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■ REPORTAGE<br />
„Du wolltest<br />
Abenteuer…!“<br />
Solo mit <strong>de</strong>r Sumpfkuh – 2. Teil<br />
Mit seiner sechs Meter langen Carina 20 rund um Schwe<strong>de</strong>n, übers Kattegat zum Limfjord.<br />
Hinnerk Weiler verwirklichte mit <strong>de</strong>m Ostsee-Törn einen Traum. Im zweiten Teil<br />
seiner Reise-Reportage kämpft er mit <strong>de</strong>m Vänern-See und <strong>de</strong>m Kattegat. Immer nach<br />
<strong>de</strong>m Motto: Du wolltest Abenteurerurlaub – jetzt beschwer dich nicht!<br />
Einsame Bucht am<br />
Vänern-See<br />
Frustriert ziehe ich die Pinne<br />
heran und falle ab. Vor <strong>de</strong>r<br />
Arneviken drückt <strong>de</strong>r Wind<br />
das Wasser in gut an<strong>de</strong>rthalb<br />
Meter hohen Wellen gegen die<br />
Felsen. Immer wie<strong>de</strong>r springt<br />
<strong>de</strong>r Außenbor<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Wasser.<br />
Nach wenigen Metern bleibt<br />
mir nur umzukehren. Im Schutz<br />
<strong>de</strong>r Felsen setze ich Groß und<br />
Fock. Etwa eine Meile müsste<br />
ich <strong>de</strong>m Fahrwasser folgen.<br />
Beim Blick auf die „Großen“<br />
wer<strong>de</strong> ich neidisch. Vom Wetter<br />
unbeeindruckt stampfen sie<br />
unter Maschine durch die Wellen,<br />
schnurgera<strong>de</strong> nach Südwesten<br />
auf <strong>de</strong>n Wind zu. Ich will<br />
auch in diese Richtung, herrje!!<br />
Wie<strong>de</strong>r nichts, verdammt –<br />
mir ist zum Heulen! Am liebsten<br />
wür<strong>de</strong> ich das Boot auf <strong>de</strong>r<br />
Stelle versenken. Unter <strong>Segeln</strong><br />
komme ich zwar weiter als mit<br />
<strong>de</strong>m Motor, aber die Wellen<br />
schieben mich bald aus <strong>de</strong>m<br />
Tonnenstrich – zum Kreuzen ist<br />
es zu eng. Auch diesen Tag<br />
wer<strong>de</strong> ich abwarten müssen und<br />
morgen einen neuen Versuch<br />
unternehmen. „Es ist nur ein<br />
See, kein Meer“ beruhige ich<br />
mich, aber <strong>de</strong>r Vänern ist elfmal<br />
größer als <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>nsee, und<br />
<strong>de</strong>r Wind hat hier fast dreißig<br />
Meilen freie Fläche.<br />
„Man muss das ja nicht<br />
haben!“ lacht <strong>de</strong>r Skipper <strong>de</strong>r<br />
Brainstorm, als er nach <strong>de</strong>m<br />
gleichen Versuch neben mir am<br />
Felsen festmacht. Ich bin frustriert.<br />
Seit über einer Woche<br />
habe ich gera<strong>de</strong> mal dreißig<br />
Meilen geschafft, und das Wetter<br />
macht nicht <strong>de</strong>n Eindruck,<br />
als wür<strong>de</strong> es sich bessern.<br />
„Extensive low covering Skandinavia“<br />
fasst Radio Stockholm<br />
die Tragödie zusammen. Das<br />
ausgiebige Tief legt sich langsam<br />
auch auf meine Stimmung.<br />
Dabei machte ich mir während<br />
<strong>de</strong>r Planung meiner Tour noch<br />
die größten Sorgen um <strong>de</strong>n<br />
Götakanal. Einhand, dachte ich,<br />
ist die Schleusenarbeit kompliziert.<br />
In <strong>de</strong>n Kammern gibt es<br />
keine Leitern und nichts, woran<br />
Der Götakanal schlängelt sich als „Blaues Band“ durch Schwe<strong>de</strong>n<br />
man festmachen könnte. So<br />
recht wollte ich auch meinem<br />
luftgekühlten Zweitakt-Außenbor<strong>de</strong>r<br />
nicht trauen. Vermutlich<br />
gehörte er schon zur Originalausstattung<br />
<strong>de</strong>s Bootes aus <strong>de</strong>n<br />
Siebzigern. Bei<strong>de</strong>s stellt sich<br />
jedoch schnell als unproblematisch<br />
heraus. Die Schleusenwärter<br />
sind hilfsbereit und nehmen<br />
die Leinen entgegen, <strong>de</strong>r Motor<br />
ist laut, aber schiebt mich friedlich<br />
die weite Strecke durch <strong>de</strong>n<br />
Kanal. Nur lei<strong>de</strong>r benötigt er<br />
