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Schulm<strong>at</strong>erial<br />
1
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Inhalt des Films 3<br />
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />
2. Aufbau des Films 3<br />
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />
3. Sudabeh Mortezai über ihre Arbeitsweise am Film 5<br />
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />
4. Iran 8<br />
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />
4.2. Religion<br />
4.3. Geschichte der Neuzeit<br />
4.4. Die Revolution von 1979<br />
4.5. Die „Islamische Republik Iran“<br />
4.6. Die Stellung der Frau im Iran<br />
4.7. Reglementierung des öffentlichen Raumes im Iran<br />
5. Islam 19<br />
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />
5.1. Prophet Mohammad und die Frühgeschichte des Islam<br />
5.2. Lehre und Glaubenspraxis des Islam<br />
5.3. Glaubensrichtungen bzw. „Konfessionen“ im Islam<br />
5.4. Die „islamische Welt“<br />
5.5. Geschlechterverhältnisse im Islam<br />
6. Glossar 28<br />
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />
7. Mögliche Fragestellungen und Diskussionsansätze 35<br />
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />
8. Kopievorlagen 36<br />
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />
9. Weiterführunde Liter<strong>at</strong>ur 44<br />
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />
9.1. Weiterführende Liter<strong>at</strong>ur zum Thema Iran<br />
9.2. Weiterführende Liter<strong>at</strong>ur zum Thema Islam<br />
10. Credits 45<br />
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />
11. Imrepssum 46<br />
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />
2
1. Inhaltsverzeichnis<br />
2. Aufbau des Films<br />
1. Inhalt des Films<br />
Eine geschiedene, alleinerziehende Mutter, ein einsamer Junggeselle und ein junger Mullah<br />
sind die Protagonisten dieses intimen Einblicks in Geschlechterbeziehungen im Iran. Ihre<br />
Geschichten kreisen um die Praxis der Zeit-Ehe, auch Lust-Ehe genannt, einer schiitischen<br />
Tradition die es einem Mann und einer Frau ermöglicht, für einen befristeten Zeitraum zu heir<strong>at</strong>en.<br />
Dieser kann von einer Stunde bis zu 99 Jahren dauern. Legalisierte Prostitution oder ein<br />
Schlupfloch für Paare, um eine Beziehung innerhalb des repressiven Rechts der Islamischen<br />
Republik Iran zu leben - religiöses Dogma trifft auf Macho-Sentimentalität, trifft auf weibliche<br />
Lebensrealität. Eine schonungslos ehrliche, kritische und bisweilen humorvolle Auseinandersetzung<br />
mit der islamisch geprägten Sexualpolitik.<br />
2. Aufbau des Films<br />
Der Film beginnt mit einer kurzen Anim<strong>at</strong>ionssequenz in Schwarzweiß, in der eine Überlieferung<br />
des islamischen Gelehrten Fakhr-al-Din Razi über die Zeitehe wiedergegeben wird.<br />
(Anm.: Fakhr-al-Din Razi: Er wurde 1149 in Ray, Iran geboren und war ein bedeutender persisch-sunnitischer<br />
Theologe und Philosoph. Seine Texte befassen sich mit Medizin, Physik, Astrologie, Liter<strong>at</strong>ur,<br />
Geschichte und dem Gesetz. Die im Film verwendete Überlieferung stammt aus seinem Hauptwerkt<br />
Tafsir al-Kabir (= großer Kommentar) zum Koran, dieses wird auch Maf<strong>at</strong>ih al-ghayb (Die Schlüssel<br />
zum Verborgenen) genannt, und gilt als eine der wichtigsten Quellen in der islamischen Tradition.)<br />
Der Text der Überlieferung:<br />
Als der Prophet zur Pilgerreise nach Mekka kam, sah er, wie sich die Frauen von Mekka herausgeputzt<br />
h<strong>at</strong>ten. Seine Gefährten, die ohne ihre Frauen reisten, beklagten diesen Zustand. Da<br />
sprach der Prophet: „So nehmt doch diese Frauen als Zeitfrauen. Und zahlt ihnen ihr Brautgeld<br />
als Lohn.“<br />
Diese Überlieferung ist eine der Bekanntesten zum Thema Zeitehe und wird von schiitischen<br />
Theologen neben dem Koranvers (Anm.: Sure „Die Frauen, Vers 25) als Hauptquelle für die Legitimität<br />
der Zeitehe herangezogen.<br />
Ein Text-Insert folgt darauf: 1400 später<br />
Der Film beginnt und spielt nunmehr in der Gegenwart, d.h. im Iran im Jahr 2008. Die Tradition<br />
der Zeitehe in ihrer theologischen, gesellschaftlichen und priv<strong>at</strong>en Dimension wird nun anhand<br />
von einzelnen ProtagonistInnen beleuchtet. Der Film verzichtet dabei gänzlich auf einen<br />
Kommentar, einem sogenannten „Off-Text“, und läßt allein die Geschichten und Erzählungen<br />
der ProtagonistInnen für sich sprechen. Diese Geschichten entwickeln sich im Laufe des Films<br />
parallel und fügen sich nach und nach wie ein Mosaik zu einem vielschichtigen Sittenbild zusammen.<br />
Dabei wird auch auf klassische Interview-Situ<strong>at</strong>ionen weitgehend verzichtet. Vielmehr<br />
entwickeln sich die einzelnen Szenen fast spielfilmhaft. Die Inform<strong>at</strong>ionen vermitteln sich eher<br />
in Gesprächen unter den ProtagonistInnen und manchmal auch durch Intervention und Fragen<br />
3
2. Aufbau des Films<br />
der Regisseurin zur Kamera hin, aber auch da eher aus der jeweiligen Situ<strong>at</strong>ion heraus. Die<br />
Hauptcharaktere sind:<br />
1. Ein junger schiitischer Geistlicher (umgangssprachlich Mullah genannt), der uns wie ein<br />
Reiseführer durch die iranische Gesellschaft mitnimmt: von einem DVD-Laden in dem<br />
er Filme zum Thema Ehe/Zeitehe vorstellt, über die kleine Moschee deren Vorbeter er<br />
ist, dem Priesterseminar in dem er studierte und wo er eine theologische Diskussion mit<br />
einem Kollegen führt, zu seinem Lehrmeister Großay<strong>at</strong>ollah Gerami in der heiligen Stadt<br />
Qom, zu einem Internetcafe in dem es zu einer hitzigen Diskussion zum Thema Jugend<br />
und Sexualität mit einem jungen Blogger kommt. Der junge Mullah vertritt den theologischen<br />
Aspekt der Zeitehe und ist eine ambivalente Figur, die hin und hergerissen ist<br />
zwischen dem Dogma seiner Lehrmeister und den Problemen und Bedürfnissen der sehr<br />
jungen iranischen Gesellschaft. Er versucht zwischen diesen Positionen zu vermitteln und<br />
daran zeigt sich auch die Brüchigkeit der religiösen Autorität der Mullahs in der Islamischen<br />
Republik Iran.<br />
2. Reza, ein Taxifahrer Mitte 40, Junggeselle und seine ehemalige Zeitfrau Mehri. Reza lebt<br />
in Esfahan und ist auf Wohnungssuche. An Singles wird in dieser konserv<strong>at</strong>iven Stadt<br />
nicht gerne vermietet, also sucht er eine Frau die ihn auf Zeit heir<strong>at</strong>et. Durch seine Besuche<br />
bei Mehri und ihre Beziehung eröffnet der Film dem Zuschauer einen unverstellten<br />
und intimen Einblick in die priv<strong>at</strong>e Dimension der Zeitehe, bei der der finanzielle Aspekt<br />
eine große Rolle spielt. Durch die große Nähe zu Reza bekommt man einen entwaffnend<br />
ehrlichen Einblick in die männliche Sicht der Geschlechterbeziehung.<br />
3. Eine weibliche Perspektive bietet Maryam, eine geschiedene, alleinerziehende Mutter<br />
eines 10-jährigen Sohnes, Amir. Sie h<strong>at</strong> eine Ehe hinter sich die von Gewalt, Drogen und<br />
Missbrauch gezeichnet war. Trotz ihres harten und berührenden Schicksals ist sie eine<br />
starke, selbstbewußte und humorvolle Frau. Wir lernen Maryam im Büro der Anwältin<br />
und Frauenrechtlerin Zohreh Arzani kennen, die auch über die prekäre Rechtslage von<br />
Frauen im Iran Auskunft gibt und die theologischen Ausführungen der Geistlichen in einen<br />
zivilrechtlichen Kontext stellt. Maryam führt uns in ihre priv<strong>at</strong>e Welt, in einen Schönheitssalon,<br />
eine Art Zufluchtsort für sie und ihre Freundinnen, die sehr ähnliche Schicksale<br />
erleiden mussten und oftmals auf Zeitehe als finanzielle Absicherung angewiesen<br />
sind. In diesem weiblichen Raum, beobachten wir die Frauen wie sie plaudern, scherzen,<br />
aus dem Kaffees<strong>at</strong>z lesen, aber auch ihrem Unmut über die Diskriminierung von Frauen<br />
Luft machen und Kritik an der herrschenden Allmacht der Mullahs üben können.<br />
Gefilmt wurde der Film im HDCAM Form<strong>at</strong> mit einer handlichen Kamera und einem kleinen<br />
Filmteam, großteils mit Handkamera und spontan den ProtagonistInnen folgend. Nur selten<br />
und in ausgewählten Momenten ist die Kamera auf einem St<strong>at</strong>iv. Im Vordergrund stand bei den<br />
Dreharbeiten die Nähe zu den Menschen und die Unmittelbarkeit der Situ<strong>at</strong>ionen einzufangen.<br />
Daher wurde auf Inszenierung weitgehend verzichtet. Das Ergebnis ist eine große Nähe zu den<br />
ProtagonistInnen und das Gefühl, einfach dabei zu sein.<br />
4
3 Sudabeh Mortezai<br />
3. Sudabeh Mortezai über ihre Arbeitsweise am Film<br />
In der dokumentarischen Arbeit sind für mich die Nähe zu den ProtagonistInnen und eine Beziehung,<br />
die auf gegenseitigem Vertrauen beruht, ganz zentral. Daher nehme ich mir sehr viel Zeit<br />
für Recherchen und um mit den Menschen, die ich filmen will, eine Beziehung aufzubauen. Ich<br />
verzichte ganz bewusst auf einen Off-Kommentar, weil es mir wichtig ist die Menschen und ihre<br />
Geschichten für sich sprechen zu lassen. Zuerst rede ich viel mit den Menschen, verbringe Zeit<br />
mit ihnen, beobachte und schreibe darauf basierend ein Drehkonzept mit Szenen, die aus dem<br />
Leben der Menschen gegriffen und für diese typisch sind. Dann kommt beim Dreh alles nochmals<br />
ganz anders, weil es eben kein Spielfilm ist und Unvorhersehbarkeit ja auch die eigentlich<br />
Stärke des Dokumentarfilms ist. Lebenssitu<strong>at</strong>ionen verändern sich. Die Dynamik des Drehs<br />
verändert Menschen.<br />
Mir ist Authentizität sehr wichtig und zugleich ist es eine enorme Herausforderung, sie zu erreichen.<br />
Das Thema Objektivität/Subjektivität wird beim Dokumentarfilm viel diskutiert, vor allem<br />
weil sich Inszenierung und Dram<strong>at</strong>urgie beim Dokumentarfilm immer mehr durchsetzen. Heutzutage<br />
sind wir es gewohnt, ja erwarten wir uns sogar, dass auch ein Dokumentarfilm eine Geschichte<br />
erzählt, dass er eine schlüssige Dram<strong>at</strong>urgie h<strong>at</strong> und uns von Anfang bis zum Ende fesselt<br />
und interessiert. Demgegenüber steht der Wunsch nach Wahrheit, nach Realität. Ich glaube<br />
es wäre naiv und vermessen zu glauben, es gäbe im Dokumentarfilm eine wirkliche Objektivität.<br />
Die Präsenz der Kamera, der Akt des Filmemachens verändern jede Situ<strong>at</strong>ion. Dokumentarfilm<br />
ist nicht bloß ein Abbild der Wirklichkeit. Er ist immer auch eine subjektive Stellungnahme. Was<br />
es aber sicher gibt ist Fairness und Authentizität. N<strong>at</strong>ürlich habe ich als Filmemacherin eine<br />
Meinung und eine Haltung zum Thema. Aber beim Filmen lasse ich den Menschen gerne den<br />
Raum den sie brauchen, um authentisch zu bleiben, auch und gerade, wenn sie anders denken<br />
5
3 Sudabeh Mortezai<br />
als ich. Ich versuche nicht zu urteilen, sondern offen und neugierig zu bleiben. Erst die Summe<br />
unterschiedlicher Positionen ergibt dann ein Gesamtbild, das meine subjektive Haltung zum<br />
Ausdruck bringt.<br />
Zum Thema Inszenierung versus Cinéma vérité (oder Direct Cinema – einer Schule des Dokumentarfilms,<br />
bei der die Filmemacher den Menschen und Ereignissen nur folgen, ohne jemals<br />
einzugreifen oder Situ<strong>at</strong>ionen herbeizuführen): Ich schlage einen Mittelweg ein. Es ist nicht bei<br />
jedem Thema möglich nur dabei zu sein und dem Geschehen zu folgen. Das funktioniert gut<br />
bei Institutionen oder Ereignissen die eine innere Dram<strong>at</strong>urgie haben. Bei diesem Film wollte<br />
ich anhand der Praxis der Zeitehe einen ungewohnten Einblick in die Geschlechterbeziehung in<br />
einer islamischen Gesellschaft geben. Bei den Recherche wurde mir schnell klar, dass es sehr<br />
schwierig sein würde vor allem Frauen zu finden, die sich überhaupt filmen lassen und vor der<br />
Kamera zugeben, dass sie eine Zeitehe haben. Wenn sie sich nach langen Gesprächen bereit erklärten,<br />
gab es viele Einschränkungen. Viele wollten nicht in ihrem Wohnviertel gefilmt werden.<br />
Die Nachbarn sollten nichts mitbekommen, also mußte das Filmteam, wenn wir in der Wohnung<br />
filmten, einzeln und unauffällig auftauchen, ohne viel Equipment. Andere Loc<strong>at</strong>ions waren aus<br />
anderen Gründen problem<strong>at</strong>isch, z.B. bekamen wir nie die Erlaubnis beim Familiengericht zu<br />
drehen, wo sich sicher viele spontane dram<strong>at</strong>ische Szenen abgespielt hätten. Auch eine Zeitehe-Schließung<br />
„zufällig“ einzufangen, schien extrem unwahrscheinlich. Es war also klar, dass<br />
wir nur sehr selten einfach den Geschehnissen folgen konnten. In vielerlei Hinsicht stieß ich<br />
als Filmemacherin an meine Grenzen, bzw. an die Grenzen des Darstellbaren. Den Film nur auf<br />
Interviews aufzubauen, wollte ich aber auch nicht. Das erschien mir zu trocken. Der Film sollte<br />
szenisch funktionieren. Also mußte ich mit den Protagonisten immer wieder Szenen vereinbaren,<br />
die sich aus meinen Recherchen herauskristallisiert h<strong>at</strong>ten, für diesen Menschen typisch<br />
und authentisch waren und zugleich einen Aspekt der Zeitehe offenbarten. Das war ein noch<br />
immer schwieriger, aber für dieses Thema der einzig gangbare Weg. Situ<strong>at</strong>ionen wurden also<br />
immer wieder von mir als Regisseurin herbeigeführt, passierten dann aber in sich dokumentarisch<br />
und spontan vor der Kamera. Manchmal funktionierte das gar nicht und das M<strong>at</strong>erial fand<br />
den Weg nicht in den fertigen Film, dann wieder ergaben sich spannende Szenen. Am spontansten<br />
konnten wir dem Mullah im öffentlichen Raum und in seiner Umgebung folgen, und so<br />
auch einige ganz unerwartete Momente einfangen. Der Besuch bei seinem Lehrer, dem einflussreichen<br />
Großay<strong>at</strong>ollah Gerami, der Weissagungen aus dem Koran macht, war ein solches<br />
Geschenk, eine völlig ungeplante Szene.<br />
Für diesen Film wollte ich unbedingt mit einem möglichst kleinen Filmteam und vor allem mit<br />
einem iranischen Filmteam vor Ort arbeiten. Dafür gab es zwei wichtige Gründe: Zum einen ist<br />
die Zeitehe ein sehr tabuisiertes Thema. Sie wird zwar viel praktiziert, sehr oft aber im Geheimen<br />
und vor allem die Frauen wollen das nicht gerne zugeben. Es war klar, dass wir in sehr priv<strong>at</strong>e<br />
Bereiche des Lebens eindringen werden und dass es nicht einfach sein würde. Es war dabei<br />
von großem Vorteil, dass ich selbst Iranerin bin, die Sprache spreche und die kulturellen Bezüge<br />
verstehe. Ich habe sehr lange suchen müssen um Frauen zu finden, die sich filmen lassen und<br />
mit ihnen eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut. Sie sollten beim Filmen möglichst bald die<br />
Präsenz der Kamera vergessen. Mit einem österreichischen Filmteam wäre mir das, glaube ich,<br />
nicht gelungen, den Menschen im Priv<strong>at</strong>en so nahe zu kommen. Ein Filmteam ist ohnehin schon<br />
ein Fremdkörper, wenn es auch noch ein auslädisches Team gewesen wäre, hätte das viel von<br />
der Spontaneität der Situ<strong>at</strong>ion zerstört. Interessant war aber dann die T<strong>at</strong>sache, dass ich nicht<br />
6
3 Sudabeh Mortezai<br />
