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Reiseerinnerungen auf einem Wandbehang

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<strong>Reiseerinnerungen</strong> <strong>auf</strong> <strong>einem</strong> <strong>Wandbehang</strong><br />

Nicole Asmussen<br />

Die Verfasserin hat mit einer vierten Klasse<br />

der Klaus-Groth-Schule in Husum während<br />

eines fünftägigen Aufenthaltes im<br />

ADS-Schullandheim Hassberg in Hohwacht<br />

das Projekt ’<strong>Reiseerinnerungen</strong> <strong>auf</strong><br />

<strong>einem</strong> <strong>Wandbehang</strong>’ durchgeführt. Es ist<br />

ihr Anliegen, „gesellschaftlich relevante<br />

Erziehungsziele wie Selbstbestimmung,<br />

Selbst-ständigkeit, Selbstverantwortung,<br />

Spontaneität . . . [und] Kreativität“ zu<br />

verwirklichen. Die praktische Umsetzung<br />

des Projektes wird im folgenden wiedergegeben.<br />

Die Klasse setzt . . . sich aus 25 Kindern<br />

im Alter von neun bis elf Jahren zusammen.<br />

Es waren dreizehn Mädchen und<br />

zwölf Jungen.<br />

Seit Beginn des dritten Schuljahres . . .<br />

habe ich die Klasenlehrerfunktion dieser<br />

Lerngruppe übernommen. Ich unterrichte<br />

die Kinder in den Fächern Mathematik<br />

und Textillehre. Im dritten Schuljahr<br />

habe ich außerdem noch das Fach evangelische<br />

Religion unterrichtet.<br />

Die Klasse ist im Allgemeinen sehr lebendig<br />

und allem Neuen gegenüber sehr<br />

<strong>auf</strong>geschlossen. Die Kinder bevorzugen<br />

zum Beispiel, neue Inhalte in Form von<br />

Stationen überwiegend selbstständig<br />

auszuprobieren, zu erlernen und zu erledigen.<br />

In ihrer Selbstständigkeit zeigen<br />

sich jedoch Unsicherheiten.<br />

Das Sozialverhalten der Schüler ist grundsätzlich<br />

als gut zu bezeichnen. Das zeigt<br />

sich besonders dann im Unterricht, wenn<br />

sie mit <strong>einem</strong> Partner oder in einer kleinen<br />

Gruppe zusammenarbeiten. Die Schüler<br />

geben sich teilweise gegenseitig Hilfestellungen.<br />

Es gibt aber auch Kinder,<br />

die nicht in der Lage sind, sich <strong>einem</strong> Arbeitspartner<br />

anzuvertrauen oder sich in<br />

einer Gruppe einzugliedern. Diese Kinder<br />

benötigen dann die <strong>auf</strong>munternde Ansprache<br />

der Lehrkraft.<br />

Auf Grund der ungleichen Leistungsstufen<br />

der Kinder ist ein differenzierender<br />

Unterricht nötig. Deswegen findet häufig<br />

ein geöffneter Unterricht (Wochenpläne,<br />

Stationenlernen, unterschiedliche<br />

Aufgabenangebote usw) statt.<br />

Damit besonders die schwächeren Schüler<br />

vom Wissen und Können ihrer Mitschüler<br />

profitieren können und weniger<br />

abhängig von Hilfeleistungen des Lehrers<br />

werden, biete ich Aufgaben an, die<br />

mit <strong>einem</strong> Partner oder in einer Gruppe<br />

gelöst werden müssen. Bei Gruppenarbeiten<br />

kommt es aber häufig zu kleineren<br />

Reibereien zwischen den Schülern,<br />

da jeder gern <strong>auf</strong> seiner Meinung besteht<br />

und widerwillig Kompromisse eingeht.<br />

Die Arbeit an unserem Projekt ‘<strong>Wandbehang</strong>’<br />

findet überwiegend in kleineren<br />

Gruppen statt und stellt so eine große<br />

Herausforderung an die Lerngruppe.<br />

In diesem Projekt gibt es sechs verschiedene<br />

Arbeitsgruppen, in denen die Kinder<br />

selbstständig arbeiten und durch gemeiname<br />

Problemlösungsstrategien zu<br />

Ergebnissen kommen sollten. In diesen<br />

Gruppen geht es um unterschiedliche Arbeits<strong>auf</strong>träge:<br />

Nähen am <strong>Wandbehang</strong>,<br />

Schreiben von Informationstexten, Zeichnen<br />

einer Landkarte und eines Wappens,<br />

Herstellen einer Kartenlegende und Basteln<br />

plastischer Häuser aus Pappe.<br />

Die Klasse hat seit dem dritten Schuljahr<br />

Textilunterricht. Seit dieser Zeit übt<br />

sie den Umgang mit Nadel und Faden<br />

und probiert verschiedene Stiche aus.<br />

Das bietet eine gute Grundlage für unser<br />

Vorhaben.<br />

Von der Einschulung bis zum Ende des<br />

zweiten Schuljahres fand überwiegend<br />

Kunstunterricht statt. Das ist wiederum<br />

die Basis für die zeichnerischen Aufgaben<br />

während des Projektes.<br />

Beim freien Schreiben von Texten haben<br />

die Kinder kaum Schwierigkeiten, da sie<br />

seit dem dritten Schuljahr im Deutschunterricht<br />

verstärkt eigene Geschichten,<br />

Märchen usw. schreiben.<br />

Viele Kinder in dieser Lerngruppe verfügen<br />

über eine regen Phantasie. Ich habe<br />

im Textillehre- und Kunstunterricht oftmals<br />

beobachtet, dass die Kinder groß-<br />

Umsetzungsschwierigkeiten<br />

artige Ideen zeigten, aber Schwierigkeiten<br />

bei ihrer Umsetzung hatten. Das hatte<br />

wiederum zur Folge, dass die Kinder<br />

ihre eigenen Ideen verwarfen und sich an<br />

den Modellen der Lehrkraft orientierten.<br />

Sie übernahmen dann teilweise die vorgegebenen<br />

Muster nur in anderen Farben.<br />

Die Kinder arbeiteten dadurch immer weniger<br />

kreativ. Das zeigte mir, dass sich etwas<br />

ändern muss. Dieser Zeitpunkt erschien<br />

mir optimal für den Versuch eines<br />

freien Projektunterrichtes.<br />

4


Bezug zum Lehrplan<br />

Der Lehrplan des Landes Schleswig-Holstein<br />

für die Grundschule entfaltet ein Konzept<br />

der Grundbildung. Es soll allen Schülern<br />

dazu verholfen werden, bestimmte<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln.<br />

„Grundbildung ist handlungsorientiert,<br />

lebensweltverbunden und erkenntnisgeleitet“<br />

1 . Das bedeutet, dass die Schule<br />

u.a. offen sein muss für die Lebenswelt<br />

der Schüler, für erprobtes Handeln und<br />

für Lernorte außerhalb der Schule.<br />

Folgende Schlüsselqualifikationen werden<br />

u.a. in dem von mir geplanten Vorhaben<br />

entwickelt und gefördert:<br />

• Sachzusammenhänge erkennen und<br />

Problemlöseverhalten entwickeln,<br />

• den Wert von Textilien erkennen und<br />

sachgemäß mit ihnen umgehen,<br />

• textile Gestaltungsmittel erproben und<br />

einsetzen.<br />

Der Lehrplan führt verschiedene Arbeitsweisen<br />

<strong>auf</strong>, durch die der Textilunterricht<br />

bestimmt wird. Für meinen Projektunterricht<br />

treffen folgende Arbeitsweisen zu:<br />

• Lernen durch Entdecken,<br />

• Lernen durch Experimentieren,<br />

• Planen, Entwerfen, Gestalten.<br />

Das Unterrichtsthema ’<strong>Reiseerinnerungen</strong><br />

<strong>auf</strong> <strong>einem</strong> <strong>Wandbehang</strong>’ kann dem<br />

dritten Themenbereich des Lehrplanes<br />

„Mit Textilien arbeiten und gestalten“ zugeordnet<br />

werden.<br />

welche Handlungsformen ich mir wünsche<br />

und welche organisatorischen Dinge erledigt<br />

werden sollten. Zusätzlich zu der<br />

Projektskizze stellte ich eine Liste über<br />

verschiedene Materialien zusammen, die<br />

wir im L<strong>auf</strong>e des Projektes benötigen<br />

könnten:<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

Jute,<br />

Nähgarn und Baumwolle in verschiedenen<br />

Farben,<br />

Watte,<br />

Filz in verschiedenen Farben,<br />

Stoffreste,<br />

Ton- und Zeichenpapier, Zeichenkarton,<br />

Architekturpapier,<br />

Tesafilm,<br />

Heißklebepistole,<br />

Sandschleifpapier,<br />

Schneiderpapier,<br />

Nähnadeln, Stecknadeln, Stoffscheren,<br />

Anleitungen für verschiedene Näh- und<br />

Stickstiche,<br />

Abbildungen verschiedener Wappen,<br />

Landkarte der Umgebung von Hassberg.<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