mangels Leerlauf in <strong>de</strong>n Schleusen<br />
viel Fingerspitzengefühl.<br />
Aufstoppen be<strong>de</strong>utet: Ausschalten,<br />
Gang umlegen und wie<strong>de</strong>r<br />
starten.<br />
Mit Kanälen, wie ich sie<br />
kenne, ist <strong>de</strong>r Götakanal nicht<br />
zu vergleichen. Als schmales<br />
Band schlängelt das Wasser sich<br />
durch die Fel<strong>de</strong>r und Wiesen.<br />
Die Strecke nach Göteborg ist in<br />
etwas mehr als einer Woche zu<br />
SEEKARTEN<br />
Die schwedischen Seekarten<br />
sind nahezu peinlich genau.<br />
Nicht eingezeichnete Steine<br />
waren nur weit hinter <strong>de</strong>r zwei<br />
Meter Tiefenlinie zu fin<strong>de</strong>n. Ich<br />
hatte große amtliche Karten<br />
benutzt – nicht aus<br />
Geschmacksgrün<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />
weil ich sie gebraucht bekommen<br />
hatte. Die Sportbootkarten<br />
unterschei<strong>de</strong>n sich vom<br />
Inhalt nur durch die Blattschnitte<br />
und beinhalten<br />
Trocken WCs und Nottelefone<br />
auf <strong>de</strong>n Schären. Auf <strong>de</strong>n<br />
Kanalstrecken genügen die<br />
Informationsbroschüren. Neu<br />
sind die Karten am günstigsten<br />
als komplette Sätze zu beziehen<br />
und in je<strong>de</strong>m größeren<br />
Hafen in Schwe<strong>de</strong>n zu ähnlichen<br />
Preisen wie in Deutschland<br />
zu haben.<br />
schaffen. Das Kanalticket beinhaltet<br />
jedoch Liegegebühren für<br />
bis zu fünf Tagen pro Hafen,<br />
das nutze ich reichlich. Es lohnt<br />
sich, diese Zeit in einigen Orten<br />
zu nutzen, um einen Blick hinter<br />
die touristischen Kulissen entlang<br />
<strong>de</strong>s Wassers zu werfen.<br />
Der erste Teil <strong>de</strong>s Kanals<br />
en<strong>de</strong>t im Vätternsee. „Etwas<br />
an<strong>de</strong>res als die Schlei…“,<br />
bemerkt Janna, meine Freundin,<br />
und schließt, als wir auf <strong>de</strong>m<br />
weiten See nach Nor<strong>de</strong>n fahren:<br />
„Warum ist es hier bloß so<br />
leer?“ Nach <strong>de</strong>m ersten Kanalstück<br />
ist sie zu Besuch gekommen.<br />
Neun Tage „Ba<strong>de</strong>urlaub“<br />
an <strong>de</strong>r Nordspitze <strong>de</strong>s Sees stehen<br />
an. Ich ankere vor einem<br />
Campingplatz. Die Zeit verfliegt<br />
zwischen langen Grillaben<strong>de</strong>n<br />
und kleinen Ausflügen auf die<br />
zahlreichen Schären, die <strong>de</strong>nen<br />
an <strong>de</strong>r Ostküste in nichts nachstehen.<br />
Auch zu zweit lässt es<br />
sich an Bord gut aushalten –<br />
nach<strong>de</strong>m sich Jannas Reisegepäck<br />
verteilt hat. Anstelle <strong>de</strong>r<br />
Backbordkoje habe ich vor <strong>de</strong>r<br />
Fahrt einen ausziehbaren Tisch<br />
mit zusätzlichen Staufächern<br />
eingebaut. Der Schlafplatz ist<br />
damit erheblich kürzer. „Wenn<br />
wir um die Welt segeln, will ich<br />
eine richtige Koje!“, merkt sie<br />
eines Abends an.<br />
Mit frischen Erdbeeren und<br />
Vanillejoghurt versuche ich<br />
mich aufzuheitern. Nach <strong>de</strong>r<br />
geselligen Woche trifft mich die<br />
Einsamkeit. Einige Tage vergehen,<br />
bis ich mich wie<strong>de</strong>r umgewöhne,<br />
meine Nu<strong>de</strong>ln nur für<br />
eine Person zu kochen. Der Reisealltag<br />
ist trist. Nach einigen<br />
leichten Gewittern hat <strong>de</strong>r<br />
beständige Ostwind auf Südwest<br />
gedreht. Zwischen riesigen, mit<br />
dichten Wäl<strong>de</strong>rn überzogenen<br />
Hängen kreuze ich mit meinem<br />
winzigen weißen Bötchen <strong>de</strong>m<br />
„Bergfest“ auf <strong>de</strong>m Viken entgegen.<br />
Fast 92 Meter über <strong>de</strong>r<br />
Ostsee hat das „Treppensteigen“<br />
ein En<strong>de</strong>. „Von nun an geht es<br />
bergab“ schreibe ich ins Logbuch.<br />
Ich ahne nicht, dass sich<br />
➣<br />
72 segeln 12/2005<br />
12/2005 segeln 73