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Der weininteressierte Werber Alex<br />
Bernet, in Schaffhausen geboren,<br />
lebt seit 16 Jahren in Deutschland.<br />
Im württembergischen<br />
Obersulm-Willsbach hat er vor drei<br />
Jahren mit drei Partnern die<br />
Weingut Hirth GmbH gegründet.
S w i s s M a d e<br />
W E I N G U T H I R T H<br />
Dem Württemberger Weingut Hirth mangelte es<br />
an Perspektiven. Bis branchenfremde Gesellschafter<br />
einstiegen und nicht nur Geld, sondern auch Ideen<br />
und Konzepte einbrachten.<br />
Te x t : Wo l f g a n g F a s s b e n d e r<br />
F o t o s : N i e l s S c h u b e r t<br />
23 — S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g
Die vier Hirth- Gesellschafter<br />
Alex Bernet<br />
(Marketing), Sibylle Haug<br />
(Geschäfts führerin),<br />
Helmuth Hirth (Vertrieb)<br />
und Roland Hirschmüller<br />
(Finanzen) – ein vom Wein<br />
beseeltes Quartett.<br />
«Wir geben unseren Senf dazu,<br />
auch wenn heute jeder seinen Part macht»<br />
A l e x B e r n e t , S i b y l l e H a u g ,<br />
H e l m u t h H i r t h , R o l a n d H i r s c h m ü l l e r<br />
Deutscher Wein in der Schweiz? «Der ist völlig unterschätzt»,<br />
seufzt Alex Bernet. «Wer kennt da schon Lemberger?»<br />
Und auch die anderen Sorten hätten es nicht gerade<br />
einfach, erklärt der gebürtige Schaffhauser, den es bereits<br />
vor 16 Jahren nach Deutschland zog. Italienische Rote<br />
dagegen? Die gingen blendend in der Eidgenossenschaft.<br />
Spanische Kultweine? Sicher doch – ebenso wie Bordeaux<br />
& Co. Aber die Spezialitäten vom unmittelbaren Nachbarn<br />
im Norden drängen sich den Schweizern halt nicht sofort<br />
auf. Was kaum mit deren Güte, sondern eher mit mangelnden<br />
Erfahrungen, vielleicht aber auch mit den Allgemeingefühlen<br />
gegenüber Deutschland zu tun haben könnte.<br />
Mit politischen Reibereien, Flughafenstreit und der Konkurrenz<br />
auf dem Arbeitsmarkt. Alex Bernets Idee, nach<br />
Stuttgart zu ziehen, sorgte Ende der 1990er jedenfalls für<br />
gemischte Gefühle und Äusserungen, nicht der gesamte<br />
Bekanntenkreis fand sich in Begeisterung zusammen. Doch<br />
der 1967 geborene Werbespezialist liess sich nicht beeindrucken.<br />
Auch deshalb nicht, weil sowohl Schaffhausen<br />
als auch Baden-Württemberg Gegenden mit reichhaltiger<br />
Traubentradition sind. «Eigentlich war ich schon früh am<br />
Wein interessiert», sagt Bernet. Zunächst passiv, später<br />
dann auch aktiv – zumindest in Form weinseliger Gedankenspiele.<br />
«Irgendwann haben wir mal überlegt, Wein<br />
in Spanien zu machen, in kleinem Stil, auf Ibiza.» Eine<br />
Schnapsidee, die schon mangelnder Sprachkenntnisse<br />
wegen nie aus dem rohen Planungsstadium hinausgelangte.<br />
Natürlich auch deshalb nicht, weil die Insel der Traubenträume<br />
viel zu weit weg lag, um mal eben nach dem Rechten<br />
zu schauen und sich konsequent einzubringen.<br />
Sehr viel näher lag hingegen das Weingut Hirth.<br />
«Auf das sind wir irgendwann gestossen», erzählt Bernet.<br />
Auf einen Betrieb mit Tradition, der allerdings gleich zwei<br />
Nachteile auf sich vereinte. Erstens befand er sich in einem<br />
Teil des deutschen Anbaugebietes Württemberg, das von<br />
vielen Fachjournalisten und den meisten Laienkunden<br />
vernachlässigt wird: Der Landkreis Heilbronn ist halt nicht<br />
so populär wie das touristisch bestens erschlossene Remstal.<br />
In Obersulm und Umgebung verfügt man kaum über<br />
Weinberge von überregionaler Bekanntheit, international<br />
ist der Ort nur den allerwenigsten ein Begriff. Und zweitens<br />