im Iran lebe und der Film nicht im Iran gezeigt werden sollte - für manche Frauen, die skeptisch<br />
waren, ein Argument sich doch auf den Film einzulassen. Weit weg von zuhause gesehen zu<br />
werden, war ihnen nicht mehr so peinlich.<br />
Der zweite und auch sehr wichtige Grund war möglichst die Filmzensur im Iran zu umgehen.<br />
Im Iran darf ein Film nur unter strenger Kontrolle des Kulturministeriums entstehen. Das gilt<br />
für jeden Film. Es gibt allerdings auch Schlupflöcher und Umwege. Noch größerer Kontrolle unterliegen<br />
ausländische Filmteams. Ich wußte also, wenn ich mit einem österreichischen Team<br />
einreise, werden wir ständig unter Beobachtung von Kulturministerium und Geheimdienst sein.<br />
Ich hätte niemals diesen Film machen können. Als Iranerin und Mitglied des iranischen Dokumentarfilmverbands<br />
konnte ich hingegen mit offiziellen Dreherlaubnissen arbeiten, ohne auf<br />
Schritt und Tritt beobachtet zu werden. Es war manchmal schwierig bestimmte Dreherlaubnisse<br />
zu bekommen, z.B. in der Teheraner U-Bahn und v.a. im Frauenabteil der U-Bahn. Aber wir<br />
haben es Dank des Einfallreichtums meiner iranischen Crew immer wieder geschafft.<br />
7
4 Iran<br />
4. Iran<br />
Der Iran zählt mit 1.648.195 km² Fläche und rund 72 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern<br />
zu den größten Sta<strong>at</strong>en des Mittleren Ostens. Im Westen grenzt der Iran mit dem Irak an die<br />
arabischsprachige Welt und an die Türkei, im Osten an Pakistan und Afghanistan, im Norden<br />
an Zentralasien, wobei die nordöstlichen Nachbarsta<strong>at</strong>en in vielfacher Hinsicht kulturelle und<br />
sprachliche Verbindungen zum Iran aufweisen.<br />
ARM.<br />
ASERBAIDSCHAN<br />
TÜRKEI<br />
Tabriz<br />
Kaspisches<br />
Meer<br />
TURKMENISTAN<br />
Urmiasee<br />
Teheran<br />
Maschhad<br />
Qom<br />
Esfahan<br />
AFGHANISTAN<br />
IRAK<br />
KUW.<br />
SAUDI-ARABIEN<br />
Schiraz<br />
PAKISTAN<br />
BAHRAIN<br />
KAT.<br />
Persischer<br />
Golf<br />
V.A.E.<br />
Golf von<br />
Oman<br />
0 100 200 300 km<br />
OMAN<br />
Islam weltweit<br />
4.1. Sprachen<br />
In Afghanistan und Tajikistan werden persische Dialekte (Dari und Tajikisch) als Amtssprachen<br />
verwendet. Das in Pakistan als Amtssprache verwendete Urdu besitzt große Einflüsse aus dem<br />
Persischen und in den Städten Uzbekistans leben große persischsprachige Minderheiten. Im<br />
Iran selbst werden neben der Amtssprache Persisch (Farsi) allerdings auch eine Vielzahl anderer<br />
Sprachen gesprochen.<br />
8
4 Iran<br />
Teheran<br />
1. Iranische Sprachen:<br />
Farsi (Persisch) ca. 50%<br />
Balutsch ca. 2%<br />
Kurdisch ca. 8%<br />
Lori & Laki ca. 5%<br />
Mazandaiani ca. 3%<br />
Gilaki ca. 2%<br />
Talysh ca. 1%<br />
2. Turksprachen:<br />
Azeri ca. 20%<br />
Qashqai ca. 2%<br />
Turkmenisch ca 2%<br />
3. Semitische Sprachen:<br />
Arabisch ca. 2%<br />
Aramäisch ca. 0,1%<br />
4. Andere Sprachen:<br />
Armenisch, Brahui,... ca. 3%<br />
Nur rund die Hälfte der Iranerinnen und Iraner spricht Persisch (Farsi) als Muttersprache. An<br />
der Küste des Kaspischen Meeres und in Loristan werden jedoch eng mit dem Persischen verwandte<br />
iranische Sprachen gesprochen. Auch Kurdisch und Balutsch sind als iranische Sprachen<br />
mit dem Persischen verwandt. Fast ein Viertel der iranischen Bevölkerung spricht jedoch<br />
eine mit dem Persischen nicht verwandte Turksprache (Azeri, Qashqai, Turkemisch, u.a.). An der<br />
Südküste und in der südwestiranischen Provinz Ahvaz wird überwiegend Arabisch gesprochen.<br />
Mit dem Arabischen verwandte Dialekte des Aramäischen werden noch von nestorianischen<br />
Christen um die Stadt Urumiye und in einigen anderen Städten des Landes, sowie den Mandäern<br />
in der Provinz Ahvaz gesprochen. In fast allen Städten des Landes gibt es Gemeinden armenischer<br />
Christen, die auch im Alltag noch Armenisch sprechen. In Balutschistan wird in einigen<br />
Regionen neben dem iranischen Balutsch auch die dravidische Sprache Brahui gesprochen.<br />
4.2. Religion<br />
Der Iran wurde bereits 642 n.Chr. in das islamische Kalif<strong>at</strong> integriert. Die Mehrheit der Bevölkerung<br />
konvertierte daraufhin in einem Prozess von Jahrhunderten zum Islam. Allerdings dominierte<br />
im Iran bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts der sunnitische Islam. Erst die 1501 an die<br />
Macht gekommene Dynastie der Safawiden machte den Iran zu einem mehrheitlich schiitischen<br />
Reich. Die 12er-Schia gilt seither als Sta<strong>at</strong>sreligion des Iran. Im Nordwesten und Südosten des<br />
Landes (v.a. bei Kurden und Balutschen) haben sich jedoch große sunnitische Minderheiten<br />
gehalten. Insgesamt sind heute 88-90% der Bevölkerung schiitische und 9-10% sunnitische<br />
Muslime. Die restlichen ein bis zwei Prozent der Bevölkerung verteilen sich auf verschiedene<br />
christliche Kirchen, wobei die armenisch-apostolische Kirche mit rund 250.000 Gläubigen die<br />
mit Abstand größte christliche Gemeinschaft darstellt. Vor allem im Zentraliran konnten sich<br />
9
4 Iran<br />
rund 30.000 bis 35.000 Anhänger des Zoroastrismus (Zar<strong>at</strong>hustrismus) halten. Diese alte iranische<br />
Religion bildete vor der Islamisierung des Iran die Sta<strong>at</strong>sreligion des iranischen Sassanidenreiches<br />
und ist nach ihrem Religionsstifter Zar<strong>at</strong>hustra benannt. In den Städten Teheran, Schiraz,<br />
Isfahan, Kermanshah und Hamedan leben heute noch ca. 20.000 Jüdinnen und Juden. Im Iran lebt<br />
damit gemeinsam mit der Türkei die größte jüdische Gemeinschaft in der gesamten islamischen<br />
Welt. In der südwestiranischen Provinz Ahvaz leben einige tausend Mandäer und in der kurdischen<br />
Grenzregion Hawraman Angehörige der heterodoxen schiitischen Gruppe der Ahl al-Haqq (Kakai).<br />
4.3. Geschichte der Neuzeit<br />
Der Iran wurde im Gegens<strong>at</strong>z zu vielen Ländern in der Region nie von westlichen Sta<strong>at</strong>en kolonialisiert.<br />
Allerdings übten Großbritannien, Russland bzw. die Sowjetunion und später die USA in<br />
vielerlei Hinsicht Einfluss auf die politische Entwicklung des Landes aus. 1925 stürzte der junge<br />
Offizier Reza Pahlavi die bis dahin herrschende Qadscharendynastie und machte sich - nachdem<br />
er seinen ursprünglich republikanischen Ideen abgeschworen h<strong>at</strong>te – selbst zum Schah<br />
(Kaiser) des Iran. Damit begründete er die so genannte Pahlavi-Dynastie, die den Iran bis 1979<br />
prägen sollte. Reza Pahlavi war jedoch keineswegs unbestrittener Herrscher des Iran. Früher<br />
als in vielen anderen Sta<strong>at</strong>en der Region h<strong>at</strong>ten sich im Iran unterschiedliche politische Bewegungen<br />
und Parteien gegründet. So h<strong>at</strong>ten sich v.a. in den Regionen am Kaspischen Meer und in<br />
den Städten des Iran kommunistische, sozialdemokr<strong>at</strong>ische, liberale und n<strong>at</strong>ional-republikanische<br />
Bewegungen gebildet. Der Machtergreifung Pahlavis war 1905-1911 eine konstitutionelle<br />
Revolution vorangegangen. 1920 h<strong>at</strong>te sich im Norden des Iran eine kurzlebige „Sowjetrepublik<br />
Gilan“ gebildet, die zum Vorbild für eine ebenso kurzlebige „Demokr<strong>at</strong>ische Republik Aserbaidschan“<br />
wurde. Der Iran transformierte sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts rasch in Richtung<br />
einer modernen Gesellschaft mit unterschiedlichsten politischen Strömungen, die auch in<br />
Opposition zum Schah standen. Aufgrund der Symp<strong>at</strong>hien Reza Pahlavis für Nazideutschland<br />
wurde der Iran 1941 von der Sowjetunion und Großbritannien besetzt und Reza Pahlavi zugunsten<br />
seines Sohnes Mohammad Reza Pahlavi zum Rücktritt gezwungen.<br />
Unter sowjetischer Besetzung konnten sich bestehende linke und separ<strong>at</strong>istische Bewegungen im<br />
Nordiran entfalten. So entstanden mit Kriegsende erneut kurzlebige Republiken ethnischer Minderheiten,<br />
wie die Autonome Republik Aserbaidschan oder die kurdische Republik von Mahabad.<br />
Mohammad Reza Pahlavi ließ diese Autonomiebestrebungen jedoch blutig unterdrücken und<br />
formte den Iran nach dem Abzug der Bes<strong>at</strong>zungstruppen zu einem autoritär regierten prowestlichen<br />
Zentralsta<strong>at</strong> um. Politische Opposition wurde nicht geduldet. Trotzdem blieben linke,<br />
n<strong>at</strong>ionalistische und republikanische Kräfte stark. Eine Auseinandersetzung mit dem linksn<strong>at</strong>ionalistischen<br />
Premierminister Mohammad Mossadegh, der eine Versta<strong>at</strong>lichung des iranischen<br />
Erdöls anstrebte, konnte Mohammad Reza Pahlavi 1953 nur mit Hilfe des US-Geheimdienstes<br />
CIA für sich entscheiden. Da der bereits ins Exil gegangene Schah lediglich aufgrund dieses vom<br />
CIA initiierten Putsches gegen Mossadegh zur Macht zurückkehren konnte, verstärkte sich in der<br />
Folge die Abhängigkeit des Iran von den USA ebenso, wie die politische Repression gegen Oppositionelle.<br />
Mit der so genannten „Weißen Revolution“ wollte der Schah ab 1963 seinen Kritikern<br />
den Wind aus den Segeln nehmen. Diese autoritäre Modernisierung von Oben brachte zwar t<strong>at</strong>sächlich<br />
einige Reformen (z.B. eine halbherzige Landreform oder eine Stärkung der Frauenrechte),<br />
jedoch keine demokr<strong>at</strong>ischen Rechte. Mit seiner antireligiösen Haltung brachte der Schah<br />
damit jedoch auch noch die schiitische Geistlichkeit gegen sich auf und legte damit die Basis für<br />
10
4 Iran<br />
eine breite Zusammenarbeit der linken und n<strong>at</strong>ionalistischen Opposition mit großen Teilen des<br />
Klerus. Der damals noch rel<strong>at</strong>iv junge Ay<strong>at</strong>ollah Ruhollah Khomeini konnte sich zu einem der<br />
Wortführer der geistlichen Gegner der Weißen Revolution entwickeln, ehe er 1964 vom gefürchteten<br />
Geheimdienst SAVAK exiliert wurde. Mohammad Reza Pahlavi versuchte den Iran als<br />
Regionalmacht zu etablieren und stellte in zunehmend skurrilen Inszenierungen den Anspruch,<br />
in der Tradition der altiranischen Großreiche zu agieren. Im Oktober 1971 ließ er sich bei einer<br />
2.500-Jahr-Feier der iranischen Monarchie als Nachfolger von Kyros dem Großen feiern und<br />
führte sogar einen eigenen Kalender ein, der mit der Machtübernahme Kyros zu zählen begann.<br />
4.4. Die Revolution von 1979<br />
In den folgenden Jahren vollbrachte es der Schah, sich bei fast allen Teilen der iranischen Bevölkerung<br />
unbeliebt zu machen. Da der Opposition eine legale Betätigung verboten war, begannen<br />
in den Städten und in ländlichen Regionen Guerillaaktivitäten der linken Volksfedayin und<br />
der linksislamistischen Volksmujahedin. 1977 rutschte das Land schließlich in eine schwere<br />
Wirtschaftskrise, die sich zu einer Versorgungskrise für die Bevölkerung auswuchs. Eine breit<br />
angelegte oppositionelle N<strong>at</strong>ionale Front forderte das Ende der „Dikt<strong>at</strong>ur des Schahs“. Am 7.<br />
und 8. Januar 1978 kam es zu Demonstr<strong>at</strong>ionen, die sich auch für den exilierten Ay<strong>at</strong>ollah Khomeini<br />
aussprachen. Der Schah versprach schließlich am 8. August 1978 politische Freiheiten,<br />
freie Wahlen und die Pressefreiheit um wenige Tage später wegen der Proteste des Kriegsrecht<br />
auszurufen. Die massive Unterdrückung der Opposition und die einseitige außenpolitische Abhängigkeit<br />
von den USA t<strong>at</strong>en ihr übriges, dem Schah zunehmend selbst die Unterstützung der<br />
eigenen Machtbasis zu entziehen.<br />
Anfang 1979 begann die Macht des Schahs zunehmend unter den Massendemonstr<strong>at</strong>ionen,<br />
Streiks und Guerillaangriffen der Opposition zu erodieren. Am 16. Jänner 1979 verließ der Schah<br />
11
4 Iran<br />
schließlich den Iran. Am 1. Februar 1979 kehrte Ay<strong>at</strong>ollah Khomeini mit anderen Exiloppositionellen<br />
in einem Flugzeug aus Paris nach Teheran zurück. Nachdem sich am 11. Februar 1979<br />
auch die Armee für neutral erklärt h<strong>at</strong>te, tr<strong>at</strong> auch die letzte Regierung des Schahs zurück und<br />
die Regierung des von Khomeini eingesetzten Mehdi Bazargan konnte die Regierungsgeschäfte<br />
übernehmen. Khomeini war es auch, der nach einer Volksabstimmung (bei der allerdings keine<br />
Altern<strong>at</strong>iven wie eine sozialistische oder eine demokr<strong>at</strong>ische Republik zur Auswahl standen)<br />
die „Islamische Republik Iran“ ausrief. Die ursprünglich von einer sehr breiten und ideologisch<br />
heterogenen Bewegung getragene Revolution wurde schrittweise islamisiert und mit der Gründung<br />
der „Islamischen Republik“ auch auf einer symbolischen Ebene zur „Islamischen Revolution“<br />
umgedeutet.<br />
4.5. Die „Islamische Republik Iran“<br />
Der Umbau der Islamischen Republik in eine autoritäre Herrschaft Khomeinis und seiner<br />
Anhänger geschah schrittweise. Anfangs konnte sich die neue Regierung noch auf eine rel<strong>at</strong>iv<br />
breite Basis aus Linken, Liberalen, N<strong>at</strong>ionalisten und verschiedenen islamistischen Strömungen<br />
berufen. Die politische Repression richtete sich Anfangs primär gegen Funktionäre des alten<br />
Regimes, die sich oft einer Reihe von Verbrechen gegen die Opposition schuldig gemacht h<strong>at</strong>ten.<br />
Erst später richtete sich die Repression gegen andere politische Strömungen. Im November<br />
1979 erlebte der Iran durch die Besetzung der US-Botschaft durch islamistische Studentinnen<br />
und Studenten eine erste große intern<strong>at</strong>ionale Krise, die auch zum Rücktritt von Übergangspremierminister<br />
Bazargan führte. Die Geiselnahme und die Gründung der Islamischen Republikanischen<br />
Partei (IRP) durch die Anhänger Khomeinis stellte einen Meilenstein im Ausbau<br />
der Macht der konserv<strong>at</strong>iven Islamisten dar; die wichtigsten Schläge gegen Linke, Liberale und<br />
rivalisierende Islamisten ermöglichte dem Regime jedoch der Angriff des Irak im September<br />
1980. Im Windsch<strong>at</strong>ten des Golfkrieges konnten sowohl Saddam Husseins irakisches Regime,<br />
als auch das neue iranische Regime rücksichtslos gegen die jeweilige Opposition vorgehen. Im<br />
Iran wurden Universitäten geschlossen, die Zensur verschärft, eine politische Partei nach der<br />
anderen verboten und Oppositionelle im In- und Ausland ermordet. Die Volksfedayin, die Volksmujahedin,<br />
die Demokr<strong>at</strong>ische Partei Kurdistans und schließlich 1983 auch die kommunistische<br />
Tudeh-Partei, wurden nacheinander verboten. Es kam zu Massenhinrichtungen politischer<br />
Gefangener. Auch Homosexuelle und Angehörige der Religionsgemeinschaft der Bahai wurden<br />
verfolgt. Außenpolitisch zeichnete sich das Regime durch eine aggressive antiwestliche und<br />
antiisraelische Haltung aus. Die unter dem Schah zeitweise verbotene Verschleierung muslimischer<br />
Frauen wurde nicht nur wieder erlaubt, sondern mit zunehmendem Druck als verpflichtend<br />
durchgesetzt. Milizen wie die Basiji setzten die gesetzlich vorgeschriebene Verschleierung<br />
auch militant durch.<br />
