02.07.2014 Aufrufe

Download pdf - Segeln-Magazin.de

Download pdf - Segeln-Magazin.de

Download pdf - Segeln-Magazin.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

■ REPORTAGE<br />

Solo<br />

mit <strong>de</strong>r Sumpfkuh<br />

Drei Monate raus aus <strong>de</strong>m Alltag, Horizonte erweitern und mit einem nur<br />

sechs Meter langen Kleinkreuzer quer durch die Ostsee; in Buchten, die<br />

sonst je<strong>de</strong>m Dickschiff verschlossen bleiben. Hinnerk Weiler machte aus<br />

seiner Mini-Carina ein Traumschiff und eroberte mit seiner Sumpfkuh ganz<br />

allein Schären, Götakanal und Kattegat<br />

Sumpfkuhs große<br />

Tour: Mit einer Carina<br />

durch Schwe<strong>de</strong>n<br />

Lautes Kratzen und Bommern<br />

unterm Kiel wecken<br />

mich auf. Ein unsanfter<br />

Schlag, dann wie<strong>de</strong>r nur Kratzen<br />

und dazu eine leichte Krängung.<br />

Hellwach stehe ich Sekun<strong>de</strong>n<br />

später an Deck. Es nieselt, und<br />

es ist kalt. Die Marschalla, die<br />

heute neben mir lag und in <strong>de</strong>ren<br />

Windschatten ich gut aufgehoben<br />

war, muss irgendwann<br />

ankerauf gegangen sein und<br />

dümpelt nun weiter draußen in<br />

<strong>de</strong>r Bucht.<br />

Ungehin<strong>de</strong>rt drückt <strong>de</strong>r Wind<br />

jetzt seitlich auf meine Sumpfkuh<br />

und schiebt sie weiter auf<br />

Grund. Eigentlich sollte er mit<br />

vier bis fünf Windstärken aus<br />

Südost kommen und langsam<br />

auf Südwest drehen. Bei <strong>de</strong>r<br />

Windrichtung bil<strong>de</strong>n die Schären,<br />

die meine Ankerbucht<br />

umgeben, einen guten Schutz.<br />

Im Rigg pfeifen aber etwa sechs<br />

Beaufort aus Ost und daher<br />

direkt zwischen <strong>de</strong>n Felsen hindurch.<br />

Ein Plan muss her:<br />

„Hauptanker klar machen, Vorleine<br />

los und dann – hoffentlich<br />

hält <strong>de</strong>r Heckanker – in die<br />

Bucht ziehen.“<br />

Noch fester auf <strong>de</strong>n Steinen,<br />

die Ankerleine straff gespannt<br />

und zu alle<strong>de</strong>m das Ru<strong>de</strong>r zwischen<br />

<strong>de</strong>n Steinen fest eingeklemmt,<br />

wird mir klar, wie<br />

dumm die I<strong>de</strong>e war. Mit kräftigem<br />

Ziehen ist <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n jetzt<br />

nur noch zu vergrößern. „Small<br />

boat, small problems – kleines<br />

Boot, kleine Probleme“ sagte<br />

einmal ein Freund zu mir. Sechs<br />

Meter lang ist meine Sumpfkuh,<br />

ein „small boat“. Mit einem<br />

Meter Tiefgang, ist das „small<br />

problem“ nur die Überwindung,<br />

mitten in <strong>de</strong>r Nacht bei etwa<br />

zwölf Grad Wassertemperatur<br />

ba<strong>de</strong>n zu gehen und zu schieben.<br />

Eine lange Leine in <strong>de</strong>r<br />

Hand, wate ich an Land. Das<br />

an<strong>de</strong>re En<strong>de</strong> in Luv am Boot<br />

befestigt, lässt es sich ohne mein<br />

Gewicht an Bord langsam wie<strong>de</strong>r<br />

in tieferes Wasser ziehen.<br />

Unruhig zerrt <strong>de</strong>r Wind für <strong>de</strong>n<br />

Rest <strong>de</strong>r Nacht am Schiff.<br />

Autor Hinnerk Weiler im Innern seiner Sumpfkuh: Leben auf<br />

zwei Quadatmetern erfor<strong>de</strong>rt einen guten Stauplan<br />

DIE AUSRÜSTUNG<br />

• Neben <strong>de</strong>n für je<strong>de</strong>s Küstenrevier<br />

üblichen Utensilien<br />

haben sich zwei lange Festmacher<br />

(min<strong>de</strong>stens 20<br />

Meter) in <strong>de</strong>n Schären und<br />

vor allem beim Schleusen<br />

sehr bezahlt gemacht.<br />

• Ein Acht-Kilo-Faltanker mit<br />

fünf Metern Kettenvorlauf<br />

am Heck für das Liegen an<br />

<strong>de</strong>n Felsen und ein ebenso<br />

schwerer Plattenanker am<br />

Bug mit sieben Metern Kette<br />

sorgen auch bei viel Wind in<br />

<strong>de</strong>r Regel für ruhige Nächte.<br />

• In <strong>de</strong>n baumlosen Westschären<br />

sind Schärenanker<br />

wichtiger als auf <strong>de</strong>r Ostseite,<br />

sie sollten aber an Bord<br />

sein.<br />

• Wem schwedisch nicht liegt,<br />

<strong>de</strong>r sollte unbedingt einen<br />

Kurzwellenempfänger dabei<br />

