stellen wir Ihnen das Heft 3/4 - Institut für Religionspädagogik und ...
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Schulinformationen Paderborn<br />
3./4.<br />
Nummer<br />
39.<br />
Jahrgang<br />
4. Quartal<br />
2009<br />
Schulinformationen Paderborn<br />
Liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen,<br />
die letzten arbeitsintensiven Wochen des<br />
(Schul-)Jahres liegen vor <strong>Ihnen</strong>, der 3. Adventssonntag<br />
„Gaudete“ hat uns schon den<br />
Blick auf Weihnachten eröffnet.<br />
Mit dem vorliegenden <strong>Heft</strong> widmen <strong>wir</strong> uns<br />
dem Thema der „Achtsamkeit“ <strong>und</strong> konkretisieren<br />
sie an drei Beispielen: Die Religionspädagogik<br />
der Verletzbarkeit führt uns<br />
in den Themenbereich des integrativen Religionsunterrichtes,<br />
<strong>das</strong> Projekt Compassion<br />
vertieft eine Haltung des Mitgefühls <strong>und</strong> der<br />
Solidarität <strong>und</strong> <strong>das</strong> 60jährige Jubiläum der<br />
Landvolkshochschule Hardehausen lenkt<br />
den Blick beispielhaft auf die religionspädagogische<br />
Notwendigkeit, unseren Glauben zu<br />
denken <strong>und</strong> seine Praxis zu erleben.<br />
In einem Interview unterstreicht unser Erzbischof<br />
Hans-Josef Becker die Bedeutung des<br />
Religionsunterrichtes. Weitere aktuelle Informationen<br />
<strong>und</strong> Hinweise r<strong>und</strong>en <strong>das</strong> <strong>Heft</strong> ab.<br />
<strong>Ihnen</strong> <strong>und</strong> Ihren Familien wünsche ich – gemeinsam<br />
mit allen Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />
Mitarbeitern der Hauptabteilung Schule <strong>und</strong><br />
Erziehung – ein gesegnetes Weihnachtsfest<br />
Ihr<br />
3 Religionspädagogik<br />
der Verletzbarkeit<br />
10 Compassion – <strong>das</strong> Programm<br />
des Christentums<br />
16 60 Jahre Landvolks hochschule<br />
Hardehausen –<br />
ein religionspädagogischer<br />
Glückwunsch<br />
26 Interview Erzbischof<br />
Becker: Gefahr eines<br />
Patchwork-Gottes<br />
28 Neuer Internetauftritt der<br />
Hauptabteilung Schule <strong>und</strong><br />
Erziehung<br />
29 Religionspädagogische<br />
Arbeitshilfen<br />
33 Am Gr<strong>und</strong>gesetz darf nicht<br />
gerüttelt werden<br />
Joachim Göbel, Domkapitular<br />
Leiter der Hauptabteilung<br />
Schule <strong>und</strong> Erziehung
Schulinformationen Paderborn<br />
Von Leben-stiftenden Kräften<br />
der Achtsamkeit in der<br />
religionspädagogischen Praxis –<br />
Für einander „verw<strong>und</strong>ete Heiler“ sein<br />
Eines Tages sagte ein Mann aus dem Volk<br />
zu Zen-Meister IKKYÛ:<br />
«Meister, wollt Ihr mir bitte einige Gr<strong>und</strong>regeln<br />
der höchsten Weisheit aufschreiben?»<br />
IKKYÛ griff sofort zum Pinsel <strong>und</strong> schrieb:<br />
«Aufmerksamkeit.»<br />
«Ist <strong>das</strong> alles?» fragte der Mann. «Wollt Ihr<br />
nicht noch etwas hinzufügen? »<br />
IKKYÛ schrieb daraufhin zweimal hintereinander:<br />
«Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit.»<br />
«Nun», meinte der Mann ziemlich gereizt,<br />
«ich sehe <strong>wir</strong>klich nicht viel Tiefes oder<br />
Geistreiches in dem, was Ihr gerade geschrieben<br />
habt.»<br />
Daraufhin schrieb IKKYÛ <strong>das</strong> gleiche Wort<br />
dreimal hintereinander: «Aufmerksamkeit.<br />
Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit.»<br />
Halb verärgert begehrte der Mann zu wissen:<br />
«Was bedeutet dieses Wort ,Aufmerksamkeit’<br />
überhaupt?»<br />
Und IKKYÛ antwortete sanft: «Aufmerksamkeit<br />
bedeutet Aufmerksamkeit.»<br />
Aufmerksam bzw. achtsam zu sein markiert im<br />
Buddhismus eine Haltung <strong>und</strong> einen Weg, Leben<br />
<strong>und</strong> Lernen gelingen zu lassen. Daher die<br />
nahezu beschwörende Wiederholung des Wortes<br />
„Aufmerksamkeit“ durch den Zen-Meister.<br />
Auch in den biblisch-christlichen Traditionen<br />
gibt es genügend Impulse, die uns Achtsamkeit<br />
in Erzählungen aufzeigen <strong>und</strong> anschaulich<br />
vermitteln wollen. So <strong>wir</strong>d in den drei<br />
Hauptartikeln dieses <strong>Heft</strong>es dieser Thematik<br />
in unterschiedlichen Facetten nachgegangen<br />
<strong>und</strong> durch religionspädagogische Überlegungen<br />
<strong>und</strong> Konsequenzen konkretisiert.<br />
Wir lernen <strong>das</strong> Konzept einer „Religionspädagogik<br />
der Verletzbarkeit“ (Bert Roebben)<br />
kennen. Aus der Orientierung an Sonder- <strong>und</strong><br />
Heilpädagogik, die mit Krisen <strong>und</strong> Behinderungen<br />
zu tun hat, werden Konsequenzen für<br />
die allgemeine Religionspädagogik gezogen.<br />
Auf diese Weise können Menschen für einander<br />
„verw<strong>und</strong>ete Heiler“ sein.<br />
Das Projekt „Compassion“ - Haltung des Mitgefühls<br />
<strong>und</strong> der Solidarität - (Lothar Kuld), in<br />
dem sich bereits viele Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
engagieren, <strong>wir</strong>d als „Mitgift des Christentums“<br />
vorgestellt. Eine theologische Untermauerung<br />
dieses Projektes mit der Geschichte<br />
vom achtsamen „Barmherzigen Samariter“ ist<br />
sicherlich für den Unterricht reizvoll.<br />
Ein herzlicher Glückwunsch gilt der Bildungsstätte<br />
Hardehausen, die 60 Jahre kraftvolle<br />
Bildungsarbeit – auch für die kirchliche Lehrerfortbildung<br />
- geleistet hat. In dem Festartikel<br />
(Gerhard Krombusch) <strong>wir</strong>d erörtert, mit welch<br />
hohem Maß an Achtsamkeit Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsschätze<br />
in ganzheitlicher Weise gepflegt,<br />
entwickelt oder neu gehoben wurden.<br />
Dr. Siegfried Meier,<br />
Leiter des Referates Religionspädagogik<br />
im <strong>Institut</strong> für Religionspädagogik <strong>und</strong><br />
Medienarbeit<br />
2
Religionspädagogik<br />
der Verletzbarkeit<br />
Anstöße zu einem angemesseneren Religionsunterricht für alle<br />
Prof. Dr. Bert Roebben, Technische Universität Dortm<strong>und</strong><br />
Die Sonder- oder Heilpädagogik ist wie eine<br />
‚Schule’ für die allgemeine Pädagogik bzw.<br />
Religionspädagogik. Sie lehrt uns, radikal integrativ<br />
zu arbeiten <strong>und</strong> niemanden aus dem<br />
Auge zu verlieren. Mit dem Terminus ‚integrativ’<br />
weise ich auf <strong>das</strong> prinzipielle Recht<br />
jedes Menschen – trotz seiner Herkunft <strong>und</strong><br />
Zukunft, seiner psychischen <strong>und</strong> mentalen<br />
Erscheinungsform – auf eine passende allgemeine<br />
Bildung <strong>und</strong> eine angemessene religiöse<br />
Bildung in Verb<strong>und</strong>enheit mit anderen hin.<br />
Zudem mache ich hiermit auf die Pflicht der<br />
Gesellschaft aufmerksam, dieses Basisrecht<br />
auf eine adäquate Weise anzupassen an die<br />
Organisation von Schulen <strong>und</strong> Bildungseinrichtungen,<br />
so <strong>das</strong>s Menschen in ihrer Einzigartigkeit<br />
<strong>und</strong> in Verb<strong>und</strong>enheit mit anderen<br />
lernen können, auch im religiösen Bereich.<br />
Die Kontingenz des Daseins <strong>und</strong> die verstärkte<br />
Wahrnehmung von Diversität (mit der damit<br />
verb<strong>und</strong>enen Versuchung zur Indifferenz<br />
einerseits <strong>und</strong> Fanatismus andererseits) machen<br />
uns heutzutage sensibel für Spiritualität.<br />
Ich sehe darin eine große Wohltat. Es besteht<br />
Sehnsucht nach ‚soul food’ <strong>und</strong> es ist Aufmerksamkeit<br />
für moralische, spirituelle <strong>und</strong> religiöse<br />
Diversität festzu<strong>stellen</strong>. Menschen begeben<br />
sich ruhelos auf die Suche nach Orten, um<br />
diese Gr<strong>und</strong>erfahrung miteinander zu teilen,<br />
inmitten einer Kultur, die durch postmoderne<br />
Gier gekennzeichnet ist. Menschen werden<br />
sich heute einer Erfahrung von „empfangener<br />
<strong>und</strong> geteilter Humanität“ bewusst, die darauf<br />
gründet, <strong>das</strong>s sie als Menschen in dem Schicksal<br />
übereinstimmen, <strong>das</strong>s sie tatsächlich verschieden<br />
sind <strong>und</strong> daher nicht indifferent, sondern<br />
„different“ miteinander umgehen müssen.<br />
Für viele ist genau diese Erfahrung ein<br />
neuer Quell von Spiritualität (Roebben 2009b,<br />
127-149).<br />
In diesem Beitrag beschreibe ich zunächst die<br />
vier zentralen Begriffe, womit <strong>wir</strong> in unserer<br />
Forschungsgruppe am <strong>Institut</strong> für Katholische<br />
Theologie an der TU Dortm<strong>und</strong> arbeiten: Integration,<br />
Verletzbarkeit, Religion <strong>und</strong> Religionspädagogik.<br />
Im zweiten Abschnitt nehme<br />
ich die Herausforderungen in den Blick, die<br />
die Sonderpädagogik für die allgemeine Religionspädagogik<br />
beinhaltet. Ich schließe mit<br />
einer Einladung an die Leserschaft.<br />
1. Vier Leitbegriffe<br />
Ich meine, <strong>das</strong>s die Lebenserfahrung geteilter<br />
Verletzbarkeit pädagogisch relevant ist <strong>und</strong><br />
in einem Lernprozess der geteilten Verletzbarkeit<br />
didaktisch verstärkt werden kann.<br />
Integrativer Religionsunterricht ist ein ausgezeichneter<br />
Ort, um diese Lebenserfahrung <strong>und</strong><br />
diesen Lernprozess systematisch mit einander<br />
zu verbinden <strong>und</strong> auf diese Weise zu mehr<br />
Humanität beizutragen. Ich skizziere nun die<br />
vier Begriffe, die als Gr<strong>und</strong>lage für die weitere<br />
Arbeit an unserem <strong>Institut</strong> dienen. !<br />
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3
Schulinformationen Paderborn<br />
!<br />
Integration<br />
Jedes Kind hat <strong>das</strong> Recht auf Leben <strong>und</strong> Überleben:<br />
auf Wasser <strong>und</strong> Nahrung, auf Sicherheit<br />
<strong>und</strong> Erwachsene, die sich um <strong>das</strong> Kind<br />
kümmern. Jedes Kind hat <strong>das</strong> Recht auf Erziehung<br />
<strong>und</strong> Bildung, auf Lesen, Schreiben<br />
