Kantische Letztbegründung - servat.unibe.ch
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sind beides Disziplinen mit Sätzen a priori, woraus die Kritiker 269<br />
folgerten: »Im Sinne Kants wäre dann allerdings Mathematik<br />
ni<strong>ch</strong>ts anderes als ein Sonderfall der Logik, wodur<strong>ch</strong> aber ihre spezifis<strong>ch</strong>en<br />
Gegenstände: Zahlen und geometris<strong>ch</strong>e Gebilde, ni<strong>ch</strong>t<br />
mehr erklärt werden könnten.« 270 Mathematiker haben diese Sonderfallbeziehung<br />
in Zweifel gezogen, was als kritis<strong>ch</strong>er Beitrag zur<br />
Kant-Rezeption gewürdigt wurde 271 . Einzelne haben – wenig<br />
überzeugend – versu<strong>ch</strong>t, entgegen der Einheit der Disziplinen den<br />
Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en Logik und Mathematik in der kantis<strong>ch</strong>en<br />
Epistemologie zu betonen 272 . Nun ist diese Entgegensetzung von<br />
Logik und Zahlen, die den Ausgangspunkt der Kant-Kritik bil-<br />
269 Kant-Kritik hat eine lange Tradition; einer der ersten, der die 'Kritik<br />
der reinen Vernunft' metakritis<strong>ch</strong> untersu<strong>ch</strong>t hat, war Johann<br />
Gottlieb Herder, Eine Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft<br />
(Leipzig 1799), Neudruck Berlin 1955, S. 26 ff.; au<strong>ch</strong> Arthur<br />
S<strong>ch</strong>openhauer, Kritik der <strong>Kantis<strong>ch</strong>e</strong>n Philosophie (Transzendentale<br />
Ästhetik), in: Die Welt als Wille und Vorstellung (1819), Neudruck:<br />
Joa<strong>ch</strong>im Kopper/Rudolf Malter (Hrsg.), Materialien zu<br />
Kants 'Kritik der reinen Vernunft', Frankfurt a.M. 1975, S. 114-<br />
134 (115 ff.) kritisiert sehr früh die Widersprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit zwis<strong>ch</strong>en<br />
Kants idealistis<strong>ch</strong>em Grundansatz und der Rede vom 'Ding an<br />
si<strong>ch</strong>'.<br />
270<br />
Baumgartner, Kritik (Fn. 127), S. 143.<br />
271 Baumgartner, Kritik (Fn. 127), S. 143.<br />
272 Etwa Peter Krausser, Kants Theorie der Erfahrung und Erfahrungswissens<strong>ch</strong>aft.<br />
Eine rationale Rekonstruktion, Frankfurt a.M.<br />
1981, S. 132 ff. Die bei Krausser zitierten Stellen der 'Kritik der<br />
reinen Vernunft' (A 717/B 745, A 734/B 762, B 110, A 160/B 199,<br />
A 161 f./B 201 f. m. Fn.) geben dies ni<strong>ch</strong>t her. Im Gegenteil: Kant<br />
betont dort jeweils den Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en Mathematik und Erfahrungswissens<strong>ch</strong>aften;<br />
vgl. au<strong>ch</strong> B 15: »Zuvörderst muß bemerkt<br />
werden: daß eigentli<strong>ch</strong> mathematis<strong>ch</strong>e Sätze jederzeit Urteile<br />
a priori und ni<strong>ch</strong>t empiris<strong>ch</strong> sein, weil sie Notwendigkeit bei<br />
si<strong>ch</strong> führen, wel<strong>ch</strong>e aus Erfahrung ni<strong>ch</strong>t abgenommen werden<br />
kann.«<br />
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