haben, um die <strong>de</strong>utschen<br />

Wettervorhersagen – o<strong>de</strong>r<br />

auch mal Nachrichten –<br />

empfangen zu können. Mit<br />

einem guten Gerät la<strong>de</strong>n<br />

lange Aben<strong>de</strong> bei schlechtem<br />

Wetter auch dazu ein,<br />

<strong>de</strong>m Amateurfunk zu lauschen.<br />

Solche nächtlichen Bä<strong>de</strong>r sind<br />

wohl inbegriffen, wenn man seinen<br />

Traum verwirklichen will,<br />

gehören zum kleinen Abenteuer<br />

einfach dazu. Mein Traum:<br />

„Das gewohnte Leben eine<br />

Weile hinter sich lassen und die<br />

Blickwinkel verschieben.“ Ich<br />

hatte mich entschlossen, mit <strong>de</strong>r<br />

Sumpfkuh, einer sechs Meter<br />

Carina, allein auf großen Törn<br />

zu gehen. Mein Ziel: Schwe<strong>de</strong>n<br />

erkun<strong>de</strong>n. Entlang <strong>de</strong>r Ostküste,<br />

hinauf bis Mem, dann durch <strong>de</strong>n<br />

Götakanal auf die großen Seen<br />

Vänern und Vättern, weiter zur<br />

Westküste und über das Kattegat<br />

nach Dänemark in <strong>de</strong>n Limfjord.<br />

Mit 29 Jahren drei Monate<br />

lang Freiheit erleben: Luxus,<br />

für <strong>de</strong>n ich Job und Wohnung<br />

kündigen musste – er war es<br />

wert.<br />

Vor 24 Tagen habe ich Neustadt<br />

an einem regnerischen und<br />

windstillen Morgen verlassen.<br />

Tiefer im Wasser als sonst,<br />

wirkt die Sumpfkuh beinahe<br />

schwerfällig, fast wie ein Dickschiff.<br />

Ich bin früh unterwegs.<br />

Obwohl in <strong>de</strong>r Neustädter Bucht<br />

an <strong>de</strong>n letzten Wochenen<strong>de</strong>n<br />

schon öfter Segler auftauchten,<br />

liege ich tagsüber allein im sonst<br />

oft überfüllten Hafen in Klint-<br />

➣<br />

30 segeln 11/2005<br />

11/2005 segeln 31


■ REPORTAGE<br />

holm. „Liege wo Du möchtest,<br />

noch haben wir Platz“. En<strong>de</strong><br />

Mai scheint die Saison noch<br />

nicht in Dänemark angekommen<br />

zu sein.<br />

Neue Horizonte will ich<br />

suchen und hinter Klintholm<br />

fangen sie an! Dieser Teil <strong>de</strong>r<br />

Ostsee ist neu für mich. Allein<br />

auf <strong>de</strong>m Wasser, in vollkommener<br />

Freiheit, stellt sich mein<br />

Lebensgefühl schon am vierten<br />

Tag um – Schwe<strong>de</strong>n steht auf<br />

<strong>de</strong>r Karte. Ein Gefühl stellt sich<br />

ein, als erobere man neue Kontinente.<br />

Genauso gut hätte Florida<br />

o<strong>de</strong>r Australien voraus liegen<br />

können.<br />

Der Blick auf die neuen Horizonte<br />

wird jedoch von immer<br />

dichterem Nebel ver<strong>de</strong>ckt, die<br />

Motorengeräusche <strong>de</strong>r Fähren<br />

von Trelleborg nach Travemün<strong>de</strong><br />

und Rostock dringen drohend<br />

über das Wasser. Natürlich<br />

hängt ein Radarreflektor im<br />

Topp. Ich setze jedoch nicht<br />

allzu viel Vertrauen in einige<br />

verwinkelte Bleche und mache<br />

einen Bogen um die Schiffe, wo<br />

immer sie sich vor mir aus <strong>de</strong>m<br />

Nebel lösen.<br />

Etwa zehn Meilen weiter östlich<br />

ist <strong>de</strong>r kleine Hafen Gislövsläge,<br />

eine reizvolle Alternative<br />

zum Industriehafen von<br />

Trelleborg. Im Hafen liegen, wie<br />

schon in Dänemark, fast nur<br />

<strong>de</strong>utsche Yachten und einige<br />

Nie<strong>de</strong>rlän<strong>de</strong>r, die sich schon<br />

jetzt aufmachen, um <strong>de</strong>n Sommer<br />

an Bord in Schwe<strong>de</strong>n zu<br />

verbringen. Wenige sind mit<br />

festem Ziel unterwegs, die meisten<br />

bummeln die Küste hinauf<br />

und wie<strong>de</strong>r herunter und<br />

genießen das Leben unter<br />

<strong>Segeln</strong>. Mit <strong>de</strong>m Kassieren im<br />

Hafen verdient Fanny sich ein<br />

wenig Geld neben <strong>de</strong>r Schule.<br />

„Das ist meistens so“, lächelt<br />

sie, als ich gestehe keine einzige<br />

schwedische Krone zu besitzen.<br />

„Du kannst mir Euro geben,<br />

aber ich gebe dir Kronen<br />

zurück.“<br />

Ich war noch nie an <strong>de</strong>r<br />

schwedischen Südostküste. Die<br />

Kaum eine traumhafte Ankerbucht bleibt einem mit <strong>de</strong>m Kleinkreuzer versperrt<br />