<strong>und</strong> Rechnen, auf Informationen über die<br />
Welt, auf Sozialerziehung, auf Einführung in<br />
die Kultur, Kunst <strong>und</strong> Religion. Menschenkinder<br />
haben ein Recht auf <strong>das</strong> Lernen von<br />
„selbstverantwortlicher Selbstbestimmung“<br />
(Singularität) (Langeveld 1967, 74-76) innerhalb<br />
der konkreten Lebensgemeinschaft (Partikularität),<br />
in die sie hineingeboren sind <strong>und</strong><br />
von der sie sich emanzipieren sollen; <strong>und</strong> dies<br />
inmitten einer globalisierten Weltgemeinschaft<br />
(Universalität). Sie haben <strong>das</strong> Recht<br />
auf <strong>das</strong> Erk<strong>und</strong>en, Benennen, Entwickeln <strong>und</strong><br />
Finden einer eigenen Lebensbestimmung, inmitten<br />
einer Welt, in der auch andere diesem<br />
Recht nachstreben. Sie haben <strong>das</strong> Recht, ihr<br />
eigenes Lebensgeheimnis, die eigene narrative<br />
Identität zu erforschen <strong>und</strong> zu entwickeln.<br />
Dieses Recht ist ein Menschenrecht, es gehört<br />
zum Wesen des Menschen – zum Wesen eines<br />
jeden Menschen. Dieses Recht auf mich selbst<br />
ist unmittelbar verb<strong>und</strong>en mit dem Recht aller<br />
Menschen auf Lebensbestimmung. Humanität<br />
als Ziel pädagogischen Handelns (als<br />
Verdichtung des einmaligen Menschseins als<br />
Aufgabe für jeden Menschen) ist in der Voraussetzung<br />
begründet, <strong>das</strong>s jeder Mensch<br />
darauf ein Recht hat <strong>und</strong> somit ein Recht auf<br />
eine angemessene Lebensbegleitung (Humanität<br />
als Ausgangspunkt). Bildung muss eine<br />
integrative oder inklusive Einübung in Menschenwürde<br />
sein: Lernen, auf <strong>das</strong> unantastbare<br />
Geheimnis des eigenen Lebens zu hören<br />
<strong>und</strong> dies stets in der Gegenwart des Anderen.<br />
Verletzbarkeit<br />
Jeder Mensch hat <strong>das</strong> Recht auf die Entwicklung<br />
einer eigenen narrativen Identität. Jeder<br />
!<br />
4
Mensch darf Erzähler seiner eigenen Lebensgeschichte<br />
sein, wie verletzbar <strong>und</strong> vorläufig<br />
sie auch ist. Diese Erzählung ist einzigartig<br />
<strong>und</strong> gehört zum tiefsten Geheimnis des Menschen<br />
(in philosophischen Termini <strong>wir</strong>d hier<br />
von „Seele“ gesprochen; vgl. van Knippenberg<br />
1998). Diese Singularität ist mit der Universalität<br />
verb<strong>und</strong>en: Wir teilen <strong>das</strong> Menschsein<br />
auf Gr<strong>und</strong> dieser einzigartigen menschlichen<br />
Erfahrung miteinander. Jeder Mensch realisiert<br />
<strong>das</strong> allgemeine Menschsein auf seine eigene,<br />
einzigartige Weise. Verb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong><br />
Einzigartigkeit gehören radikal zusammen<br />
<strong>und</strong> genau darin liegt die Verletzbarkeit. Wir<br />
sind aufeinander angewiesen, einander ‚ausgeliefert’<br />
in der Suche unserer persönlichen<br />
Identität. Menschen können einander den Tod<br />
zufügen („homo homini lupus”). Menschen<br />
können sich unbarmherzig gegenüber dem<br />
Anderssein verhalten <strong>und</strong> gegenüber allem,<br />
was nicht dem Maßstab des eigenen oder „normalen”<br />
Lebens entspricht. Menschen können<br />
einander aber auch zum Wachsen verhelfen.<br />
Verletzbarkeit gehört prinzipiell zum Menschsein<br />
dazu: zum Faktum, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Leben irreversibel<br />
ist (vgl. Ferry 2008) <strong>und</strong> <strong>das</strong>s Menschen<br />
in der Verschiedenheit ihrer Lebensentwürfe<br />
(als Antwort auf diese Irreversibilität)<br />
zusammenleben müssen. Menschen können<br />
auf diese Art <strong>und</strong> Weise ein ‚wo<strong>und</strong>ed healer’<br />
für einander sein (vgl. Nouwen 1972).<br />
Religion<br />
Bis hierher habe ich noch keine religiösen Kategorien<br />
angewendet. Das Ideal einer integrativen<br />
Humanität <strong>und</strong> Pädagogik ist nämlich<br />
vollständig denkbar <strong>und</strong> realisierbar auf einer<br />
humanistischen Basis <strong>und</strong> braucht keine<br />
theologische Legitimierung. Erst als Theologe<br />
<strong>und</strong> Religionspädagoge mache ich die Verbindung<br />
mit der Religion bewusst. Eine institutionelle<br />
Religion wie <strong>das</strong> Christentum bietet<br />
ein inspirierendes <strong>und</strong> bilderreiches Konzept<br />
von Humanität, wobei der Mensch als Abbild<br />
Gottes gesehen <strong>wir</strong>d (Gottebenbild- !<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
5
Schulinformationen Paderborn<br />
! lichkeit) <strong>und</strong> ihm so dieselbe Ehre<br />
<strong>und</strong> Würde zukommt wie Gott. Religionen<br />
können einen wichtigen Input liefern für die<br />
Entwicklung einer menschlichen Gesellschaft.<br />
Sie bieten eine alternative Vorstellung für ein<br />
manchmal oberflächliches <strong>und</strong> ökonomisch<br />
verzerrtes Bild des Menschen in unserer Zeit,<br />
eines Menschen, der auf seine Kaufkraft reduziert<br />
<strong>wir</strong>d <strong>und</strong> seiner Kreativität <strong>und</strong> Schöpfungskraft<br />
beraubt <strong>wir</strong>d. Darüber hinaus<br />
sind Menschen empfänglich für Religion; ihre<br />
rudimentär vorhandenen Bedürfnisse nach<br />
Religiosität <strong>und</strong> ihre innere Sehnsucht nach<br />
einer ‚spiritual connection’ in unserer entwurzelten<br />
<strong>und</strong> seelenlosen Zeit verlangen nach<br />
Antworten. Der niederländische praktische<br />
Theologe Tjeu van Knippenberg spricht in diesem<br />
Zusammenhang von Spiritualität als ‚bezield<br />
verband’, als Beziehungsverb<strong>und</strong> – dem<br />
sinnvollen Horizont, auf dem die Lebensgeschichten<br />
von Menschen zu einem größeren<br />
Ganzen miteinander verb<strong>und</strong>en werden <strong>und</strong><br />
die individuellen Lebensläufe übersteigt. Das<br />
Christentum als Religion gibt auf eine besondere,<br />
aber nicht exklusive Weise diesem größeren<br />
Ganzen eine Bedeutung.<br />
Religionspädagogik<br />
Der vierte Begriff nimmt Bezug auf die Religionspädagogik<br />
als traditionellem Bestandteil<br />
der Praktischen Theologie. Diese Wissenschaft<br />
untersucht die pädagogischen Voraussetzungen,<br />
Chancen <strong>und</strong> Grenzen der religiösen<br />
Bildung in einer bestimmten Zeit <strong>und</strong> in<br />
einem bestimmten Lernfeld. Sie hilft Kindern,<br />
Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen, die Phänomene<br />
Religion <strong>und</strong> Kultur wahrzunehmen, zu<br />
interpretieren <strong>und</strong> selbständig mit ihnen umzugehen.<br />
In der Postmoderne entwickelt sich<br />
die wissenschaftliche Religionspädagogik meiner<br />
Ansicht nach in eine doppelte Richtung.<br />
Gemeint sind hiermit die Begriffsklärung <strong>und</strong><br />
die Umschreibung von Basiswissen über Religion<br />
in einem multikulturellen Zusammenleben<br />
einerseits <strong>und</strong> <strong>das</strong> Kennenlernen der<br />
ursprünglichen religiösen Erfahrung <strong>und</strong> Spiritualität<br />
andererseits. Objektivierte Religion<br />
(im institutionellen <strong>und</strong> materiellen Sinne<br />
als Gegenstand von Religionswissenschaften)<br />
<strong>und</strong> individualisierte Religiosität scheinen mir<br />
heute den Untersuchungsgegenstand der Religionspädagogik<br />
auszumachen. Die Brille, wodurch<br />
diese Phänomene betrachtet werden, ist<br />
die Bildung. Typische religionspädagogische<br />
Fragen untersuchen menschliche Lernprozesse:<br />
Wie Religion begriffen <strong>wir</strong>d, was die eigene<br />
Art von religiöser Rationalität ausmacht<br />
<strong>und</strong> wie Menschen sich ein persönliches, religiöses<br />
Sprachspiel in der Entwicklung ihrer<br />
narrativen Identität aneignen. Die Religionsdidaktik<br />
spezialisiert sich in Bezug auf diese<br />
Fragestellung im Bereich der Schule, bzw.<br />
Erwachsenenbildung, <strong>und</strong> untersucht, wie<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in der Schule <strong>und</strong> als<br />
Erwachsene in der Weiterbildung nicht nur etwas<br />
über Religion lernen, sondern auch religiöses<br />
Denken lernen im Bereich eines kommunikativen<br />
Prozesses (Roebben 2008).<br />
2. Herausforderung einer<br />
sonderpädagogisch orientierten<br />
Religionspädagogik<br />
„Sonderpädagogisch orientierte Religionspädagogik<br />
bedeutet, auf der Basis der allgemeinen<br />
Religionspädagogik, einen speziellen Anwendungsfall<br />
auf allgemein-menschliche Lebensfragen<br />
<strong>und</strong> deren Bewältigung innerhalb<br />
langwährender oder lebenslanger Krisen <strong>und</strong><br />
Behinderungen. Daraus ergibt sich zwischen<br />
beiden eine gr<strong>und</strong>legende Einheit <strong>und</strong> eine<br />
spezifische, jedoch graduelle Differenz <strong>und</strong><br />
Variation. Beide müssten als ein Bezugssystem<br />
gelten, in dem Theorie <strong>und</strong> Praxis, religiöse<br />
Erziehung/Bildung <strong>und</strong> deren praktische<br />
Konkretisierung in besonderen Anwendungsfeldern<br />
sich bedingen <strong>und</strong> einander voranbringen“<br />
(Albrecht 1988, 416). Ich möchte in diesem<br />
Beitrag drei Dimensionen benennen, die<br />
in der Sonderpädagogik maßgebend sind, die<br />
die allgemeine (Religions-)Pädagogik heute<br />
zum Nachdenken anregen können <strong>und</strong> die von<br />
eminenter Bedeutung bei einer weiteren Aus-<br />
6
arbeitung einer integrativen (Religions-)Pädagogik<br />
sein müssen. Verletzbarkeit im Kontext<br />
religiöser Bildung zwingt uns zu einer erneuten<br />
Reflexion über die Themen Erfahrungslernen,<br />
Subjektwerdung <strong>und</strong> Verlangsamung.<br />
Dies kann hier nur im Überblick erfolgen.<br />
Erfahrungslernen<br />
Zuerst zum Konzept des Erfahrungslernens.<br />
Jedes Lernen ist kontextualisiert <strong>und</strong> in einer<br />
bestimmten Körperlichkeit verankert, in<br />
