, geb. 1979, Dipl. Soz.,<br />

Studium an der TU Dresden in den Fächern<br />

Soziologie, Volkswirtschaft und öffentliches<br />

Recht. Seit 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

am Sonderforschungsbereich <strong>580</strong>, Projekt<br />

B2, Arbeitsschwerpunkte: Arbeitsmarktstruktur<br />

und -politik, Transformationsprozesse in<br />

Osteuropa und Methoden. Z.Z. Promotion<br />

zum Thema Arbeitsmarktsegmentation und<br />

soziale Sicherheit.<br />

e-mail: ina.goetzelt@uni-jena.de<br />

Stefan Jahr, geb. 1975, Studium der<br />

Soziologie und Betriebswirtschaftslehre in<br />

Leipzig; wissenschaftliche Hilfskraft am<br />

Lehrstuhl „Vergleichende Analyse von Gegenwartsgesellschaften“<br />

an der <strong>Universität</strong><br />

Leipzig; zurzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

des Forschungsprojekts zu parlamentarischen<br />

Führungskräften im Sonderforschungsbereich<br />

<strong>580</strong> sowie Dozent am Institut für Soziologie<br />

der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>; Arbeit<br />

an einer Promotion über Karrieren parlamentarischer<br />

Mandatsträger und ihren Werdegang<br />

nach Ausscheiden aus der Legislative.<br />

e-mail: stefan.jahr@uni-jena.de<br />

Seite 94


Autoren<br />

Bernd Martens, geb. 1955, Dr.<br />

phil., Soziologe, Promotion 1990 (an der<br />

<strong>Universität</strong> Hamburg), Habilitation 1998 an<br />

der <strong>Universität</strong> Tübingen. Wissenschaftliche<br />

Tätigkeiten an der <strong>Universität</strong> der Bundeswehr<br />

in Hamburg sowie an den <strong>Universität</strong>en<br />

Hamburg, Tübingen und Karlsruhe. Seit 2001<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt A2<br />

„Generationswechsel im Management“ des<br />

Sonderforschungsbereichs <strong>580</strong>.<br />

e-mail: bernd.martens@uni-jena.de<br />

Sören Petermann, geb. 1970, Dr.<br />

phil., Studium der Soziologie und allgemeinen<br />

Sprachwissenschaft an den <strong>Universität</strong>en<br />

Leipzig und Utrecht. Seit 1997 Mitarbeiter am<br />

IfS der Martin-Luther-<strong>Universität</strong> Halle-Wittenberg.<br />

Seit 2001 Mitarbeiter im Teilprojekt<br />

A4 des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong>. Forschungs-schwerpunkte<br />

sind Sozialkapitalforscchung, Analyse sozialer<br />

Netzwerke, Sozialstrukturforschung.<br />

e-mail: soeren.petermann@soziologie.uni-halle.de<br />

Seite 95


Autoren<br />

Thomas Ritter, geb. 1967, M.A.,<br />

Studium der Soziologie, Medienwissenschaft<br />

und Psychologie in <strong>Jena</strong>, seit 2004 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der <strong>Friedrich</strong>-<br />

<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>. Arbeitsschwerpunkt:<br />

Wissenschaftliche und organisatorische Betreuung<br />

des CATI-Labors<br />

e-mail: thomas.ritter@uni-jena.de<br />

Seite 96


<strong>SFB</strong> <strong>580</strong><br />

Gesellschaftliche<br />

Diskontinuität<br />

Entwicklungen<br />

Tradition<br />

nach dem Systemumbruch<br />

Strukturbildung<br />

Jahrelang haftete der telefonischen Befragung das Stigma<br />

einer „quick and dirty“ Erhebungsmethode an und schien<br />

deshalb im Besonderen nicht für Experten- oder Elitenbefragungen<br />

geeignet zu sein.<br />

Technische Innovationen wie z.B. die Computerunterstützung<br />

der telefonischen Befragung, haben sich positiv auf die<br />

Qualität der Daten und die Rentabilität des Instruments<br />

ausgewirkt und der Befragung am Telefon neue Einsatzgebiete<br />

eröffnet. Dennoch gehörte die Befragung von Experten<br />

und Eliten bislang noch nicht dazu. Erstmals systematisch in<br />

Elite- und Expertenpopulationen eingesetzt wurde die CATI<br />

Erhebungsmethode im Rahmen des Sonderforschungsbereiches<br />

<strong>580</strong> an den <strong>Universität</strong>en <strong>Jena</strong> und Halle.<br />

Die Beiträge im vorliegenden Heft dokumentieren die Erfahrungen<br />

der einzelnen Projekte bei den durchgeführten<br />

telefonischen Befragungen ökonomischer und parlamentarischer<br />

Eliten und legen erste verallgemeinernde Schlussfolgerungen<br />

zur Anwendung des CATI - Instrumentes für die<br />

Befragung von Experten vor.<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> - CATI Labor (2006) ISSN 1619-6171

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