DER STAUPLAN<br />

DAS BOOT<br />

Die Carina (6x2,1x0,9 Meter) ist<br />

als Anfängerboot für kleine<br />

Crews o<strong>de</strong>r Einhand-Segler i<strong>de</strong>al.<br />

Ungerefft unter Groß und Fock<br />

(etwa 20m 2 Segelfläche) lässt<br />

sich das Boot bis zu sechs Windstärken<br />

gut manövrieren. Allerdings<br />

bewirken <strong>de</strong>r steife Riss<br />

und <strong>de</strong>r hohe Ballast im Kiel an<br />

<strong>de</strong>r Kreuz und bei kurzen und<br />

steilen Wellen ein schnelles Feststampfen<br />

und großen Wen<strong>de</strong>winkel.<br />

Gegen Starkwind und<br />

Wellen ist <strong>de</strong>r kleine 4PS Außenbor<strong>de</strong>r<br />

dann ebenfalls machtlos.<br />

Der geringe Tiefgang ermöglicht<br />

das Auskundschaften von Routen<br />

jenseits <strong>de</strong>r betonnten Fahrwasser<br />

und eröffnet so einsame<br />

Nächte in <strong>de</strong>n Schären.<br />

flachen Sandsträn<strong>de</strong> und das<br />

weite Land unterschei<strong>de</strong>n sich<br />

kaum von Schleswig-Holstein.<br />

Um meine Erwartungen so<br />

wenig wie möglich von Eindrücken<br />

an<strong>de</strong>rer Leute beeinflussen<br />

zu lassen, lese ich in<br />

<strong>de</strong>n Hafenführern nur soweit,<br />

wie es nötig ist, um <strong>de</strong>n nächsten<br />

Hafen auszusuchen. Einiges<br />

„Schöne“ habe ich<br />

dadurch nicht angesteuert,<br />

aber dafür keinen Tag damit<br />

verloren, mich auf einen Ort<br />

zu freuen, an <strong>de</strong>m ich erst<br />

übermorgen ankommen wer<strong>de</strong>.<br />

In kräftigem Westwind rollen<br />

an<strong>de</strong>rthalb Meter hohe steile<br />

Ostseewellen die Küste entlang.<br />

Mit ausgebaumter Genua<br />

und Großsegel fegt die sonst<br />

eher gemütliche Sumpfkuh mit<br />

über sechs Knoten Fahrt ostwärts.<br />

Am Leuchtturm Sandhammaren<br />

geht es nach Nor<strong>de</strong>n<br />

weiter. Die Reling zieht<br />

immer öfter durchs Wasser.<br />

Das Boot ist in <strong>de</strong>n Böen mit<br />

voller Besegelung kaum noch<br />

zu halten. „Der richtige Zeitpunkt<br />

zum Reffen ist, wenn<br />

man zum ersten Mal daran<br />

<strong>de</strong>nkt“ heisst es. Jetzt ist es<br />

reichlich spät dafür. Mit einer<br />

Starkwindwarnung vor Böen<br />

bis acht Windstärken überzeugt<br />

mich Radio Stockholm<br />

nach Simrishamn einzulaufen.<br />

Zwei Tage verbringe ich meist<br />

unter Deck, während es im<br />

Rigg heult und pfeift. Dank<br />

Stromanschluss und Heizspirale<br />

ist es drinnen angenehm<br />

warm, und es bleibt trotz Regen<br />

trocken. Zeit um es gemütlich<br />

zu machen, mit Petroleumlaterne<br />

und heißer Schokola<strong>de</strong><br />

vom Spirituskocher.<br />

Mit <strong>de</strong>r Sonne ist auch je<strong>de</strong>r<br />

Anflug von Sommer verschwun<strong>de</strong>n.<br />

Unter Deck steigt<br />

das Thermometer nur noch auf<br />

etwa zehn Grad. Draußen<br />

„Die Reling zieht durchs Wasser, das<br />

Boot ist in <strong>de</strong>n Böen kaum zu halten“<br />

trage ich beim <strong>Segeln</strong> Handschuhe,<br />

Schal und Norwegerpullover<br />

unter meinem<br />

Ölzeug. Es ist Juni!<br />

Der Hafen auf Hanö ist jetzt<br />

noch ein idyllischer, verlassener<br />

Ort mit wenigen Touristen.<br />

Die Häuser <strong>de</strong>r kleinen Siedlung<br />

wirken gepflegt, aber bei<br />

näherem Hinsehen erkennt<br />

man, dass sie zum größten Teil<br />

leer stehen. Anfang <strong>de</strong>r 50-er<br />

Jahre lebten hier noch 250<br />

Einwohner, 2002 war ihre<br />

Zahl auf 31 gesunken. Überwiegend<br />

Künstler, die <strong>de</strong>n<br />

kleinen Ort liebevoll für die<br />

Touristen pflegen.<br />

Mit Hanö beginnt das<br />

Schwe<strong>de</strong>n, das ich mir vorgestellt<br />

hatte. Rote und gelbe<br />

Holzhäuser auf schroffen kleinen<br />

Felsen und Inseln, auf<br />

<strong>de</strong>nen Na<strong>de</strong>lbäume, Gräser<br />

und Moose wachsen.<br />

Hier beginnen auch die<br />

ersten Schärenfahrwasser, auf<br />

die ich mich so gefreut habe<br />

und für die ein Kleinkreuzer<br />

wie meine Sumpfkuh mit<br />

ihrem geringen Tiefgang ein-<br />

➣<br />

15% Rabatt auf ausgewählte<br />

Produkte bis 31. Januar 2006.<br />

Bitte nehmen Sie<br />

mit Ihrem örtlichen<br />

SailPoint Kontakt auf.<br />

32 segeln 11/2005<br />

11/2005 segeln 33


