Basler Fasnacht in der Nazizeit (pdf-Dokument) - Seniorweb.ch

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03.07.2014 Aufrufe

Basler Fasnacht während der Nazizeit: ohne Angst vor braunen Fäusten (2) „An der Fasnacht 1933 machte die Basler Mittwoch Gesellschaft den Paragraphen 68 des Strafgesetzbuches von 1872 zum Sujet. Dieser bezieht sich auf polizeiliche Anordnungen im Interesse der öffentlichen Ordnung bei Volksfesten oder ähnlichem. Zuwiderhandlungen konnten mit Bussen bis zu 30 Franken und in Haftnahme bis nach dem Anlass bestraft werden. Dieser war für die Fasnacht vor allem wegen des Umgangs mit Lärmbelästigung zum Thema gemacht worden. Auf der Laterne der BMG erhebt sich dominant hinter einer Reihe von Schlafenden in ihren Betten der drohende Ungeist der Bürokratie mit erhobenen Armen. In der einen Hand hält er eine Nachtkerze und in der anderen das aufgeschlagene Gesetzbuch mit § 68. Die Hand mit dem Gesetzbuch ist mit einem Hakenkreuz-Schmuckbändchen versehen. Obschon dieses Laternenmotiv nicht direkt den Nationalsozialismus thematisiert, fliesst er über das Hakenkreuz ins Thema ein. Er wird offenbar als gleichbedeutend mit Unterdrückung, Polizeiwillkür und Bevormundung verstanden, und satirisch überspitzt mit dem ungeliebten Paragraphen 68 gleichgestellt. Da ein Laternenmotiv allgemein verständlich sein muss, darf angenommen werden dass der Maler Karl (Charles) Hindelang*) darauf baute dass in Basel das Hakenkreuz und Nationalsozialimus negatives Ansehen genossen. Sonst hätte die Pointe mit dem Hakenkreuzbürokraten keine Grundlage.“ (Dorothea Christ/Peter Zepf, Basler Fasnachtslaternen, Friedrich Reinhard Verlag, Basel, 1982, Seite 82) Sehr scharf thematisierte 1933 die Clique Alti Stainlemer den aufkeimenden Nationalsozialismus (und Frontismus). Diese Laterne von Fritz Grogg muss nicht weiter kommentiert werden, da alleine die Beschreibung des dargestellten Motivs ganz klar die Richtung zeigt. Siehe dazu Exkurs zu Laternenkünstler Fritz Grogg nach der Laternenbeschreibung. Laternenbeschreibung: Die Vorderseite ihrer Laterne zeigt einen finsteren Hitler als kaktusähnliche Pflanze aus einem Blumentopf mit der Aufschrift "Crucifera Hitleriensis" wachsen. Seine Arme sind bestachelt und aus seinem Kopf spriesst Eichenlaub. Den linken Arm lässt seine Faust auf den Marxismus (mit Stalinschnauz) niedergehen, der versucht mit Hammer und Sichel die Pflanze im Topf abzusägen. Am selben Arm ist eine Hakenkreuzarmbinde zu sehen, auf der ein Mistkäfer hockt der gerade auf das Hakenkreuz scheisst. Am zum deutschen Gruss erhobenen rechten Arm ist auf die Handfläche "Fascismus" geschrieben. An den Fingern dieser Hand sind Fäden befestigt an der ein eine Schweizer Marionette hängt. Diese Marionette stellt einen kleinen "Frontlerknaben" da, der auf dem Toilettentöpfchen sitzt. In der rechten Hand schwingt das laute Büblein mit weit offenem Maul einen eisernen Besen (in Anspielung auf die Fröntler-Kampfschrift). Die linke Hand hat der Knabe zum Rütlischwur erhoben (der als Aufschrift auch ansatzweise zitiert wird, um die Volkstümelei der Frontisten zu parodieren). Die Ausscheidungen der Bübleins werden mit einer Abwasserröhre aus dem Töpfchen geleitet und sprudeln über eine Duschbrause in den Topf mit der Hitlerpflanze. Die Rückseite der Laterne ist nicht minder deutlich. Mit weit aufgerissenem Reissverschlussmaul steht der Fröntlerknabe breitbeinig da. Er spielt Soldat und hält in der rechten Hand in einem gepanzerten Handschuh ein