stand Inhaber und Önologe Helmuth Hirth im Jahr 2010<br />
vor der Frage, was er künftig anfangen sollte mit dem Betrieb,<br />
den er im Nebenerwerb führte; ein natürlicher Nachfolger<br />
stand nicht bereit. Schon Grossvater Karl hatte hier<br />
Reben gepflegt, Vater Walter begann in den Siebzi gern<br />
des letzten Jahrhunderts mit der Eigenvermarktung – in<br />
einer noch heute stark von den Genossenschaften dominierten<br />
Gegend alles andere als eine Selbstverständlichkeit.<br />
Weitermachen wie bisher wollte Helmuth Hirth, der seine<br />
Brötchen auch mit dem Vertrieb italienischer Weine verdiente,<br />
zwar nicht, ein Verkauf stand aber ebenfalls nie zur<br />
Debatte – Schwaben hängen hartnäckig an ihrer Scholle.<br />
Zukunftsvariante Nr. 3 wurde schliesslich verwirklicht,<br />
S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g — 2 4
S w i s s M a d e<br />
Gutsausschank am kernigen Holztisch:<br />
Neben einem eleganten Pinot Noir, dem wunderbar frischen St. Laurent<br />
gefällt die Spezialität des Guts fast am besten – der Lemberger,<br />
in Österreich als Blaufränkisch bekannt<br />
2011 ROSÉ SEKT BRUT<br />
Weingut Hirth,<br />
Obersulm-Willsbach<br />
Lemberger, Spätburgunder,<br />
Merlot<br />
Sehr jugendliche, frische<br />
Frucht, kaum Hefe, Erdbeeren,<br />
Hauch von Holunder<br />
im Hintergrund, Lemberger<br />
schlägt durch. Saftiger,<br />
süffiger Schaumwein mit<br />
Frische und erfreulicher<br />
Länge, 12 Gramm Dosage<br />
gut eingebunden.<br />
16 / 20 trinken –2015<br />
2012 RIESLING TROCKEN<br />
Weingut Hirth,<br />
Obersulm-Willsbach<br />
Klare, rebsortentypische<br />
Frucht, ganz leicht cremig,<br />
sogar ein Hauch Banane.<br />
Saftig, straff, feine Säure,<br />
kraftvoll, winzige, aber<br />
gut integrierte Süsse im<br />
Nachhall.<br />
16 / 20 2014–2018<br />
2012 AUXERROIS TROCKEN<br />
Weingut Hirth,<br />
Obersulm-Willsbach<br />
Verhaltene Frucht, leicht<br />
cremig. Straff, saftig.<br />
Recht kompakter Stil, viel<br />
Schmelz, derzeit noch<br />
etwas verhalten, abwarten.<br />
16 / 20 2014–2017<br />
2012 CHRONOS CUVÉE WEISS<br />
TROCKEN<br />
Weingut Hirth,<br />
Obersulm-Willsbach<br />
Riesling, Grauburgunder,<br />
Chardonnay<br />
Duftig, leicht hefig,<br />
Blüten, angenehm cre -<br />
miger Eindruck. Straff,<br />
im Nachhall feine, rieslingtypische<br />
Säure, Schmelz,<br />
beachtliche Länge.<br />
17 / 20 2014–2017<br />
2011 ST. LAURENT TROCKEN<br />
Weingut Hirth,<br />
Obersulm-Willsbach<br />
Ein Jahr im grossen Holzfass<br />
ausgebaut<br />
Sehr klare, typische<br />
Rebsortenfrucht, süsse<br />
Kirschen, Hauch Gewürze.<br />
Enorm saftig, Frucht<br />
durch den Schraubverschluss<br />
voll erhalten,<br />
schon jetzt sehr charmant.<br />
16 / 20 trinken –2015<br />
2010 KAIROS CUVÉE ROT<br />
TROCKEN<br />
Weingut Hirth,<br />
Obersulm-Willsbach<br />
Assemblage aus Lemberger<br />
und Dornfelder<br />
Zugängliche Nase, reif,<br />
cremig, mittendrin aber ein<br />
frischer Johannisbeerton.<br />
Saftig, süffig, viel Schmelz,<br />
kraftvoll, aber nicht allzu<br />
komplex.<br />
16 / 20 trinken –2015<br />
2010 LEMBERGER TROCKEN<br />
Weingut Hirth,<br />
Obersulm-Willsbach<br />
Etwa zwei Jahre im neuen<br />
Holz gereift<br />
Betont offene, recht<br />
kühle Frucht, Brombeersaft,<br />
Beerenkompott,<br />
Hauch Maulbeeren. Straff,<br />
pikante Säure, eher schlank<br />
mit festem, recht würzigem,<br />
aber sehr sauberem Tannin.<br />
17 / 20 trinken –2019<br />
2010 SPÄTBURGUNDER<br />
TROCKEN<br />
Weingut Hirth,<br />
Obersulm-Willsbach<br />
Zwei Jahre in gebrauchten<br />
Barriques<br />
Gereift kühle, typische<br />