Der Irakisch-Iranische Krieg endete im August 1988 ohne einen klaren Sieger, dafür mit rund<br />
500.000 Toten auf iranischer Seite und massiven Zerstörungen in den Kampfgebieten und in<br />
Teheran. Das Regime h<strong>at</strong>te sich nach dem Ende des Krieges zwar gefestigt und konnte auch die<br />
Nachfolge des im Juni 1989 verstorbenen Khomeini regeln. Allerdings blieben auch innerhalb<br />
des Regimes Differenzen zwischen Reformströmungen und Hardlinern bestehen.<br />
Es würde den Rahmen dieser Einführung sprengen, die verschiedenen politischen Strömungen<br />
innerhalb des Regimes zu schildern. Wichtig bleibt jedoch, dass es immer wieder zu Protesten<br />
der Studierenden, von Frauengruppen oder Streiks von ArbeiterInnen kam. Dabei setzten Teile<br />
12
4 Iran<br />
der Opposition auf eine Fundamentalopposition gegen die „Islamische Republik“, andere jedoch<br />
auf eine Reform des Sta<strong>at</strong>es. Diese setzten teilweise auf die Unterstützung regimeinterner<br />
Reformer, wie den 1997 zum Präsidenten gewählten Mohammad Kh<strong>at</strong>ami, der die Hoffnungen<br />
seiner Anhängerinnen und Anhänger jedoch enttäuschte.<br />
Das politische System des Iran stellt eine komplizierte Mischung aus theokr<strong>at</strong>ischen und demokr<strong>at</strong>ischen<br />
Elementen dar, die zwar in einem vorher gesteckten Rahmen Wahlen zulassen.<br />
Die gewählten Institutionen, wie der Präsident und das Parlament, werden jedoch durch die<br />
Macht des obersten religiösen Führers – zunächst Khomeini, nach seinem Tod Ali Khameini -<br />
und durch den Wächterr<strong>at</strong> stark beschränkt.<br />
Der Wächterr<strong>at</strong> wählt im Vorhinein aus, wer überhaupt zu Wahlen antreten darf. Trotzdem gab<br />
es innerhalb eines gewissen Rahmens immer reale Altern<strong>at</strong>iven und viele Iranerinnen und<br />
Iraner beteiligten sich auch an Präsidenten- und Parlamentswahlen. Von den gescheiterten<br />
Reformen unter Mohammad Kh<strong>at</strong>ami enttäuscht, boykottierten 2005 jedoch viele Oppositionelle<br />
GEWÄHLTE INSTITUTIONEN<br />
NICHT GEWÄHLTE INSTITUTIONEN<br />
WÄHLER<br />
PRÄSIDENT<br />
KABINETT<br />
MADSCHLES (PARLAMENT)<br />
kann legisl<strong>at</strong>ive Vetos nicht überstimmen,<br />
290 Repräsentanten<br />
OBERSTER RECHTSGELEHRTER<br />
Sta<strong>at</strong>soberhaupt<br />
STREITKRÄFTE<br />
OBERHAUPT DES JUSTIZSYSTEMS<br />
SCHLICHTUNGSRAT<br />
WÄCHTERRAT<br />
handelt als Verfassungsgericht<br />
6 Juristen 6 Mullahs<br />
EXPERTENRAT<br />
86 Mullahs für 8 Jahre gewählt,<br />
bewertet Handlungen des Revolutionsführers<br />
Legende:<br />
wählt<br />
bewertet<br />
schlägt vor<br />
prüft Kandid<strong>at</strong>en<br />
ernennt oder bestätigt<br />
die Wahlen und trugen damit zum Wahlsieg des radikalsten islamistischen Kandid<strong>at</strong>en, Mahmud<br />
Ahmedinejad, bei.<br />
Ahmedinejad stammte selbst aus den hochideologisierten, paramilitärischen Pasdaran („Revolutionswächter“)<br />
und brachte mit seinem Wahlsieg diese ökonomisch und politisch sehr<br />
einflussreiche Gruppe an die Macht. Ahmedinejad selbst kommt aus den Reihen dieser Organis<strong>at</strong>ion<br />
und war in seiner Jugend auch an Oper<strong>at</strong>ionen der Pasdaran im Ausland beteiligt. Es<br />
existieren eine Reihe von Indizien, dass Ahmedinejad persönlich am Mord des Parteivorsitzenden<br />
der Demokr<strong>at</strong>ischen Partei Kurdistans, Abdul Rahman Ghassemlou, 1989 in Wien beteiligt<br />
war. Unter seiner Herrschaft wurde im Iran die Repression wieder verstärkt und Kleidungsvorschriften<br />
wieder verstärkt kontrolliert. Seine Hasstiraden gegen Israel und den Westen und seine<br />
offensive Leugnung des Holocausts führten das Land in zunehmende intern<strong>at</strong>ionale Isol<strong>at</strong>ion.<br />
Angesichts dieser Situ<strong>at</strong>ion beteiligten sich wieder wesentlich mehr Iranerinnen und Iraner<br />
an den Präsidentschaftswahlen 2009 und unterstützen den Reformkandid<strong>at</strong>en Mir Hossein<br />
Mousavi. Massive Wahlfälschungen und eine massive Repressionswelle gegen die Opposition<br />
13
4 Iran<br />
führten jedoch dazu, dass sich Ahmedinejad mit Unterstützung des obersten Rechtsgelehrten<br />
Khameini vorerst an der Macht halten konnte. Bislang reißen die Proteste jedoch trotz massiver<br />
Repression durch die Basiji und Pasdaran nicht ab. Die Proteste gegen die Wahlfälschung<br />
wuchsen vielmehr zu Protesten gegen das gesamte System. Es gibt mittlerweile bereits glaubhafte<br />
Berichte über disziplinäre Probleme in den Sicherheitsorganen. Trotz einer rel<strong>at</strong>iv hohen<br />
Zahl an getöteten Demonstrantinnen und Demonstranten lassen sich die Menschen nicht mehr<br />
einschüchtern. Viele iranische Oppositionelle hoffen bereits in den nächsten Mon<strong>at</strong>en auf eine<br />
zweite Revolution im Iran.<br />
4.6. Die Stellung der Frau im Iran<br />
Die erste Assozi<strong>at</strong>ion die man im Westen von Frauen im Iran h<strong>at</strong>, sind Bilder von Frauen in<br />
schwarzen Ganzköperschleiern (Tschador). Aufgrund dieser Bilder wird oft auf unmündige<br />
Kopftuchträgerinnen geschlossen, was den Frauen im Iran jedoch keinesfalls gerecht wird.<br />
Es gibt eine Bandbreite von gesetzlich festgeschriebenen Diskriminierungen von Frauen im<br />
Iran, jedoch sollte man muslimische Frauen bloß aufgrund des Tragens eines Kopftuches nicht<br />
in eine reine Opferrolle drängen.. Denn es gibt auch seit vielen Jahren vielfältigen Widerstand<br />
seitens von Frauen gegen die diskriminierenden Gesetze und eine sehr aktive Frauenbewegung<br />
im Iran mit einer Vielzahl von selbstbewussten und mutigen Aktivistinnen und Frauenrechtlerinnen.<br />
Die intern<strong>at</strong>ional bekannteste unter ihnen ist die Anwältin Shirin Ebadi, die für ihr Engagement<br />
für Menschenrechte und die Rechte politischer DissidentInnen im Iran 2003 den Friedensnobelpreis<br />
erhalten h<strong>at</strong>. Eine vielleicht weniger bekannte, aber nachhaltig sehr einflussreiche<br />
Initi<strong>at</strong>ive war die Kampagne der „Eine Million Unterschriften gegen diskriminierende Gesetzgebung“<br />
(Anm.: weitere Inform<strong>at</strong>ionen zu diesem Thema finden Sie unter: http://www.campaign4equality.info/english).Es<br />
ist wichtig zu erwähnen, dass die iranischen Feministinnen ihre gesellschaftspolitischen<br />
Aktivitäten unter großen Risiken und Opfern ausführen. Sie riskieren Verhaftung und<br />
Folter und das Regime versucht immer wieder sie einzuschüchtern, ohne Erfolg.<br />
Gerade die aktuellen Proteste, die seit der Präsidentschaftswahl im Sommer 2009 anhalten,<br />
zeigen, wie iranische Männer und Frauen für Bürgerrechte und Demokr<strong>at</strong>ie kämpfen und vor<br />
allem wie weit die gesellschaftliche Realität mittlerweile von der vom Regime eingeforderten<br />
Realität entfernt ist. Die Rolle der Frauenbewegung innerhalb der Demokr<strong>at</strong>iebewegung im Iran<br />
ist nicht zu unterschätzen. Den explosionsartigen Protesten geht eine langjährige Entwicklung<br />
der Zivilgesellschaft voraus. Frauen spielen darin eine zentrale Rolle.<br />
Das offizielle propagandistisch geprägte Idealbild der Frau in der Islamischen Republik Iran<br />
wird nur aus dem Kontext des hohen Stellenwertes der Familie definiert. So wird in der iranischen<br />
Verfassung neben der Betonung der Familie als fundamentale Einheit der Gesellschaft,<br />
der Frau die Rolle der Mutter als immanent zugewiesen, sowie die gesellschaftliche Rolle als<br />
„Mitkämpferin des Mannes im aktiven Leben“. Dem widerspricht die Realität mit den demographischen<br />
Fakten: Die iranischen Frauen sind hoch gebildet. Über 70% der Studierenden und<br />
über 50% der praktizierenden Ärzte sind Frauen. Nach dem Babyboom der 80er Jahre ist das<br />
Heir<strong>at</strong>salter gestiegen, die Geburtenr<strong>at</strong>e stark gesunken und die Mehrzahl der jungen Frauen<br />
ist berufstätig.<br />
14
4 Iran<br />
Das iranische Straf- und Zivilrecht basiert, mit einigen wenigen Modifizierungen und Einschränkungen,<br />
im Großen und Ganzen auf dem islamischen Recht, der Scharia.<br />
EHE:<br />
Laut des Iranischen Zivilgesetzbuches (IZGB) braucht die jungfräuliche, ehefähige Frau die Erlaubnis<br />
zur Heir<strong>at</strong> vom V<strong>at</strong>er, bzw. von ihren Vorfahren väterlicherseits. Nur in Ausnahmefällen<br />
kann die Frau die entsprechende Erlaubnis auch von einem Zivilgericht einholen.<br />
Für die Eheschließung mit einem ausländischen Mann benötigt eine iranische Frau zusätzlich<br />
die Zustimmung des Sta<strong>at</strong>es, eine Ehe mit einem nicht muslimischen Mann ist ihr untersagt.<br />
Für einen Mann legt das Iranische Zivilgesetz nur fest, dass die Frau einer monotheistischen<br />
Religion angehören muss.<br />
Der Mann verfügt über ein „Führungsrecht“ in der Familie, was beinhaltet, dass die Frau beim<br />
Verlassen des Hauses, sowie für eine Auslandsreise seine Erlaubnis benötigt. Die Ehe selbst ist<br />
ein Vertrag, der von Rechten und Pflichten auf beiden Seiten geprägt ist.<br />
Pflichten und Rechte:<br />
- Der Mann ist zum Unterhalt der Frau verpflichtet, unabhängig vom Vermögen oder der<br />
Berufstätigkeit der Frau. Diese verfügt selbst über ihr Vermögen und Einkommen und<br />
braucht selbst dann nicht finanziell zum gemeinsamen Leben beizutragen, wenn sie<br />
mehr verdient als ihr Mann.<br />
- Die Frau muss im Gegenzug ihrem Ehemann sexuell zur Verfügung stehen. (so h<strong>at</strong> die<br />
15
4 Iran<br />
Frau Anspruch auf eine angemessene Unterhaltszahlung durch den Ehemann und dieser<br />
das Recht jederzeit Beischlaf von seiner Ehefrau zu fordern, es sei denn es liegen religiöse<br />
Hindernisse (wie z.B.: Menstru<strong>at</strong>ion) vor.<br />
EIGENTUM- und ERBRECHT:<br />
Nach iranischem Recht gibt es kein gemeinsames Eigentum von Eheleuten. Der Mann ist zum<br />
Unterhalt verpflichtet, die Frau kann über ihr Vermögen und Ihre Einkünfte frei verfügen, allerdings<br />
benötigt sie zur Ausübung eines Berufes die Erlaubnis ihres Ehemannes.<br />
Das iranische Erbrecht unterscheidet bei Frauen zwischen der Rolle als Tochter und jener als<br />
Frau. Prinzipiell gilt, dass einer Frau im gleichen Verwandtschaftsgrad die Hälfte eines Mannes<br />
zusteht. Dies wird damit begründet, dass der Mann für den Unterhalt der Familie sorgen muss.<br />
Tochter:<br />
Sind alle Kinder des gleichen Geschlechtes, erben alle Kinder zu gleichen Teilen. Sind die<br />
Kinder unterschiedlichen Geschlechtes, erben männliche Kinder doppelt so viel wie weibliche,<br />
die Begründung hierbei liegt darin, dass die Frau von der Familie bei der Heir<strong>at</strong> eine Aussteuer<br />
bekommt.<br />
In einer kinderlosen Ehe kommt im Falle des Todes des Mannes der Frau ein Viertel seines Vermögens<br />
zu, was vor allem verhindern soll, dass im Falle einer Wiederheir<strong>at</strong> der Frau das Geld<br />
des Mannes seinem Nachfolger zu Gute kommt. Umgekehrt jedoch erhält der Mann die Hälfte<br />
des Vermögens der Frau.<br />
SCHEIDUNG:<br />
Der Mann kann sich einseitig, wenn es nicht anders im Ehevertrag festgehalten ist, ohne Angabe<br />
von Gründen von der Frau scheiden lassen. Die Frau h<strong>at</strong> dieses Recht nicht, kann jedoch<br />
unter Angabe von Gründen (Drogensucht, Impotenz, Geisteskrankheit, nicht Nachkommen der<br />
Unterhaltspflicht) eine Scheidung beantragen.<br />
Das Brautgeld ist für die Gültigkeit eines islamischen Ehevertrags oblig<strong>at</strong>orisch und somit<br />
auch im iranischen Recht verankert. Anders als oft kolportiert zahlt der Bräutigam das Brautgeld<br />
nicht an den V<strong>at</strong>er oder die Familie der Braut. Das Brautgeld steht der Braut selbst zu.<br />
Es handelt sich um einen im Ehevertrag schriftlich festgehaltenen Betrag, den der Mann sich<br />
verpflichtet seiner Frau auf ihr Verlangen hin, spätestens aber wenn er die Scheidung will,<br />
auszuzahlen. Es kann ein symbolischer Gegenstand (eine Rose, ein Koran) sein. Üblicherweise<br />
ist es aber eine bewusst sehr hoch angesetzte Geldsumme (bzw. Goldmünzen), die den Mann<br />
davon abhalten soll, von seinem einseitigen Scheidungsrecht Gebrauch zu machen, also ein<br />
Art Versicherung für die Frau. Wenn die Frau die Scheidung will, kann sie sein Einverständnis<br />
bekommen indem sie auf das Brautgeld verzichtet. In jedem Fall ist das Brautgeld also ein<br />
Druckmittel.<br />
16
4 Iran<br />
KOPFTUCHPFLICHT:<br />
Im Iran herrscht gesetzlich vorgeschrieben Kopftuchpflicht. Dies wird von der Sittenpolizei kontrolliert<br />
und durchgesetzt. Eine nicht verhüllte Frau wird sofort verhaftet. Es handelt sich also<br />
weniger um Sitte oder Tradition, sondern vielmehr um einen mit Sta<strong>at</strong>sgewalt durchgesetzten<br />
Zwang. N<strong>at</strong>ürlich gibt es auch fromme Frauen, die freiwillig Kopftuch oder Schleier tragen.<br />
In den Anfangsjahren der Islamischen Republik galt vielen Frauen das Kopftuch als Zeichen des<br />
Protestes gegen das Schah-Regime. Als aber eine Kopftuchpflicht mit Gewalt durchgesetzt wurde,<br />
gab es auch heftige Massenproteste von Frauen, die brutal niedergeschlagen wurden. Die<br />
Art und Weise das Kopftuch zu tragen, dabei möglichst viele Haare zu zeigen und farbenfrohe,<br />
körperbetonte Kleidung zu tragen, sind schon lange zu einem Symbol des Protests geworden.<br />
Immer wieder werden bei Großrazzien massenweise Frauen verhaftet, die die Grenzen der Bekleidungsvorschriften<br />
ausloten.<br />
Interessanterweise ermöglichten das Kopftuchgebot und die neuen „Sittlichkeitsregeln“ der<br />
Islamischen Republik Töchtern aus streng religiösen Familien erstmals den Zugang zu höherer<br />
Bildung, da die Sittlichkeit auch in den Hochschulen quasi sta<strong>at</strong>lich gewährleistet war. Dies<br />
brachte Demokr<strong>at</strong>isierung der Bildung und kam langfristig den Frauen zugute. Fakt ist, dass<br />
mittlerweile 63% der Studierenden an iranischen Hochschulen Frauen sind. Die hohe Akademikerinnen-Quote<br />
wiederum h<strong>at</strong>te eine demographische Revolution zur Folge, die das Regime von<br />
innen her aushöhlt.<br />
(Anm.: Quelle: Politik und Zeitgeschichte (APuZ 49/2009) Frauenrechte in Iran von Parinas Parhisi)<br />
17
4 Iran<br />
4.7. REGLEMENTIERUNG DES ÖFFENTLICHEN RAUMES IM IRAN<br />
Kopftuchpflicht<br />
Im Iran ist das Kopftuch gesetzliche Pflicht, die Einhaltung des Gebotes wird von der Sittenpolizei<br />
streng überwacht, Übertretungen können zu Haftstrafen führen. Auch für Frauen die nicht<br />
dem Islam angehören, ist das Kopftuch Pflicht.<br />
Geschlechtertrennung<br />
Im öffentlichen Raum wird in vielen Bereichen die Geschlechtertrennung forciert, z.B. in Schulen,<br />
Universitäten, in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei diversen Veranstaltungen und auf Ämtern.<br />
Diese wird aber auch immer wieder unterwandert, vor allem im Priv<strong>at</strong>bereich, wo Parties<br />
mit verbotener Musik, Alkohol und freizügiger Kleidung keine Seltenheit sind, aber auch in der<br />
Öffentlichkeit, wenn z.B. Männer und Frauen in billigen, inoffiziellen Sammeltaxis eng zusammengepfercht<br />
sitzen. Ein Doppelleben zwischen der streng reglementierten Öffentlichkeit und<br />
