Kantische Letztbegründung - servat.unibe.ch
Kantische Letztbegründung - servat.unibe.ch
Kantische Letztbegründung - servat.unibe.ch
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Diese immanente Spannung zwis<strong>ch</strong>en subjektivem Urteil und<br />
objektiver Ästhetik wird au<strong>ch</strong> dann ni<strong>ch</strong>t aufgehoben, wenn man<br />
das Erkenntnismittel 'Reflexion', mit dem Kant die Objektivierung<br />
des Ges<strong>ch</strong>macksurteils verfolgt, so versteht, daß i<strong>ch</strong> mein Urteil<br />
mit demjenigen meiner konkreten Mitmens<strong>ch</strong>en verglei<strong>ch</strong>e und nötigenfalls<br />
abglei<strong>ch</strong>e. Denn damit würde zwar die individuelle Gebundenheit<br />
des Urteils relativiert. Au<strong>ch</strong> würde – als interessante<br />
Parallele zur modernen Diskurstheorie – eine kommunikative<br />
Komponente in den Erkenntnisprozeß eingeflo<strong>ch</strong>ten. Die Überindividualität<br />
ändert aber ni<strong>ch</strong>ts an der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>keit des Ges<strong>ch</strong>macksurteil.<br />
Mein individuelles Urteil wird nur zum Ges<strong>ch</strong>macksurteil<br />
meiner Generation erweitert, ni<strong>ch</strong>t zu einer letztbegründeten<br />
Aussage über die (wahre) S<strong>ch</strong>önheit des Gegenstands<br />
jenseits aller Zeitgebundenheit.<br />
Wenn – wie es dana<strong>ch</strong> zunä<strong>ch</strong>st s<strong>ch</strong>eint – die Ästhetik der 'Kritik<br />
der Urteilskraft' keinen Ans<strong>ch</strong>luß an die Letztbegründungselemente<br />
der 'Kritik der reinen Vernunft' findet, dann könnte dies unter<br />
anderem damit erklärbar sein, daß diese Ästhetik, wie Bäumler<br />
entstehungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> herausgearbeitet hat, von Kant ni<strong>ch</strong>t aus<br />
der allgemeinen Epistemologie deduziert wurde, sondern vielmehr<br />
aus der Tradition der zeitgenössis<strong>ch</strong>en Ästhetik erwa<strong>ch</strong>sen ist:<br />
»Sie [die Moralprinzipien] sind organis<strong>ch</strong> gewa<strong>ch</strong>sen; und<br />
ebenso organis<strong>ch</strong> gewa<strong>ch</strong>sen ist Kants Ästhetik und die Kritik<br />
der Urteilskraft. Zu dieser Annahme wollte man si<strong>ch</strong> bisher<br />
s<strong>ch</strong>wer ents<strong>ch</strong>ließen, weil sie mit der unkünstleris<strong>ch</strong>en<br />
Grundnatur Kants ni<strong>ch</strong>t zu vereinigen zu sein s<strong>ch</strong>eint. Aber<br />
in Kants Kritik der Urteilskraft denkt das ästhetis<strong>ch</strong>e 18.<br />
Jahrhundert seine Lieblingsbegriffe zu Ende. In keinem<br />
Werke stand Kant die Tradition mehr zur Seite, als in diesem.«<br />
258<br />
258 Bäumler, Kritik (Fn. 239), S. 254 m.w.N. (die Hervorhebung im<br />
Zitat ist diejenige von Bäumler); zu den vorkritis<strong>ch</strong>en Wurzeln in<br />
97