einem persönlichen ‚sensorium’ des/der Lernenden.<br />
Ein Blinder lernt anders als ein Sehender.<br />
Ein Rollstuhlfahrer nimmt die Welt<br />
anders wahr als ein Fußgänger. Ein Mensch<br />
mit einer schwerst-mehrfachen Behinderung<br />
hat andere Impulse nötig als jemand, der ohne<br />
Behinderung durch <strong>das</strong> Leben geht. Wie<br />
Thomas von Aquin bereits im dreizehnten<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert sagte, muss sich <strong>das</strong> Lernen an<br />
die Lernmöglichkeiten des Menschen anpassen.<br />
Lernen durch Erfahrung – wörtlich durch<br />
„Hindurchfahren“ des konkreten Impulsfeldes<br />
der eigenen Existenz – ‚learning by doing’,<br />
durch Aneignung im Alltäglichen, ist von wesentlicher<br />
Bedeutung für die Entwicklung kognitiver,<br />
affektiver <strong>und</strong> sozialer Fähigkeiten.<br />
Auch im Bereich der religiösen Bildung ist<br />
dies von großer Bedeutung: Menschen mit<br />
einer Behinderung fordern uns auf, direkter<br />
<strong>und</strong> intensiver sinnvolle Erfahrungen machen<br />
zu können (Grümme 2006a). Menschen<br />
die blind sind, wollen vielleicht den Kölner<br />
Dom zum Beispiel fühlen <strong>und</strong> betasten können,<br />
schwerst-mehrfach behinderte Menschen<br />
wollen vielleicht ‚snoezeln’ oder mit musikalischen<br />
Impulsen erfahren, <strong>das</strong>s sie als Person<br />
akzeptiert sind. Menschen mit autistischer<br />
Spektrumsstörung wollen womöglich Gott innerhalb<br />
ihres eigenen Vorstellungsvermögens<br />
bildlich dar<strong>stellen</strong>. Performatives Lernen,<br />
rituelle Bildung, ganzheitliches Lernen <strong>und</strong><br />
soziales Lernen sind wichtige gegenwärtige<br />
Entwicklungen in der Religionspädagogik, die<br />
in diesem Kontext weiterer Reflexion bedürfen<br />
(Fischer 1988).<br />
Subjektwerdung<br />
Subjektwerdung ist ein zweiter bedenkenswerter<br />
Aspekt. Bildung zielt ab auf Selbstbildung<br />
– <strong>und</strong> Selbstbestimmung vollzieht sich<br />
in der Gegenwart des Anderen. Jede/r hat ein<br />
Recht auf eine eigene narrative Identität, eine<br />
eigene Lebensbestimmung <strong>und</strong> (aus religiöser<br />
Perspektive) eine eigene Einsicht in dem<br />
‚Großen Ganzen’, die er oder sie mit anderen<br />
teilt, mit der Welt, mit dem Transzendenten.<br />
Gute, <strong>das</strong> heißt hoffnungsvolle, religiöse Bildung<br />
bietet Chancen an, um <strong>das</strong> Verborgene<br />
zu erleben inmitten einer komplexen Welt mit<br />
unbestimmter Sinngebung einerseits <strong>und</strong> mit<br />
dezidiert religiöser Verschiedenheit andererseits.<br />
Helmut Peukert spricht in diesem Kontext<br />
über die Notwendigkeit eines neuen Lernens,<br />
<strong>das</strong> nicht länger kumulativ (Ansammeln<br />
von auswendig gelernten Sachkenntnissen),<br />
sondern transformativ ist, <strong>das</strong> Einsicht darstellt<br />
in Kenntnisse, die zur Lebensweisheit<br />
werden, die zu einem besseren Verstehen der<br />
eigenen Person in einem „intersubjektiv bestimmten”<br />
Lernkontext <strong>und</strong> der Gesellschaft<br />
beitragen (Peukert 2002). Subjektwerdung als<br />
Ankommen in der eigenen Lebensgeschichte<br />
ermöglicht es, sinnvoll mit anderen in den Dialog<br />
treten zu können.<br />
Verlangsamung<br />
Schließlich lässt die Heilpädagogik uns verweilen<br />
beim Phänomen der „Verlangsamung“.<br />
In unserer hektischen Zeit hat die Heilpädagogik<br />
uns eine vitale Botschaft von verletzbaren<br />
Menschen zu melden: „Nehmen Sie sich bitte<br />
Zeit, um meiner Geschichte zuzuhören – Geben<br />
Sie mir die Zeit, um <strong>das</strong> Chaos um mich<br />
herum in einen Kosmos zu verwandeln – Lehren<br />
Sie mich, Kontemplation <strong>und</strong> Betrachtung,<br />
um nicht hektisch <strong>und</strong> unüberlegt durch<br />
diese Welt zu gehen <strong>und</strong> die einströmenden<br />
Impulse zu verarbeiten – Geben Sie mir Zeit<br />
zum Wachsen, um unabhängig zu werden,<br />
um <strong>das</strong> einmalige Wesen zu werden, <strong>das</strong> in<br />
mir verborgen liegt, sich aber noch entwickeln<br />
muss.“ Ich plädiere hier für eine ra- !<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
7
Schulinformationen Paderborn<br />
! dikale Verlangsamung im gesamten<br />
Bildungsbereich <strong>und</strong> zugleich in der Gesellschaft<br />
(vgl. Grümme 2006b; Hilger 1994; Jäggle<br />
1999). Nicht nur Menschen mit einer Behinderung<br />
sind verletzbar, sondern auch die<br />
Jugendlichen, die die ‚rat race’ nicht mehr aushalten<br />
können <strong>und</strong> ‚so jung <strong>und</strong> schon am Ende’<br />
sind. Ich plädiere daher radikal für mehr<br />
Zeit miteinander in Kontaktst<strong>und</strong>en in der<br />
Schule <strong>und</strong> für eine Relativierung des Übermaßes<br />
der Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologie.<br />
Ich plädiere für ein leibhaftes<br />
Lernen durch Begegnungen <strong>und</strong> auch für eine<br />
Askese der Bildung, zum Beispiel durch Rückkehr<br />
zu einem ‚slow reading of classical texts’<br />
<strong>und</strong> durch ein intensives Lernen, <strong>das</strong> der Lebensgeschichte<br />
des Anderen (MitschülerIn,<br />
LehrerIn <strong>und</strong> große Traditionen) Aufmerksamkeit<br />
schenkt (Veling 2007). So bewegt die<br />
Bildung sich von ‚fast food‘ weg hin zu ‚slow<br />
food‘ oder ‚soul food‘. Als Theologe, begeistert<br />
von der Dynamik der Heilpädagogen <strong>und</strong> ihrem<br />
Werk im Kontext von Verletzbarkeit, meine<br />
ich, <strong>das</strong>s dieser prophetische Zwischenruf<br />
in der Religionspädagogik heute nicht fehlen<br />
darf.<br />
Zusammenfassung<br />
Die Gesellschaft bekommt die Schule, die sie<br />
verdient. „Integration ist eine Aufgabe nicht<br />
nur für eine Generation. Es geht bei der Integration<br />
von Menschen mit Behinderungen in<br />
die Gesellschaft auch um eine freiwillige Verlangsamung<br />
angesichts einer sich beschleunigenden<br />
industriellen, notwendigerweise auf<br />
Leistungen aufgebauten Welt, die sozial jedoch<br />
zentrifugal <strong>wir</strong>kt. Integration meint auch<br />
die Stärkung von sozialen Gegenkräften <strong>und</strong><br />
eine Solidarität von hoffentlich langer Wirkung“,<br />
so Andreas Möckel bereits 1992 (719).<br />
Viel <strong>und</strong> vielfältig sind in einer solchen gesellschaftlich<br />
geprägten Schule die Herausforderungen<br />
einer integrativen Religionspädagogik<br />
<strong>und</strong> Religionsdidaktik. Es möge zum Beispiel<br />
deutlich sein, <strong>das</strong>s die drei oben genannten<br />
Aspekte (Erfahrungslernen, Subjektivierung<br />
<strong>und</strong> Verlangsamung) einen enormen Einfluss<br />
auf unsere Überlegungen zu Korrelationsdidaktik,<br />
Elementarisierung, performativem<br />
Religionsunterricht, Konfessionalität <strong>und</strong> religiöser<br />
Verschiedenheit wie auf <strong>das</strong> Verhältnis<br />
von Religionsunterricht, Katechese <strong>und</strong> Seelsorge<br />
<strong>und</strong> auf Religionsunterricht als Ort der<br />
Theologie haben.<br />
Konkret möchte ich mich in den kommenden<br />
Jahren auf die Ausarbeitung dieser gr<strong>und</strong>legenden<br />
Fragen in Lehre <strong>und</strong> Forschung im<br />
Kontext eines neuen, international ausgerichteten<br />
<strong>Institut</strong>s für integrative Religionspädagogik<br />
an der Technischen Universität<br />
Dortm<strong>und</strong> konzentrieren. Das <strong>Institut</strong> heißt<br />
Inter-FIRE <strong>und</strong> steht für „Internationales Forum<br />
für Integrative Religiöse Erziehung“ (auf<br />
Englisch: „International Forum for Inclusive<br />
Religious Education“ – siehe http://inter-fire.<br />
blogspot.com). Ich bin weniger an Feuerlöschanlagen<br />
interessiert, sondern vielmehr an der<br />
„brennenden“ Interaktion zwischen Religion,<br />
Erziehung <strong>und</strong> dem Leben mit einer Behinderung.<br />
Nach meiner Überzeugung kann die<br />
Erziehung Feuer in Menschen entfachen <strong>und</strong><br />
die Möglichkeit eröffnen, persönliche Erfahrungen<br />
von Sehnsucht auszutauschen, welche<br />
jeder Mensch in seinem Leben erfährt, egal ob<br />
schwarz oder weiß, männlich oder weiblich,<br />
gläubig oder nicht gläubig, mit oder ohne Behinderung.<br />
Ich bin mir der Tatsache bewusst,<br />
<strong>das</strong>s im Bereich der integrativen Religionspädagogik<br />
eine starke internationale Diskursgemeinschaft<br />
fehlt. WissenschaftlerInnen <strong>und</strong><br />
reflektierende PraktikerInnen sind in der<br />
ganzen Welt verstreut <strong>und</strong> arbeiten unabhängig<br />
an dem Thema. Ich möchte diese Personen<br />
zusammenführen <strong>und</strong> voneinander in einer<br />
Art <strong>und</strong> Weise lernen, welche auch unsere<br />
akademische Leidenschaft „entflammt“.<br />
Mit dem Forum hoffen <strong>wir</strong> vier Ziele umzusetzen:<br />
die Durchführung von Forschungen auf<br />
der Mikro- <strong>und</strong> Meso-Ebene (Unterrichtsforschung<br />
<strong>und</strong> Schulentwicklungsforschung) bezüglich<br />
integrativer religiöser Erziehung, die<br />
8
Schaffung eines internationalen Netzwerkes<br />
von WissenschaftlerInnen, die Entwicklung<br />
einer internationalen Buchreihe zu dem Thema<br />
<strong>und</strong> schließlich die Inventarisierung von<br />
‚best practices’. Hoffentlich werden auch die<br />
nötigen finanziellen Mittel von Gesellschaft,<br />
Universität <strong>und</strong> Kirchen zur Verfügung gestellt,<br />
um die Forschung einer integrativen<br />
Religionspädagogik oder besser noch einer<br />
„Religionspädagogik der Verletzbarkeit“ substantiell<br />
zu ermöglichen.<br />
Anschrift:<br />
Prof. Dr. Bert Roebben<br />
Technische Universität Dortm<strong>und</strong><br />
Fakultät 14/ <strong>Institut</strong> für Katholische<br />
Theologie<br />
Emil-Figge-Str. 50<br />
44227 Dortm<strong>und</strong><br />
0231/ 755-2864<br />
