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Kantische Letztbegründung - servat.unibe.ch

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Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> hatte Kant no<strong>ch</strong> angenommen, die Mathematik bestünde<br />

insgesamt aus synthetis<strong>ch</strong>en Sätzen 275 . Daß er – angesi<strong>ch</strong>ts der<br />

s<strong>ch</strong>wierigen Ents<strong>ch</strong>eidbarkeit der Klassifizierung von Sätzen als<br />

analytis<strong>ch</strong> oder synthetis<strong>ch</strong> 276 – Entspre<strong>ch</strong>endes au<strong>ch</strong> für alle Urteile<br />

der Logik hätte behaupten können, ist von Tus<strong>ch</strong>ling belegt<br />

worden 277 . Mit dem Satz von der synthetis<strong>ch</strong>en Natur der Mathematik<br />

widerspra<strong>ch</strong> Kant sowohl der Eins<strong>ch</strong>ätzung, die Leibniz vor<br />

ihm getroffen hatte, als au<strong>ch</strong> derjenigen, die die Wissens<strong>ch</strong>aft na<strong>ch</strong><br />

ihm fand und die sie in dem auf Henri Poincaré zurückgehenden<br />

Satz von der Tautologie der gesamten Mathematik ausdrückte 278 .<br />

Damit s<strong>ch</strong>eint Kant widerlegt zu sein. Do<strong>ch</strong> eine genauere Betra<strong>ch</strong>tung<br />

wirft ein interessantes Li<strong>ch</strong>t auf diese Kant-Rezeption:<br />

zwar ist die Anwendung der Epistemologie auf den Gegenstand der<br />

Zahlen und arithmetis<strong>ch</strong>en Operationen eine ganz andere geworden;<br />

ihr Ergebnis sieht heute also anders aus als no<strong>ch</strong> bei Kant.<br />

Do<strong>ch</strong> findet sowohl die Denk- als au<strong>ch</strong> die Spre<strong>ch</strong>weise, in der wir<br />

die Natur der logis<strong>ch</strong>en und mathematis<strong>ch</strong>en Sätze erfassen und<br />

bes<strong>ch</strong>reiben, ihre Grundlage na<strong>ch</strong> wie vor bei Kant. Die Di<strong>ch</strong>otomien<br />

analytis<strong>ch</strong>/synthetis<strong>ch</strong>, a priori/a posteriori sind Allgemeinder<br />

neu abgedruckten Übersetzung bei Gunnar Skirbekk (Hrsg.),<br />

Wahrheitstheorien. Eine Auswahl aus den Diskussionen über<br />

Wahrheit im 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1977, S. 73-88 (82<br />

ff.).<br />

275 Kant, KrV (Fn. 9), B 14.<br />

276 Zu den S<strong>ch</strong>wierigkeiten vgl. Arno Ros, Kants Begriff der synthetis<strong>ch</strong>en<br />

Urteile a priori, in: Kant-Studien 82 (1991), S. 146-172 (158<br />

ff.). Daß es überhaupt synthetis<strong>ch</strong>e Sätze geben muß, folgt s<strong>ch</strong>on<br />

daraus, daß S<strong>ch</strong>lüsse auf Zukünftiges sonst ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong> wären,<br />

weil diese weder analytis<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> rein empiris<strong>ch</strong> sein können: Gerhardt/Kaulba<strong>ch</strong>,<br />

Kant (Fn. 158), S. 25.<br />

277 Siehe Burkhard Tus<strong>ch</strong>ling, Sind die Urteile der Logik viellei<strong>ch</strong>t<br />

»insgesamt synthetis<strong>ch</strong>?«, in: Kant-Studien 72 (1981), S. 304-335<br />

(304 ff., 322 ff.) m.w.N.<br />

278 Zu dieser Eins<strong>ch</strong>ätzung und den Entwicklungslinien Adorno,<br />

Kants »Kritik der reinen Vernunft« (Fn. 86), S. 25.<br />

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