Anhand dieser Liste konnte ich erkennen,<br />

welche Materialien bereits vorhanden<br />

und welche langfristig zu besorgen<br />

waren.<br />

Die Projektinitiative<br />

Der Projektunterricht wird explizit für die<br />

Eingangsphase der Grundschule genannt<br />

2 , die Öffnung der Schule und damit<br />

des Unterrichts ist allgemeingültig.<br />

„Die allmähliche Öffnung des Unterrichts<br />

schafft mit Hilfe . . . vielfältiger Methoden<br />

und Gruppenprozesse den organisatorischen<br />

Rahmen für einen didaktisch<br />

und methodisch differenzierenden und<br />

variierenden Unterricht“ 3 . Es ist also eine<br />

Grundforderung, den alltäglichen Unterricht<br />

zu öffnen und auch in den Methoden<br />

zu variieren. . .<br />

Textilien umgeben und begleiten uns im<br />

alltäglichen Leben. Sie stellen <strong>auf</strong> Grund<br />

ihrer haptischenund optischen Eigenschaften<br />

Materialien dar, mit denen man<br />

gestalten kann.<br />

Das Fach Textillehre nimmt u.a. Themenstellungen<br />

aus der unmittelbaren Erfahrungswelt<br />

der Kinder <strong>auf</strong>. Es fördert die<br />

Sach- und Methodenkompetenz durch<br />

den selbstständigen Umgang mit dem<br />

Material und die Einführung in textile Techniken.<br />

Es werden weiterhin feinmotorische<br />

Fähigkeiten geschult.<br />

Durch das Fach Texttillehre werden die<br />

Kinder zur aktiven Gestaltung der Lebenswelt<br />

befähigt.<br />

Vorarbeiten der Lehrkraft<br />

Für das gesamte Projekt war das Bereitstellen<br />

von zahlreichen Materialien und<br />

Hilfsmitteln notwendig. Es sollten im L<strong>auf</strong>e<br />

der Durchführung von den Kindern<br />

ebenfalls viele Materialien mitgebracht<br />

werden. Doch als Lehrkraft kann man nie<br />

voraussehen, was alles von den Kindern<br />

kommen wird. Deshalb waren eine gute<br />

und material<strong>auf</strong>wendige Vorarbeit sowie<br />

zahlreichen Vorüberlegungen meinerseits<br />

nötig.<br />

Um meine Vorüberlegungen zu strukturieren,<br />

fertigte ich mir meine eigene Projektskizze<br />

an (s. Seite 6). Ich stellte Überlegungen<br />

darüber an, welche inhaltlichen<br />

Ideen möglich und /oder verzichtbar sind,<br />

Die Projektinitiative ging bei diesem Vorhaben<br />

von der Lehrkraft aus. Die bevorstehende<br />

Klassenfahrt in das Schullandheim<br />

in Hassberg bildete den Ausgangspunkt<br />

des Projektes.<br />

Als Impuls wurden den Kindern in einer<br />

Unterrichtsstunde der braune Jutestoff<br />

(Untergrundstoff) – bekannt aus dem Textilunterricht<br />

– und verschiedene Landkarten<br />

aus der Region rund um Hassberg<br />

ge-zeigt. Zusätzlich bekamen die Kinder<br />

den Hinweis, dass das Material mit unserer<br />

Klassenreise zu tun haben würde.<br />

Die Kinder äußerten verschiedene Vermutungen,<br />

Ein Schüler schlug vor, aus<br />

dem Stoff Kissenbezüge für die Fahrt zu<br />

nähen. Dar<strong>auf</strong>hin kam ein Gespräch zwischen<br />

den Schülern zustande, in dem<br />

deutlich wurde, dass die Kinder die Jute<br />

eher mit dem Textilunterricht in Verbindung<br />

setzten.<br />

Nach der Besprechung der Vermutungen<br />

der Schüler schlug ich ihnen vor,<br />

dass wir zur Erinnerung an unsere Klassenfahrt<br />

keine Fotodokumentation, sondern<br />

einen <strong>Wandbehang</strong> herstellen und<br />

5


Projektskizze<br />

Inhaltliche Ideen Handlungsformen Materialien, Medien<br />

mögliche:<br />

Häuser aus Filz darstellen und<br />

applizieren<br />

erwünschte:<br />

(Einzelarbeit), Partnerarbeit,<br />

Gruppenarbeit:<br />

kreative Ideen umsetzen<br />

viele kleine Gruppen<br />

Diskussionen in den Gruppen<br />

kurzfristig beschaffbare:<br />

Nähgarne, Baumwolle, Watte<br />

Nadeln<br />

unverzichtbare:<br />

Umgebung darstellen:<br />

• Ostsee<br />

• See<br />

• Wald<br />

• Schullandheim<br />

Wanderwege darstellen<br />

Naturmaterialien verwenden<br />

Inhalte der Fahrt darstellen:<br />

Montag: Erkundung der Umgebung<br />

Dienstag: Wanderung um den großen<br />

Binnensee<br />

Mittwoch: Steineprojekt am Strand<br />

Donnerstag: Fahrt nach Lütjenburg<br />

dringende:<br />

Partnerarbeit, Gruppenarbeit<br />

• untereinander absprechen<br />

• gemeinsam Lösungen für Probleme<br />

finden<br />

• Informationsfluss in der Lerngruppe<br />

• Abschlussausstellung in der Schule<br />

• Auswertung in Form eines<br />

Fragebogens?<br />

längerfristig zu organisieren:<br />

• Jute<br />

• ausreichend Filz<br />

• Naturmaterialien (vor Ort sammeln)<br />

• Spielzeug von den Kindern<br />

Lernorte:<br />

Phasen:<br />

Schule:<br />

• Projektinitiative<br />

• Ausgangspunkt des Projektes<br />

• Absprache über allgemeine Vorgehensweise<br />

Schullandheim:<br />

• Anfänge des Projektes<br />

• Absprachen über das Vorhaben vor Ort<br />

• Naturmaterialien sammeln<br />

• erste praktische Arbeit<br />

Schule:<br />

• Weiterführung des Projektes<br />

• Beendigung des Projektes<br />

• Ausstellung<br />

Projektinitiative:<br />

(Schule)<br />

ausgehend von einer Idee der Lehrkraft<br />

Auseinandersetzung mit der Projektinitiative:<br />

(Schule, Schullandheim)<br />

Diskussion darüber, was die Kinder unter der Initiative verstehen<br />

und wie sie vorgehen wollen.<br />

Entwicklung des Betätigungsgebietes:<br />

(Schule, Schullandheim)<br />

Welche Techniken wollen die Kinder anwenden?<br />

Aktivitäten im Betätigungsgebiet:<br />

(Schullandheim, Schule)<br />

Herstellen des <strong>Wandbehang</strong>es<br />

Abschluss:<br />

(Schule)<br />

Ausstellung<br />

6


anschließend ausstellen wollen. Ich erklärte<br />

den Schülern, dass wir den <strong>Wandbehang</strong><br />

zum Teil im Schullandheim basteln<br />

und in der Schule im Textilunterricht<br />

fertig stellen würden. Dar<strong>auf</strong>hin machten<br />

einige Kinder den Vorschlag, während<br />

unserer Fahrt <strong>auf</strong> den Wanderungen und<br />

Unternehmungen Fotos zu machen und<br />

diese später <strong>auf</strong> den Untergrundstoff <strong>auf</strong>zukleben.<br />