Pinot-Frucht mit Noten<br />
von Kirschen, rote Johannisbeeren,<br />
gequetschte<br />
Kirschen, frischer Holunder,<br />
später ein Hauch Milchschokolade.<br />
Saftig, straff,<br />
tolle, pikante Säure,<br />
süffiger Nachhall.<br />
17 / 20 trinken –2018<br />
25 — S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g
S w i s s M a d e<br />
mit auswärtigen Investoren und ganz gegen den Trend<br />
der Zeit. «Es ist nicht üblich, dass für ein Weingut eine<br />
GmbH gegründet wird», philosophiert Alex Bernet, einer<br />
der heute vier Gesellschafter. Zusammen mit Altwinzer<br />
Hirth, dem Banker Roland Hirschmüller und der Steuerfachwirtin<br />
Sibylle Haug wagte er den Versuch. Ohne sich<br />
von Nachteilen und Herausforderungen ins Bockshorn jagen<br />
zu lassen – und im vollen Bewusstsein der Tatsache, dass<br />
mangelnde Bekanntheit durch kluge Konzepte und verstärkte<br />
Marketingbemühungen ersetzt werden musste.<br />
«Heute macht jeder seinen Part», erklärt Alex Bernet<br />
die nun im vierten Jahr funktionierende Aufteilung der<br />
Zuständigkeiten. Sibylle Haug kümmert sich um die Steuer<br />
(und fungiert als Geschäftsführerin), Banker Hirschmüller<br />
weiss genau, wie man am klügsten investiert, und Alex<br />
Bernet ist vor allem fürs Marketing zuständig und sicher<br />
mit dafür verantwortlich, dass eine aussergewöhnlich<br />
informative und gleichzeitig schicke Website online ging.<br />
Strategische Entscheidungen werden gemeinsam getroffen,<br />
ohne Kellermeister Frank Kayser und Aussenbetriebsleiter<br />
Gebhard Steng aussen vor zu lassen. Und entschieden werden<br />
musste gleich am Anfang eine Menge. Zum Beispiel<br />
die Frage der biologischen Bewirtschaftung – die war<br />
schon vor GmbH-Gründung begonnen worden, und die<br />
wurde auch ab 2010 entschieden fortgeführt. «Wir wollen<br />
aber nicht ausdrücklich Biowein verkaufen», sagt Bernet,<br />
«sondern einen Topwein machen.» Weil die vorhandene<br />
Rebfläche nicht ausreichte, wurden allerlei Parzellen aus<br />
der Nachbarschaft dazuerworben – an Gewinn war zunächst<br />
auch aus diesem Grunde nicht im entferntesten<br />
zu denken. Und als dann auch noch der mengenmässig<br />
deprimierend kleine Jahrgang 2010 dazukam, sah sich<br />
das neu erfundene Weingut schon am Anfang ausgebremst.<br />
Ob die Sache auf Ibiza nicht leichter zu handhaben gewesen<br />
wäre?<br />
Doch für Zweifel war keine Zeit, ans Aufgeben dachte<br />
keiner, und wer die malerische Lage des Weinguts gesehen,<br />
wer einmal den jeweils sechs Tage zu Beginn eines Monats<br />
S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g — 26
«Irgendwann haben wir mal überlegt,<br />
Wein in Spanien zu machen,<br />
in kleinem Stil,<br />
auf Ibiza – eine Schnapsidee»<br />
A l e x B e r n e t<br />
Wer die malerische Lage des<br />
Weinguts gesehen, wer einmal<br />
den Gutsausschank erlebt hat,<br />
versteht die Begeisterung der<br />
Inhaber. Blick ins Weinsbergtal,<br />
auf die 12 Hektaren des Gutes.<br />
27 — S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g
S w i s s M a d e<br />
Im Hirth-Keller setzt Frank Kayser,<br />
aufgewachsen im südlichen Baden,<br />
die Grundprinzipien in Wein um.<br />
«Wir beschränken uns<br />
auf trockene Weine, machen aber<br />
auch einen Rosé-Sekt»<br />
S i b y l l e H a u g<br />
SHORT FACTS<br />
WEINGUT HIRTH<br />
ADRESSE Rebhof 1,<br />
D-74182 Obersulm-Willsbach<br />
FON +49 713 45 36 94 54<br />
INTERNET<br />
www.weinguthirth.de<br />
INHABER Weingut Hirth GmbH<br />
(Alex Bernet, Sibylle Haug,<br />
Helmuth Hirth und<br />
Roland Hirschmüller)<br />