roebben@fb14.uni-dortm<strong>und</strong>.de<br />
Literatur<br />
Albrecht, Wilhelm, Eine „besondere“ Religionspädagogik<br />
für die Sonderschulen?, in:<br />
Katechetische Blätter 113 (1988), 409-416.<br />
Ferry, Luc, Apprendre à vivre. Traité de<br />
philosophie à l’usage des jeunes générations,<br />
Paris 2008.<br />
Fischer, Dieter, Gleiche Inhalte für behinderte<br />
<strong>und</strong> nicht-behinderte Schüler, in: Katechetische<br />
Blätter 113 (1988), 402-408.<br />
Grümme, Bernhard, Hinwendung zur<br />
Wahrnehmung? Herausforderung Integration<br />
am Beispiel der Sonderschulpädagogik,<br />
in: Theologisch-praktische Quartalschrift<br />
154 (2006a), 55-64.<br />
Grümme, Bernhard, Religionsunterricht im<br />
Beschleunigungszwang. Beschleunigung<br />
der Lebenswelten als Herausforderung an<br />
eine erfahrungsbezogene Religionspädagogik,<br />
in: Trierer theologische Zeitschrift 115<br />
(2006b), 265-279.<br />
Hilger, Georg, Für eine Verlangsamung im<br />
Religionsunterricht, in: Katechetische Blätter<br />
119 (1994), 21-30.<br />
Jäggle, Martin, Langsam <strong>wir</strong>d es Zeit. Bemerkungen<br />
zu noch keinem Thema, in:<br />
Christlich-Pädagogische Blätter 112 (1999),<br />
164-165.<br />
Kollmann, Roland, Religion <strong>und</strong> Behinderung.<br />
Anstöße zur Profilierung des christlichen<br />
Menschenbildes, Neukirchen-Vluyn<br />
2007.<br />
Langeveld, Martinus, Beknopte theoretische<br />
pedagogiek, Groningen 111967, 74-<br />
76.<br />
Möckel, Andreas, Integration: Anliegen,<br />
Chancen, Schwierigkeiten, in: Katechetische<br />
Blätter 117 (1992), 714-719.<br />
Nouwen, Henri, The Wo<strong>und</strong>ed Healer. Ministry<br />
in Contemporary Society, New York<br />
1972.<br />
Peukert, Helmut, Reflexionen über die Zukunft<br />
religiöser Bildung, in: Religionspädagogische<br />
Beiträge (2002), H. 49, 49-66.<br />
Roebben, Bert, Narthikales religiöses Lernen.<br />
Neudefinition des Religionsunterrichts<br />
als Pilgerreise, in: Religionspädagogische<br />
Beiträge (2008), H. 60, 31-43.<br />
Roebben, Bert, Religion <strong>und</strong> Verletzbarkeit.<br />
Standort <strong>und</strong> Herausforderung einer<br />
integrativen Religionspädagogik, in: A. Wuckelt,<br />
A. Pithan <strong>und</strong> C. Beuers (Hg.), “Was<br />
mein Sehnen sucht…” – Spiritualität <strong>und</strong><br />
Alltag (Forum für Heil- <strong>und</strong> Religionspädagogik,<br />
Band 5), Münster, Comenius, 2009a,<br />
37-56.<br />
Roebben, Bert, Seeking Sense in the City.<br />
European Perspectives on Religious Education,<br />
Münster, Lit-Verlag, 2009b.<br />
Van Knippenberg, Tjeu, Tussen naam en<br />
identiteit. Ontwerp van een model voor geestelijke<br />
begeleiding, Kampen 1998.<br />
Veling, Terry, Listening to the ‘Voices of the<br />
Pages’ and ‘Combining the Letters’. Spiritual<br />
Practices of Reading and Writing, in: Religious<br />
Education 102 (2007), 206-222.<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
9
Schulinformationen Paderborn<br />
Compassion –<br />
<strong>das</strong> Programm des Christentums<br />
Warum sich einem anderen Menschen zuwenden? –<br />
Aus dem Erfahrungsbericht einer Schülerin<br />
Prof. Dr. Lothar Kuld, Pädagogische Hochschule Weingarten<br />
„Als ich verkündet bekam 1 , <strong>das</strong>s ich in die<br />
(Werkstätten für Behinderte) kam, war ich<br />
nicht so begeistert. ‚Behinderte, na toll’, habe<br />
ich gedacht <strong>und</strong> außerdem habe ich befürchtet,<br />
<strong>das</strong>s ich meine Arbeit nicht bewältigen<br />
kann, weil ich es dort psychisch nicht aushalte,”<br />
schreibt die Schülerin einer 11. Klasse,<br />
die im Rahmen des Compassion-Projekts<br />
ihrer Schule zwei Wochen lang mit geistig<br />
behinderten Jugendlichen zusammen war.<br />
Jetzt aber ”bin ich sehr froh, <strong>das</strong>s ich in (diesen<br />
Werkstätten) war. Ich habe gelernt, mit<br />
Behinderten umzugehen, ohne Mitleid zu haben.<br />
Sie sind glücklich mit ihrem Leben <strong>und</strong><br />
brauchen es nicht. Sie brauchen Hilfe <strong>und</strong><br />
Unterstützung, ein offenes Ohr, Verständnis,<br />
aber kein Mitleid. Ich glaube, ich habe jetzt<br />
auch etwas mehr Geduld. Wenn man h<strong>und</strong>ertmal<br />
ein<strong>und</strong><strong>das</strong>selbe erzählt bekommt, ist man<br />
nahe am Ausrasten; aber ich habe gemerkt,<br />
wie gut <strong>das</strong> Zuhören tut. Und die Behinderten<br />
sind auch nicht blöd. Sie sind langsam, haben<br />
eine schlechte Konzentration, oder sind unflexibel,<br />
aber sie haben Gefühle. Mehr vielleicht<br />
als jeder ‚normale’ Mensch. Dass die Martina<br />
aus meiner Gruppe geweint hat, weil ich nach<br />
zwei Wochen nicht mehr da bin. Wo passiert<br />
einem <strong>das</strong> sonst noch? Wo fragt einen jemand,<br />
ob man Schmerzen oder Angst hat, nur weil<br />
man gerade mal etwas müde ist? Der Michi<br />
hat’s getan.” (Vanessa)<br />
Das Sozial-Projekt, von dem die junge Frau<br />
erzählt, wurde von den Katholischen Freien<br />
Schulen in Deutschland entwickelt, ist inzwischen<br />
weit verbreitet <strong>und</strong> hat den Namen<br />
„Compassion”. Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
dieser Schulen gehen in der Regel zwei Wochen<br />
in eine soziale Einrichtung, um mit den<br />
Menschen dort zu kommunizieren <strong>und</strong> zu kooperieren.<br />
Die Praktika werden in der Schule<br />
vorbereitet <strong>und</strong> im Nachgang reflektiert.<br />
Die soeben zitierte Schülerin hat zwei Wochen<br />
Arbeit in den Behinderten-Werkstätten<br />
ihres Heimatortes hinter sich, als sie diesen<br />
Bericht schreibt. Für uns ist dieser Bericht<br />
sehr wertvoll. Er zeigt, wie ein junger Mensch<br />
lernt, ihm fremde <strong>und</strong> ihn wegen ihrer Fremdheit<br />
ängstigende Menschen zu verstehen <strong>und</strong><br />
schließlich sogar zu schätzen. Das ist ein großer<br />
Lernschritt.<br />
Theologie der Compassion<br />
Der Name Compassion ist Programm. Er ist<br />
im Deutschen so gut wie nicht übersetzbar.<br />
Worum es geht, ist die Haltung des Mitgefühls<br />
<strong>und</strong> der Solidarität mit jenen Menschen, die<br />
aus welchen Gründen auch immer auf die Hilfe<br />
1<br />
Vortrag auf der Diplomfeier der Katholischen<br />
Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Paderborn,<br />
am 18.7.2009<br />
10
anderer angewiesen sind. Dieses Engagement<br />
ist mit dem Wort Compassion gemeint, <strong>und</strong> es<br />
ist nach Johann Baptist Metz die Mitgift des<br />
Christentums für die entstehende Weltgemeinschaft,<br />
<strong>das</strong> Weltprogramm des Christentums.<br />
Die Mystik des Christentums sei eine Mystik<br />
der “Mitleidenschaft”, in der ich mich von der<br />
Not der anderen anrühren lasse <strong>und</strong> daraufhin<br />
mein Engagement entfalte. Der Imperativ des<br />
Christentums lautet nach Metz: Hinschauen,<br />
die Augen öffnen. “Im Entdecken, im Sehen<br />
von Menschen, die im alltäglichen Gesichtskreis<br />
unsichtbar bleiben, beginnt die Sichtbarkeit<br />
Gottes, öffnet sich seine Spur.” (Metz<br />
1997, S. 57) . Das Christentum lehre nicht eine<br />
Mystik der Innerlichkeit, sondern eine Mystik<br />
der Welt, sagt Metz. Der Blick gehe nicht nach<br />
innen, sondern nach außen. Und Jesu Blick<br />
habe primär nicht der Sünde, sondern dem<br />
Leid der Menschen gegolten.<br />
Der Samariter <strong>und</strong> die Krise des Helfens<br />
Als klassisches Beispiel christlicher Compassion<br />
gilt der barmherzige Samariter.<br />
„Er sah ihn (den Überfallenen) <strong>und</strong> wurde von<br />
Mitleid ergriffen (esplagchnisthe)“, heißt es<br />
bei Lukas 10,33 vom barmherzigen Samariter.<br />
Um zu verstehen, warum Jesus diese Geschichte,<br />
mit der er sich in <strong>das</strong> Menschheitsgedächtnis<br />
hineinerzählt hat, erzählt, müssen<br />
<strong>wir</strong> den Rahmen, <strong>das</strong> Vorgespräch genauer<br />
lesen:<br />
Und siehe, ein Gesetzesk<strong>und</strong>iger stand auf, um<br />
ihn auf die Probe zu <strong>stellen</strong>, <strong>und</strong> sagte: Lehrer,<br />
was muss ich tun, um ewiges Leben zu erben?<br />
Er aber sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben?<br />
Was liest du? Der antwortete <strong>und</strong><br />
sagte: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben<br />
aus deinem ganzen Herzen <strong>und</strong> mit deiner<br />
ganzen Seele <strong>und</strong> mit deiner ganzen Kraft <strong>und</strong><br />
mit deiner ganzen Einsicht, <strong>und</strong> deinen Nächsten<br />
wie dich selbst. Er aber sprach zu ihm:<br />
Richtig antwortetest du; tu dies, <strong>und</strong> du <strong>wir</strong>st<br />
leben. Der aber wollte sich rechtfertigen <strong>und</strong><br />
sprach zu Jesus: Und wer ist mein Nächster?<br />
Da sprach Jesus: Ein Mensch stieg hinab von<br />
Jerusalem nach Jericho <strong>und</strong> fiel unter die<br />
Räuber, die zogen ihn aus <strong>und</strong> versetzten ihm<br />
Schläge, gingen weg <strong>und</strong> ließen ihn halbtot<br />
liegen. Durch Zufall aber stieg ein Priester herab<br />
auf jenem Weg, er sah ihn <strong>und</strong> ging vorbei.<br />
Gleicherweise kam auch ein Levit an den<br />
Ort, er sah ihn <strong>und</strong> ging vorbei. Ein Samariter<br />
aber, der unterwegs war, kam zu ihm, er sah<br />
ihn <strong>und</strong> wurde von Mitleid ergriffen. Und er<br />
kam ihm nahe, verband seine W<strong>und</strong>en, goss<br />
Öl <strong>und</strong> Wein darauf, setzte ihn auf sein eigenes<br />
Lasttier, führte ihn in eine Herberge <strong>und</strong><br />
sorgte für ihn. Und am Tag darauf nahm er<br />
zwei Denare, gab sie dem Herbergs<strong>wir</strong>t <strong>und</strong><br />
sprach: Sorge für ihn, <strong>und</strong> was immer du dazu<br />
aufwendest, bei meinem Zurückkommen werde<br />
ich es dir zurückgeben. Wer von diesen dreien<br />
dünkt dir, dem unter die Räuber Gefallenen<br />
Nächster geworden zu sein? Der aber sprach:<br />
