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Ecclesia semper reformanda - Schw. StV

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Der Geist<br />

der Kappeler Milchsuppe<br />

<br />

Was hat das 2. Vatikanische Konzil aus meiner<br />

Sicht als evangelisch-reformierter Pfarrer<br />

gebracht?<br />

Vorausschicken muss ich sogleich, dass<br />

ich die Zeit vor «dem Konzil» nur noch aus<br />

Büchern kenne – und natürlich vom Hörensagen.<br />

Dennoch – oder gerade darum möchte<br />

ich ohne Zögern behaupten, dass dieses<br />

Ereignis ein Segen war fürs Miteinander<br />

der Kirchen: Die alte Feindschaft ist überwunden!<br />

An dieser wunderbaren Tatsache<br />

ändern selbst die gegenwärtigen ökumenischen<br />

Irritationen nichts.<br />

Vorbei ist – Gott sei Dank – die Zeit der<br />

gegenseitigen Diskriminierungen in den<br />

Schulen und Dörfern unseres Landes. Definitiv<br />

vorbei ist die Zeit der zahllosen Familientragödien<br />

im Umfeld von gemischt-konfessionellen<br />

Liebschaften oder so genannten<br />

Mischehen! Manche dieser konfessionellen<br />

«Romeos und Julias» – von hüben und drüben<br />

– erzählten mir noch Jahrzehnte später<br />

mit Traurigkeit oder Bitterkeit vom erlittenen<br />

Leid.<br />

<br />

Als meine Cousinen vor zwanzig Jahren Katholiken<br />

ehelichten, war dies bereits kein<br />

Problem mehr. Dafür löste es interessante<br />

Gespräche aus.<br />

Als kürzlich meine Nichte katholisch<br />

getauft wurde, war dies in unserer reformierten<br />

Familie bereits kaum mehr der<br />

Rede wert…<br />

Gewiss mag heute da und dort in kirchlichen<br />

Belangen Gleichgültigkeit herrschen.<br />

Trotzdem trauere ich keinen Moment einem<br />

Konfessionalismus nach, wie er bis in<br />

die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts bei uns<br />

existierte. Sowenig, wie ich einem militanten<br />

Nationalismus nachtrauere. Ich schätze<br />

vielmehr die gelebte Toleranz und gehöre<br />

nicht zu den Kirchenleuten, die diese negativ<br />

bewerten. Ich nehme sie dankbar an als<br />

ein Stück Frieden.<br />

Zum Frieden hat die römisch-katholische<br />

Kirche im 2. Vatikanum die Hand<br />

ausgestreckt und einen grossen Schritt gemacht.<br />

Vor allem hat sie damals mitgeholfen,<br />

dass der sich anbahnende gesellschaftliche<br />

Versöhnungsprozess zwischen den<br />

Konfessionen zusammen mit den institutionellen<br />

Kirchen geschehen konnte.<br />

<br />

Als Student konnte ich vor zwanzig Jahren<br />

den Geist der Annäherung und Versöhnung<br />

noch richtig erleben. Es war ein Klima gegenseitigen<br />

Interesses und gegenseitiger Anregung.<br />

Wir Evangelischen entdeckten die<br />

sinnliche Dimension kirchlichen Feierns, so<br />

dass auch bei uns damals die Osterkerzen<br />

und Taufkerzen Einzug hielten. Umgekehrt<br />

wurde auch bei Katholiken die feiernde Gemeinde<br />

als kirchliches Subjekt wichtig: Die<br />

Stellung der so genannten «Laien» wurde<br />

aufgewertet. Die neuen Altäre betonten das<br />

Gemeinschaftliche, das Teilen. Sie erinnerten<br />

an den Abendmahlstisch. Die Bibellesung<br />

mit Predigt in der Volkssprache liessen<br />

die Kraft dieser Texte auch im römisch-katholischen<br />

Gottesdienst spüren.<br />

Glaube und Kirche erschienen plötzlich<br />

als etwas Dynamisches, etwas, das in<br />

Bewegung ist und in Bewegung setzt. Auch<br />

in den Pfarreien verstand man sich nun –<br />

ermutigt durch die Theologen des 2. Vatikanums<br />

– als «wanderndes Gottesvolk».<br />

Mit einer gewissen Genugtuung nahmen<br />

evangelische Christen zur Kenntnis,<br />

wie da Anliegen der Reformatoren in die Tat<br />

umgesetzt wurden.<br />

Was einem einst monolithisch und<br />

starr vorgekommen war, erschien nun plötzlich<br />

sehr lebendig, vielfältig und menschlich.<br />

Wer kirchlich und gesellschaftspolitisch<br />

interessiert war, blickte staunend auf<br />

die katholischen Basisbewegungen, oder<br />

liess sich von den Befreiungstheologen inspirieren.<br />

<br />

Es war eine Zeit, wo Katholiken wie Evangelische<br />

je das Beste aus ihrer Tradition zum<br />

Gemeinsamen beisteuerten: erstere das Vertrauen<br />

in Sakrament und Liturgie und deren<br />

spirituelle Wirkkraft, letztere das Vertrauen<br />

auf die das Leben und die Welt gestaltende<br />

Kraft des Wortes.<br />

Von ferne erinnerte dieser Prozess an<br />

die berühmte Kappeler Milchsuppe von<br />

1529: Damals schlossen die katholischen<br />

Innerschweizer mit den reformierten Zürchern<br />

Frieden, indem sie – so haben wir es<br />

im Geschichtsunterricht gelernt – einen<br />

grossen Suppentopf auf die Grenze stellten.<br />

Die Innerschweizer aus dem Grasland<br />

steuerten ihre Milch bei, die Zürcher aus<br />

dem Kornland ihr Brot... Beides zusammen<br />

machte das Mahl erst köstlich!<br />

Ich durfte einiges von diesem auffrischenden<br />

Wind und versöhnenden ökumenischen<br />

Geist spüren: in den Gottesdiensten<br />

im Berner AKI beispielsweise, oder im<br />

gemeinsamen Mittagessen und den guten<br />

Gesprächen danach. Ich habe als junger<br />

Mensch viel katholische Gastfreundschaft<br />

erfahren dürfen: gerade auch in Rom, wo<br />

ich ein Jahr lang studierte – und gerade auch<br />

in Küssnacht am Rigi, wo meine erste Pfarrstelle<br />

war.<br />

In den Ortskirchen ist viel Positives in<br />

Gang gekommen. Da gibt es nun viel schönes<br />

Miteinander: von gemeinsamem Unter-<br />

22 civitas 1-2012

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