69. Jg.-Nr. 135 Winter 2005 - carocktikum.de
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tensee wer<strong>de</strong>n von Neustrelitz aus bedient. Wir haben nur noch die Rangierlok und die ist<br />
nach Drevin unterwegs. Zwei Gleise wer<strong>de</strong>n blockiert. Verschwin<strong>de</strong>n Sie vom Stellwerk,<br />
<strong>de</strong>r Sprengzug könnte für sie gefährlich wer<strong>de</strong>n! Benachrichtigen Sie noch <strong>de</strong>n Kollegen<br />
von <strong>de</strong>r Bahnhofsaufsicht. Auch er soll nach Hause gehen“. Noch einmal kam ein Einspruch<br />
durch die bahneigene Telefonleitung. Paul Görk wur<strong>de</strong> energisch: „ Machen Sie<br />
das, was ich ihnen gesagt habe. Gehen Sie nach Hause in wenigen Stun<strong>de</strong>n ist sowieso alles<br />
aus.“ Er legte <strong>de</strong>n Telefonhörer auf.<br />
Blocka<strong>de</strong> am Kilometerstein 88,7<br />
Aus <strong>de</strong>r Ferne kam schnaufend eine kleine Dampflok heran. Sie schob mehrere Güterwagen<br />
vor sich her. Lokführer und Heizer hatte Wilhelm Schulz nicht über die wahre Absicht<br />
<strong>de</strong>r Mission aufgeklärt, um keine Unruhe aufkommen zu lassen. Kurz hinter <strong>de</strong>r ersten<br />
Weiche ließ er die Rangierlok halten. Er stieg aus und begab sich hinter <strong>de</strong>n letzten<br />
Güterwaggon. Vorher hatte er mehrere Wagen abgelöst. Auf das Gleis legte er mehrere<br />
Hemmschuhe, dann gab er <strong>de</strong>m Lokführer ein Startzeichen für ein schnelles Anfahren.<br />
Der Lokführer öffnete <strong>de</strong>n Regler und gab <strong>de</strong>n Dampf frei. Er glaubte, die Wagen sollten<br />
weiter auf das Gleis geschoben wer<strong>de</strong>n. Dann kam das Haltezeichen kurz darauf ein lautes<br />
Krachen und <strong>de</strong>r letzte Waggon stand quer zum Gleis. An <strong>de</strong>r ersten Weiche krachte es<br />
dann noch einmal. Damit war die Berliner Strecke am Kilometerstein 88,7 von Neustrelitz<br />
nach Berlin blockiert. Als Wilhelm Schulz mit seinen Helfern wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Rangierlok<br />
war, verlangen Heizer und Lokführer Aufklärung. Doch dafür blieb im Moment keine<br />
Zeit. „ Männer, gebt Dampf und damit ab nach Altstrelitz! Unterwegs wer<strong>de</strong> ich euch alles<br />
erklären. So, nun nichts wie weg hier....!“<br />
In Altstrelitz wartete bereits <strong>de</strong>r dortige Fahrdienstleiter auf die Rückkehr <strong>de</strong>r Dampflok.<br />
Drei Gleise waren bereits mit abgestellten Güter- und Personenwagen zugestellt.<br />
Schnell wur<strong>de</strong>n noch einige Waggons von einem Gleis weggeholt und damit auch das vierte<br />
Gleis blockiert. Dann ging es mit <strong>de</strong>r Rangierlok weiter nach Neustrelitz. Hier wur<strong>de</strong><br />
die Rangiergruppe von Paul Görk empfangen: „ Kollegen, wir wollen hoffen, dass wir die<br />
Sprengung <strong>de</strong>r Brücken aufhalten konnten. Auf einigen Gleisen stehen noch verstreute<br />
Wagen. Sammelt diese zusammen und schiebt sie in <strong>de</strong>n Wald. Dann ist für euch alle vorerst<br />
Feierabend...“<br />
„Und Paul, was wird aus dir?“ fragte Wilhelm Schulz. „ Da macht euch mal keine Sorgen.<br />
In ein o<strong>de</strong>r zwei Tagen ist es aus mit <strong>de</strong>m Krieg. Ich halte hier noch für einige Zeit die<br />
Bastion“, war die Antwort. Paul Görk war ein pflichtbewusster Eisenbahner und ans Aufgeben<br />
dachte er im Moment noch nicht. Der Bahnhof wur<strong>de</strong> freigeräumt. Die Lok nahm<br />
noch einmal Wasser und Kohlen und verschwand dann in Richtung Thurow. Der Lokführer<br />
wohnte in Blankensee und wollte so schnell wie möglich bei seiner Familie sein. Ein<br />
Rangierarbeiter leistete <strong>de</strong>m Lokführer Gesellschaft, <strong>de</strong>nn seine Freundin lebte ebenfalls<br />
in Blankensee. Ihre Eltern hatten dort eine kleine Eisengießerei.<br />
„Verschaffen Sie uns Einfahrt in <strong>de</strong>n Bahnhof“<br />
Auf <strong>de</strong>m Waldbahnhof Düsterför<strong>de</strong> traf inzwischen <strong>de</strong>r Sprengzug aus Fürstenberg<br />
ein. Er bestand aus einer kleinen Dampflok, einem Güter- und einem Packwagen.<br />
Im Packwagen befan<strong>de</strong>n sich ein Oberleutnant, zwei Feldwebel, ein Unteroffizier und<br />
ein Gefreiter. Der Sprengzug hielt vor einem kleinen Bahnhofsgebäu<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>m sich sonst<br />
die Bahnhofsaufsicht befand. Der Gefreite stieg aus und begab sich zum Gebäu<strong>de</strong>. „ Hier<br />
ist niemand!“ mel<strong>de</strong>te er <strong>de</strong>m Oberleutnant. „ Dann Weiterfahrt bis zum Stellwerk!“ Diese<br />
Auffor<strong>de</strong>rung galt <strong>de</strong>m Lokführer. Der Regler wur<strong>de</strong> betätigt und <strong>de</strong>r Sprengzug setzte<br />
sich wie<strong>de</strong>r in Bewegung. Auch am Stellwerk rührte sich nichts. Die Fahrt ging noch ein<br />
Stück weiter und en<strong>de</strong>te am Kilometerstein 88,7. Dort stan<strong>de</strong>n die zur Entgleisung gebrachten<br />
Waggons. Der Oberleutnant begann zu toben: „ Diese feigen Vaterlandsverräter!<br />
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