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gPDF - SFB 580 - Friedrich-Schiller-Universität Jena

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CATI ABSEITS<br />

VON MIKROZENSUS<br />

UND MARKTFORSCHUNG<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong><br />

Gesellschaftliche<br />

Diskontinuität<br />

Entwicklungen<br />

Tradition<br />

nach dem Systemumbruch<br />

Strukturbildung<br />

TELEFONISCHE EXPERTENBEFRAGUNGEN -<br />

ERFAHRUNGEN UND BEFUNDE<br />

THOMAS RITTER (HRSG.)<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> MITTEILUNGEN 2006<br />

17


17 <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> MITTEILUNG<br />

Heft 17, März 2006<br />

Sonderforschungsbereich <strong>580</strong><br />

„Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch.<br />

Diskontinuität, Tradition und Strukturbildung“<br />

Sprecher:<br />

Prof. Dr. Heinrich Best<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong>, Carl-Zeiß-Straße 2, 07743 <strong>Jena</strong><br />

Telefon: +49 (0) 3641 94 55 40<br />

Fax: +49 (0) 3641 94 55 42<br />

E-Mail: best@soziologie.uni-jena.de<br />

Internet: www.sfb<strong>580</strong>.uni-halle.de<br />

www.sfb<strong>580</strong>.uni-jena.de<br />

Verantwortlich für dieses Heft:<br />

Thomas Ritter<br />

<strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong><br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong>, Carl-Zeiß-Straße 2, 07743 <strong>Jena</strong><br />

Telefon: +49 (0) 3641 94 55 93<br />

Fax: +49 (0) 3641 94 55 52<br />

E-Mail: thomas.ritter@uni-jena.de<br />

Logo:<br />

Elisabeth Blum; Peter Neitzke (Zürich)<br />

Cover & Satz: Jarno Müller<br />

Druck:<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong><br />

ISSN: 1619-6171<br />

Diese Arbeit ist im Sonderforschungsbereich <strong>580</strong> „Gesellschaftliche<br />

Entwicklungen nach dem Systemumbruch. Diskontinuität, Tradition und Strukturbildung“<br />

entstanden und wurde auf seine Veranlassung unter Verwendung<br />

der ihm von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellten<br />

Mittel gedruckt.<br />

Alle Rechte vorbehalten.


<strong>SFB</strong> <strong>580</strong><br />

Gesellschaftliche<br />

Diskontinuität<br />

Entwicklungen<br />

Tradition<br />

nach dem Systemumbruch<br />

Strukturbildung<br />

CATI ABSEITS<br />

VON MIKROZENSUS<br />

UND MARKTFORSCHUNG


INHALTSVERZEICHNIS<br />

EINLEITUNG<br />

Kapitel<br />

1<br />

Vorwort<br />

Thomas Ritter ............6<br />

2<br />

Das CATI-Instrument in der Anwendung für Expertenbefragungen<br />

am Beispiel des <strong>SFB</strong>-B2 Betriebspanels<br />

Ina Götzelt ..........11<br />

3<br />

Telefonbefragungen ökonomischer Funktionseliten -<br />

Erfahrungen und Schlussfolgerungen<br />

Bernd Martens ..........27<br />

4<br />

Telefonische Befragung von parlamentarischen Eliten -<br />

CATI auf Abwegen?<br />

Stefan Jahr ..........43<br />

Seite 4<br />

5<br />

Personalisierte Fragebögen am Beispiel<br />

von Netzwerkerhebungen<br />

Sören Petermann ..........57


INHALTSVERZEICHNIS<br />

EINLEITUNG<br />

Kapitel<br />

6<br />

Telefonische Experteninterviews mit Managern – Nutzen,<br />

Anforderungen, Praxis<br />

Thomas Engel, Michael Behr ..........67<br />

7<br />

Protokoll <strong>SFB</strong>-Kolloquium 27.04.2005<br />

Referenten - C. Buchwald, T. Engel, I. Götzelt, P. Kirch,<br />

S. Jahr, B. Martens, N. Meingast, S. Petermann,<br />

R. Schünemann, T. Ritter ..........84<br />

Autoren<br />

Vitae ..........93<br />

Seite 5


EINLEITUNG<br />

Kapitel 1<br />

VORWORT - COMPUTER-ASSISTED<br />

TELEPHONE INTERVIEWING<br />

von Thomas Ritter<br />

Die <strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong><br />

<strong>Jena</strong> verfügt seit Sommer 2004 über<br />

ein modernes CATI-Labor. Aus<br />

Anlass der Eröffnung des Labors am Institut<br />

für Soziologie und den Erfahrungen mit computerunterstützten<br />

Telefonbefragungen, die in<br />

einer Reihe von Forschungsprojekten<br />

gewonnen werden konnten, organi-<br />

Seite 6 sierte der Sonderforschungsbereich<br />

<strong>580</strong> „Gesellschaftliche Entwicklungen<br />

nach dem Systemumbruch. Diskontinuität,<br />

Tradition und Strukturbildung“<br />

im April 2005 ein Kolloquium. Bereits 2002<br />

fand zum Thema Computer-Assisted Telephone<br />

Interviewing ein Workshop im Rahmen des<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> statt. Dieser erste CATI-Workshop<br />

(vgl. <strong>SFB</strong> Mitteilungen, 2002 Heft 4) 1 sollte<br />

die Leistungsfähigkeit des CATI Instrumentes<br />

vorstellen und die Besonderheit gegenüber<br />

anderen Erhebungsmethoden herausarbeiten.<br />

In der Fortsetzung galt es in dem Kolloquium<br />

2005 die gewonnen praktischen Erfahrungen<br />

in einer projektübergreifenden Diskussion<br />

zu thematisieren um Grenzen und Potentiale<br />

auszuloten. Dieses Heft beinhaltet nun die<br />

einzelnen Beiträge der Referenten auf dem<br />

Kolloquium am 27. April 2005, sowie im Anhang<br />

die Diskussion zu den Referaten. 2<br />

In der Markt- und Meinungsforschung<br />

werden bereits über 44% (ADM Geschäftsbericht<br />

2004) der Daten telefonisch erhoben. Der<br />

größte Anteil entfällt dabei auf Haushaltsbefragungen.<br />

Zu telefonischen Expertenbefragungen<br />

gibt es jedoch keine vertiefenden Auswertungen<br />

weder im erwähnten ADM-Geschäftsbericht<br />

noch aus einer anderen Quelle. Beide<br />

Befragungstypen verlangen allerdings sehr<br />

unterschiedliche und differenzierte Arbeitsweisen.<br />

Da sich der Forschungsgegenstand der hiesigen<br />

CATI-Nutzer, vorrangig auf politische<br />

und wirtschaftliche Eliten bezieht, beeinflusst<br />

es zwangsläufig auch das Arbeitsprofil des Labors.<br />

Die Interviewer müssen hier ausdrücklich<br />

auf die Besonderheit in der Akquise und in<br />

der Interviewsituation vorbereitet und auf die<br />

unterschiedlichen Erfordernisse eines telefonischen<br />

Experteninterviews geschult werden, um<br />

angemessen reagieren und agieren zu können.<br />

Ein Schlüsselmoment, der über Erfolg oder<br />

Misserfolg einer Telefonbefragung entschei-


EINLEITUNG<br />

det, ist die Akquisition von Interviewpartnern.<br />

Dies erfordert sowohl eine wohlüberlegte Anbahnungsphase<br />

im Vorfeld, als auch die Arbeit<br />

im Nachgang (Feldpflege durch Information<br />

über die Forschungsergebnisse). Der „behutsame“<br />

Umgang mit den Befragten und deren<br />

Zufriedenheit ist für die weitere Forschung<br />

elementar. Wenn sich hierzulande ähnliche<br />

Zugangsschwierigkeiten wie in England einstellen<br />

sollten 3 , dann wäre es für die hiesige<br />

Forschung, die auf Expertenbefragungen<br />

angewiesen ist, hochproblematisch und würde<br />

erhebliche Mehrkosten verursachen.<br />

Per Definition sind „Experten bzw. Expertinnen<br />

Personen, die sich -ausgehend<br />

von spezifischem Praxis- oder Erfahrungswissen,<br />

das sich auf einen klar begrenzbaren<br />

Problemkreis bezieht - die Möglichkeiten<br />

geschaffen haben, mit ihren Deutungen das<br />

konkrete Handlungsfeld sinnhaft und handlungsleitend<br />

zu strukturieren“ (Bogner/Menz<br />

2002, 45). Bogner und Menz verknüpfen mit<br />

dieser Definition die Forderung nach einem<br />

„Interaktionsmodell, das die konstitutive und<br />

produktive Seite begreifbarer macht“ (ebd.,<br />

46). Die allgemeine methodische Problemstellung<br />

des Experteninterviews, wird durch<br />

die Besonderheiten einer computergestützten<br />

Telefonbefragung erweitert. Diese Verfahrenskombination<br />

scheint sich heute als alltägliche<br />

Forschungspraxis durchzusetzen.<br />

Das „quick and dirty“ Stigma, welches der<br />

Telefonbefragung jahrzehntelang anhaftete,<br />

bezog sich gerade auf die qualitative Unsauberkeit<br />

des Verfahrens und schien deshalb im<br />

Besonderen nicht für Experten oder Elitenbefragungen<br />

geeignet zu sein. Die zunehmende<br />

Anforderung an sozialwissenschaftliche<br />

Forschungsvorhaben, repräsentativ-belastbare<br />

Aussagen aus Daten zu gewinnen und die<br />

neuen technischen Möglichkeiten (Computerisierung)<br />

erklären den verstärkten Rückgriff<br />

auf das CATI-Instrument. 4 Die neuen Bedingungen<br />

erfordern im Gegenzug aber auch eine<br />

inhaltliche Auseinandersetzung mit telefonisch<br />

geführten Experteninterviews.<br />

Der <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> bietet im Rahmen der projektübergreifenden<br />

Methodendiskussion die<br />

Basis für eine vertiefte Beschäftigung mit dem<br />

telefonischen Experteninterview. Die langfristig<br />

angelegten Teilprojekte im <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> ermöglichen<br />

eine synergetische Reflexionsfläche, die<br />

sowohl dem Telefonlabor als auch den Projekten<br />

in ihrer Arbeit zugute kommt.<br />

Hauptanliegen des hier vorgelegten Heftes<br />

ist die Darstellung von Erfahrungen bei der<br />

telefonischen Befragung von ökonomischen<br />

Funktionseliten (Bernd Martens), von parlamentarischen<br />

Eliten (Stefan Jahr) sowie von<br />

Personalverantwortlichen in Industrieunternehmen<br />

im Rahmen einer telefonischen Panelbefragung<br />

(Ina Götzelt). In der Diskussion<br />

um personalisierte Fragebögen am Beispiel von<br />

Netzwerkerhebungen (Sören Petermann) und<br />

in einem zusammenfassenden Diskussionsbeitrag<br />

über telefonische Experteninterviews<br />

von Managern (Michael Behr und Thomas<br />

Engel) wird versucht, erste verallgemeinernde<br />

Schlussfolgerungen zur Anwendung<br />

des CATI-Instrumentes für die Befragung<br />

von Experten vorzulegen.<br />

Von höchstem Interesse wäre resümierend<br />

ein forschungsbegleitendes Projekt, das die<br />

strukturellen Merkmale und Besonderheiten<br />

telefonischer Experteninterviews untersucht.<br />

Seite 7


EINLEITUNG<br />

Das vorliegende Heft möchte für die Fragestellung<br />

eines solchen Forschungsprojektes<br />

einen ersten Beitrag leisten.<br />

LITERATUR<br />

ADM-Jahresbericht (2004): http://www.adm-ev.de/pdf/Jahresbericht_04.pdf<br />

FUSSNOTEN<br />

1<br />

Als Download einzusehen auf der Web-Präsenz des <strong>SFB</strong>:<br />

http://www.sfb<strong>580</strong>.uni-jena.de/veroeffentlichungen/zeitschrift/heft4.pdf<br />

(09/2005)<br />

2<br />

Zwei Referate (Christina Buchwald und Ralf Schünemann)<br />

die ebenfalls während des Kolloquiums vorgetragen wurden,<br />

werden in einem gesonderten Heft veröffentlicht.<br />

3<br />

Eine Vergleichsstudie (Teilprojekt A2) in England ließ sehr<br />

bittere Erfahrungen zurück, da sich das Management in den<br />

angerufenen Betrieben nur höchst selten zu einem Interview<br />

bereit erklärte. Von ca. 302 angerufenen Betriebe konnten nur 16<br />

Interviews realisiert werden.<br />

Bogner, A.; Menz, W. (2002): Das theoriegenerierende Experteninterview<br />

– Erkenntnisinteresse, Wissensformen, Interaktion.<br />

In: Bogner, A.; Littig, B.; Menz, W. (Hg.) 2002: Das Experteninterview.<br />

Theorie, Methode, Anwendung – Wiesbaden, S.<br />

33-70<br />

Bogner, A.; Littig, B.; Menz, W. (Hg.) (2002): Das Experteninterview.<br />

Theorie, Methode, Anwendung – Wiesbaden<br />

Sahner, H. (Hg.) (2002): Zur Leistungsfähigkeit telefonischer<br />

Befragungen. Das Methodenprojekt des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> zwischen Methodenentwicklung<br />

und Dienstleistung (<strong>SFB</strong> <strong>580</strong>-Mitteilungen,<br />

Heft 4) – <strong>Jena</strong>, Halle<br />

4<br />

Behr und Engel führen den gestiegenen Anteil an computergestützten<br />

Telefonbefragungen im universitären Bereich unter<br />

anderen auch auf diese veränderte Rahmenbedingung zurück.<br />

(vgl. Behr/Engel in diesem Heft).<br />

Seite 8


Seite 9


DAS<br />

CATI-INSTRUMENT<br />

IN DER ANWENDUNG<br />

FÜR EXPERTEN-<br />

BEFRAGUNGEN<br />

Seite 10


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

Kapitel 2<br />

us/ Reuband 1995). Die Zunahme der Bedeutung<br />

computergestützter Telefonbefragungen<br />

in der modernen empirischen Sozialforschung<br />

erklärt sich durch die zahlreichen Vorteile,<br />

die dieses Instrument bei der Erhebung von<br />

Massendaten bietet. Um einige Vorteile näher<br />

am Beispiel zu beleuchten, ist es sinnvoll die<br />

zentralen Merkmale in Abgrenzung zu anderen<br />

Befragungsmethoden herauszustellen. Wie<br />

Abbildung 1 zeigt, zeichnet sich die computergestützte<br />

Telefonbefragung durch drei zentrale<br />

Merkmale aus.<br />

DAS CATI-INSTRUMENT IN DER<br />

AN-<br />

1.) Die Interviews werden von einem<br />

Interviewer geleitet, welcher aktiv die Situation<br />

und den Verlauf der Befragung beeinflusst.<br />

GEN AM BEISPIEL DES <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2<br />

BETRIEBSPANELS<br />

Ina Götzelt<br />

(unter Mitarbeit von Sabrina Laufer)<br />

2.) Die Terminvereinbarung sowie die<br />

Befragung finden über das Kommunikationsmedium<br />

Telefon statt.<br />

3.) Die Befragung erfolgt computergestützt,<br />

was bedeutet, dass z.B. die Filterführung<br />

und die Reihenfolge der Präsentation von<br />

Fragen und Antwortkategorien automatisch<br />

ablaufen und vom Interviewer nicht direkt<br />

zu beeinflussen sind sowie dass Antworten<br />

während der Befragung bereits in den PC<br />

eingegeben werden.<br />

WENDUNG FÜR EXPERTENBEFRAGUN-<br />

Computergestützte Telefonbefragungen<br />

(CATI-Befragungen) ersetzen<br />

in der empirischen Sozialforschung<br />

zunehmend schriftlich-postalische sowie<br />

persönliche Befragungen. Insbesondere in der<br />

quantitativen Sozialforschung findet diese Methode<br />

immer häufiger Anwendung (vgl. Blasi-<br />

Sowohl durch die Einflussnahme<br />

eines Interviewers auf den Verlauf<br />

sowie durch den Modus telefonisches<br />

Interview als auch durch die<br />

Computerunterstützung werden<br />

Qualität, Quantität und Kosten der Befragung<br />

bestimmt. Im Folgenden sollen die Vor- und<br />

Nachteile der CATI-Methode, auch in Bezug<br />

Seite 11


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

Abbildung 1<br />

auf die Besonderheiten, die dieses Instrument<br />

bietet, anhand des <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2 Betriebspanels<br />

diskutiert werden.<br />

<strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2 BETRIEBSPANEL<br />

Bei dem <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2-Betriebspanel handelt<br />

es sich um eine Expertenbefragung zu dem<br />

Thema “Beschäftigungsstruktur und Beschäftigungsentwicklung”<br />

(vgl. Köhler et al. 2004,<br />

S. 17ff ). In den Jahren 2002 und 2004 wurden<br />

Personalverantwortliche in vorwiegend kleinund<br />

mittelständischen Unternehmen befragt.<br />

Eine dritte Welle ist für das Jahr 2006 geplant.<br />

Die Erhebungen wurden jeweils in Form von<br />

CATI-Befragungen durchgeführt.<br />

Seite 12 Das <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2 Betriebspanel<br />

weist diverse Spezifika im Vergleich<br />

zu ähnlichen Erhebungen auf. So<br />

handelt es sich um eine Panelstudie in betrieblichen<br />

Organisationen. Die Interviewpartner<br />

sind Experten im Bereich betrieblicher Personalplanung<br />

und -entwicklung. Weiterhin fand<br />

in der zweiten Welle ein Mixed-Mode-Verfahren,<br />

in Form der Kombination des CATI-<br />

Instrumentes und der schriftlich-postalischen<br />

Befragung, Anwendung.<br />

Die Stichprobenziehung für das <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-<br />

B2 Betriebspanel fand im Jahre 2002 am<br />

Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung<br />

(IAB) statt. Die Grundgesamtheit stellten alle<br />

Betriebsstätten klein- und mittelständischer<br />

Unternehmen in zehn Branchen 1 und fünf<br />

Bundesländern 2 dar, wobei die Erststichprobe<br />

anhand eines Quotenauswahlverfahrens 3 ermittelt<br />

wurde.<br />

Von den 3874 ausgewählten Betriebsstätten<br />

konnten etwa 3200 kontaktiert werden. Dies<br />

bedeutet, für knapp 20 Prozent der ausgewählten<br />

Betriebsstätten war eine falsche Telefonnummer<br />

vorhanden oder diese Betriebsstätten<br />

waren bereits nicht mehr existent. 4 Weiterhin<br />

wurde die Erhebung im Jahre 2002 zu einem<br />

festgelegten Stichtag beendet, was zur Folge<br />

hatte, dass in etwa 400 Fällen die bis dato<br />

erfolgreiche Anbahnung abgebrochen wurde.<br />

Insgesamt konnten somit im Jahre 2002 in


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

874 Betriebsstätten telefonische Interviews<br />

realisiert werden. Von diesen 874 realisierten<br />

Interviews waren 809 gültig 5 . Somit ergab sich<br />

eine Nettorücklaufquote 6 von 29 Prozent der<br />

kontaktierten Unternehmen.<br />

konnten somit 605 gültige Interviews durchgeführt<br />

werden, was einer Nettorücklaufquote<br />

von 56 Prozent entspricht (vgl. Tabelle 1).<br />

Stichprobe<br />

Brutto-<br />

Stichprobe<br />

Netto-<br />

Stichprobe<br />

Brutto Rücklauf<br />

Brutto<br />

Rücklaufquote<br />

Netto Rücklauf<br />

(nach Plausibilitätsprüfung)<br />

Netto<br />

Rücklaufquote<br />

(nach Plausibilitätsprüfung)<br />

Welle 1 3874 2813 854 30,36 809 28,75<br />

Welle 2<br />

Wiederholung 785 771 538 69,77 528 68,48<br />

Neuziehung 220 210 89 40,45 45 21,42<br />

Nachziehung 107 91 26 24,29 25 27,47<br />

Welle 2 gesamt: 1112 1072 653 60,91 605 56,44<br />

Pretest 267 k.A.m. 8 6<br />

Tabelle 1 Rücklaufquoten Welle 1 und 2<br />

Im Jahre 2004 konnten in 67 Prozent der<br />

Betriebsstätten, in denen bereits im Jahre<br />

2002 befragt wurde, gültige Interviews realisiert<br />

werden. Aufgrund der angenommenen<br />

Panelmortalität wurden in Vorbereitung der<br />

Befragung der zweiten Welle zusätzlich 220<br />

Betriebsstätten aus der Grundgesamtheit neu<br />

ausgewählt. Des Weiteren wurde die Stichprobe<br />

im Verlauf der Befragung nochmals um<br />

etwa 100 Betriebsstätten erhöht. 7 Insgesamt<br />

Die Bruttorücklaufquote aller erreichten<br />

und noch existierenden Panelunternehmen 8<br />

in der zweiten Welle ist etwa eineinhalbmal<br />

so hoch wie die Bruttorücklaufquote aller<br />

vor Beginn der Befragung neu gezogenen<br />

Betriebsstätten. 9 Dies zeigt, die Bereitschaft<br />

von Panelunternehmen an<br />

der Befragung teilzunehmen, war, ge-<br />

Seite 13<br />

messen an neu gezogenen Betrieben,<br />

höher. Hier wirkten vor allem Selbstselektionseffekte.<br />

Zudem ergaben sich bei Panelunternehmen<br />

auch Vorteile in Hinsicht auf<br />

den Erfolg des Anbahnungsgesprächs, welche


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

im folgenden Abschnitt diskutiert werden. Die<br />

im Vergleich zu den vor der Befragung neu<br />

gezogenen Unternehmen nochmals um die<br />

Hälfte geringere Bruttorücklaufquote der im<br />

Verlauf nachgezogenen Unternehmen lässt<br />

sich auf zwei entscheidende Unterschiede des<br />

Befragungsverlaufs zurückführen. Zum einen<br />

betrug der Befragungszeitraum für die im Verlauf<br />

nachgezogenen Unternehmen lediglich<br />

eineinhalb Monate, während der Gesamtbefragungszeitraum<br />

für die vorher neu gezogenen<br />

Betriebe dreieinhalb Monate ausmachte. Zum<br />

anderen wurden zur postalischen Ankündigung<br />

bei den ersteren Unternehmen keine<br />

Broschüren mit einer Ergebnispräsentation aus<br />

den Daten der ersten Welle versandt. 10<br />

Da es nur wenige Studien zum Thema<br />

Ausschöpfung und Ausschöpfungsquoten in<br />

Expertenbefragungen gibt und ein Vergleich<br />

zwischen Studien mit unterschiedlichem<br />

Expertenklientel aufgrund unterschiedlicher<br />

Auswahlprobleme und somit verschiedenen<br />

Ausfallgründe kaum möglich ist, fällt es schwer,<br />

die vorgestellten Rücklaufquoten allgemein<br />

zu bewerten. Die Gründe der Verweigerung<br />

der Teilnahme an einer Expertenbefragung<br />

zum Thema Beschäftigung von Seiten der<br />

Personalverantwortlichen sind auch anders<br />

strukturiert als in allgemeinen CATI-Bevölkerungsumfragen.<br />

Bei Expertenbefragungen in<br />

betrieblichen Kontexten wirken sich Befugnis-,<br />

Zuständigkeits- und Erreichbarkeitsprobleme<br />

(vgl. Hartmann/ Kohaut<br />

Seite 14 2000, S. 612ff ) zusätzlich auf Ausfälle<br />

und Teilnahmebereitschaft aus. Somit<br />

wird klar, dass der aus allgemeinen<br />

CATI-Bevölkerungsumfragen bekannte Wert<br />

von 40 bis 60 Prozent Rücklauf (vgl. Porst<br />

1991) in CATI-Expertenbefragungen nur mit<br />

wesentlich größeren Anstrengungen erreichbar<br />

ist.<br />

BESONDERHEITEN DER ANREIZSTRATEGIE BEI<br />

BETRIEBSBEFRAGUNGEN IM PANELDESIGN<br />

Die Spezifik von Betriebsbefragungen<br />

erzeugt, wie bereits angesprochen, einige<br />

Probleme hinsichtlich der Erreichbarkeit der<br />

zu befragenden Person sowie bei der Vereinbarung<br />

von Befragungsterminen. Bei CATI-Expertenbefragungen<br />

in Organisationen besteht<br />

eben nicht nur das Problem, den richtigen<br />

Zeitpunkt zu wählen, um den Experten am<br />

Arbeitsplatz zu erreichen. Die Schwierigkeiten<br />

liegen zum einen darin, Gatekeeper (vgl. Jahr in<br />

diesem Heft) zu überzeugen, und zum anderen<br />

auch den zuständigen, kompetenten und zur<br />

Teilnahme an Umfragen befugten Gesprächspartner<br />

zu erreichen. Wobei diese Schwierigkeiten<br />

durch die Panelstruktur ab der zweiten<br />

Welle etwas leichter zu bewältigten sind.<br />

In Vorbereitung der zweiten Welle sollte,<br />

wie bereits in der ersten Welle durchgeführt,<br />

den Unternehmen der Stichprobe eine schriftliche<br />

Ankündigung der Befragung zugesandt<br />

werden. Die schriftliche Ankündigung enthielt<br />

neben einem Anschreiben auch eine in<br />

Broschürenform erstellte Zusammenfassung<br />

der Ergebnisse der ersten Welle. Für neu<br />

ausgewählte Unternehmen ergab sich, wie<br />

schon in der ersten Welle, das Problem, dass<br />

kein Ansprechpartner bekannt war; die Briefe<br />

konnten somit lediglich an „den Personalverantwortlichen“<br />

adressiert werden. Dies<br />

führte dazu, dass die Briefe häufig ungelesen<br />

in Papierkörben oder der Ablage „Sonstiges“<br />

verschwanden. Zum Teil wurden sie von


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

Versendung von<br />

Infomatrial via<br />

E-Mail<br />

%<br />

alle kontaktierte<br />

Betriebe<br />

%<br />

Betriebe<br />

CATI-Interview<br />

%<br />

Betriebe<br />

schrift.-postalisches<br />

Interview<br />

%<br />

Betriebe<br />

Interview gesamt<br />

%<br />

Betriebe<br />

Ablehnung<br />

Netto-stichprobe<br />

Betriebe<br />

Netto<br />

Rücklauf<br />

Wiederholung 39,95 43,62 44,12 43,68 31,33 771 538<br />

Neuziehung 40,47 65,33 35,71 60,67 25,62 210 89<br />

Nachziehung 43,93 82,61 - 84,61 38,46 91 26<br />

Welle 2 gesamt: 41,04 48,06 44,7 47,62 20,28 1072 653<br />

N 440 273 38 311 85<br />

Basis N 771 568 85 653 419 8<br />

Tabelle 2<br />

Personalverantwortlichen nach telefonischer<br />

Kontaktierung ausfindig gemacht. Häufiger<br />

wurde den Personalverantwortlichen oder den<br />

Gatekeepern Informationsmaterial 11 nochmals<br />

per E-Mail zugesandt (vgl. Tabelle 2).<br />

Aber auch für Panelunternehmen, bei denen<br />

ein Ansprechpartner bekannt war, ergaben<br />

sich Probleme. Waren Ansprechpartner nicht<br />

mehr in der Betriebsstätte beschäftigt, wurden<br />

die Briefe häufig ungelesen zurückgesandt<br />

oder landeten ebenfalls in unbekannten Ablagen.<br />

Auch hier bewährte sich das Angebot,<br />

das Informationsmaterial auf elektronischem<br />

Wege zu versenden. Etwa 41 Prozent der<br />

kontaktierten Betriebsstätten machten von<br />

dieser Möglichkeit Gebrauch (vgl. Tabelle 2).<br />

Wie Tabelle 2 zeigt, nutzte etwa die Hälfte<br />

aller Betriebsstätten, die an der Befragung<br />

tatsächlich teilnahmen, die Möglichkeit sich<br />

Informationsmaterial per E-Mail zusenden<br />

zu lassen. Bei den neu gezogenen Betrieben<br />

waren es etwa 61 Prozent. Dies deutet darauf<br />

hin, dass häufiger als bei den Panelbetrieben<br />

Anschreiben und Ergebnisbroschüre auf postalischem<br />

Wege nicht ankamen. Bei den nachgezogenen<br />

Unternehmen waren es sogar 84<br />

Prozent, die die angebotene Möglichkeit der<br />

Zusendung in Anspruch nahmen. Dies erklärt<br />

sich daraus, dass im Vorfeld postalisch nur ein<br />

Anschreiben versandt wurde und erst bei der<br />

telefonischen Kontaktierung die Zusendung<br />

von Informationsmaterial angeboten wurde.<br />

Rückblickend lässt sich festhalten, dass eine<br />

schriftlich-postalisch zugestellte Vorankündigung<br />

generell positiv auf die Erreichbarkeit<br />

und das Antwortverhalten<br />

der Personalverantwortlichen wirkt.<br />

Seite 15<br />

Über die Rückfrage nach Eingang<br />

des Ankündigungsbriefes können<br />

Interviewer eine Verbindlichkeit schaffen, die<br />

hilft, zur zu befragenden Person überhaupt<br />

erst vorzudringen.


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

Der postalische Versand von Informationsmaterial<br />

im Voraus kann allerdings als wenig<br />

sinnvoll erachtet werden, da eine elektronische<br />

Zusendung oder eine postalische Zusendung<br />

von Informationsmaterial lediglich auf<br />

Wunsch nach telefonischer Kontaktierung sich<br />

als wesentlich preiswerter und ebenso effektiv<br />

darstellt. Dennoch ist das Angebot der Zusendung<br />

von Informationsmaterial generell sehr<br />

wichtig; die Befragung wirkt dadurch seriöser<br />

und es wird seltener in Frage gestellt, ob die<br />

Interviewer tatsächlich im Auftrag einer Forschungseinrichtung,<br />

wie im vorliegenden Falle<br />

der FSU <strong>Jena</strong>, Daten erheben.<br />

Für die Panelunternehmen der Befragung<br />

im Jahre 2004 stellten sich die Nennung eines<br />

Ansprechpartners sowie der Hinweis auf die<br />

Beteiligung an der Befragung im Jahre 2002<br />

als sehr gute „foot-in-the-door“ Techniken<br />

(Diekmann/ Jahn 2001) heraus. Anstrengende<br />

Überzeugungsarbeit, um zu einem<br />

Personalverantworlichen vorzudringen, wurde<br />

bei Panelunternehmen so häufig vermieden.<br />

Konnte, wie bei neu- und nachgezogenen, Betrieben<br />

kein Ansprechpartner genannt werden,<br />

bot dies eine Angriffsfläche, um die Anfrage<br />

nach Teilnahme an der Befragung bereits auf<br />

Vorzimmerebene abzulehnen. Die einzige<br />

Gegenstrategie gegen dieses generelle Problem<br />

von Befragungen in Organisationen ist es, auf<br />

überzeugungsstarke und gleichzeitig freundliche<br />

Interviewer zu setzen. Hilfreich<br />

für die Lösung dieses Problems sind<br />

Seite 16 dabei auch eine gute Protokollführung<br />

der Kontaktierungsversuche und<br />

eine gute Kommunikation unter den<br />

Interviewern.<br />

wieder die Frage der Befragungseinheit<br />

(Abteilung, Betriebsstätte, Unternehmen,<br />

Gesamtunternehmen, Unternehmensgruppe)<br />

diskutiert. Für das <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2-Betriebspanel<br />

wurde - analog zum IAB-Betriebspanel - das<br />

Betriebsstättenprinzip festgelegt. Das heißt, es<br />

sollte jeweils der Personalverantwortliche einer<br />

Betriebsstätte vor Ort Auskunft über die Personalstruktur<br />

etc. lediglich dieser Betriebsstätte<br />

geben. Bereits im Vorfeld der Erhebung wurde<br />

klar, dass sich auf Grund der Fragenvielfalt,<br />

der unterschiedlichen Betriebsstätten und<br />

Branchen Schwierigkeiten ergeben würden;<br />

konkrete Intervieweranweisungen schafften<br />

in diesem Fall Abhilfe. Dennoch wurde in der<br />

ersten Auswertung der erhobenen Daten der<br />

zweiten Welle deutlich, dass die Befragung<br />

nicht immer auf der richtigen Ebene stattfand.<br />

In etwa fünf Prozent aller realisierten Interviews<br />

wurden Daten für die falsche Aggregationsebene<br />

erhoben. Einerseits erklärt sich dieser<br />

Befragungsfehler durch organisatorische Gegebenheiten<br />

der Untersuchungsunternehmen, die<br />

eben nicht bereit waren, Aussagen für die tiefer<br />

liegende Ebene zu machen. Andererseits liegt<br />

hier ein Interviewerfehler vor, der nur durch<br />

eine intensivere Schulung behoben werden<br />

kann. Zu erwähnen ist auch, dass insbesondere<br />

in einer Panelstruktur Befragungen auf falscher<br />

Ebene fatal für die Qualität der Daten sind.<br />

Denn gerade Längsschnittmessungen, beispielsweise<br />

die Analyse von Wachstums- und<br />

Schrumpfungsprozessen, werden durch diesen<br />

Fehler unmöglich.<br />

Bei Betriebsbefragungen wird immer


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

VOR- UND NACHTEILE VON CATI-EXPERTEN-<br />

BEFRAGUNG<br />

Zentrales Merkmal einer Expertenbefragung<br />

ist es, dass fachkundige Personen<br />

Auskunft über einen ihnen gut bekannten<br />

Sachverhalt geben. Dies steht im Gegensatz<br />

zu allgemeinen Bevölkerungsumfragen, wo<br />

Probanden Auskunft über eigene Eigenschaften<br />

und Einstellungen geben und somit selbst<br />

Merkmalsträger des zu beobachtenden Untersuchungsgegenstandes<br />

sind. Im <strong>SFB</strong><strong>580</strong> – B2<br />

Betriebspanel werden Experten zum Thema<br />

Beschäftigungsstruktur, Beschäftigungsentwicklung<br />

sowie Personalstrategien einzelner<br />

Betriebsstätten befragt.<br />

Die zu befragenden Personalverantwortlichen<br />

des Betriebspanels stellen eine sehr heterogene<br />

Gruppe dar. Befragt wurden Inhaber/<br />

innen, Geschäftsführer/innen, Personalleiter<br />

und –referenten/innen, Abteilungsleiter/innen,<br />

Gruppenleiter/innen, Sekretäre/innen, Sachbearbeiter/innen<br />

und Verwaltungsangestellte.<br />

Aber nicht nur die zu befragenden Personen<br />

bilden eine heterogene Gruppe, auch die Organisationseinheiten<br />

über die die Person in ihrer<br />

Funktion als Experte Auskunft erteilen, stellen<br />

aufgrund der befragten Branchenvielfalt und<br />

der unterschiedlichen Betriebstättengrößen<br />

nur schwer miteinander vergleichbare Beobachtungsobjekte<br />

dar.<br />

Das <strong>SFB</strong><strong>580</strong>- B2-Betriebspanel wird in<br />

Form einer standardisierten Befragung durchgeführt.<br />

Es ist leicht nachzuvollziehen, dass<br />

ein Fragebogen, der die genannten Untersuchungsgegenstände<br />

im beschriebenen Untersuchungsfeld<br />

realitätsgetreu messen möchte,<br />

sehr umfangreich sein muss. Um die Vergleichbarkeit<br />

der zu erhebenden Daten zu gewährleisten,<br />

unterlagen die Befragungsinhalte in<br />

dem, vom Projekt B2 des <strong>SFB</strong><strong>580</strong> entwickelten,<br />

standardisierten Fragebogen einer starken<br />

Strukturierung nach Fragen, Antwort- und<br />

Filtervorgaben. Der Fragebogen umfasste etwa<br />

320 Teilfragen und zeichnete sich durch eine<br />

komplexe Filterführung aus. Dank des computergestützten<br />

Modus war es möglich auch<br />

eine komplexe Filterführung, erste Konsistenzprüfungen<br />

sowie Intervieweranweisungen vor<br />

der Befragung für den Eingabefragebogen,<br />

das Erhebungsinstrument, zu programmieren.<br />

Während der Befragung wurden den Experten<br />

somit lediglich relevante Fragen gestellt, wobei<br />

diese in der vom Forscher gewünschten Reihenfolge<br />

präsentiert wurden. Zudem konnten<br />

den Interviewern hilfreiche Anweisungen zu<br />

einzelnen Fragen im entscheidenden Moment<br />

eingeblendet werden.<br />

Die durchschnittliche Befragungsdauer<br />

betrug 46 Minuten. Erhoben wurden Daten<br />

für Mitarbeitergruppen mit speziellen Arbeitsvertragsformen<br />

oder Perspektiven der Beschäftigungsdauer.<br />

Je heterogener die Gruppe<br />

der beschäftigten Mitarbeiter hinsichtlich der<br />

genannten Merkmale, desto umfangreicher<br />

war die Befragung.<br />

Bei telefonischen Expertenbefragungen<br />

kommt dem Interviewerhandeln ein zentraler<br />

Stellenwert zu, um die Qualität der<br />

erhobenen Daten zu sichern und<br />

zu verbessern (vgl. auch Martens<br />

Seite 17<br />

in diesem Heft). Insbesondere bei<br />

heterogener Belegschaft sind oftmals<br />

für einzelne Befragungsinhalte zusätzliche Erläuterungen<br />

notwendig. Dabei gilt, nur dann,<br />

wenn der Interviewer selbst keine Verständnis-


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

probleme in Bezug auf Befragungsinhalte und<br />

Fragenformulierung hat, wird erhoben, was<br />

erhoben werden soll. Es ist hervorzuheben,<br />

dass bei computergestützten telefonischen<br />

Interviews im Vergleich zu face-to-face Expertenbefragungen<br />

häufig Interviewer zum Einsatz<br />

kommen, die sowohl an der Erarbeitung<br />

des Fragebogens sowie bei der Auswertung der<br />

erhobenen Daten nicht mitwirken. Interviewer<br />

in CATI-Expertenbefragungen müssen selbst<br />

keine Experten sein. Ermöglicht wird dies<br />

durch die Distanz, welche durch das Medium<br />

Telefon geschaffen wird. Akzeptanzprobleme 12<br />

spielen in der Anbahnungsphase von telefonischen<br />

Experteninterviews keine so zentrale<br />

Rolle wie bei der Face-to-Face Befragung.<br />

Ferner steht dem Interviewer während des<br />

Interviews das Hilfsmedium Computer zur<br />

Verfügung, um den Befragungsverlauf entsprechend<br />

der Situation zu gestalten und gleichzeitig<br />

auf wichtige Zusatzinformationen in Form<br />

von Intervieweranweisungen oder inhaltlich<br />

richtige Frage- und Antwortformulierungen<br />

zurückzugreifen.<br />

Umso wichtiger ist es dennoch, dass die<br />

eingesetzten Interviewer gut informiert und auf<br />

Rückfragen vorbereitet sind. Befragungsfehler,<br />

die auf Verständnisfehlern beruhen, können<br />

durch eine sehr gründliche methodische und<br />

inhaltliche Einarbeitung der Interviewer<br />

verringert werden (vgl. Fuchs 1994, S. 178ff ).<br />

Hilfreich ist auch eine intensive Pretestphase<br />

unter Einbezug der späteren<br />

Seite 18 Interviewer. Außerdem eignen sich<br />

regelmäßige Gesprächsrunden um<br />

Verständnisprobleme der Interviewer,<br />

aber auch der Befragten zu erkennen, zu diskutieren<br />

und entsprechend dem Ziel der Studie<br />

zu lösen.<br />

Im Zuge einer CATI-Expertenbefragung<br />

können darüber hinaus Probleme auftreten,<br />

die dem telefonischen Modus der Befragung<br />

geschuldet sind. Insbesondere wenn, wie<br />

beim <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2-Betriebspanel, Schätzungen<br />

von Anteilswerten oder Anzahlen einen<br />

großen Teil der Antworten ausmachen. In<br />

Telefonbefragungen werden den Probanden<br />

die Fragen lediglich verbal präsentiert, somit<br />

treten häufiger Verständnisprobleme auf, die<br />

nicht in jedem Fall kommuniziert werden (vgl.<br />

Fuchs 1994, S. 97). Hinzu kommt eine Distanz<br />

zwischen Interviewer und Experten, die das<br />

Medium Telefon in die Befragungssituation<br />

hineinträgt und welche eine gewisse Unverbindlichkeit<br />

in Bezug auf wahrheitsgetreue<br />

Antworten hervorruft. Außerdem verleitet das<br />

Kommunikationsmedium Telefon zu „ad hoc<br />

Antworten“; ein Nachschlagen nach Fakten<br />

würde den selbst gesetzten Zeitrahmen sprengen,<br />

wobei von Expertenseite für Telefonbefragungen<br />

meist nur kurze Zeitfenster eingeplant<br />

werden.<br />

Um die angesprochenen Probleme zu verringern,<br />

sind erneut die Interviewer gefordert.<br />

Im Einzelnen können nur Interviewer Motivations-<br />

und Konzentrationsschwächen oder<br />

Fehlimplikationen des Befragten erkennen und<br />

durch geeignete Strategien beheben. Aber auch<br />

die Flexibilität, die das Instrument CATI bietet,<br />

muss richtig eingesetzt werden. Wird klar,<br />

dass ein Proband in Zeitnot gerät oder Fakten<br />

nachschlagen beziehungsweise recherchieren<br />

möchte, sollte die Befragung unterbrochen<br />

und zu einem späteren Zeitpunkt fortgeführt<br />

werden. Bei der Terminvereinbarung ist die<br />

wahrscheinliche Zeitdauer des Interviews klar<br />

anzukündigen, auch wenn dies teilweise zu<br />

Abbrüchen in der Anbahnungsphase führt.