Andere Kinder wiederum hatten<br />

die Idee, Naturmaterialien zu sammeln<br />

und diese <strong>auf</strong> dem Stoff festzukleben.<br />

Ich warf ein, dass <strong>auf</strong> den <strong>Wandbehang</strong><br />

nichts geklebt werden sollte, da<br />

es sich um ein Produkt aus dem Textilunterricht<br />

handele. In diesem Unterricht<br />

sollte alles mit Nadel und Faden befestigt<br />

werden.<br />

Auf die Frage, wie wir Menschen oder<br />

Bäume darstellen wollen, sagte ein sonst<br />

stiller Schüler, dass er Bäume von seiner<br />

alten Modelleisenbahn mitbringen<br />

könne. Von da an sprudelten die Ideen<br />

und Vorschläge der Schüler, was sie alles<br />

<strong>auf</strong> den <strong>Wandbehang</strong> <strong>auf</strong>bringen könnten<br />

und welche Techniken sie anwenden<br />

wollten.<br />

Das Tafelbild hält diese Ideen fest:<br />

geklärt, dass alle Ideen aller Schüler mitgeteilt<br />

werden können und auch sollten.<br />

Dabei durfte aber von Seiten der Mitschüler<br />

noch nichts gewertet werden. Nachdem<br />

alle Vorschläge gehört und an der<br />

Tafel festgehalten waren, diskutierten die<br />

Kinder darüber. Hierbei sollten die Schüler<br />

dar<strong>auf</strong> achten, dass niemand durch<br />

die vorgetragenen Worte in seinen Gefühlen<br />

verletzt wird. Die angesprochenen<br />

Regeln wurden gemeinsam erarbeitet<br />

und an der Seitentafel festgehalten:<br />

• Es darf jeder seine Ideen der Klasse<br />

vorschlagen.<br />

• Es darf jeder aussprechen, was er denkt.<br />

• Es darf niemand durch die Wortwahl<br />

eines anderen verletzt werden.<br />

• Es wird in der Klasse über die gemachten<br />

Vorschläge diskutiert, sie werden<br />

aber nicht gewertet.<br />

• Es findet am Ende jeder Unterrichtsstunde<br />

ein Gespräch (Fixpunkt) statt.<br />

• Es werden alle <strong>auf</strong>kommenden Probleme<br />

in der Klasse sachlich diskutiert.<br />

Die eingehende Auseinandersetzung mit<br />

der Projektinitiative fand dann im Schullandheim<br />

statt. Dort hatte die Klasse einen<br />

eigenen Gruppenraum zur Verfügung,<br />

in dem alle Materialien für die Dauer des<br />

Aufenthaltes liegen bleiben konnten. Dieser<br />

Raum diente uns als Arbeits- und Versammlungsort.<br />

Damit war eine wichtige äußere Rahmenbedingung<br />

geschaffen.<br />

Techniken<br />

Landkarte nähen<br />

sticken<br />

Stoff <strong>auf</strong>nähen<br />

knoten<br />

Materialien<br />

Bäume<br />

Stöcke<br />

Tiere<br />

Muscheln<br />

Sandpapier<br />

Steine<br />

Legofiguren<br />

Playmobilfiguren<br />

Holz<br />

Blätter<br />

Ast mit Blättern<br />

Autos<br />

Am Ende dieser Planungsphase war die<br />

Lerngruppe zu dem Ergebnis gekommen,<br />

dass alle Schüler zu Hause nach kleinen<br />

Spielzeugmodellautos, -bäumen, -menschen<br />

und -tieren Ausschau halten wollten,<br />

um diese dann für den <strong>Wandbehang</strong><br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

Der Anfang der<br />

Auseinandersetzung<br />

mit der Projektinitiative<br />

fand bereits in der ersten Unterrichtsstunde<br />

an der Schule statt. Hierbei wurde<br />

7


Am ersten Tag im Schullandheim versammelten<br />

wir uns um unsere Materialien herum<br />

im Gruppenraum. Die Kinder kamen<br />

schnell dar<strong>auf</strong>, dass wir einen Arbeitsplan<br />

benötigen, um an jedem Tag effektiv<br />

arbeiten zu können. Die Schüler entschieden<br />

sich dafür, unsere täglichen Erlebnisse<br />

<strong>auf</strong> <strong>einem</strong> Plakat <strong>auf</strong>zuschreiben.<br />