<strong>Basler</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong> während <strong>der</strong> <strong>Nazizeit</strong>:<br />

ohne Angst vor braunen Fäusten (2)<br />

„An <strong>der</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong> 1933 ma<strong>ch</strong>te die <strong>Basler</strong> Mittwo<strong>ch</strong> Gesells<strong>ch</strong>aft den Paragraphen<br />

68 des Strafgesetzbu<strong>ch</strong>es von 1872 zum Sujet. Dieser bezieht si<strong>ch</strong> auf<br />

polizeili<strong>ch</strong>e Anordnungen im Interesse <strong>der</strong> öffentli<strong>ch</strong>en Ordnung bei<br />

Volksfesten o<strong>der</strong> ähnli<strong>ch</strong>em. Zuwi<strong>der</strong>handlungen konnten mit Bussen bis zu 30<br />

Franken und <strong>in</strong> Haftnahme bis na<strong>ch</strong> dem Anlass bestraft werden. Dieser war für<br />

die <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong> vor allem wegen des Umgangs mit Lärmbelästigung zum Thema<br />

gema<strong>ch</strong>t worden. Auf <strong>der</strong> Laterne <strong>der</strong> BMG erhebt si<strong>ch</strong> dom<strong>in</strong>ant h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er<br />

Reihe von S<strong>ch</strong>lafenden <strong>in</strong> ihren Betten <strong>der</strong> drohende Ungeist <strong>der</strong> Bürokratie<br />

mit erhobenen Armen. In <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Hand hält er e<strong>in</strong>e Na<strong>ch</strong>tkerze und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en das aufges<strong>ch</strong>lagene Gesetzbu<strong>ch</strong> mit § 68.<br />

Die Hand mit dem Gesetzbu<strong>ch</strong> ist mit e<strong>in</strong>em Hakenkreuz-S<strong>ch</strong>muckbänd<strong>ch</strong>en<br />

versehen. Obs<strong>ch</strong>on dieses Laternenmotiv ni<strong>ch</strong>t direkt den Nationalsozialismus<br />

thematisiert, fliesst er über das Hakenkreuz <strong>in</strong>s Thema e<strong>in</strong>. Er wird offenbar<br />

als glei<strong>ch</strong>bedeutend mit Unterdrückung, Polizeiwillkür und Bevormundung<br />

verstanden, und satiris<strong>ch</strong> überspitzt mit dem ungeliebten Paragraphen 68<br />

glei<strong>ch</strong>gestellt. Da e<strong>in</strong> Laternenmotiv allgeme<strong>in</strong> verständli<strong>ch</strong> se<strong>in</strong> muss, darf<br />

angenommen werden dass <strong>der</strong> Maler Karl (Charles) H<strong>in</strong>delang*) darauf baute dass<br />

<strong>in</strong> Basel das Hakenkreuz und Nationalsozialimus negatives Ansehen genossen.<br />

Sonst hätte die Po<strong>in</strong>te mit dem Hakenkreuzbürokraten ke<strong>in</strong>e Grundlage.“<br />

(Dorothea Christ/Peter Zepf, <strong>Basler</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>slaternen, Friedri<strong>ch</strong> Re<strong>in</strong>hard<br />

Verlag, Basel, 1982, Seite 82)<br />

Sehr s<strong>ch</strong>arf thematisierte 1933 die Clique Alti Sta<strong>in</strong>lemer den aufkeimenden<br />