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

Hilfreich für den Befragungsverlauf allgemein<br />

ist es, eine elektronische Version des Fragebogens<br />

nach Terminvereinbarung und einige<br />

Tage vor dem Interviewtermin dem Experten<br />

zukommen zu lassen. Auf diese Weise ist der<br />

Experte in der Lage, sich auf das vereinbarte<br />

CATI-Interview vorzubereiten. 13<br />

Zu betonen ist, dass mit den Interviewern<br />

im Vorfeld der Befragung, Strategien des Verhaltens<br />

während des Interviews und in problematischen<br />

Interviewersituationen besprochen<br />

und vereinbart werden müssen.<br />

MIXED-MODE ERHEBUNGSVERFAHREN IM<br />

<strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2 BETRIEBSPANEL<br />

Im Verlauf der zweiten Befragungswelle<br />

des <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2- Betriebspanels sollte bei<br />

den Panelunternehmen eine möglichst hohe<br />

Ausschöpfungsquote erzielt werden, um<br />

Längsschnittuntersuchungen zu gewährleisten.<br />

Einige der Panel-Betriebsstätten waren allerdings<br />

nicht bereit, erneut an einer telefonischen<br />

Befragung teilzunehmen, erklärten sich aber<br />

damit einverstanden, schriftlich-postalisch den<br />

Fragebogen zu beantworten. Gründe für die<br />

Ablehnung eines Telefoninterviews stellten<br />

aktuelle Zeitnot, schlechte telefonische Erreichbarkeit<br />

oder aber die Unmöglichkeit, das<br />

einzig vorhandene Telefon für längere Zeit zu<br />

blockieren, dar.<br />

Von den insgesamt 210 Personalverantwortlichen,<br />

die sich am Telefon bereit erklärten,<br />

an der Befragung auf schriftlich-postalischem<br />

Wege teilzunehmen, sendeten letztlich 85<br />

Probanden den Fragebogen tatsächlich zurück.<br />

Dies entspricht einem Rücklauf von etwa 40<br />

Prozent. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen,<br />

dass die Befragten, die schriftlich postalisch am<br />

<strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2 Panel teilnehmen wollten, etwa<br />

eine Woche nach Versendung des Fragebogens<br />

und anschließend im wöchentlichen Rhythmus<br />

nochmals, mit der Bitte nach Rücksendung des<br />

Fragebogens, telefonisch kontaktiert wurden.<br />

Es ist zu vermuten, dass die Rücklaufquote<br />

der postalischen Fragebögen durch diese Art<br />

der Erinnerung wesentlich gesteigert werden<br />

konnte.<br />

Wenn auch ein Mixed-Mode Verfahren,<br />

insbesondere in Betriebspanelerhebungen<br />

äußerst hilfreich ist um Ausfälle zu vermeiden<br />

(vgl. Dillman 2000, S. 217; 323 ff ), so gehen<br />

doch auch zahlreiche Probleme mit der Auswertung<br />

dieser Daten einher. Probleme entstehen<br />

dadurch, dass jede der Erhebungsmethoden<br />

ihre eigenen Vor- und Nachteile besitzt.<br />

Das Selbstausfüllen des Fragebogens durch<br />

den Experten bietet beispielsweise die Vorteile<br />

größere Anonymität zu gewährleisten und die<br />

Möglichkeit, einzelne Fakten in Ruhe nachschlagen<br />

zu können. Allerdings entstehen auch<br />

entscheidende Nachteile; beispielsweise muss<br />

die komplexe Filterführung im Fragebogen<br />

vom Probanden allein bewerkstelligt werden<br />

und bei eventuellen Verständnisproblemen zu<br />

Frageninhalten oder Antwortkategorien steht<br />

nicht sofort ein Ansprechpartner für Rückfragen<br />

zur Verfügung.<br />

Wie sich anhand Tabelle 3 zeigen<br />

lässt, wirkte sich im <strong>SFB</strong><strong>580</strong>-B2-<br />

Seite 19<br />

Betriebspanel der Befragungsmodus<br />

nicht darauf aus, ob heikle Fragen,<br />

wie beispielsweise die Frage nach Entlassungsgründen,<br />

beantwortet wurden. Sowohl<br />

bei CATI als auch bei selbst ausgefüllten und


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

Strategien bei sinkendem Arbeitsvolumen<br />

Angabe “ja”<br />

CATI<br />

Angabe “ja” post. Differenz Phi<br />

Überstunden abgebaut 62,70% 64,30% (-)1,6 (-)0,011<br />

Urlaube vorgezogen 34,30% 39,50% (-)5,2 (-)0,036<br />

unbezahlten Urlaub gewährt 11,90% 17,10% (-)5,1 (-)0,051<br />

Arbeitskräfte innerbetrieblich umgesetzt 55,60% 45,50% 10,1 0,068<br />

Reduzierung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich 13,50% 7,00% 6,5 0,065<br />

Lohnsenkung 14,20% 4,70% 9,7 0,094*<br />

Kurzarbeit angeordnet 10,60% 11,60% (-)1 (-)0,011<br />

ausscheidendes Personal nicht ersetzt 69,90% 84,10% (-)14,2 (-)0,105 **<br />

Verträge mit Zeitarbeitern/ Freien nicht verlängert 21,70% 19,00% 1,7 0,022<br />

Mitarbeiter entlassen/ Aufhebungsverträge 48,50% 60,50% (-)12 (-)0,079<br />

Aufträge an Fremdfirmen verringert 22,10% 22,50% (-)0,4 (-)0,003<br />

Bearbeitungsrückstände abgebaut 42,10% 25,60% 16,5 0,107**<br />

N 303 43<br />

Mittelwert SV-pflichtig Beschäftigte 120 175<br />

Fragen wurden nur gestellt, wenn Rückgänge Arbeitsvolumen; die Verteilung in den Gruppen ist nach Region und<br />

Branche in etwa gleich; * p


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

Günde des Personalabbau<br />

fehlende Werte<br />

CATI<br />

fehlende Werte post. Differenz Cramers V<br />

technische Rationalisierung 40,28% 41,77% 1,49 0,01<br />

Auslagerung 40,28% 40,50% 0,32 0,002<br />

innerbetriebliche Reorganisation 40,63% 40,50% -0,13 0,001<br />

Ausschöpfung Personalkapazität 40,28% 41,77% 1,49 0,01<br />

Auftragsrückgänge 40,45% 39,24% -1,21 0,008<br />

* p


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

Seite 22<br />

Antwortfehler auftraten. Häufigste Fehler<br />

waren Additionsfehler der Vertragsformen<br />

einzelner Mitarbeitergruppen zur Gesamtbeschäftigtenzahl<br />

14 und eine oftmals nicht<br />

disjunkte sowie erschöpfende Einordnung von<br />

Mitarbeitern zu den Funktionsbereichen 15 .<br />

Wie zu sehen ist, gibt es hinsichtlich Anteilsund<br />

Anzahlangaben kaum Unterschiede in der<br />

Güte der Daten, die in unterschiedlichen Modi<br />

erhoben worden. Dies lässt sich zum Großteil<br />

darauf zurückführen, dass in Fällen, in denen<br />

die Betriebsstätte eine nicht überschaubare<br />

Anzahl an Mitarbeitern besaß, den Personalverantwortlichen<br />

die Möglichkeit angeboten<br />

wurde, in Vorbereitung des CATI-Interviews<br />

den Fragebogen auf elektronischem oder postalischem<br />

Wege zuzusenden.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen,<br />

dass sich die in unterschiedlicher Form erhobenen<br />

Daten hauptsächlich hinsichtlich sozial<br />

erwünschter Antworten auf heikle Fragen<br />

unterscheiden. Da allerdings im vorgestellten<br />

Betriebspanel nur wenig heikle Sachverhalte<br />

erhoben wurden, wirkt sich also der gewählte<br />

Mixed-Mode kaum auf die Auswertungsstrategien<br />

aus. Letztlich lässt sich mit Blick auf<br />

eine Koppelung von CATI und schriftlichpostalischer<br />

Befragung für das vorgestellte<br />

Beispiel eine positive Bilanz ziehen, da durch<br />

die zusätzliche Möglichkeit der postalischen<br />

Beantwortung noch weitere fünfundsiebzig<br />

gültige und stichprobenrelevante<br />

Interviews durchgeführt werden<br />

konnten.<br />

BILANZ ZUM EINSATZ DES CATI-INSTRU-<br />

MENTS IM <strong>SFB</strong><strong>580</strong> B2 BETRIEBSPANEL<br />

Telefonische Interviews galten in der empirischen<br />

Sozialforschung im Vergleich zu persönlichen<br />

Befragungen lange Zeit als „quick,<br />

cheap and dirty“ (vgl. Dillman 1978, S. 1ff ).<br />

Dies meint, dass mittels Telefonbefragungen<br />

schnell und billig Daten erhoben werden, wobei<br />

die Daten aber eine geringere Qualität im<br />

Vergleich zum traditionellen Erhebungsinstrument<br />

persönliches Interview aufweisen (vgl.<br />

Noelle-Neumann/ Petersen 2000, S. 183ff ).<br />

Allerdings hat sich die Einstellung gegenüber<br />

der Erhebungsmethode aufgrund<br />

zahlreicher technischer Innovationen, wie der<br />

Durchsetzung von CATI, und der zunehmenden<br />

Erweiterung des Telefonnetzes in neuester<br />

Zeit stark gewandelt. CATI-Befragungen sind<br />

heutzutage die gängige Praxis in der quantitativen<br />

Sozialforschung, nicht nur zur Erhebung<br />

von Massendaten.<br />

Nach wie vor gelten Telefoninterviews als<br />

preiswert gegenüber anderen Methoden der<br />

Erhebung, wobei vielleicht gerade dieser Fakt<br />

in Expertenbefragungen zu relativieren ist.<br />

Sicherlich sind die Kosten eines persönlichen<br />

Experteninterviews nicht mit den Kosten eines<br />

CATI – Experteninterviews zu vergleichen,<br />

dies ergibt sich schon allein aus der Erfordernis<br />

heraus, in persönlichen Experteninterviews,<br />

nur einschlägig qualifizierte Interviewer einzusetzen.<br />

Aber gerade schriftlich-postalische<br />

Interviews können unter Einsatz von Mixed-<br />

Mode Verfahren eine preiswertere Alternative<br />

darstellen und bieten, wie oben diskutiert, Vorteile<br />

bei der Erhebung heikler Sachverhalte.


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

Allerdings bieten CATI-Befragungen einen<br />

entscheidenden Vorteil gegenüber schriftlich-postalischen<br />

und persönlichen Befragung,<br />

der sich zum einen durch das Medium Telefon<br />

als Kommunikationsweg und zum anderen<br />

aus dem computergestützten Modus ergibt.<br />

Die Methode erweist sich als „quick“. Die<br />

Daten können schnell erfasst, bewertet und<br />

ausgewertet werden. Der computergestützte<br />

Modus ermöglicht außerdem die Abfrage von<br />

Zwischenständen und damit die regelmäßige<br />

Datenkontrolle (Bayer, S. 22). Aber nicht nur<br />

die Datenverarbeitung ist schnell, auch die<br />

computergestützte Präsentation von einzelnen<br />

Fragen gewährleistet eine überschaubare,<br />

gut strukturierte Befragung. Das Interview<br />

wird auf diesem Wege erleichtert, das lästige,<br />

aufhaltende Blättern im Fragebogen entfällt<br />

(Fuchs 1995, S. 287). Organisatorischer Vorteil<br />

ist die Terminmanagementfunktion des<br />

CATI-Programmes (vgl. Buchwald in Sahner<br />

2002, S. 37), welche jedoch in Betriebsbefragungen<br />

nur zum Teil in Anspruch genommen<br />

werden kann. Die Befragung in betrieblichen<br />

Organisationen erfordert nicht zeitnahe sondern<br />

zeitgenaue Kontaktierung des Experten.<br />

Dies ist bei einer zufälligen Zuordnung von<br />

vereinbarten Rückrufen an freie Interviewplätze,<br />

wie es das CATI-Programm anbietet,<br />

nur schwer zu gewährleisten. Teilweise ergibt<br />

sich in Anbahnungsgesprächen auch eine<br />

persönliche Bindung von Interviewer und<br />

Experten; eine zufällige Zuordnung des Interviewtermins<br />

zu einem anderen Interviewer<br />

kann hier zu Verunsicherung und Abbruch<br />

führen. Allerdings stellt die automatische<br />

Terminvereinbarungsfunktion des CATI-<br />

Programmes eine hilfreiche Ergänzung zu<br />

einem von Hand geführten Terminkalender<br />

der „konkreten Interviewtermine“ dar, wobei<br />

einfache Rückrufe zur Terminvereinbarung automatisch<br />

den Interviewern, die gerade keinen<br />

„konkreten Termin“ wahrnehmen, zugespielt<br />

werden. Somit kann auch der Organisationsaufwand<br />

einer Expertenbefragung durch die<br />

automatische Terminvereinbarungsfunktion<br />

im Wesentlichen verringert werden. Dennoch<br />

besteht hier Handlungsbedarf von Seiten der<br />

CATI-Software Anbieter.<br />

Zur Bewertung der Qualität, der in CATI-<br />

Expertenbefragungen erhobenen Daten ist<br />

nochmals die zentrale Rolle der Telefoninterviewer<br />

hervorzuheben. Das Verhalten der<br />

Interviewer hat entscheidenden Einfluss auf<br />

die Anbahnungsphase und den Befragungsverlauf.<br />

Somit wirken sich Interviewerfehler<br />

zentral auf die Antwortquote (Quantität) und<br />

die Güte der Daten (Vermeidung von Verständnisproblemen,<br />

Item-Non-Response, Abbrüche)<br />

aus. Eine intensive Schulung und der<br />

Einbezug der Interviewer in die Pretestphase<br />

sind somit grundlegend für eine hohe Qualität<br />

der erhobenen Daten. Zudem ist es sinnvoll<br />

in CATI-Expertenbefragungen das Angebot<br />

der Zusendung zusätzlicher Informationen<br />

(wie eine Übersicht über den Fragenkatalog,<br />

den vollständigen Fragebogen, Ergebnisberichte<br />

vorangegangener Forschung o.ä.) via<br />

E-Mail, Fax oder Briefpost zu unterbreiten.<br />

Dies steigert nicht nur das Interesse an den<br />

Forschungsinhalten; zusätzliche Informationen<br />

helfen vor allem den Experten<br />

zur besseren Vorbereitung auf das<br />

Interview und verkürzen damit die<br />

Interviewdauer.<br />

Seite 23


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

FUSSNOTEN<br />

1<br />

Dies sind Verlagsgewerbe, Maschinenbau, Chemische Industrie,<br />

Baugewerbe, Einzelhandel, Kreditwesen, Software, Beratung,<br />

Erwachsenenbildung und Gesundheitsdienste.<br />

2<br />

Befragt wurde in den Regionen Bayern, Niedersachsen, Hansestadt<br />

Bremen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.<br />

3<br />

Kriterien für die Quotenauswahl waren dabei die Branche, die<br />

Region und die Größen, wobei eine Gleichverteilung bezogen auf<br />

die Kriterien angestrebt wurde.<br />

4<br />

Gründe hierfür sind Meldefehler oder verspätete Meldung einer<br />

Anschriftsänderungen bzw. Betriebsstättenschließung bei der<br />

Bundesanstalt für Arbeit.<br />

5<br />

809 Interviews konnten für die Auswertung herangezogen<br />

werden, d.h. die Interviews waren plausibel und stichprobenrelevant.<br />

6<br />

Die Nettorücklaufquote entspricht dem Anteil der fertig gestellten<br />

und für die Auswertung verwendbaren Interviews an der<br />

Gesamtstichprobe.<br />

11<br />

Informationsmaterial meint hier: hauptsächlich das postalische<br />

Anschreiben und die Broschüre mit Ergebnissen aus der ersten<br />

Welle. Weiterhin wurden in Vorbereitung auf Interviews eine<br />

Kurzübersicht über die Frageninhalte, der aufbereitete Fragebogen,<br />

welcher auch postalisch versandt wurde, z.T. Heft 11 und 14<br />

der <strong>SFB</strong><strong>580</strong> – Mitteilungen versandt.<br />

12<br />

Gemeint sind Akzeptanzprobleme von Seiten der Experten<br />

gegenüber einem nicht einschlägig fachlich qualifizierten Interviewer<br />

(vgl. Einwurf von Michael Behr in Diskussion des dem<br />

Heft zu Grunde liegenden Workshops – siehe Diskussionszusammenfassung).<br />

13<br />

Dies empfiehlt sich allerdings nur dann, wenn durch das<br />

vorherige Lesen oder Mitlesen von Fragen nicht Probleme hinsichtlich<br />

sozial erwünschter Antworten provoziert werden.<br />

14<br />

Das heißt, einzelne Mitarbeitergruppen bspw. freie Mitarbeiter<br />

oder geringfügig Beschäftigte wurden in Folgefragen, wie<br />

der Aufteilung in Funktionsbereich oder Dauerbereiche nicht<br />

berücksichtigt.<br />

15<br />

Nach der im Fragebogen verfolgten Logik sollten Mitarbeiter<br />

entweder dem Führungs-, dem Forschungs- und Entwicklungs-,<br />

dem Verwaltung-, dem Service-(bspw. Kantine, Hausmeister)<br />

oder dem Kernbereich (der Erstellung oder Dienstleistung)<br />

zugeordnet werden.<br />

7<br />

Dies geschah um eine gleich verteilte Zellenbesetzung hinsichtlich<br />

der Merkmale: Branche, Region, Größe auch in der Welle 2<br />

zu gewährleisten.<br />

8<br />

Mit Panelunternehmen sind im Folgenden die bereits in der<br />

ersten Welle befragten Betriebsstätten gemeint.<br />

LITERATUR<br />

Blasius, Jörg / Reuband, Karl-Heinz (1995): Telefoninterviews<br />

in der empirschen Sozialforschung: Ausschöpfungsquoten und<br />

Antwortqualität. In: ZA-Informationen 37, S. 64-87<br />

Seite 24<br />

9<br />

Die Nettorücklaufquote ist geringer, da aufgrund<br />

der quotierten Stichprobenauswahl im Zuge der<br />

Datensatzbereinigung etwa 40 Weiterbildungseinrichtungen<br />

aus dem Datensatz gelöscht wurden.<br />

Bayer, Michael (1998): Computer Assisted Telephon Interviewing<br />

- Methodik und praktische Umsetzung, Der Hallesche Graureiher<br />

1998,1. Forschungsberichte des Instituts für Soziologie.<br />

Martin-Luther-<strong>Universität</strong> Halle-Wittenberg: (PDF-Datei:<br />

Graureiher 1998,1)<br />

10<br />

Versendet wurden lediglich Ankündigungsschreiben mit der<br />

Bitte um Beteiligung an der Befragung.<br />

DeLeeuw, Edith (1999): The Effect of Computer-Assisted Interviewing<br />

on Data Quality: A Review of the Evidence. Methods<br />

and Statistics Series Nr. 66. Amsterdam


<strong>SFB</strong><strong>580</strong> - EINLEITUNG B2 - BETRIEBSPANEL<br />

Diekmann, Andreas / Ben Jahn (2001): Anreizformen und<br />

Ausschöpfungsquoten bei postalischen Befragungen. Eine Prüfung<br />

der Reziprozitätshypothese. In: ZUMA-Nachrichten 48.<br />

Mannheim<br />

Dillman, Don A. (2000): Mail and Internet Surveys – The<br />

tailored Design Method. New York: Wiley<br />

Dillman, Don A. (1978): Mail and Telephon Surveys. The Total<br />

Design Method. New York: Wiley<br />

Fuchs, Marek (1994): Umfrageforschung mit Telefon und Computer.<br />

Weinheim: Psychologie Verlags Union<br />

Fuchs, Marek (1995): Die computergestützte telefonische Befragung<br />

– Antworten auf Probleme der Umfragenforschung.<br />

In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 24, Heft 4. Stuttgart: F. Enke<br />

Verlag, S. 284-299<br />

Hartmann, Josef / Kohaut, Susanne (2000): „Analysen zu Ausfällen<br />

(Unit-Nonresponse) im IAB-Betriespanel“ In: Mitteilung<br />

aus der Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Jg. 33<br />

Köhler, Christoph / Struck, Olaf / Schröder, Tim / Schwiedereck,<br />

Frank (2004): Betriebe und Beschäftigungsperspektiven. Ergebnisse<br />

einer Betriebsbefragung in zehn Wirtschaftszweigen.<br />

In: Köhler a.al.: Beschäftigungsstabilität und betriebliche<br />

Beschäftigungssysteme in West- und Ostdeutschland (<strong>SFB</strong><strong>580</strong><br />

– Mitteilung Heft 14). <strong>Jena</strong>, Halle<br />

Noelle-Neumann, Elisabeth / Petersen, Thomas (2000): Das<br />

halbe Instrument, die halbe Reaktion. Zum Vergleich von Telefon-<br />

und Face-to-Face-Umfragen. In: Hüfken, Volker: Methoden<br />

in Telefonumfragen. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag<br />

Porst, Rolf (1991): Ausfälle und Verweigerungen bei einer telefonischen<br />

Befragung. In: ZUMA-Nachrichten 29, S.57-69<br />

Reuband, Karl-Heinz (2000): Telefonische und postalische<br />

Bevölkerungsumfragen in Ostdeutschland. In: Hüfken, Volker:<br />

Methoden in Telefonumfragen. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag<br />

Seite 25<br />

Sahner, Heinz (Hrsg.) (2002): Zur Leistungsfähigkeit telefonischer<br />

Befragungen (<strong>SFB</strong><strong>580</strong>-Mitteilung Heft 4). <strong>Jena</strong>, Halle


T E L E F O N -<br />

BEFRAGUNGEN –<br />

ERFAHRUNGEN UND<br />

S C H L U S S F O L G E -<br />

RUNGEN<br />

Seite 26


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

Kapitel 3<br />

TELEFONBEFRAGUNGEN ÖKONOMI-<br />

SCHER FUNKTIONSELITEN – ERFAH-<br />

RUNGEN UND SCHLUSSFOLGERUNGEN<br />

belegen, dass die Unterschiede zwischen persönlichen<br />

Interviews und Telefonbefragungen<br />

nach verschiedenen Bewertungskriterien eher<br />

gering sind. Die Vergleichbarkeit von Telefonbefragungen<br />

und Face-to-Face-Interviews<br />

bezieht sich beispielsweise auf die Ausschöpfungsquoten,<br />

die Dauer der Gespräche, auf die<br />

Komplexität von Erhebungsinstrumenten und<br />

die Datenqualität (Diekmann 2001, S. 429ff.).<br />

Als Vorteil gegenüber anderen Verfahren der<br />

Datenerhebung werden die geringeren Kosten<br />

angeführt – doch ist hier kritisch anzumerken,<br />

dass sich die Aussagen über Vergleichbarkeit<br />

und Vorteile zum überwiegenden Teil auf allgemeine<br />

Bevölkerungsumfragen beziehen. In<br />

diesem Aufsatz wird stattdessen über Erfahrungen<br />

mit einer computerunterstützten Telefonbefragung<br />

(CATI) von Unternehmensleitern<br />

mittelständischer Industriebetriebe berichtet,<br />

eines Personenkreises, der als ökonomische<br />

Funktionselite angesehen werden kann.<br />

Bernd Martens<br />

1. DIE JENAER STUDIE ÜBER LEITER MITTEL-<br />

STÄNDISCHER INDUSTRIEUNTERNEHMEN<br />

Das Telefon als technisches Hilfsmittel<br />

bei sozialwissenschaftlichen Datenerhebungen<br />

ist inzwischen zum<br />

Standard geworden (vgl. auch den Beitrag von<br />

Jahr in diesem Heft). Dieses Erhebungsverfahren<br />

wird nicht mehr als „quick and dirty“<br />

angesehen, denn langjährige Erfahrungen<br />

insbesondere von Marktforschungsinstituten<br />

Die Befragung fand im Rahmen des<br />

Sonderforschungsbereichs <strong>580</strong>, Projekt A2<br />

„Generationswechsel im Management“ im Telefonlabor<br />

des Zentrums für Sozialforschung<br />

Halle statt (Martens/Michailow 2003). Im<br />

Zeitraum August bis Oktober 2002 wurden<br />

insgesamt 778 Interviews durchgeführt. Zielpersonen<br />

der Befragung waren Personen der<br />

obersten Leitungsebene – also Geschäftsführer,<br />

Eigentümer, Vorstandsvorsitzende – mittelständischer<br />

Industrieunternehmen<br />

mit 50-1000 Beschäftigten in fünf<br />

Bundesländern (Bayern, Nord-rhein-<br />

Seite 27<br />

Westfalen, Sachsen-Anhalt, Sachsen<br />

und Thüringen). Es handelte sich um<br />

eine Vollerhebung relevanter Unternehmen,<br />

entweder auf der Ebene der Bundesländer (das<br />

ist für Ostdeutschland der Fall) oder hinsicht-


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

lich ausgewählter Regionen (Industrie- und<br />

Handelskammerbezirke in Bayern und Nordrhein-Westfalen).<br />

Der gesamte Adressenpool<br />

beinhaltete 3000 Unternehmen.<br />

Die Befragten wurden auf Grund ihrer Position<br />

als Mitglied der Unternehmensleitung<br />

angesprochen. Die Erhebung lässt sich also als<br />

eine Expertenbefragung 1 ansehen, bei der die<br />

Befragten wegen ihres beruflichen Aufgabenspektrums<br />

Auskunft geben können über das<br />

Unternehmen, ihre eigene Person oder andere<br />

Sachverhalte, über die sie in besonderer Weise<br />

informiert sind. Gläser und Laudel (2004, S.<br />

11) betonen zu Recht, dass Expertenbefragungen<br />

nicht die Festlegung auf ein bestimmtes<br />

Erhebungsverfahren beinhalten. „Entscheidend<br />

sind vielmehr das Ziel der Untersuchung,<br />

der daraus abgeleitete Zweck des Interviews<br />

und die sich daraus ergebende Rolle des Interviewpartners.“<br />

In dem Projekt „Generationswechsel im<br />

Management“ stand im Mittelpunkt des Interesses,<br />

einen umfassenden Überblick über<br />

die Situation an der Spitze mittelständischer<br />

Industrieunternehmen in Deutschland zu erhalten.<br />

Daher wurde eine größere quantitative<br />

Erhebung mit einem weitgehend standardisierten<br />

Fragebogen konzipiert (auf die Folgen<br />

für die Interviewsituation, die sich aus dieser<br />

Methodenwahl und der spezifischen Befragtengruppe<br />

ergeben, wird noch weiter<br />

unten eingegangen). Das Erhebungs-<br />

Seite 28 instrument umfasste Fragen nach dem<br />

Betrieb (u.a. Nachfolgeregelungen,<br />

Finanzierungsbedingungen, betriebliche<br />

Umstrukturierungsmaßnahmen), nach der<br />

Person (u.a. Qualifikationen, Karrieren, soziale<br />

Herkunft) sowie nach Einstellungen (beispielsweise<br />

Führungsstile und gesellschaftspolitische<br />

Wertorientierungen, Martens / Michailow<br />

2003, S. 14). Im Durchschnitt dauerte ein Telefoninterview<br />

ungefähr 30 Minuten. Von den<br />

in Halle durchgeführten 778 Interviews waren<br />

770 vollständig, d.h. Abbrüche während einer<br />

Befragung kamen kaum vor.<br />

Weil das Telefonlabor in Halle nur während<br />

eines beschränkten Zeitraums zur Verfügung<br />

stand und zudem die finanziellen Ressourcen<br />

erschöpft waren, wurde die Befragung im Oktober<br />

2002 abgebrochen. Bereits vereinbarte<br />

Interviewtermine wurden dann noch ohne<br />

Computerunterstützung von <strong>Jena</strong> aus wahrgenommen.<br />

2 Bis zum Jahresende konnten auf<br />

diese Weise 29 zusätzliche Interviews realisiert<br />

werden, so dass schließlich eine Stichprobe von<br />

799 Fällen zu Stande kam. Außerdem führten<br />

wir noch 48 Interviews mit Unternehmensnachfolgern,<br />

die einen kürzeren Fragebogen im<br />

Umfang von ca. 15 Minuten beantworteten.<br />

In der Tabelle 1 sind die Verweigerungsraten<br />

und Ausschöpfungsquoten der<br />

Telefonbefragung für die fünf Bundesländer<br />

gegenübergestellt worden. Die hohe Teilnahmebereitschaft<br />

in Thüringen korreliert vermutlich<br />

mit der Wahrnehmung der <strong>Universität</strong><br />

<strong>Jena</strong> als Hochschule des Landes. Außerdem<br />

wurden in der Vergangenheit etliche industrie-<br />

und arbeitssoziologische Projekte am<br />

Jenenser Institut für Soziologie durchgeführt,<br />

welche sicherlich einen positiven Einfluss auf<br />

die regionale Teilnahmebereitschaft hatten.<br />

Die niedrige Quote für Nordrhein-Westfalen<br />

hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass<br />

zwar alle Adressen im Befragungszeitraum angerufen<br />

wurden. Weitere Kontakte jedoch auf<br />

Grund der beschränkten Nutzungsdauer des


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

Bundesland<br />

Zahl der Adressen<br />

Explizite Verweigerung,<br />

kein Interesse an einem Interview<br />

Zahl der Interviews<br />

(Ausschöpfungsquoten)<br />

Bayern<br />

NRW<br />

Sachsen<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Thüringen<br />

663<br />

1354<br />

422<br />

213<br />

371<br />

363 (54,7 %)<br />

800 (59,1 %)<br />

212 (50,2 %)<br />

93 (43,7 %)<br />

133 (35,8 %)<br />

176 (26,5 %)<br />

244 (18,0 %)<br />

143 (33,9 %)<br />

69 (32,4 %)<br />

167 (45,0 %)<br />

Gesamt 3023 1601 (52,9 %) 799 (26,4 %)<br />

Tabelle 1 - Übersicht über die Stichprobe, Zahl der<br />

Adressen und Ausschöpfungsquoten nach Bundesländern<br />

CATI-Labors in Halle gerade für einige der<br />

nordrhein-westfälischen Adressen nicht mehr<br />

wahrgenommen werden konnten.<br />

Häufiger wurde von Seiten der angerufenen<br />

Unternehmensleiter moniert, dass die Dauer<br />

der Befragung mit 30 Minuten an der Grenze<br />

des Akzeptierbaren sei. Hier war es hilfreich,<br />

dass ab und zu von der Möglichkeit des<br />

CATI-Systems, Interviews zeitlich aufzuteilen,<br />

Gebrauch gemacht werden konnte. Auch<br />

wurde angemerkt, dass sie als Verantwortliche<br />

für das Unternehmen von einer Vielzahl von<br />

Befragungen unterschiedlicher Institutionen<br />

oder auch Anfragen der amtlichen Statistik<br />

behelligt würden – beides wurde zusammen<br />

gesehen und zu letzteren sei man verpflichtet<br />

–, da beteilige man sich an weiteren Befragungsaktionen<br />

nicht mehr. 3 Befragte äußerten<br />

sich im Allgemeinen positiv dazu, dass in dem<br />

Forschungsprojekt Ost/West-Vergleiche und -<br />

Probleme aufgegriffen werden. Demgegenüber<br />

war mangelnde Praxisrelevanz der Forschung<br />

ein häufig genannter Kritikpunkt und zugleich<br />

die Begründung, weshalb man sich an der<br />

Befragung nicht beteiligen wolle. Angesichts<br />

des Erkenntnisinteresses der Grundlagenforschung,<br />

die im Sonderforschungsbereich im<br />

Vordergrund steht, ist dieser Eindruck der relativen<br />

Praxisferne nicht so ohne weiteres von<br />

der Hand zu weisen. Hilfreich war in diesem<br />

Zusammenhang der Hinweis darauf, dass den<br />

Befragten eine Kurzfassung der Projektergebnisse<br />

zu Verfügung gestellt werde. Das stieß auf<br />

ein breites Interesse und steigerte vermutlich<br />

die Akzeptanz.<br />

Die folgenden Aussagen beziehen sich<br />

überwiegend auf die Erfahrungen, die mit dem<br />

CATI-System 4 in Halle gesammelt wurden,<br />

die jedoch für Telefonbefragungen mit wirtschaftlichem<br />

Führungspersonal verallgemeinerbar<br />

sind.<br />

2. BESONDERHEITEN VON TELEFONBE-<br />

FRAGUNGEN ÖKONOMISCHER FUNKTI-<br />

ONSELITEN<br />

2.1 Hohe Kontakthäufigkeiten<br />

Ähnlich wie bei anderen Expertenbefra-<br />

Seite 29


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

gungen (vgl. die Beiträge von Engel, Götzelt<br />

und Jahr in diesem Heft) waren auch bei der<br />

Befragung der ökonomischen Funktionseliten<br />

viele Kontakte notwendig, um Interviews zu<br />

realisieren. Es liegt eine gänzlich andere Situation<br />

als bei allgemeinen Bevölkerungsumfragen<br />

vor, bei denen methodische „Faustregeln“<br />

angewendet werden können, etwa dass eine<br />

Person, die dreimal nicht erreicht wurde, aus<br />

dem Adressenpool zu entfernen ist, um den<br />

Erhebungsaufwand in Grenzen zu halten. Auf<br />

Grund der beschränkten Zahl von Unternehmen,<br />

insbesondere in Ostdeutschland, wo wir<br />

schon mit relativ überschaubaren Fallzahlen<br />

eine Vollerhebung realisierten, verbietet sich ein<br />

solches Vorgehen. Ein wichtiges Grundprinzip<br />

der Akquisition war stattdessen, dass möglichst<br />

jedes relevante Unternehmen so lange kontaktiert<br />

wurde, bis ein Interview zu Stande kam<br />

oder eine Verweigerung ausgesprochen wurde.<br />

Zusätzlich zu dem, im Vergleich mit allgemeinen<br />

Bevölkerungsumfragen, eher geringen<br />

Umfang der Grundgesamtheit, ist auch in<br />

Rechnung zu stellen, dass die zu befragenden<br />

Personen, in unserem Fall die „Chefs“ mittelständischer<br />

Industrieunternehmen, schwierig<br />

direkt zu kontaktieren sind. Zumeist muss der<br />

Kontakt über Sekretariate hergestellt werden,<br />

die eine nicht zu unterschätzende Selektions-<br />

oder „Gatekeeper“-Funktion ausüben.<br />

Geschka (1997, S. 31) schreibt in seiner Studie<br />

zur Arbeitsweise ökonomischen Führungspersonals:<br />

„Alle Spitzenmanager<br />

Seite 30 besitzen und nutzen auch die Möglichkeit,<br />

sich durch ihre Sekretärin<br />

abschotten zu lassen.“ Diese Aussage<br />

können wir gleichfalls für die mittelständische<br />

Industrie im Wesentlichen bestätigen.<br />

Um die Akzeptanz der Befragung zu erhöhen,<br />

wurden im Vorfeld der eigentlichen Erhebung<br />

alle Betriebe von uns angeschrieben. Ob<br />

beispielsweise dieser Brief hilfreich war, um die<br />

erste „Hürde“ des Sekretariats zu überwinden,<br />

lässt sich auf Grund unserer Erfahrungen nicht<br />

klären. Häufig schien dieses Anschreiben nicht<br />

zur Kenntnis genommen worden zu sein. Aber<br />

von dem Angebot ein Fax oder eine Email mit<br />

schriftlichen Erläuterungen zur Befragung<br />

und zum Forschungsprojekt nach dem ersten<br />

telefonischen Kontakt zu verschicken, um dem<br />

Interviewwunsch „Nachdruck“ zu verleihen<br />

und um die „Legitimation“ nachzuweisen,<br />

wurde rege Gebrauch gemacht. Für den Erfolg<br />

der Befragung war das unerlässlich. Die<br />

Akquisition für Telefonbefragungen ökonomischer<br />

Funktionseliten bedarf auf jeden Fall der<br />

zeitnahen Unterstützung mit einem Anschreiben,<br />

das heute am besten per Fax oder Email<br />

übermittelt wird.<br />

Unternehmensleiter sind jedoch nicht nur<br />

in dem Sinne schwierig zu erreichen, dass sie<br />

vom Personal gegen Außenkontakte mehr oder<br />

minder stark abgeschirmt werden, sondern sie<br />

haben auch hochgradig flexible Arbeitsplätze.<br />

Häufig befinden sie sich in Besprechungen,<br />

auf Dienstreisen oder sind im Betrieb unterwegs.<br />

In einigen Fällen war es möglich, gerade<br />

mit Hilfe des Instruments der telefonischen<br />

Befragung sich dieser Flexibilität anzupassen,<br />

indem Interviews per Handy beispielsweise bei<br />

Autofahrten durchgeführt wurden.<br />

Eberwein und Tholen (1990, S. 159) konstatieren,<br />

dass Führungskräfte in Wirtschaftsunternehmen<br />

keinen festen Arbeitsplatz haben.<br />

Ihr Arbeitstag sei angefüllt mit „unvorhergesehenen<br />

bzw. ungeplanten Kontakten oder


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

Maßzahlen für Kontakthäufigkeiten An der Befragung teilgenommen An der Befragung nicht teilgenommen<br />