einer selbstbestimmten Priv<strong>at</strong>sphäre, die in starkem Widerspruch stehen, prägt das leben der<br />
IranerInnen seit Jahrzehnten. Auch die Zeitehe kann als Schlupfloch genutzt werden, um eine<br />
freiere Sexualität unbehelligt von Sittenwächtern zu leben.<br />
Alkoholverbot<br />
Der Konsum von Alkohol gilt sowohl im sunnitischen als auch im schiitischen Islam und in allen<br />
Rechtsschulen als verboten.<br />
Im Iran ist die Prohibition so streng, dass alkoholische Getränke nur illegal erworben werden<br />
können. Wein trinken gehört im islamischen Strafrecht zu den Hadd-Strafen. Es unterliegt je<br />
nach Rechtsschule einer Strafe von 40 bis 80 Peitschenhieben.<br />
18
5 Islam<br />
5. Islam<br />
Der Islam ist eine monotheistische Weltreligion, die gemeinsam mit dem Christentum die weltweit<br />
größte Zahl an Gläubigen besitzt. Mit dem Judentum und Christentum teilt der Islam eine<br />
Reihe von zentralen Glaubensüberzeugungen und religiösen Überlieferungen, insbesondere den<br />
Glauben an einen gemeinsamen und einzigen Gott. Der arabische Begriff Allah bezeichnet nicht<br />
nur für Muslime, sondern auch für arabische Christen Gott. Während die christliche Gottesvorstellung<br />
jedoch von der Idee einer Dreifaltigkeit geprägt ist, steht die islamische Gottesvorstellung<br />
der jüdischen Gottesvorstellung näher, die von einem einzigen, unteilbaren, zugleich aber<br />
auch abstrakten Gottesbegriff ausgeht. Die Unmöglichkeit bzw. das Verbot sich ein Bild Gottes<br />
zu machen, verhindert eine genaue Beschreibung des allmächtigen Gottes. Der Mensch würde<br />
sich mit dem Anspruch eines genauen Wissens über Gott auch potentiell über Gott stellen wollen<br />
und damit Gott lästern. Dem entspricht die Tabuisierung des Gottesnamens im Judentum und die<br />
islamische Idee, dass der Mensch nur 99 Namen Gottes kennen könne und nicht alle 100.<br />
Trotz vieler Gemeinsamkeiten mit dem Judentum und Christentum – weshalb manchmal von<br />
den abrahamitischen Religionen gesprochen wird – ist der Islam eine spezifische Form des<br />
Monotheismus, die sich von Christentum und Judentum auch unterscheidet.<br />
5.1. Prophet Mohammad und die Frühgeschichte des Islam<br />
Der Islam ist eine Offenbarungsreligion, die nach der Überzeugung der Muslime ihrem Propheten<br />
Mohammad - der um 570 n.Chr. in der arabischen Stadt Mekka geboren wurde - offenbart<br />
wurde. In Mekka und anderen Städten der in Zentralarabien am Roten Meer liegenden Region<br />
Hedschaz, gab es mit großer Wahrscheinlichkeit bereits vor Mohammad einzelne Monotheisten<br />
- die so genannten Hanife (Plural.: Hunafa), die den weit verbreiteten Polytheismus ablehnten<br />
- sowie jüdische Stämme. Auf seinen Handelsreisen kam der aus dem Stamm der Quraish<br />
stammende Mohammad jedenfalls auch mit verschiedenen christlichen Kirchen in Kontakt.<br />
Der islamische Monotheismus entstand damit nicht in einer ausschließlich vom Polytheismus<br />
geprägten Welt, sondern kannte jedenfalls andere monotheistische Religionen. Die moderne<br />
Islamwissenschaft nimmt auch an, dass der Islam von diesen anderen monotheistischen<br />
Religionen beeinflusst wurde. Auch nach islamischer Lehre entstand mit Mohammad keine<br />
neue Religion. Mohammad wird vielmehr als Prophet gesehen, dessen Verkündigung den alten,<br />
„ursprünglichen“ Monotheismus wiederherstellte, den Christen und Juden verfremdet hätten.<br />
Trotzdem wird von den meisten Muslimen ein christlicher oder jüdischer Einfluss auf den Islam<br />
bestritten. Vielmehr basiert der Islam in dieser Sicht auf einer eigenständigen Offenbarung, die<br />
Mohammad im Alter von ca. 40 Jahren über den Erzengel Gabriel mitgeteilt wurde. Muslime<br />
glauben, dass der Erzengel Gabriel dem Analphabeten Mohammad in der Folge die Verse des<br />
Koran diktierte, der in der traditionellen Auffassung der meisten Muslime direktes Wort Gottes<br />
darstellt. Historisch wurden die Verse und zusammenhängenden Suren des Koran allerdings<br />
erst nach dem Tod Mohammads, unter dem dritten Khalifen Uthman, in der heutigen Form<br />
gesammelt und editiert.<br />
Für die Frühzeit des Islam gilt, dass es sehr wenig historisch gesichertes Wissen gibt. In Vielem<br />
kann deshalb nur der traditionellen muslimischen Geschichtsschreibung gefolgt werden. Diese<br />
berichtet uns davon, dass Mohammad in seiner Heim<strong>at</strong>stadt Mekka mit seiner Verkündigung<br />
auf massive Widerstände der städtischen Eliten stieß, die von ihrem regionalen polytheistischen<br />
19
5 Islam<br />
Wallfahrtszentrum, dessen Mittelpunkt die Kaaba bildete, wirtschaftlich profitierten und sich<br />
nicht der neuen Religion anschließen wollten.<br />
Die junge muslimische Gemeinde wurde deshalb im Jahr 622 n. Chr. ins Exil in die nahe gelegene<br />
Stadt Y<strong>at</strong>rib, dem heutigen Medina (arab. „Stadt“), vertrieben. Mit diesem Exil, arabisch<br />
Hidschra genannt, beginnt auch die bis heute verwendete islamische Zeitrechnung, die sich<br />
nach dem Mond richtet und deren Jahre sich damit gegenüber der christlichen Zeitrechnung<br />
jedes Jahr etwas verschieben. Im Dezember 2009 begann das islamische Jahr 1431 n. H. Neben<br />
dieser Jahreszählung gibt es jedoch im Iran und Afghanistan auch eine Zählung nach dem Sonnenjahr,<br />
die allerdings ebenfalls mit der Hidschra beginnt, allerdings zum christlichen Sonnenjahr<br />
parallel läuft. Nach dieser Jahreszählung beginnt im März 2010 das Jahr 1389.<br />
In Y<strong>at</strong>rib (Medina) änderte Mohammad die ursprünglich nach Jerusalem gerichtete Gebetsrichtung<br />
nach Mekka. Hier war er nicht nur als Prophet, sondern auch als Richter aktiv. Während<br />
sich in Mekka die ethischen und religiösen Fundamente des Islam formten, entstanden hier<br />
die meisten politischen und rechtlichen Elemente der neuen Gemeinschaft. Mohammad konnte<br />
in Y<strong>at</strong>rib rasch an politischer Bedeutung gewinnen und legte mit einem Bündnisvertrag mit<br />
den Stämmen, der so genannten „Verfassung von Medina“, das Fundament für das islamischarabische<br />
Reich. Durch Überfälle auf Karawanen und eine Reihe von Schlachten und Feldzügen<br />
konnte der Einfluss Y<strong>at</strong>ribs gestärkt werden. Aus dieser Zeit sind jedoch auch Todesurteile,<br />
sowie die Bekämpfung (und teilweise Ausrottung) jüdischer Stämme überliefert. 630 n.Chr.<br />
konnte er seine Heim<strong>at</strong>stadt Mekka erobern. Die Kaaba wurde in der Folge zum neuen zentralen<br />
Heiligtum des Islam. Als Mohammad 632 n. Chr. starb, kontrollierte er bereits die gesamte<br />
arabische Halbinsel und h<strong>at</strong>te aus zerstrittenen Stämmen ein Reich geschaffen.<br />
20
5 Islam<br />
5.2. Lehre und Glaubenspraxis des Islam<br />
Die von Mohammad hinterlassene Religion stellte einen strikten Monotheismus dar, der sich als<br />
Erneuerung des wahren Monotheismus sah. Muslime glauben jedoch nicht nur an Gott, sondern<br />
auch an die Existenz von Engeln, die Offenbarungen und die Propheten. Mohammad wird nur als<br />
der letzte und bedeutendste Prophet, nicht aber als der einzige Prophet gesehen. Für Muslime<br />
ist auch Jesus (Isa) ein Prophet, allerdings kein Messias bzw. Sohn Gottes. Im Arabischen,<br />
das auch als rituelle Sprache des Islam fungiert, wird allerdings zwischen zwei verschiedenen<br />
Formen des Propheten unterschieden: Nabi und Rasul. Die großen Propheten, die als von Gott<br />
gesandte Reformer gelten, wie Noah (Nuh), Moses (Musa) oder Mohammad werden als Rasul<br />
(Plural: Rusul) gesehen, die „kleineren“ Propheten, die diese Botschaften der Bevölkerung<br />
übermitteln als Nabi (Plural: Anabiya), wobei einige islamische Rechtsgelehrte Wert darauf<br />
legen, dass alle Rusul auch Anabiya sind. Muslime glauben an ein Leben nach dem Tod und ein<br />
jüngstes Gericht, nach dem das Paradies oder die Hölle warten.<br />
Die Glaubenspraxis besteht aus den so genannten fünf Säulen des Islam, wobei jedoch umstritten<br />
ist, ob sie in der heutigen Form bereits unter Mohammad selbst genau so existiert haben<br />
oder sich aus früheren Formen heraus entwickelt haben. Diese fünf Säulen des Islam sind:<br />
1. Das Glaubensbekenntnis (Shahada): Das Glaubensbekenntnis lautet auf Arabisch la ilaha<br />
illa Allah, muhammadun rasulu Allah. (Es gibt keinen Gott außer Gott. Mohammad ist der<br />
Prophet Gottes.). Es besteht aus zwei Teilen. Der erste, das Bekenntnis, dass es keinen<br />
Gott außer Gott gibt, kommt im Koran an zwei Stellen vor (37:35 und 47:19). Die zweite<br />
Hälfte, in der Mohammad als Prophet Gottes erwähnt wird, findet sich getrennt davon in<br />
48:29. Schiiten ergänzen die Shahada noch mit dem Zus<strong>at</strong>z Ali walihu Allah (Ali ist der<br />
Freund Gottes).<br />
2. Das Gebet (Sal<strong>at</strong>): Wird von den allermeisten muslimischen Strömungen fünf Mal täglich<br />
gesprochen. Es handelt sich dabei um ein rituelles Gebet das in Richtung der Qibla, der<br />
Kaaba in Mekka, verrichtet wird. Die Gebete werden vor Sonnenaufgang, zu Mittag, am<br />
Nachmittag, nach dem Sonnenuntergang und nach Einbruch der Nacht verrichtet. Die<br />
konkrete Form des Gebetes und der Gebetsruf unterscheidet sich zwischen Sunniten und<br />
Schiiten geringfügig.<br />
3. Almosensteuer (Zak<strong>at</strong>): Muslime müssen einen bestimmten Teil ihres Besitzes Armen<br />
und bedürftigen Muslimen zur Verfügung stellen.<br />
4. Fasten (Saum) im Fastenmon<strong>at</strong> Ramadan ist für erwachsene und gesunde Muslime<br />
ebenfalls verpflichtend, wobei Kranke, Schwangere oder Reisende ausgenommen sind.<br />
Während des Ramadan sollte dann von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang<br />
nicht gegessen und getrunken werden. Zum Fasten wird auch sexuelle Enthaltsamkeit<br />
und der Verzicht auf Tabak und andere Genussmittel gerechnet.<br />
5. Die Pilgerfahrt nach Mekka (Hadsch) während des Pilgermon<strong>at</strong>s Dhu l-hiddscha, zu der<br />
jeder erwachsene Muslim der es sich leisten kann - unabhängig vom Geschlecht - einmal<br />
in seinem Leben verpflichtet ist.<br />
Die fünf Säulen des Islam sind, wenn sie auch im Detail unterschiedlich praktiziert werden,<br />
für alle orthodoxen Strömungen des Islam verbindlich. Einige heterodoxe Strömungen<br />
kennen nur einen Teil dieser Pflichten und weichen damit von den größten Strömungen<br />
des Islam deutlich ab.<br />
21
5 Islam<br />
5.3. Glaubensrichtungen bzw. „Konfessionen“ im Islam<br />
Bereits unmittelbar nach dem Tod Mohammads kam es in der ursprünglichen islamischen<br />
Gemeinschaft, der Ummah, zu Auseinandersetzungen um die Nachfolge des Propheten. Während<br />
ein Teil der Gläubigen einen Nachfolger (Khalīfa) ernennen wollte der die politische und<br />
religiöse Führung der Muslime übernehmen sollte, jedoch keine göttlich autorisierte Legitimität<br />
besaß, lehnte ein anderer Teil eine solche Entscheidung ab, da aus ihrer Sicht Gott einen<br />
rechtmäßigen Nachfolger erwählt hätte. Dabei ging es primär um eine machtpolitische Auseinandersetzung<br />
zwischen dem alten mekkanischen Adel, der Abu Bakr, einen Schwiegerv<strong>at</strong>er<br />
Mohammads, als Khalifen propagierte und einer Gruppe früher Anhänger Mohammads, die Ali<br />
ibn Abi Talib, einen Cousin und Schwiegersohn Mohammads, für den von Gott und Mohammad<br />
legitimierten Nachfolger hielt. Die Partei des Ali (Shi‘<strong>at</strong> Ali, später Shi‘a) war der Meinung, dass<br />
Ali bereits von Mohammad öffentlich als Nachfolger designiert worden war. Spätere Schiiten<br />
sahen darin auch eine Überlieferung geheimen esoterischen Wissens von Mohammad an Ali,<br />
das dieser dann weitergegeben habe.<br />
Trotz schwelender Konflikte stimmte Ali schließlich einem Kompromiss zu und überließ Abu<br />
Bakr das Khalif<strong>at</strong>. Als Ali schließlich zum Vierten Khalifen gewählt wurde, kam es 657 n. Chr.<br />
zur Schlacht von Siffin, bei der sich Khalif Ali und Muawiya, der umayyadische St<strong>at</strong>thalter von<br />
Syrien gegenüber standen. Um eine Niederlage zu vermeiden, steckten Muawiyas Truppen<br />
Blätter aus dem Koran an die Spitzen ihrer Lanzen, worauf Ali die Schlacht abbrach und einem<br />
Schiedsspruch auf Basis des Koran zustimmte. Ali erzürnte damit jedoch einen Teil seiner radikalen<br />
Anhänger, die nicht einsehen wollten, dass jener Mann, der einen göttlich legitimierten<br />
Anspruch auf die Führung erhob, sich nun einem menschlichen Schiedsgericht beugen sollte.<br />
Diese Gruppe Gläubiger verließ die Ummah, die Gemeinschaft der Gläubigen, und begründete<br />
damit die erste Sekte des Islam. Die Kharidjiten (die Ausziehenden) spalteten sich später in unterschiedliche<br />
Strömungen auf, die teilweise als gewaltsame sozialrevolutionäre Bewegungen<br />
in die Geschichte eingingen. Als einzige heute noch bestehende kharidjitische Sekte konnten<br />
sich die weitgehend gewaltlosen Ibaditen als Sta<strong>at</strong>sreligion im Oman, aber auch auf der tunesischen<br />
Insel Djerba, in Zansibar, in der algerischen Oasengruppe M´zab und in einigen Gebieten<br />
Libyens halten.<br />
Damit endeten jedoch nicht die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern Alis und den<br />
Anhängern der Adelsfamilie der Umayyaden. Ali musste sich aus Mekka in den Irak zurückziehen<br />
und wurde dort 661 n. Chr. während des Gebetes in einer Moschee ermordet. Die Umayyaden<br />
setzten ausgerechnet Alis Gegenspieler Muawiya als fünften Khalifen ein, während die<br />
Anhänger Alis, dessen Söhne Hassan und Hussein als Imame, als Nachfolger Mohammads,<br />
verehrten. Hussein ist es schließlich, der sich gegen die Umayyaden erhebt und am 10. Muharram<br />
61 n.H. bzw. 680 n. Chr. mit seinen verbliebenen Anhängerinnen und Anhängern bei Kerbala<br />
von den Truppen der Umayyaden unter Yazid brutal getötet wird. Der Märtyrertod Husseins<br />
markiert schließlich die endgültige Trennung von Schiiten und Sunniten. Für die Schiiten ist das<br />
Gedenken an das Martyrium Husseins am 10. Tage (Ashura) des Mon<strong>at</strong>s Muharram seither eine<br />
der zentralen religiösen Feierlichkeiten. Schiiten anerkennen lediglich Ali, Hassan, Hussein<br />
und deren Nachkommen als legitime Nachfolger des Propheten, die sie als Imame bezeichnen.<br />
Allen unterschiedlichen schiitischen Strömungen gemeinsam ist die besondere Verehrung Alis<br />
und Husseins, dessen Tod in der Schlacht bei Kerbala von allen Gruppen durch unterschiedliche<br />
22
5 Islam<br />
Rituale und Traditionen gedacht wird.<br />
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich ausgehend von dieser primär machtpolitisch motivierten<br />
Spaltung auch die theologischen und rechtlichen Differenzen zwischen Schiiten und Sunniten<br />
vergrößert. Dabei spalteten sich jedoch auch diese Hauptströmungen des Islam weiter auf.<br />
Islam<br />
Kharidjiten<br />
Schiiten<br />
h<strong>at</strong> sich entwickelt aus<br />
Kharidjiten, Ibaditen<br />
Sunniten<br />
Schiiten<br />
Heterodoxe Strömungen<br />
nichtmuslimische Religionen,<br />
die sich aus dem Islam entwickelt haben<br />
Ahmadiyya<br />
Ismailiten<br />
bzw. 7-er-Schiiten<br />
Ibaditen<br />
vor allem im Oman,<br />
auf der Insel Djerba<br />
und im M‘zab<br />
(Algerien)<br />
