Ecclesia semper reformanda - Schw. StV
Ecclesia semper reformanda - Schw. StV
Ecclesia semper reformanda - Schw. StV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Lebensformen in kleinen Schritten und riesigen<br />
Zeiträumen. Evolution war als Begriff<br />
dafür bereits bekannt. Darwin formulierte<br />
sie aber erstmals als umfassende Theorie<br />
mithilfe zahlloser empirischer Daten von<br />
seiner Reise, von seiner Forschertätigkeit<br />
und von gut 2000 weiteren Naturforschern<br />
der ganzen Welt. Er fasste sie 1859 zusammen<br />
in seinem Hauptwerk «The Origin of<br />
the Species». Da heute viele Leute über Darwin<br />
reden, ohne auch nur eine seiner Publikationen<br />
gelesen zu haben, fassten wir in<br />
unserem Bericht dieses Buch wie auch sein<br />
Werk «The Descent of man» (1871) zusammen.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Foto: zVg<br />
<br />
Das wichtigste Postulat Darwins war, dass<br />
alle Lebewesen als Individuen variieren,<br />
dass es eine Auswahl (Selektion) der für die<br />
Fortpflanzung geeignetsten Varianten (Fitness)<br />
gibt, und dass die Merkmale dieser erfolgreichen<br />
Individuen vererbt und wiederum<br />
variiert werden. Die Auswahl kann als<br />
«natürliche Selektion» von der chemischphysikalischen<br />
Umwelt und anderen Lebewesen<br />
getroffen werden, als «künstliche Selektion»<br />
durch die Tier- und Pflanzenzucht<br />
des Menschen oder als «sexuelle Selektion»<br />
durch das andere Geschlecht. Durch die stetige<br />
Abfolge von Variation, Selektion und<br />
Vererbung kommt es in kleinen Schritten<br />
langsam zu Veränderungen und Varietäten<br />
innerhalb von Arten, bis eine Kreuzung mit<br />
der Ausgangspopulation nicht mehr möglich<br />
und damit eine neue Art entstanden<br />
ist. Durch diese Vorgänge im Sinne eines<br />
Kontinuums passten sich Lebewesen an<br />
ihre Umwelt und mittels Koevolution an das<br />
Zusammenleben mit anderen Organismen<br />
perfekt an und erreichten einen immer höheren<br />
Grad von Komplexität. Ein Ziel liegt<br />
diesen Prozessen aber nicht inne und das<br />
noch von Aristoteles stammende Zweckdenken<br />
in der Natur (Teleologie) wurde von<br />
Darwin zugunsten einer ziellosen Ereignisoffenheit<br />
radikal verworfen. Er wusste<br />
allerdings nicht, warum die Individuen variieren,<br />
denn die Genetik war damals noch<br />
nicht bekannt. Diese wurde erst im 20. Jahrhundert<br />
mit der Molekularbiologie und der<br />
Entdeckung der DNA als Genmaterial erarbeitet,<br />
womit Darwins Hypothese bestätigt<br />
wurde. Die Variationen entstehen aufgrund<br />
verschiedenartiger Mutationen im Erbgut<br />
und durch Rekombination von Genen bei<br />
der geschlechtlichen Zellteilung. Bbr. Werner<br />
Schönenberger v/o Serio rekapitulierte<br />
diese biochemischen Vorgänge in unserem<br />
Bericht allgemeinverständlich auch für<br />
Nicht-Naturwissenschaftler.<br />
Der Darwin‘sche Forschungsansatz<br />
wird heute aber auch in der Medizin und in<br />
der pharmakologischen Forschung und sogar<br />
in der Informatik angewandt. Die Bundesbrüder<br />
Hans Widmer v/o Chieme, Markus<br />
Schmid v/o Ferment und Martin Fussen<br />
v/o Monty berichteten aus den Ringvorlesungen<br />
und aus der NFG-Literatur über<br />
evolutionäre Produktion von Antikörpern<br />
zur Krebstherapie, über die Abwehrmassnahmen<br />
gegen mutierende Viren und über<br />
Lösungsfindungen in der Informatik mithilfe<br />
genetischer Algorithmen.<br />
<br />
Variationen sowie Selektion erfolgreicher<br />
Formen fand man aber auch bei komplexeren<br />
chemischen Verbindungen. Es wird<br />
daher eine der Entstehung des Lebens auf<br />
der Erde vorangegangene chemische Evolution<br />
angenommen, die innerhalb etwa einer<br />
Milliarde von Jahren zur Bildung lebender<br />
Zellen in einer sauerstofflosen, reduzierenden<br />
Atmosphäre geführt haben müsste. Der<br />
Beginn der Zellbildung aus replikativen<br />
und Protein codierenden Substanzen RNA/<br />
DNA zusammen mit stoffwechselaktiven<br />
Energielieferanten ist heute im Verbund mit<br />
Chaostheorien ein intensives Forschungsgebiet<br />
zur Entstehung von Leben. Bbr.<br />
Christian Winiger v/o Protego fasste die<br />
Ringvorlesungen zu diesem Themenbereich<br />
zusammen und Bruno Krummenacher v/o<br />
Joy berichtete über eine NGZ-Publikation<br />
zum noch immer ungenügenden Verständnis<br />
der Chemie für die Prozesse in lebenden<br />
Systemen.<br />
<br />
Die Evolutionslehre hat aber auch geholfen,<br />
Licht in das Leben höherer Organismen<br />
zu werfen. Der von Bakterien produzierte,<br />
eigentlich toxische Sauerstoff konnte von<br />
anderen Einzellern zur Energieproduktion<br />
verwendet werden und wiederum andere<br />
Bakterien erfanden mit der Photosynthese<br />
die Umwandlung von Sonnenlicht in Energie.<br />
Diese Spezialisten wurden nach der<br />
Endosymbiosetheorie in andere Zellen integriert.<br />
Seither dienen sie einerseits als Mitochondrien<br />
mit eigenem Erbgut den Tieren<br />
zur Sauerstoffverwertung, und anderseits<br />
als Chloroplasten den Pflanzen für die Produktion<br />
von Zuckern, Energie und Sauerstoff<br />
aus Wasser und Kohlendioxid mithilfe von<br />
Photonen. Die epigenetischen Ein- und Ausschaltkaskaden<br />
von Genen findet man bei<br />
Pflanzen und Tieren in fast identischer Weise.<br />
Auch in der Geologie sind die Kenntnisse<br />
civitas 1-2012 35