Mittelwert<br />

Median<br />

Standardabweichung<br />

Maximum<br />

7,3<br />

6<br />

5,7<br />

57<br />

4,4<br />

3<br />

4,7<br />

38<br />

Zahl der Fälle 2223 777<br />

Tabelle 2 - Einträge des CATI-Systems, Kontakthäufigkeiten,<br />

Quelle: CATI-System<br />

Ereignissen“. Hierzu gehört dann auch das von<br />

uns vorgebrachte Ansinnen, sich an einer Telefonbefragung<br />

zu beteiligen. Nur vereinzelt ließen<br />

sich die angesprochenen Manager spontan<br />

auf diesen Interviewwunsch ein. Die Quote für<br />

solche Spontaninterviews liegt bei 5,8 %. Für<br />

94,2 % der abgeschlossenen Befragungen war<br />

mehr als ein Telefonanruf notwendig. 5<br />

In der Tabelle 2 werden die durchschnittlichen<br />

Kontakthäufigkeiten für sämtliche<br />

Fälle, die im CATI-System gespeichert<br />

sind, aufgeführt. Demnach mussten im<br />

Mittel 7,3 Anrufe für den erfolgreichen<br />

Abschluss eines Interviews getätigt werden.<br />

Doch das Maximum von 57 Kontakten<br />

verdeutlicht, dass in bestimmten Fällen<br />

ein großer Akquisitionsaufwand getrieben<br />

werden musste, der oft nicht von Erfolg<br />

gekrönt war, wie das analoge Maximum<br />

der Kontaktversuche für die Unternehmensleiter<br />

veranschaulicht, die sich nicht<br />

an der Befragung beteiligten.<br />

Abbildung 1 - Zahl der Kontaktversuche differenziert<br />

nach der Teilnahme an der Befragung, Quelle: CATI-<br />

Datenbank<br />

Dieser große Aufwand wird<br />

Seite 31<br />

gleichfalls in den Verteilungen<br />

der Kontaktversuche sichtbar (Abbildung<br />

1): die absolute Zahl nicht erfolgreicher<br />

Akquisitionsverläufe liegt auch bei mehr als 20<br />

Kontaktversuchen immer noch in der Größen-


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

ordnung der schließlich erfolgreichen Interviewanbahnungen.<br />

Deshalb mag es sein, dass die<br />

Verteilung der expliziten Verweigerungen bei<br />

der hier vorgestellten Befragung ökonomischer<br />

Funktionseliten weitgehend der allgemeiner<br />

Bevölkerungsbefragungen entspricht (Aussage<br />

im Arbeitsbericht des M-Projekts, Sonderforschungsbereich<br />

2004, S. 339). Doch wird<br />

der Umfang der Bemühungen, der im Falle<br />

von Experteninterviews<br />

hiermit notwendigerweise<br />

verbunden ist, nur<br />

unzureichend dargestellt,<br />

wenn in dem gleichen<br />

Forschungsbericht formuliert<br />

wird: Der „Unterschied<br />

[zwischen Experten-<br />

und allgemeiner<br />

Bevölkerungsumfrage per<br />

Telefon] resultiert hierbei<br />

nur aus der größeren<br />

Anzahl der Kontaktaufnahmen,<br />

weshalb die<br />

Verweigerungen sich auf<br />

eine größere Spannweite<br />

erstrecken und die Kurven<br />

flacher abfallen“ (Sonderforschungsbereich<br />

2004,<br />

S. 339).<br />

Im Laufe der Datenerhebung<br />

stellte sich<br />

außerdem eher zufällig heraus, dass<br />

gängige CATI-Software sehr infle-<br />

Seite 32 xibel auf Experteninterviews zugeschnitten<br />

ist: Eine Verwaltung hoher<br />

Kontakthäufigkeiten war insoweit<br />

nicht möglich, als Fälle, bei denen einige Male<br />

hintereinander das Telefon besetzt war, eine so<br />

niedrige Priorität gegenüber noch nicht angerufenen<br />

Adressen erhielten, dass diese Telefonnummern<br />

über Wochen hinweg nicht erneut<br />

vom System ausgewählt wurden. Um dieses<br />

Problem zu beseitigen, blieb nichts anderes<br />

übrig als das CATI-System zu „überlisten“.<br />

Bestimmte Dispositionscodierungen, wie „besetzt“,<br />

wurden nicht mehr vergeben. In solchen<br />

Fällen legte der Interviewer stets einen definitiven<br />

Termin für den folgenden Anruf fest.<br />

Abbildung 3 - Verteilung der Zeitdauer zwischen erstem<br />

und letztem Anruf, differenziert nach dem letzten<br />

Dispositionscode, Quelle: 70-%-Stichprobe der CATI-<br />

Datenbank<br />

Um den in diesen 3000 Fallgeschichten<br />

dokumentierten Aufwand etwas konkreter zu<br />

illustrieren, werden in der Abbildung 2 zwei


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

Kontaktverläufe mittels ihrer Memofelder<br />

wiedergegeben. 6 Die Memofelder des CATI-<br />

Systems dienen zum Informationsaustausch<br />

zwischen den Interviewern. Die dargestellten<br />

Fallgeschichten sind in der Weise typisch, dass<br />

sie vor allem Schwierigkeiten wiedergeben,<br />

die Zielpersonen zu erreichen. (Gründe für<br />

Teilnahme oder Verweigerung wurden schon<br />

kurz angerissen.)<br />

Auch in den erfolgreichen Fällen kam es<br />

wiederholt vor, dass mehrere Termine abgesprochen<br />

werden mussten. Im Durchschnitt<br />

waren 1,4 Termine für die Realisierung eines<br />

Interviews erforderlich 7 , d.h. Terminabsprachen<br />

wurden aus diversen Gründen nicht<br />

eingehalten.<br />

betrachtet, werden die Hälfte aller kompletten<br />

Interviews innerhalb von neun Tagen realisiert,<br />

während 50 % aller Befragten, die schließlich<br />

verweigern, das innerhalb von drei Tagen tun<br />

(vgl. Tabelle 3). Bei einer beschränkten Anzahl<br />

von Telefonnummern führt dieses Verhalten<br />

zwangsläufig dazu, dass die Zahl möglicher<br />

Anrufe pro Zeiteinheit immer kleiner wird.<br />

Gleichwohl ist es nicht opportun Termine<br />

nicht wahrzunehmen, weil auch nach längeren<br />

Zeiträumen hinweg immer noch Interviews<br />

möglich sind (Abbildung 3). Bei unserer Befragung<br />

wurden die letzten Interviews nach<br />

vier Monaten durchgeführt. Das „Ausdünnen“<br />

von Terminen kann hinsichtlich der Auslastung<br />

von Interviewern oder des Telefonlabors<br />

negative Folgen haben und höhere Kosten<br />

Maßzahlen Interview verweigert Terminvereinbarung Interview durchgeführt<br />

Mittelwert<br />

Median<br />

Standardabweichung<br />

Maximum<br />

9,2<br />

3<br />

13,1<br />

62<br />

20,9<br />

11<br />

21,0<br />

67<br />

14,3<br />

9<br />

14,2<br />

63<br />

Zahl der Fälle 1327 214 539<br />

Tabelle 3 - Zeitdauer in Tagen zwischen dem ersten<br />

und letzten Anruf, differenziert nach dem letztem Dispositionscode,<br />

der in der CATI-Datenbank eingetragen<br />

wurde, Quelle: 70-%-Stichprobe aller CATI-Einträge<br />

Ein weiterer Aspekt, der mit der Notwendigkeit<br />

hoher Kontakthäufigkeiten und der<br />

Endlichkeit des Adressenpools in Verbindung<br />

steht, ist das „Ausdünnen“ der Termine mit der<br />

Zeit. Wird die Zeitdauer zwischen dem ersten<br />

und letzten Kontakt bei der Telefonbefragung<br />

ost- und westdeutscher Unternehmensleiter<br />

bewirken. Es ist aber beispielsweise bei telefonischen<br />

Panelerhebungen, die sich auf Eliten<br />

beziehen, nicht zu vermeiden. 8<br />

Auf Grund der eingeschränkten<br />

Analysemöglichkeiten der CATI-<br />

Datenbank lassen sich nur statistische<br />

Seite 33<br />

Zusammenhänge zwischen den Kontaktgeschichten<br />

und dem Standort des<br />

Unternehmens belegen. Hier zeigt sich, dass<br />

die Leiter der westdeutschen Unternehmen,<br />

sowohl nach der Zahl der Kontakte als auch


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

Beispiel einer erfolgreichen Akquisition mit 11 Telefonanrufen<br />

1,29/08/2002,09:24,29/08/2002,09:28,15,<strong>580</strong>208, herr k. wollte das infoschreiben per mail, möchte auch interview geben,<br />

2,30/08/2002,10:57,30/08/2002,11:04,15,<strong>580</strong>201, herr k. wusste von nichts! termin muss noch vereinbart werden,<br />

3,30/08/2002,12:19,30/08/2002,12:23,15,<strong>580</strong>204, termin direkt mit herrn k. vereinbart,<br />

4,30/08/2002,12:24,30/08/2002,12:24,15,<strong>580</strong>204, termin direkt mit herrn k. vereinbart,<br />

5,03/09/2002,09:02,03/09/2002,09:05,15,<strong>580</strong>201, war krank, kommt erst am mittag, s.o.,<br />

6,03/09/2002,14:05,03/09/2002,14:08,15,<strong>580</strong>201, interview ist wg krankheit ausgefallen, neuen termin absprechen,<br />

7,04/09/2002,10:18,04/09/2002,10:19,15,<strong>580</strong>208, ging keiner ran - siehe versuche-,<br />

8,04/09/2002,10:28,04/09/2002,10:31,15,<strong>580</strong>208, herr k. möchte interview im auto machen, er ist natürlich nur beifahrer Nr.<br />

0160/xxx klang sehr nett,<br />

9,04/09/2002,11:30,04/09/2002,11:38,15,<strong>580</strong>203, ist noch im büro...warten bis er im auto ist...handy nr.,<br />

10,04/09/2002,12:00,04/09/2002,12:25,15,<strong>580</strong>203,auf handy anrufen....interview fertigstellen!,<br />

11,04/09/2002,14:00,04/09/2002,14:15,99,<strong>580</strong>203,<br />

Beispiel einer nicht erfolgreichen Akquisition mit 17 Kontakten<br />

Seite 34<br />

1,12/09/2002,14:58,12/09/2002,15:00,15,<strong>580</strong>206, haben fax bekommen,<br />

2,16/09/2002,15:38,16/09/2002,15:39,15,<strong>580</strong>209, Assistentin der GF Frau S. -202 fragen, wegen GF,<br />

3,17/09/2002,10:09,17/09/2002,10:11,15,<strong>580</strong>209, -202,<br />

4,18/09/2002,10:14,18/09/2002,10:15,15,<strong>580</strong>209, Assis. -202 fragen ob Herr F. da ist,<br />

5,18/09/2002,14:15,18/09/2002,14:16,15,<strong>580</strong>209, DW oben fragen ob Herr F. da ist (Frau S. ist auch Soziologin!!),<br />

6,20/09/2002,09:51,20/09/2002,09:53,15,<strong>580</strong>201, niemand erreicht,<br />

7,26/09/2002,13:54,26/09/2002,13:54,15,<strong>580</strong>209, -202 war gerade Aufsichtsratsitzung,<br />

8,01/10/2002,09:36,01/10/2002,09:38,15,<strong>580</strong>204, war gerade besetzt bei assistentin, dw. s.o.,<br />

9,01/10/2002,10:22,01/10/2002,10:24,15,<strong>580</strong>205, erst morgen wieder im Haus,<br />

10,02/10/2002,09:54,02/10/2002,09:56,15,<strong>580</strong>208,herr f. war zwar im haus, aber steht längere besprechung an,<br />

DW zur assistentin 202,<br />

11,07/10/2002,16:47,07/10/2002,16:49,15,<strong>580</strong>201,war nicht da,<br />

12,08/10/2002,16:52,08/10/2002,16:56,15,<strong>580</strong>201,war nicht da,<br />

13,09/10/2002,09:06,09/10/2002,09:07,15,<strong>580</strong>207,besetzt,<br />

14,09/10/2002,09:25,09/10/2002,09:26,15,<strong>580</strong>209,-202 hat vorher die ganze zeit beratung,<br />

15,10/10/2002,14:01,10/10/2002,14:02,15,<strong>580</strong>209,nicht im haus,<br />

16,14/10/2002,11:02,14/10/2002,11:06,15,<strong>580</strong>209,202 bei frau s. nachfragen ob der herr f. interesse hat und dann<br />

eventuell termin für später ausmachen,<br />

17,16/10/2002,11:17,16/10/2002,11:21,5,<strong>580</strong>207,<br />

Abbildung 2 - Memofelder von zwei Kontaktgeschichten,<br />

Quelle: CATI-Datenbank


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

Maßzahlen<br />

Ostdeutsches Unternehmen<br />

An der Befragung<br />

beteiligt<br />

Befragung<br />

verweigert<br />

Westdeutsches Unternehmen<br />

An der Befragung<br />

beteiligt<br />

Befragung<br />

verweigert<br />

Bis drei Kontakte 24,4 % 50,2 % 28,9 % 62,5 %<br />

Bis sechs Kontakte 56,0 % 75,1 % 58,2 % 86,3 %<br />

Zeitdauer zwischen erstem<br />

und letztem Anruf (in Tagen)<br />

Mittelwert<br />

Median<br />

Standardabweichung<br />

14,7<br />

9,5<br />

13,9<br />

12,0<br />

6,0<br />

14,5<br />

13,9<br />

9,0<br />

14,4<br />

8,8<br />

3,5<br />

12,5<br />

Zahl der Fälle 266 313 273 802<br />

Tabelle 4 - Befragtenverhalten (Kontakthäufigkeiten<br />

und Zeitdauer zwischen dem ersten und letzten Anruf )<br />

differenziert nach der Befragungsregion, Quelle: 70-%-<br />

Stichprobe aller CATI-Einträge<br />

nach der verstrichenen Zeit zwischen dem<br />

ersten und letzten Anruf, schneller Verweigerungen<br />

aussprechen als die Leiter ostdeutscher<br />

Unternehmen (vgl. Tabelle 4). Hingegen gibt<br />

es eine weitgehende Entsprechung bei der<br />

Teilnahmebereitschaft, was beispielsweise<br />

der Hypothese widerspricht, dass die schnelleren<br />

Verweigerungen im westdeutschen<br />

Fall unter Umständen mit komplizierteren<br />

Gesellschafterstrukturen in Ostdeutschland<br />

zusammenhängen, bei denen möglicherweise<br />

auskunftsberechtigte Personen (etwa Eigentümer)<br />

erst aufwändig kontaktiert werden<br />

müssen. Detaillierte Regressionsanalysen der<br />

erfolgreich abgeschlossenen Interviews mit der<br />

Zahl der Kontakte als abhängiger Größe und<br />

unterschiedlichen Akteurs- und Betriebsvariablen<br />

als unabhängigen Merkmalen belegen<br />

keine Zusammenhänge. Die erklärte Varianz<br />

bewegte sich in der Größenordnung von 1%.<br />

Analoge Auswertungen für die Verweigerungen,<br />

bei denen ja gerade Unterschiede im<br />

Verhalten sichtbar sind, lassen sich mit den<br />

verfügbaren Daten nicht durchführen.<br />

Das methodische Fazit dieses Abschnitts<br />

lautet also: Hohe Kontakthäufigkeiten sind bei<br />

Telefonbefragungen ökonomischer Eliten notwendig,<br />

weil dieser Personenkreis nach außen<br />

abgeschirmt wird, über flexible Arbeitsplätze<br />

verfügt und seine Arbeitszeiten wenig planbar<br />

sind. Es können Ost/West-Unterschiede etwa<br />

bei den Interviewverweigerungen beobachtet<br />

werden, die sich in den Kontakthäufigkeiten<br />

sowie der Zeitdauer zwischen erstem und letztem<br />

Anruf niederschlagen. Auf Grund der Datenlage<br />

stehen statistisch abgesicherte<br />

Erklärungen hierfür noch aus.<br />

Seite 35<br />

Nach unseren Erfahrungen hat<br />

die eingesetzte CATI-Software mit<br />

der Verwaltung dieser Art von Befragungen<br />

teilweise Schwierigkeiten. Zudem existiert das<br />

Phänomen des „Ausdünnens“ der Termine,


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

welches unter dem Aspekt der Auslastung<br />

von Interviewern und der CATI-Infrastruktur<br />

problematisch sein kann.<br />

2.2 Die Interviewsituation<br />

Wenn schließlich die verschiedenen „Hürden“<br />

genommen werden und die Akquisitionsaktivitäten<br />

einen erfolgreichen Abschluss<br />

finden, was lässt sich zur Interviewsituation<br />

bei telefonischen Befragungen ökonomischer<br />

Funktionseliten sagen?<br />

Eberwein und Tholen (1990, S. 156)<br />

zitieren in ihrer vergleichenden Studie zum<br />

deutschen und englischen Management<br />

Zeitbudgetuntersuchungen. Demnach nehmen<br />

Kommunikation und Interaktion mit<br />

anderen innerhalb und außerhalb der Firma<br />

einen Umfang von 60-75 % der Arbeitszeit<br />

von Managern ein. Ähnliche Zahlen finden<br />

sich auch bei Geschka (1997, S. 30), der auf<br />

der Grundlage einer Studie über Topmanager<br />

den Anteil der Kommunikation mit anderen<br />

an der Arbeitszeit sogar mit 85 % angibt. Die<br />

unterschiedlichen Autoren kommen zu dem<br />

Schluss, dass telefonisch vermittelte Kommunikation<br />

ungefähr die Größenordnung von<br />

13-15 % der Arbeitzeit von Managern einnehme<br />

(Eberwein/Tholen 1990, S. 156; Geschka<br />

1997, S. 30). Es bleibt also festzuhalten, dass<br />

Manager einen hoch kommunikativen<br />

Beruf ausüben und dass das technische<br />

Kommunikationsmittel Telefon<br />

Seite 36 häufig von ihnen genutzt wird.<br />

Telefonbefragungen knüpfen also<br />

an das übliche Arbeitsverhalten von<br />

Managern an. Diese Form der Datenerhebung<br />

scheint daher das Mittel der Wahl für diese<br />

Untersuchungsgruppe zu sein. Das zeigte sich<br />

beispielsweise bei unserer Studie auch darin,<br />

dass nur vereinzelt Wünsche geäußert wurden,<br />

schriftliche Versionen des Fragebogens<br />

zu erhalten. 9<br />

Trinczek (2005) hat sich mit Besonderheiten<br />

des Interviewverhaltens von Managern<br />

auseinandergesetzt. Am Beispiel von Leitfadeninterviews<br />

– was m.E. jedoch durchaus<br />

für standardisierte Befragungen vor allem<br />

von hierarchisch hochstehenden Führungskräften<br />

verallgemeinerbar ist – unterscheidet<br />

er zwei Phasen des Gesprächsverlaufs. In<br />

der Anfangssequenz sei man als Interviewer<br />

zunächst mit den Erwartungen der Manager<br />

an ein solches Gespräch konfrontiert. Diese<br />

Erwartungen seien stark durch das übliche<br />

betriebliche Kommunikationsverhalten geprägt<br />

(Trinczek 2005, S. 213). In der Interaktion<br />

mit Mitarbeitern überwiegen seitens<br />

des Führungspersonals Frage-Antwort-Situationen<br />

ohne große verbale Abschweifungen,<br />

weil diese angesichts des permanenten Zeitdrucks<br />

als dysfunktional wahrgenommen<br />

werden. Deshalb plädiert Trinczek für die<br />

Eingangsphase des Interviews mit Managern<br />

eher für geschlossene Varianten der<br />

Befragung. 10 In einer zweiten Phase solcher<br />

Gespräche, wenn sich eher ein Vertrauen<br />

eingestellt habe, sei es möglich in Bezug auf<br />

außerbetriebliche „Lebensarrangements“<br />

auch Erzählungen bei den Managern zu<br />

initiieren (Trinczek 2005, S. 215). Hingegen<br />

sei die dominante Kommunikationsform für<br />

fachbezogene, betriebliche Sachverhalte das<br />

„Fachgespräch“, „so wie es Manager in seiner<br />

kommunikativen Grundstruktur vorrangig<br />

aus offenen Diskussionen in teamartigen<br />

Arbeitszusammenhängen kennen“ (Trinczek<br />

2005, S. 216). 11 Der Interviewer sei in dieser


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

Phase des Gespräches weniger Publikum des<br />

Managers, wie es zum Beispiel Kern, Kern und<br />

Schumann (1988, S. 88) beschreiben, sondern<br />

er werde im Idealfall seinerseits von der Führungskraft<br />

als Experte und Diskurspartner<br />

angesehen (Trinczek 2005, S. 217).<br />

Der damit implizierte Wunsch nach<br />

kompetenten und gleichgewichtigen Interviewern<br />

ergibt sich folglich zum Teil aus der<br />

Situationsdeutung des Managers, dass es sich<br />

bei dem Interview um ein Fachgespräch unter<br />

wohlinformierten Gesprächspartnern handle.<br />

„Je höher die eigene Qualifikation, der formale<br />

Status oder der Umfang des Verantwortungsbereiches<br />

ist, umso höher steigt auch die implizite<br />

Erwartung von Managern an die formelle<br />

Ausgewiesenheit des Gegenübers. […] Wenigstens<br />

promoviert sollte der Sozialforscher<br />

sein, wenn die <strong>Universität</strong> schon keinen ‚richtigen<br />

Professor’ geschickt hat“ (Trinczek 2005,<br />

S. 219). Diese Erwartungen an Eigenschaften<br />

des Interviewers sind nach dieser Lesart nicht<br />

gänzlich „irrational“, nur durch Status- und<br />

Machtfragen bestimmt, sondern sie ergeben<br />

sich aus der Struktur des Fachgesprächs.<br />

Angenommen diese Beschreibung der<br />

Gesprächssituation ist zutreffend, dass nämlich<br />

Frage-Antwort-Situationen sowie Fachgespräche<br />

im Kontakt mit Sozialforschern von Managern<br />

erwarten werden, und dass diese Situationsdeutung<br />

auch Gültigkeit für telefonische<br />

Befragungen besitzt, dann ergeben sich einige<br />

Schlussfolgerungen: Zunächst entsprechen sie<br />

insbesondere in einer standardisierten Variante<br />

dem geschlossenen Frage-Antwort-Charakter.<br />

Doch erfordert das Fachgespräch einen kompetenten,<br />

professionellen und gleichgewichtigen<br />

Gesprächspartner, und – auf Grund unserer<br />

Erfahrungen mit der ersten Leitungsebene<br />

mittelständischer Firmen – scheint es auch<br />

bei einer quantitativ orientierten, weitgehend<br />

standardisierten Erhebungsform wichtig zu<br />

sein, eine Gesprächssituation zu schaffen, die<br />

mehr als ein bloßes „Abspulen“ von Fragen ist.<br />

Die Wertschätzung des Befragten durch den<br />

Interviewer korrespondiert mit der Verallgemeinerung<br />

der Situationsdeutung, dass es sich<br />

nämlich um ein Fachgespräch handelt. Insbesondere<br />

diese Erwartungshaltung der Befragten<br />

kann jedoch zu Komplikationen führen,<br />

weil sie mit den methodischen Standards gleicher<br />

Erhebungssituationen als Vorbedingung<br />

für die Vergleichbarkeit der Antworten nicht<br />

einfach zu vereinbaren ist.<br />

Bei unserer Erhebung haben wir besonderes<br />

Augenmerk auf die fachlichen Kompetenzen<br />

der Interviewer gelegt. Interviewerinnen 12<br />

wurden im Rahmen einer zweisemestrigen<br />

Lehrveranstaltung zu managementsoziologischen<br />

Inhalten rekrutiert, so dass hinsichtlich<br />

der Themenbereiche des Fragenbogens Kompetenzen,<br />

welche über normales studentisches<br />

Wissen hinausgingen, vorausgesetzt werden<br />

konnten. Bei den Kontaktgesprächen und<br />

in der Interviewsituation wurde zudem der<br />

professionelle Kontext der Befragung deutlich<br />

gemacht.<br />

Schwieriger ist die Forderung nach Gleichgewichtigkeit<br />

der Gesprächspartner zu<br />

realisieren – bei größeren Telefonbefragungen<br />

ist diese Erwartung seitens<br />

Seite 37<br />

der ökonomischen Funktionseliten<br />

sogar unmöglich zu erfüllen. „Einen<br />

Werksleiter in den Mitfünfzigern zu interviewen,<br />

wird einem ähnlich alten Sozialforscher<br />

leichter gemacht als einem Kollegen Anfang


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

30; allerdings scheint es so zu sein, dass Alter<br />

in gewissen Grenzen über Titel und Status<br />

kompensiert werden kann“ (Trinczek 2005, S.<br />

219). Diese Variante der Problembewältigung<br />

scheidet bei der Beschäftigung studentischer<br />

Interviewer definitiv aus, gleichwohl haben<br />

wir mit unserem kompetenten, relativ jungen<br />

Interviewerinnenstab gute Erfahrungen gemacht.<br />

Es mag eine Rolle gespielt haben, dass<br />

es die Interviewerinnen überwiegend mit einer<br />

männlichen Untersuchungsgruppe zu tun hatten,<br />

der Frauenanteil in der realisierten Stichprobe<br />

beträgt nur 7,5 % (Martens/Michailow<br />

2003, S. 19). Das heißt, dass es den Unternehmensleitern<br />

möglicherweise leichter fiel<br />

sich auf Gespräche mit jungen kompetenten<br />

Damen einzulassen. 13<br />

In diesem Zusammenhang hat Michael<br />

Behr einen interessanten Gedanken geäußert 14 ,<br />

der auf einen strukturellen Vorteil telefonischer<br />

Befragungen verweist: die Einschränkungen<br />

telefonisch vermittelter Kommunikation<br />

ermöglichen gerade bei Elitebefragungen,<br />

die Illusion 15 der Gleichgewichtigkeit von<br />

Interviewpartnern zu etablieren und aufrechtzuerhalten.<br />

Für die Befragten stellt diese Art<br />

der Kommunikation Ausweichmöglichkeiten<br />

parat, Gesprächspartner – beispielsweise junge<br />

Studentinnen – als gleichgewichtig zu akzeptieren,<br />

was sie vermutlich in der Face-to-Face-<br />

Kommunikation so nicht täten. 16 Telefonische<br />

Befragungen hätten demnach<br />

eine nicht zu unterschätzende Entlas-<br />

Seite 38 tungsfunktion bei Datenerhebungen<br />

unter ökonomischen Experten oder<br />

Funktionseliten, durch die Einschränkungen<br />

der Wahrnehmungsmöglichkeiten bei<br />

der Kommunikation. Dieses Erhebungsverfahren<br />

ermöglicht erst größere Fallzahlen bei<br />

Managerbefragungen, weil größere Stichproben<br />

von Face-to-Face-Interviews weder<br />

zu finanzieren noch zu organisieren wären;<br />

aber auch weil die Vorstellung der Gleichgewichtigkeit<br />

in der direkten Interaktion nicht<br />

aufrechtzuerhalten wäre.<br />

Telefonbefragungen scheinen also zusammengefasst<br />

das Mittel der Wahl bei Umfragen<br />

unter Managern zu sein, weil sie an<br />

deren normalen Kommunikationsverhalten<br />

in der Arbeitsumgebung anknüpfen. Werden<br />

Aussagen zur Methode des Experteninterviews<br />

von Managern auf Telefonbefragungen<br />

übertragen, und das scheint insbesondere<br />

bei hierarchisch hochstehenden Personen<br />

plausibel zu sein, ergeben sich aus der Situationsdeutung<br />

des Interviews als diskursivem<br />

Fachgespräch Forderungen nach Kompetenzen,<br />

Professionalität und Gleichgewichtigkeit<br />

der Interviewer, die sich bei allgemeinen Bevölkerungsumfragen<br />

so nicht stellen und die<br />

schwierig zu erfüllen sind. Interessanterweise<br />

schränkt die Methode der Telefonbefragung<br />

durch die Illusion der Statusähnlichkeit diese<br />

Forderungen zum Teil wieder ein, so dass sie<br />

auch aus diesem Grunde als probate Methode<br />

der Datenerhebung bei ökonomischen<br />

Funktionseliten anzusehen ist.<br />

3. TELEFONISCHE BEFRAGUNGEN ÖKONOMI-<br />

SCHER ELITEN BEWERTET NACH WIRTSCHAFT-<br />

LICHEN UND ANDEREN GESICHTSPUNKTEN<br />

In der Konsequenz steht also ein positives<br />

Votum: Telefonbefragungen sind für die<br />

vorgestellte Untersuchungsgruppe sehr gut<br />

geeignet. Postalische Befragungen erreichen<br />

kaum die Ausschöpfungsquoten, persönli-


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

che Face-to-Face-Interviews wären in einer<br />

ähnlichen Größenordnung und Stichprobenzusammensetzung<br />

nur mit noch größerem<br />

Ressourceneinsatz und damit mit höheren<br />

Transaktionskosten zu realisieren. Doch sollte<br />

man sich durch einen komparativen Blickwinkel<br />

nicht dazu verleiten lassen anzunehmen,<br />

Elitebefragungen wie wir sie durchgeführt<br />

haben, seien billig.<br />

Der hohe Aufwand bei der Akquisition<br />

ist mit Kosten verbunden. Zur Abschätzung<br />

der Kosten kann man auf unterschiedliche<br />

Berechnungsgrundlagen zurückgreifen. Eine<br />

halbwegs realistische Kalkulation bezieht sich<br />

auf den Arbeitsumfang, der notwendig ist, um<br />

ein Interview zu realisieren. Dieses Arbeitsvolumen<br />

der Interviewerinnen – in das aber nicht<br />

die Arbeitszeit von Operateuren des CATI-<br />

Labors und von Supervisoren der Erhebung<br />

eingeht – schließt nicht nur das Interview (einschließlich<br />

Akquisition) mit ein, sondern auch<br />

die vergeblichen Kontakte und die erfolglosen<br />

Fälle. Auf der Grundlage unseres Projektes in<br />

Halle lässt sich abschätzen, dass für die Durchführung<br />

eines erfolgreichen Interviews im<br />

Schnitt 3,25 Stunden von den Interviewerinnen<br />

gearbeitet werden musste. Für studentische<br />

Interviewerinnen liegen demnach die „reinen“<br />

Kosten eines Interviews mit einem Unternehmensleiter<br />

in der Größenordnung von 26 €.<br />

Werden jedoch die in unserem Fall höheren<br />

Transaktionskosten (Reisekosten, Übernachtungskosten,<br />

Tagegelder), die notwendig<br />

waren, um das Kriterium der Kompetenz der<br />

Interviewer zu erfüllen und die Telefongebühren<br />

hinzugerechnet, ergibt sich ein Preis von<br />

43 €/Interview. Und auch das scheint eher eine<br />

untere Grenze für die tatsächlichen Kosten zu<br />

sein, weil hier die laufenden Ausgaben für das<br />

Telefonlabor (Personal, Geräte, Räume, Software<br />

etc.), Abschreibungen und Gehälter für<br />

höher qualifiziertes Interviewerpersonal nicht<br />

mit eingerechnet wurden. Angesichts dessen<br />

sind Telefonbefragungen von Eliten und Experten<br />

vergleichsweise preiswert. 17<br />

Offensichtliche Optimierungsmöglichkeiten<br />

für telefonische Befragungen von Experten<br />

und Eliten liegen im Bereich der Software,<br />

die bislang auf die Bedürfnisse der herkömmlichen<br />

Umfrageforschung zugeschnitten<br />

ist. Auch wäre es unter dem Gesichtspunkt<br />

einer systematischen Methodenforschung<br />

wünschenswert, die Akquisitionsverläufe in<br />

einem stärkeren Maße statistischen Analysen<br />

zugänglich zu machen (schließlich handelt es<br />

sich um sekundengenau aufgezeichnete, prozessproduzierte<br />

Ereignisdaten), weil Gründe<br />

für Teilnahme oder Verweigerung sich mit<br />

den heute verfügbaren Daten nicht eindeutig<br />

eruieren lassen. Das Beispiel der hier behandelten<br />

ökonomischen Funktionseliten zeigt,<br />

dass die Anreizstrukturen für die Teilnahme<br />

an solchen Befragungen eher unklar sind, was<br />

auf Desiderate der Forschung über telefonische<br />

Befragungen verweist.<br />

Seite 39


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

FUSSNOTEN<br />

7<br />

Die Angabe bezieht sich auf die 70-%-Stichprobe der CATI-<br />

Einträge.<br />

Seite 40<br />

1<br />

„Experten sind Menschen, die ein besonderes Wissen über<br />

soziale Sachverhalte besitzen, und Experteninterviews sind eine<br />

Methode, dieses Wissen zu erschließen“ (Gläser/Laudel 2004, S.<br />

10). Zur Begrifflichkeit von Experten und Funktionseliten vgl.<br />

a. Meuser/Nagel (1994).<br />

2<br />

Im Vorwege der eigentlichen Erhebung wurden im Rahmen<br />

eines Pretests insgesamt 21 Telefoninterviews mit Unternehmensleitern<br />

in Brandenburg durchgeführt, ebenfalls ohne<br />

CATI-System, was insbesondere bei der Terminabsprache und<br />

-verwaltung gravierende Nachteile hat. Es besteht ein hoher<br />

Koordinationsaufwand, der sonst durch das CATI-System<br />

abgedeckt wird. Gleichwohl sind Telefonbefragungen ohne<br />

Computerunterstützung durchaus möglich.<br />

3<br />

Angesichts geringer Zahlen von Unternehmen in Ostdeutschland<br />

besteht hier das ernste Problem der Überforschung.<br />

4<br />

Nach Abschluss der Telefonbefragung wurde uns vom Telefonlabor<br />

in Halle ein Gesamtauszug der CATI-Datenbank als<br />

ASCII-Text zur Verfügung gestellt. Das Interessante an den<br />

dort abgespeicherten Informationen sind die Kontaktgeschichten,<br />

die vollständig für sämtliche angerufenen Telefonnummern<br />

in Form von Memofeldern vorliegen, in die die Interviewer<br />

Nachrichten eintragen, um künftige Anrufer über die bisherigen<br />

Akquisitionsaktivitäten zu unterrichten (vgl. Abbildung 2, in<br />

der Beispiele für solche Memofelder aufgeführt werden). Leider<br />

sind diese reichhaltigen Informationen nicht unmittelbar statistischen<br />

Auswertungen zugänglich. Um jedoch Eindrücke dieses<br />

Materials zu geben, wurde eine 70-%-Stichprobe der 3000<br />

Kontaktgeschichten gezogen. Die Informationen wurden anhand<br />

eines Kategorienschemas codiert. Für diese Codierarbeiten<br />

danke ich Monika Bialojan, Marléne Dietzel, <strong>Friedrich</strong> Döhrer<br />

und Jens Hennig. Aussagen über das CATI-System beziehen sich<br />

auf diese inhaltsanalytisch bearbeitete Stichprobe der CATI-<br />

Datenbank und auf die gesamte Datenbank.<br />

5<br />

Die Aussage bezieht sich auf die 70-%-Stichprobe<br />

der Einträge des CATI-Systems.<br />

8<br />

CATI-Systeme haben anscheinend Probleme mit dem Ausdünnen<br />

der Termine umzugehen, so dass im <strong>Jena</strong>er Telefonlabor<br />

bei Expertenbefragungen häufig die Terminverwaltung<br />

ohne Datenbankunterstützung durchgeführt wurde.<br />

9<br />

Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurde diesen Wünschen<br />

nicht entsprochen. – Im Rahmen einer internationalen Kooperation<br />

des A2-Projektes fand eine Telefonbefragung im Juli<br />

2005 unter Leitern mittelständischer Industrieunternehmen<br />

in England statt. Das Erhebungsinstrument entsprach<br />

weitgehend dem 2002 von uns eingesetztem Fragebogen. Auf<br />

Wunsch der Befragten wurden auch Fragebögen verschickt.<br />

Der Erfolg dieser Aktion war aber vergleichsweise gering.<br />

Von 224 per Email verschickten Fragebögen kamen 11 zurück<br />

(entsprechend 4,9 %). Die Erfolgsquote der Telefonkontakte<br />

lag bei etwa 11,9 % (Auskünfte von Mike Geppert, Queen<br />

Mary University London).<br />

10<br />

„Die Einführung anderer Verfahren [der qualitativen<br />

Datenerhebung, auf die sich Trinczek bezieht] bedürfen des<br />

behutsamen Überwindens dieser dominanten Frage-Antwort-Orientierung<br />

von Managern […]. Ein Interview<br />

mit einer Führungskraft etwa relativ rasch mit der Bitte um<br />

eine möglichst lange Narration einzuleiten, birgt die Gefahr<br />

des Scheiterns des gesamten Interviews – eben weil eine<br />

solche Interviewsituation den alltäglichen Kommunikationsstrukturen<br />

in Betrieben nahezu diametral entgegensteht“<br />

(Trinczek 2005, S. 214). Im Prinzip halte ich diese Aussage<br />

für zutreffend, doch auf der Basis von Leitfadeninterviews,<br />

die wir zusätzlich zu den standardisierten Telefonbefragungen<br />

durchgeführt haben, denke ich, dass in unserem Fall die<br />

Bereitschaft seitens der Unternehmensleiter zu einem solchen<br />

Interviewtermin auch mit besonderen Erwartungshaltungen<br />

an die Gesprächsthemen verbunden war (A2-Projekt,<br />

Sonderforschungsbereich 2004, S. 71). Und diese spiegelten<br />

sich beispielsweise bei ostdeutschen Managern darin wider,<br />

dass Erzählungen über die Wendezeit und die Geschichte des<br />

Unternehmens und damit auch die eigene Biographie einen<br />

größeren Stellenwert einnahmen als Trinczek konstatiert.<br />

Dadurch bekamen die Gespräche teilweise von vornherein<br />

einen narrativen Charakter.<br />

6<br />

Ein weiteres Beispiel findet sich bei Martens/<br />

Michailow (2003, S. 15).<br />

11<br />

„Die Attraktivität dieser folgenentlasteten Gesprächssituation<br />

[des Experteninterviews mit Sozialforschern] zeigt<br />

sich auch darin, dass die Befragten die Dauer der Interviews<br />

mitunter beträchtlich überziehen, auch wenn bei der Vereinbarung<br />

des Gesprächstermins noch um jede Viertelstunde


ELITENBEFRAGUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

gefeilscht worden war“ (Trinczek 2005, S. 216). Nicht nur bei<br />

Leitfadeninterviews mit Unternehmern und Managern haben<br />

wir ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Dauer der vollständigen<br />