Weiterhin fertigten sie ein zusätzliches<br />

Plakat an, <strong>auf</strong> dem die Materialien<br />

vermerkt wurden, die uns noch fehlten.<br />

Das waren ein Haus, das das Schullandheim<br />

darstellen sollte, einige Boote und<br />

Bäume sowie ein Seeadler.<br />

Ferner legte die Lerngruppe für sich fest,<br />

wie groß der <strong>Wandbehang</strong> werden sollte.<br />

Die Kinder entschieden sich für die gesamte<br />

Größe des Stoffes (siehe das Foto<br />

<strong>auf</strong> Seite 4).<br />

Am Ende dieser Planungsphase waren<br />

sich die Kinder darüber einig, dass sie<br />

einen <strong>Wandbehang</strong> aus Naturmaterialien<br />

und Spielzeugfiguren herstellen wollen.<br />

Damit war die Projektinitiative einstimmig<br />

von der Lerngruppe angenommen.<br />

Gemeinsame Entwicklung<br />

des Betätigungsgebietes<br />

Es fehlte für die Schüler der zeitlich abgesteckte<br />

Rahmen. Der war für sie schwer<br />

abzuschätzen, da nach der Klassenfahrt<br />

die Herbstferien folgten und sie nicht überblicken<br />

konnten, wie lange sie an dem<br />

<strong>Wandbehang</strong> würden arbeiten müssen,<br />

bis er fertig gestellt ist. Aus diesem Grund<br />

legten wir noch keinen Zeitrahmen fest.<br />

Bereits bei der Auseinandersetzung mit<br />

der Projektinitiative wurde den Kindern<br />

deutlich, dass nicht alle Schüler zur gleichen<br />

Zeit am Jutestoff arbeiten können.<br />

Es mussten also Gruppen gebildet werden.<br />

Im Schullandheim bildeten sich die Gruppe<br />

‘<strong>Wandbehang</strong>’ und die Gruppe, die<br />

die Listen über die Erlebnisse der Tage<br />

und die fehlenden Materialien erstellten.<br />

Letztere bestand aus zwei Kindern.<br />

Hier traten zum ersten Mal Konflikte <strong>auf</strong>.<br />

Eigentlich wollten alle mit dem <strong>Wandbehang</strong><br />

anfangen und an ihm arbeiten. Aber<br />

eigentlich wollten auch alle das Schullandheim<br />

erkunden und ihre ’Freizeit’ genießen.<br />

Das lag mit Sicherheit daran, dass<br />

das Projekt bisher nur theoretisch besprochen<br />

worden war und bislang noch keine<br />

praktische Arbeit stattgefunden hatte.<br />

Der <strong>Wandbehang</strong> existierte bislang nur<br />

in der Vorstellung der Kinder.<br />

In Hassberg beschlossen die Kinder, dass<br />

alle Materialien nur zugeschnitten und<br />

<strong>auf</strong>gesteckt werden sollten. Sie wollten<br />

damit verhindern, dass sie Dinge befestigen,<br />

die später nicht in das Gesamtbild<br />

passen würden.<br />

Es wurde an jedem Abend das Erlebte<br />

<strong>auf</strong>geschrieben und von der gesamten<br />

Klasse ausgewertet. Die Kinder entschieden<br />

sich dabei für die Erlebnisse, die <strong>auf</strong><br />

dem Vorhang dargestellt werden sollten.<br />

Nach dem Aufenthalt in Hassberg hatten<br />

sich die Kinder in der Schule in Gruppen<br />

zusammengefunden und für sich entschieden,<br />

wer was tun möchte. Sie waren<br />

sich aber einig, dass die Gruppenstrukturen<br />

nicht zu starr gesehen werden<br />

sollten. Jeder bekam die Möglichkeit,<br />

innerhalb der Gruppen zu wechseln.<br />

Auch die sonst schwächeren Schüler bekamen<br />

die Möglichkeit, sich mit Hilfe von<br />

stärkeren Mitschülern an kniffligeren<br />

Aufgaben zu versuchen, an die sie sich<br />

sonst nicht herangetraut hätten.<br />

Projektdurchführung<br />

Die Kinder arbeiteten jetzt an ihrem jeweiligen<br />

Betätigungsgebiet. Sie handelten<br />

aber nicht willkürlich, da in der vorherigen<br />

Phase die einzelnen Aufgaben<br />

bereits geklärt und festgelegt waren.<br />

Im Schullandheim begannen am Mittwoch<br />

sieben Schüler damit, die Ostsee aus<br />

blauem Filz auszuschneiden und den<br />

Strand mit Hilfe des Sandpapiers darzu-<br />

stellen. Vor dem Zuschneiden fragte eine<br />

Schülerin, ob sie nicht lieber erst die Größe<br />

der Ostsee <strong>auf</strong> Papier vorzeichnen<br />

sollten. Das Papier wollte sie dann <strong>auf</strong> den<br />

Untergrundstoff legen, um zu sehen, ob<br />

die Größe richtig sei. Dieser Vorschlag<br />

wurde von den übrigen Kindern eingesehen<br />

und angenommen.<br />

Der Schnitt für die Ostsee wurde zuerst<br />

gezeichnet. Diese Vorlage haben die<br />

Kinder nach dem Überprüfen <strong>auf</strong> den Filz<br />

<strong>auf</strong>gesteckt und diesen anschließend<br />

zugeschnitten. Danach wurde die Ostsee<br />

<strong>auf</strong> die Untergrundjute mit Stecknadeln<br />

<strong>auf</strong>gesteckt.<br />

Als Nächstes kam die Darstellung des<br />

Strandes. Für die Kinder stand fest, dass<br />

dieser mit Hilfe des Schleifpapiers dargestellt<br />

werden sollte. Es lag Papier bereit,<br />

das in der Stärke und Oberflächenstruktur<br />

unterschiedlich war. Ein Kind erklärte<br />

seinen Mitschülern, dass der echte<br />

Sandstrand am Wasser meist steinig<br />

sei, der eigentliche Strandsand dagegen<br />

aber oftmals sehr fein. So wählten die<br />

Kinder das grobe Papier für den Sand<br />

direkt am Wasser und das feine Papier<br />

für den Strand dahinter. Bevor der Strand<br />

zugeschnitten wurde, zeichneten sie die<br />

jeweilige Größe und Form <strong>auf</strong> der Rückseite<br />

des Schleifpapiers <strong>auf</strong>.<br />

Auch das Sandpapier wurde mit Stecknadeln<br />

<strong>auf</strong>gesteckt. Hierbei gab es die<br />

Schwierigkeit, dass sich die Stecknadeln<br />

leicht verbogen und wegen der Stärke<br />

des Papiers nur schwer zu befestigen<br />

waren. Deswegen habe ich helfend eingegriffen.<br />

Damit die anderen Schüler, die bislang<br />

nicht an dem <strong>Wandbehang</strong> gearbeitet<br />

Sandpapier bildet den Strand und wird <strong>auf</strong> Jute festgesteckt<br />

8


hatten, das schon Geleistete sichten konnten,<br />

beschlossen die Kinder, nach jedem<br />

Arbeitsabschnitt den <strong>Wandbehang</strong> an der<br />

Pinnwand <strong>auf</strong>zuhängen. Abends nutzten<br />

die Kinder die Gelegenheit, ihren Mitschülern<br />

über ihre Arbeit zu berichten.<br />

Die Bäume werden mit Nadel und Faden <strong>auf</strong> Jute <strong>auf</strong>genäht (Partnerarbeit)<br />

Die abendliche Versammlung im Gruppenraum<br />

und das Darstellen der Arbeitsergebnisse<br />

sind unbedingt notwendige<br />

Fixpunkte. Auf diese Weise werden die<br />

wichtigsten Informationen an alle weitergegeben.<br />

Am Donnerstag arbeiteten die Kinder weiter.<br />

Es wurden Schnittmuster für den großen<br />

und kleinen Binnensee entworfen,<br />

die dann ausgeschnitten und <strong>auf</strong> Filz <strong>auf</strong>gesteckt<br />

