Ausgabe April 2012 - Caritas SeniorenHaus Hasborn
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Damals bei Oma und Opa<br />
Zeitzeugen erinnern sich an ihre Großeltern<br />
Notlügen sind erlaubt…<br />
Otto Greck, Gelsenkirchen, Nordrhein‐Westfalen; 1945 –1948.<br />
Nach dem Krieg war es nicht leicht, die Großeltern zu besuchen. Die Straßenbahn<br />
fuhr noch nicht wieder, die Gleise waren zerstört. So mussten meine Eltern,<br />
mein Bruder und ich immer einen langen Fußweg von Gelsenkirchen‐<br />
Horst bis zum Bahnhof Buer‐Süd antreten. Der Zug fuhr nur eine Station bis<br />
Bahnhof Bismark. Von dort aus liefen wir die Bismarkstraße hoch bis zum e‐<br />
hemaligen Marschallbunker, dann rechts um die Ecke das zweite Haus, und<br />
wir waren da. Nach einem Jahr fuhr die Straßenbahn<br />
der Linie 2 wieder über Beckhausen, Buer und Bismark<br />
zum Marschallbunker. Eine Fahrt kostete 50<br />
Pfennig. Samstags und sonntags warteten Oma und<br />
Opa auf einen von uns beiden Jungen. Ich nahm mir<br />
immer die Zeit, sie zu besuchen. Von Oma bekam ich<br />
dann einen Einkaufszettel in die Hand gedrückt und<br />
musste beim Metzger Fleisch und Wurst und beim<br />
Bäcker Brot einholen. Geld bekam ich keins. Oma<br />
war in diesen Geschäften bekannt und zahlte immer<br />
später, wenn in der Zeche Zahltag war. Dort arbeitete<br />
mein Opa.<br />
Als gelernte Köchin hatte Oma früher auf einem großen<br />
Gut gearbeitet. Ihre Küche war weit und breit<br />
bekannt. Weil das Essen bei ihr stets vorzüglich<br />
schmeckte, kam besonders an Festtagen viel Besuch.<br />
Gewöhnlich gingen wir nach dem Essen in den Garten.<br />
Es gab ständig etwas zu tun: Unkraut jäten vor<br />
allem oder umgraben; im Sommer Erdbeeren pflücken<br />
und Salat schneiden. Nach der Gartenarbeit gab mir Oma zwei Mark für<br />
den Konditor, um Gebäck zu holen. Nach dem Kaffeetrinken wiederholte sich<br />
stets das gleiche Ritual. Opa kam zu mir und fragte: „Hat Oma dir schon Fahrgeld<br />
gegeben?“<br />
Ich schüttelte den Kopf und bekam von ihm fünf Mark, für meine Rückfahrt<br />
war das recht großzügig bemessen. „Sag aber nichts der Oma!“ Ich blieb dann<br />
meistens noch bis zum Abend bei den Großeltern, und jedesmal fragte mich<br />
in diesen Nachmittagsstunden nun Oma: „Hat Opa dir schon Fahrgeld gegeben?“<br />
Wieder verneinte ich, erhielt noch einmal fünf Mark und sollte nun<br />
dem Opa nichts verraten.