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69. Jg.-Nr. 135 Winter 2005 - carocktikum.de

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Die kleine Glocke neben <strong>de</strong>r Kapelle auf <strong>de</strong>m heutigen Friedhofsgelän<strong>de</strong> hat ihre ganz<br />

eigene Geschichte, die ihre Spuren in <strong>de</strong>m Eisen hinterlassen hat:<br />

In <strong>de</strong>n 1940er Jahren verstarb die Frau <strong>de</strong>s Pächters Schulz aus Rollenhagen. Er hatte sie<br />

sehr geliebt und ließ zu ihrem Ge<strong>de</strong>nken eine kleine Glocke gießen. Diese wur<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>n Ton<br />

„E“ gestimmt, „E“ wie Eva, <strong>de</strong>r Name <strong>de</strong>r Verstorbenen. Anschließend ließ er sie als „Zweitglocke“<br />

im Glockenstuhl in Rollenhagen anbringen.<br />

In <strong>de</strong>n Zeiten <strong>de</strong>s Kriegsgewirrs wollte Pächter Schulz seine Glocke nicht <strong>de</strong>m Zufall überlassen<br />

und versteckte sie in einer Scheune. Die Glocke hätte im Zuge <strong>de</strong>r zu jener Zeit üblichen<br />

Glockeneinschmelzungen konfisziert wer<strong>de</strong>n können. Schulz war bereits geflüchtet als<br />

die Russen kamen. Einer <strong>de</strong>r Soldaten stieß im Stroh auf etwas, von <strong>de</strong>m er nicht wußte, was<br />

es war. So kam es, dass er die kleine Glocke etliche Male mit seinem Maschinengewehr<br />

durchschoss. Die Russen ließen die Glocke dort liegen.<br />

Ein Elektriker aus Alt-Strelitz erhielt En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1940er Jahre <strong>de</strong>n Auftrag, nach und nach die<br />

Schä<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>n Elektroleitungen zu beheben. Die Arbeiten führten ihn schließlich auch nach<br />

Rollenhagen, wo er auf die Glocke stieß. Jetzt gelangte die früher oft erzählte romantische<br />

Geschichte von <strong>de</strong>r Glocke, die „Eva, Eva, …“ rief, auch wie<strong>de</strong>r in das Bewusstsein <strong>de</strong>r Leute.<br />

Der Kirchenvorstand von Alt-Strelitz beschloss, die kleine Glocke wie<strong>de</strong>r zum Leben zu<br />

erwecken und erinnerte sich an Klein Trebbow. Hier war gera<strong>de</strong> die kleine Kapelle gebaut<br />

wor<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Ort hatte bereits seit Jahrzehnten keine Glocke mehr. So kam es, dass man<br />

die Rollenhagener Glocke nach Klein Trebbow brachte.<br />

Hier läutet die Glocke aufgrund <strong>de</strong>r Einschüsse nicht mehr in „E“, aber was macht das<br />

schon, welcher Ort hat schon eine Glocke mit einer solchen Geschichte …<br />

Beson<strong>de</strong>rs erfreut war ich über die vielen positiven Reaktionen nach <strong>de</strong>m Erscheinen<br />

<strong>de</strong>r Chronik. Bemängelt wur<strong>de</strong>n allerdings die beson<strong>de</strong>rs hinsichtlich <strong>de</strong>r DDR-Geschichte<br />

bestehen<strong>de</strong>n Lücken. Ich hoffe daher, dass (die heute nicht mehr ortsansässigen) Zeitzeugen<br />

ihr Versprechen wahr machen und ihr Wissen für zukünftige Auflagen <strong>de</strong>r Chronik<br />

– wobei die Nächste hoffentlich nicht erst in 500 Jahren erscheint – aufschreiben. Denn beson<strong>de</strong>rs<br />

die Erzählungen <strong>de</strong>r Zeitzeugen sind es, die die Erforschung <strong>de</strong>r Geschichte und<br />

Geschichten interessant machen.<br />

Kerstin Wehe<br />

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