GESCHÄFTSFÜHRER Sibylle Haug<br />
KELLERMEISTER Frank Kayser<br />
REBLAND 9 Hektaren<br />
PRODUKTION<br />
40 000 Flaschen<br />
ÜBERNAHME 2010<br />
REBSORTEN Riesling,<br />
Auxerrois, Grauburgunder,<br />
Weissburgunder (weiss);<br />
St. Laurent, Lemberger,<br />
Spätburgunder, Schwarzriesling,<br />
Dornfelder,<br />
Merlot (rot)<br />
geöffneten Gutsausschank erlebt hat, der versteht die Dauerbegeisterung<br />
der neuen und alten Inhaber. Zumal inzwischen<br />
auch die Weinführer Notiz genommen haben von<br />
jenen Abfüllungen, die verblüffend modern wirken im ehrwürdigen<br />
Ländle. Lagennamen sucht man auf den Etiketten<br />
vergeblich, die Rebsorten werden nur teilweise genannt,<br />
und flüssige Süssigkeiten wie Trockenbeerenauslesen oder<br />
Eisweine überlässt man der Konkurrenz. «Wir beschränken<br />
uns auf trockene Weine», erklärt Geschäftsführerin<br />
Sibylle Haug. Im Keller setzt Frank Kayser, aufgewachsen<br />
im südlichen Baden und zum Glück von den althergebrachten<br />
Württemberger Gegebenheiten völlig unbeleckt,<br />
die Grundprinzipien in Wein um, lässt den Riesling im<br />
Stahltank zu einer kühlen Fruchtigkeit heranreifen («der lag<br />
bis einen Tag vor der Abfüllung auf der Feinhefe»), assembliert<br />
Grauburgunder und Chardonnay mit Riesling, um<br />
dem Schmelz etwas Frische hinzuzufügen. Sind die Cuvées<br />
fertig, werden die Gesellschafter zur Verkostung geladen.<br />
«Wir geben unseren Senf dazu», sagt Alex Bernet. Dass<br />
die Weissweine frisch daherkommen, ohne langweilig zu<br />
sein, dass die rote Cuvée namens Kairos saftig wirkt, ohne<br />
vom Holz erschlagen zu werden, ist sicher ein Verdienst<br />
des gesamten Teams. Fast am besten gefällt allerdings,<br />
neben dem eleganten Pinot noir, neben dem mit Schraubverschluss<br />
gefüllten wunderbar frischen St. Laurent, ein<br />
Wein, der typischer für Württemberg nicht sein könnte.<br />
Nein, die Rede ist mitnichten vom Trollinger, der Württemberger<br />
Brot-und-Butter-Rebe. Als Spezialität Nr. 1 gilt<br />
im Hirth’schen Weingut vielmehr der Lemberger, also<br />
jene Sorte, die in Österreich als Blaufränkisch bekannt<br />
und dort zum Exportschlager wurde. Bis sein Württemberger<br />
Pendant international ähnlich populär wird, dürfte<br />
es noch dauern, bislang steht deutscher Lemberger völlig<br />
im Schatten von Riesling und Spätburgunder. Zumindest<br />
der 2010er aus dem Weingut Hirth hätte aber reichlich<br />
Bekanntheit verdient; trotz Reifung in neuen Barriques<br />
wirkt er nicht holzig-plump, sondern finessenreich und<br />
sogar leicht mineralisch.<br />
Einen Importeur in der Schweiz habe man allerdings<br />
noch nicht, bedauert Alex Bernet und klingt dabei so,<br />
als würde er diese Tatsache selbst nicht so ganz verstehen.<br />
Sollte sich einer finden, täte der allerdings gut daran, auch<br />
den Hirth-Rosé-Sekt zu listen. «Eigentlich ist es unser Ziel,<br />
den aus Schwarzriesling zu keltern», sagt Frank Kayser.<br />
Im Jahr 2011 machten freilich Spätfröste einen Strich<br />
durch die Rechnung, ersatzweise wurden Spätburgunder,<br />
Merlot und Lemberger kombiniert. Wie Champagner<br />
schmeckt das Resultat nicht – dazu fehlt die hefige Fülle –,<br />
wie Württemberg auf die moderne Art aber durchaus,<br />
sogar der Lemberger ist herauszuschmecken. Wäre ja gelacht,<br />
wenn so was nicht bald Liebhaber in Zürich, Basel, in<br />
St. Gallen und natürlich in Schaffhausen fände. Echte Weintrinker<br />
lassen sich ja politischer Meinungsverschiedenheiten<br />
halber nie vom Wesentlichen ablenken.<br />
S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g — 28