wurden. Die Kindern wählten<br />

bewusst einen anderen Blauton für die<br />

Seen, damit sich diese von der Ostsee<br />

farblich unterscheiden.<br />

Die Schüler überlegten, dass die Buchenallee,<br />

durch die wir nach Hohwacht gewandert<br />

waren, mit Hilfe der gesammelten<br />

Bucheckern dargestellt werden könnte.<br />

Sie merkten sehr schnell, dass diese<br />

– wie auch die Bäume – nicht mit Hilfe<br />

von Stecknadeln <strong>auf</strong>gesteckt werden<br />

konnten. Da auch nichts <strong>auf</strong> den Stoff<br />

geklebt werden durfte, entschieden sich<br />

die Kinder nach einer regen Diskussion,<br />

einen Baum und mehrere Bucheckern bereits<br />

im Schullandheim festzunähen.<br />

Dabei waren die Kinder vor eine große<br />

Herausforderung gestellt. Sie hatten bereits<br />

Erfahrungen im Nähen gesammelt,<br />

jedoch bisher noch nie Gegenstände <strong>auf</strong><br />

<strong>einem</strong> Stoff befestigt. So merkten sie ganz<br />

schnell, dass sie sich gegenseitig helfen<br />

mussten, indem ein Kind den Gegenstand<br />

festhielt und das andere versuchte,<br />

den Faden darum zu wickeln oder zu<br />

nähen.<br />

Abschließend wurde der <strong>Wandbehang</strong><br />

für die abendliche Besprechnung <strong>auf</strong>gehängt.<br />

Dabei war bemerkenswert, dass<br />

die übrigen Kinder, dis bislang noch nicht<br />

mitgearbeitet hatten, <strong>auf</strong> einmal große<br />

Lust verspürten, auch aktiv zu werden.<br />

Der <strong>Wandbehang</strong> nahm langsam Form<br />

an.<br />

Zurück in der Schule<br />

Vom 7. bis zum 22. Dezember fand in<br />

der Schule der eigentliche Projektunterricht<br />

für die Kinder statt. Insgesamt<br />

wurden in der Schule noch siebzehn Unterrichtsstunden<br />

an dem Projekt gearbeitet.<br />

Den Zeitrahmen setzten die Schüler<br />

kritisch <strong>auf</strong> zwei Wochen fest. Es waren<br />

aber nicht alle Kinder davon überzeugt,<br />

dass das machbar wäre.<br />

Wie im Schullandheim wurde auch in der<br />

Schule jede Unterrichtsstunde mit <strong>einem</strong><br />

Fixpunkt beendet. Hier bekamen die Kinder<br />

Gelegenheit, über ihre Arbeit in den<br />

Gruppen und die jeweiligen Ergebnisse<br />

Bericht zu erstatten.<br />

Im Folgenden werde ich nur die Anfangsstunden<br />

unseres Projektes darstellen, da<br />

in den späteren Unterrichtsstunden jedes<br />

Kind ohne weiteres wusste, was es<br />

zu tun und wie es mit etwaigen Problemen<br />

umzugehen hatte.<br />

Zu Beginn teilten sich die Kinder in sechs<br />

verschiedene Gruppen ein. Dabei bekräftigten<br />

sie noch einmal ihren Entschluss,<br />

die Gruppenstrukturen nicht zu<br />

eng zu sehen, damit jedes Kind die<br />

Möglichkeit bekam, innerhalb der Gruppen<br />

zu wechseln.<br />

Die Gruppe ’Information’ schrieb die Erlebnisse<br />

der Klassenfahrt in Form von<br />

Informationstexten <strong>auf</strong>. Dabei hatten die<br />

drei Mädchen die Tage der Fahrt untereinander<br />

<strong>auf</strong>geteilt. Jede Schülerin schrieb<br />

ihren Text vor und präsentierte ihn anschließend<br />

der Informationsgruppe. Es<br />

entstanden mehrfach Diskussionen darüber,<br />

wie ein Text geschrieben wurde und<br />

ob alle Erlebnisse wiedergegeben wurden.<br />

Zur Hilfe lag den Schülerinnen das<br />

Plakat mit den Erlebnissen aus dem<br />

Schullandheim vor.<br />

Eine weitere Gruppe überlegte sich, wie<br />

sie das Gut Waterneversdorf, an dem wir<br />

von Hassberg aus vorbeigewandert waren,<br />

darstellen könnten. Sie kamen <strong>auf</strong><br />

die Idee, das Wappen, das über dem<br />

Eingangsportal des Gutes hing, zu zeichnen.<br />

Es hatte keiner das Wappen vor Ort<br />

fotografiert. Ich gab den Schülern als<br />

Hilfe einige Abbildungen, <strong>auf</strong> denen Wappen<br />

verschiedener Königshäuser abgebildet<br />

waren. Nach diesen Anregungen<br />

hatten die Kinder dann mehrere Phantasiewappen<br />

entwickelt, aus denen sie<br />

am Ende eines für den <strong>Wandbehang</strong> auswählten.<br />

Vier Jungen entschieden sich dafür, die<br />

Landkarte der Umgebung von Hassberg<br />

<strong>auf</strong> Architektenpapier durchzupausen.<br />

Auf meine Frage, warum wir später nicht<br />

die Originalkarte zum <strong>Wandbehang</strong> hängen<br />

könnten, kam die Antwort: „Alle anderen<br />

Dinge werden doch auch selbst<br />

gemacht. Außerdem hatten wir ja nur<br />

einen kleinen Teil der Umgebung gesehen.“<br />

So entschlossen sie sich, nur den Teil der<br />

Umgebung von Haßberg von der Karte<br />

durchzupausen, in dem wir auch waren.<br />

Ganz am Schluss wurde die abgepauste<br />

Karte von den Schülern noch angemalt<br />

und mit <strong>einem</strong> Passepartout versehen.<br />

Die gesamte Lerngruppe diskutierte während<br />

des ersten Fixpunktes in der Schule<br />

darüber, wie das Schullandheim dargestellt<br />

werden könnte. Einige hatten die<br />

Idee, kleine Häuser aus Überraschungseiern<br />

von zu Hause mitzubringen. Doch<br />

9


nach längerer Überlegung entschieden<br />

sie sich dagegen, da diese Häuser viel<br />

zu klein waren. So wurde beschlossen,<br />

das Schullandheim und später auch die<br />

Häuser aus Lütjenburg aus Pappe zu basteln.<br />

Die Gruppe ’Schullandheim’ bestand zunächst<br />

nur aus <strong>einem</strong> Schüler. Nachdem<br />

die übrigen Kinder aber gesehen hatten,<br />

wie einfach man Häuser aus farbiger Pappe<br />

basteln konnte, erweiterte sich die<br />

Gruppe um drei Schüler.<br />

Die Gruppe ’Legende’ hatte am Anfang<br />

Startschwierigkeiten. Die Schüler bemerkten<br />

ganz schnell, dass sie die Legende<br />

nicht nach ihren eigenen Vorstellungen<br />

entwerfen konnten. Sie durften<br />

schließlich nur das darstellen, was nachher<br />

auch tatsächlich <strong>auf</strong> dem <strong>Wandbehang</strong><br />

zu sehen war. Aus diesem Grund<br />

haben die Kinder zu Beginn am <strong>Wandbehang</strong><br />

mitgearbeitet. Erst als einiges <strong>auf</strong><br />

diesem angebracht war, konnten sie mit<br />

ihrer eigentlichen Arbeit beginnen.<br />

Die Gruppe ’<strong>Wandbehang</strong>’ war die größte<br />

Gruppe. Deshalb kam es am Anfang<br />

zu größeren Tumulten, weil jeder Schüler<br />

seine Idee einbringen und zum Teil<br />

auch durchsetzen wollte. Beim anschließenden<br />

Stundenabschluss kamen dann<br />

lautstarke Beschwerden darüber, dass<br />

die Gruppe nicht zusammenarbeiten könne.<br />

An dieser Stelle musste ich die Kinder<br />

daran erinnern, dass wir uns im Vorfeld<br />

dar<strong>auf</strong> geeinigt hatten, dass jeder<br />

seinen Vorschlag äußern darf und anschließend<br />