Interviews im CATI-Labor variierte im Bereich von 12 bis 134<br />

Minuten (M-Projekt, Sonderforschungsbereich 2004, S. 335).<br />

LITERATUR<br />

Diekmann, A. (2001): Empirische Sozialforschung. Reinbek:<br />

Rowohlt. 7. Aufl.<br />

12<br />

Durch Zufall wurden außer den zwei Projektmitarbeitern nur<br />

Studentinnen als Interviewer beschäftigt.<br />

13<br />

Bei der erwähnten Telefonbefragung in England (vgl. Fußnote<br />

9) ließ sich das laut Auskunft unseres englischen Kooperationspartners<br />

ebenfalls beobachten.<br />

Eberwein, W./ Tholen, J. (1990): Managermentalität. Industrielle<br />

Unternehmensleitung als Beruf und Politik. Frankfurt:<br />

FAZ<br />

Gläser, J./ Laudel, G. (2004): Experteninterviews und qualitative<br />

Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruktiver Untersuchungen.<br />

Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften<br />

14<br />

Mündlicher Beitrag bei dem <strong>SFB</strong>-Kolloquium „Computer<br />

Aided Telephone Interviewing“, in <strong>Jena</strong> 27.4.2005.<br />

Geschka, H. (1997): Einsam an der Spitze. Perspektiven für die<br />

Arbeits- und Lebensweise des Topmanagers. Berlin: Springer<br />

15<br />

„Illusion“ wird hier als nicht ganz zutreffende Vorstellung<br />

verstanden.<br />

Kern, B./ Kern, H./ Schumann, M. (1988): Industriesoziologie<br />

als Kartharsis. In: Soziale Welt 39, S. 86-96<br />

16<br />

Ein Beispiel für „Manager-Machtspiele“ in der persönlichen<br />

Interviewsituation ist bei Kern, Kern und Schumann (1988,<br />

S. 88f.) nachzulesen. – Eine selbst erlebte Episode, in der Besonderheiten<br />

der direkten Interaktion mit Managern anklingen,<br />

gibt ein Auszug eines Gesprächsprotokolls wieder: Im Vorwege<br />

des Interviews waren der Werks- und der Personalleiter eines<br />

größeren ostdeutschen Betriebes mit 800 Beschäftigten einige<br />

Male kontaktiert worden, und sie hatten in ein Interview eingewilligt.<br />

Das eigentliche Face-to-Face-Interview gestaltete sich<br />

gleichwohl zunächst viel schwieriger als gedacht. „Anfangs waren<br />

beide Gesprächspartner sehr reserviert. Der Sinn des ganzen<br />

Gesprächs wurde vehement in Frage gestellt und ich erwartete eigentlich<br />

einen Gesprächsabbruch. Erst nach etlichen erklärenden<br />

Worten von unserer Seite willigten X [der Werksleiter] und Y [der<br />

Personalleiter] schließlich ein und nahmen sich dann erstaunlich<br />

viel Zeit. Es war auch noch ein besonderes Anliegen von X, dass<br />

uns das Werk gezeigt wurde. Ich vermute, dass hier ein gewisser<br />

Stolz auf das Erreichte mitspielte, wir sollten einen Eindruck<br />

von den neuen bzw. renovierten Hallen erhalten“ (Gespräch<br />

10.12.2004). Anstelle der ursprünglich eingeplanten maximal<br />

zwei Stunden brachten die beiden Interviewer schließlich vier<br />

Stunden in dem Betrieb zu.<br />

Martens, B./ Michailow, M. (2003): Konvergenzen und<br />

Divergenzen zwischen dem ost- und westdeutschen Management.<br />

In: Martens, B./ Michailow, M./ Schmidt, R. (Hrsg.):<br />

Managementkulturen im Umbruch. <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Mitteilungen 10,<br />

S. 13-55<br />

Meuser, M./ Nagel, U. (1994): Expertenwissen und Experteninterviews.<br />

In: Hitzler, R./ Honer, A./ Maeder, C. (Hrsg.):<br />

Expertenwissen. Die institutionalisierte Kompetenz zur Konstruktion<br />

von Wirklichkeit. Opladen: Westdeutscher Verlag, S.<br />

180-192<br />

Sonderforschungsbereich <strong>580</strong> (2004): Gesellschaftliche Entwicklungen<br />

nach dem Systemumbruch. Diskontinuität, Tradition<br />

und Strukturbildung. Arbeits- und Ergebnisbericht 2001-2004.<br />

<strong>Jena</strong> und Halle<br />

Trinczek, R. (2005): Wie befrage ich Manager?<br />

In: Bogner, A./ Littig, B./ Menz, W. (Hrsg.): Das<br />

Experteninterview. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

2. Aufl., S. 209-222<br />

Seite 41<br />

17<br />

800 persönliche Interviews mit Unternehmensleitern in fünf<br />

Bundesländern zu realisieren, wären vermutlich auf Grund noch<br />

höherer Transaktionskosten sehr viel teurer geworden.


TELEFONISCHE BE-<br />

FRAGUNG VON PAR-<br />

L A M E N TA R I S C H E N<br />

ELITEN<br />

Seite 42


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

EINLEITUNG<br />

Kapitel 4<br />

TELEFONISCHE BEFRAGUNG VON<br />

PARLAMENTARISCHEN ELITEN - CATI<br />

AUF ABWEGEN?<br />

ANMERKUNGEN ZUR CATI-METHODE<br />

AUF DER BASIS DER BEFRAGUNG PAR-<br />

LAMENTARISCHER ELITEN IM PROJEKT<br />

A3 DES <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> AN DER FRIEDRICH-<br />

SCHILLER-UNIVERSITÄT JENA<br />

Stefan Jahr<br />

Ungeachtet der jungen Geschichte<br />

telefonischer Befragungen als wissenschaftliche<br />

Datenerhebungsmethode<br />

und der teilweise gravierenden Pannen in ihren<br />

Anfangsjahren können deutsche Umfrageinstitute<br />

seit der Mitte der 80er-Jahre eine stetig<br />

wachsende Anzahl telefonisch durchgeführter<br />

Befragungen verzeichnen. Laut ADM-Geschäftsbericht<br />

2003 waren 43 Prozent der 2003<br />

durchgeführten Befragungen CATI-Erhebungen.<br />

Damit war die Anzahl der durchgeführten<br />

telefonischen Befragungen mehr als doppelt so<br />

hoch wie die Zahl durchgeführter postalischer<br />

Interviews und um ein Drittel höher als der<br />

Anteil von face-to-face Umfragen (vgl. ADM<br />

2003). Allerdings lassen sich im Zentralarchiv<br />

Köln keine telefonisch durchgeführten Elitebefragungen<br />

finden (Stand: Juni 2005). Angesichts<br />

der in der Literatur dargelegten Vorteile<br />

von CATI-Erhebungen in Bevölkerungsumfragen<br />

eine etwas unverständlich anmutende<br />

Tatsache. Mangelnde Telefonabdeckung, welche<br />

flächendeckende Bevölkerungsumfragen<br />

teilweise bis weit in die 90er-Jahre behinderte,<br />

kann nicht der Grund dafür gewesen sein. Wie<br />

das Beispiel des Deutschen Bundestags illustriert,<br />

dessen Abgeordneten bereits seit 1949<br />

direkt per Telefon erreichbar sind 1 , gehören<br />

gerade Eliten zu den ersten Nutzern neuer<br />

Kommunikationstechnologien. Auch auf dem<br />

Gebiet der politisch-administrativen<br />

Eliten bediente sich außerhalb<br />

des Sonderforschungsbereichs <strong>580</strong><br />

Seite 43<br />

bislang keine Untersuchung telefonisch<br />

durchgeführter Interviews.<br />

Die folgenden methodischen Ausführungen<br />

basieren daher alleine auf den Erfahrungen<br />

der im Projekt A3 durchgeführten Befragung


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

von Landes-, Bundes- und Europaparlamentariern.<br />

Schon aus diesem Grund kann dieser<br />

Beitrag keine erschöpfende Diskussion der<br />

Vor- und Nachteile des CATI-Einsatzes zur<br />

Datenerhebung in Elitenpopulationen leisten.<br />

Vielmehr soll ein erster Eindruck von der Leistungsfähigkeit<br />

telefonischer Interviews bei der<br />

Befragung parlamentarischer Eliten vermittelt<br />

und der Vergleich zu anderen in diesem Heft<br />

vorgestellten Eliten- und Expertenbefragungen<br />

ermöglicht werden.<br />

Zunächst werden die Befragungsziele des<br />

<strong>SFB</strong>-Teilprojektes A3 skizziert, um im Anschluß<br />

die Grundgesamtheit in ihren wesentlichsten,<br />

befragungsrelevanten Merkmalen<br />

zu charakterisieren. Daran schließt als erster<br />

Schwerpunkt eine Darstellung der für die Erhebung<br />

durchgeführten flankierenden Maßnahmen<br />

an, welche mit Blick auf eine geplante<br />

Wiederholungsbefragung auch hinsichtlich<br />

ihrer Wirksamkeit und Modifikationsnotwendigkeit<br />

geprüft werden. Den zweiten Schwerpunkt<br />

bilden die aus den Ergebnissen der<br />

Befragung abgeleiteten Erkenntnisse über<br />

die Faktoren der Stichprobenrepräsentativität<br />

sowie eine Diskussion möglicher Veränderungen<br />

im Erhebungsdesign.<br />

BEFRAGUNGSZIELE UND GRUNDGESAMTHEIT<br />

Die im Projekt angelegte vergleichende<br />

Analyse der Rekrutierungs-<br />

Seite 44 muster und Karrierepfade von Delegationseliten<br />

der Landes-, Bundes- und<br />

Europaebene seit 1990 basiert auf zwei<br />

empirischen Säulen. Die erste Säule bilden die<br />

aus den Parlamentshandbüchern erhobenen<br />

Strukturdaten, welche es ermöglichen, die Positionssequenzen<br />

der Mandatsträger seit ihren<br />

ersten beruflichen Schritten bis zum aktuellen<br />

Zeitpunkt bzw. Ausscheiden aus dem Mandat<br />

nachzuzeichnen. Aus den Strukturdaten<br />

können jedoch den Karriereweg bestimmende<br />

Motive, Aspirationen, Situations- und Selbstdeutungen<br />

sowie Bewertungen politischer Institutionen<br />

nicht abgeleitet werden. Derlei zum<br />

Verständnis von Karrieremustern notwendige<br />

Daten lassen sich nur durch eine Befragung<br />

der Parlamentarier selbst erheben. Eine solche<br />

Erhebung wurde zwischen September 2003<br />

und Januar 2004 am Zentrum für Sozialforschung<br />

Halle durchgeführt und bildet die<br />

zweite empirische Säule des Projekts. Die zu<br />

bearbeitende Grundgesamtheit der Parlamentarier,<br />

welche seit 1990 in mindestens einem der<br />

Untersuchungsparlamente 2 ein Mandat wahrgenommen<br />

hatten, umfasste ca. 3700 Personen.<br />

Aufgrund der zum Zeitpunkt der Befragung<br />

unterschiedlichen Karrierestadien der betrachteten<br />

Abgeordneten erschien es sinnvoll, zwei<br />

Teilpopulationen zu bilden. Die erste Teilpopulation<br />

umfasste die zum Feldphasenbeginn<br />

ehemaligen Parlamentarier (n = 2011), die<br />

zweite Teilpopulation die zum Erhebungsbeginn<br />

aktuellen Parlamentarier (n = 1703). Aufgrund<br />

des besonderen Stichprobendesigns und<br />

der unerwarteten Stichprobenentwicklung bei<br />

der Befragung der ehemaligen Parlamentarier 3<br />

werden sich die folgenden Ausführungen nur<br />

auf die Befragungspopulation der aktuellen<br />

Parlamentarier beziehen.


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

BEFRAGUNGSRELEVANTE EIGENSCHAFTEN DER<br />

GRUNDGESAMTHEIT UND KONSEQUENZEN FÜR<br />

DIE TELEFONISCHE BEFRAGUNG<br />

Zentrales Kriterium einer auf einem quantitativen<br />

Forschungsdesign beruhenden wissenschaftlichen<br />

Untersuchung ist die Repräsentativität<br />

der Aussagen über die beforschte<br />

Grundgesamtheit. Auch wenn Repräsentativität<br />

nicht zwingend an große Fallzahlen geknüpft<br />

ist, gelten eine große Stichprobe und eine entsprechend<br />

hohe Ausschöpfung als Garant für<br />

eine strukturgetreue verkleinerte Abbildung<br />

der Grundgesamtheit im Untersuchungssample.<br />

Im Vergleich zu allgemeinen Bevölkerungsumfragen<br />

muß bei Elitenbefragungen das Ziel<br />

einer hohen Ausschöpfung allerdings unter<br />

verschärften Randbedingungen erfüllt werden.<br />

So sind Elitenpopulationen meist relativ<br />

klein, oft stark beforscht und entsprechend<br />

interviewgesättigt. Die sich daraus ergebende<br />

Befragungsresistenz wird einerseits durch das<br />

knappe Zeitbudget parlamentarischer Eliten<br />

und andererseits durch die schlechte direkte<br />

Erreichbarkeit noch verstärkt. Natürlich wirken<br />

sich diese Umstände nicht nur auf telefonische<br />

Befragungen negativ aus. Die These ist aber,<br />

dass dadurch Elitenbefragungen per Telefon<br />

stärker flankierender Maßnahmen bedürfen als<br />

entsprechende face-to-face Befragungen.<br />

Bei face-to-face Interviews wird von<br />

amerikanischen Forschern in besonders<br />

befragungsresistenten Grundgesamtheiten<br />

gerne eine Holdup-Strategie praktiziert - man<br />

erscheint einfach ohne Termin im Büro der<br />

zu befragenden Person und bemüht sich um<br />

ein sofortiges Interview oder einen Termin<br />

(vgl. Frey/Kunz/Lüschen 1990, S. 44). Dieses<br />

teilweise sehr erfolgreiche Vorgehen lässt sich<br />

leider nur bedingt auf das Telefon übertragen.<br />

Bei den hier untersuchten Parlamentariern<br />

wurden lediglich 5,5 Prozent der Interviews<br />

beim ersten Kontaktversuch realisiert. Im<br />

Durchschnitt mussten 11 Versuche unternommen<br />

werden, bevor ein Interview zustande kam<br />

(vgl. Edinger/Jahr 2006). Meistens endeten die<br />

Kontaktversuche jedoch „schon bei denjenigen,<br />

die Zeit und Energie ihres Chefs überwachen“<br />

(vgl. Frey/Kunz/Lüschen 1990, S. 44). Mit dieser<br />

Einschätzung weisen Frey/Kunz/Lüschen<br />

auf die besondere Stellung der Sekretariate<br />

der Untersuchungspersonen hin. Im Regelfall<br />

laufen Interviewanfragen über die Büros der<br />

zu befragenden Person und unterliegen dort<br />

einer Vorsortierung (vgl. auch den Beitrag<br />

von Bernd Martens in diesem Heft). Diese<br />

Gatekeeper-Stellung zwischen Forscher und<br />

Elitenpositionsinhaber bedarf bei der Wahl der<br />

zur Interviewanbahnung eingesetzten Signalling-Strategien<br />

4 besonderer Berücksichtigung.<br />

Oftmals führt nur eine Kombination direkter<br />

und indirekter Signalisierungsaktivitäten zum<br />

Erfolg. Im Falle der hier untersuchten parlamentarischen<br />

Eliten wurde auf direktem Wege<br />

über persönliche Projektvorstellungen in den<br />

Fraktionssitzungen, personalisierte Anschreiben,<br />

Faxe und E-Mails als auch auf indirektem<br />

Wege über Presse- und Forschungsberichte<br />

sowie Internetauftritt versucht, Informationen<br />

über das Forschungsvorhaben an die Befragungspopulation<br />

heranzutragen.<br />

Einen besonders positiven Effekt<br />

auf die Teilnahmewahrscheinlichkeit<br />

Seite 45<br />

versprach sich das Projektteam von<br />

der persönlichen Vorstellung der<br />

Erhebung in den jeweiligen Fraktionen. Aufgrund<br />

des damit verbundenen hohen Aufwandes<br />

wurde aber nur in den Landesparlamenten


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

von Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt,<br />

Hessen, Berlin sowie im Bundestag um einen<br />

Vorstellungstermin gebeten. Zwar konnte das<br />

Projekt nur in lediglich neun der angesprochenen<br />

Fraktionen vorgestellt werden, wie<br />

ausTabelle 1 aber zu entnehmen ist, lassen<br />

sich weder ein eindeutig positiver Effekt der<br />

Vorstellungen an sich, noch ihrer Qualität<br />

auf die erreichte Ausschöpfung feststellen. Es<br />

erwies sich als wesentlich wichtiger für die erreichten<br />

Ausschöpfungsquoten, die jeweiligen<br />

Fraktionsführungen von der Untersuchungsteilnahme<br />

zu überzeugen. Für die erneute<br />

Durchführung der Befragung lässt sich daher<br />

festhalten, dass solche aufwendigen Informationsangebote<br />

primär auf die Fraktionsführungen<br />

zugeschnitten und beschränkt werden<br />

sollten.<br />

Qualität der Präsentation (Selbsteinschätzung)<br />

[s. gut - gut – mittel – schlecht – s. schlecht]<br />

Ausschöpfung im Vergleich (Befragungsbestes<br />

– erreichtes – Befragungsschlechtestes<br />

Fraktionsergebnis)* [in %]<br />

Hessen<br />

SPD gut 100-73-70<br />

FDP sehr gut 79-67-44<br />

B90/Die Grünen sehr gut 100-100-70<br />

Sachsen<br />

CDU mittel 84-66-45<br />

PDS gut 100-93-88<br />

Sachsen-Anhalt<br />

PDS sehr gut 100-100-88<br />

FDP schlecht 79-65-44<br />

Thüringen<br />

CDU sehr gut 86-86-45<br />

SPD gut 100-100-70<br />

Seite 46<br />

Tabelle 1 - Auswirkungen der Projektvorstellungen in<br />

den Fraktionen auf die Ausschöpfungsrate<br />

* Der erste Prozentwert gibt die höchste<br />

Ausschöpfung, der zweite Prozentwert die<br />

in diesem Parlament erreichte und der letzte<br />

Prozentwert die geringste Ausschöpfung der<br />

Partei über alle befragten Parlamente wieder.<br />

Das Versenden von personalisierten<br />

Anschreiben, Faxen und E-Mails mit Informationen<br />

zum Forschungsanliegen ist in<br />

einer solchen Untersuchungspopulation Standardvorgehen<br />

und schon aus diesem Grund<br />

unverzichtbar. Zudem ermöglicht der Hinweis<br />

auf die bereits versendeten Informationen dem<br />

Interviewer einen leichteren Gesprächseinstieg<br />

beim ersten telefonischen Kontakt. Obwohl<br />

die Informationen ca. zwei bis drei Wochen<br />

vor dem Befragungsbeginn verschickt wurden,<br />

forderte ungefähr ein Drittel der Befragten<br />

nochmals Informationsmaterial an.


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

Trotz dieser verschiedenen Strategien der<br />

Informationsverbreitung, die unter anderem<br />

auch darauf ausgerichtet waren die Monopolstellung<br />

der Sekretariate bei der Informationsverteilung<br />

abzuschwächen, mussten teilweise<br />

die Mitarbeiter der Parlamentarier ebenso<br />

intensiv von der Teilnahme ihrer Chefs an der<br />

Untersuchung überzeugt werden, wie die Abgeordneten<br />

selbst.<br />

Die in der Literatur dargelegten Erfahrungen<br />

mit Elitenbefragungen deuteten darauf hin,<br />

dass Eliten persönliche Interviews bevorzugen<br />

(vgl. Lüschen 1979; zusammenfassend Frey/<br />

Kunz/Lüschen 1990). Ein Grund dafür könnte<br />

sein, dass der recht unpersönliche Kontakt am<br />

Telefon nicht im gleichen Maße wie ein direktes<br />

persönliches Gespräch Wertschätzung und<br />

Wichtigkeit des Interviewpartners vermittelt.<br />

Bei face-to-face Befragungen lassen sich über<br />

„nonverbale“ Kommunikationselemente (z.B.<br />

Interviewerauftreten und nicht zuletzt den<br />

persönlichen Besuch an sich) die Wichtigkeit<br />

des Befragten für die Untersuchung unterstreichen<br />

(vgl. Edinger/Jahr 2006). Dieses Moment<br />

fehlt der telefonischen Befragung völlig. Bei<br />

gesellschaftlich höher gestellten Persönlichkeiten,<br />

wie es Eliten qua definitionem sind,<br />

kann sich das negativ auf die Teilnahmebereitschaft<br />

auswirken. Dennoch lässt sich auf<br />

der Basis der gemachten Erfahrungen das<br />

Verweigerungsrisiko aufgrund dieses Aspektes<br />

telefonischer Kommunikation als gering<br />

einschätzen. Offensichtlich werden Statusunterschiede<br />

durch den recht unpersönlichen und<br />

technisch vermittelten Kontakt zwischen den<br />

Kommunikationspartnern in den Hintergrund<br />

gedrängt, so dass auch aus Sicht der Befragten<br />

nicht ebenbürtige Kommunikationspartner<br />

akzeptiert werden. 5. Allerdings darf diese<br />

Erkenntnis nicht vergessen lassen, dass sich<br />

parlamentarische Eliten sehr wohl ihrer herausgehobenen<br />

Stellung in der Gesellschaft<br />

bewusst sind. Dieses Statusbewusstsein zeigt<br />

sic jedoch nicht in der ausschließlichen Präferenz<br />

für ein persönliches Interview oder einen<br />

statusäquivalenten Gesprächspartner, sondern<br />

äußert sich in entsprechenden Erwartungen an<br />

die Qualität der Befragung und Expertise der<br />

Interviewer.<br />

Aus den im Vorfeld der Erhebung geführten<br />

Leitfadeninterviews war bekannt, dass die<br />

Qualität der Befragung von den Parlamentariern<br />

auch daran gemessen wird, wie detailliert<br />

die politische Laufbahn und speziell politische<br />

(Führungs-)Positionen erfragt werden. Diese<br />

Erwartungshaltung erwies sich bei der Konstruktion<br />

des Fragebogens mitunter als problematisch.<br />

Einerseits sollte der Fragebogen<br />

durch den Verzicht auf Fragen nach bereits<br />

aus den erhobenen Strukturdaten bekannten<br />

Stationen der politischen Werdegänge möglichst<br />

kurz gehalten werden, auf der anderen<br />

Seite waren diese Fragen notwendig, um den<br />

Befragten Vollständigkeit und somit Wissenschaftlichkeit<br />

und Seriosität der Erhebung zu<br />

vermitteln. Vor dem Hintergrund des geringen<br />

Zeitbudgets der Parlamentarier und der von<br />

im Vorfeld befragten Parlamentariern angemahnten<br />

Zeitdauer von maximal 30 Minuten<br />

pro Interview erhielt aber die Kürzung des<br />

Fragebogens Vorrang.<br />

Das maximale Zeitfenster von<br />

Seite 47<br />

einer halben Stunde wurde sehr oft<br />

von den mit der Terminkoordination<br />

betrauten Sekretariaten der Untersuchungspersonen<br />

bestätigt. Wie aber die Auswertung<br />

der tatsächlichen Befragungszeiten zeigte, lag


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

die durchschnittliche Interviewdauer bei ca. 42<br />

Minuten. Somit ist die von vielen Seiten dem<br />

Projekt empfohlene maximale Interviewdauer<br />

von 30 Minuten als zu pessimistisch zu bewerten.<br />

Allerdings glich es einer Gratwanderung,<br />

die im Einleitungstext des Interviews zu nennende<br />

Interviewdauer festzulegen. Es musste<br />

eine Zeitangabe gefunden werden, die einerseits<br />

nicht abschreckte und andererseits eine<br />

nicht allzu große Diskrepanz zur tatsächlichen<br />

Interviewdauer aufwies (vgl. Wüst 1998, S. 16).<br />

In den ersten 14 Tagen der Befragung wurde<br />

mit der empfohlenen, aber faktisch zu kurzen<br />

Interviewdauer von 30 Minuten operiert.<br />

Nach dem sich die Unmutsbekundungen der<br />

befragten Abgeordneten über die tatsächliche<br />

Dauer häuften, wurde im Einleitungstext für<br />

den weiteren Befragungsverlauf die voraussichtliche<br />

Interviewdauer der Befragung auf<br />

„in der Regel etwa 40 Minuten“ geändert.<br />

Laut Interviewerbemerkungen hatte diese<br />

Erhöhung nicht den von Collins et al. (1988)<br />

befürchteten negativen Einfluss auf die Teilnahmewahrscheinlichkeit,<br />

reduzierte aber<br />

merklich die Beschwerden über die tatsächliche<br />

Befragungsdauer.<br />

Unmutsbekundungen der Befragten über<br />

die Länge und inhaltliche Ausrichtung des<br />

Interviews waren nicht die einzigen Herausforderungen,<br />

denen sich die Interviewer<br />

stellen mussten. Neben den allgemein<br />

bekannten Anforderungen an<br />

Interviewer (für Details siehe: Fuchs<br />

Seite 48 1995, S. 289f; Diekmann 1999, S.<br />

399ff; <strong>Friedrich</strong>s 2000, S. 216f ) erwarteten<br />

die Befragten vor allem hohe<br />

fachliche Kompetenz und eine grundlegende<br />

Vertrautheit mit ihrer Biographie von den<br />

Interviewern.<br />

Bei der Befragung von Eliten gehen weite<br />

Teile der erfragten Inhalte über das übliche<br />

Allgemeinwissen hinaus. Soll der Interviewer<br />

aber ein kompetenter Gesprächspartner sein,<br />

muss er über entsprechendes Fachwissen<br />

verfügen, welches sich nur bedingt in Interviewerschulungen<br />

vermitteln lässt. Die Folgen<br />

schlechter fachlicher Interviewerkompetenz<br />

sind aber nicht nur Daten minderer Qualität.<br />

Bei einer untereinander hochgradig vernetzten<br />

Grundgesamtheit, wie es Parlamentarier<br />

in der Regel sind, können einzelne schlecht<br />

geführte Interviews schnell die Akzeptanz der<br />

Befragung in der gesamten Untersuchungspopulation<br />

verringern. Im schlimmsten Fall<br />

würden noch zu befragende Abgeordnete die<br />

Teilnahme an der Befragung verweigern, weil<br />

Parlamentskollegen ihnen aufgrund ihrer negativen<br />

Interviewerfahrung davon abgeraten<br />

haben. Daher ist die Rekrutierung entsprechend<br />

geschulten Personals, z.B. Studenten<br />

der Politikwissenschaften, für solche speziellen<br />

Befragungen unumgänglich.<br />

Um die raportfördernde Vertrautheit der<br />

Interviewer mit den Viten der zu befragenden<br />

Abgeordneten zu erreichen, müssten sich die<br />

Interviewer bei face-to-face Befragungen das<br />

für die Befragung notwenige Wissen vor dem<br />

Gespräch aneignen. Im Falle von telefonischen<br />

Befragungen lassen sich dem Interviewer durch<br />

die ausschließlich verbale Kommunikation bei<br />

fehlendem Sichtkontakt Hilfsmittel zur Verfügung<br />

stellen, die im persönlichen Interview<br />

nicht im gleichen Umfang möglich wären. Unterstützende<br />

Listen, Institutionsorganigramme,<br />

Definitionen von Fachtermini oder Eckpunkte<br />

der Befragtenbiographie sind jederzeit im Gesprächsverlauf<br />

und ohne Wissen des Interviewten<br />

nutzbar. Dadurch ist die Vorbereitungszeit


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

auf ein Interview im Vergleich deutlich kürzer,<br />

ohne dass der Befragte eine geringere fachliche<br />

Qualifikation des Interviewers wahrnehmen<br />

kann.<br />

Die Anforderungen an den Interviewer sind<br />

jedoch trotz dieser möglichen Entlastungen<br />

nicht zu unterschätzen, denn während der Befragung<br />

müssen viele Dinge simultan erledigt<br />

werden. Um keine Zweifel an der Kompetenz<br />

des Interviewers aufkommen zu lassen, ist ein<br />

mehr oder weniger kontinuierlicher Sprachfluss<br />

am Telefon erforderlich. Gleichzeitig sind die<br />

Daten zu erfassen und eventuell Auskünfte über<br />

den Befragungsfortschritt zu geben. Erschwerend<br />

kommt hinzu, dass es durch den leichten<br />

Einsatz von Filtern im Computerfragebogen<br />

möglich ist, den Befragungsverlauf fast individuell<br />

an den Gesprächspartner anzupassen.<br />

Daraus resultieren jedoch fast unüberschaubare<br />

Fragebogenvarianten und machen es dem<br />

Interviewer schwer, den Überblick über den<br />

Befragungsverlauf zu behalten. Zwar ist durch<br />

die computergesteuerte Interviewführung dieser<br />

Überblick nicht im gleichen Maße wie bei<br />

face-to-face Befragungen notwendig, allerdings<br />

gilt es zu beachten, dass sich durch die exzessive<br />

Nutzung möglicher Regulierungs- und Steuerungsmechanismen<br />

eine gewisse Starrheit und<br />

Unnatürlichkeit in der Befragungssituation<br />

ergibt. Es ist fast unmöglich, alle durch die<br />

unterschiedlichen Filterführungen möglichen<br />

Fragereihenfolgen sprachlich und inhaltlich<br />

so aufeinander abzustimmen, dass keine mehr<br />

oder minder abrupten Themenwechsel während<br />

der Befragung auftreten. Ebenfalls leidet<br />

die Natürlichkeit des Gesprächsverlaufes unter<br />

einer intensiven Nutzung von befragungssimultanen<br />

Plausibilitätsprüfungen. 6 Zu häufige<br />

Nachfragen bzw. Hinweise auf Inkonsistenzen<br />

bergen die Gefahr, den Befragten über Gebühr<br />

zu strapazieren und somit einen Abbruch des<br />

Interviews zu provozieren. Die Erfahrungen<br />

aus dieser Befragung bestätigen daher die<br />

Einschätzungen von Fuchs (1995, S. 289), dass<br />

die Gestaltung der sozialen Interviewsituation<br />

durch die Möglichkeiten des Computers<br />

schnell übertrieben werden und dadurch ein<br />

Teil der durch Standardisierung gewonnenen<br />

Datenqualität wieder verloren gehen kann.<br />

FAKTOREN DER REPRÄSENTATIVITÄT<br />

Der Begriff der Repräsentativität spricht<br />

in jedem Stichprobendesign einen der wichtigsten<br />

Punkte an. Eine Stichprobe gilt dann<br />

als repräsentativ, wenn sie „alle für die Grundgesamtheit<br />

typischen und charakteristischen<br />

Erhebungsmerkmale nebst deren verschiedenen<br />

Kombinationen genau entsprechend ihrer<br />

relativen Häufigkeit in der Grundgesamtheit<br />

enthält und somit ein getreues Miniaturbild<br />

der Grundgesamtheit, sozusagen ihr verkleinertes<br />

Modell darstellt.“ (Büschges 1961, S. 6).<br />

Damit wird auch deutlich, dass Repräsentativität<br />

und Stichprobenumfang keine Synonyme<br />

sind. Zwar steigt die Wahrscheinlichkeit der<br />

Repräsentativität einfacher Zufallsstichproben<br />

mit deren Umfang, jedoch ist damit nicht<br />

ausgeschlossen, dass auch kleine Stichproben<br />

strukturgetreue Abbilder der Grundgesamtheit<br />

darstellen können. Da im Falle der hier<br />

vorgestellten Studie auf keinerlei empirische<br />

Erfahrungen zurückgegriffen<br />

Seite 49<br />

werden konnte, wie Parlamentarier auf<br />

telefonische Befragungen reagieren,<br />

ließen sich auch mögliche Ausfälle im Vorfeld<br />

nicht abschätzen. Somit war es unumgänglich,<br />

eine Totalerhebung der Untersuchungsparla-


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

mente anzustreben, welche gleichzeitig als Referenzmessung<br />

der Befragungswilligkeit parlamentarischer<br />

Eliten am Telefon dienen sollte.<br />

Natürlich konnte nicht angenommen werden,<br />

dass sich alle Mitglieder der Grundgesamtheit<br />

an der Befragung beteiligen würden. Die dadurch<br />

- wenn auch ungewollt - entstandene<br />

Stichprobe galt es hinsichtlich der Merkmale<br />

Geschlecht, regionale Herkunft (Ost-/Westdeutschland),<br />

Verhältnis zwischen Mitgliedern<br />

der Regierungs- und Oppositionsfraktionen<br />

sowie dem Anteil an parlamentarischen Führungspersonen<br />

auf Repräsentativität zu prüfen.<br />

Die Auswahl dieser genannten Repräsentativitätsmerkmale<br />

bestimmte sich aus den im Projekt<br />

angelegten Untersuchungsschwerpunkten<br />

und Vergleichsperspektiven.<br />

Zur vollständigen Bearbeitung aller 1703<br />

Personen der Grundgesamtheit bedurfte es<br />

95 Befragungstage. Die erreichte Ausschöpfungsquote<br />

lag bei insgesamt 56 Prozent,<br />

differierte allerdings erheblich zwischen den<br />

einzelnen parlamentarischen Ebenen. Eine<br />

mit gut 76 Prozent außerordentlich hohe<br />

Ausschöpfung wurde auf der Landesebene<br />

erreicht, hingegen konnten nur 33 Prozent der<br />

deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments<br />

und nur 26 Prozent der Mitglieder des<br />

Deutschen Bundestages befragt werden. Um<br />

die Entwicklung der Stichprobengröße der<br />

einzelnen Befragungen untereinander<br />

vergleichen zu können und die unterschiedlichen<br />

Ausschöpfungsraten<br />

Seite 50 in der Darstellung zu neutralisieren,<br />

wurde in Abbildung 1 die zu einem<br />

bestimmten Zeitpunkt erreichte<br />

Interviewanzahl in Relation zu der am Befragungsende<br />

erreichten Stichprobengröße<br />

gesetzt (vgl. Edinger/Jahr 2006).<br />

Zu erkennen ist, dass sich die Bundes- und<br />

Europaparlamentarierbefragungen in der Anfangsphase<br />

nicht so gut entwickelten wie die<br />

Befragung der Landtagsabgeordneten. Gut die<br />

Hälfte der insgesamt 765 realisierten Landtagsinterviews<br />

war bereits nach 13 Befragungstagen<br />

abgeschlossen. Um die 50-Prozentmarke<br />

bei den Bundestagsabgeordneten zu erreichen,<br />

waren 21 und bei den EU-Parlamentariern<br />

30 Befragungstage notwendig. Im weiteren<br />

Befragungsverlauf glichen sich jedoch die<br />

unterschiedlichen Entwicklungen einander<br />

an und nach ca. 56 Befragungstagen waren<br />

auf allen drei Ebenen 90 Prozent der finalen<br />

Stichprobengröße erreicht.<br />

Die im Befragungsverlauf abflachenden<br />

Kurven zeigen das typische Bild einer angestrebten<br />

Vollerhebung. Der steile Kurvenanstieg<br />

in den ersten Befragungswochen erklärt sich<br />

daraus, dass aus dem Pool der Untersuchungseinheiten<br />

zuerst die leicht zu befragenden<br />

Personen abgeschöpft wurden. Die im späteren<br />

Befragungsverlauf degressiven Kurvenanstiege<br />

verdeutlichen, dass sich mit zunehmender Befragungsdauer<br />

nur noch schwer zu befragenden<br />

Personen im Adressenpool befanden.<br />

Es stellt sich die Frage, ob eine aus ökonomischen<br />

Gründen früher beendete Befragung<br />

(etwa nach 54 Befragungstagen) auch unter<br />

Repräsentativitätsgesichtspunkten gerechtfertigt<br />

gewesen wäre. Tabelle 2 zeigt die Abweichungen<br />

der Merkmalszusammensetzung der<br />

einzelnen finalen Ebenenstichproben von ihren<br />

jeweiligen Teilgrundgesamtheiten. Wie auf<br />

der Landesebene an den geringen Differenzen<br />

der Anteilswerte in den einzelnen Merkmalen<br />

zwischen Stichprobe und Grundgesamtheit<br />

zu erkennen ist, bildet die erreichte Auswahl


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

Abbildung 1 - Entwicklung der Stichprobengrößen im<br />

Befragungszeitraum<br />

(Alle Zahlen in %)<br />

Ost-West (Ost)<br />

Regierung – Opposition<br />

(Regierung)<br />

Geschlecht (weiblich)<br />

high-flyer – Backbencher<br />

(high-flyer)<br />

GG SP GG SP GG SP GG SP<br />

Landesebene 53 56 58 54 32 35 31 28<br />

Bundesebene 16 26 51 53 33 32 16 10<br />

EU-Parlament1 17 27 - - 38 30 13 9<br />

Tabelle 2 - Merkmalsrelationen in Grundgesamtheit<br />

(GG) und Stichprobe (SP)<br />

Seite 51<br />

[Aktuelle Parlamentarier]


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

Abbildung 2 - Repräsentativitätsentwicklung der<br />

Landtagsstichprobe im Befragungsverlauf [Durchgezogene<br />

Linien zeigen den Soll-Anteil der Merkmale in<br />

der Grundgesamtheit, die von Marken unterbrochenen<br />

Linien die Anteilsentwicklung in der Stichprobe]<br />

die Grundgesamtheit recht gut ab. Auf der<br />

Bundesebene sind lediglich die Relationen<br />

zwischen Ost- und Westdeutschen sowie highflyern<br />

7 und backbenchern nicht strukturgetreu<br />

(vgl. Edinger/Jahr 2006).<br />

Die Gegenüberstellung der Stich-<br />

Seite 52 probenparameter mit den Sollwerten<br />

der Grundgesamtheit im Zeitverlauf<br />

der Befragung zeigt, dass sich die gute<br />

Repräsentativität der Landesebenenstichprobe<br />

nicht allein auf die hohe Ausschöpfung von 76<br />

Prozent zurückführen lässt (vgl. Abbildung 2).<br />

Bereits nach 17 Befragungstagen und einer erreichten<br />

Ausschöpfung von 45 Prozent wichen<br />

die Merkmalsanteile in der Stichprobe der<br />

Landesparlamente nur noch gering von ihren<br />

am Ende der Befragung erreichten Werten und<br />

der Verteilung in der Grundgesamtheit ab.<br />

Auf der Bundesebene findet sich ein ähnliches<br />

Bild, nur stellen sich die endgültigen<br />

Anteile erst nach ungefähr 41 Befragungstagen<br />

aber schon bei einer Ausschöpfung von 22 Prozent<br />

ein (Abbildung 3).


