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69. Jg.-Nr. 135 Winter 2005 - carocktikum.de

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Versperren uns <strong>de</strong>n Weg! Los, zurück zum Bahnsteig“, kommandierte er „das Krad fertig<br />

machen! Damit fahren wir nach Neustrelitz!“<br />

In <strong>de</strong>n Nachmittagsstun<strong>de</strong>n fuhren zwei Feldwebel und <strong>de</strong>r Oberleutnant auf <strong>de</strong>n<br />

Bahnsteig in Neustrelitz in Richtung Stellwerk Ntf. Dort trafen sie <strong>de</strong>n Fahrdienstleiter<br />

Görk an. Der Oberleutnant wies sich als Leiter <strong>de</strong>s Sprengzuges aus. Er verlangte <strong>de</strong>n<br />

Bahnhofsvorsteher zu sprechen, doch <strong>de</strong>r hatte bereits das Weite gesucht. Auch Inspektor<br />

Staginsky von <strong>de</strong>r Zugleitung war nirgends mehr zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Der Oberleutnant tobte: „ Was ist hier los? Unser <strong>de</strong>utsches Vaterland steht in höchster<br />

Not! Ich verlange Aufklärung!“ Jetzt musste Paul Görk die Nerven behalten. Der<br />

Oberleutnant zog seinen Dienstrevolver und setzte ihn auf die Brust <strong>de</strong>s Fahrdienstleiters.<br />

Ein Feldwebel brachte seine MPi in Anschlag. In einem Moment <strong>de</strong>r Ruhe war in <strong>de</strong>r Ferne<br />

Geschützdonner zu hören. Die feldgrau Uniformierten horchten auf.<br />

Nach einer kurzen Pause brauste <strong>de</strong>r Oberleutnant wie<strong>de</strong>r auf: „Verschaffen Sie uns<br />

Einfahrt in <strong>de</strong>n Bahnhof!“ Etwas verzweifelt, aber doch selbstsicher antwortete Paul<br />

Görk: „ Versuchen Sie es doch selbst, ohne Lok, ohne Weichensteller, ohne Personal! Alle<br />

haben sich abgesetzt. Soeben ist <strong>de</strong>r Bahnhofsvorsteher abgehauen und hat mir <strong>de</strong>n gesamten<br />

Bahnhof übergeben. Wenn Sie mich erschießen, liegt hier ein toter Eisenbahner,<br />

aber erreicht haben Sie dann doch nichts. Ihr Zug steht dann immer noch an <strong>de</strong>r gleichen<br />

Stelle.“ In diesem Moment schrillte das Telefon. Der Oberleutnant stieß <strong>de</strong>n Fahrdienstleiter<br />

zur Seite und griff selbst zum Telefonhörer:<br />

„ Ja. Was sagen Sie da...?! Die Russen stehen zehn Kilometer vor Neustrelitz...!?!<br />

Danke...“ Die bei<strong>de</strong>n Feldwebel zeigten Nervosität. „ Los, Männer“, kommandierte <strong>de</strong>r<br />

Oberleutnant, „ zurück zum Zug!“ Um Paul Görk kümmerte sich niemand mehr.<br />

Der Leiter <strong>de</strong>s Sprengkommandos bestieg mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Feldwebeln das Krad, das in<br />

schneller Fahrt <strong>de</strong>n Bahnsteig verließ. Den Sprengzug dürften sie nicht mehr erreicht haben,<br />

<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Unteroffizier und <strong>de</strong>r Gefreite waren fluchtartig im Wald verschwun<strong>de</strong>n.<br />

Die Lokbesatzung hängte die Waggons mit <strong>de</strong>m Sprengstoff ab und fuhr in Richtung Fürstenberg<br />

davon. Fahrdienstleiter Görk stand noch längere Zeit unbeweglich im Schaltraum,<br />

seine Glie<strong>de</strong>r begannen zu zittern. Langsam kam wie<strong>de</strong>r Leben in ihn, die Gefahr war vorüber,<br />

die Neustrelitzer Eisenbahnbrücken waren gerettet. Der Sprengzug hatte sein Ziel<br />

nicht erreicht, für ihn blieb das Signal auf Halt.<br />

64<br />

Gerhard Schley

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