Kantische Letztbegründung - servat.unibe.ch
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Art, daß sie die Vollendung eines Gebäudes von Erkenntnissen<br />
gänzli<strong>ch</strong> unmögli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en. ... Daher führt das ar<strong>ch</strong>itektonis<strong>ch</strong>e<br />
Interesse der Vernunft (wel<strong>ch</strong>es ni<strong>ch</strong>t empiris<strong>ch</strong>e,<br />
sondern reine Vernunfterkenntnis a priori fordert) eine natürli<strong>ch</strong>e<br />
Empfehlung für die Behauptung der Thesis bei si<strong>ch</strong>.« 202<br />
Offenbar nehmen hier die Figuren der 'Einheit des Denkens' und<br />
des 'Interesses der Vernunft' zusammen mit dem Instrument des<br />
Prosyllogismus folgende Funktionen ein: für die Einheit des Denkens<br />
ist es zunä<strong>ch</strong>st glei<strong>ch</strong>gültig, wie i<strong>ch</strong> die mir dur<strong>ch</strong> die Vernunft<br />
notwendig aufgegebenen kosmologis<strong>ch</strong>en Fragen beantworte;<br />
jede Antwort, liege sie nun auf der Seite der Thesis oder der<br />
Antithesis, ist glei<strong>ch</strong> gut oder s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t begründbar. Dur<strong>ch</strong> das Interesse<br />
der Vernunft wird aber etwas dem Mens<strong>ch</strong>en Gegebenes<br />
ins Spiel gebra<strong>ch</strong>t, das die relativen Gewi<strong>ch</strong>te vers<strong>ch</strong>iebt. Habe<br />
i<strong>ch</strong> einerseits ein ar<strong>ch</strong>itektonis<strong>ch</strong>es Interesse der Vernunft und bin<br />
andererseits dur<strong>ch</strong> die geforderte Einheit des Denkens gezwungen,<br />
stets die notwendigen Bedingungen des von mir als Gegeben angenommenen<br />
(prosyllogistis<strong>ch</strong>) mitzudenken, so bietet – laut Kant –<br />
für mi<strong>ch</strong> nur no<strong>ch</strong> die Thesis und ni<strong>ch</strong>t mehr die Antithesis eine<br />
adäquate Antwort.<br />
Er zeigt das ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong> an der Frage, ob das mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />
Handeln einem freien Willen folge oder dur<strong>ch</strong> die Kausalketten<br />
der Natur vollständig determiniert sei. Ungea<strong>ch</strong>tet des Interesses<br />
der Vernunft bin i<strong>ch</strong> zunä<strong>ch</strong>st frei, diese Frage so oder anders zu<br />
ents<strong>ch</strong>eiden. Sobald es aber um das wirkli<strong>ch</strong>e Handeln geht,<br />
zwingt mi<strong>ch</strong> die Einheit des Denkens und das (prosyllogistis<strong>ch</strong>e)<br />
Mitdenken aller notwendigen Bedingungen auf die Seite der Thesis:<br />
bei jeder bewußten Handlungsents<strong>ch</strong>eidung muß i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die<br />
Freiheit des Handlungswillens mitdenken, sonst widersprä<strong>ch</strong>e i<strong>ch</strong><br />
mir selbst. Mit Kants Worten:<br />
202 Kant, KrV (Fn. 9), A 474 f./B 502 f.<br />
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