■ REPORTAGE<br />

ONSHORE<br />

2005<br />

JUST SAIL<br />

fach i<strong>de</strong>al ist. Begleitet von<br />

dicken Regentropfen laufe ich<br />

in Karlskrona ein. Die eilig über<br />

das Cockpit gespannte Persenning<br />

gibt an Tagen wie diesen<br />

zusätzlichen Lebensraum, ohne<br />

<strong>de</strong>n es auf etwa zwei Quadratmetern<br />

Wohnraum bald eng<br />

wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Der Wetterbericht<br />

droht wie<strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n<br />

Wind um sieben Windstärken<br />

und Sturmböen an. Drei<br />

Tage lang locken kurze windstille<br />

Sonnenmomente zum<br />

Bummeln in die Stadt, und kräftige<br />

gewittrige Schauer machen<br />

keine Lust aufs Weiterfahren.<br />

In Schwe<strong>de</strong>n nahen die Sommerferien,<br />

und die Schulabgänger<br />

wer<strong>de</strong>n gefeiert. Überall in<br />

<strong>de</strong>r Stadt sind Autos mit<br />

geschmückten Anhängern unterwegs,<br />

meist steht ein Sessel darauf,<br />

auf <strong>de</strong>m sich stolze Abiturienten<br />

durch die Strassen fahren<br />

lassen. Gegenüber <strong>de</strong>r Sumpfkuh<br />

macht ein Motorboot fest, ebenso<br />

geschmückt. „Liza“ steht in<br />

großen Buchstaben auf eine<br />

Papptafel gemalt am Bugkorb.<br />

„Meine Tochter; ich bin sehr<br />

stolz auf sie.“ berichtet <strong>de</strong>r Skipper<br />

und zeigt auf das Schild.<br />

Die Trendmeldungen im Wetterbericht<br />

lassen vornehmlich<br />

Wind aus nordöstlichen Richtungen<br />

erwarten. Vor <strong>de</strong>r sandigen<br />

und flachen Küste Ölands<br />

vermute ich bei diesem Wind<br />

eine ungemütliche Brandung.<br />

Mein Hafenführer warnt zu<strong>de</strong>m<br />

vor Schwell in <strong>de</strong>n Häfen. Ich<br />

fürchte, mit einem Boot von <strong>de</strong>r<br />

Größe <strong>de</strong>r Sumpfkuh dort nicht<br />

wie<strong>de</strong>r herauszukommen.<br />

Also wähle ich <strong>de</strong>n Weg durch<br />

<strong>de</strong>n Kalmarsund. Doch hier soll<br />

es mir nicht besser ergehen. Mit<br />

über einem Knoten setzt <strong>de</strong>r<br />

Strom zwischen Öland und <strong>de</strong>m<br />

Festland Richtung Sü<strong>de</strong>n – also<br />

voll gegenan. Eine kurze, hohe<br />

See baut sich auf und so geht es<br />

an <strong>de</strong>r Kreuz nur schleppend<br />

voran. Mit <strong>de</strong>m Barometer ist<br />

auch das Thermometer weiter<br />

gefallen – „Morgens bei fünf<br />

Grad in <strong>de</strong>r Kajüte aufgewacht!“<br />

Schärentypisch: Kleine Leuchtürme und viele Seezeichen markieren die Route durch <strong>de</strong>n Steingarten<br />

DIE ROUTE<br />

Die Route <strong>de</strong>r Sumpfkuh:<br />

Start in Neustadt/Holstein,<br />

dann die Ostküste<br />

Schwe<strong>de</strong>ns, durch <strong>de</strong>n<br />

Götakanal, übers Kattegat<br />

in <strong>de</strong>n Limfjord<br />

DREI MONATE FREIHEIT SIND NICHT UMSONST<br />

Wie die Kosten einer längeren<br />

Fahrt aussehen, hängt sehr von<br />

<strong>de</strong>n eigenen Ansprüchen ab.<br />

• Ich habe viel in <strong>de</strong>r Natur<br />

übernachtet und Häfen meist<br />

nur kurz zum Einkaufen angelaufen.<br />

Das schont die Bordkasse.<br />

• Für ein sechs Meter langes<br />

Boot liegen die Hafengebühren<br />

in <strong>de</strong>r Regel um 120<br />

Kronen (etwa 12 Euro). Dafür<br />

sind im Preis oft Duschen,<br />

schreibe ich am 8. Juni ins<br />

Logbuch und weiter „Überall<br />

Kon<strong>de</strong>nswasser, <strong>de</strong>r Spirituskocher<br />

erzeugt zwar Wärme,<br />

aber auch mehr Feuchtigkeit.<br />

Ein Klima wie im November.“<br />

Bei fünf Windstärken aus<br />

Nord kreuze ich auf Kalmar<br />

zu. Morgens um halb acht bin<br />

ich aus Eckenäs ausgelaufen<br />

und schaffe bis halb elf abends<br />

gera<strong>de</strong> mal fünfzehn Meilen<br />

Strecke! Immer wie<strong>de</strong>r<br />

stampft sich das Boot in <strong>de</strong>n<br />

Wellen fest. Erst bei abflauen<strong>de</strong>m<br />

Wind am späten Abend<br />

passiere ich im dritten Anlauf<br />

die Brücke zwischen Kalmar<br />

und Öland. Ein frustrieren<strong>de</strong>r<br />

Tag! Mü<strong>de</strong> und abgespannt<br />

entschließe ich mich, im<br />

immer schwächer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Wind hinter <strong>de</strong>r Kalmarsundquerung<br />