Wahabiten<br />
Sta<strong>at</strong>sreligion<br />
in Saudi-Arabien<br />
Ahmadiyya Anjuman<br />
Isch<strong>at</strong>-i-Islam Lahore (AAIIL)<br />
Ahmadiyya Muslim Jama<strong>at</strong> (AMJ)<br />
Zaiditen<br />
bzw. 5-er-Schiiten<br />
im Jemen<br />
und in Najran<br />
(Saudi-Arabien)<br />
Nizaris<br />
(Khojas)<br />
in Tajikistan,<br />
Afghanistan<br />
und Pakistan<br />
Dawudi Bohras<br />
Bohras<br />
(Musta‘lis)<br />
Aliyya Bohras<br />
Sulaymani Bohras<br />
Nusairier<br />
(Alawiten)<br />
in Syrien<br />
und Antakya<br />
(Türkei)<br />
Drusen<br />
im Libanon,<br />
Syrien und<br />
Israel<br />
Alewiten<br />
in der Türkei<br />
(Kurdische<br />
u. türkische<br />
Alewiten)<br />
Ahl al-Hagg<br />
(Kakai)<br />
in Irakischund<br />
Iranisch-<br />
Kurdistan<br />
Imamiten<br />
bzw. 12-er-Schiiten,<br />
ca. 10% der<br />
Muslime weltweit,<br />
Sta<strong>at</strong>sreligion<br />
im Iran<br />
Bahai<br />
Yezidi<br />
Während sich im sunnitischen Islam vier Rechtsschulen entwickelten, die sich wechselseitig<br />
als rechtgläubig anerkennen und von denen sich lediglich die Abspaltung der Wahabiten – die<br />
andere Strömungen als ketzerisch betrachten – fundamental unterscheidet, haben sich die<br />
Schiiten in unterschiedliche Sekten aufgespalten. Die oben abgebildete Graphik bietet einen<br />
Überblick über diese unterschiedlichen Sekten. Immer wieder ergaben sich dabei nach dem<br />
Tod eines Imams Konflikte zwischen Anhängern unterschiedlicher Nachfolger. Die Zaiditen<br />
(oder 5er-Schiiten) konnten sich v.a. im Norden des Jemen und in angrenzenden Gebieten, die<br />
heute zu Saudi-Arabien gehören, halten. Die Ismailiten (oder 7er-Schiiten) spalteten sich selbst<br />
wiederum in unterschiedliche Strömungen auf. Eine dieser Gruppen, die Nizaris, werden seit<br />
dem 19. Jahrhundert vom Aga Khan geleitet. Der derzeitige Aga Khan IV. gilt zugleich als der 49.<br />
Imam der nizaritischen Ismailiten. Die verschiedenen Sekten der Bohras leben v.a. in Indien, im<br />
Jemen und in der angrenzenden saudischen Provinz Najran. Die größte Strömung der Schiiten<br />
stellen jedoch die 12er-Schiiten oder Imamiten dar, die an eine Abfolge von 12 verschiedenen<br />
Imamen glauben, die mit dem verschwundenen Mohammad al-Mahdi enden. Die Erwartung<br />
der Wiederkehr des 12. „verborgenen Imams“ verknüpft sich mit messianischen Endzeiterwartungen.<br />
Die Schiiten stellten jahrhundertelang mit kurzen Unterbrechungen in der gesamten<br />
islamischen Welt eine oppositionelle Minderheit dar. Der Iran wurde erst unter den Safawiden<br />
im 16. Jahrhundert mehrheitlich schiitisch. Die 12er- Schia ist heute die Sta<strong>at</strong>sreligion der<br />
Islamischen Republik Iran, bildet aber auch die Mehrheitsbevölkerung der Muslime in Aserbaidschan,<br />
im Irak und in Bahrain. Im Libanon, im Osten Saudi-Arabiens, in Afghanistan, Pakistan<br />
23
5 Islam<br />
und Indien bilden sie bedeutende Minderheiten der muslimischen Bevölkerungen. Die Imamiten<br />
(oder 12er-Schiiten) besitzen im Gegens<strong>at</strong>z zu den Sunniten eine rel<strong>at</strong>iv strikte Hierarchie von<br />
Geistlichen, die mit den Mullahs als einfache Geistliche beginnt. Darüber stehen die Hoj<strong>at</strong>olislam,<br />
die zumindest eine theologische Fakultät absolviert haben müssen, darüber die Ay<strong>at</strong>ollah,<br />
die befugt sind eigenständige Rechtsgutachten (F<strong>at</strong>wa, pl.: F<strong>at</strong>awa) zu erstellen. Besonders<br />
angesehene Ay<strong>at</strong>ollahs können aufgrund ihrer gelehrten Tätigkeit zu Ay<strong>at</strong>ollah al-Uzma ernannt<br />
werden. Wenn sich diese auf einen Großay<strong>at</strong>ollah als Marja-e taqlid („Quelle der Nachahmung“)<br />
einigen können, stellt dieser das zentralisierte Oberhaupt der Hierarchie der Kleriker dar.<br />
Traditionellerweise kennen lediglich die 12er-Schiiten die Institution der Zeitehe (Mutaa, Sighe).<br />
Antischiitische Sunniten verwenden die Zeitehe sogar immer wieder als Vorwurf gegen die Schiiten.<br />
Allerdings gibt es umgekehrt aus den letzten Jahren auch einzelne Rechtsgutachten hoher<br />
sunnitischer Geistlicher, die sich für die Legalität von Zeitehen aussprechen.<br />
Aus dem schiitischen Islam gingen jedoch auch eine Reihe von heterodoxen religiösen Gruppen<br />
hervor, die sich von den Sunniten und 12er-Schiiten sehr stark unterscheiden und nicht alle fünf<br />
Säulen des Islam beachten, sondern teilweise eigene Formen der religiösen Praxis besitzen.<br />
Dazu gehören etwa die Alewiten in der Türkei, die Nusairier in Syrien und der türkischen Provinz<br />
Antakya, oder die Ahl al-Haqq in der irakisch-iranischen Grenzregion Hawraman.<br />
Andere Gruppen vermischten schiitische Vorstellungen so stark mit anderen nichtislamischen<br />
religiösen Vorstellungen, dass sie heute von den meisten Religionswissenschaftern als eigenständige<br />
Religionen betrachtet werden, die nur noch einige islamische Einflüsse aufweisen.<br />
Dazu zählen etwa die kurdischen Yezidi und die Drusen im Libanon, Syrien und Israel. Bei den<br />
Bahai handelt es sich um eine eigenständige Religion, die sich erst im 19. Jahrhundert vom<br />
12er-schiitischen Islam abgespalten h<strong>at</strong> und derzeit im Iran stark verfolgt wird.<br />
Aber nicht nur aus der Schia entwickelten sich heterodoxe Gruppen und neue Religionen. Die<br />
Ahmadiyya Muslime, deren Bewegung Ende des 19. Jahrhunderts von Mirza Ghulam Ahmad in<br />
Indien gegründet wurde und ihren Schöpfer als Mahdi, Prophet oder gar als Messias verehren,<br />
stammt aus einer Rechtsschule des sunnitischen Islam.<br />
Der überwiegende Teil der Muslime gehört heute zu verschiedenen Rechtsschulen des sunnitischen<br />
Islam. Rund 10% der Muslime sind den 12er-Schiiten zuzurechnen. Deutlich weniger<br />
gehören anderen schiitischen Strömungen oder dem ibaditischen Islam an.<br />
Neben den hier beschriebenen Sekten bzw. „konfessionellen“ Strömungen gibt es jedoch auch<br />
innerhalb dieser Strömungen große lokale Unterschiede, wenn es um die konkreten Traditionen<br />
und den jeweiligen „Volksislam“ geht. Sowohl im sunnitischen, als auch im schiitischen Islam<br />
gibt es etwa eine Vielzahl an Sufi-Orden, die teilweise mystische Formen von Religion praktizieren.<br />
5.4. Die „islamische Welt“<br />
Diese „konfessionellen“ Unterschiede geben jedoch noch lange nicht die religiöse Vielfalt der<br />
islamisch dominierten Gesellschaften des Mittleren Ostens wieder. Der Islam anerkannte<br />
Angehörige von Buchreligionen (Anm.: weitere Buchreligionen sind Juden und Christen) traditionellerweise<br />
als Dhimmi, als Schutzbefohlene des Islams. Diese h<strong>at</strong>ten nicht die gleichen Rechte<br />
wie Muslime, wurden jedoch auch nicht zur Konversion gezwungen und konnten eine gewisse<br />
24
5 Islam<br />
RUSSLAND<br />
WEISSRUSSLAND<br />
Islam weltweit<br />
UKRAINE<br />
MOLDAWIEN<br />
KASACHSTAN<br />
Schwarzes Meer<br />
GEORGIEN<br />
Kaspisches Meer<br />
USBEKISTAN<br />
KIRGISTAN<br />
TÜRKEI<br />
ARMENIEN<br />
ASERB.<br />
TURKMENISTAN<br />
TADSCHIKISTAN<br />
CHINA<br />
ZYPERN<br />
Mittelmeer LIBANON<br />
ISRAEL<br />
SYRIEN<br />
JORDANIEN<br />
IRAK<br />
KUWAIT<br />
IRAN<br />
AFGHANISTAN<br />
PAKISTAN<br />
ÄGYPTEN<br />
KATAR<br />
SAUDI ARABIEN V.A.E<br />
Golf v. Oman<br />
OMAN<br />
INDIEN<br />
Rotes Meer<br />
SUDAN<br />
ERITREA<br />
JEMEN<br />
Arabisches Meer<br />
ÄTHIOPIEN<br />
Golf v. Aden<br />
SOMALIA<br />
BAHRAIN<br />
Nichtmuslimische Mehrheiten<br />
Muslime:<br />
Sunniten<br />
Wahabiten<br />
Schiiten<br />
Zwölferschiiten<br />
Ismailiten<br />
Zaiditen<br />
Aleviten<br />
Nusairier (Alawiten)<br />
Ahl al-Haqq (Kakai)<br />
Ibaditen<br />
Nichtmuslimische Minderheiten in<br />
Islamisch dominierten Gesellschaften:<br />
Christliche Kirchen<br />
(Kopten, Armenier, syrisch- orthodoxe,<br />
Maroniten, Chaldäer, u.a.)<br />
Juden<br />
Yezedi<br />
Mandäer<br />
Zar<strong>at</strong>hustrier<br />
Drusen<br />
Bahai<br />
25
5 Islam<br />
Autonomie innerhalb der islamisch geprägten Sta<strong>at</strong>en erhalten. Auf diese Weise konnten sich<br />
über Jahrhunderte nichtmuslimische Minderheiten im Nahen Osten behaupten. Noch heute gibt<br />
es in Ägypten, Syrien, Jordanien, Israel/Palästina, dem Irak und dem Iran große christliche Minderheiten,<br />
die meist verschiedenen altorientalischen oder mit der römisch-k<strong>at</strong>holischen Kirche<br />
unierten Kirchen (Kopten, armenisch-apostolische Kirche, syrisch-orthodoxe Kirche, Maroniten,<br />
Chaldäer,…) angehören. Die bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zahlreichen jüdischen Gemeinden<br />
in der arabischen Welt wurden durch den Nahostkonflikt zwar weitgehend zerstört. Im Iran<br />
und in der Türkei gibt es aber bis heute bedeutende jüdische Minderheiten. Im Iran konnten sich<br />
mit den Zar<strong>at</strong>hustiern (oder Zoroastrier) Anhänger der vorislamischen Sta<strong>at</strong>sreligion des Iran<br />
halten. Im Südirak, Bagdad und der iranischen Provinz Ahvaz leben heute noch einige Tausend<br />
Mandäer, vorislamische Anhänger von Johannes dem Täufer, die Einflüsse des Judentums und<br />
gnostischer altorientalischer Religionen bewahrt haben.<br />
Aber auch Muslime sind in der modernen Welt nicht nur über ihre religiöse Zugehörigkeit zu<br />
definieren. Die Gesellschaften des Nahen und Mittleren Ostens, Nordafrikas oder Südostasiens,<br />
sind zwar kulturell und religiös vom Islam geprägt. Dieser ist jedoch keineswegs das einzig<br />
wichtige Element. Vielmehr haben wir es dabei mit einer Vielzahl kultureller, sprachlicher und<br />
politischer Differenzen zu tun. Genauso wie in traditionell mehrheitlich christlich geprägten Teilen<br />
der Welt, gibt es auch in der islamischen Welt heute Menschen für die Religion eine bedeutendere<br />
oder weniger bedeutende Rolle spielt; gibt es Muslime, die den Islam als persönliche<br />
Handlungsanleitung für ein geglücktes Leben oder als eine politische Ideologie verstehen, oder<br />
aber nur noch als einen kulturellen Hintergrund der für sie selbst keine Bedeutung besitzt. Politische<br />
Einstellungen sind nicht nur religiös geprägt. In jedem mehrheitlich islamisch geprägten<br />
Sta<strong>at</strong> gibt es heute Linke und Rechte, Liberale und Konserv<strong>at</strong>ive,… Eine einheitliche „islamische<br />
Welt“ existiert genauso wenig wie ein „christliches Abendland“. Alle unsere Gesellschaften sind<br />
von unterschiedlichen Interessen, Ideologien und Lebenshaltungen geprägt.<br />
5.5. Geschlechterverhältnisse im Islam<br />
So unterschiedlich die einzelnen Strömungen und Lebenspraxen von Muslimen sind, so unterschiedlich<br />
sind auch die Geschlechterverhältnisse im Islam organisiert. Zwar sind islamisch<br />
geprägte Gesellschaften – wie die meisten Gesellschaften dieser Welt – p<strong>at</strong>riarchal geprägte<br />
Gesellschaften. Allerdings lässt sich in vielen Bereichen in denen Frauen gegenüber Männern<br />
benachteiligt werden nur schwer zwischen Religion, Tradition und Kultur unterscheiden. Vieles<br />
das bei oberflächlicher Betrachtung in europäischen Diskursen oft dem Islam zugeordnet wird,<br />
wie etwa weibliche Genitalverstümmelung, oder die Verschleierung (Niqab), sind vorislamischen<br />
Ursprungs, werden nicht nur von Muslimen praktiziert und von vielen Muslimen abgelehnt.<br />
Trotzdem gibt es gewisse Elemente p<strong>at</strong>riarchaler Ordnung, die sich auch in Suren des Korans<br />
und Aussprüchen des Propheten wieder finden und die in fast allen Sekten des Islam traditionell<br />
vorhanden waren. Diese Unterschiede in der Behandlung von Frauen und Männern beziehen<br />
sich alle auf rechtliche Aspekte und nicht auf religiöse Aspekte im engeren Sinn. Sie sind heute<br />
also nur dort von Bedeutung, wo das Islamische Recht bestimmend ist.<br />
Zeugenaussagen von Frauen gelten in allen Rechtsschulen der großen islamischen Konfessionen<br />
nur halb so viel wie Zeugenaussagen von Männern.<br />
Während Männer bis zu vier gültige Ehen mit Frauen parallel eingehen können, dürfen Frauen<br />
nur mit einem Mann verheir<strong>at</strong>et sein. Diese Regelung wird direkt aus dem Koran abgeleitet, der<br />
sich in Sure 4:3 offensichtlich an Männer wendet: „So heir<strong>at</strong>et, was euch an Frauen gut ansteht,<br />
26
5 Islam<br />
zwei, drei oder vier; und wenn ihr fürchtet, nicht billig zu sein, so heir<strong>at</strong>et eine (...). So könnt<br />
ihr am ehesten Ungerechtigkeit vermeiden.“ Da die Polygamie mit der Forderung nach Gerechtigkeit<br />
und Gleichbehandlung aller Frauen verbunden ist und diese Gleichbehandlung sich<br />
zumindest als sehr schwierig herausstellt, leiten einige moderne reformorientierte islamische<br />
TheologInnen und RechtswissenschafterInnen daraus die Konsequenz ab, dass die Mehrehe<br />
auch für den Mann de facto verboten wäre. Diese Interpret<strong>at</strong>ion ist jedoch eine neue Entwicklung,<br />
die sich noch nicht allgemein durchgesetzt h<strong>at</strong>.<br />
Während für Männer der Beischlaf mit einer ihnen gehörenden Sklavin erlaubt war, war für<br />
Ehefrauen jeder sexuelle Verkehr mit anderen Personen als dem eigenen Ehemann strengstens<br />
verboten. Während muslimische Männer christliche oder jüdische Frauen heir<strong>at</strong>en dürfen, ist<br />
im traditionellen islamischen Recht muslimischen Frauen jede Ehe mit einem Nichtmuslim<br />
untersagt. Auch in der Regelung der Ehescheidung herrscht nach islamischem Recht eine<br />
unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau. Eine Scheidung durch die Frau ist nach<br />
klassischem islamischem Recht nur vor einem Richter unter Angabe von bestimmten Gründen<br />
zulässig, auf die die Frau keinen direkten Einfluss h<strong>at</strong>. Dazu zählen sexuelle Vernachlässigung<br />
durch den Ehemann oder Impotenz des Ehemannes, sowie mangelnder Unterhalt. Der Ehemann<br />
kann sich allerdings ohne Nennung von Gründen scheiden lassen. Dazu benötigt er nach<br />
klassischem islamischem Recht nicht einmal einen Richter. Es genügt das dreimalige Ausrufen<br />
der Verstoßungsformel „talaq, talaq, talaq“ in der Absicht die Frau zu verstoßen.<br />
Auch im Erbrecht werden Frauen und Männer nach traditionellem islamischem Recht unterschiedlich<br />
behandelt. Die Grundlage dieser Regelung basiert auf Sure 4,11: „Auf eine Peron<br />
männlichen Geschlechts kommt bei der Erbteilung gleichviel wie auf zwei weiblichen Geschlechts.“<br />
Dass die Frau nur die Hälfte des Anteils des Mannes bekommt erklären Muslime<br />
damit, dass der Mann allein dazu verpflichtet ist für den Unterhalt der Familie aufzukommen.<br />
Auch diese Regelung wird heute von reformorientierten Muslimen für überholt betrachtet, bildet<br />
aber immer noch eine Grundlage für Rechtsordnungen vieler islamischer Sta<strong>at</strong>en.<br />
Die heute von konserv<strong>at</strong>iven Muslimen beanspruchten Kleidervorschriften für Frauen lassen<br />
sich jedoch im Gegens<strong>at</strong>z zu anderen Ungleichbehandlungen von Frauen und Männern kaum<br />
aus dem Koran selbst ableiten. Der Schleier, der bereits lange vor dem Islam in den Städten des<br />
Mittleren Ostens und des Römischen Reiches getragen wurde, wurde erst mehrere Jahrhunderte<br />