Der <strong>das</strong> Erbarmen mit ihm getan hat. Jesus<br />
sprach zu ihm: Geh, <strong>und</strong> tu es in gleicher Weise.<br />
(Lukas 10,25–37)<br />
Der Samariter handelt aus Mitleid. Er reflektiert<br />
nicht, ob seine Hilfe angemessen ist, er<br />
wägt nicht erst ab, handelt streng genommen<br />
also gar nicht ethisch, wenn ethisch Handeln<br />
heißt, aufgr<strong>und</strong> von Einsicht sich zu entscheiden<br />
<strong>und</strong> daraufhin selbst verantwortet <strong>und</strong><br />
bewusst zu handeln. Nein, der Samariter hilft<br />
aus einem Impuls heraus, ohne zu überlegen,<br />
was er von seiner Hilfeleistung hat. Er sieht<br />
hin <strong>und</strong> weiß. Die Geschichte hat insofern<br />
keine Moral <strong>und</strong> kein Ethos. Sie zeigt einfach<br />
etwas ganz Menschliches. Der Samariter reagiert<br />
als ein Mensch, der sich von Mitgefühl<br />
überwältigt einem ‚Halbtoten‘ nähert. Er reagiert<br />
mit unglaublicher Selbstverständlichkeit<br />
<strong>und</strong> tut, was getan werden muss, während die<br />
religiösen Führer in dieser Geschichte, Priester<br />
<strong>und</strong> Levit, kläglich versagen. Sie handeln<br />
vermutlich aus religiösen Motiven (Tote<br />
galten als unrein) <strong>und</strong> versagen deshalb. Der<br />
Samariter hat solche Motive nicht. Vielleicht<br />
ist er gerade deshalb in der Lage, <strong>das</strong> menschlich<br />
betrachtet Nächstliegende zu tun. Daraus<br />
folgt: Religion ist keine Garantie !<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
11
Schulinformationen Paderborn<br />
! dafür, <strong>das</strong>s ein Mensch Mitgefühl<br />
zeigt. Sie ist unter Umständen sogar ein Hindernis.<br />
Doch darin liegt gar nicht so sehr die<br />
Provokation dieser Erzählung.<br />
Die theologische Diskussion <strong>und</strong> Herausforderung<br />
steckt in der Rahmenhandlung zu<br />
dieser Geschichte. Sie nimmt ihren Anfang in<br />
einem Streitgespräch über die Frage, was ein<br />
Mensch tun müsse, um <strong>das</strong> „ewige Leben“ zu<br />
erlangen. Die Antwort der Schrift lautet: „Du<br />
sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem<br />
ganzen Herzen <strong>und</strong> mit deiner ganzen<br />
Seele <strong>und</strong> mit deiner ganzen Kraft <strong>und</strong> mit<br />
deinem ganzen Denken <strong>und</strong> deinen Nächsten<br />
wie dich selbst.“ (Lukas 10,27) Beide Gebote<br />
sind Zitate aus dem Ersten Testament: „Du<br />
sollst Jahwe, deinen Gott, lieben aus deinem<br />
ganzen Herzen <strong>und</strong> mit aller Kraft!“ (Deuteronomium<br />
6,5) <strong>und</strong>: „Räche dich nicht ... sondern<br />
liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ (Levitikus<br />
19,18)<br />
„Und wer ist mein Nächster?“, <strong>wir</strong>d Jesus gefragt.<br />
Daraufhin erzählt er <strong>das</strong> Gleichnis vom<br />
barmherzigen Samariter.<br />
Das Gleichnis hat eine lange Auslegungsgeschichte.<br />
Gerd Theißen 2 , dem ich nun folge, interpretiert<br />
es im Blick die gegenwärtige Krise<br />
des Helfens, die von drei Einwänden bestimmt<br />
ist: 1. Hilfe ist Selbstausbeutung. Der Helfer<br />
könne sich nicht richtig vom Hilfsbedürftigen<br />
abgrenzen, er habe eine Art Helfersyndrom. 2.<br />
Mitleid <strong>und</strong> Barmherzigkeit haben mit Macht<br />
zu tun. Der Helfer helfe nur sich selbst. 3.<br />
Hilfsbereitschaft ist letztlich egoistisch. Sie<br />
diene nur den eigenen Nachkommen oder soziobiologisch<br />
formuliert: dem Fortbestand der<br />
eigenen Gene.<br />
Es lohnt sich, mit diesen Argumenten <strong>das</strong><br />
Gleichnis vom barmherzigen Samariter zu<br />
lesen. Dann zeigt sich ein Modell mitleidigen<br />
Handelns, <strong>das</strong> vom Samariter zu tun verlangt,<br />
was er leisten kann, nicht mehr, nicht weniger.<br />
Er hat ganz offensichtlich kein Helfersyndrom<br />
<strong>und</strong> er beutet sich nicht aus. Er verabschiedet<br />
sich nämlich von dem Überfallenen,<br />
sobald er den zweiten Helfer, der den Verletzten<br />
übernimmt, gef<strong>und</strong>en hat. Die Zuwendung<br />
des Samariters bleibt also zeitlich begrenzt. Er<br />
kann sich offenbar gut lösen. Er bleibt nicht,<br />
bis er selbst nichts mehr hat, sondern setzt<br />
seinen Weg alsbald fort.<br />
Vielleicht aber genießt er die Macht, einen so<br />
hilflosen Menschen vor sich zu haben? Er ist<br />
der Starke, <strong>und</strong> dort ist der Schwache?<br />
Um hier weiterzukommen, müssen <strong>wir</strong> den<br />
Unterschied zwischen Barmherzigkeit <strong>und</strong><br />
Nächstenliebe im antiken Umfeld beachten. In<br />
der orientalischen Antike war Barmherzigkeit<br />
in der Tat ein Gnadenerweis der Mächtigen.<br />
So denkt auch die Bibel die Barmherzigkeit<br />
Gottes. Barmherzigkeit war ein Geschehen<br />
unter gr<strong>und</strong>sätzlich Ungleichen. Die Mächtigen<br />
<strong>und</strong> Reichen, die auf gesellschaftliches<br />
Ansehen Wert legten, rühmten sich ihrer<br />
Barmherzigkeit. Barmherzigkeit war eine<br />
Statusfrage <strong>und</strong> hatte ihren Platz in einer<br />
autoritären Gesellschaft mit ausgeprägten<br />
Standesunterschieden. Dagegen war (<strong>und</strong><br />
ist) die Nächstenliebe ein Konzept der Beziehung<br />
unter Gleichen. Es taucht ebenfalls in<br />
der (römischen) Antike schon auf <strong>und</strong> ist wie<br />
Fre<strong>und</strong>schaft nur unter Gleichgestellten <strong>und</strong><br />
Gleichberechtigten denkbar. Nächstenliebe in<br />
dieser Bedeutung einer Beziehung zwischen<br />
Menschen, die sich als gleich <strong>und</strong> ebenbürtig<br />
erachten, ist symmetrisch. Nächstenliebe gibt<br />
es nur zwischen Menschen, die sich gegenseitig<br />
als gleichwertig akzeptieren. Der „Nächste“<br />
ist immer nur der, der mir gleich ist <strong>und</strong><br />
den ich als mir gleich akzeptiere. Der Nächste<br />
ist der mir gleiche Mensch. Wenn es am Ende<br />
der Zehn Gebote heißt: „Du sollst nicht begehren<br />
<strong>das</strong> Haus deines Nächsten. Du sollst nicht<br />
begehren <strong>das</strong> Weib deines Nächsten, noch<br />
seinen Knecht, noch seine Magd, noch sein<br />
Rind, noch seinen Esel, noch irgend etwas,<br />
was deinem Nächsten gehört.“ (Exodus 20,17),<br />
2<br />
Gerd Theißen, Die Bibel diakonisch lesen. Die Legitimitätskrise<br />
des Helfens <strong>und</strong> der barmherzige<br />
Samariter. In: Diakonie – biblische Gr<strong>und</strong>lagen<br />
<strong>und</strong> Orientierungen, hrsg. v. G. Schäfer u. Th.<br />
Strohm, Heidelberg 1990, S. 376-401.<br />
12
dann ist mit dem ‚Nächsten‘ der vermögende<br />
Nachbar gemeint, nicht irgendein mittelloser<br />
<strong>und</strong> hilfsbedürftiger Mensch, Tagelöhner oder<br />
Sklave. Die Liebe zum Nächsten gibt es in der<br />
Antike nur unter Gleichen. Jedes Machtgefälle<br />
muss ausgeschlossen sein.<br />
Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter<br />
treffen zwei aus der Gesellschaft ausgeschlossene<br />
Menschen aufeinander. Der Überfallene<br />
ist ausgeschlossen aufgr<strong>und</strong> seines bösen Geschicks,<br />
der Samariter aufgr<strong>und</strong> seiner Außenseiterrolle<br />
auf jüdischem Gebiet. Zwischen<br />
beiden Menschen besteht in dieser Hinsicht<br />
Symmetrie, <strong>und</strong> sie begegnen sich auf dieser<br />
Ebene als gleiche. Ein Machtgefälle besteht<br />
kaum. Und einen Vorteil kann der Samariter<br />
aus seiner Hilfsbereitschaft auch nicht ziehen.<br />
Es ist sehr unwahrscheinlich, <strong>das</strong>s der Überfallene<br />
die gleichen Gene hat. Es ist unklar,<br />
ob der „halbtot“ daliegende Mann tatsächlich<br />
überlebt. Nicht abzusehen ist, ob der Überfallene<br />
dem Samariter mit gleichem vergelten<br />
kann. Das würde z.B. auch voraussetzen, <strong>das</strong>s<br />
zwischen beiden nun eine lange Beziehung<br />
entsteht. Der Samariter aber geht weiter,<br />
nachdem er erste Hilfe geleistet hat.<br />
Alle Erwägungen, ob der Samariter nicht<br />
doch nur an sich gedacht haben könnte, greifen<br />
bei dieser Geschichte also nicht. Und es<br />
kommt noch eine Schwierigkeit hinzu, die<br />
sich erst am Ende der Geschichte auflöst: Der<br />
Samariter ist nicht von vornherein „der Nächste“.<br />
Das <strong>wir</strong>d er erst durch die Frage <strong>und</strong><br />
den Kommentar, den Jesus seiner Geschichte<br />
anfügt. „Welcher von diesen dreien (Priester,<br />
Levit, Samariter) scheint dir der Nächste geworden<br />
zu sein, dem, welcher unter die Räuber<br />
fiel?“ (Lukas 10,36) Die Fragestellung ist<br />
entscheidend. Jesus fragt nicht: „Wer ist der<br />
Nächste gewesen?“, sondern: „Wer ist der<br />
Nächste geworden?“ Darum geht es: Wie <strong>wir</strong>d<br />
ein Mensch zum Nächsten? Im griechischen<br />
Text liegt hier ein kleines Wortspiel vor. Frei<br />
übersetzt fragt Jesus nämlich: „Welcher von<br />
diesen dreien scheint dir dem, welcher unter<br />
die Räuber fiel, nahe gekommen zu sein?“ Das<br />
ist offensichtlich <strong>und</strong> ganz handfest der Samariter.<br />
Der ‚Nächste‘ ist der, der sich auf <strong>das</strong><br />
Opfer zubewegt <strong>und</strong> ihm dadurch „der Nächste“<br />
<strong>wir</strong>d. Das erscheint banal, ist aber für <strong>das</strong><br />
Verständnis, wer im christlichen Verständnis<br />
einem Menschen der Nächste ist, entscheidend.<br />
Der Nächste ist nicht jener, der aufgr<strong>und</strong><br />
seines Status als Familienmitglied oder<br />
aufgr<strong>und</strong> der Rechtslage Anspruch auf Hilfe<br />
hat. Das macht ihn noch nicht zum Nächsten.<br />
Der Nächste ist der, den <strong>und</strong> dem <strong>wir</strong> uns<br />
zum Nächsten machen, dem <strong>wir</strong> uns nähern,<br />
um Hilfe leisten zu können. Dabei kommen<br />
<strong>wir</strong> ihm unwillkürlich ‚nahe‘. In christlichem<br />
Verständnis ist „Bruder“ <strong>und</strong> „Schwester“<br />
dann nicht nur der Mensch, mit dem ich genetisch<br />