<strong>de</strong>n Anker zu werfen.<br />

Die erste Nacht vor Anker!<br />

Eine herrliche Entschädigung.<br />

Schlagartig zieht am nächsten<br />

Tag <strong>de</strong>r Sommer in<br />

Schwe<strong>de</strong>n ein. In <strong>de</strong>n wenigen<br />

größeren Orten, die ich an<br />

<strong>de</strong>r Küste besuche, sind die<br />

Strassencafés gefüllt und überall<br />

wird bis in die späten<br />

Abendstun<strong>de</strong>n gegrillt. Aber<br />

an solchen Plätzen fühle ich<br />

mich allein. Ich liege lieber in<br />

<strong>de</strong>n zahllosen Naturhäfen <strong>de</strong>r<br />

Strom und, wenn vorhan<strong>de</strong>n<br />

auch die Nutzung von Waschmaschine<br />

und Trockner enthalten.<br />

• Mit <strong>de</strong>n Kanalgebühren sind<br />

auch die Häfen im Kanal<br />

abgegolten. Je<strong>de</strong>r Tag im<br />

Kanal relativiert also die<br />

Kanalgebühren von rund 300<br />

Euro.<br />

• Ohne Boot und Ausrüstung<br />

kostete mich <strong>de</strong>r Törn letztlich<br />

unter 30 Euro pro Tag.<br />

„In 15 Stun<strong>de</strong>n segeln schaffe ich bei<br />

<strong>de</strong>r See gera<strong>de</strong> einmal 15 Seemeilen“<br />

Schären, genieße die Einsamkeit,<br />

die Natur und die warmen<br />

Tage. Häfen laufe ich nur<br />

kurz an, um <strong>de</strong>n Wasserkanister<br />

zu füllen o<strong>de</strong>r einzukaufen.<br />

An <strong>de</strong>n Inseln, an <strong>de</strong>nen<br />

ich anlege, bleibe ich meist<br />

zwei o<strong>de</strong>r drei Nächte. kaum<br />

eine traumhafte Bucht bleibt<br />

einem Kleinkreuzer mit einem<br />

Meter Tiefgang verschlossen.<br />

Und wenn doch etwas passiert,<br />

wie an meinem Ankerplatz im<br />

Schärengarten vor Västervik?<br />

Siehe Anfang… Im Steinparadies<br />

vergehen zwei Wochen<br />

beinahe wie im Fluge, während<br />

ich langsam <strong>de</strong>m Kanal<br />

näher komme und von <strong>de</strong>r<br />

Küste Abschied nehme.<br />

Fast einen Monat nach <strong>de</strong>m<br />

Ablegen in Neustadt liegt die<br />

Sumpfkuh vor <strong>de</strong>m Eingang in<br />

<strong>de</strong>n Götakanal. „Es ist ganz<br />

leicht – auch alleine!“ beruhigt<br />

mich Anna, als ich ihr die<br />

Leinen in <strong>de</strong>r ersten Schleusenkammer<br />

zuwerfe. Die<br />

schweren Holztore schließen<br />

sich hinter mir. Nach zehn<br />

Minuten in tosen<strong>de</strong>m Wasser<br />

fahre ich auf <strong>de</strong>m friedlichen<br />

Kanal. Bis Göteborg sind es<br />

noch 63 Schleusen und über<br />

einhun<strong>de</strong>rt Seemeilen.<br />

Nächste Ausgabe: Durch<br />

<strong>de</strong>n Kanal bis zum Limfjord<br />

■<br />

WALKING ON<br />

SUNSHINE<br />

WESTBAY [3690] terracotta [3690] marine<br />

DETAILS<br />

Handytasche<br />

Einrollbare Kapuze im Kragen<br />

PRORAINER TRADING GmbH - Hamburg<br />

Erhältlich im Fachhan<strong>de</strong>l. Händlernachweis und<br />

Katalog unter www.prorainer.<strong>de</strong><br />

34 segeln 11/2005<br />

11/2005 segeln 35


■ REPORTAGE<br />

„Du wolltest<br />

Abenteuer…!“<br />

Solo mit <strong>de</strong>r Sumpfkuh – 2. Teil<br />

Mit seiner sechs Meter langen Carina 20 rund um Schwe<strong>de</strong>n, übers Kattegat zum Limfjord.<br />

Hinnerk Weiler verwirklichte mit <strong>de</strong>m Ostsee-Törn einen Traum. Im zweiten Teil<br />

seiner Reise-Reportage kämpft er mit <strong>de</strong>m Vänern-See und <strong>de</strong>m Kattegat. Immer nach<br />

<strong>de</strong>m Motto: Du wolltest Abenteurerurlaub – jetzt beschwer dich nicht!<br />

Einsame Bucht am<br />

Vänern-See<br />

Frustriert ziehe ich die Pinne<br />

heran und falle ab. Vor <strong>de</strong>r<br />

Arneviken drückt <strong>de</strong>r Wind<br />

das Wasser in gut an<strong>de</strong>rthalb<br />

Meter hohen Wellen gegen die<br />

Felsen. Immer wie<strong>de</strong>r springt<br />

<strong>de</strong>r Außenbor<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Wasser.<br />

Nach wenigen Metern bleibt<br />

mir nur umzukehren. Im Schutz<br />

<strong>de</strong>r Felsen setze ich Groß und<br />

Fock. Etwa eine Meile müsste<br />

ich <strong>de</strong>m Fahrwasser folgen.<br />

Beim Blick auf die „Großen“<br />

wer<strong>de</strong> ich neidisch. Vom Wetter<br />

unbeeindruckt stampfen sie<br />

unter Maschine durch die Wellen,<br />

schnurgera<strong>de</strong> nach Südwesten<br />

auf <strong>de</strong>n Wind zu. Ich will<br />

auch in diese Richtung, herrje!!<br />

Wie<strong>de</strong>r nichts, verdammt –<br />

mir ist zum Heulen! Am liebsten<br />

wür<strong>de</strong> ich das Boot auf <strong>de</strong>r<br />

Stelle versenken. Unter <strong>Segeln</strong><br />

komme ich zwar weiter als mit<br />

<strong>de</strong>m Motor, aber die Wellen<br />

schieben mich bald aus <strong>de</strong>m<br />

Tonnenstrich – zum Kreuzen ist<br />

es zu eng. Auch diesen Tag<br />

wer<strong>de</strong> ich abwarten müssen und<br />

morgen einen neuen Versuch<br />

unternehmen. „Es ist nur ein<br />

See, kein Meer“ beruhige ich<br />

mich, aber <strong>de</strong>r Vänern ist elfmal<br />

größer als <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>nsee, und<br />

<strong>de</strong>r Wind hat hier fast dreißig<br />

Meilen freie Fläche.<br />

„Man muss das ja nicht<br />

haben!“ lacht <strong>de</strong>r Skipper <strong>de</strong>r<br />

Brainstorm, als er nach <strong>de</strong>m<br />

gleichen Versuch neben mir am<br />

Felsen festmacht. Ich bin frustriert.<br />

Seit über einer Woche<br />

habe ich gera<strong>de</strong> mal dreißig<br />

Meilen geschafft, und das Wetter<br />

macht nicht <strong>de</strong>n Eindruck,<br />

als wür<strong>de</strong> es sich bessern.<br />

„Extensive low covering Skandinavia“<br />

fasst Radio Stockholm<br />

die Tragödie zusammen. Das<br />

ausgiebige Tief legt sich langsam<br />

auch auf meine Stimmung.<br />

Dabei machte ich mir während<br />

<strong>de</strong>r Planung meiner Tour noch<br />

die größten Sorgen um <strong>de</strong>n<br />

Götakanal. Einhand, dachte ich,<br />

ist die Schleusenarbeit kompliziert.<br />

In <strong>de</strong>n Kammern gibt es<br />

keine Leitern und nichts, woran<br />

Der Götakanal schlängelt sich als „Blaues Band“ durch Schwe<strong>de</strong>n<br />

