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Kantische Letztbegründung - servat.unibe.ch

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Do<strong>ch</strong> wäre es etwas ungenau, die Letztbegründungsfähigkeit<br />

ästhetis<strong>ch</strong>er Urteile mit einem bloßen Hinweis auf die Subjektbindung<br />

zu verneinen. Wenn man die Wortwahl, mit der Kant den<br />

Prozeß der Reflexion s<strong>ch</strong>ildert, genau ans<strong>ch</strong>aut, dann ist au<strong>ch</strong> eine<br />

andere Interpretation mögli<strong>ch</strong>. Er sagt:<br />

»[Die Reflexion] ges<strong>ch</strong>ieht nun dadur<strong>ch</strong>, daß man sein Urteil<br />

an anderer, ni<strong>ch</strong>t sowohl wirkli<strong>ch</strong>e, als vielmehr bloß mögli<strong>ch</strong>e<br />

Urteile hält, und si<strong>ch</strong> in die Stelle jedes anderen versetzt,<br />

... .« 259<br />

Die Formulierung »bloß mögli<strong>ch</strong>e Urteile ... jedes anderen« deutet<br />

darauf hin, daß i<strong>ch</strong> in der Reflexion mein ästhetis<strong>ch</strong>es Urteil eben<br />

ni<strong>ch</strong>t nur mit den tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Urteilen der konkreten anderen<br />

meiner Generation abglei<strong>ch</strong>en soll, sondern mit einer vorgestellten<br />

Gesamtheit aller in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft denkbaren<br />

Urteile. In dem so bereinigten subjektiven Urteil kommt<br />

folgli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr die modis<strong>ch</strong>e Empfindung einer bestimmten<br />

Generation zum Ausdruck, sondern es bleiben, wenn die Reflexion<br />

gelingt, nur no<strong>ch</strong> die zeitlosen Gehalte übrig.<br />

Mögli<strong>ch</strong>e Kandidaten für zeitlose Kriterien des ästhetis<strong>ch</strong>en<br />

Urteils sind beispielsweise der Goldene S<strong>ch</strong>nitt, mit dem wohlgefällige<br />

Proportionen gewahrt werden, die Perspektivität einer Darstellung<br />

oder au<strong>ch</strong> das Element der glei<strong>ch</strong>artigen Wiederholung,<br />

dur<strong>ch</strong> das selbst das »häßli<strong>ch</strong>ste« Objekt no<strong>ch</strong> eine gewisse Eleganz<br />

bekommen kann. Diese Faktoren beeinflussen die Wahrnehmung<br />

aller Mens<strong>ch</strong>en glei<strong>ch</strong>förmig, so daß diese beim Vorhandensein<br />

der entspre<strong>ch</strong>enden Eigens<strong>ch</strong>aft (Proportion im Goldenen<br />

S<strong>ch</strong>nitt, konsistente Perspektive, glei<strong>ch</strong>förmige Wiederholung)<br />

eher das Attribut »s<strong>ch</strong>ön« verwenden, als bei deren Fehlen. Insoweit<br />

besteht eine »formale S<strong>ch</strong>önheit« 260 . Gegenstände, die na<strong>ch</strong><br />

Kants Dissertation (1770) vgl. ebd., S. 264 ff.<br />

259 Kant, KdU (Fn. 229), B 157 f.<br />

260 Ausdruck bei Wilhelm Vogt, Die Ästhetis<strong>ch</strong>e Idee bei Kant, Diss.<br />

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