Nationalsozialismus (und Frontismus). Diese Laterne von Fritz Grogg muss<br />

ni<strong>ch</strong>t weiter kommentiert werden, da alle<strong>in</strong>e die Bes<strong>ch</strong>reibung des<br />

dargestellten Motivs ganz klar die Ri<strong>ch</strong>tung zeigt. Siehe dazu Exkurs zu<br />

Laternenkünstler Fritz Grogg na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Laternenbes<strong>ch</strong>reibung.<br />

Laternenbes<strong>ch</strong>reibung:<br />

Die Vor<strong>der</strong>seite ihrer Laterne zeigt e<strong>in</strong>en f<strong>in</strong>steren Hitler als<br />

kaktusähnli<strong>ch</strong>e Pflanze aus e<strong>in</strong>em Blumentopf mit <strong>der</strong> Aufs<strong>ch</strong>rift "Crucifera<br />

Hitleriensis" wa<strong>ch</strong>sen. Se<strong>in</strong>e Arme s<strong>in</strong>d besta<strong>ch</strong>elt und aus se<strong>in</strong>em Kopf<br />

spriesst Ei<strong>ch</strong>enlaub. Den l<strong>in</strong>ken Arm lässt se<strong>in</strong>e Faust auf den Marxismus (mit<br />

Stal<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>nauz) nie<strong>der</strong>gehen, <strong>der</strong> versu<strong>ch</strong>t mit Hammer und Si<strong>ch</strong>el die Pflanze<br />

im Topf abzusägen. Am selben Arm ist e<strong>in</strong>e Hakenkreuzarmb<strong>in</strong>de zu sehen, auf<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Mistkäfer hockt <strong>der</strong> gerade auf das Hakenkreuz s<strong>ch</strong>eisst. Am zum<br />

deuts<strong>ch</strong>en Gruss erhobenen re<strong>ch</strong>ten Arm ist auf die Handflä<strong>ch</strong>e "Fascismus"<br />

ges<strong>ch</strong>rieben. An den F<strong>in</strong>gern dieser Hand s<strong>in</strong>d Fäden befestigt an <strong>der</strong> e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

S<strong>ch</strong>weizer Marionette hängt.<br />

Diese Marionette stellt e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en "Frontlerknaben" da, <strong>der</strong> auf dem<br />

Toilettentöpf<strong>ch</strong>en sitzt. In <strong>der</strong> re<strong>ch</strong>ten Hand s<strong>ch</strong>w<strong>in</strong>gt das laute Büble<strong>in</strong> mit<br />

weit offenem Maul e<strong>in</strong>en eisernen Besen (<strong>in</strong> Anspielung auf die<br />

Fröntler-Kampfs<strong>ch</strong>rift). Die l<strong>in</strong>ke Hand hat <strong>der</strong> Knabe zum Rütlis<strong>ch</strong>wur erhoben<br />

(<strong>der</strong> als Aufs<strong>ch</strong>rift au<strong>ch</strong> ansatzweise zitiert wird, um die Volkstümelei <strong>der</strong><br />

Frontisten zu parodieren). Die Auss<strong>ch</strong>eidungen <strong>der</strong> Büble<strong>in</strong>s werden mit e<strong>in</strong>er<br />

Abwasserröhre aus dem Töpf<strong>ch</strong>en geleitet und sprudeln über e<strong>in</strong>e Dus<strong>ch</strong>brause<br />

<strong>in</strong> den Topf mit <strong>der</strong> Hitlerpflanze.<br />

Die Rückseite <strong>der</strong> Laterne ist ni<strong>ch</strong>t m<strong>in</strong><strong>der</strong> deutli<strong>ch</strong>. Mit weit aufgerissenem<br />

Reissvers<strong>ch</strong>lussmaul steht <strong>der</strong> Fröntlerknabe breitbe<strong>in</strong>ig da. Er spielt Soldat<br />

und hält <strong>in</strong> <strong>der</strong> re<strong>ch</strong>ten Hand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gepanzerten Hands<strong>ch</strong>uh e<strong>in</strong>