sachlich in der Gruppe darüber diskutiert<br />

wird.<br />

Damit diese Diskussionen, die zwangsläufig<br />

in einer Gruppe mit unterschiedlichen<br />

Ideen <strong>auf</strong>kommen, nicht mit unzufriedenen<br />

Kindern enden, machte ich den<br />

Vorschlag, dass jede Gruppe einen Gruppensprecher<br />

wählt. Dieser ist dann für<br />

die Gesprächsleitung am Ende der Unterrichtsstunde<br />

zuständig.<br />

Die Kinder nahmen diesen Vorschlag an<br />

und versuchten von da an, sich in ihren<br />

Gruppen zu arrangieren.<br />

Der Sprecher der Gruppe ’<strong>Wandbehang</strong>’<br />

nahm seine Aufgabe sehr ernst. Er machte<br />

seinen Mitschülern den Vorschlag,<br />

erst einmal alle Dinge, die <strong>auf</strong> den Untergrundstoff<br />

genäht werden sollten, <strong>auf</strong>zulegen.<br />

Die Wanderwege wurden aus<br />

Papier zugeschnitten und ebenfalls <strong>auf</strong>gelegt.<br />

So konnten die Kinder im Groben<br />

die Wirkung des gesamten Werkstückes<br />

sehen. Dabei bemerkten sie,<br />

dass der große Binnensee im Verhältnis<br />

zu allen anderen Dingen zu klein war. Es<br />

wurden zwei Schüler damit be<strong>auf</strong>tragt,<br />

einen Schnitt für den großen Binnensee<br />

zu zeichnen und diesen dann auszuschneiden.<br />

Weiterhin bemerkten die Kinder, dass<br />

noch jede Menge Material fehlte. Der<br />

Gruppensprecher hatten eine Liste angefertigt,<br />

die er beim anschließenden<br />

Fixpunkt der gesamten Lerngruppe vortrug.<br />

Dar<strong>auf</strong>hin erklärten sich einige Schüler<br />

bereit, zu Hause noch einmal nach<br />

Material Ausschau zu halten.<br />

Nachdem die Ostsee und der Strand zunächst<br />

im Schullandheim nur <strong>auf</strong>gesteckt<br />

worden waren, wird die Ostsee nun von<br />

zwei Schülern mit dem Steppstich festgenäht.<br />

Bei dem Versuch, das Sandschleifpapier<br />

– den Strand – ebenfalls<br />

festzunähen, bemerkten die Schüler sehr<br />

schnell, dass dies mit den dünnen Nähnadeln<br />

zu schwierig war. Bei der anschließenden<br />

Diskussion in der gesamten Lerngruppe<br />

versuchten die Kinder, eine Lösung<br />

des Problems zu finden. Es gab für<br />

sie zwei Alternativen: Entweder wird das<br />

Sandpapier festgeklebt oder mit der Nähmaschine<br />

festgenäht. Die Mehrheit entschied<br />

sich gegen das Festkleben, da<br />

alles <strong>auf</strong> dem <strong>Wandbehang</strong> nur mit Nadel<br />

und Faden befestigt werden sollte.<br />

Und so musste ich am Schluss des Projektes<br />

das Papier maschinell annähen.<br />

Während zwei Jungen die Ostsee festnähten,<br />

fingen die anderen der Gruppe<br />

an, die Bäume und die Bucheckern um<br />

die Papierwege herum zu befestigen. Von<br />

Vorteil war in dieser Situation, dass alle<br />

Kinder zur gleichen Zeit an den <strong>Wandbehang</strong><br />

herankommen konnten, da dieser<br />

in der Mitte des Gruppenraumes <strong>auf</strong> mehreren<br />

Tischen lag.<br />

Wir hatten die Lernumgebung für unser<br />

Projekt optimal ausgenutzt!<br />

Die Ostsee wird <strong>auf</strong> die Jute <strong>auf</strong>gebracht<br />

Für die Wanderwege wählten die Kinder<br />

braunen Filz, den sie mit Hilfe der Papierwege,<br />

die wir schon im Schullandheim<br />

<strong>auf</strong> den <strong>Wandbehang</strong> gesteckt hatten,<br />

zuschnitten. Die Kinder wussten von<br />

diesem Zeitpunkt an, was jeder zu tun<br />

hatte und wie jeder vorgehen konnte und<br />

musste. Die anfänglichen Schwierigkeiten<br />

waren beseitigt. Und so ging in den<br />

folgenden Unterrichtsstunden die Arbeit<br />

sehr zügig voran. Die Kinder schafften<br />

es durch gegenseitige Hilfe, den <strong>Wandbehang</strong><br />

vor den Weihnachtsferien fertig<br />

zu stellen.<br />

Abschluss des Projektes<br />

Die Schüler entschieden sich dafür, den<br />

<strong>Wandbehang</strong> nur für einen begrenzten<br />

Zeitraum öffentlich auszustellen. Danach<br />

sollte er im Klassenraum <strong>auf</strong>gehängt werden.<br />

Der Ausstellungsort war schnell gefunden:<br />

Im Flur unserer Schule hängen<br />

mehrere große Pinnwände, die oft für<br />

Ausstellungen benutzt werden. Die Kinder<br />

wählten eine Ausstellungswand direkt<br />

vor dem Lehrerzimmer. – Eine Schülerin:<br />

„Hier gehen doch immer alle [Lehrer]<br />

vorbei, wenn sie zum Sport müssen.“<br />

– An dieser Stelle wurden der <strong>Wandbehang</strong>,<br />

die Legende, die gezeichnete Karte<br />

und die Informationstexte <strong>auf</strong>gehängt.<br />

Eine abschließende Diskussion kam beim<br />

Finden einer passenden Überschrift für<br />

die Ausstellung <strong>auf</strong>. Es gab mehrere Vor-<br />

10


schläge, wie zum Beispiel „Erinnerungen<br />

an unsere Klassenfahrt“, „Unsere erste<br />

Klassenfahrt“, „Eine Woche ohne Eltern“<br />

usw.. Der erste Vorschlag hat sich dann<br />

aber doch durchgesetzt.<br />

Das Projekt im Rückblick<br />

<strong>auf</strong> die gesetzten Ziele<br />

Eines meiner Ziele, die ich mit m<strong>einem</strong><br />

Projekt verfolgt habe, war das Fördern<br />

des selbstständigen Arbeitens der Schüler.<br />

Die Kinder sollten sich zum Beispiel<br />

untereinander helfen, wenn Probleme <strong>auf</strong>tauchten.<br />

Sie sollten auch im Gespräch<br />

gemeinsame Lösungen finden. Das ist<br />

ihnen nicht immer leicht gefallen.<br />

Für die Kinder fand während des Projektes<br />

ein bedeutender Lernprozess statt.<br />

ße in seinen jeweiligen Arbeitsgruppen<br />

für das Vorankommen zuständig war.<br />

Die anfänglichen Probleme, die die Kinder<br />

mit der offenen Aufgabenstellung und<br />

der neuen offenen Struktur einer Unterrichtseinheit<br />

hatten, verflüchtigten sich sehr<br />

schnell. Jedes Kind wusste zu Beginn jeder<br />

Unterrichtsstunde, was es zu tun hatte.<br />

Es bedurfte keiner erneuten Aufgabenstellung<br />

durch die Lehrkraft.<br />

Durch diese neu gewonnene Selbstständigkeit<br />

der Schüler wurde es mir auch<br />

leicht gemacht, die Rolle des Beraters<br />

und nicht die des Lenkers zu akzeptieren.<br />

Eine weitere Fähigkeit, die ich mit diesem<br />

Projekt bei den Schülern fördern wollte,<br />

war ihre Kreativität. Im L<strong>auf</strong>e meines<br />

organisierten Textillehreunterrichts hatte<br />

sich gezeigt, dass die Kinder sich immer<br />

mehr <strong>auf</strong> Anschauungsmodelle und Muster<br />

der Lehrkraft verließen und kaum den<br />

Mut hatten, eigene Ideen auszuprobieren.<br />

Kinder verlieren heute viel zu früh ihre kindliche<br />

Naivität und ihre Phantasie. Die<br />

Phantasie eines Kindes und seine Kreativität<br />

hängen sehr eng miteinander zusammen.<br />