man festmachen könnte. So<br />

recht wollte ich auch meinem<br />

luftgekühlten Zweitakt-Außenbor<strong>de</strong>r<br />

nicht trauen. Vermutlich<br />

gehörte er schon zur Originalausstattung<br />

<strong>de</strong>s Bootes aus <strong>de</strong>n<br />

Siebzigern. Bei<strong>de</strong>s stellt sich<br />

jedoch schnell als unproblematisch<br />

heraus. Die Schleusenwärter<br />

sind hilfsbereit und nehmen<br />

die Leinen entgegen, <strong>de</strong>r Motor<br />

ist laut, aber schiebt mich friedlich<br />

die weite Strecke durch <strong>de</strong>n<br />

Kanal. Nur lei<strong>de</strong>r benötigt er<br />

mangels Leerlauf in <strong>de</strong>n Schleusen<br />

viel Fingerspitzengefühl.<br />

Aufstoppen be<strong>de</strong>utet: Ausschalten,<br />

Gang umlegen und wie<strong>de</strong>r<br />

starten.<br />

Mit Kanälen, wie ich sie<br />

kenne, ist <strong>de</strong>r Götakanal nicht<br />

zu vergleichen. Als schmales<br />

Band schlängelt das Wasser sich<br />

durch die Fel<strong>de</strong>r und Wiesen.<br />

Die Strecke nach Göteborg ist in<br />

etwas mehr als einer Woche zu<br />

SEEKARTEN<br />

Die schwedischen Seekarten<br />

sind nahezu peinlich genau.<br />

Nicht eingezeichnete Steine<br />

waren nur weit hinter <strong>de</strong>r zwei<br />

Meter Tiefenlinie zu fin<strong>de</strong>n. Ich<br />

hatte große amtliche Karten<br />

benutzt – nicht aus<br />

Geschmacksgrün<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />

weil ich sie gebraucht bekommen<br />

hatte. Die Sportbootkarten<br />

unterschei<strong>de</strong>n sich vom<br />

Inhalt nur durch die Blattschnitte<br />

und beinhalten<br />

Trocken WCs und Nottelefone<br />

auf <strong>de</strong>n Schären. Auf <strong>de</strong>n<br />

Kanalstrecken genügen die<br />

Informationsbroschüren. Neu<br />

sind die Karten am günstigsten<br />

als komplette Sätze zu beziehen<br />

und in je<strong>de</strong>m größeren<br />

Hafen in Schwe<strong>de</strong>n zu ähnlichen<br />

Preisen wie in Deutschland<br />

zu haben.<br />

schaffen. Das Kanalticket beinhaltet<br />

jedoch Liegegebühren für<br />

bis zu fünf Tagen pro Hafen,<br />

das nutze ich reichlich. Es lohnt<br />

sich, diese Zeit in einigen Orten<br />

zu nutzen, um einen Blick hinter<br />

die touristischen Kulissen entlang<br />

<strong>de</strong>s Wassers zu werfen.<br />

Der erste Teil <strong>de</strong>s Kanals<br />

en<strong>de</strong>t im Vätternsee. „Etwas<br />

an<strong>de</strong>res als die Schlei…“,<br />

bemerkt Janna, meine Freundin,<br />

und schließt, als wir auf <strong>de</strong>m<br />

weiten See nach Nor<strong>de</strong>n fahren:<br />

„Warum ist es hier bloß so<br />

leer?“ Nach <strong>de</strong>m ersten Kanalstück<br />

ist sie zu Besuch gekommen.<br />

Neun Tage „Ba<strong>de</strong>urlaub“<br />

an <strong>de</strong>r Nordspitze <strong>de</strong>s Sees stehen<br />

an. Ich ankere vor einem<br />

Campingplatz. Die Zeit verfliegt<br />

zwischen langen Grillaben<strong>de</strong>n<br />

und kleinen Ausflügen auf die<br />

zahlreichen Schären, die <strong>de</strong>nen<br />

an <strong>de</strong>r Ostküste in nichts nachstehen.<br />

Auch zu zweit lässt es<br />

sich an Bord gut aushalten –<br />

nach<strong>de</strong>m sich Jannas Reisegepäck<br />

verteilt hat. Anstelle <strong>de</strong>r<br />

Backbordkoje habe ich vor <strong>de</strong>r<br />

Fahrt einen ausziehbaren Tisch<br />

mit zusätzlichen Staufächern<br />

eingebaut. Der Schlafplatz ist<br />

damit erheblich kürzer. „Wenn<br />

wir um die Welt segeln, will ich<br />

eine richtige Koje!“, merkt sie<br />

eines Abends an.<br />

Mit frischen Erdbeeren und<br />

Vanillejoghurt versuche ich<br />

mich aufzuheitern. Nach <strong>de</strong>r<br />

geselligen Woche trifft mich die<br />

Einsamkeit. Einige Tage vergehen,<br />

bis ich mich wie<strong>de</strong>r umgewöhne,<br />

meine Nu<strong>de</strong>ln nur für<br />

eine Person zu kochen. Der Reisealltag<br />

ist trist. Nach einigen<br />

leichten Gewittern hat <strong>de</strong>r<br />

beständige Ostwind auf Südwest<br />

gedreht. Zwischen riesigen, mit<br />

dichten Wäl<strong>de</strong>rn überzogenen<br />

Hängen kreuze ich mit meinem<br />

winzigen weißen Bötchen <strong>de</strong>m<br />

„Bergfest“ auf <strong>de</strong>m Viken entgegen.<br />

Fast 92 Meter über <strong>de</strong>r<br />

Ostsee hat das „Treppensteigen“<br />

ein En<strong>de</strong>. „Von nun an geht es<br />

bergab“ schreibe ich ins Logbuch.<br />

Ich ahne nicht, dass sich<br />

➣<br />

72 segeln 12/2005<br />

12/2005 segeln 73


■ REPORTAGE<br />

das nicht nur auf das Schleusen<br />

beziehen wird.<br />

„Tief 1003 Raum Oslo, vertiefend,<br />

langsam ostziehend“<br />

beginnt <strong>de</strong>r Deutsche Wetterdienst<br />

die Vorhersagen am<br />

Abend in Töreboda. Minuten<br />

später trommelt es auf das Dach<br />

<strong>de</strong>r Sumpfkuh. „Und das soll<br />

man Urlaub nennen…“<br />

schimpft <strong>de</strong>r Norweger auf <strong>de</strong>m<br />

Boot gegenüber und kämpft mit<br />

<strong>de</strong>m Gestänge seiner Kuchenbu<strong>de</strong>.<br />

Ich liege unter <strong>de</strong>r eilig<br />

über <strong>de</strong>n Baum gespannten<br />

Plane und schaue dicken Tropfen<br />

zu, die in Ringen in <strong>de</strong>n<br />

Kanal tauchen. Ereignislos ziehen<br />

einige Regentage dahin, bis<br />

<strong>de</strong>r letzte Tag auf <strong>de</strong>m Götakanal<br />

anbricht. Ich verlasse die<br />

touristisch ausgebaute Expressroute<br />

durch Schwe<strong>de</strong>n. Zwei<br />

Monate nach <strong>de</strong>r Abreise in<br />

Deutschland öffnet sich in<br />

Sjötorp das Tor in <strong>de</strong>n Vänernsee.<br />

Nach <strong>de</strong>n zahllosen kleinen<br />

Orten am Kanal lockt mich<br />

Karlstadt. Jenseits <strong>de</strong>s 59. Breitengra<strong>de</strong>s<br />