nach dem Tod des Propheten Mohammad auf der arabischen Halbinsel und in Nordafrika<br />
verpflichtend eingeführt. Im Koran selbst ist in Sure 24, Vers 31 nur davon die Rede, dass die<br />
gläubigen Frauen „ihre Keuschheit bewahren, den Schmuck den sie am Körper tragen, nicht<br />
offen zeigen, soweit er nicht normalerweise sichtbar ist“ und „ihren Schal über ihren Busen ziehen<br />
sollen“. Daraus leiten konserv<strong>at</strong>ive Muslime heute eine Kopftuch- oder gar Schleierpflicht<br />
ab. Liberale Muslime interpretieren diesen Vers jedoch völlig anders.<br />
27
6 Glossar<br />
6. Glossar<br />
Ansar-e-Hezbollah: Dem Revolutionsführer Ali Khamenei unterstellte paramilitärische Organis<strong>at</strong>ion,<br />
die teilweise aus Basiji und Veteranen des irakisch-iranischen Krieges besteht und<br />
sich als Propagandaorganis<strong>at</strong>ion, aber auch als Sittenwächter betätigt.<br />
Ay<strong>at</strong>ollah: religiöser Würdentitel eines hohen Geistlichen des zwölferschiitischen Islam. Ein<br />
Ay<strong>at</strong>ollah h<strong>at</strong> ein jahrzehntelanges religiöses Studium hinter sich und ist im Gegens<strong>at</strong>z zu niederrangigeren<br />
Geistlichen befugt eigene Rechtsgutachten (F<strong>at</strong>wa, plural F<strong>at</strong>awa) zu erstellen,<br />
folgt jedoch selbst wiederum einem Großay<strong>at</strong>ollah. Ay<strong>at</strong>ollahs erhalten für ihre Funktionen für<br />
die Gemeinde umfangreiche Spenden der Gläubigen, mit denen sie teilweise den Unterhalt von<br />
Moscheen, Schulen und sozialen Einrichtungen finanzieren.<br />
Basiji: Die Basiji, genau genommen Nirou-ye Moqavem<strong>at</strong>-e Basij (wörtlich: Mobilisierung der<br />
Widerstandsarmee), sind stark ideologisch indoktrinierte Hilfstruppen, die den Pasdaran (Revolutionswächter)<br />
und dem obersten Führer Ali Khameini untergeordnet sind. Die bereits 1979 von<br />
Ay<strong>at</strong>ollah Khomeini gegründete Miliz ist für ihre besondere Loyalität gegenüber Ali Khameini<br />
bekannt. De facto handelt es sich dabei jedoch auch oft um Schlägertruppen meist sehr junger<br />
Männer (aber auch Frauen), die unter Kontrolle lokaler regimetreuer Geistlicher oder Regierungsvertreter<br />
stehen. Basiji werden von der Regierung Mahmud Ahmedinejads seit dem Wahlbetrug<br />
im Juni 2009 massiv gegen die Proteste der „grünen Bewegung“ eingesetzt und haben<br />
sich im Zuge der Repressionswelle gegen die iranische Opposition massivster Menschenrechtsverletzungen<br />
schuldig gemacht.<br />
Brautgeld: In vielen – nicht nur islamischen - Gesellschaften existiert bei einer Eheschließung<br />
eine Form von Brautgeld, die oft der Absicherung der Ehefrau dient. In Europa existierten<br />
in manchen Regionen bis ins 20. Jahrhundert hinein ebenfalls Formen von Brautgeld, die jedoch<br />
nicht der Frau, sondern der Familie der Frau ausgezahlt wurden und als Entschädigung der<br />
Familie für den Entzug der Arbeitskraft der Braut gesehen wurden. Im Islam ist das Brautgeld<br />
(Mahar) Teil des jeweiligen Ehevertrags und kann entweder mit der Eheschließung, oder erst im<br />
Falle einer Scheidung ausbezahlt werden. Das Brautgeld ist der Schutz für die Frau vor einer<br />
einseitigen Scheidung des Mannes. Es ist ein Versprechen des Mannes an die Frau.<br />
F<strong>at</strong>wa: islamisches Rechtsgutachten (Plural F<strong>at</strong>awa). Üblicherweise wird eine F<strong>at</strong>wa auf<br />
Anfrage einer Einzelperson oder eines Juristen angefertigt, um ein Problem, das im Rahmen<br />
der islamischen Religion aufgetreten ist, zu klären. In Ländern mit islamischem Recht werden<br />
F<strong>at</strong>awa regierungstreuer Rechtsgelehrter vor der Herausgabe meist von den n<strong>at</strong>ionalen Religionsführern<br />
diskutiert und beschlossen. In solchen Fällen sind F<strong>at</strong>awa kaum widersprüchlich<br />
und haben den Rang eines vollstreckbaren Gesetzes. Sollten sich zwei F<strong>at</strong>awa widersprechen,<br />
wird meist von den Führern (in deren Händen ziviles und religiöses Recht liegt) ein Kompromiss<br />
erarbeitet, um zu klären, welches der beiden rechtlich wirksam sein soll. Im schiitischen Islam<br />
folgen die Gläubigen jedoch immer bestimmten Ay<strong>at</strong>ollahs bzw. Großay<strong>at</strong>ollahs, deren F<strong>at</strong>awa<br />
dann jeweils für die eigene Anhängerschaft gültig sind.<br />
Geschlechtertrennung: Im öffentlichen Raum im Iran wird in vielen Bereichen die Geschlechtertrennung<br />
forciert, z.B. in Schulen, Universitäten, in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei diversen<br />
Veranstaltungen und auf Ämtern. Diese wird aber auch immer wieder unterwandert, vor<br />
28
6 Glossar<br />
allem im Priv<strong>at</strong>bereich, wo Parties mit verbotener Musik, Alkohol und freizügiger Kleidung<br />
keine Seltenheit sind, aber auch in der Öffentlichkeit, wenn z.B. Männer und Frauen in billigen,<br />
inoffiziellen Sammeltaxis eng zusammengepfercht sitzen. Ein Doppelleben zwischen der streng<br />
reglementierten Öffentlichkeit und einer selbstbestimmten Priv<strong>at</strong>sphäre, die in starkem Widerspruch<br />
stehen, prägt das leben der IranerInnen seit Jahrzehnten. Auch die Zeitehe kann als<br />
Schlupfloch genutzt werden, um eine freiere Sexualität unbehelligt von Sittenwächtern zu leben.<br />
Goldmünze: Die Goldmünze, wie sie im Film vorkommt, entspricht ca. 80€. Um der Infl<strong>at</strong>ion<br />
zu entkommen wird das Brautgeld meistens in Goldmünzen festgelegt.<br />
GroSSay<strong>at</strong>ollah: religiöser Würdentitel eines hohen Geistlichen des zwölferschiitischen<br />
Islam, der über dem Ay<strong>at</strong>ollah, aber unter dem Marja-e Taqlid steht. Schiitische Gläubige<br />
folgen einem Großay<strong>at</strong>ollah und dessen Rechtsauffassungen. Die Zahl dieser Anhängerschaft<br />
bestimmt wesentlich die Bedeutung, aber auch die finanziellen Einkünfte durch Spenden, mit<br />
denen oft eine Vielzahl von Stiftungen, Moscheen, Schulen und sozialen Einrichtungen finanziert<br />
werden. Diese Spenden ermöglichen den Großay<strong>at</strong>ollahs auch eine weitgehend vom Sta<strong>at</strong> unabhängige<br />
ökonomische Basis, die sich auch in einer politischen Unabhängigkeit niederschlägt. So<br />
stehen viele der Großay<strong>at</strong>ollahs im Iran dem Regime gegenüber in Opposition.<br />
Heir<strong>at</strong>sbüro: Eine Art Notar, bei dem Ehen geschlossen werden, auch Zeitehen. Es werden<br />
hier auch Scheidungen durchgeführt.<br />
Imam: Der Begriff des Imam – wörtlich übersetzt als Vorsteher oder Vorbild - kann unterschiedliche<br />
Bedeutungen haben. Einerseits kann damit ein Vorbeter in einer Moschee gemeint<br />
sein, andererseits ein Ehrentitel für einen als besonders wichtig erachteten Gelehrten. So<br />
nennen etwa die Anhänger Ay<strong>at</strong>ollah Khomeinis diesen auch „Imam Khomeini“. Für schiitische<br />
Muslime wird der Titel zunächst für die Nachfolger des Propheten Mohammad verwendet. Die<br />
Zwölferschiiten gehen dabei von einer Abfolge von 12 Imamen aus, die mit Ali ibn Abi Talib und<br />
seinem Sohn Hussein ibn Ali beginnen und mit dem als Kind verschwundenen Mohammad al-<br />
Mahdi enden. Die Erwartung der Wiederkehr des 12. „verborgenen Imams“ verknüpft sich mit<br />
messianischen Endzeiterwartungen. Ismailitische Schiiten kennen je nach Strömung sieben<br />
(Bohras) oder mehr (Khojas) Imame, zaiditische Schiiten fünf Imame, wobei die ersten vier für<br />
alle schiitischen Muslime übereinstimmen.<br />
Khomeini, Ruhollah Musavi: Ruhollah Khomeini wurde 1902 in Khomein im Iran geboren<br />
und schloss sich bereits während seines Studiums der Organis<strong>at</strong>ion Fedayin-e Islam an, die die<br />
Errichtung eines schiitischen Gottessta<strong>at</strong>es forderte. Aufgrund seiner Predigten und Aufrufe<br />
gegen den iranischen König, Schah Reza Pahlavi, wurde er 1963 verhaftet. Um ihn vor einer<br />
möglichen Hinrichtung zu schützen ernannte ihn daraufhin der an sich unpolitische und gegen<br />
Khomeinis politischen Islam agierende Großay<strong>at</strong>ollah Schari<strong>at</strong>madri daraufhin zum Ay<strong>at</strong>ollah.<br />
Im Exil im Irak entwickelte Ay<strong>at</strong>ollah Khomeini schließlich sein Konzept der velay<strong>at</strong>-e fagih,<br />
der „Herrschaft der Rechtsgelehrten“. Nachdem Khomeini im Oktober 1978 vom Irak nach<br />
Frankreich abgeschoben wurde, wurde sein Wohnort Neauphle-le-Château zu einem Zentrum<br />
iranischer Oppositionsaktivitäten. Nach der Revolution im Iran kehrte Khomeini am 1. Februar<br />
1979 wieder in den Iran zurück und wurde zur neuen Schlüsselfigur der nach einem Referendum<br />
am 1. April ausgerufenen „Islamischen Republik Iran“. In der im Dezember angenomme-<br />
29
6 Glossar<br />
nen Verfassung wurde nun nach Khomeinis Plänen die St<strong>at</strong>thalterschaft der Rechtsgelehrten<br />
festgeschrieben. Khomeinis Rolle selbst wurde als Revolutionsführer, oberster Rechtsgelehrter<br />
und Stellvertreter des 12. Imams auf Lebenszeit festgelegt. Khomeini spielte in den folgenden<br />
Jahren eine wichtige Rolle in der Unterdrückung ehemaliger Bündnispartner der linken,<br />
n<strong>at</strong>ionalistischen und islamischen Opposition, die sich v.a. während des irakisch-iranischen<br />
Krieges ab September 1980 verschärfte. Bereits zuvor waren jedoch einige Parteien verboten,<br />
die Pressezensur eingeführt und die Universitäten geschlossen worden. Als erfolgreicher<br />
islamischer Revolutionär spielte Khomeini jedoch nicht nur für den Iran, sondern auch für den<br />
weltweiten politischen Islam eine wichtige Rolle. Khomeini bemühte sich dabei die Revolution<br />
als „islamische“ und nicht als „schiitische“ Revolution darzustellen um so auch sunnitische<br />
Muslime anzusprechen. Seine letzte wichtige intern<strong>at</strong>ionale Bedeutung erlebte Khomeini, als er<br />
am 14. Februar 1989 eine F<strong>at</strong>wa gegen Salman Rushdie erlassen h<strong>at</strong>te, in der er zur Tötung des<br />
Schriftstellers aufrief. Ursprünglich h<strong>at</strong>te er bei einer ersten Lektüre des Buches „Die s<strong>at</strong>anischen<br />
Verse“ dieses lediglich als nicht ernst zu nehmenden Unsinn bezeichnet. Erst nach ersten<br />
Unruhen in Pakistan wollte Khomeini damit die Führung einer politischen Kampagne gegen<br />
Rushdie ergreifen. Außenpolitisch vertr<strong>at</strong> Khomeini eine strikt antiwestliche Richtung, die sich<br />
v.a. gegen die USA, den Kommunismus und Israel richtete. Nach seinem Tod am 3. Juni 1989,<br />
wurde ihm im Süden Teherans beim Friedhof Behesht-e Zahra ein monumentales Mausoleum<br />
errichtet. St<strong>at</strong>t seines designierten Nachfolgers, Großay<strong>at</strong>ollah Hossein Ali Montazeri, der aufgrund<br />
seiner Kritik an Menschenrechtsverletzungen und dem Autoritarismus unter Khomeini<br />
1989 in Ungnade gefallen war, wurde der niederrangige Geistliche, der ehemalige Sta<strong>at</strong>spräsident<br />
Ali Khamenei, zum Nachfolgern Khomeinis ernannt.<br />
Koran: heiliges Buch des Islam. Nach traditioneller Lehrmeinung handelt es sich dabei um<br />
direkt von Gott gesandte Verse, die dem Propheten Mohammad über den Erzengel Gabriel<br />
übermittelt wurden und die von Mohammad aufgeschrieben wurden. Da Mohammad nach<br />
muslimischer Tradition Analphabet war, glauben Muslime, dass der Erzengel Gabriel ihm den<br />
Befehl gab, das zu rezitieren, was zuvor in sein Herz geschrieben wurde, woher auch der Begriff<br />
des „Koran“ als Lesung bzw. Vortrag, Rezit<strong>at</strong>ion stammt. Als Text bzw. Buch wurde der Koran<br />
erst nach dem Tod des Propheten Mohammad unter den so genannten rechtgeleiteten Khalifen<br />
gesammelt. Erst unter dem dritten Khalifen Uthman wurde allerdings ein allgemein verbindlicher<br />
Text verfasst und andere frühere Koran-Abschriften – die sich teilweise unterschieden<br />
– vernichtet. Der Text besteht insgesamt aus 114 Suren, die wiederum aus über 6.000 Versen<br />
bestehen. Die Suren sind nicht them<strong>at</strong>isch oder chronologisch angeordnet, sondern großteils<br />
ihrer Länge nach. Mit Ausnahme der nur aus sieben Versen bestehenden Sure 1 („al-f<strong>at</strong>iha“,<br />
„die Eröffnende“) ist damit die Sure 2 mit 286 Versen die längste. Die letzten Suren bestehen nur<br />
mehr aus einigen wenigen Versen.<br />
Koran – Weissagung: (Persisch Estekhareh) In der islamischen Alltagskultur wird der Koran<br />
in manchen Belangen befragt. Hierzu formuliert man die Frage für sich selbst, schlägt den Koran<br />
auf und interpretiert die aufgeschlagene Textstelle. Oft lässt man dies auch von Geistlichen<br />
machen, manche Mullahs gelten in diesem Gebiet als Experten.<br />
Marja-e Taqlid: höchster religiöser Würdentitel eines Geistlichen des zwölferschiitischen Islam,<br />
wörtlich übersetzt als „Quelle der Nachahmung“. Es handelt sich dabei um einen von allen<br />
anderen Großay<strong>at</strong>ollahs anerkannten führenden Großay<strong>at</strong>ollah, der – ähnlich dem Papst für die<br />
30
6 Glossar<br />
k<strong>at</strong>holische Kirche – nur als alleinige Person existieren kann. Der letzte solchermaßen von allen<br />
Großay<strong>at</strong>ollahs anerkannte Marja-e Taqlid war Großay<strong>at</strong>ollah Hossein Ali Borujerdi (1875-1961)<br />
. Dem heute von vielen Geistlichen als Marja anerkannte Großay<strong>at</strong>ollah Ali al-Sistani in Najaf,<br />
dem traditionellen Zentrum der schiitischen Geistlichkeit im Irak, fehlt allerdings die Anerkennung<br />
aller Großay<strong>at</strong>ollahs. Die Errichtung der „Islamischen Republik Iran“ mit dem Amt des<br />
„obersten Rechtsgelehrten“ h<strong>at</strong> eine mit der traditionellen schiitischen Hierarchie rivalisierende<br />
Hierarchie geschaffen, an deren Spitze mit Ali Khameni kein Großay<strong>at</strong>ollah steht. Mit dem politischen<br />
Engagement einiger Großay<strong>at</strong>ollahs im Iran und im Libanon wurde die Einigung auf einen<br />
Marja zusätzlich erschwert.<br />
Mätresse: Als Mätresse bezeichnet man eine öffentlich als solche bekannte Geliebte. Der<br />
Begriff (französisch: „maîtresse“ - „Meisterin“) stammt von Geliebten von Adeligen und Herrschern<br />
am französischen Hof und wird heute jedoch allgemein für weibliche Geliebte verwendet,<br />
mit denen man nicht verheir<strong>at</strong>et ist.<br />
Mullah: Ein Mullah ist ein islamischer Lehrer, Prediger, Geistlicher oder Theologiestudent.<br />
Abgeleitet wird die Bezeichnung aus dem Arabischen für „Herr“, „Meister“ oder „Beschützer“.<br />
Ursprünglich war Mullah oder Molla die allgemeine Bezeichnung für schiitische Religions- und<br />
Rechtsgelehrte, nach ihrer arabischen Anrede. Heute ist der Titel gebräuchlich für alle schiitischen<br />
Geistlichen. Im Gegens<strong>at</strong>z zum sunnitischen Islam gibt es bei den Schiiten einen Klerus<br />
mit einer hierarchischen Struktur. Im heutigen Iran gibt es rund 180.000 Mullahs. Über ihnen<br />
stehen 28.000 Hoj<strong>at</strong>oleslam, darüber 5.000 Ay<strong>at</strong>ollahs und 14 Großay<strong>at</strong>ollahs. Als höchster in<br />
dieser Hierarchie ist der Marja-e Taqlid vorgesehen.<br />