Spielzeuggewehr an wel<strong>ch</strong>es e<strong>in</strong>e S<strong>ch</strong>weizerfahne gebunden ist. Do<strong>ch</strong> anstelle<br />

des eidgenössis<strong>ch</strong>en Kreuzes zeigt sie e<strong>in</strong> weisses Hakenkreuz auf rotem<br />

Grund. Als k<strong>in</strong>dli<strong>ch</strong>e Soldatenkopfbedeckung trägt er e<strong>in</strong>en aus e<strong>in</strong>er Zeitung<br />

gefalteten Papierhut. Die Zeitung ist e<strong>in</strong>e Ausgabe <strong>der</strong> Kampfs<strong>ch</strong>rift <strong>der</strong><br />

Eisernen Besen.<br />

Auf dem Hut sitzt <strong>der</strong> Pleitegeier <strong>der</strong> gerade s<strong>ch</strong>eisst. Der auf den Hut<br />

tropfende S<strong>ch</strong>iss ist mit "Dernier cri" bes<strong>ch</strong>riftet. Um den Hals trägt <strong>der</strong><br />

Fröntlerknabe e<strong>in</strong> S<strong>ch</strong>weizerkreuz-Sabberlätz<strong>ch</strong>en <strong>in</strong> den Landesfarben. Auf<br />

se<strong>in</strong>er kurzen Hose klebt mitten auf dem Hosenstall e<strong>in</strong>e Briefmarke mit<br />

Brustbild von Wilhelm Tell. Der e<strong>in</strong>e Fuss steckt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er S<strong>ch</strong>weizer<br />

Stricksocke, während <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>en deuts<strong>ch</strong>en Stiefel mit Hakenkreuzspore<br />

übergezogen hat.<br />

Exkurs zu Fritz Grogg:<br />

Bemerkenswert ist hierzu ferner, dass <strong>der</strong> ausführende Künstler Fritz Grogg<br />

au<strong>ch</strong> die <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>splaketten von 1936, 1940, 1941/42, 1943, 1944-49, 1952,<br />

1954, 1955, 1957, 1960, 1961 und 1963 gestaltete. Grogg war also dur<strong>ch</strong>aus<br />

e<strong>in</strong> bedeuten<strong>der</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>skünstler, <strong>der</strong> aus se<strong>in</strong>er Ant<strong>in</strong>azihaltung ke<strong>in</strong>en<br />

Hehl ma<strong>ch</strong>te. Au<strong>ch</strong> se<strong>in</strong>e <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>splakette von 1936 zeigt e<strong>in</strong>e grosse Laterne<br />

die als Gesi<strong>ch</strong>t mit <strong>Basler</strong>hut gestaltet ist. Das Gesi<strong>ch</strong>t streckt den als<br />

Zunge gestalteten Baselstab aus dem gr<strong>in</strong>sendem Mund. Das Plakettenmotiv<br />

wurde unter <strong>der</strong> Hand als abs<strong>ch</strong>ätzige Geste gegenüber dem Nationalsozialismus<br />

und dem Dritten Rei<strong>ch</strong> gedeutet. Wer Grogg kannte wusste dass dies nahe lag.<br />

Im selben Jahr (1936) hatte Grogg als Tambour e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung für e<strong>in</strong>e Gruppe<br />

von 100 <strong>Basler</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>stambouren zu e<strong>in</strong>em Auftritt an den Olympis<strong>ch</strong>en<br />

Spielen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> abgelehnt. Pfeifer waren <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> ni<strong>ch</strong>t erbeten, man<br />

wüns<strong>ch</strong>te nur Trommler. Insgesamt waren gerade e<strong>in</strong>mal 54 <strong>Basler</strong> Tambouren zur<br />

Fahrt na<strong>ch</strong> Berl<strong>in</strong> bereit (obs<strong>ch</strong>on e<strong>in</strong>e Wo<strong>ch</strong>e Gratisferien lockte). Die<br />