ist dort <strong>de</strong>r nördlichste<br />

Hafen <strong>de</strong>r Reise. Ab hier wird es<br />

anstrengend.<br />

Die spärlichen Häfen an <strong>de</strong>r<br />

Nordseite <strong>de</strong>s Vänern sind weniger<br />

auf Besuch eingerichtet.<br />

Kein Problem für <strong>de</strong>n Dänen,<br />

<strong>de</strong>r mit mir in Otterbaken einweht.<br />

Ein Funkgerät für <strong>de</strong>n<br />

Seewetterbericht hat sein Charterboot<br />

nicht, dafür aber eine<br />

Schleusentreppen im Götakanal:<br />

Auch einhand gut zu<br />

bewältigen<br />

Toilette und Dusche an Bord.<br />

Bei <strong>de</strong>r ersten Gelegenheit<br />

verschwin<strong>de</strong> ich, um meinen<br />

Weg nach Nor<strong>de</strong>n fortzusetzen.<br />

Leichter Südostwind – „gemütlicher<br />

geht es nicht nach Karlstadt“<br />

<strong>de</strong>nke ich, bis sich mit leisem<br />

Grollen tiefschwarze Wolken<br />

auf <strong>de</strong>m See ankündigen.<br />

Ein Gewitter jagt das nächste.<br />

Die Sumpfkuh läuft mit fünf bis<br />

sechs Knoten Fahrt durch strukturlose<br />

graue Wän<strong>de</strong> aus Regen.<br />

In einer Hand die Pinne, in <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren die Schot, Kurs irgendwo<br />

um die 330 Grad. In <strong>de</strong>n<br />

Schauern reduziert sich die Sicht<br />

auf wenige Meter. Kurze Zeit<br />

erdrückt <strong>de</strong>r Regen <strong>de</strong>n Wind,<br />

um gleich wie<strong>de</strong>r von einer heftigen<br />

Böe aus an<strong>de</strong>rer Richtung<br />

abgelöst zu wer<strong>de</strong>n. Mal aus<br />

West, mal aus Nordost, dann<br />

wie<strong>de</strong>r aus Südwest. Ohne <strong>de</strong>n<br />

Kurs wesentlich zu än<strong>de</strong>rn, folgt<br />

eine Wen<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren.<br />

„Du wolltest Abenteuerurlaub –<br />

jetzt beschwer dich nicht!“ sage<br />

ich mir immer wie<strong>de</strong>r. Die<br />

Ansteuerung von Karlstadt treffe<br />

ich auf <strong>de</strong>n Kopf und schlüpfe<br />

zwischen die Felsen in<br />

Deckung. An<strong>de</strong>re hatten an diesem<br />

Tag offenbar weniger<br />

Glück als ich. Kurz nach mir<br />

läuft ein schwedischer Schären-<br />

kreuzer in <strong>de</strong>n Hafen ein – <strong>de</strong>n<br />

Mast etwa zur Hälfte gekürzt.<br />

„Ich bin nördlich von Stockholm<br />

und habe nicht einmal Zeit<br />

gehabt, die Passage <strong>de</strong>s 59. Breitengra<strong>de</strong>s<br />