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

Abbildung 3 - Repräsentativitätsentwicklung der<br />

Bundestagsstichprobe im Befragungsverlauf [Durchgezogene<br />

Linien zeigen den Soll-Anteil der Merkmale in<br />

der Grundgesamtheit, die von Marken unterbrochenen<br />

Linien die Anteilsentwicklung in der Stichprobe]<br />

FAZIT<br />

Unter (befragungs-)ökonomischen Gesichtpunkten<br />

lässt sich aus der Repräsentativitätsbetrachtung<br />

schließen, dass die Erhebung<br />

auf der Landesebene nach 17 Befragungstagen<br />

und auf der Bundesebene nach 41 Tagen hätte<br />

abgebrochen werden können. Grund dafür ist,<br />

dass sich in den hier untersuchten Merkmalen<br />

bei einer bis zu diesen Tagen erreichten<br />

Ausschöpfung von ungefähr 45 Prozent auf<br />

der Landesebene und 22 Prozent auf der Bundesebene<br />

kaum noch Anteilsverschiebungen<br />

ergaben. Bei gravierenden Abweichungen<br />

der Stichprobenzusammensetzung von der<br />

Grundgesamtheit hätten demzufolge bis spätestens<br />

zu diesen Zeitpunkten Korrekturen im<br />

Auswahlplan vorgenommen werden müssen.<br />

Als Argument für eine Kürzung des<br />

Stichprobenumfangs sind die gefundenen<br />

Erkenntnisse jedoch nicht verwendbar. Viele<br />

der im Untersuchungsdesign des Projektes<br />

angelegten Vergleichsperspektiven erfordern<br />

Analysen auf der Ebene einzelner<br />

Parlamentsfraktionen, die selbst bei<br />

einer 45-prozentigen Ausschöpfung<br />

Seite 53<br />

auf der Landesebene teilweise nur<br />

durch eine oder zwei Personen repräsentiert<br />

wären und somit keine statistischen<br />

Auswertungen ermöglichen.


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

Seite 54<br />

Mit Blick auf die geplante Wiederholungsbefragung<br />

lässt sich als Fazit der Erfahrungen<br />

aus der Erhebung und der methodischen<br />

Betrachtungen befragungsrelevanter Eigenschaften<br />

der Untersuchungspopulation ziehen,<br />

dass CATI-Befragungen zur Datenerhebung<br />

in parlamentarischen Elitepopulationen<br />

durchaus geeignet sind. Die aus der Literatur<br />

über den Einsatz telefonischer Bevölkerungsumfragen<br />

bekannten positiven Eigenschaften<br />

wie z.B. schnelle Feldphase und im Vergleich<br />

hohe Responsraten, bleiben auch bei der<br />

Befragung parlamentarischer Eliten erhalten.<br />

Im Vergleich mit bisher postalisch oder<br />

persönlich durchgeführten Befragungen von<br />

Parlamentariern konnte eine deutlich höhere<br />

Ausschöpfungsquote erzielt werden (vgl. Best<br />

et al. 2004, S. 5). Beschränkt man die Kostenbetrachtung<br />

nur auf die Erhebungsphase,<br />

lässt sich der telefonischen Befragung von<br />

parlamentarischen Eliten auch eine sehr gute<br />

Kosten-Nutzen-Relation konstatierten. Ebenfalls<br />

war die Akzeptanz des Telefons als bis<br />

dato neues Kommunikationsmedium für wissenschaftliche<br />

Befragungen unter den Abgeordneten<br />

sehr hoch. Allerdings darf bei dieser<br />

positiven Einschätzung der hohe betriebene<br />

Aufwand in der Vorbereitung und Flankierung<br />

der Befragung nicht vergessen werden. Auch<br />

wenn noch einiges Optimierungspotential in<br />

den angesprochenen Signalling-Aktivitäten<br />

liegt, sind sie in ihrem Finanz- und<br />

Zeitaufwand nicht zu unterschätzen<br />

und relativieren teilweise die kostengünstige<br />

und schnelle Feldphase.<br />

FUSSNOTEN<br />

1<br />

Der Verfasser dankt Wilhelm Weege für seine intensiven Recherchen<br />

zu dieser Fragestellung.<br />

2<br />

Untersucht wurden die deutschen Mitglieder des Europäischen<br />

Parlaments, die Abgeordneten des Bundestages und die Mitglieder<br />

der Landtage Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg,<br />

Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-<br />

Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.<br />

3<br />

Die Ankündigung der Befragung löste einen so hohen Respons<br />

aus, dass zwar der anvisierte Stichprobenumfang weit übertroffen<br />

wurde, aber auch die Stichprobe nur sehr begrenzt gesteuert<br />

werden konnte.<br />

4<br />

Unter Signalling werden alle Aktivitäten des Forschers verstanden,<br />

die zu befragenden Personen über das Forschungsprojekt<br />

zu informieren, um somit das mit einem unerwarteten Telefonanruf<br />

verbundene Element der Überraschung zu reduzieren<br />

(Frey/Kunz/Lüschen 1990, S. 121).<br />

5<br />

Vgl. Diskussionsanmerkung von Michael Behr auf Seite 20.<br />

6<br />

Z. B. ob die prozentualen Anteile an Wahlkreis- und Parlamentsarbeit<br />

sich zu 100 Prozent addieren.<br />

7<br />

Als high-flyer wurden alle Inhaber von Exekutivfunktionen,<br />

parlamentarische Geschäftführer, Mitglieder der Fraktionsvorstände<br />

und des Parlamentspräsidiums verstanden.<br />

LITERATUR<br />

ADM-Jahresbericht (2003): http://www.adm-ev.de/pdf/Jahresbericht_03.pdf<br />

Best et al. (2004): Zwischenauswertung der Deutschen Abgeordnetenbefragung<br />

2003/04. Informationsbroschüre. <strong>SFB</strong><strong>580</strong>/<strong>Universität</strong>-<strong>Jena</strong>


CATI - UND PARLAMENTARISCHE EINLEITUNG ELITEN<br />

Büschges, Günter (1961): Die Gebietsauswahl als Auswahlmethode<br />

in der empirischen Sozialforschung. Dissertation. <strong>Universität</strong><br />

Köln<br />

Collins, Martin et al. (1988): Nonresponse: the UK experience.<br />

In: Groves, Robert M. / Biemer P.P. / Lyberg L.E., et al., (eds.),<br />

Telephone Survey Methodology. New York, NY: John Wiley &<br />

Sons, S. 213-232<br />

Diekmann, Andreas (1999): Empirische Sozialforschung. 5.<br />

Auflage. Hamburg: Reinbek<br />

Edinger, Michael / Jahr, Stefan (2006: Telefoninterviews mit<br />

Repräsentationseliten. Methodische Aspekte am Beispiel der <strong>Jena</strong>er<br />

Abgeordnetenstudie. ZUMA-Nachrichten. Im Erscheinen<br />

Frey H. James / Kunz, Gerhard / Lüschen, Günther (1990):<br />

Telefonumfragen in der Sozialforschung. Methoden, Techniken,<br />

Befragungspraxis. Opladen: Westdeutscher Verlag<br />

<strong>Friedrich</strong>s, Jürgen (2000): Methoden empirischer Sozialforschung.<br />

14. Auflage. Opladen: Westdeutscher Verlag<br />

Fuchs, Marek (1995): Die computergestützte telefonische Befragung:<br />

Antworten auf Probleme der Umfrageforschung? In:<br />

Zeitschrift für Soziologie, Jg. 24, Heft 4 S. 284-299<br />

Lüschen, Günther (1979): Social Equality and the Impact of<br />

Education in Western Europe. Comparative Social Research 2,<br />

S. 41-69<br />

Wüst, Andreas M. (1998): Die Allgemeine Bevölkerungsumfrage<br />

der Sozialwissenschaften als Telefonumfrage. ZUMA-Arbeitsbericht<br />

98/04<br />

Seite 55


INTERVIEWFORMEN<br />

FÜR NETZWERKER-<br />

HEBUNGEN<br />

Seite 56


NETZWERKERHEBUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

Kapitel 5<br />

PERSONALISIERTE FRAGEBÖGEN AM<br />

BEISPIEL VON NETZWERKERHEBUNGEN<br />

Sören Petermann<br />

Jahrzehntelang war das Face-to-Face-<br />

Interview das Maß aller Dinge, wenn<br />

standardisierte Befragungen sozialer<br />

Netzwerke durchzuführen waren. Dies hing<br />

in der Vergangenheit mit deren Komplexität<br />

und der damit verbunden komplizierten Erhebung<br />

von Generatoren und Interpretatoren<br />

zusammen. So wurden relevanten Studien im<br />

deutschsprachigen Raum, auf die das Teilprojekt<br />

A4 verweist, als Face-to-Face-Interviews<br />

durchgeführt (Däumer 1997, Laumann/Pappi<br />

1976). Man benötigt also gute Argumente, will<br />

man vom Face-to-Face- zum Telefoninterview<br />

wechseln. Wie lässt sich also begründen, dass<br />

im Teilprojekt A4 zur Untersuchung politisch-administrativer<br />

Eliten in sechs Untersuchungsgebieten<br />

in Ost- und Westdeutschland<br />

eine computerunterstützte Telefonbefragung<br />

(CATI) durchgeführt wird? Zunächst wird<br />

vorausgesetzt, dass die zu untersuchende<br />

Population telefonisch erreichbar ist (Fuchs<br />

1994, Petermann 2001). Die zu untersuchenden<br />

Kommunalpolitiker des Teilprojekts A4<br />

bilden eine Spezialpopulation, die aufgrund<br />

ihres Status ohnehin telefonisch erreichbar sein<br />

sollte. Die Voraussetzung der telefonischen<br />

Erreichbarkeit ist für sämtliche ausgewählte<br />

und befragbare Kommunalpolitiker gegeben<br />

(<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> 2004). Aus Vergleichen zwischen<br />

Face-to-Face- und Telefoninterviews sind in<br />

der Methodenforschung zahlreiche Vorteile<br />

für Telefonbefragungen hervorgehoben worden,<br />

die sich auf den Ablauf sowohl in der<br />

Kontaktphase als auch in der Interviewphase<br />

beziehen (vgl. Fuchs 1994, Petermann 2001,<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> 2004, S. 327). Der wohl größte<br />

Vorteil ist die Zeit- und Kostenersparnis, die<br />

sich aus den zentral geführten Terminabsprachen<br />

und Interviews ergibt. Weil im Telefoninterview<br />

durch die zentral an einem Ort<br />

durchgeführte Befragung keine Reisekosten<br />

für Interviewer anfallen, müssen im Vergleich<br />

von Telefon- und Face-to-Face-Interview<br />

lediglich Telefongebühren gegen Reisekosten<br />

für Interviewer abgewogen werden. Gerade für<br />

räumlich ausgedehnte Befragungen<br />

können Fahrtkosten und Interviewerentlohnung<br />

für diese „Rüstzeit“<br />

Seite 57<br />

enorm hoch sein; Telefongebühren<br />

stellen dann nur noch einen Bruchteil<br />

dieser Reisekosten dar. Das Teilprojekt<br />

A4 untersucht ehemalige und gegenwärtige<br />

Kommunalpolitiker aus Nordrhein-Westfalen


NETZWERKERHEBUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

und Sachsen-Anhalt. Gerade ehemalige Eliten<br />

müssen nicht zwangsläufig am Ort ihrer<br />

alten Tätigkeit wohnen - entsprechend hoch<br />

und schwierig kalkulierbar sind die für diese<br />

Gruppe zu veranschlagenden Reisekosten.<br />

Zwar liegen in der Regel die Telefongebühren<br />

unter den Fahrtkosten der Face-to-Face-<br />

Interviews. Die Entscheidung fällt jedoch<br />

deutlicher zugunsten der Telefoninterviews<br />

aus, wenn man die Kosten für das „Aufsuchen“<br />

der Interviewpartner einbezieht (Kreiselmaier/Porst<br />

1989). Mittlerweile machen die<br />

Kosten für Terminabsprachen, Terminverwaltung<br />

und Koordination von Interviewern<br />

und Befragungsterminen einen Großteil der<br />

Feldkosten aus. Dadurch das Kontakt- und<br />

Interviewphasen über das gleiche, preiswertere<br />

Kommunikationsmedium ablaufen, werden<br />

enorme Einsparpotenziale genutzt. Gerade<br />

vielbeschäftigte Elitenmitglieder, wie sie vom<br />

Teilprojekt A4 zu befragen waren, sind trotz<br />

hoher Teilnahmebereitschaft schwer zur<br />

Mitarbeit am Interview zu bewegen. Oftmals<br />

ist die Kontaktanbahnung umständlich, weil<br />

Sekretärinnen oder Referenten den direkten<br />

Zugang nur zögerlich gewähren, weil Kommunalpolitiker<br />

keine Büroarbeiter sind und<br />

weil Terminvereinbarungen auch mal platzen<br />

können. In unserer Untersuchung lag die<br />

mittlere Anzahl der Kontaktversuche bei 20.<br />

Damit haben wir es noch mit vergleichsweise<br />

kooperativen Eliten zu<br />

tun, wie die Ergebnisse von Jahr und<br />

Seite 58 Martens in diesem Heft belegen. Ein<br />

weiterer Vorteil einer computergestützten<br />

Telefonbefragung ergibt sich<br />

für spontane Interviews. In unserer Befragung<br />

bestand immer die Möglichkeit, bereits in der<br />

Kontaktphase spontan, d.h. ohne Terminvereinbarung,<br />

ein Interview durchzuführen. Diese<br />

Möglichkeit wurde in der Elitenbefragung des<br />

A4-Projekts rege genutzt, denn allein 23% der<br />

Interviews wurden beim telefonischen Erstkontakt<br />

geführt. Für Face-to-Face-Interviews mit<br />

telefonischer Terminvereinbarung ergäbe sich<br />

in solchen Fällen ein logistisches Problem.<br />

Neben den Kosten bringt das Telefoninterview<br />

durch die Verknüpfung von Kontakt- und<br />

Interviewphase enorme Zeitsparpotenziale,<br />

wenn es sich um räumlich ausgedehnte Untersuchungsgebiete<br />

handelt. Dies kann anhand<br />

der Feldzeiten der Laumann/Pappi-Studie<br />

(1976) und der Däumer-Studie (1997) verdeutlicht<br />

werden. Laumann und Pappi hatten<br />

eine westdeutsche Kleinstadt als Untersuchungsgebiet<br />

ausgewählt und befragten 46<br />

Elitenmitglieder dieser Gemeinde innerhalb<br />

eines Monats. Däumer wählte einen Kreis als<br />

Untersuchungsgebiet und befragte eine nur<br />

unbedeutend größere Anzahl Bürgermeister<br />

(57). Zwar konstatiert Däumer eine hohe<br />

Teilnahmebereitschaft, allerdings war für<br />

Terminabsprachen und aufgrund der permanenten<br />

Zeitknappheit der Bürgermeister eine<br />

lange Feldphase von beinahe vier Monaten zu<br />

veranschlagen. Neben der Zeitersparnis in der<br />

Kontaktphase gibt es auch eine Zeitersparnis in<br />

der Interviewphase. Im computerunterstützten<br />

Telefoninterview können pro Zeiteinheit mehr<br />

Fragen gestellt werden als im Face-to-Face-<br />

Interview (Fuchs 1994). Bisher wurde diesem<br />

Argument entgegengehalten, dass telefonische<br />

Befragungen nicht länger als 30 Minuten dauern<br />

sollten. Faktisch können Telefoninterviews<br />

jedoch wesentlich länger dauern. Die durchschnittliche<br />

Interviewdauer in der Elitenbefragung<br />

des Teilprojekts A4 betrug mehr als eine<br />

Stunde (63 Minuten) mit einem Maximum


NETZWERKERHEBUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

von über zwei Stunden (127 Minuten). Damit<br />

beläuft sich die Befragung auf insgesamt 147<br />

Interviewstunden. Bei einem Zeitverhältnis<br />

zwischen Telefoninterview und Face-to-Face-<br />

Interview von 1 zu 1,5 ergibt sich eine Ersparnis<br />

von etwa 74 Interviewstunden. Somit<br />

ist deutlich geworden, dass computergestützte<br />

Telefoninterviews mit integrierter telefonischer<br />

Kontaktierung und Terminvereinbarung,<br />

deutliche Zeit- und Kostenvorteile gegenüber<br />

Face-to-Face-Interviews haben.<br />

In älteren Methodenvergleichen wurde ein<br />

zweiter Vorteil für telefonische Befragungen<br />

in der besseren Ausschöpfung gesehen. Mittlerweile<br />

belegen jedoch vergleichende Meta-<br />

Analysen, dass hinsichtlich der Ausschöpfung<br />

keine Unterschiede zwischen Face-to-Faceund<br />

Telefoninterviews bestehen (Kreiselmaier/Porst<br />

1989). Für die hier untersuchten<br />

Kommunalpolitiker scheint die Ausschöpfung<br />

ohnehin kein relevantes Problem zu sein. Mit<br />

81% Ausschöpfung ist die Elitenbefragung des<br />

A4-Projekts mit Abstand die erfolgreichste<br />

Telefonbefragung im <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> (<strong>SFB</strong> <strong>580</strong><br />

2004). Dies scheint aber der besonderen Befragungsklientel<br />

kommunaler Eliten geschuldet<br />

zu sein. Diese scheinen generell hoch motiviert<br />

an Befragungen teilzunehmen. So haben Laumann<br />

und Pappi (1976, S. 273) 46 Interviews<br />

mit einflussreichen Personen geführt und damit<br />

eine Ausschöpfung von 90% erzielt. Däumer<br />

(1997) berichtet gar eine Ausschöpfungsquote<br />

von 100% seiner Face-to-Face- Befragung<br />

unter Bürgermeistern des Saalkreises. Im Referenzbundesland<br />

Nordrhein-Westfalen gab es<br />

in der jüngeren Vergangenheit zwei schriftliche<br />

Befragungen unter (hauptamtlichen) Bürgermeistern,<br />

wobei Schulenburg (1999) eine<br />

Ausschöpfungsquote von 77% (57 Befragte)<br />

und Nienaber (2004) eine Rücklaufquote von<br />

66% (260 Befragte) erzielten. Vergleicht man<br />

die Ausschöpfungen von Befragungen kommunaler<br />

Eliten, ergibt sich ein Vorteil für die<br />

Face-to-Face-Interviews. Gleichzeitig zeigt<br />

sich, dass Telefoninterviews den schriftlichen<br />

Befragungen überlegen sind.<br />

Ein dritter Vorteil ergibt sich insbesondere<br />

durch die Verknüpfung von Telefon und Computerunterstützung<br />

für die Organisation und<br />

den Ablauf von Kontakt- und Interviewphasen<br />

insgesamt. Die Computerunterstützung<br />

erlaubt eine automatische Steuerung der<br />

Terminverwaltung, des Interviewereinsatzes<br />

und eine automatische Filterführung. Dadurch<br />

wird der Interviewer von Nebenaufgaben<br />

entlastet und kann sich voll auf Kontaktierung<br />

und Interviewführung konzentrieren. Dieser<br />

Vorteil ergibt sich allerdings erst, wenn in<br />

der Kontaktphase ein hohes Aufkommen an<br />

Nachrecherche, Rücksprachen, unverbindlichen<br />

und verbindlichen Terminen usw. anfällt.<br />

Bei einer verhältnismäßig kleinen (Brutto-)<br />

Stichprobe von 186 Personen ist das scheinbar<br />

kein Problem. Zumal die Eliten bedingt durch<br />

ihr Tätigkeitsfeld generell häufig ein Telefon<br />

als Kommunikationsmittel nutzen. Dennoch<br />

ist diese Spezialpopulation schwer erreichbar.<br />

Denn gerade weil das Telefon ein häufiges<br />

Kommunikationsmittel für Eliten ist, werden<br />

eingehende Anrufe nach Wichtigkeit „sortiert“.<br />

Interviewgesuche, wenn sie nicht<br />

gerade von namhaften Journalisten<br />

kommen, dürften allgemein niedrige<br />

Seite 59<br />

Rangplätze erhalten. Darüber hinaus<br />

sind Elitenmitglieder wegen zahlreicher<br />

Verpflichtungen außerhalb des Büros<br />

oftmals nicht telefonisch anzutreffen bzw.<br />

interviewbar. So waren in der Elitenbefragung


NETZWERKERHEBUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

mit 181 zu kontaktierenden Personen nicht<br />

weniger als 882 Telefonkontakte notwendig,<br />

um letztendlich 138 Interviews zu führen. Das<br />

sind durchschnittlich 6,4 Kontakte pro erfolgreichem<br />

Interview. Der Interviewereinsatz war<br />

ebenfalls beträchtlich, so haben 18 Personen<br />

Kontakte geknüpft und Interviews geführt.<br />

Ein Interviewer hat im Durchschnitt bei 49<br />

Kontaktversuchen nicht mehr als 8 Interviews<br />

geführt. Mit anderen Worten, bei Haustürkontakten<br />

und bei geringerem Personaleinsatz, wie<br />

in Face-to-Face-Interviews üblich, hätte ein<br />

deutlich größerer Zeitrahmen als die benötigten<br />

3,5 Monate veranschlagt werden müssen.<br />

Als Zwischenresümee lässt sich konstatieren,<br />

dass Telefoninterviews für die Elitenbefragung<br />

des Teilprojekts A4 die bessere<br />

Erhebungsalternative gegenüber dem Faceto-Face-Interview<br />

ist. Deutliche Kosten- und<br />

Zeitersparnisse sind durch die CATI-Methode<br />

eingetreten. Die Interviewer können sich<br />

auf ihre Hauptaufgabe - den Frage-Antwort-<br />

Dialog - konzentrieren. Doch ein, für unsere<br />

Elitenbefragung wesentlicher Punkt ist bis<br />

jetzt noch gar nicht angesprochen worden,<br />

nämlich die Möglichkeit der Personalisierung<br />

des Interviews.<br />

PERSONALISIERUNG IN NETZWERKERHEBUN-<br />

GEN<br />

Personalisierung bedeutet, dass<br />

Seite 60 nicht allen Befragten die gleichen<br />

Fragen gestellt werden, sondern dass<br />

aufgrund bekannter Informationen<br />

über die befragte Person der Befragungsablauf<br />

gesteuert wird, indem zum Beispiel bestimmte<br />

Fragen zu stellen sind oder gerade nicht gestellt<br />

werden. Zunächst ist unter Personalisierung im<br />

CATI die automatische Filterführung zu verstehen.<br />

Automatische Filterführung bedeutet<br />

eine enorme Entlastung der Interviewer von<br />

Entscheidungen hinsichtlich der Fragenreihenfolge.<br />

Beispielsweise wird zunächst der<br />

Familienstand der befragten Person erhoben.<br />

Nichtverheiratete Personen werden herausgefiltert<br />

und können nun befragt werden, ob sie<br />

einen Lebenspartner haben. Im computergestützten<br />

Interview wird die Entscheidung, welche<br />

Frage als nächste zu beantworten ist, vom<br />

programmierten Fragebogen übernommen,<br />

d.h. der Interviewer trifft die Entscheidung<br />

nicht selbst, sondern muss nur noch die jeweilige<br />

Frage vorlesen. Entsprechende Intervieweranweisungen<br />

sind nicht notwendig, wodurch<br />

der Interviewer entlastet wird.<br />

Nun traue ich den meisten Interviewern zu,<br />

die richtige Filterentscheidung im Familienstand-<br />

Lebenspartner-Beispiel zu fällen. Personalisierung<br />

bedeutet in der Tat mehr als nur<br />

simple Filterführung. Mit bekannten Informationen<br />

sind nicht nur während der Befragung<br />

generierte Angaben gemeint, sondern auch<br />

relevante, vor dem Interview bekannte Angaben,<br />

die quasi als Input in die Befragung genommen<br />

werden. Für die Elitenbefragung des<br />

Teilprojekts A4 wurden im Vorfeld zahlreiche,<br />

öffentlich zugängliche Informationen über die<br />

Kommunalpolitiker gesammelt. Dies war aufgrund<br />

der Stichprobenziehung notwendig. Da<br />

wir den Positionsansatz gewählt haben, wurden<br />

Daten für alle sechs Untersuchungsgebiete zu<br />

den Elitenpositionen erhoben, um anschließend<br />

die Personen zu identifizieren, die diese<br />

Positionen besetzen bzw. nach 1990 besetzten.<br />

Neben den Namen und Telefonnummern der<br />

Kommunalpolitiker, die zur Identifizierung


NETZWERKERHEBUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

und Ingangsetzung der Telefoninterviews als<br />

Input in das CATI-System eingingen, wurde<br />

das CATI-System zusätzlich mit Informationen<br />

zur bekleideten Elitenposition (politische<br />

oder administrative Elite) sowie der Spezifikation<br />

dieser Positionen (Partei- bzw. Dezernatszugehörigkeit)<br />

versorgt. Diese Informationen<br />

gaben der Befragung eine persönlichere Note:<br />

Die Befragten wurden direkt mit Namen<br />

angesprochen, in verschiedenen Fragen floss<br />

die genaue Dienstbezeichnung ein und signalisierte<br />

dem Befragten, dass der Interviewer<br />

Vorkenntnisse über ihn hat, dass ein erhöhtes<br />

Werdegang nach dem Ausscheiden. Für gegenwärtige,<br />

nicht aber für ehemalige Elitenmitglieder<br />

gibt es Fragen zur Zufriedenheit<br />

mit der lokalen Politik.<br />

Die eigentliche Personalisierung erfolgt<br />

nun in der Verknüpfung der Informationen<br />

zum Untersuchungsgebiet und den Namen<br />

der 181 Elitenmitglieder. Damit lassen sich die<br />

Elitennetzwerke dieser Untersuchungsgebiete<br />

abbilden.<br />

Ost<br />

West<br />

Großstadt 43 42<br />

Mittelstadt 33 14<br />

Landkreis 26 23<br />

Abbildung 1 - Anzahl der Eliten (= Netzwerkgröße) in<br />

den sechs Untersuchungsgebieten<br />

Interesse an seiner Person besteht und er kein<br />

x- beliebiger Interviewpartner unter Tausenden<br />

ist. Dies trägt zu einer vertrauensvolleren<br />

und für den Befragten angenehmeren Befragungsatmosphäre<br />

bei. Diese Informationen<br />

hatten allerdings keine Auswirkungen auf den<br />

Befragungsablauf in dem Sinne, dass eine automatische<br />

Filterführung daran gebunden ist.<br />

Filterführungen erfolgen zunächst mit der<br />

Angabe zum Positionsstatus (ehemaliges oder<br />

gegenwärtiges Elitenmitglied). Beispielsweise<br />

gibt es für ehemalige Elitenmitglieder einen<br />

Fragenblock zum Ausscheiden aus der Elitenposition<br />

und zum politischen und beruflichen<br />

Zu beachten ist, dass sich für jeden Befragten<br />

eine einmalige Informationsmenge<br />

ergibt, weil das Netzwerk natürlich immer<br />

aus dem Blickwinkel des Befragten erhoben<br />

wird. Insgesamt werden bis zu 50 verschiedene<br />

Informationen pro Befragten im Interview<br />

verwendet. Ich glaube, diese Informationen<br />

einzustudieren dauert länger als das eigentliche<br />

Interview. Ob der Interviewer im entscheidenden<br />

Moment die richtigen Informationen<br />

für die etwa 300 Filterentscheidungen unseres<br />

Fragebogens heranziehen kann, ist<br />

damit noch gar nicht gesagt. Diese<br />

Fähigkeit scheint mir aber doch eine<br />

Seite 61<br />

Meisterleistung zu sein, so dass man<br />

mit Fug und Recht behaupten kann,<br />

dass die Computerunterstützung im Hinblick<br />

auf die Personalisierung einen bedeutenden<br />

Beitrag zur Interviewerentlastung leistet.


NETZWERKERHEBUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

Personalisierung ist aber auch mehr als<br />

nur Filterführung - es bedeutet auch Fragengenerierung.<br />

Im Netzwerkprojekt Halle (vgl.<br />

Petermann 2001, 2002), einer Untersuchung<br />

zu sozialer Unterstützung durch egozentrierte<br />

Netzwerke, wurden die Netzwerke durch<br />

Namensgeneratoren erhoben. Anders als die<br />

Erhebung der Netzwerke in der Elitenbefragung<br />

war der Umfang der Netzwerke vor dem<br />

Interview nicht bekannt. Erst im Interview<br />

wurden die Namen der Netzwerkpersonen<br />

erhoben, wobei die Ego-Netzwerke bis zu<br />

33 Personen umfassen. Zu diesen Netzwerkpersonen<br />

waren zusätzlich etwa 40 Angaben,<br />

beispielsweise der Verwandtschaftsgrad oder<br />

die Stärke der Beziehung, zu erheben. Durch<br />

die Personalisierung wurden also bis zu 1.300<br />

Informationen generiert. Ohne Auswahl besonders<br />

fähiger Interviewer, ohne umfangreiche<br />

Interviewschulungen und vor allem ohne<br />

Computerunterstützung sind solche Datenerhebungen<br />

in einem zeit- und kostengünstigen<br />

Rahmen nur schwerlich möglich.<br />

Personalisierung bedeutet gerade im<br />

Zusammenhang mit Netzwerkbefragungen<br />

auch eine realitätsnähere Datenerhebung<br />

durch offene Fragen. Gewöhnlich werden<br />

aufgrund der Komplexität der Netzwerkdaten<br />

Namensgeneratoren durch eine Höchstzahl<br />

und gelegentlich durch eine Mindestzahl<br />

begrenzt. Im General Social Survey<br />

1985 wurde erstmals ein Namensgenerator<br />

eingesetzt, der nach Personen<br />

Seite 62 fragt, mit denen man wichtige Dinge<br />

besprochen hat (Marsden 1987).<br />

Zwar konnten beliebig viele Personen<br />

genannt werden, nachfolgende Namensinterpretatoren<br />

(Alter, Geschlecht, Bildung usw.)<br />

wurden aber nur für die ersten fünf Personen<br />

erfragt. Eingeschränkter geht der ALLBUS<br />

2000 vor, denn in dieser Bevölkerungsumfrage<br />

konnten nicht mehr als drei Personen genannt<br />

werden, mit denen man am häufigsten privat<br />

zusammen ist (ALLBUS 2000 CAPI-PAPI).<br />

Doch nicht nur in allgemeinen Bevölkerungsumfragen<br />

sondern auch in Elitenbefragungen<br />

wird dieser Weg gewählt. Ein Beispiel ist die<br />

Elitenstudie von Laumann und Pappi (1976).<br />

Zunächst können (beinahe) beliebig viele<br />

Personen einer Liste zu verschiedenen Namensgeneratoren<br />

genannt werden, schließlich<br />

werden davon jeweils drei mit dem intensivsten<br />

Kontakt ausgewählt. Solche zahlenmäßigen<br />

Begrenzungen der Netzwerke erfolgen zumeist<br />

aus forschungsökonomischen und datenanalytischen<br />

Gründen. Bayer (2004) betont jedoch<br />

die Bedeutung offener Fragen für die Operationalisierung<br />

theoretischer Konzepte im Telefoninterview.<br />

Hierdurch wird eine realitätsnähere<br />

Erhebung gewährleistet. Für Netzwerkerhebungen<br />

bedeutet das, den Interviewten keine<br />

zahlenmäßige Begrenzung für die Antworten<br />

auf Netzwerkgeneratoren vorzugeben. Diese<br />

Forderung wurde in der Elitenbefragung des<br />

Teilprojekts A4 umgesetzt. Netzwerkfragen<br />

wurden ohne vorgegebene Höchstzahl an zu<br />

nennenden Personen gestellt, d.h. es konnte<br />

minimal niemand und maximal alle Personen<br />

des jeweiligen Netzwerks ausgewählt werden.<br />

Eine weitere Anmerkung, die gleichzeitig<br />

den Bogen zum Vergleich von Netzwerkerhebungen<br />

in Telefon- und Face-to-Face-Interviews<br />

spannt, betrifft die Personalisierung<br />

durch Erfragung persönlicher Angaben der<br />

Netzwerkbeziehungen. Diese Angaben und<br />

hier insbesondere die Nennung von Namen<br />

nahe stehender Personen sind heikle Fragen,<br />

die viele Befragte dazu veranlassen kann, Antworten<br />

auf diese Fragen zu verweigern oder


NETZWERKERHEBUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

gar das Interview abzubrechen (vgl. Petermann<br />

2000). Werden Antworten auf heikle oder<br />

sensitive Fragen gegeben, wird eine eher geringe<br />

Zuverlässigkeit der Antworten erwartet.<br />

Verzerrte Antworten, Antwortverweigerungen<br />

und Interviewabbrüche sind Versuche des<br />

Interviewten, sich dem Diktum des Interviewablaufs<br />

und dem normativen Einfluss des Interviewers<br />

zu entziehen. Ein solches Blockadebzw.<br />

Verweigerungshandeln zeigen Interviewte<br />

eher, wenn die Kosten des normabweichenden<br />

Verhaltens geringer sind. Eine solche Low-<br />

Cost-Situation trifft eher für das anonymere<br />

Telefoninterview zu. Entsprechend größer sind<br />

diese Kosten, wenn man dem Interviewer „ins<br />

Gesicht“ sagen muss, dass man die Antwort<br />

oder das weitere Interview verweigert.<br />

Leider liegen keine Vergleichsdaten von<br />

den oben erwähnten Face-to-Face-Interviews<br />

kommunaler Eliten vor. Für die Elitenbefragung<br />

des Teilprojekts A4 lassen sich aber<br />

folgende Ergebnisse anführen. Interviewabbrüche<br />

waren mit einem Anteil von 1% an der<br />

Nettostichprobe äußerst gering, wobei kein<br />

Abbruch nach einer heiklen Netzwerkfrage<br />

erfolgte. Die Antwortverweigerungen bei<br />

den Netzwerkabfragen lagen im Schnitt bei<br />

1% mit einem einmaligen Maximum von 7%.<br />

Antwortverzerrungen konnten nicht geprüft<br />

werden. Abbrüche und Antwortverweigerungen<br />

aufgrund heikler Netzwerkfragen sind<br />

für die Elitenbefragung demnach praktisch<br />

nicht zu konstatieren. Ähnliche und dennoch<br />

problematischere Ergebnisse wurden im bereits<br />

erwähnten Netzwerkprojekt Halle erzielt.<br />

Der Anteil vorzeitiger Abbrüche durch die<br />

Befragten an der Nettostichprobe lag mit 3%<br />

geringfügig höher. 1% davon erfolgte allerdings<br />

während der Erhebung der Namensgeneratoren.<br />

Antwortverweigerungen kamen dagegen<br />

praktisch überhaupt nicht vor. Über die 17<br />

Namensgeneratoren schwankt der Anteil<br />

fehlender Werte (weiß nicht - Antworten und<br />

Antwortverweigerungen) lediglich zwischen 0<br />

und 1%. Zwar sind die Probleme der Netzwerkfragen<br />

äußerst gering und unterscheiden sich<br />

nicht von anderen Fragen, aber es zeigt sich,<br />

dass Eliten eher die Antworten verweigern,<br />

während die Bevölkerung eher das Interview<br />

gänzlich abbricht. Dieser Befund könnte mit<br />

größerer Kompromissbereitschaft der Eliten<br />

interpretiert werden.<br />

Für die Befragung des Netzwerkprojekts<br />

Halle liegt darüber hinaus ein Indikator für<br />

Antwortverzerrungen vor. Im unmittelbaren<br />

Anschluss an die Interviews wurden die Interviewer<br />

gebeten, Fragen zum Interviewverlauf<br />

zu beantworten. Bezüglich der Namensgeneratoren<br />

wurde gefragt, ob zu viel oder zu wenig<br />

Namen genannt wurden. Zunächst deuten die<br />

Ergebnisse darauf hin, dass in der Mehrheit<br />

der Interviews (81%) keine Verzerrungen vorliegen.<br />

In nur 1% der Interviews wurden nach<br />

Interviewerangaben zu viele Namen genannt.<br />

Gleichzeitig geben die Interviewer eine massive<br />

Zurückhaltung bei der Namensnennung an.<br />

In 18% der geführten Interviews schätzten die<br />

Interviewer eine zögerliche Namensnennung,<br />

vorrangig bei Fragen zur Geselligkeitsunterstützung,<br />

wie dem gemeinsamen Verbringen<br />

der Freizeit, gemeinsamen Hobbygesprächen<br />

oder dem Einladen<br />

von Geburtstagsgästen. Auch wenn<br />

Seite 63<br />

Interviewerangaben nicht die zuverlässigsten<br />

und validesten Indikatoren<br />

für Antwortverzerrungen bei Netzwerkfragen<br />

darstellen, weisen doch die Ergebnisse in die<br />

erwartete Richtung.


NETZWERKERHEBUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

Ein möglicher Einwand gegen diese Formen<br />

der Personalisierung liegt im Verlust standardisierter<br />

Angaben: Befragte können nicht<br />

ohne weiteres miteinander verglichen werden.<br />

Doch hierfür gibt es spezielle Analyseverfahren<br />

(Burt 1980, Petermann 2005). So können<br />

die Netzwerkdaten der Elitenbefragung mittels<br />

Blockmodellanalysen verdichtet werden.<br />

Die Ergebnisse dieser Analysen können dann<br />

als Input herkömmlicher Datenanalyseverfahren<br />

dienen. Angaben aus egozentrierten<br />

Netzwerken können in Mehrebenenanalysen<br />

einfließen, welche die Gruppierung von<br />

Netzwerkbeziehungen zu Ego-Akteuren<br />

berücksichtigen. Die Datenauswertung stellt<br />

heute kein Hindernis für die personalisierte<br />

Erfassung von Netzwerken dar.<br />

Abschließend kann festgehalten werden,<br />

dass in Bezug auf Netzwerkerhebungen sowohl<br />

in Eliten- als auch in Bevölkerungsbefragungen<br />

computerunterstützte Telefoninterviews zum<br />

Einsatz kommen können. Vorteilhaft ist der<br />

Einsatz von Telefon- gegenüber Face-to-Face-<br />

Interviews für Netzwerkerhebungen aber nur<br />

dann, wenn die Erhebungseinheiten räumlich<br />

weit verstreut sind und/oder wenn der Kontaktaufwand<br />

vor dem eigentlichen Interview<br />

hoch ist (wie im Falle von Elitenbefragungen<br />

üblich). Dagegen werden<br />

mit Telefoninterviews keine besseren<br />

Seite 64 Ausschöpfungsquoten erreicht. Die<br />

Computerunterstützung erlaubt die<br />

für Netzwerkerhebungen essentielle<br />

Personalisierung der Fragebögen. Personalisierung<br />

ist eine quantitative und qualitative<br />

Weiterentwicklung herkömmlicher Filterfragen<br />

und Filterführungen. Maßgeschneiderte<br />

Fragebögen, die eine große Zahl persönlicher<br />

Informationen als Befragungsinput verarbeiten<br />

oder sogar erst im Interview erzeugen können,<br />

werden dadurch möglich. Moderne Verfahren<br />

erlauben sinnvolle Verknüpfungen dieser idiosynkratischen<br />

Informationen in quantitativen<br />

Datenanalysen. Soziale Netzwerkdaten können<br />

damit valider als bisher erhoben werden.<br />

Allerdings erlaubt die Offenheit der Namensgeneratoren<br />

zugleich eine Antwortverzerrung<br />

„nach unten“.<br />

FAZIT


NETZWERKERHEBUNGEN<br />

EINLEITUNG<br />

LITERATUR<br />

ALLBUS 2000 CAPI - PAPI: Codebuch ZA-Nr. 3450.<br />

Bayer, Michael (2004): Ein Versuch, das telefonische Interview<br />

zu verstehen In: Michael Bayer und Sören Petermann (Hrsg.):<br />

Soziale Struktur und wissenschaftliche Praxis im Wandel. Festschrift<br />

für Heinz Sahner. Wiesbaden: VS Verlag. S. 157-180<br />

Burt, Ronald S. (1980): Models of Network Structure, Annual<br />

Review of Sociology 6, S. 79-141.<br />

Däumer, Roland (1997): Vom demokratischen Zentralismus<br />

zur Selbstverwaltung: Verwaltungen und Vertretungen kleiner<br />

kreisangehöriger Gemeinden Ostdeutschlands im Transformationsprozeß<br />

(Raum Halle: Saalkreis). Hamburg: Kovac<br />

Fuchs, Marek (1994): Umfrageforschung mit Telefon und<br />

Computer. Einführung in die computergestützte telefonische<br />

Befragung. Weinheim: Beltz<br />

Kreiselmaier, Jutta / Porst, Rolf (1989): Methodische Probleme<br />

bei der Durchführung telefonischer Befragungen. Stichprobenziehung<br />

und Ermittlung von Zielpersonen, Ausschöpfungen und<br />

Non-Response, Qualität der Daten. Mannheim: Zentrum für<br />

Umfragen, Methoden und Analysen<br />

Laumann, Edward O. / Pappi, Franz Urban (1976): Networks<br />

of Collective Action. A Perspective on Community Influence<br />

Systems. New York: Academic Press<br />

Petermann, Sören (2000): Die Erhebung sozialer Netzwerke im<br />

computerunterstützten Telefoninterview. Eine Methodendiskussion<br />

zum Forschungsprojekt Soziale Vernetzung städtischer und<br />

ländlicher Bevölkerungen am Beispiel der Stadt Halle/Saale.<br />

Halle: Martin- Luther-<strong>Universität</strong> Halle-Wittenberg, Institut<br />

für Soziologie<br />

Petermann, Sören (2001): Soziale Vernetzung städtischer und<br />

ländlicher Bevölkerungen am Beispiel der Stadt Halle. Abschlussbericht<br />

und Codebuch. Der Hallesche Graureiher 2001-2.<br />

Forschungsberichte des Instituts für Soziologie. Martin-Luther-<br />

<strong>Universität</strong> Halle-Wittenberg<br />

Petermann, Sören (2002): Persönliche Netzwerke in Stadt und<br />

Land: Siedlungsstruktur und soziale Unterstützungsnetzwerke<br />

im Raum Halle/Saale. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag<br />

Petermann, Sören (2005): Einsatzmöglichkeiten der Netzwerkanalyse<br />

am Beispiel politischer und administrativer Führungskräfte.<br />

Erscheint In: Aderhold, Jens / Meyer, Matthias / Wetzel,<br />

Ralf (Hrsg.): Modernes Netzwerkmanagement. Anforderungen<br />

- Methoden - Anwendungsfelder. Wiesbaden: Gabler,S. 343-<br />

365<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong>, 2004: Arbeits- und Ergebnisbericht 2001 - 2004.<br />

<strong>Jena</strong>/Halle: Sonderforschungsbereich <strong>580</strong><br />

Schulenburg, Klaus (1999): Direktwahl und kommunalpolitische<br />

Führung. Der Übergang zur neuen Gemeindeordnung in<br />

Nordrhein-Westfalen. Basel: Birkhäuser<br />

Nienaber, Georg (2004): Direkt gewählte Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen:<br />

Positionierung zwischen Bürgern, Politik und<br />

Verwaltung im Fokus von Effektivierung und Demokratisierung<br />

der lokalen Ebene. Marburg: Tectum<br />

Marsden, Peter V. (1987): Core Discussion Networks of Americans,<br />

American Sociological Review 52, S. 122-131<br />

Seite 65


CATI IM EINSATZ<br />

DER INDUSTRIE-<br />

S O Z I O L O G I S C H E N<br />

UND PERSONAL-<br />

WIRTSCHAFTLICHEN<br />

FORSCHUNG<br />

Seite 66


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

Kapitel 6<br />

TELEFONISCHE EXPERTENINTERVIEWS<br />

MIT MANAGERN – NUTZEN, ANFORDE-<br />

RUNGEN, PRAXIS<br />

CATI IM EINSATZ DER INDUSTRIESO-<br />

ZIOLOGISCHEN FORSCHUNG ZU PER-<br />

SONALWIRTSCHAFT UND REGIONALEN<br />

ARBEITSMÄRKTEN<br />

Thomas Engel, Michael Behr<br />

In der Werkzeugkiste der Methoden, derer<br />

sich Sozialforscher bei der Konzeption ihrer<br />

Forschungsdesigns bedienen, spielt das<br />

Experteninterview oder die Expertenbefragung<br />

als Instrument für einen qualitativen Ansatz<br />

eine Schlüsselrolle. Eine Expertenbefragung<br />

lässt sich definieren als „eine ermittelnde<br />

Befragung, bei der sich die Befragungsperson<br />

durch einschlägiges Wissen auszeichnet und<br />

Zielobjekt der Informationsbeschaffung ist“<br />

(Frackmann 1980, S. 34). Im Gegensatz zu<br />

anderen Interviewformen z.B. des narrativen,<br />

des fokussierten, des biographischen oder des<br />

Leitfadeninterviews – orientiert sich dieses<br />

Instrument von vornherein auf eine Zielgruppe<br />

und richtet seine Vorgehensweise an deren<br />

„vorgängigen Regeln der alltagsweltlichen<br />

Kommunikation“ (Schütze u.a. 1981, S. 434)<br />

aus. 1 Lange Zeit stand in der qualitativen Sozialforschung<br />

das Paradigma des narrativen<br />

Interviews im Vordergrund, in dem sich der<br />

Interviewer neutral, auf keinen Fall intervenierend,<br />

zu verhalten hat. Rainer Trinczek (1995)<br />

arbeitet besonders pointiert heraus, dass das<br />

Experteninterview dagegen in der Alltagswelt<br />

Betrieb auf eine argumentativ-diskursive<br />

Gesprächsführung setzen muss, weil die Gesprächspartner<br />

diese Kommunikationsstruktur<br />

kennen und diesen Stil von ihrem Gegenüber<br />

gleichermaßen erwarten. Diese völlig zu Recht<br />

formulierte Anforderung an das Experteninterview<br />

darf aber nicht zu der Schlussfolgerung<br />

führen, das Instrument sei kein geeignetes Verfahren<br />

zur systematischen Datengenerierung<br />

(vgl. Pfadenhauer 2002), wie wir am Beispiel<br />

des telefonischen Experteninterviews<br />

zeigen wollen.<br />

Seite 67<br />

Der vorliegende Text schlägt den<br />

Bogen von den kommunikativen<br />

Anforderungen, die herkömmliche Faceto-Face-Experteninterviews<br />

mit Managern<br />

sowie anderen betrieblichen Akteuren mit sich


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

bringen, zu den kommunikativ-technischen<br />

Möglichkeiten computergestützter Telefoninterviews<br />

(CATI). Es soll gezeigt werden,<br />

dass telefonische Experteninterviews mit<br />

Managern unter anspruchsvollen Voraussetzungen<br />

sehr gute Ergebnisse generieren, und<br />

unabhängig von rein forschungsökonomischen<br />

und budgettechnischen Erwägungen durchaus<br />

sowohl qualitativen als auch quantitativen Ansprüchen<br />

2 genügen können.<br />

Eine weitere Intention des Beitrags ist es,<br />

methodische Gestaltungsspielräume und Grenzen<br />

von computergestützten Telefoninterviews<br />

bei der Expertenbefragung zu diskutieren. Herausgearbeitet<br />

werden verschiedene Aspekte<br />

der Qualitätssicherung und Anforderungen,<br />

die sich im Laufe des Forschungsprozesses<br />

durch Einsatz dieses Instruments ergeben.<br />

Im folgenden wird die These vertreten, dass<br />

CATI besonders geeignet ist für die Befragung<br />

von Mitgliedern des betrieblichen Managements,<br />

von Vertretern aus dem Bildungs- und<br />

Forschungsbereich sowie Leitungspersonal<br />

sowie Fachexperten aus intermediären Organisationen,<br />

für die generell strukturierte<br />

Kommunikation eine große Rolle spielt und<br />

deren tägliche Arbeit stark durch das Kommunikationsmedium<br />

Telefon geprägt ist. Diese<br />

Zielgruppen erfordern einen professionellen<br />

Umgang in der Vor- und Nachbereitung und<br />

in der Durchführung von Interviews.<br />

Dieser Befragungstyp hat wenig ge-<br />

Seite 68 meinsam mit Haushaltsbefragungen<br />

in der Markt-, Produktimage- oder<br />

Wahlforschung, die typischerweise im<br />

Auftrag von größeren Firmen oder Instituten<br />

von professionellen Call-Centern abgewickelt<br />

werden.<br />

Die empirische Grundlage für unsere<br />

Überlegungen liefern Erfahrungen aus einer<br />

großen Zahl von Telefonbefragungen, die von<br />

den Autoren seit 1998 – ursprünglich angeregt<br />

durch Burkart Lutz während des von der<br />

VW-Stiftung geförderten Projekts „Bildung,<br />

Arbeitsmarkt und Beschäftigung in postsozialistischen<br />

Gesellschaften – Destrukturierung<br />

und mühsame Restrukturierung einer komplexen<br />

Beziehung“ – im Rahmen zahlreicher<br />

Untersuchungen zum ostdeutschen Arbeitsmarkt,<br />

zur Wirtschaftsstruktur und zum Beschäftigungssystem<br />

durchgeführt wurden. 3<br />

Dazu gehören Studien zur Regionalentwicklung,<br />

Branchenpotential- sowie Personal- und<br />

Qualifikationsbedarfsanalysen. Dabei wurden<br />

Geschäftsführer aus Unternehmen in einigen<br />

Schwerpunktregionen Mitteldeutschlands wie<br />

der Region Dessau im Bereich Metall / Elektro,<br />

der Optikregion <strong>Jena</strong>, der Automobil- und<br />

Maschinenbauregion Südwestsachsen bereits<br />

mehrfach befragt. 4<br />

Die Reflexionen über das Instrument ,Telefonische<br />

Expertenbefragung’ beruhen auf<br />

intensiven Diskussionen über die Vor- und<br />

Nachteile sowie den laufenden Verbesserungen<br />

von CATI unmittelbar im konkreten Forschungskontext<br />

und dem Vergleich mit ähnlich<br />

gelagerten, aber auf Fallstudien setzenden<br />

Projekten. 5<br />

1. WANDEL DER FORSCHUNGSDESIGNS: VON<br />

FALLSTUDIEN MIT FACE-TO-FACE-EXPERTEN-<br />

INTERVIEWS ZU CATI-BEFRAGUNGEN MITTLE-<br />

RER FALLZAHLEN<br />

Seit Ende der 90er Jahre erschließt sich die<br />

Industrie- und Wirtschaftssoziologie sowie


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

die Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Managementforschung<br />

zunehmend die Möglichkeiten<br />

der CATI-Befragung. Vergleicht man Forschungsdesigns<br />

aus Projektanträgen der 70er<br />

Jahre und Anfang der 80er Jahre mit denen der<br />

90er Jahre fällt auf, dass die Orientierung an<br />

größeren Fallzahlen stark zugenommen hat.<br />

Die Bewilligungschancen qualitativer Studien,<br />

die sich ausschließlich auf einige wenige<br />

vertiefende Einzelfallanalysen im Rahmen<br />

elaborierter Fallstudiendesigns stützen, sind<br />

geringer geworden. Demgegenüber werden<br />

mittlere Fallzahlengrößen gefordert, um der<br />

Gefahr einer kurzschlüssigen Generalisierung<br />

einzelner Fälle entgegenzuwirken. Gestützt<br />

wurde die Forderung nach größeren Fallzahlen<br />

durch die zunehmende Infragestellung des<br />

ursprünglichen modernisierungstheoretischen<br />

Ansatzes in der Industrie-, Arbeits- und<br />

Wirtschaftssoziologie, demzufolge Kapitalverwertungsimperative<br />

relativ bruchlos in betriebliche<br />

Arbeitsstrukturen und Personalpolitiken<br />

durchschlagen. Mit der Stärkung der Position,<br />

dass mikropolitische und akteurspezifische<br />

Konstellationen in hohem Maße an Bedeutung<br />

gewinnen und damit das Maß an Kontingenz<br />

und Konzeptionspluralismus steigt, steigt<br />

der Bedarf an Studien und Fallzahlen, die es<br />

möglich machen, das Spektrum an Varianz<br />

abzubilden.<br />

Darüber hinaus stieg das Interesse, das<br />

Maß an ‚qualitativer Repräsentanz’ von Aussagen<br />

aus Fallstudien auf die Grundgesamtheit<br />

insgesamt zu übertragen. Auch von Seiten der<br />

Auftraggeber und Projektfinanziers erhöht<br />

sich der Druck auf das wissenschaftliche<br />

Gütekriterium der Repräsentativität von Forschungsergebnissen.<br />

Aus diesem Anspruch<br />

heraus, entwickelten sich teilweise Mix-Designs,<br />

die sowohl vertiefende Einzelfallstudien<br />

– in denen die Fallspezifik besonders<br />

gründlich herausgearbeitet werden konnte<br />

– als auch Breitenerhebungen vorsahen. Der<br />

Industrie- und Arbeitssoziologie kommt dabei<br />

zugute, dass sie methodische Grundsatzfragen<br />

ohnehin leichter zugunsten einer an Theoriebildung<br />

und der Gewinnung nachvollziehbarer<br />

empirischer Ergebnisse zurückzustellen bereit<br />

war. Der ‚methodologische Pragmatismus’ der<br />

Industrie- und Arbeitssoziologie befördert dabei<br />

Entwicklungen, die Forschungsdesigns mit<br />

breiter Instrumentennutzung vorsehen.<br />

Genau für diese Strategie der Ausweitung<br />

von Fallzahlen bei gleichzeitig hoher Skepsis<br />

gegenüber standardisierten schriftlichen Befragungen<br />

bot sich das qualifizierte Telefoninterview<br />

auf Basis der Methodik des systematisierenden<br />

Expertengespräches (im Gegensatz<br />

zum explorativen und theoriegenerierenden<br />

Expertengespräch – zur Unterscheidung vgl.<br />

Bogner/Menz 2002) an.<br />

In dem Maße wie sich die Einsatzmöglichkeiten<br />

des Instruments verbesserten und<br />

effizienter wurden, kann die Forschung diesem<br />

gestiegenem Anspruch nachkommen. Klassische<br />

Face-to-Face-Interviews werden weiterhin<br />

eine wichtige Rolle in der explorativen<br />

Phase und der Problemgenerierung behaupten.<br />

Methodisch belastbar werden dagegen die<br />

Aussagen, die sich auf größere Fallzahlen<br />

stützen, und unter kontrollierten<br />

Bedingungen entstanden sind.<br />

Sieht man einmal von der<br />

Möglichkeit sehr ausführlicher und langer<br />

Vor-Ort-Interviews ab, in denen zwischen<br />

Interviewer und Interviewtem ein besonderes<br />

Seite 69


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

Vertrauensverhältnis entsteht, wobei die Gesprächspartner<br />

regelrecht eine Deutungs- und<br />

Interpretationsgemeinschaft bilden und sich<br />

gemeinsam in den „Entdeckungszusammenhang“<br />

wissenschaftlicher Forschungsprobleme<br />

verstricken lassen, lässt sich zwischen beiden<br />

Interviewformen kein wesentlicher Qualitätsverlust<br />

feststellen. Im Gegenteil, das Telefon<br />

bringt gegenüber dem direkten Gespräch vor<br />

Ort sogar gewisse Vorteile für die Interviewführung.<br />

6<br />

2. KOMMUNIKATIV-TECHNISCHE ANFORDE-<br />

RUNGEN AN EXPERTENINTERVIEWS<br />

2.1 Erwartungen der Probanden<br />

Ausgehend von einem Ansatz der Methodenwahl<br />

entsprechend der alltagsweltlichen<br />

Kommunikationserfahrungen unserer Probanden<br />

ist zunächst die Frage zu beantworten,<br />

welche (kommunikativen) Erwartungen haben<br />

Manager und andere betriebliche Akteure an<br />

eine Interviewsituation, vor die sie sich durch<br />

Sozialwissenschaftler gestellt sehen. Der<br />

betriebliche Alltag enthält eine Reihe von Gesprächsroutinen,<br />

die regelmäßig zu absolvieren<br />

sind (wöchentliche Arbeitsgruppenbesprechungen,<br />

Betriebsversammlungen, Vorstandssitzungen,<br />

Mitarbeitergespräche u.ä.), aber<br />

auch spontane oder kurzfristig anberaumte<br />

Problemlösungs- und Fachgespräche.<br />

Ergebnisse dieser Gespräche<br />

Seite 70 sind immer handlungsstrukturierende<br />

Termine, Zielverabredungen und eine<br />

Planung nächster Tätigkeitsschritte.<br />

Das Interview mit einer Forschungsgruppe<br />

bedeutet zunächst ein Ausnahmezustand im<br />

Tagesablauf, weil dieses Gespräch voraussichtlich<br />

keine Handlungsstrukturierung hervorbringen<br />

wird, man also ohne ein strategisches<br />

Ziel in das Treffen gehen kann. Zudem zieht es<br />

Zeit von der Erledigung des Alltagsgeschäftes<br />

ab, ohne dass dies als Investition interpretiert<br />

werden kann. 7<br />

Diese Prämissen zwingen den Interviewer<br />

dazu, den Gesprächspartner zunächst bei seinem<br />

(Spezial-)Thema abzuholen, um ihn für<br />

das Gespräch zu gewinnen. Aus den ersten Frage-Antwort-Sequenzen<br />

muss deutlich werden,<br />

warum das Gespräch mit dieser Person geführt<br />

werden muss, weil nur dieser Weg zu im Sinne<br />

des Studienzieles wertvollen Erkenntnissen<br />

führt. Dies leistet kein Ansatz besser als die Anerkennung<br />

des Gesprächspartners als Experten<br />

für den betrieblichen Alltag. Solche Themen<br />

beziehen sich in unseren Studien vor allem auf<br />

konkrete Handlungsfelder betrieblicher Politik<br />

– wie Fragen zur Qualifizierung, Personalrekrutierung,<br />

Innovationsroutinen, Produktionsabläufe,<br />

Arbeitszeitregelungen, Fragen zur<br />

Marktintegration, Kooperationsbeziehungen,<br />

Austausch mit Aus- und Weiterbildungsträgern<br />

u.a.. Durch die Ansprache dieser Themen<br />

weist der Interviewer sein Interesse aus, macht<br />

aber auch deutlich, dass er ebenso als Experte<br />

(zwar mit einem anderen, möglicherweise zur<br />

betrieblichen Realität komplementären Blickwinkel)<br />

angesehen werden kann 8 : „Je mehr<br />

man im Verlauf des Interviews in der Lage ist,<br />

immer wieder kompetente Einschätzungen,<br />

Gründe und Gegenargumente einfließen zu<br />

lassen, umso eher sind Manager bereit, nun<br />

ihrerseits ihr Wissen und ihre Positionen auf<br />

den Tisch zu legen – und ihre subjektiven<br />

Relevanzsstrukturen und Orientierungsmuster<br />

in nicht-strategischer Absicht offenzulegen.“<br />

(Trinczek 1995, S. 65)