<strong>Basler</strong> Tambourengruppe weigerten si<strong>ch</strong> bei ihrem Auftritt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> den<br />

verlangten Deuts<strong>ch</strong>en Gruss zu zeigen, was auf diplomatis<strong>ch</strong>er Ebene für<br />

Verstimmung zwis<strong>ch</strong>en Berl<strong>in</strong> und Bern sorgte.“<br />

Dorothea Christ/Peter Zepf, <strong>Basler</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>slaternen, Friedri<strong>ch</strong> Re<strong>in</strong>hard<br />

Verlag, Basel, 1982, Seite 83<br />

Cor<strong>in</strong>a Christen, <strong>Basler</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>splaketten, Basel, 2006, Seite 52<br />

Bundeslade und Verdunkelung<br />

“Im Jahr 1937 sti<strong>ch</strong>t die <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>slaterne <strong>der</strong> <strong>Basler</strong> Bebbi Basel von Max<br />

Sulzba<strong>ch</strong>ner mit ihrer klaren Spra<strong>ch</strong>e hervor. Das Sujet war "Im Bundeslaade"<br />

und handelte von Gesetzeserlassen zu Entrümpelung und Verdunkelung<br />

(Da<strong>ch</strong>böden entrümpeln um die Brandgefahr zu m<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Verdunkelung im<br />

Falle von Bomberangriffen). Während auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite Bundesrat Motta beim<br />

Legen fauler Eier gezeigt wird, s<strong>in</strong>d au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Rückseite die Zustände im<br />

Deuts<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong> thematisiert.<br />

Man sieht e<strong>in</strong>en Käfig voller unglückli<strong>ch</strong>er Gefangener. Davor steht e<strong>in</strong><br />

S<strong>ch</strong>ild mit <strong>der</strong> Aufs<strong>ch</strong>rift "Konzentrationslager" und e<strong>in</strong>e uniformierte Wa<strong>ch</strong>e<br />

mit Gewehr und Hitlers<strong>ch</strong>nurrbart, den Arm zum deuts<strong>ch</strong>en Gruss erhoben. Es<br />

ist bemerkenswert dass bereits 1937 an <strong>der</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong> das Terror<strong>in</strong>strument <strong>der</strong><br />

Konzentrationslager als typis<strong>ch</strong> für die Missstände im deuts<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong><br />

behandelt wurde. Wie gesagt muss e<strong>in</strong> Motiv auf breiter Ebene verstanden<br />

werden, damit es auf <strong>der</strong> Laterne e<strong>in</strong>e Po<strong>in</strong>te ergibt.“


Dorothea Christ/Peter Zepf, <strong>Basler</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>slaternen, Basel, 1982, Seite 91<br />

“In den letzten Jahren vor dem Krieg übte Bern Druck zur Mässigung an <strong>der</strong><br />

<strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong> aus. Die Kantonspolizei war angewiesen auf zu s<strong>ch</strong>arfe Sujets zu a<strong>ch</strong>ten. Dem<br />

entspre<strong>ch</strong>end wandte si<strong>ch</strong> das <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>s-Comité an die <strong>Basler</strong><br />

Cliquen:<br />

"Spielen Sie bitte mit dem nur Fasnä<strong>ch</strong>tlern eigenen Witz unsere lokalen<br />

freundeidgenössis<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>ehnisse aus, aber lassen Sie bitte alle<br />

ausländis<strong>ch</strong>en Ereignisse aus dem Spiel, denn diese Sa<strong>ch</strong>en s<strong>in</strong>d es ni<strong>ch</strong>t<br />

wert, an unserer <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong> ausgespielt zu werden; ganz abgesehen davon dass<br />

Fremde unsere <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong> nie verstehen werden und ev. nur beleidigt s<strong>in</strong>d.<br />