Dazu gehört ebenso die kindliche<br />

Spontaneität.<br />

Die heutige Umwelt und auch die Erziehung<br />

– sei es in der Schule oder zu Hause<br />

– können in mancher Hinsicht innovationshemmend<br />

wirken.<br />

Um die Kreativität der Kinder nicht zu unterdrücken,<br />

entschied ich mich für eine<br />

sehr offene Aufgabenstellung: „Unsere<br />

Klassenfahrt wollen wir in Form eines<br />

<strong>Wandbehang</strong>es darstellen.“ Die Kinder<br />

sollten diese Aufgabe mit ihren eigenen<br />

Ideen füllen.<br />

Es zeigt sich schon zu Beginn, dass die<br />

Kinder eine große Freude daran entwickelten,<br />

ihrer Phantasie freien L<strong>auf</strong> zu lassen.<br />

Es kamen viele phantasievolle Ideen<br />

zusammen, die allerdings <strong>auf</strong> ihre Umsetzbarkeit<br />

überprüft werden mussten.<br />

Ich konnte während des Verl<strong>auf</strong>es gut erkennen,<br />

wie die Kinder zunehmend kreativer<br />

wurden. Besonders in den Gruppen<br />

’<strong>Wandbehang</strong>’ und ’Wappen’ war<br />

die Phantasie und damit verbunden die<br />

Kreativität gefordert. In den Gesprächen<br />

in den einzelnen Gruppen wurde die Kreatitivät<br />

eines jeden in Worte gefasst. Die<br />

Kinder machten sich gegenseitig Vorschläge<br />

oder erzählten sich von ihren Ideen.<br />

Am Ende sind daraus Produkte wie<br />

Der fertige <strong>Wandbehang</strong><br />

Um sie nicht zu überfordern, habe ich<br />

sie schrittweise an den Projektunterricht<br />

herangeführt. Gerade zu Beginn erfolgte<br />

eine Lenkung durch die Lehrkraft. Das<br />

war wegen der Gefahr der Überforderung<br />

notwendig. Die Lenkung habe ich im Verl<strong>auf</strong><br />

der Unterrichtseinheit <strong>auf</strong> die Kinder<br />

– von diesen unbemerkt – übertragen.<br />

So konnte ich mehr und mehr die Rolle<br />

des Hintergrundlehrers übernehmen. Die<br />

Schüler empfanden es am Ende als selbstverständlich,<br />

dass jeder in gleichem Ma-<br />

der <strong>Wandbehang</strong> oder die Wappen entstanden.<br />

Die Gruppe ’Wappen’ hatte von mir Abbildungen<br />

von europäischen Königswappen<br />

erhalten, die sie nutzen konnten, um<br />

ihr eigenes Wappen darzustellen.<br />

Diese Hilfe hat nicht im Geringsten die<br />

Kreativität der Kinder eingeschränkt. Sie<br />

haben aus den gegebenen Elementen ein<br />

Phantasiewappen gezeichnet, das wenig<br />

Ähnlichkeit mit den Vorlagen hatte.<br />

11


Ein Schüler hatte sich bereit erklärt, das<br />

Schullandheim aus Pappe zu basteln. An<br />

ihm konnte ich besonders gut sein kreatives<br />

und selbstständiges Vorgehen beobachten.<br />

Ohne um Hilfe zu bitten, fing<br />

er an, ein dreidimensionales Gebäude<br />

zu basteln. In s<strong>einem</strong> Kopf wusste er<br />

schon ganz genau, wie das Haus aussehen<br />

sollte. Er benötigte dazu überhaupt<br />

keine Anleitungen oder Anschauungsmodelle.<br />

Die Kinder verfügten also über genügend<br />

Kreativität und die nötige Selbstständigkeit,<br />

um ihre Phantasie umzusetzen.<br />

Es war <strong>auf</strong> einmal gar kein Problem für<br />

sie, ohne Anschauungsobjekte oder vorgegebene<br />

Muster einen <strong>Wandbehang</strong> zu<br />

gestalten, der zu Beginn nur in ihrer Phantasie<br />

exisierte.<br />

Zur Bewährung der<br />

Unterrichtsorganisationsform<br />

Die Lerngruppe hat erstmals Projektunterricht<br />

durchgeführt. Deshalb gab es<br />

in den einzelnen Komponenten kleine<br />

Unsicherheiten oder Reibungspunkte,<br />

die beim mehrmaligen Durchführen dieser<br />

Organisationsform zerstreut werden<br />

könnten.<br />

Der <strong>Wandbehang</strong>, Teilansicht<br />

Fotos: N. Asmussen<br />

Die Projektinitiative ging hier von der Lehrkraft<br />

aus. Ich hatte ein Thema ausgesucht,<br />

das die Schüler direkt betrifft: die bevorstehende<br />

Klassenfahrt, Da das Thema<br />

die Interessen der Schüler traf, konnte<br />

die notwendige Eigeninitiative entstehen.<br />

Bei <strong>einem</strong> nächsten Projekt, so könnte<br />

ich mir vorstellen, schlagen die Schüler<br />

selbst das Thema – also die Projektinitiative<br />

– vor.<br />

Bei der anschließenden Auseinandersetzung<br />

mit der Projektinitiative haben wir<br />

die Gesprächsregeln sehr deutlich und<br />

gründlich erarbeitet. Wenn alle Kinder ihre<br />

Ideen geäußert hatten, wurde darüber<br />

diskutiert. Hier mussten die Kinder lernen,<br />

sachlich und nicht verletzend über<br />

gegebene Vorschläge zu sprechen. Das<br />

fiel manchem nicht immer ganz leicht.<br />

Doch sie überlegten später immer häufiger,<br />

wie man <strong>einem</strong> Mitschüler seine<br />

Meinung sagen kann, ohne diesen durch<br />

die Wortwahl zu verletzen.<br />

Am Ende der Auseinandersetzung stand<br />

für die Kinder fest, dass die Projektinitiative<br />

insgesamt angenommen wurde.<br />

Sie entwarfen die Projektskizze:<br />

Das Projekt ’<strong>Wandbehang</strong>’ soll bis<br />

Weihnachten zunächst im Schullandheim<br />

und dann im Textilunterricht<br />

durchgeführt werden.<br />

Auf dem <strong>Wandbehang</strong> wird mit Hilfe<br />

von Naturmaterialien und Spielzeugfiguren<br />

unsere Klassenfahrt dargestellt.<br />

Es soll nichts <strong>auf</strong> den <strong>Wandbehang</strong><br />

<strong>auf</strong>geklebt werden.<br />

Alles wird mit Nadel und Faden festgenäht<br />

oder geknotet.<br />

Zum Schluss machen wir eine Ausstellung.<br />

Die Entwicklung der Projektinitiative zum<br />

Betätigungsgebiet mit dem Ergebnis des<br />

Projektplanes stellte die dritte Komponente<br />

dar.<br />

In unserem Projekt konnte man die drei<br />

ersten Komponenten nicht ganz klar voneinander<br />

trennen. Ich empfand es als<br />

wichtig, dass den Kindern schon von<br />

Beginn an bewusst wurde, welche Aktivitäten<br />

an und um den <strong>Wandbehang</strong><br />

herum stattfinden könnten. Nur so konnten<br />

sie sich gleich ein Bild von dem Projekt<br />

machen. Dieser Schritt wurde noch<br />

vor der Fahrt in der Schule angesprochen.<br />

Aber eine intensive Auseinandersetzung<br />

an diesem Punkt fand erst im Schullandheim<br />

statt. Die Kinder entschieden sich<br />

gemeinsam dafür, dass zwei Listen angefertigt<br />

werden müssen, <strong>auf</strong> denen zum<br />

einen die Erlebnisse stehen und zum anderen<br />

die fehlenden Materialien notiert<br />

werden mussten.<br />

Weiterhin wurde von ihnen festgelegt,<br />

dass jeweils abends im Gruppenraum im<br />

Heim eine Versammlung stattfinden sollte,<br />

<strong>auf</strong> der abgestimmt wurde, welche<br />

Erlebnisse <strong>auf</strong> dem Wandbehand <strong>auf</strong>gebracht<br />

