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Ecclesia semper reformanda - Schw. StV

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dern» in die ganze Welt getragen wird und<br />

platzt in den Aufruf: «Was verlangt auch nur<br />

eine solche Übertragung für ein erhebliches<br />

Mass an Vorbereitungen!» Wer die vierstündige<br />

Eurovisionssendung verpasste, konnte<br />

sie am anderen Tag in der NZZ nachlesen<br />

– mit allen Einzelheiten, inklusive Kameraeinstellungen<br />

während des Einzugs der Väter<br />

in die Basilika. Zwar sei der Kommentar<br />

von Alphons Matt im <strong>Schw</strong>eizer Fernsehen<br />

«vornehm» und «nicht chargiert» gewesen.<br />

Doch spricht aus dem Artikel deutlicher Ärger<br />

darüber, dass Matt anstatt die Bischöfe<br />

in ihren «ungewohnten Trachten» näher<br />

vorzustellen, mit Ausflügen in die Geschichte<br />

der Konzilien die Aufmerksamkeit des<br />

Zuschauers strapazierte.<br />

Die modernen Medien hatten bis zu<br />

diesem Zeitpunkt wohl noch kein religiöses<br />

Ereignis so umfassend begleitet. Man war<br />

sich der Ausnahmeerscheinung und der<br />

Grösse des Ereignisses durchaus bewusst.<br />

Hier gab sich die versammelte, globale Elite<br />

der katholischen Kirche ein Stelldichein.<br />

Die NZZ schreibt, «Kein Bischof hat sich je<br />

auch nur entfernt mit einer solchen Zahl<br />

von Seinesgleichen zusammengetroffen.»<br />

Bischöfe aus Asien und Afrika dokumentierten<br />

schon nur mit ihrer Anwesenheit<br />

den Wandel und die Pluralität der Kirche.<br />

Man traf sich auf unabsehbare Zeit – dass<br />

es eher lange dauern würde, darin war sich<br />

die Presse angesichts der unbestimmten<br />

Konzilvorgaben des Papstes einig. Konnten<br />

die 2500 Väter und ihre Periten zuzüglich<br />

der Beobachter anderer Kirchen überhaupt<br />

miteinander ins Gespräch kommen? War<br />

diese Väter-Gemeinschaft in quantitativer<br />

und qualitativer Hinsicht überhaupt demokratietauglich?<br />

Die Presse feierte jedoch<br />

von Anfang an nicht nur das Konzil als ein<br />

ausserordentliches Ereignis innerhalb der<br />

katholischen Kirche; sie feierte sich selbst<br />

als Trägerin dieses Grossereignisses in alle<br />

Welt. Denn erst die mediale Aufmerksamkeit<br />

durch Zeitungen, Radio und Fernsehen<br />

machte aus dem Zweiten Vatikanischen<br />

Konzil in Rom mit weltweiter Bedeutungskraft<br />

ein öffentliches globales Ereignis.<br />

<br />

Papst Johannes XXIII. formulierte in seiner<br />

Eröffnungsansprache des Vatikanum II eine<br />

Unterscheidung, die die journalistische Berichterstattung<br />

prägte:, «Die Substanz der<br />

alten, im Glaubensgut erhaltenen Lehre ist<br />

zu unterscheiden von der Formulierung,<br />

in die sie gekleidet wird.» Die Journalisten<br />

nahmen die öffentlichen Manifestationen<br />

der Kirche in Sprache, Habitus und Ritual<br />

zum Gradmesser der Einlösung der Erneuerung.<br />

Es interessierte jetzt besonders, ob<br />

«der Papst zu Fuss kam» oder ob er «die<br />

Sedia Gestatoria wieder hat hervorholen lassen»<br />

(NZZ) – sie kam nur noch selten zum<br />

Einsatz. Es war ein Zeichen der neuen Zeit,<br />

dass die «Oberhirten» mit «Flugzeugen,<br />

schnellen Ozeandampfern und Schnellzügen»<br />

(Vaterland) zum Konzil anreisten.<br />

Man registrierte nicht nur die Staffierung<br />

von italienischen Kaffeemaschinen in den<br />

beiden Bars der Väter in den Annexen des<br />

Petersdoms, sondern auch die moderne<br />

Anlage auf Basis des Holorithsystems zur<br />

Auszählung der Stimmen. «Zum erstenmal<br />

in der Kirchengeschichte schreiben die Väter<br />

der Kirche «placet iuxta modum» – oder<br />

«non placet» nicht mit Tinte oder einem anderen<br />

gebräuchlichen Schreibgerät, sondern<br />

mit einem magnetischen Bleistift, auf den<br />

die komplizierte Anlage anspricht» (Vaterland).<br />

Man schreibt wohlwollend, dass die<br />

mitunter nicht mehr ganz sattelfesten Lateiner<br />

in ihren Sitzungen vermehrt von der<br />

Konzilssprache ins Italienische wechseln.<br />

Man freut sich, wenn in einer Messe<br />

nicht nur das Episkopat sondern auch das<br />

Fussvolk mitsingen darf. Man freut sich<br />

über den kanonisierten Josef, der sich im<br />

Zweiten Vatikanischen Konzil emanzipierte<br />

und neben Maria Eingang in den Kanon<br />

Missae gefunden hat. Man wundert sich,<br />

dass jede Sitzung mit einem Gottesdienst<br />

eröffnet wird, der zuweilen ein Drittel des<br />

Vormittags einnimmt. Und wundert sich<br />

noch vielmehr, dass sich während der Sitzungen<br />

im Petersdom deutlich zwei Ameisenstrassen<br />

abzeichnen, die zu den beiden<br />

Bars führen, wo paffend und kaffeetrinkend<br />

informelle Gespräche geführt werden, die<br />

für den Verlauf und die Abstimmungen<br />

des Konzils wohl gar nicht unwichtig sein<br />

könnten (NZZ). Der Vatikan verlor in dieser<br />

Zeit deutlich an Abstraktheit und gewann<br />

aus Sicht der Presse an Menschlichkeit. Die<br />

Adaption des Vatikans an moderne Technik<br />

konnte diesen Eindruck nur verstärken. Damit<br />

einher ging wohl eine gewisse Entzauberung<br />

der Kirche. Doch kann beruhigt festgestellt<br />

werden, dass etwa in der Bezeichnung<br />

des Mikrophons, mit dem die Väter zu ihren<br />

versammelten Bischofskollegen sprachen,<br />

als «microphonium» genug Weltfremdheit<br />

gewahrt blieb.<br />

<br />

Der Kardinalsstaatssekretär Tardini hielt<br />

im Oktober 1959 die erste Pressekonferenz<br />

in der Geschichte des Heiligen Stuhls ab<br />

und verkündete die Einrichtung eines Pressebüros,<br />

welches die Journalisten vor und<br />

während des Konzils mit Informationen<br />

speisen sollte. Der Vatikan begab sich damit<br />

revolutionär auf neues Terrain. Drei Jahre<br />

später zitiert Ludwig Kaufmann in den Luzerner<br />

Neuesten Nachrichten das Verdikt<br />

der Journalisten über die professionalisierte<br />

Pressearbeit des Vatikans: «Die einzige Stelle,<br />

wo die <strong>Schw</strong>eigepflicht rigoros eingehalten<br />

wird, ist das Ufficio stampa, die offizielle<br />

Presseinformation des Konzils.» Die Journalisten<br />

beklagen sich in ihren Berichten<br />

regelmässig über die nichtssagenden Infor-<br />

Foto: zVg<br />

16 civitas 1-2012

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