Tra<strong>ch</strong>ten Sie dana<strong>ch</strong>, dass wir unsere <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>, die wir unseren Na<strong>ch</strong>kommen<br />

erhalten wollen, ohne Reklamationen von Seiten <strong>der</strong> Behörden dur<strong>ch</strong>führen<br />

können!"<br />

Zwis<strong>ch</strong>en den Zeilen spri<strong>ch</strong>t aus dieser Mitteilung viel über die Lager<br />

heraus, über den politis<strong>ch</strong>en Druck von Aussen und von Bern und die Besorgnis<br />

dass die <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong> wegen ihres offenbar kritis<strong>ch</strong>en Charakters für kommende<br />

Generationen zur Unkenntli<strong>ch</strong>keit verstümmelt werden könnte (man ahnte ja<br />

damals ni<strong>ch</strong>t, dass die Herrs<strong>ch</strong>aftssituation im Ausland si<strong>ch</strong> b<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>es<br />

Jahrzehnt wie<strong>der</strong> wenden sollte)“.<br />

Arnold S<strong>ch</strong>nei<strong>der</strong>, Verse und Zeedel, publiziert <strong>in</strong> Die <strong>Basler</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>,<br />

Basel, 1985, Seite 298<br />

Roger Jean Rebmann: „Interessant ist im Zusammenhang mit Flü<strong>ch</strong>tl<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Basel au<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Bekanntma<strong>ch</strong>ung <strong>der</strong> Israelitis<strong>ch</strong>en Fürsorge <strong>in</strong> Basel vom 24. Februar 1939.<br />

Sie entstand offenbar unter dem Druck e<strong>in</strong>es Polizeili<strong>ch</strong>en Reglements vom<br />

Januar 1939, wel<strong>ch</strong>es die Bewegungsfreiheit jüdis<strong>ch</strong>er Flü<strong>ch</strong>tl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Basel<br />

stark e<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>ränkte und jedes auffällige Betragen wie lautes Verhalten und<br />

Kritisieren verbot. Im Vorfeld <strong>der</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong> 1939 war s<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>bar die Fur<strong>ch</strong>t<br />

vor politis<strong>ch</strong>em Zündstoff so gross, dass man mit <strong>der</strong>artigen Massnahmen<br />

versu<strong>ch</strong>te Strömungen und Stimmungen e<strong>in</strong>zudämmen, die den deuts<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>barn<br />

reizen konnten. I<strong>ch</strong> me<strong>in</strong>e dass man s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t Angst vor zuviel kritis<strong>ch</strong>er<br />

Stimmung hatte. Die <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong> neigte s<strong>ch</strong>on früher dazu, sol<strong>ch</strong>e Strömungen zu<br />

verstärken (ni<strong>ch</strong>t umsonst fand <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>sturm <strong>der</strong> Reformation <strong>in</strong> Basel<br />

während <strong>der</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>stage 1529 statt)<br />

Das Ausgehverbot galt wohlgemerkt für die Tage an denen <strong>der</strong> Cortège dur<strong>ch</strong><br />

die Stadt zog. Mögli<strong>ch</strong>erweise war die Obrigkeit <strong>in</strong> Sorge, dass Flü<strong>ch</strong>tl<strong>in</strong>ge<br />

e<strong>in</strong>zelne Sujets als allgeme<strong>in</strong>e Parte<strong>in</strong>ahme gegen das Deuts<strong>ch</strong>e Rei<strong>ch</strong><br />

verstanden und dies so weitergaben. Sol<strong>ch</strong>e Verbote wurden kaum erlassen um<br />

die Flü<strong>ch</strong>tl<strong>in</strong>ge und <strong>der</strong>en Empf<strong>in</strong>den zu s<strong>ch</strong>onen. Viel eher s<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>t man<br />

diplomatis<strong>ch</strong>e Unannehmli<strong>ch</strong>keiten gefür<strong>ch</strong>tet zu haben, wenn im Deuts<strong>ch</strong>en<br />