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

Würde man dagegen mit der Bitte um eine<br />

längere narrative Sequenz starten, setzt man<br />

den Gesprächspartner einer Situation aus, die<br />

er aus seiner Kommunikationserfahrung des<br />

betrieblichen Alltags nicht kennt und möglicherweise<br />

als Provokation bewertet. Die enge<br />

Zeitplanung von Vertretern des Managements<br />

hat zur Folge, dass bereits im Vorfeld der<br />

Terminvereinbarung „um jede Viertelstunde<br />

gefeilscht worden war“ (ebd., S. 63). Schon<br />

allein dieses hohe Zeitreglement muss auf der<br />

Forschungsseite zu einer angepassten Interviewstrategie<br />

führen, die Rücksicht auf den<br />

durch den Gesprächspartner vorgegebenen<br />

Zeitrahmen nimmt.<br />

Ist das Interesse erst einmal geweckt, können<br />

persönliche Expertengespräche schnell<br />

einige Stunden beanspruchen. 9 Dann erzielen<br />

sie auch den Effekt, dass sich Geschäftsführer<br />

ausgiebig der Reflexionsmöglichkeiten über ihr<br />

Handeln und ihre Strategien bedienen und sich<br />

am Ende für das Gespräch bei dem Interviewer<br />

bedanken.<br />

Rudi Schmidt spricht sogar davon 10 , dass<br />

Befragte aus der Gruppe des betrieblichen Managements<br />

immer auch einen Nutzeneffekt erwarten,<br />

weshalb eine annähernd symmetrische<br />

Kommunikation unabdingbar sei (vgl. Sahner<br />

2002, S. 33). Tatsächlich lässt sich diese Erwartungshaltung<br />

beobachten, wenn beispielsweise<br />

ein noch sehr junges Forscherteam gestandenen<br />

Geschäftsführern mittleren Alters gegenüber<br />

sitzt und diese ihre Enttäuschung, „warum<br />

denn der Professor nicht selbst hat kommen<br />

können“ nicht verhehlen. Der (vermeintlich)<br />

ausbleibende Nutzeneffekt resultiert in diesem<br />

Fall aus nicht erfüllten Statuserwartungen.<br />

D.h., hier erfüllt das Expertengespräch auch<br />

eine Funktion als Gelegenheit zur Selbstdarstellung<br />

bzw. Selbstinszenierung des Managements,<br />

in der die Expertenrolle gegenüber dem<br />

Forscher besonders herausgestellt wird.<br />

Für telefonische Expertenbefragungen<br />

gehen wir von vergleichbaren Erwartungsmustern<br />

aus und nutzen diese, um unsere<br />

Befragungsdesigns zu konzipieren. Das<br />

Gespräch per Telefon gehört unbestritten zu<br />

den wichtigsten Kommunikationsroutinen<br />

im Manageralltag. Die Diskrepanz zwischen<br />

handlungsstrukturierender Funktion eines solchen<br />

Telefongespräches gegenüber dem Telefoninterview<br />

hat vergleichbare Konsequenzen<br />

der Gesprächsgestaltung zur Folge wie die<br />

Face-to-Face-Variante. Auch hier gilt es das<br />

Expertenwissen unter Berücksichtigung der<br />

zeitlich engen Vorgaben abzufragen und möglichst<br />

einen Nutzen-effekt für den Gesprächspartner<br />

zu erzielen. Allerdings spielt der letztgenannte<br />

Aspekt keine so starke Rolle beim<br />

Telefoninterview: Der subjektiv empfundene<br />

zeitliche Gewinn bei der Entscheidung für das<br />

Telefongespräch (gegenüber dem Gespräch<br />

vor Ort) führt auch dazu, dass die Erwartung<br />

an den persönlichen unmittelbar-erfahrbaren<br />

Reflexionsnutzen deutlich abgesenkt wird. Das<br />

Telefon ist in dieser Wahrnehmung in erster<br />

Linie ein Koordinations- kein Gesprächsinstrument.<br />

11<br />

Einen entscheidenden Vorteil<br />

gegenüber dem klassischen Face-to-<br />

Face-Gespräch kann das telefonische<br />

Seite 71<br />

Experteninterview von vornherein für<br />

sich verbuchen: Die Statusasymmetrie<br />

zwischen Interviewer und Interviewtem stellt<br />

einen geringeren Grund für Interviewscheitern<br />

dar, da sich der Kontakt und die damit


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

Seite 72<br />

einhergehende soziale Verortung nur über<br />

die Stimme erschließen. Das ermöglicht den<br />

Einsatz von erfahrenen in Fragestellung und<br />

Instrument gut eingearbeiteten Studenten und<br />

jungen Wissenschaftlern, die im Gespräch vor<br />

Ort wesentlich größere Akzeptanzschwierigkeiten<br />

hätten. Damit geht eine größere Akzeptanz<br />

von Positionsdifferenzen auf Seiten der<br />

Manager einher. Dagegen ist im Gespräch vor<br />

Ort das jüngere Alter sofort ein Anhaltspunkt<br />

für die Zuschreibung von Wissens- und Erfahrungsdefizite<br />

in Bezug auf die betriebliche<br />

Realität – gleichgültig ob gerechtfertigt oder<br />

nicht.<br />

2.2 Verlauf und Typen von Expertengesprächen<br />

Wie bereits angedeutet, können sich im<br />

Verlauf des klassischen Face-to-Face-Expertengespräches<br />

Erwartungshaltung und<br />

Offenheit des Interviewpartners verändern,<br />

vorausgesetzt grundlegende Bedingungen<br />

wie eine annähernde Statussymmetrie oder<br />

das Einlassen auf „Small-Talk“ in der Begrüßungsprozedur<br />

sind erfüllt. Aus einem Frage-<br />

Antwort-Spiel zu Beginn entwickelt sich im<br />

Idealfall ein diskursives Gespräch, in dem Argumente<br />

ausgetauscht werden. Auf dem Höhepunkt<br />

des Gesprächs zielt die Fragestellung<br />

auf ein anspruchsvolles Reflexionsniveau, wie<br />

z.B. durch die Einordnung des Forschungsgegenstands<br />

in die subjektive<br />

Relevanzstruktur oder die sachliche,<br />

zeitliche und soziale Reflexion von<br />

Strategien, Handlungsweisen, Wissensgrundlagen.<br />

Gewinnbringende<br />

Einsichten in diesem Stadium des Interviews<br />

resultieren aus dem Vermögen des Interviewers,<br />

die Position des Gegenübers (zumindest theoretisch)<br />

zu verstehen und diese Position dann<br />

kontrovers zu diskutieren. Zu diesem Zeitpunkt<br />

entwickelt sich das Expertengespräch<br />

tatsächlich zu einem Gespräch unter Experten.<br />

In einem Face-to-Face-Expertengespräch erreicht<br />

man dieses Stadium mitunter mehrmals<br />

– gleichsam Höhepunkte im Gesprächsverlauf,<br />

deren Häufigkeit bzw. Konstanz der Dauer von<br />

dem Geschick der interviewenden Forscher<br />

abhängt. Inhaltlicher Gegenstand zu diesem<br />

Zeitpunkt sind natürlich die Kernthemen und<br />

-thesen der Befragung. Schließlich das formale<br />

Ende, bei erfolgreichen Gesprächen häufig<br />

verbunden mit dem Angebot, jederzeit wieder<br />

nachfragen und mit einer Fortsetzung der Diskussion<br />

rechnen zu können.<br />

Dieser idealtypische Verlauf eines Face-to-<br />

Face-Expertengespräches birgt einige Fallstricke<br />

für telefonische Expertenbefragungen, die<br />

sich zum einen strukturell am Verlauf erklären<br />

lassen aber auch Gründe in den unterschiedlichen<br />

Darstellungsbedürfnissen von Gesprächspartnern<br />

haben können. Grundlegend folgt das<br />

telefonische Expertengespräch dem gleichen<br />

Muster (1) Frage-Antwort-Spiel zu Beginn,<br />

(2) Bearbeitung der Kernthesen unter Berücksichtigung<br />

diskursiver, argumentativ-strukturierender<br />

Elemente und (3) Herbeiführung<br />

des Gesprächsendes mit der Vergewisserung<br />

des Interesses an weiterer Kontaktpflege und<br />

Austausch über die Ergebnisse.<br />

Die starke, durch CATI vorgegebene Strukturierung<br />

des Gesprächsverlaufes entspricht<br />

jedoch nicht dem mehr oder weniger stark<br />

strukturierenden Leitfaden des Face-to-Face-<br />

Experteninterviews (vgl. Kanwischer 2002, S.<br />

98). D.h., insbesondere die diskursive Ebene<br />

spielt in der Anlage des Telefoninterviews


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

eine geringere Rolle. Das bedeutet auch eine<br />

Einschränkung der explorativen Erkenntnisgewinnerwartung<br />

zugunsten stärker vergleichbarer<br />

und damit belastbarerer Daten.<br />

Ein weiterer Unterschied besteht in der<br />

Anzahl und Dauer der „Höhepunkte“ des<br />

Gespräches. Die Zahl der Kernthesen, die<br />

behandelt werden können, mag aufrechtzuerhalten<br />

sein. Die standardisierte oder die durch<br />

die automatisierte Filterführung für bestimmte<br />

Betriebs- und Expertentypen immer gleich<br />

modifizierte Abfrage von Daten, Erfahrungen,<br />

Handlungsweisen erlaubt jedoch keine spezifisch<br />

angepasste Kommunikationsstrategie, um<br />

wie in leitfadengestützten Interviews Seitenpfaden,<br />

Hinweisen auf besondere Vorkommnisse<br />

im Betriebsalltag o.ä. nachzugehen. Auf<br />

diese Weise sinken natürlich Zahl und Dauer<br />

der Gesprächshöhepunkte entsprechend der<br />

Verkürzung des Zeitrahmens gegenüber herkömmlichen<br />

Face-to-Face-Interviews. Ein<br />

entsprechend geschultes Interviewerpersonal<br />

und ein vorab dafür berücksichtigter Zeitraum<br />

im Fragenverlauf können diese Schwäche etwas<br />

kompensieren.<br />

Eine wichtige Einflussgröße für die erfolgreiche<br />

Durchführung klassischer Experteninterviews<br />

können unterschiedliche Typen von<br />

Interviewpartnern darstellen. Das Spektrum<br />

reicht dabei von Störgrößen wie „Selbstinszenierung<br />

mit kathartischen Effekten“ (Trinczek<br />

1995, S. 64), einem „Nicht-Zulassen-Können<br />

an diskursiver Kommunikation“ (Kern/Kern/<br />

Schumann 1988, S. 93) und der „Verdrängung<br />

anderer berechtigter Weltsichten“ (ebd., S. 94)<br />

bis hin zu begünstigendem Interviewverhalten,<br />

das die komplementäre Expertensicht des<br />

Sozialwissenschaftlers ernsthaft in der Diskussion<br />

zu berücksichtigen bereit ist: „Manager<br />

sind offensichtlich impliziten Diskursnormen<br />

verpflichtet. Inhaltlich begründete Interviewinterventionen<br />

werden nicht primär als lästige<br />

Störungen im Prozess der Selbstinszenierung<br />

empfunden; es scheint mitunter eher so zu sein,<br />

dass die Befragten nachgerade auf Gegenargumente<br />

warten, um diese mit ihren Argumenten<br />

dann umso effektvoller als inadäquat,<br />

weltfremd oder betriebsblind zurückweisen zu<br />

können.“ (Trinczek 1995, S. 64)<br />

Dagegen konnten wir in der telefonischen<br />

Expertenbefragung die Erfahrung machen,<br />

dass diese Unterschiede zwischen den verschiedenen<br />

Interviewverhaltensmustern nivelliert<br />

wurden. Der disziplinierende Charakter des<br />

Kommunikationsmediums Telefon – Erfahrungen<br />

mit Frage-Antwort-Routinen am Telefon<br />

hat jeder der befragten Manager – und die<br />

Beschränkung auf Hören und Sprechen sorgen<br />

für die Minderung dieser Störgröße. Natürlich<br />

kommt es auch vor, dass ein Gesprächspartner<br />

partout nicht mehr an die vorgegebene<br />

Fragestruktur zurückzuführen ist – aber diese<br />

Art von Ausschweifungen und Bevorzugung<br />

diskursiver oder gar konfrontativer Gesprächsformen<br />

sind außerordentlich selten.<br />

Trotz dieser Einschränkungen hinsichtlich<br />

der Diskursivität gegenüber der ursprünglichen<br />

Intentionen dieses Verfahrens halten wir daran<br />

fest: Experteninterviews per Telefon<br />

sind ein geeignetes Instrument, wenn<br />

bestimmte Voraussetzungen erfüllt<br />

Seite 73<br />

sind (siehe Abschnitt 3), und wenn<br />

die Zielstellung auf eine mittlere<br />

Fallzahl und hohe Vergleichbarkeit, also weniger<br />

auf Exploration ausgerichtet sind. Denn:<br />

Das Instrument ist den Ansprüchen des For-


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

schungsgegenstandes angemessen, diszipliniert<br />

Interviewer und Interviewte, was sowohl den<br />

Kommunikationserwartungen der Probanden<br />

entgegenkommt als auch einen stark vorstrukturierten<br />

Output hervorbringt, es stellt nicht<br />

den Expertenstatus des Gesprächspartners<br />

infrage und ändert nichts am grundlegenden<br />

Charakter eines „handlungsentlastenden intellektuellen<br />

Austauschs“ (Trinczek 1995, S. 64)<br />

des Expertengespräches.<br />

3. ERFAHRUNGEN AUS DER PRAXIS CATI-<br />

GESTÜTZTER EXPERTENBEFRAGUNGEN<br />

3.1 Fragen- und Variablenumfang<br />

Insgesamt wurden im Rahmen unserer<br />

Forschungstätigkeiten in rund zehn Studien<br />

seit 1998 knapp 2.500 telefonische Interviews<br />

durchgeführt, darunter waren etwa 400 Wiederholbefragungen.<br />

Der Fragenumfang kann<br />

dabei sehr stark schwanken, im Durchschnitt<br />

arbeiten wir mit einer Fragenanzahl zwischen<br />

60 und 70. Diese Zahl kann zwischen dem<br />

doppelten und dem halben Umfang variieren.<br />

Für eine Bewertung des Aufwands einer<br />

Befragung ist darüber hinaus die Zahl der<br />

Variablen eine relevante Größe. Die aufwändigste<br />

Erhebung beinhaltete 430 Variablen,<br />

in der kleinsten Erhebung arbeiteten wir mit<br />

60 Variablen. Fragefilter spielen bei<br />

unserem Befragungstyp eine untergeordnete<br />

Rolle, d.h. ein Großteil<br />

Seite 74 der Fragen/Variablen kommt für die<br />

meisten Befragten tatsächlich zur<br />

Anwendung. Neben dem Fragen- und<br />

Antwortaufwand, der eine große Variablenzahl<br />

erzeugt, kalkulieren wir bei der Fragebogenentwicklung<br />

zunehmend auch den Auswertungsaufwand.<br />

Mitunter wird deshalb einer<br />

aggregierten Einschätzungsfrage der Vorzug<br />

gegeben vor einer Reihe von Einzelfragen, die<br />

den zu untersuchenden Aspekt gründlicher<br />

und in allen Einzelheiten erfassen könnten.<br />

Kurze Projektlaufzeiten können bei einem<br />

überbordenden, zu anspruchsvollen Instrument<br />

dazu führen, dass ein Teil der Variablen<br />

nie ausgewertet wird. Der Blick auf das zu<br />

erwartende Ergebnis und die Abschätzung des<br />

zu leistenden Aufwandes hilft das Instrument<br />

schlank zu halten.<br />

Für eine Befragung zur Erfassung der<br />

Tarifgestaltung in ostdeutschen Unternehmen<br />

der Metall- und Elektrounternehmen, die wir<br />

bei der Durchführung 2002 unterstützten,<br />

wurde ein Fragebogendesign entwickelt, das<br />

mit knapp 1.000 Variablen arbeitete (vgl.<br />

Hinke/Röbenack/Schmidt 2002). Aufgrund<br />

der Filterführung kamen im Durchschnitt 30%<br />

der Variablen pro Unternehmensfall zum Einsatz.<br />

Etwa 12% der Variablen liefen über alle<br />

Unternehmensfälle, der Rest blieb spezifischen<br />

Gruppen von Unternehmen vorbehalten, die<br />

in einem aufwändigen Verfahren ausgefiltert<br />

wurden. Die Gespräche dauerten entsprechend<br />

lange und waren in der Gestaltung zum Teil<br />

schwer zu führen, weil die Fragebogenstruktur<br />

kaum Spielraum für die Unwägbarkeiten einer<br />

Gesprächssituation zuließ.<br />

Eine der entscheidenden Vorteile von<br />

CATI, die antwortabhängige Navigation durch<br />

den Fragebogen, kann zu einem Handicap<br />

werden, wenn die Antwortvorgaben zu stark<br />

einschränken und zu eng an einer Fallspezifik<br />

orientiert sind. Die empirische Realität, wie<br />

sie in der Beschreibung der Unternehmenssituation<br />

und der persönlichen Vorlieben für


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

eine Gesprächsführung bei den Experten zum<br />

Ausdruck kommt, beugt sich nur ungern einer<br />

‚Fragebogendiktatur’ von Sozialwissenschaftlern.<br />

3.2 Quantitativer vs. qualitativer Ansatz? Mix<br />

aus geschlossenen und offenen Fragen!<br />

In unseren Studien werden überwiegend betriebliche<br />

Experten befragt, darunter vor allem<br />

Geschäftsführer und Werksleiter sowie Personalleiter,<br />

kaufmännische Leiter, Abteilungsleiter<br />

Öffentlichkeitsarbeit, Ausbildungsleiter,<br />

Betriebsräte und andere aus den verschiedenen<br />

Bereichen der Geschäftsführung bzw. der<br />

Leitungsebene von Unternehmen. Wenn nicht<br />

Unternehmen im Interesse stehen, sondern<br />

Forschungs- und Bildungseinrichtungen oder<br />

Organisationen (z.B. aus dem öffentlichen<br />

Bereich), werden Träger entsprechender Leitungsfunktionen<br />

angesprochen.<br />

Die Eingrenzung unseres Untersuchungsgegenstandes<br />

‚Betrieb’ erfolgt meist entlang eines<br />

regionalen Branchenzuschnitts. Ein typisches<br />

empirisches Design sieht nach sondierenden<br />

Expertengesprächen in der zu untersuchenden<br />

Region und Branche – auf diese explorativen<br />

oder iterativen Face-to-Face-Gespräche kann<br />

in der Phase der Instrumententwicklung meistens<br />

nicht verzichtet werden – eine Reihe von<br />

Telefoninterviews vor. Die zu behandelnden<br />

Fragestellungen – Themen sind z.B.: der betriebliche<br />

Zugriff auf Arbeitsmärkte, Aus- und<br />

Weiterbildungsengagement von Unternehmen,<br />

Kooperationsentwicklung und Einbindung in<br />

Innovationsnetzwerke – lassen kein hochstandardisiertes<br />

Instrument zu. Sowohl Themenstellung<br />

als auch die zu befragende Gruppe<br />

erfordern ein Instrument, das sowohl Zahlen<br />

(Beschäftigte, Umsatz o.ä.), Fakten (Ausbildungsberufe,<br />

Produktprofil, o.ä.), Einschätzungen<br />

(z.B. die Versorgungssituation mit Ingenieuren<br />

auf dem Arbeitsmarkt) systematisch<br />

und vergleichbar erfasst, als auch offene Fragen<br />

und damit ein eher am Leitfaden orientiertes<br />

Gespräch zulässt. Die einschlägige Literatur<br />

über das CATI-Instrument hinterlässt den<br />

Eindruck, dass es für diese hohen Qualitätsund<br />

Flexibilitätsanforderungen nicht geeignet<br />

sei. 12 Entgegen dieser Intention haben wir gute<br />

Erfahrungen gesammelt mit dem Einsatz<br />

eines Fragebogens, der sowohl offene als auch<br />

geschlossene Fragen zulässt – das Verhältnis<br />

beträgt in der Regel etwa 1:2. Drei Gründe<br />

sprechen für die systematische Berücksichtigung<br />

von offenen Fragen:<br />

1. Offene Fragen lockern eine streng am<br />

Fragebogen geführte Interviewatmosphäre erheblich<br />

auf. Sie vermitteln dem Interviewpartner<br />

das Gefühl, an einem Gespräch teilzunehmen<br />

und erlauben Einschätzungen in eigenen<br />

Worten (ohne die üblichen Antwortvorgaben).<br />

Zum Teil gestalten wir die Fragen so, dass<br />

wir offen fragen und dann eine vorbereitete<br />

passende Antwortkategorie anbieten und<br />

vom Gesprächspartner bestätigen lassen: „Sie<br />

stimmen also dieser Aussage … eher zu/eher<br />

nicht zu?“. Außerdem lässt sich auf diese Weise<br />

eine Temposteuerung des Gespräches<br />

erreichen. Der Gesprächspartner<br />

braucht das Gefühl, dass er Teile des<br />

Seite 75<br />

Interviews schnell absolviert, aber<br />

auch die Gelegenheit hat, sich für<br />

wichtige Fragen Zeit nehmen zu können. Der<br />

Interviewer kann diese Dynamik durch offene<br />

und geschlossene Fragen vermitteln – Ant-


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

wortvorgaben beschleunigen das Gespräch,<br />

offene Fragen nehmen das Tempo heraus.<br />

2. Neben der Wahrnehmung eines ‚echten‘<br />

Gespräches, das auf diese Weise entsteht, wird<br />

dem Experten durch offene Fragen Raum<br />

eingeräumt, seine Einschätzung ungefiltert<br />

mitzuteilen, anstatt ihn in eine starre Abfrageroutine<br />

einzuschließen. Diese Fragen bieten<br />

darüber hinaus die Möglichkeit, vom Thema<br />

abzuschweifen – bei sorgfältiger Dokumentation<br />

bieten diese ‚Nebenantworten’ wertvolle<br />

Hinweise für eine hochwertige Diskussion<br />

bei der Auswertung der empirischen Befunde<br />

und eine Weiterentwicklung der Fragestellung.<br />

Auch ein Verschlagwortungsverfahren (z.B.<br />

mit Hilfe des Auswertungsprogrammes MA-<br />

XQDA) bietet sich dafür an. Dieser Fragetyp<br />

stärkt somit den Expertenstatus des Befragten,<br />

indem es tatsächlich die Mitteilung von Expertenwissen<br />

zulässt.<br />

3. Michael Bayer (2002, S. 15) weist darauf<br />

hin, dass die Vorgabe von Antworten durch<br />

die telefonische Präsentation stark begrenzt<br />

wird. Dieses Defizit des Instruments könne<br />

man ausgleichen durch eine Einschränkung<br />

und randomisierte Vorgabe der Antwortmöglichkeiten<br />

(bei kleineren, für unser Design<br />

typischen Fallzahlen unter 300 problematisch)<br />

oder durch offene Fragen. Für Experteninterviews<br />

des hier vorgestellten Typs<br />

eignet sich vor allem letztere Variante.<br />

Seite 76 Schließlich bieten neuere CATI-<br />

Versionen die Möglichkeit, jede Frage<br />

bzw. Antwort zusätzlich mit einem<br />

Kommentar zu versehen. Diese Option ist<br />

fast genau so wertvoll wie die offenen Fragen<br />

selbst, denn häufig erzeugen geschlossene<br />

Fragen zusätzlichen Erklärungsbedarf auf<br />

Seiten der Befragten. Diese Abweichung vom<br />

vorgegebenen Frage-Antwort-Spiel stellt eigentlich<br />

eine Störung im Interviewverlauf dar.<br />

Die Interviewer werden entsprechend geschult,<br />

dass die zusätzlich gewonnenen Informationen<br />

protokolliert werden und die Gesprächspartner<br />

den vorgesehenen Leitfaden wieder aufnehmen.<br />

In Ausnahmefällen kommt es zu gravierenden<br />

Abweichungen. In diesem Fall kann<br />

das Klammern an die vorgegebene Fragedramaturgie<br />

den Gesprächspartner verärgern,<br />

wenn nicht sogar zu einem Interviewabbruch<br />

veranlassen. Auch hier ist ein geschickter<br />

Interviewer gefragt, der in der Lage ist, das<br />

Frageset ohne die vorgegebene Reihenfolge abzuarbeiten.<br />

Voraussetzung dafür ist als ‚Sicherheitsleine’<br />

die Vorlage einer Papierversion des<br />

Fragebogens. Mit dieser Hilfe kann zwischen<br />

verschiedenen Fragen hin- und hergesprungen<br />

werden, was die herkömmlichen CATI-Programme<br />

nur umständlich erlauben, ohne dass<br />

der Gesprächspartner große Störungen im<br />

Gesprächsverlauf bemerkt.<br />

3.3 Zeitlicher Umfang – Anforderungen an<br />

eine schnelle und effektive Durchführung<br />

Eine solche Fragebogengestaltung, die<br />

nicht ausschließlich starre Antwortvorgaben<br />

anbieten und die den Unwägbarkeiten eines<br />

Interviews Platz einräumen, führt natürlich<br />

insgesamt zu längeren Gesprächen. 20 bis 30<br />

Minuten sind für einen Fragebogen mit 200 bis<br />

300 Variablen (mit selten und kurz gesetzten<br />

Filtern) Standard. In einer Reihe von Erhebungen<br />

lag die mittlere Interviewdauer auch<br />

schon bei 45 Minuten.


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

Man hat aber geringe Akzeptanzprobleme,<br />

wenn die Gesprächspartner dadurch tatsächlich<br />

den Eindruck bekommen, als Experten<br />

und nicht ausschließlich als Datenlieferanten<br />

befragt worden zu sein. Einige Geschäftsführer,<br />

begreifen eine telefonische Befragung als<br />

Gelegenheit, über langfristige Strategien und<br />

regionale, branchenbezogene oder gesellschaftliche<br />

Entwicklungen nachzudenken, die Ihnen<br />

im Alltagsgeschäft selten eingeräumt wird.<br />

Der insgesamt zu kalkulierende Zeitaufwand<br />

bei einem solchen Befragungstyp mit<br />

etwa 300 Fällen liegt bei etwa einem Monat.<br />

Eine derart schnelle Laufzeit lässt sich aber<br />

nur realisieren, wenn bestimmte Bedingungen<br />

erfüllt sind. Einige dieser, im folgenden aufgelisteten<br />

Faktoren können als Optimierungskriterien<br />

für CATI-Befragungen von Experten<br />

im Rahmen der skizzierten Forschungs- und<br />

Fragedesigns gelesen werden. 13<br />

- Die Verfügbarkeit über einen Interviewerstamm<br />

von etwa fünf bis sechs erfahrenen<br />

Studenten und Mitarbeitern, die die Fragestellung<br />

kennen und den Gesprächstyp kommunikativ<br />

gut beherrschen, ist ein wichtiger<br />

Erfolgsfaktor. Eine solche Gruppe muss systematisch<br />

aufgebaut und gepflegt werden. Die<br />

Interviewer müssen zudem in der Lage sein, sich<br />

intern schnell und effektiv abzustimmen, z.B.<br />

um vereinbarte Interviewtermine bei Terminhäufung<br />

mit den notwendigen, fallspezifischen<br />

Hintergrundinformationen weiterzugeben. Als<br />

erfolgreiche Instrumente zur Sicherstellung<br />

dieses Interviewerstammes haben sich nicht<br />

nur ausführliche Vorbesprechungen, Fragebogenschulungen<br />

und CATI-Trainings erwiesen,<br />

sondern auch eine erste Diskussionsrunde mit<br />

allen Interviewern (Interviewerworkshop) direkt<br />

nach dem Abschluss der Erhebungsarbeiten.<br />

In diesem Gespräch werten die Interviewer<br />

als Experten die Erhebung aus, angeleitet und<br />

moderiert vom Untersuchungsleiter. Auf diese<br />

Weise lässt sich schnell ein erster Eindruck<br />

verdichten, durch die anderen Interviewer<br />

gibt es Zustimmung oder wird die Meinung<br />

differenziert, bis hin zur Neuformulierung von<br />

Thesen. Für die anstehenden Auswertungen<br />

erhält man auf diese Weise wertvolle Hinweise,<br />

welche Suchstrategien für statistische Zusammenhänge<br />

neben den im Forschungsantrag<br />

gestellten Ausgangsthesen man noch verfolgen<br />

könnte. Schließlich erfahren die Interviewer die<br />

Wertschätzung und unmittelbare Einbindung<br />

in den Forschungsprozess, wenn die Analysen<br />

abgeschlossen sind und der Forschungsbericht<br />

verfasst wurde – nicht zuletzt durch eine Einladung<br />

zu einem Abschlussessen, bei dem neben<br />

der Darstellung der Projekte die persönliche<br />

Kommunikation nicht zu kurz kommt.<br />

- Eine Mindestausstattung zur Erreichung der<br />

angegebenen Fallzahl in diesem kurzen Zeitraum<br />

erfordert mindestens zwei, besser drei<br />

CATI-Arbeitsplätze, die werktags durchgehend<br />

zwischen 7 und 19 Uhr zu besetzen sind.<br />

Die Erreichbarkeit der Experten ist häufig<br />

stark eingeschränkt, so dass die Hinweise der<br />

Sekretärinnen oder der anderen Mitarbeiter,<br />

wann der Gesprächspartner in den nächsten<br />

Stunden oder Tagen wieder zu erreichen ist,<br />

sehr ernst genommen werden sollten.<br />

Diese Zeitvorgaben lassen sich nur<br />

mit einer entsprechenden CATI-Besetzung<br />

realisieren.<br />

- Eine Zielvorgabe von 300 zu realisierenden<br />

Interviews lässt sich gut erreichen bei der<br />

Verfügbarkeit einer entsprechend hohen Zahl<br />

Seite 77


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

von verfügbaren Kontakten und bei einer im<br />

Vorhinein bereits sichergestellten hohen Teilnahmebereitschaft<br />

der Befragungskandidaten.<br />

Je höher die Zahl der verfügbaren Kontakte,<br />

desto weniger ist man auf eine hohe Teilnahmebereitschaft<br />

angewiesen – eine typische<br />

Ausgangskonstellation bei Haushaltsbefragungen.<br />

Je höher die Teilnahmebereitschaft,<br />

die durch bestimmte Strategien in gewissem<br />

Maße beeinflusst werden kann, desto kleiner<br />

kann die verfügbare Zahl von Kontakten sein.<br />

Oder anders ausgedrückt: Wenn man nur über<br />

eine kleine Grundgesamtheit verfügt, sollte<br />

man jeden Kontakt sehr sorgfältig behandeln,<br />

um eine hohe Teilnahmequote zu erreichen.<br />

Mit dieser Konstellation haben wir es eher<br />

bei einer durch Region und Branche eingegrenzten<br />

Grundgesamtheit zu tun. So kann<br />

z.B. die Einbindung von Unternehmen in<br />

ein Netzwerk von Vorteil sein, wenn die Geschäftsführung<br />

des Netzwerkes die Erhebung<br />

unterstützt und seine Mitglieder dazu auffordert,<br />

möglichst zahlreich daran teilzunehmen.<br />

Auf diese Weise reichen auch weniger als 400<br />

verfügbare Unternehmenskontakte, um 300<br />

Fälle zu erzielen. Voraussetzung dafür ist jedoch<br />

eine sorgfältige Sondierung und Anwerbung<br />

von Unterstützungsleistung durch die<br />

unmittelbaren Organisationsumwelten, denen<br />

die Unternehmensvertreter vertrauen. Auch<br />

eine gehaltvolle Feldpflege nach Abschluss<br />

der Studie („Bericht an die Betriebe“,<br />

Präsentation der Forschungsergebnisse,<br />

u.a.) sorgt für eine Erhöhung der<br />

Seite 78 Ausschöpfungsquote. Im Bereich der<br />

Optischen Technologien begleiten<br />

wir Unternehmensnetzwerke mit<br />

Mitgliederbefragungen seit mehreren Jahren<br />

und erreichen unter diesen Bedingungen Ausschöpfungsquoten<br />

zwischen 60% und 80%,<br />

vereinzelt sogar bis zu 100%. 14<br />

4. FAZIT<br />

Das telefonische Experteninterview scheint<br />

ein sehr geeignetes Instrument zu sein, um in<br />

verhältnismäßig kurzer Zeit Daten mit hoher<br />

Qualität und Statements mit ergiebigen Deutungs-<br />

und Interpretationsmöglichkeiten zu<br />

gewinnen. In Feldern mit Grundgesamtheiten<br />

zwischen 100 und 1.000 Fällen ist es das Mittel<br />

der Wahl, weil in dieser Größenordnung nur<br />

Ausschöpfungsquoten von 40% und mehr eine<br />

zufrieden stellende Datenbasis generieren, die<br />

am Ende auch belastbare Aussagen mit Blick<br />

auf die Grundgesamtheit ermöglichen.<br />

Bei Interviews zwischen 20 und 60 Minuten<br />

und aussagekräftigen qualitativen Statements<br />

der Befragten vereint es Vorteile des<br />

klassischen, eher qualitativ orientierten Faceto-Face-Experteninterviews<br />

mit Verfahren<br />

der Generierung von Massendaten. Eine Ausschöpfungsquote<br />

von bis zu 100% – meistens<br />

werden 50% bis 60% erreicht – erfordert auf<br />

allen Ebenen der Vorbereitung, Gesprächsakquisition<br />

und Durchführung eine sehr hohe<br />

Qualität. Wichtig sind ein vorbereitendes<br />

Schreiben und eine Gesprächsanbahnung, bei<br />

der der Interviewer nicht mit der Tür ins Haus<br />

fällt. Meistens lassen sich die Geschäftsführer<br />

auf einen späteren Termin ein, den sie dann<br />

– wie in ihrem Arbeitsalltag auch – fest einplanen<br />

(Terminkalender).<br />

Von großer Bedeutung für die Stimulierung<br />

der Teilnahmebereitschaft ist es, den Interviewpartner<br />

über ein Thema anzusprechen,<br />

mit dem er sich identifiziert und über das er


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

sich als Experte profilieren kann. Der Schlüssel<br />

dazu ist ein ausgewogener Mix aus offenen und<br />

geschlossenen Fragen. Zugehörigkeit zu einer<br />

Branche, einem Netzwerk oder einer Region<br />

erhöhen die Teilnahmebereitschaft, wenn<br />

dem Interviewpartner klar gemacht werden<br />

kann, dass eine Teilnahmeverweigerung seiner<br />

Person zu Qualitätseinbußen bei den späteren<br />

Untersuchungsergebnissen führen würde.<br />

Insgesamt muss die hohe Bedeutung von<br />

Reziprozität unterstrichen werden: Ergebnisse<br />

werden zugeschickt, der Gesprächspartner wird<br />

zum Abschlussworkshop eingeladen.<br />

Von eminenter Bedeutung sind Qualifikation<br />

und Motivation der Interviewer. Telefonische<br />

Interviews mit CATI sind kein Instrument<br />

zur Dequalifizierung des Interviewerpersonals,<br />

sondern stellen besonders hohe Ansprüche.<br />

Dies gilt nicht nur für wichtige Schlüsselqualifikationen,<br />

die auch in Call-Centern von<br />

Bedeutung sind, wie Freundlichkeit, deutliche<br />

Aussprache, Frustrationstoleranz und Geduld.<br />

Die Interviewer müssen im Rahmen der<br />

Schulung intensiv mit der Fragestellung und<br />

dem Erkenntnisinteresse der Studie vertraut<br />

gemacht werden.<br />

Der Interviewermotivation dienen regelmäßige<br />

Feedbacks, in denen die Interviewer<br />

ihre Erfahrungen rückkoppeln und erkennbar<br />

daraus Konsequenzen gezogen werden, die auf<br />

eine Feinjustierung des Erhebungsinstruments<br />

hinauslaufen. Von großem Vorteil ist es, die Interviewer<br />

regelmäßig nach ihren Eindrücken zu<br />

fragen. Diese summarischen ersten Eindrücke<br />

können zum Teil erheblich bei der Interpretation<br />

der Daten helfen. Ein Interviewerworkshop<br />

sollte zum Abschluss der Erhebungsphase ein<br />

wichtiges Element im Methodendesign sein.<br />

Will man die Entwicklung von regionalen<br />

Arbeitsmärkten, Branchen und Wirtschaftsstandorten<br />

über einen längeren Zeitraum<br />

beobachten, ist man angesichts der relativ<br />

kleinen Grundgesamtheit an Unternehmen<br />

– gerade in den neuen Ländern – auf eine<br />

enorme Feldpflege angewiesen. Bisher haben<br />

wir die Erfahrung gemacht, dass bei Wiederholbefragungen<br />

offenkundig ein Hinweis<br />

auf die richtige Strategieentscheidung höhere<br />

Ausschöpfungsquoten erreicht werden konnten,<br />

als bei der ursprünglichen Akquisition.<br />

Die Sicherung der Qualitätsstandards auf<br />

allen Ebenen des Erhebungsprozesses ist dabei<br />

großer Bedeutung wie die Motivation des einbezogenen<br />

Personals.<br />

Seite 79


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

FUSSNOTEN<br />

1990), der Kosten, der Stichprobengröße, der Ablaufsteuerung,<br />

der Datengenauigkeit sowie des Interviewereinflusses (vgl. Porst<br />

1998).<br />

1<br />

Eine gründliche theoretische und methodische Fundierung des<br />

Instruments ‚Experteninterview’ wird in mehreren Beiträgen<br />

des von Bogner/Littig/Menz (2002) herausgegebenen Sammelbandes<br />

vorgenommen.<br />

7<br />

Allein angesichts dieser ökonomisch ungünstigen Ausgangslage<br />

erstaunt die hohe Teilnahmebereitschaft der wirtschaftlichen<br />

Subeliten.<br />

Seite 80<br />

2<br />

Gerald Prein (2002) weist zu recht auf die rückschrittliche<br />

und völlig überflüssig aufrechterhaltene Methodenkonkurrenz<br />

zwischen „Qualis“ und „Quantis“ hin, wenn er dabei sogar ganz<br />

bewusst Literatur aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts<br />

zitiert, die den notwendig komplementären Charakter beider<br />

Forschungsmethoden herausstellt und eine enge Interaktion als<br />

fruchtbringend empfiehlt.<br />

3<br />

Vgl. Lutz/Grünert/Steiner (Hg.) 2000; vgl. Lutz/Gründert/<br />

Steiner (Hg.) 2004; vgl. Behr 2000; vgl. Behr/Engel 2001; vgl.<br />

Behr 2004.<br />

4<br />

Ein Teil der Untersuchungen fand am Institut für Soziologie<br />

der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong> statt, ein Teil am Institut<br />

für praxisorientierte Sozialforschung und Beratung (IPRAS<br />

e.V. <strong>Jena</strong>) jeweils unter der Leitung von Michael Behr und<br />

unterstützt von Rudi Schmidt.<br />

5<br />

An der ständigen Diskussion über den Einsatz von CATI für<br />

Expertenbefragungen, insbesondere von Managern, sind seit<br />

Jahren Thomas Ritter, Tina Seiwert und Christoph Thieme<br />

beteiligt. Ihnen verdanken wir zahlreiche Anregungen für<br />

Optimierungen des Instruments und Thesen, die auch in diesen<br />

Text eingeflossen sind.<br />

6<br />

Folgt man dem Vergleich von Frey/Kunz/Lüschen (1990) lassen<br />

sich alle großen Faktorvorteile der Face-to-Face-Befragung<br />

auf die telefonische Umfragetechnik übertragen. Ausnahmen sind<br />

das „Stellen komplexer Fragen“ und die „Benutzung<br />

visueller Hilfen“, letzteres lässt sich tatsächlich nicht<br />

für CATI verwenden. Allerdings sind die Möglichkeiten<br />

der Fragenkomplexität noch nicht ausreichend<br />

getestet und werden deshalb unentschieden bewertet<br />

(vgl. Porst 1998). Intention des hier vorgelegten Textes<br />

ist es auch, die Unterschätzung des Instruments<br />

in dieser Hinsicht abzubauen. Darüber hinaus bietet CATI<br />

eine Reihe von Vorteilen, über die Face-to-Face nicht oder nur<br />

eingeschränkt verfügen kann: z.B. hinsichtlich der Durchführungszeit,<br />

der Interviewer-Kontrolle (vgl. Frey/Kunz/Lüschen<br />

8<br />

Pfadenhauer (2002) spricht vom Interviewer als „Quasi-Experten“,<br />

um ihn vom Interviewpartner als Experten deutlicher<br />

abzugrenzen und die Notwendigkeit hoher Qualität bei der<br />

Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Gespräches<br />

zu begründen. Soweit in Ordnung, aber diese Rollendiskrepanz<br />

allein ist keine ausreichende Begründung für eine behauptete<br />

strukturelle Schwäche des Instruments, systematisch Daten<br />

gewinnen zu können (ebd., S. 128). Gerade die telefonische<br />

Variante des Expertengespräches macht es möglich, dieses Defizit<br />

auszugleichen.<br />

9<br />

Hier ist von Face-to-Face-Interviews die Rede. Wir haben<br />

nicht selten telefonische Experteninterviews mit einer Länge von<br />

1 bis 1½ Stunden geführt.<br />

10<br />

in der Diskussion auf dem <strong>SFB</strong>-<strong>580</strong>-Methodenworkshop<br />

„Zur Leistungsfähigkeit telefonischer Befragungen“ (vgl. Sahner<br />

(Hg.) 2002, S. 33)<br />

11<br />

Trotzdem lohnt sich das Angebot eines mittelbaren Nutzeneffekts<br />

bei telefonischen Expertenerhebungen: Unser an die<br />

Studienteilnehmer versendeter „Bericht an die Betriebe“ wird<br />

von vielen der Befragten aktiv zur Kenntnis genommen. In<br />

einigen Fällen hatten unsere Analysen sogar Einfluss auf Entscheidungsgrundlagen<br />

von Managementhandeln (z.B. bei der<br />

Entscheidung, Ausbildungsaktivitäten zu verstärken, weil die<br />

betrieblichen Altersstrukturen in einer Branche zu künftigen<br />

Knappheitskonstellationen spezifischer Qualifikationen auf dem<br />

Arbeitsmarkt führen können). Ein auf diese Weise gepflegtes Feld<br />

lässt sich leichter für Paneluntersuchungen gewinnen, wie wir in<br />

der wiederholten Befragung von Unternehmensvertretern der<br />

Optischen Industrie Thüringens erfahren konnten. Die Ausschöpfungsquoten<br />

konnten gesteigert werden, in einigen Fällen<br />

haben wir bereits das vierte Telefoninterview geführt.<br />

12<br />

Diesen schlechten Ruf hatte sich das Telefoninterview bereits<br />

1936 durch eine falsche Prognose der amerikanischen Präsidentschaftswahl<br />

eingehandelt (vgl. Frey/Kunz/Lüschen 1990, S.


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

24). Später festigte sich das Vorurteil durch die ‚quick and dirty’<br />

arbeitende Konsumentenforschung (vgl. Haase 2003, S. 10).<br />

Inzwischen sind die Start- und Akzeptanzschwierigkeiten des<br />

Instruments, vor allem aufgrund verbesserter Stichprobenziehungsverfahren,<br />

behoben – mit dem Effekt, dass es als besonders<br />

geeignet für repräsentative Haushaltsbefragungen angesehen<br />

wird . Nach wie vor finden sich jedoch in der Literatur qualitative<br />

Einschränkungen, die dem Instrument zugeschrieben<br />

werden und einen Einsatz in der Expertenbefragung verbieten<br />

würden, z.B. in dem Interviewer auf ihre Rolle als Fragesteller<br />

und Dokumentar der Antworten von Befragten, die wiederum<br />

ihre Subjektivität reduziert werden: „Der Interviewer ist nicht<br />

für den Fragebogen verantwortlich: er ist nur Interviewer. Umgekehrt<br />

sollte auch dem Befragten seine Rolle bewusst sein.“ (ebd.,<br />

S. 19 – Hervorhebung im Original)<br />

und Beschäftigung in Ostdeutschland. Band 1. Berliner Debatte<br />

Wissenschaftsverlag 2000, S. 87-146<br />

Behr, M (2004): Jugendentwöhnte Unternehmen in Ostdeutschland<br />

– Eine Spätfolge des personalwirtschaftlichen Moratoriums.<br />

In: Burkart Lutz (Hg.): Bildung und Beschäftigung Band 2.<br />

Berliner Debatte Wissenschaftsverlag<br />

Behr, M. / Engel, T. (2001): Entwicklungsverläufe und Entwicklungsszenarien<br />

ostdeutscher Personalpolitik. Ursachen,<br />

Folgen und Risiken der personalpolitischen Stagnation. In:<br />

Pawlowsky, P. / Wilkens, U. (Hg.): Zehn Jahre Personalarbeit<br />

in den neuen Bundesländern. Transformation und Demographie<br />

(Arbeit, Organisation und Personal im Transformationsprozess,<br />

Band 16). München und Mering 2001: S. 255-278<br />

13<br />

Auf einige andere grundlegende Voraussetzungen – wie die<br />

gründliche Vorbereitung des Erhebungsdesigns unter Einbindung<br />

der Organisationsumwelt bzw. bestimmter Expertengruppen,<br />

das vorbereitende Anschreiben, das den potentiellen Gesprächspartnern<br />

zugeht, ein eingespieltes Team bei der Entwicklung<br />

des Fragebogens (Routinen) bis hin zur Programmierung und<br />

dem Pretest, die Aufbereitung der Kontaktdatei und evtl. notwendiger<br />

zusätzlicher Informationsmaterialien für Interviewer,<br />

Befragungskandidaten u.ä. – soll an dieser Stelle nicht vertieft<br />

eingegangen werden.<br />

Behr, M. / Engel, T. / Thieme, C. (2005): Trendreport 2005<br />

– Die Optische Industrie in Thüringen (IPRAS-Forschungsbericht).<br />

<strong>Jena</strong><br />

Bogner, A. / Menz, W. (2002): Das theoriegenerierende Experteninterview<br />

– Erkenntnisinteresse, Wissensformen, Interaktion.<br />

In: Bogner, A. / Littig, B. / Menz, W. (Hg.) (2002): Das<br />

Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. Wiesbaden:<br />

S. 33-70<br />

14<br />

Als Beispiel sei hier auf den aktuellen Trendreport „Die<br />

Optische Industrie in Thüringen“ verwiesen, für den wir mit<br />

einer Ausschöpfungsquote von 78% arbeiten konnten (vgl.<br />

Behr/Engel/Thieme 2005). 100% Ausschöpfungsquote erreichten<br />

wir im Rahmen einer Befragung von Unternehmen des<br />

Firmenverbunds Bayern Photonics als Teil einer von BMBF<br />

und VDI-Technologiezentrum 2003 in Auftrag gegebenen<br />

Evaluationsstudie zur Arbeit der Kompetenznetze für Optische<br />

Technologien in Deutschland.<br />

LITERATUR<br />

Bayer, M. (2002): Das telefonische Interview. In: Sahner, H.<br />

(Hg.) (2002): Zur Leistungsfähigkeit telefonischer Befragungen.<br />

Das Methodenprojekt des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> zwischen Methodenentwicklung<br />

und Dienstleistung (<strong>SFB</strong> <strong>580</strong>-Mitteilungen, Heft 4). <strong>Jena</strong>,<br />

Halle: S. 7-17<br />

Behr, M. (2000): Tradition und Dynamik, Beschäftigungsmuster,<br />

Rekrutierungsstrategien und Ausbildungsverhalten im Prozess<br />

der betrieblichen Konsolidierung, in: Lutz (Hg.), Bildung<br />

Bogner, A. / Littig, B. / Menz, W. (Hg.) (2002): Das Experteninterview.<br />

Theorie, Methode, Anwendung. Wiesbaden<br />

Frackmann, M. (1980): Experten-Interview. In: Arbeiten +<br />

Lernen, Heft 10-10a. Velber: S. 34f<br />

Frey, J. H. / Kunz, G. / Lüschen, G. (1990): Telefonumfragen<br />

in der Sozialforschung. Methoden, Techniken, Befragungspraxis.<br />

Opladen<br />

Haase, A. (2003): Methodologische und methodische Probleme<br />

von Telefonsurveys bei Bevölkerungsbefragungen.<br />

Realisierung, Ausschöpfung und Eigenschaften von<br />

Stichproben am Beispiel verschiedener CATI-Studien<br />

(unv. Diplomarbeit TU Chemnitz). Chemnitz<br />

Hinke, R. / Röbenack, S. / Schmidt, R. (2002):<br />

Repräsentative Erhebung über die Lohn- und Leistungsbedingungen<br />

in den Betrieben der ostdeutschen Metall- und<br />

Elektroindustrie (Kurzbericht, Institut für Soziologie an der<br />

<strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>). <strong>Jena</strong><br />

Seite 81


TELEFONISCHE EINLEITUNG EXPERTENINTERVIEWS<br />

Kanwischer, D. (2002): Experteninterviews. Stellenwert,<br />

Auswertungsmethoden und Verwendungsmöglichkeiten. In:<br />

Kanwischer, D. / Rhode-Jüchtern, T. (Hg.): Qualitative Forschungsmethoden<br />

in der Geographiedidaktik (Geographiedidaktische<br />

Forschungen, Bd.35). Nürnberg: S. 90-112<br />

Kern, B. / Kern, H. / Schumann, M. (1988): Industriesoziologie<br />

als Kartharsis. In: Soziale Welt, Jg. 39: S. 86-96<br />

Lutz, B. / Grünert, H. / Steiner, C. (Hg.) (2000): Bildung und<br />

Beschäftigung in Ostdeutschland, Band 1 (Forschungsberichte<br />

aus dem ZSH). Berlin, Halle<br />

Lutz, B. / Grünert, H. / Steiner, C. (Hg.) (2004): Jugend – Ausbildung<br />

– Arbeit. Bildung und Beschäftigung in Ostdeutschland,<br />

Band 2 (Forschungsberichte aus dem ZSH). Berlin, Halle<br />

Pfadenhauer, M. (2002): Auf gleicher Augenhöhe reden: Das<br />

Experteninterview – ein Gespräch zwischen Experten und<br />

Quasi-Experten. In: Bogner, A. / Littig, B. / Menz, W. (Hg.):<br />

Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. Wiesbaden:<br />

S. 113–130<br />

Porst, R. (1998): Im Vorfeld der Befragung. Planung, Fragebogenentwicklung,<br />