zu fotografieren“<br />

schreibe ich erschöpft abends<br />

ins Logbuch.<br />

Das Wetter bleibt schlecht,<br />

und so sitze ich wie<strong>de</strong>r für einige<br />

Tage fest und lausche <strong>de</strong>m<br />

Heulen <strong>de</strong>s Win<strong>de</strong>s. Dafür ist<br />

<strong>de</strong>r Liegeplatz mit Strom, Wasser<br />

und Dusche im Clubhafen<br />

kostenlos. „Das ist ja wohl das<br />

kleinste Schiff mit <strong>de</strong>utscher<br />

Flagge, das ich hier oben je<br />

gesehen habe“, begrüßt mich<br />

Erwin. Vor 25 Jahren ist er mit<br />

seinem Boot hierher ausgewan<strong>de</strong>rt<br />

und erzählt von seinen<br />

Abenteuern auf See.<br />

Eine lange, hafenlose Landzunge<br />

teilt <strong>de</strong>n Vänern in <strong>de</strong>r<br />

Mitte. In ihrem Schutz trete ich<br />

<strong>de</strong>n mühseligen Weg nach<br />

Sü<strong>de</strong>n an. Von jetzt an steht<br />

überwiegend Kurs Südwest –<br />

gegen <strong>de</strong>n Wind – auf <strong>de</strong>m Reiseplan.<br />

Ich komme kaum vorwärts.<br />

Immer wie<strong>de</strong>r zwingen<br />

mich Wind und Wellen, in <strong>de</strong>n<br />

verlassenen Buchten Schutz zu<br />

suchen, bis ich letztlich ablaufe,<br />

um mich auf <strong>de</strong>r Südseite <strong>de</strong>s<br />

Sees entlang zu hangeln. Ich bin<br />

mü<strong>de</strong>, es wird immer kälter, und<br />

ich fühle in mir die Anzeichen<br />

eines Infektes aufsteigen.<br />

Das Fahrwasser ist zwischen<br />

<strong>de</strong>n Felsen geschützter, und es<br />

geht besser voran, bis ich die<br />

Arneviken erreiche. Hier ist das<br />

Ufer in Lee und <strong>de</strong>r Wind<br />

schiebt hohe Wellen auf die<br />

Steine. Immer wie<strong>de</strong>r aufs Neue<br />

probiere ich auf <strong>de</strong>n Westteil <strong>de</strong>s<br />

Sees zu kommen, aber erst am<br />

dritten Tag schaffe ich <strong>de</strong>n Weg<br />

gegen Wind und Welle durch<br />

das schmale Fahrwasser. Endlich!<br />

Jetzt kommen wie<strong>de</strong>r etliche<br />

Kanalkilometer. Es fällt mir<br />

nicht leicht, <strong>de</strong>n Trollhättekanal<br />

nicht zu mögen. Die Beschreibungen,<br />

die ich gehört hatte,<br />

sprachen von einem tristen Industriekanal.<br />

Der in die Felsen<br />

gesprengte Verlauf hat <strong>de</strong>nnoch<br />

seinen Charme. Auf weiten<br />

Strecken verläuft er durch das<br />

natürliche Flussbett <strong>de</strong>s Göta<br />

Älv, <strong>de</strong>ssen Wasserfälle durch<br />

sechs große Schleusen ersetzt<br />

wur<strong>de</strong>n. Die Industrieschifffahrt<br />

zum Vänern gibt <strong>de</strong>n Ton an.<br />

Das Ambiente ist mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s<br />

Götakanals nicht vergleichbar.<br />

Dennoch fin<strong>de</strong>n sich, zum Beispiel<br />

unterhalb <strong>de</strong>r alten Schleusen<br />

in Trollhätte, gemütliche<br />

Plätze, an <strong>de</strong>nen sich eine Übernachtung<br />

lohnt.<br />

Erst kurz vor Göteborg än<strong>de</strong>rt<br />

sich das Bild. Autobahnen, die<br />

selbst <strong>de</strong>n Lärm meines Außenbor<strong>de</strong>rs<br />

übersteigen, säumen das<br />

Ufer. Bald folgen Industrieanlagen,<br />

und <strong>de</strong>r Kanal wird wirklich<br />

trist.<br />

Ich freue mich auf die Hafenstadt,<br />

bin gespannt auf große<br />

Schiffe, Menschen und die<br />

Lebendigkeit <strong>de</strong>r Einkaufsstraßen.<br />

„Hast du gesehen, wie<br />

traurig das aussieht?“ fragt mich<br />

ein junger Schwe<strong>de</strong> im Yachthafen<br />

in Göteborgs Zentrum. Er<br />

„Ich komme kaum vorwärts. Immer wie<strong>de</strong>r<br />

ringen mich Wind und Wellen nie<strong>de</strong>r“<br />

zeigt <strong>de</strong>n Fluss hinauf. An<br />

einem langen Kai liegen dort<br />

scheinbar vergessen zahllose<br />

Fischkutter und Küstenfrachter.<br />

Zum Teil notdürftig mit Planen<br />

gegen <strong>de</strong>n Verfall be<strong>de</strong>ckt, mit<br />

Schlagseite o<strong>de</strong>r direkt vor <strong>de</strong>r<br />

LEKTÜRE<br />

Sportschiffahrtskarten Göta &<br />

Trollhätte Kanal vom NV-Verlag,<br />

als Ringbuch mit vielen Erläuterungen<br />

zu touristischen Attraktionen<br />

entlang <strong>de</strong>r Strecke.<br />

Auf Schwedisch erscheinen im<br />

„Nautiska Förlag AB“ von C.<br />

Sö<strong>de</strong>rbergh und L.Granath sehr<br />

gute Hafenführer, die auch zahlreiche<br />

Naturhäfen beinhalten.<br />

Sjöwall, Wallhöö, Die Tote im<br />

Götakanal – ist Pflichtlektüre auf<br />

<strong>de</strong>r Kanalstrecke.<br />

www.gotakanal.se (auch in<br />

Deutsch) bietet alle Informationen<br />

über <strong>de</strong>n Kanal<br />

Betonmauer gesunken, rotten sie<br />

vor sich hin. Zeugen einer vergangenen<br />

lebendigen Hafenlandschaft.<br />

Im Yachthafen<br />

herrscht jedoch die quirlige<br />

Betriebsamkeit einer Großstadt.<br />

Zum einen durch <strong>de</strong>n starken<br />

Fährverkehr, zum an<strong>de</strong>ren durch<br />

das ständige Kommen und<br />

Gehen <strong>de</strong>r Yachten.<br />

Die Kräfte regenerieren sich<br />

schnell von <strong>de</strong>r anstrengen<strong>de</strong>n<br />

Zeit auf <strong>de</strong>m Vänern, und auch<br />

die Grippezeichen verschwin<strong>de</strong>n.<br />

Es regnet nicht mehr ununterbrochen,<br />

<strong>de</strong>r Südwestwind<br />

schiebt aber nach wie vor finstere<br />

Gewitterwolken über das<br />

Festland. „Irgendwo hinter einen<br />

Felsen und dort auf gutes Wetter<br />

warten“ empfiehlt mir ein Däne<br />

und zusammen fahren wir weiter<br />

in <strong>de</strong>n kleinen Fischereihafen<br />

nach Styrsö. „Hast Du die Fahne<br />

gesehen, Nordwest! Ich fahre<br />

jetzt!“ weckt er mich vier Tage<br />

später aus meinem Mittagsschlaf<br />

und zeigt auf die schwedische<br />

Flagge über <strong>de</strong>m Hafen. 76<br />

Tage nach <strong>de</strong>m Start in Neustadt<br />

verabschie<strong>de</strong> ich mich von<br />

Schwe<strong>de</strong>n.<br />

Die Reise nach Læsø verläuft<br />

ereignislos und nach einer kurzen<br />

Nacht nutze ich <strong>de</strong>n anhalten<strong>de</strong>n<br />

Wind, um bis nach<br />

Ålborg weiter zu kommen.<br />

Janna kommt noch einmal an<br />

Bord, und drei Tage später, nach<br />

fast drei Monaten, en<strong>de</strong>t die<br />

Reise im Limfjord.<br />

■<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

74 segeln 12/2005<br />

12/2005 segeln 75

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!