Pahlavi Ära: Zeit der Herrschaft der Pahlavi-Dynastie im Iran. Nachdem der Offizier Reza<br />
Khan am Sturz des letzten Qadscharen-Herrschers beteiligt war, ließ er sich 1925 selbst zum<br />
Schah krönen. 1941 aufgrund seiner Nähe zum n<strong>at</strong>ionalsozialistischen Deutschland zum<br />
Rücktritt gezwungen, regierte sein Sohn Mohammad Reza bis zur Revolution von 1979 den Iran.<br />
Das autoritäre Pahlavi-Regime stützte seine prowestliche Modernisierungspolitik dabei stark<br />
auf Großbritannien und die USA und ließ sowohl die liberale und linke, als auch die islamische<br />
Opposition unterdrücken. 1953 gelang es Mohammad Reza Pahlavi nur mit Hilfe des CIA den<br />
reformorientierten Premierminister Mossadegh zu stürzen und sich selbst an der Macht zu halten.<br />
Im Zuge der iranischen Revolution mußte der Schah am 16. Jänner 1979 endgültig das Land<br />
verlassen, womit die Pahlavi Ära zu Ende ging.<br />
Pasdaran: Die von Ay<strong>at</strong>ollah Komeini bereits im Mai 1979 geschaffenen „Revolutionsgarden“<br />
(Sepāh-e Pāsdārān-e Enghelāb-e Eslāmi) stellen eine gut ausgebildete und hochideologisierte<br />
militärische Organis<strong>at</strong>ion im Iran dar. Die Pasdaran entwickelten sich insbesondere unter<br />
dem derzeitigen Präsidenten Ahmedinejad zum zentralen politischen, militärischen und ökonmischen<br />
Machtfaktor im Iran. Von 21 Ministern der Regierung Ahmedinejad sind mit 13 weit<br />
mehr als die Hälfte ehemalige Kommandanten der Pasdaran. Die Pasdaran sind in fast allen<br />
Bereichen der Wirtschaft führend aktiv und gehören zu den größten Unternehmern des Landes.<br />
Das Regime übertrug den Ausbau von Ölanlagen, Pipelines, der Teheraner U-Bahn und andere<br />
Großprojekte an Firmen der Pasdaran. Flug- und Seehäfen und damit auch wichtige Schmuggelrouten<br />
werden von den Pasdaran kontrolliert. Die Truppenstärke der Pasdaran beträgt heute<br />
zwischen 100.000 und 150.000 Mann. Sie verfügen über eine eigene Marine und Luftwaffe, die<br />
31
6 Glossar<br />
neben der regulären und weniger politisch-ideologisch dominierten Armee existiert. Pasdaran<br />
spielten auch eine wichtige Rolle beim Export der „islamischen Revolution“, etwa der Unterstützung<br />
und Ausbildung der libanesischen Hizbollah.<br />
Polygamie: Mehrehe. Ist eine Frau mit mehreren Männern verheir<strong>at</strong>et, wird von Polyandrie<br />
gesprochen, ein Mann mit mehreren Frauen von Polygynie. Während die Polyandrie heute auf<br />
einige Gesellschaften Asiens, Afrikas und Nordamerikas beschränkt ist, findet sich die Polygynie<br />
sowohl in der Bibel als auch im Koran als mögliche Eheform wieder.<br />
Die Polygynie ist damit nicht auf den Islam beschränkt. Auch wenn im Christentum die Monogamie,<br />
die Einehe, als einzig religiös legitimierte Eheform gilt und diese in europäischen Sta<strong>at</strong>en<br />
heute auch als einzig sta<strong>at</strong>lich anerkannte Eheform existiert, so war es historisch doch auch<br />
etwa unter Adeligen in Europa üblich nicht legitimierte langjährige Geliebte als „Zweitfrauen“ zu<br />
unterhalten. Polygyne Eheformen gehen in den meisten Fällen mit p<strong>at</strong>riarchalen Gesellschaftsformen<br />
einher. In der Realität heutiger islamischer Gesellschaften können sich meist nur sehr<br />
wohlhabende Männer mehrere Frauen leisten. Der Islam erlaubt maximal vier Ehefrauen, die<br />
zumindest dem Anspruch nach gleich zu behandeln sind. Die Annahme, dass dies nicht möglich<br />
wäre, führt einige islamische Reformer heute dazu die Polygynie überhaupt abschaffen zu wollen.<br />
Prophet: Propheten sind Menschen, die eine Verkündigung unter direkter Berufung auf Gott<br />
verbreiten. Die drei großen monotheistischen Weltreligionen (Judentum, Christentum und<br />
Islam) kennen eine Reihe von Propheten, von denen viele (etwa Moses/Musa, Abraham/Ibrahim)<br />
in allen drei Religionen anerkannt werden. Für Muslime ist auch Jesus/Isa ein Prophet, allerdings<br />
kein Messias bzw. Sohn Gottes. Im Arabischen, das auch als rituelle Sprache des Islam<br />
fungiert, wird allerdings zwischen zwei verschiedenen Formen von Propheten unterschieden:<br />
Nabi und Rasul. Die großen Propheten, die als von Gott gesandte Reformer gelten, wie Noah<br />
(Nuh), Moses (Musa) oder Mohammad werden als Rasul (Plural: Rusul) gesehen, die „kleineren“<br />
Propheten, die diese Botschaften der Bevölkerung übermitteln als Nabi (Plural: Anabiya),<br />
wobei einige islamische Rechtsgelehrte Wert darauf legen, dass alle Rusul auch Anabiya sind.<br />
Mohammad gilt den Muslimen als letzter und somit auch bedeutendster Rasul. Wenn einfach<br />
von „dem Propheten“ die Rede ist, ist damit üblicherweise Mohammad gemeint.<br />
Qom: Qom ist die Hauptstadt der Provinz Qom im Iran. Sie h<strong>at</strong> über 1.000.000 Einwohner und ist<br />
eine der heiligen Städte der Schia und zugleich das geistige Zentrum der politischen Macht im<br />
Iran. Mit dem Schrein der schiitischen Heiligen Maasumeh („Die Unschuldige“) ist Qom einer<br />
der wichtigsten Wallfahrtsorte im Iran und mit einer Vielzahl von Priesterseminaren und der<br />
berühmten theologischen Hochschule Fayziyeh das weltweit größte Zentrum der schiitischen<br />
Lehre, wo jährlich zehntausende Theologen ausgebildet werden. Diese Hochschule wurde in<br />
Europa vor allem durch Ay<strong>at</strong>ollah Ruhollah Khomeini, dem Begründer der Islamischen Republik<br />
Iran, bekannt. Von hier aus werden seit Jahrzehnten auch die politischen Geschicke des Landes<br />
gelenkt. Im Januar 1970 hielt Khomeini in Najaf (Irak) eine Reihe von Vorlesungen, die als Buch<br />
unter dem Titel „Der islamische Sta<strong>at</strong>“ erschien und schuf damit das theoretische Fundament<br />
für die Verfassung der Islamischen Republik Iran, in der der anerkannteste Ay<strong>at</strong>ollah - in Vertretung<br />
des verborgenen Imams - die politische Herrschaft ausübt.<br />
Scharia: islamisches Recht, wörtlich übersetzt als „Weg“ oder „Straße“. Die Scharia ist dabei<br />
kein in der gesamten islamischen Welt gleiches oder in einem Buch niedergeschriebenes<br />
32
6 Glossar<br />
kodifiziertes Recht, sondern eine Rechtstradition, die auf dem Koran, den überlieferten Aussprüchen<br />
und Handlungen des Propheten Mohammad (Hadith) und der Rechtsentwicklung<br />
historischer islamischer Rechtsgelehrter basiert. Die Scharia umfasst nicht nur das Strafrecht<br />
mit seinen bekannten Körperstrafen, sondern eine Fülle von Rechtsbereichen, wie etwa auch<br />
das Personenstandsrecht. In den modernen sta<strong>at</strong>lichen Rechtsordnungen der meisten islamischen<br />
Sta<strong>at</strong>en sind jeweils unterschiedliche Elemente der Scharia übernommen worden. Die<br />
Rechtstradition der Scharia wird dabei meist vom Gewohnheitsrecht (urf) und von modernen<br />
europäischen (postkolonialen) Rechtstraditionen ergänzt. Das Eherecht ist etwa nicht nur im<br />
Iran, sondern auch in den meisten arabischen Sta<strong>at</strong>en weitgehend der Scharia entsprechend<br />
geregelt. Im Konkreten unterscheiden sich jedoch verschiedene Formen der Scharia. Im sunnitischen<br />
Islam haben sich vier historische Rechtsschulen (madhab, Plural: madhahib) herausgebildet<br />
(Schafiya, Hanbaliya, Malikiya, Hanafiya). Die Rechtsschule der Zwölferschiiten wird nach<br />
Imam Dschafar al-Sadiq als Dschafariya bezeichnet.<br />
Sexuelle Revolution: Zwei wesentliche Umstände haben im Iran eine Art „Sexuelle Revolution“<br />
herbeigeführt: Die Demographie (siehe oben) – junge Menschen und ihre Bedürfnisse,<br />
wie auch viele gebildete Frauen, die sich nicht mehr mit ihrer traditionellen Rolle als Hausfrau<br />
und Mutter zufrieden geben. Eine Desillusionierung aufgrund der Erfahrung einer seit 30<br />
Jahren anhaltenden islamischen Republik h<strong>at</strong> die Menschen gegenüber religiösen und konserv<strong>at</strong>iven<br />
Normen skeptisch gemacht. Das äußert sich vor allem darin, dass sich die junge Gener<strong>at</strong>ion<br />
Freiheiten nimmt und mit alten Tabus bricht, wie dem Gebot der Jungfräulichkeit oder<br />
den arrangierten Ehen. Viele, vorwiegend junge Mädchen wollen gar nicht heir<strong>at</strong>en und lieber<br />
selbständig sein. Liebesheir<strong>at</strong> und freie Partnerwahl werden immer wichtiger.<br />
Auch sind sexuelle Erfahrungen vor der Ehe viel üblicher geworden, ein Faktum das noch vor<br />
einigen Jahren undenkbar gewesen wäre.<br />
Sittenpolizei / Moralwächter: Sammelbegriff für unterschiedliche Polizeieinheiten und<br />
paramilitärische Organis<strong>at</strong>ionen, wie den Basiji oder den Ansar-e-Hezbollah, die mit Billigung<br />
des Regimes Kleidungsvorschriften überwachen oder andere als “sittenwidrig” betrachtete<br />
Handlungen verfolgen.<br />
Toman: (=inoffizielle Währung im Iran) Im Film kommt der Ausdruck Toman in einem umgangssprachlichen<br />
Zusammenhang vor. Da Rial, die eigentliche Währung des Iran, so infl<strong>at</strong>ionär<br />
ist, wird im Iran selbst umgangssprachlich in Toman gerechnet. 10000 Rial = 1000 Toman = ca.<br />
0,7€<br />
Zeitehe: Die Ehe auf Zeit, auch Mut’a (arabisch für Lustehe), im Iran Sigheh genannt, geht auf<br />
eine vorislamische Praxis auf der arabischen Halbinsel zurück. Sie wurde in der Frühzeit des<br />
Islam und auch vom Propheten Mohammad selbst weiter praktiziert und von diesem sogar für<br />
Pilger, Krieger, Händler und sonstige Langzeitreisende empfohlen. Die Zeitehe gehört nach dem<br />
Schiismus eindeutig zur islamischen Lehre. Schiitische Überlieferer beziehen sich dabei auf<br />
einen Koranvers, durch den die Zeitehe erlaubt wird: Sure Die Frauen, Vers 25: „Jene Frauen,<br />
die ihr für sexuellen Genuss benutzt, zahlt ihnen ihr Brautgeld als Lohn.“<br />
Nach Mohammads Tod wurde die Praxis vom zweiten Kalifen, Omar, für illegal und unislamisch<br />
erklärt. Im sunnitischen Islam wird die Mut’a offiziell seither nicht mehr praktiziert. Anders bei<br />
den Schiiten, die sich nur auf Mohammad und seine direkten Nachfahren, die 12 Imame beru-<br />
33
6 Glossar<br />
fen. So h<strong>at</strong> sich die Zeitehe über viele Jahrhunderte in mehrheitlich schiitischen Ländern wie<br />
Iran, Irak und Afghanistan erhalten. Sie fand sich traditionell vor allem in den großen Wallfahrtszentren<br />
wie Qom und Mashad im Iran, oder Karbala und Najaf im Irak, und in Zusammenhang<br />
mit Pilgerreisen. So genießt die heilige Stadt Qom schon seit Jahrhunderten auch den<br />
zweifelhaften Ruf einer Sextourismus-Destin<strong>at</strong>ion. Kritiker lehnen die Zeitehe oft als legalisierte<br />
Prostitution ab.<br />
Die Zeitehe braucht weder Zeugen noch die Schriftform. Üblicher ist es jedoch, die Ehe gegen<br />
eine kleine Gebühr von einem Mullah, einem schiitischen Geistlichen, abschließen zu lassen. In<br />
der Islamischen Republik Iran ist die Zeitehe Teil des dortigen, schiitisch geprägten Rechtssystems,<br />
womit sie nur in diesem Land auch zivilrechtlich legal ist. Im Iran, wo die Zahl der Sigheh-<br />
Ehen stark im Steigen ist, muss sie seit einigen Jahren bei einem Notar registriert werden. Mit<br />
dem beglaubigten Ehevertrag können die Ehepartner die Legitim<strong>at</strong>ion ihrer Beziehung belegen,<br />
z.B. wenn sie gemeinsam ein Hotelzimmer nehmen. Aus theologischer Sicht jedoch genügen für<br />
die Gültigkeit der Ehe die gegenseitige Absichtserklärung, die Spezifizierung der Dauer und das<br />
Auszahlen des Brautgelds. Sie kann von einer Stunde bis zu 99 Jahren dauern. Ein Mann kann<br />
neben 4 regulären Ehefrauen gleichzeitig eine unbegrenzte Zahl von Zeitehen eingehen. Für die<br />
Frau gilt das Prinzip der seriellen Monogamie. Nach Ablaufen der Ehe muss die Frau, genauso<br />
wie nach der Scheidung einer regulären Ehe, eine zweimon<strong>at</strong>ige Abstinenzfrist, genannt Eddeh,<br />
einhalten, um eine eventuelle Schwangerschaft feststellen und die V<strong>at</strong>erschaft eindeutig zuordnen<br />
zu können. Kinder aus einer Zeitehe gelten als eheliche Kinder und haben Anspruch auf<br />
Unterhaltszahlungen und Erbanteil – theoretisch. Denn eine Lustehe geht man, wie der Name<br />
schon sagt, normalerweise nicht ein, um eine Familie zu gründen. Abtreibungen nach Zeitehen<br />
sind, obwohl illegal, nicht selten.<br />
<br />
34
7 Mögliche Fragenstellungen und Diskussionsansätze<br />
7. Mögliche Fragestellungen und Diskussionsansätze:<br />
Nachstehend finden sich Einstiege ins Thema und Impulsfragen die unabhängig von M<strong>at</strong>erialien<br />
sind und einfach im Unterricht eingebaut werden können.<br />
Die Themen des Filmes können innerhalb der Lehrpläne nahezu in jedem Unterrichtsfach<br />
them<strong>at</strong>isiert werden. In Deutsch können Texte gelesen, selbst verfasst und szenisch dargestellt,<br />
und Erörterungen zu den Fragestellungen verfasst werden. Für Geografie- und Wirtschaftskunde<br />
bieten der Film und die Impulse für den Unterricht viele Anknüpfungspunkte. In den Fremdsprachen<br />
lässt sich eine fremde Kultur erforschen. In Geschichte und Sozialkunde bietet der<br />
Film gerade in höheren Klassen den idealen Anknüpfungspunkt um sich mit der Geschichte des<br />
mittleren Osten auseinanderzusetzen. In Philosophie, Psychologie und Religion bietet der Film<br />
einen Einstieg in Diskussionen und die Auseinandersetzung mit verschiedenen Wertsystemen.<br />
Im Fach politische Bildung setzt „Im Bazar der Geschlechter“ Impulse für die Beschäftigung<br />
mit verschiedenen politischen Systemen und die aktuelle Lage im Mittleren Osten. In Bildnerischer<br />
Erziehung können Collagen und Bilder unterstützen, Impressionen zu verarbeiten. Im<br />
Musikunterricht kann das Thema mit persischer Musik erforscht werden, auch bietet der Film<br />
eine ideale Gelegenheit um sich mit Filmmusik auseinander zu setzen. Im Rahmen von Projekt-Unterricht<br />
oder Projekt-Tagen können die Schüler/innen beispielsweise zu einem stumm<br />
vorgeführten Filmausschnitt selbst Live-Musik, ergänzt durch andere Geräusche, schreiben und<br />
erforschen, wie sich die Geräusche auf die Wahrnehmung des Filmes auswirken. Im Anschluss<br />
daran kann auch die Originalversion des Filmausschnitts gezeigt werden.<br />
35
Kopiervorlage<br />
Im Bazar der Geschlechter / Poool<br />
› Welche Episode des Filmes ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?<br />
› Wie wirken die Frauen, die im Film vorkommen, auf Sie?<br />
› Welche Rollenbilder werden im Film vermittelt?<br />
› Diskussion: Konnten Sie Parallelen zur der Gesellschaft entdecken in der Sie leben?<br />
› Wie würden Sie die Hauptpersonen im Film charakterisieren, wofür könnten Sie stehen?<br />
› Was wissen Sie über den Iran? Welche Ereignisse und Personen fallen Ihnen ein?<br />
› Aufgabenstellung: Recherchieren Sie: Über welche Personen und Ereignisse wird aktuell<br />
in den Medien berichtet?<br />
› Welche Inform<strong>at</strong>ionen vermittelt der Film über die Situ<strong>at</strong>ion der Menschen und insbesondere<br />
der Frauen im Iran?<br />
› Aufgabenstellung: Welche Positionen gibt es im Iran zur Kopftuchpflicht?<br />
› Beschreiben Sie die Struktur des Filmes. Wie ist er Ihrer Meinung nach aufgebaut?<br />
› Welche anderen Dokumentarfilme kennen Sie? Gibt es im Aufbau Unterschiede?