werden sollen. Es wurden von den<br />

Kindern eigene Prioritäten gesetzt.<br />

Eine Buchecker wird <strong>auf</strong>genäht<br />

Die Entscheidung über den Zeitfaktor wurde<br />

<strong>auf</strong> die Schulzeit nach den Herbstferien<br />

verschoben, da die Kinder noch keine<br />

Vorstellung darüber hatten, wie lange<br />

an dem <strong>Wandbehang</strong> gearbeitet werden<br />

musste.<br />

In der Schule wurden zu Beginn die zwei<br />

wöchentlichen Textillehrestunden für das<br />

Projekt genutzt. Hier reichten die beiden<br />

Einzelstunden bei weitem nicht dazu aus,<br />

dass die Kinder sich intensiv <strong>auf</strong> ihre Arbeit<br />

konzentrieren konnten. Kaum hatten<br />

die Schüler mit ihrer Arbeit begonnen,<br />

war die Unterrichtsstunde auch schon zu<br />

Ende. Die Schüler kamen so kaum voran.<br />

Das führte zu Frustationen.<br />

Ich entschied mich dafür, eineinhalb Wochen<br />

lang richtigen Projektunterricht<br />

durchzuführen. Dafür nutzte ich zusätzlich<br />

meine Unterrichtsstunden im Fach<br />

Mathematik. So war die Voraussetzung<br />

geschaffen, an jedem Tag für eine bestimmte<br />

Zeit an unserem Projekt zu arbeiten.<br />

Allerdings protestierten einige Eltern,<br />

weil „kein anständiger Unterricht<br />

mehr stattfand“. Ich hatte es versäumt,<br />

<strong>auf</strong> <strong>einem</strong> Elternabend die Eltern vorher<br />

über die Bedeutung von Projektunterricht<br />

zu informieren. Die nötigen Informationen<br />

reichte ich dann nach.<br />

Erst in der Schule wurde weiter an dem<br />

eigentlichen Projektplan gearbeitet. Die<br />

Schüler teilten sich selbstständig in kleine<br />

Gruppen ein. Es wurde festgelegt, wer<br />

wie was tut. In dieser Phase gab es etwas<br />

Unmut bei einigen Schülern, weil sie<br />

sich nicht <strong>auf</strong> eine Gruppe festlegen lassen<br />

wollten. In der <strong>auf</strong>kommenden Diskussion<br />

stellte sich heraus, dass fast alle<br />

12


Schüler gern sehen wollten, was in den<br />

anderen Gruppen vor sich ging. So beschlossen<br />

wir, dass die Gruppenstrukturen<br />

nicht starr sein sollten. Diese Diskussion<br />

zeigte mir, dass die Kinder hoch<br />

motiviert und interessiert waren, an und<br />

mit dem Thema zu arbeiten und von<br />

verschiedenen Seiten an es heranzugehen.<br />

Die Projektdurchführung an dem <strong>Wandbehang</strong><br />

war zu Beginn von der Ungeduld<br />

der Schüler geprägt. Es ging ihnen nicht<br />

schnell genug. Hinzu kam, dass über zehn<br />

Kinder um den <strong>Wandbehang</strong> herum standen<br />

und nicht so recht wussten, wie sie<br />

beginnen sollten. Um nicht wieder in die<br />

typische Lehrerrolle hineinzurutschen, habe<br />

ich die Schüler in ihrer Gruppe diskutieren<br />

lassen und mich zuerst herausgehalten.<br />

Die Ungeduld der Schüler schlug<br />

jedoch in Unmut um, so dass einige <strong>auf</strong>munternde<br />

Worte der Lehrkraft nötig waren.<br />

Als die Gruppe dann einen Gruppensprecher<br />

gewählt hatte und dieser<br />

die Führungsrolle gewissenhaft übernahm,<br />

ging die Zusammenarbeit reibungsloser.<br />

Je weiter die Arbeit fortschritt und je mehr<br />

Ergebnisse zu sehen waren, desto beser<br />

klappte die eigenständige Arbeit der<br />

Schüler.<br />

Als Abschluss dieser Projektarbeit haben<br />

wir uns für eine öffentliche Ausstellung<br />

im Schulflur entschieden. Die Schüler<br />

genossen es sichtlich, von anderen Lehrern<br />

und auch Schülern <strong>auf</strong> ihren <strong>Wandbehang</strong><br />

angesprochen zu werden.<br />

Die Lehrkraft im Projektunterricht<br />

Während imn Regeluntericht gilt, dass<br />

keine Zeit vergeudet werden darf und<br />

stets etwas Positives passieren muss,<br />

sieht das im Projektunterricht doch etwas<br />

anders aus.<br />

Ein Beispiel: Die Kinder in der Gruppe<br />

’<strong>Wandbehang</strong>’ diskutierten sehr häufig<br />

und ausgiebig über ihre Ideen. Ich bemerkte<br />

bei mir immer wieder den Drang,<br />

die Kinder in ihrer Arbeit voranzutreiben.<br />

Ich sah die Zeit schwinden, während sie<br />

mit selbstverständlicher Ruhe über die<br />

verschiedenen Vorschläge sprachen. Das<br />

bedeutete, dass ich viel zu ungeduldig<br />

mit den Schülern war. Aber ich sah auch<br />

die Gefahr, dass durch mein Eingreifen<br />

die Eigeninitiativen und kreativen Ideen<br />

der Kinder gebremst werden würden. Ich<br />

überließ es ihnen, ihr eigenes Arbeitstempo<br />

zu bestimmen.<br />

Arbeit in der Gruppe ’Information’<br />

Ein Punkt, der mir zu Beginn des Projektes<br />

Probleme bereitete, war die ’Arbeitsunruhe’.<br />

Im Regelunterricht gibt es sehr<br />

häufig eine Stillarbeitsphase, in der die<br />

Kinder an ihren Aufgaben leise arbeiten.<br />

Während des Projektes arbeitete kein<br />

Weiterhin musste ich lernen, dass meine<br />

Vorstellungen von dem <strong>Wandbehang</strong><br />

nicht mit denen der Kinder übereinstimmten.<br />

Natürlich hatte ich mir unser Produkt<br />

in meiner Phantasie bildlich vorgestellt.<br />

Ich wusste, welche Erlebnisse ich<br />

Lehrervorstellungen . . .<br />

. . . Kindervorstellungen<br />

gerne <strong>auf</strong> dem Untergrundstoff dargestellt<br />

haben wollte. Doch meine Phantasie<br />

kann man nicht mit der der Kinder<br />

gleichsetzen. Schließlich sollten die Kinder<br />

das Werk so gestalten, wie sie es<br />

sich vorstellten und nicht so, wie die Lehrerin<br />

es gern haben möchte.<br />

Hier lernte ich, den Kindern meine Vorstellungen<br />

nicht <strong>auf</strong>zuerlegen und mich<br />

im Hintergrund zu halten.<br />

Die Gefahr, als Lehrkraft während des<br />

Projektes zu sehr zu dominieren, ist durchaus<br />

gegeben. Aber man muss sich als<br />

Lehrer immer wieder ins Gedächtnis rufen,<br />

dass die Kinder selbstständig werden<br />

sollen und später im Leben auch oft<br />

niemanden haben, der ihnen alles abnehmen<br />

wird. Die Kinder benötigen ihre<br />

Freiräume, in denen sie ohne Vorschriften<br />

Dinge ausprobieren dürfen.<br />

Und nicht nur Schüler müssen lernen, mit<br />

diesen Freiräumen umzugehen. Auch für<br />

den Lehrer ist es nicht immer leicht, ihnen<br />

diese Freiräume zu gewähren und<br />

sich selbst dabei zurückzuhalten.<br />

„Der Lehrer greift ein, wenn die Schüler<br />

Hilfe brauchen“ (Frey). Zu Beginn hatte<br />

ich damit Schwierigkeiten, da meine<br />

Klasse nicht sehr geübt darin war, sich<br />

bei <strong>auf</strong>tretenden Problemen allein miteinander<br />

auseinander zu setzen. Die<br />

Schüler waren in solchen Diskussionen,<br />

die sie im Regelunterricht alleine führten,<br />

oftmals zu keiner Einigung gekommen.<br />

Ich hatte die Befürchtung, dass sie<br />

aus den Diskussionen während des Projektes<br />

frustiert herausgehen würden. Diese<br />

Sorge schien sich im Anfang zu bewahrheiten.<br />

So wurden zu Beginn in der<br />

Gruppe ’<strong>Wandbehang</strong>’ unterschiedlichste<br />

Ideen lautstark diskutiert. Kein Kind<br />

wollte klein beigeben oder einen Kompromiss<br />

schließen. Hier war es nötig,<br />

helfend einzugreifen. Aber allmählich hatten<br />

die Schüler gelernt, den Gruppensprecher<br />

in seiner Funktion zu nutzen<br />

und auch Kompromisse zu schließen. So<br />

lernte auch ich, mich Schritt für Schritt<br />

zurückzuziehen.<br />

Der Geräuschpegel<br />

Kind allein für sich an einer Aufgabe. Es<br />

fand überwiegend Gruppen- oder Kleingruppenarbeit<br />

statt. Da die Kinder in allen<br />

Gruppen kleinere Probleme bewältigen<br />

mussten oder sich einfach über das<br />

Thema unterhielten, gab es einen gewissen<br />

Geräuschpegel im Klassenraum.<br />

Die Kinder schien dieser während der Projektarbeit<br />

überhaupt nicht zu stören, während<br />

sich doch im Regelunterricht viele<br />

Kinder nicht lange <strong>auf</strong> eine Aufgabe konzentrieren<br />

können, wenn am Nachbartisch<br />

geredet wird. Meine Sorge, dass der<br />

Geräuschpegel bei sechs einzelnen Gruppen<br />

ebenfalls stören würde, war unbegründet,<br />

da die Kinder in diesen Fällen<br />

untereinander um mehr Ruhe baten. Ich<br />

musste also gar nicht als ordnungsrufende<br />

Lehrkraft <strong>auf</strong>treten.<br />

Schlussbetrachtung<br />

Mir ist bei der Durchführung der Unterrichtseinheit<br />

bewusst geworden, dass es<br />

mit dem Projektunterricht grundsätzlich<br />

ähnlich ist wie mit nahezu jeder neuen Organisationsform<br />

des . Unterrichts. Die Kinder<br />

müssen schrittweise an diese herangeführt<br />

werden. Zusätzlich müssen sie<br />

motiviert werden, sich <strong>auf</strong> diese Unterrichtsform<br />

einzulasssen, gerade weil es<br />

bei dieser Form des Unterrichtens <strong>auf</strong> einen<br />

sensiblen Umgang miteinander ankommt.<br />

Die Rücksichtnahme <strong>auf</strong>einander<br />

muss geübt werden!<br />

1 Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung<br />

und Kultur des Landes Schleswig-<br />

Holstein, Lehrplan Grundschule, Kiel 97, S. 7<br />

2 Ebenda, S. 11<br />

3 Ebenda, S. 16<br />

4 Ebenda, S. 151<br />

13

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