Pretesting (ZUMA-Arbeitsbericht 98/02).<br />

Mannheim<br />

Sahner, H. (Hg.) (2002): Zur Leistungsfähigkeit telefonischer<br />

Befragungen. Das Methodenprojekt des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> zwischen<br />

Methodenentwicklung und Dienstleistung (<strong>SFB</strong> <strong>580</strong>-Mitteilungen,<br />

Heft 4). <strong>Jena</strong>, Halle<br />

Seite 82<br />

Schütze, F. / Meinefeld, W. / Springer, R. / Weymann, A. (1981):<br />

Grundlagentheoretische Voraussetzungen methodisch kontrollierten<br />

Fremdverstehens. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen<br />

(Hg.): Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche<br />

Wirklichkeit. Opladen: S. 433-529<br />

Trinczek, R. (1995): Experteninterviews mit<br />

Managern, methodische und methodologische<br />

Hintergründe. In: Brinkmann, C. / Deeke, A. /<br />

Völkel, B. (Hg.): Experteninterviews in der Arbeitsmarktforschung.<br />

Diskussionsbeiträge zu methodischen Fragen<br />

und praktischen Erfahrungen (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und<br />

Berufsforschung, Nr. 191). Nürnberg: S. 59-68


<strong>SFB</strong>-KOLLOQUIUM<br />

– COMPUTER AIDED<br />

TELEPHONE INTER-<br />

VIEWING<br />

Seite 83


KOLLOQUIUMSPROTOKOLL<br />

EINLEITUNG<br />

TAGESORDNUNG<br />

Kapitel 7<br />

1. Begrüßung und kurzer Rechenschaftsbericht<br />

über das neueingerichtet CATI-<br />

Labor in <strong>Jena</strong><br />

Moderation: Thomas Ritter<br />

2. „Sprechwissenschaftliche Impulse<br />

für die Arbeit im CATI-Labor“<br />

Referent: Ralf Schünemann (Uni-Halle)<br />

Seite 84<br />

PROTOKOLL 27.04.2005<br />

<strong>SFB</strong>-KOLLOQUIUM – COMPUTER<br />

AIDED TELEPHONE INTERVIEWING<br />

Referenten - Christina Buchwald, Thomas<br />

Engel, Ina Götzelt, P. Kirch, Stefan Jahr,<br />

Bernd Martens, Nicole Meingast, Sören<br />

Petermann, Ralf Schünemann, Thomas<br />

Ritter<br />

3. „Einschätzungen zum Interview:<br />

Befunde aus dem CATI-Labor des ZSH“<br />

Referentin: Christina Buchwald (ZSH- Halle)<br />

4. Erfahrungen im Rahmen von CATI-<br />

Erhebungen während der ersten und zweiten<br />

Phase des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong>: Kurze Statements einiger<br />

internen und externen Projekte, sowie kurze<br />

Erfahrungsberichte von zwei Interviewern<br />

a. B2 – Paneluntersuchung aus 2 Wel<br />

len (Oktober 2004 – Februar 2005)<br />

Referentin: Ina Götzelt (FSU-<strong>Jena</strong>)<br />

b. Besonderheiten Elitenbefragung<br />

i. A2 Wirtschaftseliten<br />

Referent: Dr. Bernd Martens<br />

ii. B2 Politische Eliten (Abgeordne<br />

tenbefragung)<br />

Referent: Stefan Jahr<br />

c. Personenzentrierte Fragebögen am<br />

Beispiel von Netzwerken.<br />

Referent: Dr. Sören Petermann<br />

d. Arbeitsgruppe Dr. Michael Behr<br />

über die Instrumentenwechsel von<br />

Face to Face zu CATI Befragungen<br />

- Unterschiede Erfahrungen -


KOLLOQUIUMSPROTOKOLL<br />

EINLEITUNG<br />

Referent: Thomas Engel<br />

e. Interviewerstatements: Erfahrungs<br />

berichte von zwei Interviewerinnen<br />

aus Halle bzw. <strong>Jena</strong><br />

Referentinnen: P. Kirch, Nicole<br />

Meingast<br />

Das <strong>SFB</strong>-Kolloquium – CATI vom<br />

27. April 2005 wurde unter anderem<br />

zum knapp einjährigen Bestehen<br />

des CATI – Labors an der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong> abgehalten. Seit August 2004<br />

wurden hier ca. 2000 Interviews mit einer Gesamtdauer<br />

von 1200 Stunden durchgeführt.<br />

Im Mittelpunkt des Treffens standen die<br />

Erfahrungen der einzelnen Befragungen des<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> und externer Projekte im CATI<br />

– Labor.<br />

Nach der Begrüßung der Anwesenden<br />

durch Thomas Ritter begann Ralf Schünemann,<br />

Diplomand der Sprechwissenschaften<br />

an der Uni Halle, mit einem Vortrag zum Thema<br />

„Schreiben fürs Sprechen – Sprechdenken<br />

vs. Hörverstehen“. Inhalt des Vortrages waren<br />

verschiedene sprechwissenschaftliche Impulse,<br />

die den Umgang mit großen Textmengen und<br />

die sich daraus ergebenden Probleme mit langen<br />

unverständlichen Sätzen erleichtern und<br />

das Sprechdenken des Interviewers zu fördern.<br />

Die Anregungen der Sprechwissenschaften<br />

können helfen, ein Gleichgewicht zwischen<br />

dem Sprecher (Interviewer) und dem Befragten<br />

herzustellen.<br />

Lange Sätze in Teilen der Begrüßung sowie<br />

den Zwischentexten erschweren die Sprechum-<br />

setzung, da die herkömmlichen Textpassagen<br />

anfangs noch vollständig abgelesen, später aber<br />

durch die Interviewer abgewandelt werden.<br />

Ziel sollte es daher sein, kürzere Sätze bestehend<br />

aus 6 bis 13 Wörtern zu entwerfen, die<br />

an die spontane Mündlichkeit angelehnt sind<br />

und deren Passagen in Sinnschritte eingeteilt<br />

werden können, so dass eine überschaubare<br />

und sprechbare Sprachstruktur entsteht.<br />

Einen Schritt weiter geht das Stichwortkonzept.<br />

Dem Interviewer werden nach dieser<br />

Methode nur noch Stichworte präsentiert; die<br />

genaue Formulierung bleibt dem jeweiligen<br />

Sprecher überlassen. Diese Variante zwingt<br />

den Sprecher dazu, über den Inhalt des Gesagten<br />

nachzudenken und er erhält ein gewisses<br />

Maß an Flexibilität, das auch eine mögliche<br />

Rücksichtnahme auf den Befragten enthält.<br />

Ein wichtiges Ziel der Sprechwissenschaft<br />

kann somit erreicht werden: Der Interviewer<br />

muss Sprechdenken und der Hörer kann bzw.<br />

muss Hörverstehen.<br />

In Studien konnte nachgewiesen werden,<br />

dass normale Betonungen von den Befragten<br />

als störend empfunden werden. Durch die<br />

„Abtreppung“, d.h. eine gezielte Betonung,<br />

ist es möglich, den Eindruck der störenden<br />

Betonung zu mindern. Voraussetzung für das<br />

„Abtreppen“ sind grammatikalisch<br />

vollständige Sätze, also ist diese<br />

Methode nur in Begrüßungs- und<br />

Seite 85<br />

Zwischentexten denkbar. Es ist jedoch<br />

denkbar, dass die gewonnenen Daten<br />

durch eine festgelegte Betonung gegebenenfalls<br />

beeinflusst werden.


KOLLOQUIUMSPROTOKOLL<br />

EINLEITUNG<br />

In einem kleinen Exkurs wurde die These<br />

aufgestellt, dass während der Begrüßung<br />

eines Interviews der Name des Interviewers<br />

eine entscheidende, verbindliche Information<br />

ist, was im Folgenden ausführlich diskutiert<br />

wurde. Zusammenfassend kann behauptet<br />

werden, dass dieser Punkt je nach Klientel<br />

der Befragung abweichend behandelt werden<br />

kann. In bestimmten Elitenbefragungen ist die<br />

befragende Institution wichtiger als der Name<br />

des Interviewers, bei anderen Befragungen<br />

ist ein Zusammenspiel zwischen Name und<br />

Institution besser.<br />

Im Anschluss an den Vortrag wurden verschiedene<br />

Probleme angesprochen.<br />

So wurde erwähnt, dass die Begrüßungsund<br />

Zwischentexte nur einen sehr geringen<br />

Teil (ca. 5%) eines Fragebogens ausmachen,<br />

obwohl gerade die Begrüßungstexte entscheidend<br />

für Erfolg der Befragung sein können.<br />

Gerade dieser „Türöffner“ sollte mittels<br />

sprechwissenschaftlicher Methoden besser<br />

formuliert werden können.<br />

In einem Projekt des <strong>SFB</strong> wurden die<br />

erwähnten Probleme der freien Interpretation<br />

der gestellten Texte durch den Interviewer<br />

bestätigt. Dabei kam es zu Schwierigkeiten bei<br />

der Interpretation der gewonnenen Daten.<br />

Im zweiten Vortrag stellte Christina<br />

Buchwald vom ZSH-Halle<br />

Seite 86 Befunde aus den Befragungen zu<br />

den Einschätzungen des Interviews<br />

vor. Grundlage für die Auswertung<br />

waren 5 verschiedene Befragungen. Die Befragten<br />

und Interviewer wurden am Ende zur<br />

Wichtigkeit der Befragung, der empfundenen<br />

Belastung sowie der Verständlichkeit der Fragen<br />

bzw. zu Schwierigkeiten der Beantwortung<br />

untersucht.<br />

Zusammenfassend konnte festgestellt werden,<br />

dass der überwiegende Teil der Befragten<br />

die Untersuchungen als wichtig empfunden haben.<br />

Auch waren die Befragten nicht durch die<br />

Interviews belastet, d.h. sie empfanden überhaupt<br />

keine Anstrengung. Ebenso empfanden<br />

sie die Fragen als verständlich formuliert.<br />

Ein ähnliches Bild ergab die Auswertung<br />

des Fragebogens der Interviewer. Der überwiegende<br />

Teil der Interviewer empfand die<br />

Befragungen als sehr bis eher interessant. Die<br />

Interviewer gaben an, dass sie das Gefühl hatten,<br />

dass die Befragten kaum Schwierigkeiten<br />

hatten, auf die Fragen zu antworten. In einigen<br />

Fällen sei es aber zu Sprach- und Verständlichkeitsproblemen<br />

gekommen ist. Die große Erfahrung<br />

der Interviewer, das Interesse an den<br />

Themen und die angegebene geringe Belastung<br />

seitens der Interviewer glichen allerdings die<br />

wenigen Probleme wieder aus.<br />

Die Fragen zur Interviewdauer an die Befragten<br />

und an die Interviewer ergaben, dass<br />

die Interviewer im Großen und Ganzen mit<br />

der geschätzten Dauer sehr nah an der realen<br />

Gesprächsdauer lagen, während die Befragten<br />

die tatsächliche Gesprächsdauer mal länger,<br />

mal kürzer einschätzten.<br />

Am Ende des Vortrages wurden zwei Wege<br />

zur Qualitätssicherung und -steigerung aufgezeigt:<br />

Zum Einen ist das CATI-Labor dazu<br />

aufgefordert, sprechwissenschaftliche Übungen<br />

anzubieten und so einen geschulten Stamm an<br />

Interviewern aufzubauen. Die Projekte, die


KOLLOQUIUMSPROTOKOLL<br />

EINLEITUNG<br />

mittels CATI-Untersuchungen durchgeführt<br />

werden, sind dazu angehalten, die Interviewer<br />

inhaltlich zu schulen und vorzubereiten. Hierfür<br />

ist es nötig, den Interviewern das Ziel und den<br />

Zweck der anstehenden Untersuchung näher<br />

zu bringen, z.B. indem ein Informationsblatt<br />

mit wichtigen Hinweisen zu Fachbegriffen,<br />

Besonderheiten des Fragebogens sowie den<br />

Ansprechpartnern des Projektes ausgegeben<br />

wird.<br />

In der anschließenden Diskussion wurden<br />

die Auswertungen aus Halle kritisiert. Ein<br />

Problem der Aussagen über das Interesse an<br />

den Untersuchungen könnte sein, dass nur vollständige<br />

Interviews nach dem Interesse befragt<br />

wurden, also Interviews, in denen die Befragten<br />

durch ihre Teilenahme bereits Interesse gezeigt<br />

haben und werden auf die Frage nach dem Interesse<br />

an der Befragung höchstwahrscheinlich<br />

nicht mit „kein Interesse“ antworten werden.<br />

Auch die Interviewer haben zumindest<br />

zwei Absichten für eine solche Untersuchung:<br />

Zum einen verdienen sie durch die Telefonate<br />

Geld und zum anderen können sie wichtige<br />

Forschungspraxis sammeln.<br />

Auch wurden die Probleme der sozialen<br />

Erwünschtheit durch die bisherigen Untersuchungen<br />

nicht ausreichend erfasst und auch<br />

das mögliche Auseinanderfallen der Einschätzungen<br />

mit viel Interesse aber hoher Belastung<br />

bleibt vorerst noch ungeklärt.<br />

Ein Trend über den optimalen Einsatz von<br />

männlichen oder weiblichen Interviewern lässt<br />

sich aus den bisherigen Daten nicht ermitteln;<br />

es wurden keine derartigen Effekte festgestellt.<br />

Nach einer kurzen Pause folgen im weiteren<br />

Verlauf kurze Statements verschiedener<br />

Projekte, die Untersuchungen mittels Telefonbefragung<br />

gemacht haben.<br />

Das Projekt B2 des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong>, vertreten<br />

durch Ina Götzelt, stellte kurz die bisherigen<br />

Eindrücke und Ergebnisse der Befragung der<br />

zweiten Welle von Oktober 2004 bis Februar<br />

2005 dar. Diese richtete sich an Personalverantwortliche<br />

von klein- und mittelständigen<br />

Unternehmen verschiedener Branchen in<br />

Ost- und Westdeutschland. Insgesamt wurden<br />

653 Interviews geführt. Außerdem konnten<br />

sechs Interviews aus den Pretests für die Auswertung<br />

verwendet werden. Der Fragebogen<br />

bestand aus 141 Fragen mit 323 Teilfragen<br />

und umfasste somit eine komplexe Filterführung.<br />

Die Anbahnung der Gesprächstermine<br />

wurde durch das Versenden von Broschüren<br />

und Anschreiben vorbereitet. Durchschnittlich<br />

wurden 25 Anbahnungsversuche (rechnerisch)<br />

benötigt, diese Zahl konnte jedoch durch<br />

praktische Erfahrungen auf ca. 7 bis 15 herabgesetzt<br />

werden.<br />

An der durchgeführten Studie nahmen 18<br />

Interviewer teil, die im Vorfeld in einer vierstündigen<br />

inhaltlichen Schulung eingewiesen<br />

wurden und zusätzlich zwei mindestens zweistündige<br />

Pretests durchführen mussten. Im<br />

Verlauf der Befragung kam es dann zu drei Arbeitstreffen,<br />

bei denen in Gesprächen<br />

Interviewerfehler korrigiert sowie<br />

Verständnisprobleme der Probanden<br />

und der Interviewer abgeklärt werden<br />

konnten.<br />

Die Forschungsgruppe stieß während und<br />

nach der Befragung auf einige Probleme: So<br />

Seite 87


KOLLOQUIUMSPROTOKOLL<br />

EINLEITUNG<br />

Seite 88<br />

führten lange Einführungs- und Erklärungstexte<br />

zu dem Phänomen, dass die Interviewer<br />

diese Texte unterschiedlich interpretierten und<br />

eigens auslegten/aussprachen. Die Möglichkeit<br />

einige Fragen entweder durch Angabe von Anzahlen<br />

oder durch Angabe von Prozentwerten<br />

zu beantworten verursachte bei der späteren<br />

Auswertung einige Schwierigkeiten. Besser<br />

wären wohl generell Angaben in Prozentzahlen<br />

gewesen. Des Weiteren wurde in dieser<br />

Befragung festgestellt, dass die ausnahmsweise<br />

postalisch ausgefüllten Fragebögen mehr<br />

inhaltliche Fehler aufwiesen als die im CATI-<br />

Labor ausgefüllten Fragebögen.<br />

Bernd Martens vom Projekt A2 stellt in<br />

seinem Vortrag eine Befragung vor, die im<br />

Spätsommer 2002 in Halle durchgeführt worden<br />

ist. Es wurden ökonomische Eliten, also<br />

die obere Führungsebene von Unternehmen,<br />

befragt. Die Gesprächsdauer betrug durchschnittlich<br />

30 Minuten. Bei der Befragung<br />

dieser ökonomischen Eliten war eine sehr<br />

hohe Kontakthäufigkeit nötig. Die Interviewer<br />

mussten erst die „Hürde“ Sekretariat überwinden,<br />

um einen realen Gesprächstermin zu<br />

erhalten. Dennoch sind ca. ein Drittel der vereinbarten<br />

Termine aus verschiedenen Gründen<br />

geplatzt. Diese „Verweigerung auf hohem<br />

Kontaktniveau“ konnte hinsichtlich Ost- und<br />

Westdeutschland unterschieden werden: Die<br />

in Ostdeutschland Befragten nahmen<br />

eher an der Befragung teil, als die<br />

Eliten in Westdeutschland. Gründe<br />

dafür können allerdings nicht genannt<br />

werden.<br />

Bei dieser Studie war es sehr wichtig, dass<br />

die Interviewer gut geschult waren. Zufällig<br />

ergab es sich, dass nur weibliche Interviewer an<br />

dieser Studie teilnahmen und diese einen „guten<br />

Draht“ zu den „Türöffnern“ im Sekretariat<br />

hatten. Zwar gab es kaum Abbrüche während<br />

des Gespräches, die Gesprächserfolge ließen<br />

sich aber nicht einzelnen Personen zuordnen,<br />

da die Verteilung der Teilnehmer durch das<br />

CATI-System erfolgte. Die Befragung von<br />

Managern hatte den Vorteil, dass die Zielklientel<br />

das Telefon als Hauptarbeitsmittel nutzt.<br />

Abschließend gab Martens an, dass die<br />

Nutzung des CATI-Systems zu hohen Kosten<br />

geführt hat.<br />

Stephan Jahr berichtete kurz über die gesammelten<br />

Erfahrungen bei einer Befragung<br />

von politischen Eliten aus dem <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> Projekt<br />

A3. Bei dieser Zielgruppe ist es fast unmöglich<br />

ein „Face-to-face“ Interview durchzuführen, so<br />

dass hier die schnelle Verfügbarkeit bei großen<br />

räumlichen Entfernungen eine entscheidende<br />

Rolle für die Verwendung einer Telefonbefragung<br />

mittels CATI spielte.<br />

Die politischen Eliten bevorzugen wegen<br />

ihres Statusbewusstseins ein persönliches Interview<br />

und so spielte auch bei dieser Befragung<br />

die Kontaktaufnahme und das „Überwinden“<br />

des Sekretariates eine entscheidende Rolle. Die<br />

Interviewer benötigten eine hohe technische<br />

sowie eine fachliche Kompetenz, um einen<br />

starren Gesprächsverlauf zu vermeiden.<br />

Für künftige Befragungen plant die Projektgruppe<br />

eigene Hilfskräfte, die mindestens<br />

1 bis 2 Semester Erfahrung mit dem Thema<br />

besitzen, als Interviewer einzusetzen.<br />

Bisher wird das Ende der Befragungen<br />

durch zwei Variablen begrenzt: Entweder wird


KOLLOQUIUMSPROTOKOLL<br />

EINLEITUNG<br />

die gewünschte Stichprobengröße erreicht<br />

oder die Gelder zum Forschen neigen sich dem<br />

Ende zu.<br />

In der Befragung des A3-Teams entstand<br />

ein interessanter Vorschlag hinsichtlich der<br />

Formulierung von Abbruchkriterien. Es zeigte<br />

sich, dass die Befragung, welche 95 Tage<br />

dauerte, bereits nach 60 bis 65 Tagen die endgültige<br />

Repräsentativität erreicht hatte. Aus<br />

ökonomischer Sicht, hätte man die Befragung<br />

nach 60 Tagen abbrechen können und die restlichen<br />

Gelder für qualitative Ausbesserungen<br />

verwenden können.<br />

Stephan Jahr bestätigte die Wichtigkeit<br />

eines vollständigen Pretestes. Die ermittelte<br />

nötige Zeit in den gestückelten und später<br />

wieder zusammengesetzten Pretestes der Befragung<br />

wurde um 10 Minuten auf insgesamt<br />

40 Minuten überschritten. Der daraufhin<br />

einsetzenden Diskussion über die Frage, ob bei<br />

der Gesprächsanbahnung die errechnete oder<br />

die reale Gesprächsdauer angegeben werden<br />

sollte, entschied das CATI-Labor Halle für<br />

sich, die reale Zeit von ca. 40 Minuten anzugeben,<br />

so dass diese den Termin genauer fixieren<br />

und Probleme mit Folgeterminen vermeiden<br />

konnten.<br />

Zusammenfassend wurde der Verwendung<br />

von CATI als „sehr geeignet“ bei der Elitenbefragung<br />

bewertet, obwohl ist es durch lange<br />

Vorbereitungen sehr zeitaufwendig und durch<br />

die Anfertigung von Informationsmaterial sehr<br />

kostenintensiv ist.<br />

In der anschließenden Diskussion wurde<br />

aufgezeigt, dass die Anfertigung des Informationsmateriales<br />

allerdings auch ohne die<br />

Verwendung von CATI anfallen würde.<br />

Sören Petermann vom <strong>SFB</strong> <strong>580</strong> A4 ging<br />

in seinem Vortrag unter Anderem auf die Personalisierung<br />

von Fragebögen mit dem Inhalt<br />

der Netzwerkerhebung ein. Auch stellte er<br />

Argumente für die Verwendung von CATI vor.<br />

Durch die hohe Telefondichte können gerade<br />

räumlich ausgedehnte Befragungen kostengünstig<br />

durchgeführt und komplexe Fragebögen<br />

mittels Filterführung für den Interviewer<br />

günstiger verwendet werden.<br />

Bei der Personalisierung der Fragebögen<br />

ist es möglich, durch die Verwendung von<br />

vorab gesammelten Informationen und gezielt<br />

eingesetzter Filterführung, die richtigen<br />

Fragen an die richtige Person zu stellen. In<br />

einer Untersuchung wurden bis zu 50 Vorab-<br />

Informationen über die befragte Person gesammelt<br />

und verwendet. Bei einer allgemeinen<br />

Bevölkerungsbefragung zu den Egozentrierten<br />

Netzwerken aus dem Jahr 2000 wurden bis zu<br />

1300 Informationen während des Interviews<br />

neu generiert.<br />

Die Behauptung, das CATI-System<br />

entlastet den Interviewer, führte anfangs zu<br />

Verständnisproblemen. Durch einen programmierten<br />

Fragebogen kann das Interview flüssiger<br />

geführt werden. Der programmierte Fragebogen<br />

könnte natürlich auch ohne Telefon<br />

verwendet werden. Jedoch ermöglicht<br />

das Telefon die Höflichkeit während<br />

des Gespräches zu wahren. Das lästige<br />

Seite 89<br />

Mitschreiben bzw. Eintippen der<br />

Antworten wird dem Blickfeld des<br />

Befragten entzogen. Das Interview bleibt am<br />

Telefon sachlich und professionell.


KOLLOQUIUMSPROTOKOLL<br />

EINLEITUNG<br />

Seite 90<br />

Thomas Engel, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe<br />

Michael Behr, ging in seinem Vortrag<br />

auf das Verhältnis von offenen zu geschlossenen<br />

Fragen ein. Die Gruppe um Michael<br />

Behr sammelt seit 1998 Erfahrungen, vor<br />

allem bei Befragungen von Personalchefs und<br />

Geschäftsführern. Die Fragebögen variieren<br />

zwischen 20 und 100 Fragen mit bis zu 400<br />

Variablen.<br />

Die Erfahrungen der Gruppe haben gezeigt,<br />

dass offene Fragen im Telefoninterview<br />

zugelassen werden können. Bestimmte Fragen<br />

erfordern gerade dieses Design. Ein anderer<br />

Grund für die Verwendung offener Fragen ist,<br />

dass sie den Gesprächsverlauf positiv beeinflussen<br />

können, da der Befragte das Gefühl<br />

bekommt, nicht nur bloß Antworten geben zu<br />

müssen. Durchschnittlich werden ein Viertel<br />

der Fragen offen gestaltet, so dass die „Diktatur“<br />

des Fragebogens aufgebrochen wird<br />

Die speziellen Anforderungen an den<br />

Interviewer werden als sehr wichtig erachtet.<br />

Günstig wäre es, Studenten mit 1 bis 2 Semestern<br />

Erfahrung einzusetzen, deren Wissen<br />

über die Thesen der Befragung wäre im Interview<br />

von Vorteil.<br />

Das CATI-System kann unter Verwendung<br />

eines eingespielten Teams von Interviewern,<br />

der CATI-Verwaltung und<br />

der Projektleitung schnelle Ergebnisse<br />

vorweisen. So zum Beispiel wurde in<br />

nur einem Monat eine Studie mit ca.<br />

400 Interviews durchgeführt.<br />

Die Auswertung der offenen Fragen erfolgt<br />

zurzeit mit dem Programm „Max QDA“. Diese<br />

Auswertungen befinden sich aber noch im<br />

Anfangsstadium. Jedoch können schon jetzt<br />

kurze und knackige Aussagen der Befragten<br />

gewonnen werden, die als schlüssige Zitate<br />

verwendet werden können.<br />

Im Anschluss an die Statements der einzelnen<br />

Projekte haben zwei aktive Interviewer<br />

das Wort ergriffen und einige angesprochene<br />

Punkte aus Sicht der Interviewer dargestellt.<br />

P. Kirch, Soziologiestudentin aus Halle,<br />

berichtete über die Schwierigkeiten der Kontaktaufnahme<br />

und Gesprächsführung bei zwei<br />

Befragungen. Bei einer Befragung von Jugendlichen<br />

musste zunächst die Hürde „Eltern“<br />

überwunden werden, um dann ein Interview<br />

mit den Zielpersonen führen zu können. Die<br />

Opfer einer Flutkatastrophe haben auf Grund<br />

der emotionalen Betroffenheit die „geplante“<br />

Gesprächsdauer häufig überschritten, da sie<br />

umfangreichere Antworten gaben als gedacht.<br />

In beiden Fällen gab es aber im Vergleich<br />

zu einer Betriebsrätebefragung weniger Gesprächsabbrüche.<br />

Auch hatten die Interviewer<br />

oft Probleme mit der Befragung von Unternehmens-<br />

bzw. Geschäftsfilialen, da die Interviewer<br />

häufig an die entsprechende Zentrale<br />

verwiesen wurden.<br />

N. Meingast, Studentin aus <strong>Jena</strong>, betonte<br />

noch einmal die Wichtigkeit der Anschreiben<br />

vor der ersten Kontaktaufnahme. Diese<br />

Legitimation helfe oft, an den „berüchtigten“<br />

Sekretärinnen vorbei zu kommen. Hier würde<br />

auch viel Überredungskunst helfen, um zur<br />

gewünschten Zielperson durchgestellt zu werden.<br />

Die Erfahrung aus den geführten Inter-


KOLLOQUIUMSPROTOKOLL<br />

EINLEITUNG<br />

views hat gezeigt, je höher die angegebene Zeit<br />

ist, desto höher ist das Risiko des Abbruches.<br />

Bemerkten die Interviewer während der<br />

Anbahnung einen gewissen Zeitdruck beim<br />

Befragten, wurden die Zeitangaben variiert.<br />

Gelegentlich kam es dabei sogar zu Spontaninterviews.<br />

In einer anschließenden kurzen Diskussion<br />

über die Notwendigkeit von postalischen<br />

Anschreiben wurden Überlegungen angestellt,<br />

ob es nicht vielleicht sinnvoller und kostengünstiger<br />

wäre, entweder ganz auf Anschreiben<br />

zu verzichten bzw. sie per E-Mail oder Fax an<br />

die betreffende Person zur Legitimation der<br />

Befragung zu versenden. Einig war sich die<br />

Diskussionsgruppe darüber, dass Anschreiben<br />

für die Anbahnung von Gesprächen bei Unternehmensbefragungen<br />

sinnvoll sind, da sie<br />

die Seriosität und das Interesse des Institutes<br />

bekunden. Das ZSH-Halle startet im Mai eine<br />

Versuchsbefragung ohne Anschreiben bzw.<br />

werden die Anschreiben nur auf ausdrücklichen<br />

Wunsch und Interesse der Gesprächspartner<br />

verschickt.<br />

Zum Ende des Kolloquiums ergriff M.<br />

Behr das Wort. Er zeigte auf, dass sich in der<br />

Forschung ein Paradigmenwechsel weg vom<br />

„Face-to-face“ Interview hin zum Telefoninterview<br />

vollzog, da sich die Anforderungen<br />

an die Forscher drastisch gewandelt haben. So<br />

reichte es in den 1970er Jahren aus, 20 intensive<br />

Interviews zu führen, welche dann in 2 bis 4<br />

Jahren ausgewertet wurden. Heute herrscht ein<br />

enormer Druck auf die Forscher und es werden<br />

darstellbare Zahlen erwartet.<br />

CATI-System als optimales Forschungsdesign,<br />

weil es ökonomisch sinnvoll ist.<br />

Die Anforderungen an die Interviewer sind<br />

und bleiben sehr hoch. Gezielte Schulungen<br />

steigern die Kompetenz, welche bei Befragungen<br />

von Eliten nötig ist, da die „Spielchen“<br />

und Selbstdarstellungsbedürfnisse von Eliten<br />

durch die Kommunikation mittels Telefon<br />

zurückgefahren werden.<br />

Das Instrument CATI muss in weiteren<br />

Forschungen vernünftig eingesetzt werden,<br />

denn die Zufriedenheit der Befragten ist für<br />

die zukünftigen Forscher wichtig und sollte<br />

erhalten bleiben.<br />

Seite 91<br />

Gerade bei mittleren Fallgrößen, d.h.<br />

kleiner als 10.000 Interviews, erweist sich das


Seite 92<br />

VITAE


AUTOREN<br />

Michael Behr, geb. 1960, Dr. phil.,<br />

Studium der Soziologie in Freiburg, 1988 bis<br />

1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der<br />

<strong>Universität</strong> Bielefeld im Themenfeld sozialwissenschaftliche<br />

Begleitforschung zum Technikeinsatz<br />

in Industrieunternehmen, 1990 bis<br />

1992 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TH<br />

Darmstadt: Arbeiten zur Sozialstrukturanalyse<br />

und Industriesoziologie, 1993 bis 1995 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der <strong>Universität</strong><br />

Erlangen/Nürnberg: Promotion zum Thema<br />

Arbeit und Subjektivität „Perspektiven eines<br />

neuen Arbeitstyps“, 1995 bis 2001 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der <strong>Universität</strong><br />

<strong>Jena</strong>: Analyse regionaler Arbeitsmärkte und<br />

betrieblicher Personalpolitik, Fachkräfteentwicklung,<br />

Analysen zu Erwerbsbiographien<br />

und beruflicher Ausbildung, 2002-2004 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der Forschungsstelle<br />

Sozialökonomik der Arbeit an der TU<br />

Chemnitz: Leitung eines BMBF-Projektes<br />

zum Thema Früherkennung von Personal- und<br />

Qualifizierungsbedarf in Ostdeutschland, seit<br />

2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter am <strong>Jena</strong>er<br />

Zentrum für empirische Sozial- und Kulturforschung<br />

an der <strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>: Analyse von<br />

regionalen Arbeitsmärkten und betrieblicher<br />

Personalpolitik u.a. aus Beschäftigtenperspektive.<br />

Thomas Engel, geb. 1974, M.A.,<br />

1992 bis 1994 Ausbildung zum Buchhändler<br />

in Bayreuth, 1994 bis 2001 Studium der Soziologie<br />

und Politikwissenschaft in <strong>Jena</strong>, seit<br />

2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der<br />

<strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong> und der<br />

Technischen <strong>Universität</strong> Chemnitz – Arbeitsschwerpunkte:<br />

1. Arbeitsmarkt, Berufsbildung<br />

und Qualifikation in Transformationsgesellschaften,<br />

2. regionale Branchenanalysen zu<br />

Entwicklungspotentialen und betrieblicher<br />

Fachkräftesituation (Früherkennung von<br />

Personal- und Qualifizierungsbedarf ), 3. Netzwerke,<br />

Innovationssysteme und Förderpolitik.<br />

Seite 93


AUTOREN<br />

Ina Götzelt, geb. 1979, Dipl. Soz.,<br />

Studium an der TU Dresden in den Fächer<br />

Soziologie, Volkswirtschaft und öffentliches<br />

Recht. Seit 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

am Sonder-forschungsbereich <strong>580</strong>, Projekt<br />

B2, Arbeitsschwerpunkte: Arbeitsmarktstruktur<br />

und -politik, Transformationsprozesse in<br />

Osteuropa und Methoden. Z.Z. Promotion<br />

zum Thema Arbeits-marktsegmentation und<br />

soziale Sicherheit.<br />

Stefan Jahr, geb. 1975, Studium der<br />

Soziologie und Betriebswirtschaftslehre in<br />

Leipzig; wis-senschaftliche Hilfskraft am<br />

Lehrstuhl „Vergleichende Analyse von Gegenwartsgesellschaf-ten“<br />

an der <strong>Universität</strong><br />

Leipzig; zurzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

des Forschungsprojekts zu parlamentarischen<br />

Führungskräften im Sonderforschungsbereich<br />

<strong>580</strong> sowie Dozent am Institut für Soziologie<br />

der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>; Arbeit<br />

an einer Promotion über Karrieren parlamentarischer<br />

Mandatsträger und ihren Werdegang<br />

nach Ausscheiden aus der Legislative.<br />

Seite 94


AUTOREN<br />

Bernd Martens, geb. 1955, Dr.<br />

phil., Soziologe, Promotion 1990 (an der<br />

<strong>Universität</strong> Hamburg), Habilitation 1998 an<br />

der <strong>Universität</strong> Tübingen. Wissenschaftliche<br />

Tätigkeiten an der <strong>Universität</strong> der Bundeswehr<br />

in Hamburg sowie an den <strong>Universität</strong>en<br />

Hamburg, Tübingen und Karlsruhe. Seit 2001<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt A2<br />

„Generationswechsel im Management“ des<br />

Sonderforschungsbereichs <strong>580</strong>. e-mail: bernd.<br />

martens@uni-jena.de<br />

Sören Petermann, geb. 1970, Dr.<br />

phil., Studium der Soziologie und allgemeinen<br />

Sprachwissen-schaft an den <strong>Universität</strong>en<br />

Leipzig und Utrecht. Seit 1997 Mitarbeiter am<br />

IfS der Martin-Luther-<strong>Universität</strong> Halle-Wittenberg.<br />

Seit 2001 Mitarbeiter im Teilprojekt<br />

A4 des <strong>SFB</strong> <strong>580</strong>. Forschungs-schwerpunkte<br />

sind Sozialkapitalforscchung, Analyse sozialer<br />

Netzwerke, Sozialstrukturfor-schung.<br />

Seite 95


AUTOREN<br />

Thomas Ritter, geb. 1967, M.A.,<br />

Studium der Soziologie, Medienwissenschaft<br />

und Psychologie in <strong>Jena</strong>, seit 2004 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der <strong>Friedrich</strong>-<br />

<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>. Arbeitsschwerpunkt:<br />

Wissenschaftliche und organisatorische Betreuung<br />

des CATI-Labors<br />

Seite 96


<strong>SFB</strong> <strong>580</strong><br />

Gesellschaftliche<br />

Diskontinuität<br />

Entwicklungen<br />

Tradition<br />

nach dem Systemumbruch<br />

Strukturbildung<br />

Jahrelang haftete der telefonischen Befragung das Stigma<br />

einer „quick and dirty“ Erhebungsmethode an und schien<br />

deshalb im Besonderen nicht für Experten- oder Elitenbefragungen<br />

geeignet zu sein.<br />

Technische Innovationen wie z.B. die Computerunterstützung<br />

der telefonischen Befragung, haben sich positiv auf<br />

die Qualität wie auch die Rentabilität der erhobenen Daten<br />

ausgewirkt und der Befragung am Telefon neue Einsatzgebiete<br />

eröffnet. Dennoch gehörte die Befragung von Experten<br />

und Eliten bislang noch nicht dazu. Erstmals in Elite- und<br />

Expertenpopulationen eingesetzt wurde die CATI Erhebungsmethode<br />

im Rahmen des Sonderforschungsbereiches<br />

<strong>580</strong> an den <strong>Universität</strong>en <strong>Jena</strong> und Halle.<br />

Die Beiträge im vorliegenden Heft dokumentieren die Erfahrungen<br />

der einzelnen Projekte bei den durchgeführten<br />

telefonischen Befragungen ökonomischer und parlamentarischer<br />

Eliten und legen erste verallgemeinernde Schlussfolgerungen<br />

zur Anwendung des CATI - Instrumentes für die<br />

Befragung von Experten vor.<br />

<strong>SFB</strong> <strong>580</strong> - CATI LABOR (2006) ISSN 1619-6171

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