Kopiervorlage<br />
Im Bazar Der Geschlechter / Poool<br />
› Würden Sie selbst eine Zeitehe eingehen?<br />
› Begründen Sie!<br />
› In Österreich sind nur standesamtliche Ehen rechtlich gültig, im Iran gibt es nur religiös geschlossene<br />
Ehen – worin liegt für Sie der Unterschied und welche Konsequenzen entstehen<br />
daraus für Sie?<br />
› Welche Position nehmen die Verschiednen Religionen zum Thema Ehe ein?<br />
› Vergleichen Sie die Positionen der drei Buchreligionen (Judentum, Christentum, Islam)<br />
› Sex vor der Ehe:<br />
› Wie h<strong>at</strong> sich der Standpunkt zum Thema Sex vor der Ehe in Österreich in den letzten 100<br />
Jahren verändert?<br />
› Welche Positionen nehmen Vertreter verschiedener Religionen ein?<br />
› Wie stehen Sie selbst zu diesem Thema?<br />
› Worin liegen die Vorteile, damit bis zur Hochzeitsnacht zu warten ?<br />
› Wird mit zweierlei Maß gemessen, wenn es um Sexualität bei Männern und bei Frauen geht?<br />
(Stichwort Jungfräulichkeit bis zur Hochzeitsnacht)<br />
› Welchen Stellenwert h<strong>at</strong> die Jungfräulichkeit in unserer Gesellschaft?<br />
› Welchen Standpunkt nehmen die verschiedenen Religionen zum Thema Verhütung ein?<br />
› Wie wichtig ist für Sie persönlich das Thema Verhütung?
Kopiervorlage<br />
Im Bazar der Geschlechter / Poool<br />
› Säkularisierung, die Trennung von Sta<strong>at</strong> und Religion: Wie wichtig ist Sie in Ihren Augen?<br />
› Vergleichen Sie die Länder Österreich und Iran in diesem Zusammenhang.<br />
› Wo sehen Sie die Unterschiede der Lebenssitu<strong>at</strong>ion von iranischen und österreichischen Jugendlichen?<br />
› Die Grundrechte von Frauen in Österreich und im Iran: Stellen Sie einen Vergleich an.<br />
› Kopftuch – ein Zeichen der Diskriminierung der Frauen oder ein Zeichen der Selbstbestimmung<br />
der Frauen, wie stehen Sie dazu?<br />
› Sind Sie für oder gegen ein Kopftuchverbot in Österreich? Begründen Sie Ihre Antwort.<br />
› Was h<strong>at</strong> der Islam mit dem Christentum und dem Judentum gemeinsam?<br />
› Was sind die fünf Säulen des Islam?<br />
› Welche Hauptströmungen gibt es innerhalb des Islam?<br />
› Welche Unterschiede gibt es zwischen Sunniten und Schiiten?
Kopiervorlage Im Bazar der Geschlechter<br />
Karten<br />
ARM.<br />
ASERBAIDSCHAN<br />
TÜRKEI<br />
Tabriz<br />
Kaspisches<br />
Meer<br />
TURKMENISTAN<br />
Urmiasee<br />
Teheran<br />
Maschhad<br />
Qom<br />
Esfahan<br />
AFGHANISTAN<br />
IRAK<br />
KUW.<br />
Schiraz<br />
PAKISTAN<br />
SAUDI-ARABIEN<br />
BAHRAIN<br />
KAT.<br />
Persischer<br />
Golf<br />
V.A.E.<br />
OMAN<br />
Golf von<br />
Oman<br />
0 100 200 300 km<br />
Islam weltweit
Kopiervorlage Im Bazar der Geschlechter<br />
Karten<br />
Teheran<br />
1. Iranische Sprachen:<br />
Farsi (Persisch) ca. 50%<br />
Balutsch ca. 2%<br />
Kurdisch ca. 8%<br />
Lori & Laki ca. 5%<br />
Mazandaiani ca. 3%<br />
Gilaki ca. 2%<br />
Talysh ca. 1%<br />
2. Turksprachen:<br />
Azeri ca. 20%<br />
Qashqai ca. 2%<br />
Turkmenisch ca 2%<br />
3. Semitische Sprachen:<br />
Arabisch ca. 2%<br />
Aramäisch ca. 0,1%<br />
4. Andere Sprachen:<br />
Armenisch, Brahui,... ca. 3%
Kopiervorlage Im Bazar der Geschlechter<br />
Karten<br />
WÄHLER<br />
GEWÄHLTE INSTITUTIONEN NICHT GEWÄHLTE INSTITUTIONEN<br />
PRÄSIDENT<br />
OBERSTER RECHTSGELEHRTER<br />
Sta<strong>at</strong>soberhaupt<br />
KABINETT<br />
STREITKRÄFTE<br />
MADSCHLES (PARLAMENT)<br />
kann legisl<strong>at</strong>ive Vetos nicht überstimmen,<br />
290 Repräsentanten<br />
OBERHAUPT DES JUSTIZSYSTEMS<br />
SCHLICHTUNGSRAT<br />
WÄCHTERRAT<br />
handelt als Verfassungsgericht<br />
6 Juristen 6 Mullahs<br />
EXPERTENRAT<br />
86 Mullahs für 8 Jahre gewählt,<br />
bewertet Handlungen des Revolutionsführers<br />
Legende:<br />
wählt<br />
schlägt vor<br />
prüft Kandid<strong>at</strong>en<br />
bewertet ernennt oder bestätigt
Kopiervorlage Im Bazar der Geschlechter<br />
Karten<br />
h<strong>at</strong> sich entwickelt aus Kharidjiten, Ibaditen<br />
Sunniten<br />
Schiiten<br />
Heterodoxe Strömungen<br />
nichtmuslimische Religionen,<br />
die sich aus dem Islam entwickelt haben<br />
Imamiten<br />
Ahl al-Hagg<br />
(Kakai)<br />
Alewiten<br />
bzw. 12-er-Schiiten,<br />
ca. 10% der<br />
Muslime weltweit,<br />
Sta<strong>at</strong>sreligion<br />
im Iran<br />
Drusen<br />
Yezidi<br />
Bahai<br />
in Irakischund<br />
Iranisch-<br />
Kurdistan<br />
Sulaymani Bohras<br />
Bohras<br />
(Musta‘lis)<br />
Aliyya Bohras<br />
Dawudi Bohras<br />
Kharidjiten<br />
Ibaditen<br />
Wahabiten<br />
Sta<strong>at</strong>sreligion<br />
in Saudi-Arabien<br />
Schiiten<br />
Ismailiten<br />
bzw. 7-er-Schiiten<br />
Zaiditen<br />
bzw. 5-er-Schiiten<br />
im Jemen<br />
und in Najran<br />
(Saudi-Arabien)<br />
Nizaris<br />
(Khojas)<br />
vor allem im Oman,<br />
auf der Insel Djerba<br />
und im M‘zab<br />
(Algerien)<br />
in Tajikistan,<br />
Afghanistan<br />
und Pakistan<br />
Islam<br />
Nusairier<br />
(Alawiten)<br />
im Libanon,<br />
Syrien und<br />
Israel<br />
in Syrien<br />
und Antakya<br />
(Türkei)<br />
in der Türkei<br />
(Kurdische<br />
u. türkische<br />
Alewiten)<br />
Ahmadiyya<br />
Ahmadiyya Muslim Jama<strong>at</strong> (AMJ)<br />
Ahmadiyya Anjuman<br />
Isch<strong>at</strong>-i-Islam Lahore (AAIIL)
Kopiervorlage Im Bazar der Geschlechter<br />
Karten<br />
RUSSLAND<br />
WEISSRUSSLAND<br />
Islam weltweit<br />
UKRAINE<br />
MOLDAWIEN<br />
KASACHSTAN<br />
Schwarzes Meer<br />
GEORGIEN<br />
Kaspisches Meer<br />
USBEKISTAN<br />
KIRGISTAN<br />
TÜRKEI<br />
ARMENIEN<br />
ASERB.<br />
TURKMENISTAN<br />
TADSCHIKISTAN<br />
CHINA<br />
ZYPERN<br />
Mittelmeer LIBANON<br />
ISRAEL<br />
SYRIEN<br />
JORDANIEN<br />
IRAK<br />
KUWAIT<br />
IRAN<br />
AFGHANISTAN<br />
PAKISTAN<br />
ÄGYPTEN<br />
KATAR<br />
SAUDI ARABIEN V.A.E<br />
Golf v. Oman<br />
OMAN<br />
INDIEN<br />
Rotes Meer<br />
SUDAN<br />
ERITREA<br />
JEMEN<br />
Arabisches Meer<br />
ÄTHIOPIEN<br />
Golf v. Aden<br />
SOMALIA<br />
BAHRAIN<br />
Nichtmuslimische Mehrheiten<br />
Muslime:<br />
Sunniten<br />
Wahabiten<br />
Schiiten<br />
Zwölferschiiten<br />
Ismailiten<br />
Zaiditen<br />
Aleviten<br />
Nusairier (Alawiten)<br />
Ahl al-Haqq (Kakai)<br />
Ibaditen<br />
Nichtmuslimische Minderheiten in<br />
Islamisch dominierten Gesellschaften:<br />
Christliche Kirchen<br />
(Kopten, Armenier, syrisch- orthodoxe,<br />
Maroniten, Chaldäer, u.a.)<br />
Juden<br />
Yezedi<br />
Mandäer<br />
Zar<strong>at</strong>hustrier<br />
Drusen<br />
Bahai
Kopiervorlage Im Bazar der Geschlechter<br />
Weiterführende Liter<strong>at</strong>ur<br />
8. Weiterführende Liter<strong>at</strong>ur<br />
Weiterführende Liter<strong>at</strong>ur zum Thema Iran:<br />
Ervand Abrahamian: A History of modern Iran. Cambridge University Press. Cambridge, 2008<br />
Nasrin Alavi: Wir sind der Iran. Aufstand gegen die Mullahs - die junge persische Weblog-Szene. Kiepenheuer & Witsch. Köln, 2005<br />
Asef Bay<strong>at</strong>: Street Politics. Poor People´s Movements in Iran. The American University in Cairo Press. Cairo, 1998<br />
Christopher de Bellaigue: Im Rosengarten der Märtyrer. Ein Portrait des Iran. C.H.Beck. München 2007<br />
Stephanie Cronin (Hg.): Reformers and Revolutionaries in Modern Iran. New perspectives on the Iranian Left.<br />
Routhledge. London / New York, 2005<br />
Monika Gronke: Geschichte Irans. Von der Islamisierung bis zur Gegenwart. C.H. Beck. München, 2009 (3. Aufl.)<br />
Peyman Jahaver-Haghighi: Iran, Mythos und Realität: Sta<strong>at</strong> und Gesellschaft jenseits von westlichen Sens<strong>at</strong>ionsberihten.<br />
Unrast Verlag. Münster, 2008 <br />
Navid Kermani: Iran. Die Revolution der Kinder. C.H. Beck. München 2005<br />
Bahman Nirumand: Iran. Die drohende K<strong>at</strong>astrophe. Kiepenheuer & Witsch. Köln, 2006<br />
Volker Perthes: Iran - Eine politische Herausforderung. Suhrkamp. Frankfurt am Main 2008<br />
Marjane S<strong>at</strong>rapi: Persepolis. Edition Moderne. Zürich, 2004 <br />
K<strong>at</strong>ajun Amirpur: Schaupl<strong>at</strong>z Iran. Ein Report. Herder. Freiburg, 2005<br />
Navid Kermani: Schöner neuer Orient: Berichte von Städten und Kriegen. Beck. München, 2003<br />
Stephen Kinzer: Im Dienste des Schah: CIA, MI6 und die Wurzeln des Terrors im Nahen Osten. Wiley-VCH Verlag. Weinheim, 2008<br />
Azadeh Moaveni: Lipstick Jihad: A Memoir of Growing Up Iranian in America and American in Iran. Public Affairs Pr. New York, 2005<br />
Azadeh Moaveni: Honeymoon in Tehran: Two Years of Love and Danger in Iran. Random House. New York, 2009<br />
Shirin Ebadi: Mein Iran: Ein Leben zwischen Revolution und Hoffnung. Pendo Verlag, München und Zürich, 2006<br />
Bruni Prasske: Mögen deine Hände niemals schmerzen. Bastei Lübbe. Bergisch Gladbach, 2008<br />
Bruni Prasske: Küsse in der Moschee: Meine Reise durch den Iran. Goldmann Verlag. München, 2008<br />
Lilli Gruber: Tschador. Im geteilten Herzen des Iran. Blessing. München, 2006<br />
Sudabeh Mohafez: Wüstenhimmel Sternenland: Erzählungen. Bvt Berliner Taschenbuch Verlag. Berlin, 2007<br />
Amir Hassan Cheheltan: Teheran Revolutionsstrasse. Kirchheim. München, 2009<br />
Reza Haj<strong>at</strong>pour: Der brennende Geschmack der Freiheit: Mein Leben als junger Mullah im Iran. Suhrkamp. Frankfurt, 2009<br />
Weiterführende Liter<strong>at</strong>ur zum Thema Islam:<br />
Wilfried Buchta: Schiiten. Diederichs. Köln, 2004<br />
Markus Dressler: Die alevitische Religion. Traditionslinien und Neubestimmungen. Harrassowitz. Wiesbaden, 2002<br />
Heinz Halm: Die Schiiten. C.H. Beck. München, 2005<br />
Hans Jansen: Mohammed. Eine Biographie. C.H.Beck. München, 2008<br />
Gudrun Krämer: Geschichte des Islam. C.H.Beck. München, 2007<br />
Hans Jansen: Mohammed. Eine Biographie. C.H.Beck. München, 2008<br />
Dunja Larise / Thomas Schmidinger (Hg.): Zwischen Gottessta<strong>at</strong> und Demokr<strong>at</strong>ie. Handbuch des politischen Islam. Deuticke. Wien, 2008<br />
Tilman Nagel: Geschichte der islamischen Theologie. Von Mohammed bis zur Gegenwart. C.H. Beck. München, 1994<br />
Annemarie Schimmel: Die Religion des Islam. Eine Einführung. Reclam. Stuttgart, 1990<br />
Walter M. Weiss (Hg.): Dumonts Handbuch ISLAM. Du Mont. Köln, 2002<br />
Reza Aslan: Kein Gott außer Gott: Der Glaube der Muslime von Muhammad bis zur Gegenwart. Verlag C.H. Beck. München, 2006<br />
K<strong>at</strong>ajun Amirpur: Unterwegs zu einem anderen Islam: Texte iranischer Denker. Herder. Freiburg, 2009<br />
K<strong>at</strong>ajun Amirpur: Der Islam am Wendepunkt. Liberale und konserv<strong>at</strong>ive Reformer einer Weltreligion. Herder. Freiburg, 2006<br />
Navid Kermani: Dynamit des Geistes: Martyrium, Islam und Nihilismus. Wallstein. Göttingen, 2002<br />
Christine Schirrmacher: Frauen und die Scharia: Die Menschenrechte im Islam. Hugendubel Verlag. München, 2004<br />
Alfred Hackensberger: Lexikon der Islam-Irrtümer. Vorurteile, Halbwahrheiten und Missverständnisse von Al-Qaida bis Zeitehe.<br />
Eichborn. Frankfurt am Main, 2008<br />
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9. Credits<br />
IM BAZAR DER GESCHLECHTER<br />
Ein Film von Sudabeh Mortezai<br />
A/D I Dokumentarfilm I 2009 I 85 Minuten<br />
Persische Originalfassung mit dt. UT<br />
Regie Sudabeh Mortezai<br />
Regieassistentin Sepideh Abtahi<br />
Kamera Arastoo Givi, Majid Gorjian<br />
Ton Farrokh Fadai<br />
Schnitt & Produzent Oliver Neumann<br />
Ko-Produzent Wolfgang Bergmann<br />
Produktionsleitung Sabine Moser<br />
Line Producer Iran Mojtaba Mirtahmasb<br />
Produktion FreibeuterFilm<br />
In Ko-Produktion mit Licht Film (D) und WDR/arte<br />
Mit Unterstützung von Innov<strong>at</strong>ive Film Austria, Filmfonds Wien<br />
Kinostart 16. APRIL 2010<br />
www.imbazar-derfilm.<strong>at</strong><br />
Kontakt Verleih:<br />
POOOL Filmverleih<br />
Lindengasse 32, A-1070 Wien<br />
T + 43 1 994 9911 33<br />
office@poool.<strong>at</strong><br />
www.poool.<strong>at</strong><br />
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Anwältin EHESCHLIESSUNG INTERNETCAFE<br />
METRO MUTTER UND SOHN PRIESTERSEMINAR<br />
QOM SCHÖNHEITSSALON SCHWESTERN<br />
WEISSAGUNG ORAKEL SUDABEH MORTEZAI<br />
Homepage www.schoool.<strong>at</strong><br />
FOTODOWNLOAD www.imbazar-derfilm.<strong>at</strong> | www.poool.<strong>at</strong><br />
© Schulm<strong>at</strong>erial POOOL Filmverleih<br />
Texte: Thomas Schmidinger und<br />
Sudabeh Mortezai<br />
Redaktion: Anna Ramskogler<br />
Graphiken: M<strong>at</strong>eusz Nadjer<br />
Layout: Christian Pitschl<br />
Kontakt schoool@poool:<br />
Anna Ramskogler<br />
POOOL Filmverleih<br />
Lindengasse 32, A – 1070 Wien<br />
T + 43 650 549 63 59<br />
Mo/ Mi/ Fr: 10-14 Uhr<br />
Di/ Do: 14-18 Uhr<br />
Mail: schoool@poool.<strong>at</strong><br />
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