verwandt bin, sondern prinzipiell jeder<br />
Mensch.<br />
Gehen <strong>wir</strong> nochmals an den Anfang der<br />
Geschichte. Für Priester, Levit <strong>und</strong> Samariter<br />
war der Überfallene „halbtot“. Die Frage,<br />
ob es sich lohnt, noch zu helfen, musste<br />
sich allen drei <strong>stellen</strong>. Wenn <strong>wir</strong> annehmen,<br />
<strong>das</strong>s der Überfallene Jude war (<strong>das</strong> <strong>wir</strong>d<br />
nicht ausdrücklich gesagt), müssten Priester<br />
<strong>und</strong> Levit ihm als einem Volksgenossen am<br />
nächsten stehen <strong>und</strong> am ehesten helfen. Sie<br />
geben ihn jedoch auf. Er ist aus ihrem Leben<br />
herausgefallen. Diesem Verlorenen, Aufgegebenen<br />
<strong>und</strong> Aussortierten wendet sich der<br />
Samariter zu. Der Verlorene, Aufgegebene,<br />
Aussortierte ist sein „Bruder“ <strong>und</strong> gehört<br />
zu jenen „gerings ten“, mit denen sich der<br />
Weltenrichter in der großen Gerichtsrede des<br />
Matthäusevangeliums selbst identifiziert.<br />
(Matthäus 25,31–46)<br />
Am Schluss des Samaritergleichnisses hat<br />
man fast vergessen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Gleichnis im Anschluss<br />
an die theologische Frage nach dem<br />
„ewigen Leben“ erzählt <strong>wir</strong>d. Das „ewige Leben“<br />
erlangt, wer <strong>das</strong> Doppelgebot der Liebe<br />
erfüllt, sagt der Gesetzeslehrer, <strong>und</strong> Jesus<br />
stimmt ihm ausdrücklich zu. Er sagt ihm: „Tu<br />
<strong>das</strong>, <strong>und</strong> du <strong>wir</strong>st leben.“ (Lukas 10,28) Was<br />
heißt hier „leben“? !<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
13
Schulinformationen Paderborn<br />
! Die christliche Rede vom jüngsten<br />
Gericht, vom Weltenrichter <strong>und</strong> ewigen Leben<br />
ist ein wenig aus der Mode gekommen. Man<br />
kann dieser Mythologie wenig abgewinnen.<br />
Kaum einer glaubt daran. Dennoch sollte man<br />
den Impuls, der in diesen Bildern vom Endgericht<br />
<strong>und</strong> in der Sehnsucht nach „ewigem<br />
Leben“ steckt, nicht vergessen. Endgericht<br />
meint, <strong>das</strong>s jedes Leben wichtig ist, keines<br />
verloren geht <strong>und</strong> gerade <strong>das</strong> übergangene,<br />
aufgegebene, aussortierte <strong>und</strong> weggeworfene<br />
Leben von Gott angeschaut <strong>wir</strong>d <strong>und</strong> vor Gott<br />
Wert hat. Ewiges Leben in diesem Sinne ist<br />
mehr als biologisches Leben. In biologischer<br />
Sicht unterliegt <strong>das</strong> Leben des Menschen der<br />
Selektion. Mit der modernen Reproduktionsmedizin<br />
beginnt der Mensch, die Selektion<br />
selbst in die Hand zu nehmen. Das beschädigte<br />
Leben, in <strong>das</strong> zu investieren unendliche<br />
Mühe kostet, <strong>wir</strong>d immer früher erkannt <strong>und</strong><br />
kann aussortiert werden. Um der biologisch<br />
<strong>und</strong> evolutionär notwendigen Auslese willen<br />
nimmt der Mensch den Tod in Kauf. Das ist<br />
<strong>das</strong> Leben. „Ewiges Leben“ beginnt, wenn die<br />
Selektion des verloren gegebenen Lebens aufhört.<br />
Der Imperativ des Samaritergleichnisses<br />
lautet: Rette <strong>das</strong> Verlorene! Der christlichen<br />
Nächstenliebe, schreibt Theißen, werden die<br />
Argumente für <strong>das</strong> Helfen schnell ausgehen,<br />
„solange man nur von einem Leben im biologischen<br />
Sinne spricht <strong>und</strong> Hilfe dadurch begründen<br />
will, was biologisch (<strong>und</strong> evolutionär)<br />
funktional ist“; <strong>und</strong> zwar „gerade dort, wo<br />
christliche Nächstenliebe immer ihre besondere<br />
Aufgabe gesehen hat: bei den zerstörten,<br />
zerrütteten, hilflosen Menschen, die oft nur<br />
noch ein Schatten ihrer selbst sind.“ 3<br />
Kirchengemeinden als Orte der<br />
Solidaritätsschöpfung<br />
Bleibt die Frage: Warum sich einem Menschen<br />
zuwenden? Wer geht denn hin zu den Behinderten<br />
<strong>und</strong> Alten <strong>und</strong> Obdachlosen? Die Kirchengemeinden<br />
sind es nicht per se. In einer<br />
US- amerikanischen Untersuchung (Wuthnow<br />
1997) wurde festgestellt, <strong>das</strong>s Mitglieder<br />
einer Kirchengemeinde immer dann bereit<br />
waren zu helfen, wenn der Pfarrer die Unterstützten<br />
als „würdig“ eingestuft hatte. Da fielen<br />
im abstinenten Amerika die Alkoholkranken<br />
leicht raus. Sie waren nach Auffassung<br />
der Kirchenbesucher an ihrer Sucht selber<br />
schuld. Religion (oder müsste ich sagen: bigotte<br />
Moral?) kann den Blick auf <strong>das</strong> Leid von<br />
Menschen also auch blockieren. Aber es gibt<br />
Gegenbeispiele <strong>und</strong> ganz andere Urteile über<br />
Kirchengemeinden. In unserer Untersuchung<br />
des Compassion-Projekts (Kuld/ Gönnheimer<br />
2000) schauten <strong>wir</strong> unter anderem auch nach,<br />
welche Jugendlichen sich denn für Behinderten-<br />
<strong>und</strong> Altenheime gemeldet hatten <strong>und</strong> welche<br />
dort dann tatsächlich tätig wurden. Das<br />
Ergebnis hat uns überrascht: Fast die Hälfte<br />
der kirchlich engagierten Jugendlichen ging in<br />
Einrichtungen für behinderte oder alte Menschen,<br />
obwohl diese Einrichtungen zu Beginn<br />
des Schuljahrs nicht ihre erste Option darstellten.<br />
Von den kirchlich distanzierten Jugendlichen<br />
gingen auch einige in Behinderteneinrichtungen<br />
<strong>und</strong> Altenheime, in der Regel auf<br />
Anregung der Lehrkräfte hin; aber als Option<br />
hatte kein einziger (!) der kirchendistanzierten<br />
sich für diese Einrichtungen eingetragen. Das<br />
heißt: Die kirchlichen Jugendlichen stellten<br />
sich der Herausforderung von als „schwierig“<br />
geltenden Einsatzbereichen eher als kirchendistanzierte.<br />
Dieses Ergebnis führte zu heftigen<br />
Diskussionen. Wie ist es zu erklären?<br />
Man kann darauf verweisen, <strong>das</strong>s kirchlich<br />
engagierte Jugendliche in der Regel sozial<br />
gut integrierte Jugendliche sind. Das stimmt<br />
durchaus. 94% der kirchlich engagierten Jugendlichen<br />
in unserer Untersuchung fühlen<br />
sich von ihren Eltern sehr positiv oder positiv<br />
unterstützt. Bei den kirchendistanzierten sagen<br />
<strong>das</strong> nur 74%. Die kirchlichen erleben auch<br />
eindeutig mehr, wie Erwachsene sich über die<br />
eigene Familie hinaus sozial engagieren <strong>und</strong><br />
<strong>das</strong> offensichtlich als lohnend <strong>und</strong> persönliche<br />
Bereicherung empfinden. Das kann man so<br />
zusammenfassen: Kirchliche Milieus scheinen<br />
3<br />
ebenda, S. 393.<br />
14
nach wie vor derart zu sein <strong>und</strong> zu <strong>wir</strong>ken,<br />
<strong>das</strong>s sie Haltungen von Prosozialität fördern<br />
<strong>und</strong> stärken, Haltungen also, von denen die<br />
Gesellschaft insgesamt lebt. Wer sie auflöst,<br />
muss wissen, was er in Kauf nimmt. Kirchengemeinden<br />
sind kein Luxus.<br />
Anschrift:<br />
Prof. Dr. Lothar Kuld<br />
Pädagogische Hochschule Weingarten<br />
Katholische Theologie/ Religionspädagogik<br />
Kirchplatz 2<br />
88250 Weingarten<br />
0751/ 501-8388<br />
kuld@ph-weingarten.de<br />
Literatur:<br />
Compassion. Weltprogramm des Christentums.<br />
Soziale Verantwortung lernen, hrsg.<br />
von J.B. Metz u.a. Freiburg: Herder 2000<br />
Kuld, L. / Gönnheimer, St.: Compassion.<br />
Sozialverpflichtetes Lernen <strong>und</strong> Handeln,<br />
Stuttgart: Kohlhammer 2000<br />
Kuld, L.: Compassion – Raus aus der Ego-<br />
Falle, Münsterschwarzach: Vier-Türme-<br />
Verlag 2003<br />
Metz, J.B.: Die Autorität der Leidenden.<br />
Compassion. Vorschlag zu einem Weltprogramm<br />
des Christentums, in: Süddeutsche<br />
Zeitung 24.12.1997, Nr. 296, S. 57<br />
Metz, J.B.: Memoria Passionis. Ein provozierendes<br />
Gedächtnis in pluralistischer Gesellschaft,<br />
Freiburg: Herder 2006, S. 158-<br />
193.<br />
Praxisbuch Compassion. – Soziales Lernen<br />
an Schulen. Unterrichtsmaterialien für die<br />
Sek<strong>und</strong>arstufen I <strong>und</strong> II, hg. von L. Kuld/<br />
St. Gönnheimer, Donauwörth: Auer 2004<br />
Theißen, G.: Die Bibel diakonisch lesen.<br />
Die Legitimitätskrise des Helfens <strong>und</strong> der<br />
barmherzige Samariter. In: Diakonie – biblische<br />
Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Orientierungen,<br />
hrsg. v. G. Schäfer u. Th. Strohm, Heidelberg<br />
1990, S. 376-401.<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
15
Schulinformationen Paderborn<br />
60<br />
!<br />
Jahre<br />
Landvolkshochschule Hardehausen –<br />
ein religionspädagogischer Glückwunsch<br />
Viele Veranstaltungen der Hauptabteilung Schule <strong>und</strong> Erziehung, vor allem die des IRuM, werden in Kooperation mit<br />
den Bildungshäusern in unserem Erzbistum durchgeführt. Über Jahre hat sich gerade bei mehrtägigen Seminaren vor<br />
allem die Zusammenarbeit mit der „Bildungsstätte St. Bonifatius“ in Elkeringhausen, dem „Liborianum“ in Paderborn,<br />
der Katholischen Akademie in Schwerte, der „Hegge“ in Willebadessen- Niesen, der „Kommende“ in Dortm<strong>und</strong> <strong>und</strong> mit<br />
dem „Jugendhaus“ in Hardehausen bewährt. Jedes dieser Häuser bereichert unsere Veranstaltungen mit einer ureigenen<br />
Atmosphäre. Zum 60. Geburtstag der Landvolkshochschule Anton Heinen in Hardehausen möchten <strong>wir</strong> exemplarisch <strong>und</strong><br />
stellvertretend für andere Katholische Bildungshäuser die impliziten religionspädagogischen Leistungen der Einrichtungen<br />
würdigen.<br />
Gerhard Krombusch, IRuM Paderborn<br />
Mehr als „reden über“!<br />
Von der Notwendigkeit einer religionspädagogischen<br />
Performance <strong>und</strong> den Selbstverständlichkeiten<br />
in der Katholischen Landvolkshochschule<br />
Hardehausen<br />
Vorbemerkung:<br />
„Religionspädagogik“ begrenzt ihren Gegenstand<br />
nicht allein auf den (schulischen) Religionsunterricht.<br />