Rei<strong>ch</strong> unerwüns<strong>ch</strong>te Personen an <strong>der</strong> kritis<strong>ch</strong>en <strong>Basler</strong> <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong> abends <strong>in</strong> den<br />

Beizen ihre Regimekritik aus erster Hand <strong>in</strong> ohneh<strong>in</strong> aufgeheizter Stimmung<br />

weitergeben.<br />

Die Weisung <strong>der</strong> Israelitis<strong>ch</strong>en Fürsorge besagte:<br />

"Bekanntma<strong>ch</strong>ung<br />

Für alle Emigranten (<strong>in</strong>tern und extern) wird hiemit für Fastna<strong>ch</strong>tsmontag,<br />

<strong>der</strong> 27. Februar und <strong>Fasna<strong>ch</strong>t</strong>smittwo<strong>ch</strong>, den 1. März 1939 e<strong>in</strong> absolutes<br />

Ausgehverbot am 20 Uhr erlassen. Es wird e<strong>in</strong>e strenge Kontrolle gehandhabt<br />

und Zuwi<strong>der</strong>handlungen gegen diese Ordnung strengstens bestraft. Da die<br />

Emigranten die Eigentümli<strong>ch</strong>keiten des <strong>Basler</strong> Fastna<strong>ch</strong>tsgebräu<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t


kennen, wurde diese Verordnung im Interesse <strong>der</strong> Emigranten selbst erlassen,<br />

da es lei<strong>ch</strong>t zu Diskussionen und Streitigkeiten kommen könnte, die für die<br />

Emigranten die s<strong>ch</strong>limmsten Folgen haben könnten.<br />

Basel, den 24. Februar 1939<br />

Israelitis<strong>ch</strong>e Fürsorge Der Präsident"<br />

Heiko Haumann, A<strong>ch</strong>t Jahrhun<strong>der</strong>te Juden <strong>in</strong> Basel, Basel, 2005, Seite 280<br />

Quelle 45<br />

*) Charles H<strong>in</strong>delang war e<strong>in</strong> bekannter <strong>Basler</strong> Kunstmaler, <strong>der</strong> na<strong>ch</strong> dem Krieg damit beauftragt wurde, neue Kir<strong>ch</strong>enfenster für das <strong>Basler</strong><br />

Münster zu s<strong>ch</strong>affen. Do<strong>ch</strong> dieser mutige Auftrag <strong>der</strong> <strong>Basler</strong> reformierten Kir<strong>ch</strong>geme<strong>in</strong>de – <strong>in</strong> jener Zeit entstanden rund um Basel herum<br />

Kir<strong>ch</strong>en und Kir<strong>ch</strong>enfenster bekannter Ar<strong>ch</strong>itekten und Künstler wie Le Corbusier, Ferd<strong>in</strong>and Léger usw. im Auftrag des elsässis<strong>ch</strong>jurassis<strong>ch</strong>en<br />

römis<strong>ch</strong>-katholis<strong>ch</strong>en Bis<strong>ch</strong>ofs – wurde dur<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>e Volksabstimmung <strong>der</strong> reformierten Geme<strong>in</strong>de abgeblockt. Ins Münster<br />

gelangten zunä<strong>ch</strong>st trostlose graue Fensters<strong>ch</strong>eiben, von denen si<strong>ch</strong> „die Gläubigen ni<strong>ch</strong>t ablenken liessen“. Später holte man die früheren,<br />

zum Teil kaputten Fabrik-Münsters<strong>ch</strong>eiben wie<strong>der</strong> aus dem Keller, die heute no<strong>ch</strong> – teuer repariert - das <strong>Basler</strong> Münster verunzieren. – Die<br />

Entwürfe H<strong>in</strong>delangs s<strong>in</strong>d erhalten geblieben und können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er im S<strong>ch</strong>ulkeller <strong>der</strong> Luzerner Geme<strong>in</strong>de Reiden untergebra<strong>ch</strong>ten<br />

Kunstsammlung wie<strong>der</strong> entdeckt werden. BS

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