Sie reflektiert <strong>und</strong> gestaltet religiöse<br />
Erziehung, religiöse Sozialisation <strong>und</strong><br />
religiöse Bildung sowohl im Bereich der schulisch-<br />
unterrichtlichen Fragestellungen wie in<br />
allen Bereichen des katechetischen Handelns,<br />
in denen es um ein Lernen zum gläubigen<br />
Christsein <strong>und</strong> um die notwendige Einübung<br />
in den Glauben geht.<br />
Auf diesem Hintergr<strong>und</strong> darf auch die Arbeit<br />
einer Katholischen Landvolkshochschule in<br />
die folgenden religionspädagogischen Überlegungen<br />
einbezogen werden – erst recht mit<br />
dem Blick auf <strong>das</strong> Programm der Landvolkshochschule<br />
Anton Heinen in Hardehausen<br />
(LVHS), in <strong>das</strong> kontinuierlich verschiedene<br />
Handlungsfelder der Religionspädagogik<br />
eingewoben sind. Dazu kommen die vielen<br />
Gastveranstaltungen (kirchlicher) Bildungsträger,<br />
die sich bei der Wahl des jeweiligen<br />
Ortes für ihre religionspädagogischen Seminare<br />
oft genug bewusst für Hardehausen entscheiden.<br />
Wenn in der thematischen Hinführung des<br />
ersten <strong>und</strong> zweiten Kapitels meiner Überlegungen<br />
dem katholischen Religionsunterricht<br />
als Ort religiösen Lernens eine besondere<br />
Aufmerksamkeit geschenkt <strong>wir</strong>d, so ist <strong>das</strong><br />
auch dem Leiter der LVHS, Prof. Dr. Konrad<br />
Schmidt, geschuldet, der über viele Jahre als<br />
Leiter der Abteilung Religionspädagogik im<br />
Erzbischöflichen Generalvikariat tätig war<br />
<strong>und</strong> bis heute als Hochschullehrer <strong>das</strong> Fach<br />
Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät<br />
Paderborn, der ältesten Hochschule<br />
Westfalens, vertritt.<br />
1. Auch Religion muss gelernt werden<br />
Kaum etwas <strong>wir</strong>d in der aktuellen Bildungslandschaft<br />
leidenschaftlicher diskutiert als<br />
die Fragen nach „Bildungsstandards“ <strong>und</strong> den<br />
sich daraus entwickelnden „Kompetenzanforderungen“<br />
bzw. „Kompetenzen“.<br />
Seit dem (deutschen) Pisa-Schock verändert<br />
sich die pädagogische Blickrichtung. Wir fragen<br />
nicht mehr primär nach dem Input, also<br />
danach, was <strong>wir</strong> im Unterricht durchnehmen,<br />
sondern unser Interesse gilt dem Output, also<br />
dem, was überprüfbar durch den Unterricht<br />
erreicht wurde. Das Ziel unterrichtlicher Prozesse<br />
liegt nicht (mehr) in der Anhäufung von<br />
16
„Stoffen“. Vielmehr geht es um Kompetenzen.<br />
„Kompetenzen“, so sagen Fachleute, sind „die<br />
bei Individuen verfügbaren kognitiven Fähigkeiten<br />
<strong>und</strong> Fertigkeiten, um bestimmte Probleme<br />
zu lösen sowie die damit verb<strong>und</strong>enen<br />
motivationalen … <strong>und</strong> sozialen Bereitschaften<br />
<strong>und</strong> Fähigkeiten, um Problemlösungen in variablen<br />
Situationen erfolgreich <strong>und</strong> verantwortungsvoll<br />
nutzen zu können.“ (Franz E.<br />
Weinert).<br />
Der Inhalt in einem Lernprozess spielt dabei<br />
eine eher „dienende“ Rolle; er <strong>wir</strong>d danach<br />
ausgewählt <strong>und</strong> bewertet, ob <strong>und</strong> wie er für<br />
<strong>das</strong> Erreichen einer bestimmten Kompetenz<br />
notwendig ist. Konkret: Es geht z.B. im Religionsunterricht<br />
weniger darum, bestimmte<br />
Gebete kennen zu lernen, als vielmehr um die<br />
Kompetenz, elementare Ausdrucksformen der<br />
Gottesbeziehung unterscheiden zu können:<br />
Loben, Danken, Bitten. (Lehrplan Kath. Religionslehre<br />
an Gr<strong>und</strong>schulen, NW, Kompetenzerwartungen<br />
Jahrgang 3 / 4) . Da Standards<br />
<strong>und</strong> Kompetenzen zwangläufig tendenziell kognitiv<br />
formuliert sind <strong>und</strong> immer einer Überprüfung<br />
standhalten müssen, um sich tatsächlich<br />
als solche zu erweisen, besteht die Gefahr,<br />
<strong>das</strong>s nur noch relevant ist, was operationalisierbar<br />
ist <strong>und</strong> sich messen lässt – in allen<br />
Schulformen!<br />
Wo aber, so dürfen <strong>wir</strong> fragen, haben die für<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche notwendigen Begegnungen<br />
<strong>und</strong> Erfahrungen mit der Praxis ihrer<br />
Religion ihren Spiel-raum? Wo hat <strong>das</strong><br />
Erleben von Religion seinen Platz, welchen<br />
Stellenwert räumen <strong>wir</strong> den Gestaltungs- <strong>und</strong><br />
Ausdrucksfähigkeiten von Menschen ein, die<br />
Religion lernen wollen?<br />
2. Religion muss gezeigt <strong>und</strong> erprobt werden<br />
Das Christentum ist für eine zunehmende<br />
Zahl von Kindern, Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen<br />
zu einer Fremdreligion geworden; sie<br />
verbinden keine oder kaum eigene Erfahrungen<br />
mit der Glaubenspraxis einer Konfession.<br />
Erfahrungen beruhen auf der Reflexion<br />
von konkreten ästhetischen (aisthesis = sinnliche)<br />
Wahrnehmungen <strong>und</strong> Erlebnissen –<br />
<strong>und</strong> diese lassen sich nicht „aus zweiter Hand“<br />
vermittelt ins religiöse Lernen einbringen.<br />
Suchende <strong>und</strong> Lernende müssen Chancen des<br />
eigenen Erlebens <strong>und</strong> des „Erprobens“ von Religion<br />
haben.<br />
Die Religionspädagogik sieht sich in Theorie<br />
<strong>und</strong> Praxis vor neuen Herausforderungen:<br />
Die Vermittlung des gelehrten Glaubens kann<br />
nicht ohne den Bezug zum gelebten Glauben<br />
gelingen. 1 Es gilt, bewährte <strong>und</strong> neue Wege<br />
(wieder) zu entdecken, auf denen Leben <strong>und</strong><br />
Glauben Gestalt annehmen. Sicher brauchen<br />
<strong>wir</strong> mehr als bisher „Inszenierungen“, die einladen,<br />
Religion <strong>und</strong> Glaube bewusst zu erleben<br />
– oder sollten <strong>wir</strong> doch besser von „erproben“<br />
sprechen?<br />
Rudolf Englert, Religionspädagoge an der<br />
Universität Duisburg, klagte 2002 einen veränderten<br />
Präsentationsmodus religiöser Ausdrucksformen<br />
ein: „Ohne <strong>das</strong>s damit ein neues<br />
religionspädagogisches Modewort kreiert werden<br />
soll, könnte man abgekürzt vielleicht auch<br />
von einem `performativen Religionsunterricht`<br />
sprechen.“ 2<br />
Englert beschreibt damit eine Art religionspädagogischer<br />
Neubesinnung auf eine notwendige<br />
Integration von „Formen“ <strong>und</strong> „Darstellungen“<br />
– per formam (lat.): durch die Form;<br />
to perform (engl.): ausführen, verrichten,<br />
durchführen, vollziehen - von Religion in religionspädagogische<br />
Vermittlungsprozesse. Er<br />
benutzt dabei einen Begriff aus der Sprachphilosophie<br />
(performance: „How to do things with<br />
words“ 3 ), mit dem der englische Phi- !<br />
1<br />
vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz:<br />
Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen<br />
(2005), S. 24<br />
2<br />
Englert, Rudolf: Religionsunterricht als Realisation.<br />
Einführung in <strong>das</strong> Thema dieses <strong>Heft</strong>es, in:<br />
Religionsunterricht an höheren Schulen 45 (2002),<br />
S.1<br />
3<br />
vgl. die posthume Veröffentlichung einer 1955 in<br />
Oxford gehaltenen Vorlesung: How to Do Things<br />
with Words 1961, dt. Zur Theorie der Sprechakte,<br />
Stuttgart 1972<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
17
Schulinformationen Paderborn<br />
!<br />
losoph John L. Austin in den 50er<br />
Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts die Einsicht<br />
beschrieb, <strong>das</strong>s eine Äußerung immer zugleich<br />
eine Handlung darstellt. Sprechakttheorien<br />
machen darauf aufmerksam, <strong>das</strong>s bei sprachlichen<br />
Handlungen bereits mit dem Verlauten<br />
eine Wirklichkeit einsetzt. Theaterinszenierungen<br />
sind auf diesem Hintergr<strong>und</strong> Verwandlungen<br />
von Texten in Sprechakte. Eine<br />
performative Religionspädagogik sucht also<br />
nach Möglichkeiten, religiöse Inhalte durch eine<br />
„Inszenierung“ in eine bestimmte Form zu<br />
bringen – <strong>und</strong> ist dabei zurückverwiesen auf<br />
die reichliche „Praxis des Glaubens“ an seinen<br />
unterschiedlichen Orten in Familie, Kirche,<br />
Schule <strong>und</strong> Gesellschaft.<br />
Im wertschätzenden Rückblick auf die argumentative<br />
Verankerung des Religionsunterrichts<br />
in den schulischen Fächerkanon<br />
(Würzburger Synode) <strong>und</strong> unter Anerkennung<br />
weitgehend kognitiv ausgerichteter neuer<br />
Bildungsstandards <strong>und</strong> Kompetenzbeschreibungen<br />
für den Religionsunterricht brauchen<br />
<strong>wir</strong> heute zur Sicherung der Nachhaltigkeit<br />
unserer religionspädagogischen Praxis die<br />
bewusste Einbeziehung von Partizipationsangeboten<br />
christlicher Traditionen – einladend,<br />
ohne Absicht zu vereinnahmen. Eine solche<br />
Erkenntnis / Forderung schließt eine neue<br />
Sicht auf kreative Formen der Zusammenarbeit<br />
zwischen dem Religionsunterricht <strong>und</strong><br />
kirchlichen (Bildungs-)Einrichtungen <strong>und</strong> Angeboten<br />
ein.<br />
3. Mehr als Reden über Religion –<br />
religionspädagogisch-performativ anregende<br />
Praxis in der Landvolkshochschule „Anton<br />
Heinen“<br />
Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit<br />
möchte ich mich im Folgenden von der Praxis<br />
der LVHS in Hardehausen anregen lassen,<br />
performative Elemente zu benennen, die als<br />
„Inszenierungen“ <strong>und</strong> einladende Angebote<br />
die religionspädagogische Praxis in Schule<br />
<strong>und</strong> Gemeinde bereichern können. Dabei profitiere<br />
ich zusammen mit unzähligen Kursteilnehmern<br />
der letzten 60 Jahre von dem<br />
In einander von Handlungsorientierung <strong>und</strong><br />
Reflexivität, <strong>das</strong> den (religions-)pädagogischen<br />
Alltag in Hardehausen charakterisiert.<br />
Zeit erleben <strong>und</strong> gestalten<br />
Eigentlich ist es an sich schon bemerkenswert,<br />
<strong>das</strong>s jemand bewusst seinen Alltag unterbricht,<br />
um in ein Bildungshaus zu fahren.<br />
Denn „eigentlich“ haben die meisten Zeitgenossen<br />
keine Zeit. In Zeiten von ständiger<br />
Beschleunigung <strong>und</strong> auf der Suche nach dem<br />
richtigen Zeitmanagement arbeiten nicht wenige<br />
schneller <strong>und</strong> immer mehr in der Hoffnung,<br />
irgendwo Zeit zu sparen oder einmal<br />
mehr Zeit zu haben. Gleichzeit lachen sie mit<br />
den Kindern über die grauen Männer von der<br />
Zeitsparkasse in Michael Endes Jugendbuch<br />
„Momo“. Beschäftigungen wie Lesen, Singen<br />
oder mit Fre<strong>und</strong>en zusammen sein empfinden<br />
sie als unnütz. „Niemand schien zu merken,<br />
<strong>das</strong>s der Mensch, in dem er Zeit sparte,<br />
in Wirklichkeit etwas anderes sparte. Keiner<br />
wollte wahrhaben, <strong>das</strong>s sein Leben immer<br />
ärmer, immer gleichförmiger <strong>und</strong> immer kälter<br />
wurde. … Zeit ist Leben. Und <strong>das</strong> Leben<br />
wohnt im Herzen.“ 4<br />
Für Hardehausen muss man sich Zeit nehmen,<br />
weil lohnende Erfahrungen warten. Sie / er<br />
„nimmt sich Zeit“, so sagen <strong>wir</strong> <strong>und</strong> betonen<br />
damit die bewusste Entscheidung für eine besondere<br />
Zeit. Welche Zeit? Da ist die messbare<br />
Zeit, kontrollierbar beim Tagungsbeginn- <strong>und</strong><br />
ihrem Ende. Da sind die Zeiten der einzelnen<br />
Programmpunkte, die Zeiten für Pausen <strong>und</strong><br />
Gottesdienste. Der Rektor des Hauses weiß<br />
solche Zeiten vorbildlich ins Bewusstsein zu<br />
heben: rechtzeitig vor dem Ende einer Einheit<br />
zieht er demonstrativ die goldene Taschenuhr<br />
– <strong>und</strong> lenkt den Teilnehmerblick auf die eigenen<br />
Uhren – „kommen <strong>wir</strong> zum Schluss…!“<br />
Neben der messbaren Zeit, die begleitet <strong>wir</strong>d<br />
vom Hell- <strong>und</strong> Dunkelrhythmus des Tages,<br />
4<br />
Ende, Michael: Momo, Stuttgart 1973, S.72<br />
18
gibt es die unterschiedlich erlebten <strong>und</strong> gefühlten<br />
Zeiten. Zeiten der Langeweile, der Angst,<br />
der Freude. Unser Streben gilt der erfüllten<br />
Zeit.Erfüllte Zeiten lassen Zeit vergessen. Wo<br />
Zeit vergessen <strong>wir</strong>d, sind <strong>wir</strong> den Engeln auf<br />
der Spur 5 <strong>und</strong> dürfen „Himmlisches“ erspüren.<br />
Meist verfliegen St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Tage der Arbeit<br />
<strong>und</strong> des Spiels in der Landvolkshochschule –<br />
so die nachträglichen Zeitbeschreibungen bei<br />
vielen Tagungsauswertungen. In Hardehausen<br />
gelingt es in diesem Sinn immer wieder in<br />
eine Spur zu kommen, die etwas vom Himmel<br />
erahnen lässt, in dem es (vielleicht?) keine<br />
Uhr mehr gibt.<br />
Jede Veranstaltung in Hardehausen ist eingeb<strong>und</strong>en<br />
in einen besonderen zeitlichen Rahmen.<br />
Auf den ersten Blick sind Essenszeiten<br />
die willkommenen Unterbrechungen der Arbeit<br />
<strong>und</strong> eben „feste“ Zeiten, die nicht nur der<br />
Sättigung dienen. Das Lied oder <strong>das</strong> gemeinsam<br />
gesprochene Gebet eröffnet die gemeinsame<br />
Mahlzeit – in Räumen des ehemaligen<br />
Zisterzienserklosters, die den Klang von Lied,<br />
Gebet <strong>und</strong> (frommem) Gespräch Jahrh<strong>und</strong>erte<br />
lang geformt <strong>und</strong> gehütet haben. Kinder, Jugendliche<br />
<strong>und</strong> Erwachsene werden eingeladen,<br />
mitzusprechen oder mitzusingen. Der<br />
Wohlklang eines im meist stimmigen Akkord<br />
endenden Kanons lässt staunen, zu welch chorischem<br />
Können die eigene Gruppe fähig ist<br />
– <strong>und</strong> lässt erleben, <strong>das</strong>s eine gemeinsame Eröffnung<br />
<strong>und</strong> ein sich Ausrichten auf den Geber<br />
der Gaben eine Dimension verleiht, die über<br />
die Aufnahme von Nahrung hinausgeht. In<br />
Hardehausen können so auch Essenzeiten zu<br />
erfüllten Zeiten werden!<br />
Ganz- <strong>und</strong> mehrtägige Seminare sind wie<br />
selbstverständlich eingeb<strong>und</strong>en in eine Tagzeitenliturgie<br />
– ganz gleich, ob der gemeinsame<br />
Tagesanfang oder –ausklang im Forum<br />
des benachbarten Jugendhauses, im Meditationsraum<br />
der Landvolkshochschule oder in der<br />
Vorkapelle der Kirche gestaltet <strong>wir</strong>d. Immer<br />
legen die Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />
des Hauses Wert darauf, <strong>das</strong>s die Tagungsteilnehmer<br />
in die Feiern an den Gelenk<strong>stellen</strong> des<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
19<br />
Tages eingeb<strong>und</strong>en werden. Es ist kaum zu<br />
eruieren, wie häufig <strong>und</strong> intensiv Texte, Gebete,<br />
Lieder <strong>und</strong> andere Gestaltungselemente<br />
derart gestalteter Zeiten zu performativen<br />
Elementen religionspädagogischer Praxis in<br />
den dienstlichen oder privaten Handlungsfeldern<br />
der Kursteilnehmer werden.<br />
Die Landvolkshochschule bewahrt ein kulturelles<br />
Gedächtnis: die Strukturierung von Zeit<br />
als ein Wesensmerkmal des Christentums!<br />
Die Rhythmisierung des Tages, die auch durch<br />
den Klang der Glocke in der Michaelskapelle<br />
unterstützt <strong>wir</strong>d, ist eingeb<strong>und</strong>en in eine zeitliche<br />
Ordnung des Jahres <strong>und</strong> der Wochen.<br />
Jahreszeitliche Gestaltungselemente begrüßen<br />
Kursteilnehmerinnen <strong>und</strong> -teilnehmer<br />
schon im Eingangsbereich des Hauses. Kunstausstellungen<br />
auf den großen Fluren vor den<br />
Veranstaltungssälen sind häufig jahreszeitlich<br />
motiviert. Dem Kalenderjahr übergeordnet ist<br />
<strong>das</strong> Herrenjahr. Durch Bilder, vergrößerte<br />
Spruch- <strong>und</strong> Gebetstexte, durch die Kerze an<br />
rechter Stelle ist <strong>das</strong> Jahr der Kirche präsent<br />
– nicht aufdringlich, sondern eher selbstverständlich,<br />
birgt es doch einen unaufgebbaren<br />
Schatz unserer abendländischen Kultur.<br />
Und nicht zuletzt: Die in Hardehausen erlebbare<br />
Sonn- <strong>und</strong> Feiertagskultur darf sich gerne<br />
als Korrektiv zu gesellschaftlich belastenden<br />
Fehlentwicklungen verstehen.<br />
Die Mitte finden<br />
Religion hat eine Innen- <strong>und</strong> eine Außenseite.<br />
„Kinder lernen Religion von außen nach<br />
innen. Eine Welt aus Riten, Gerüchen, Stimmungen,<br />
Liedern <strong>und</strong> Gebeten verbindet sich<br />
zu einer Kosmologie des Glaubens noch vor jeder<br />
Reflexion. Der Fähigkeit zur Deutung von<br />
Symbolen geht die Befähigung zum Symbolhandeln<br />
voraus.“ 6 Der Passauer Professor für<br />
Religionspädagogik Hans Mendl beschreibt eine<br />
Erkenntnis, die in Hardehausen zur selbstverständlichen<br />
Praxis geworden ist. !<br />
5<br />
vgl. Berger, Peter L.: Auf den Spuren der Engel,<br />
Freiburg, 3.Aufl. 1996<br />
6<br />
Mendl, Hans: Religion erleben, München 2008, S.<br />
162
Schulinformationen Paderborn<br />
! Einsichten der Gestaltpädagogik<br />
folgend <strong>wir</strong>d in der Regel vor Tagungsbeginn<br />
der jeweilige Raum mit großer Sorgfalt hergerichtet.<br />
Falls es die Teilnehmerzahl zulässt,<br />
bekommt der Raum eine „gestaltete Mitte“.<br />
Das ist mehr als jahreszeitlicher Raumschmuck,<br />
wobei selbst eine solche Absicht<br />
schon wertzuschätzen ist, gehört es doch z.B.<br />
zu den Bildungsstandards des Religionsunterrichts<br />
in der Primarstufe, <strong>das</strong>s Kinder „über<br />
die Welt in ihrer Schönheit <strong>und</strong> Fremdheit<br />
staunen <strong>und</strong> dies zum Ausdruck bringen.“ 7<br />
Ungesagt werden Raum, Teilnehmer <strong>und</strong> anstehende<br />
Thematiken in der Mitte verankert.<br />
In der katholischen Landvolkshochschule lädt<br />
zumeist ein Lied oder ein Gebet ein, sich selbst<br />
in der Gemeinschaft – <strong>und</strong> in der Gemeinschaft<br />
vor Gott – wahrzunehmen. In Ausrichtung<br />
auf eine gestaltete Mitte bekommt <strong>das</strong><br />
Singen <strong>und</strong> Beten eine Richtung: es geht um<br />
die Mitte, sei es um die eigene Innenschau der<br />
Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer, für die sich<br />
in Zeiten der Ruhe <strong>und</strong> Stille im Haus <strong>und</strong><br />
auf dem Klostergelände unendliche Möglichkeiten<br />
auftun, oder sei es in den „Gesprächen<br />
zwischendurch“ oder in den gottesdienstlichen<br />
Angeboten der Bildungsstätte. Wir Christen<br />
stehen in der Gewissheit, „in der Mitte“ Gott<br />
zu finden, <strong>das</strong> „Du“, an dem <strong>wir</strong> uns wie an einer<br />
Radnabe 8 festmachen dürfen – <strong>das</strong> „Du“,<br />
<strong>das</strong> Halt, Verlässlichkeit <strong>und</strong> Zuversicht ausstrahlt,<br />
auch <strong>und</strong> gerade für solche Teilnehmerinnen<br />
<strong>und</strong> Teilnehmer, die bewusst in ein<br />
Tagungshaus „aufs Land“ gegangen sind, um<br />
zu „unterbrechen“ 9 , um auf <strong>das</strong> eigene Leben<br />
zu schauen <strong>und</strong> es vor Gott zur Sprache zu<br />
bringen.<br />
In Meditationsräumen, in Kapellen <strong>und</strong> nicht<br />
zuletzt in der Kirche des Tagungsortes Hardehausen<br />
hat <strong>das</strong> Gebet seine ureigenen Räume.<br />
Hier kann sich in der stillen Gegenwart der<br />
in früheren Zeiten am Ort betenden Mönche<br />
eine Orientierung auf <strong>das</strong> „Du“ ein<strong>stellen</strong>, die<br />
schon in den gestalteten (Unterrichts-)Räumen<br />
vorbereitet <strong>wir</strong>d.<br />
Meditative Elemente <strong>und</strong> Gebetserziehung<br />
sind unverzichtbare Kennzeichen religionspä-<br />
dagogischer Praxis. In Lehrplänen <strong>wir</strong>d von<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern die Kenntnis „elementarer<br />
Ausdrucksformen der Gottesbeziehung“<br />
eingefordert. In Hardehausen können<br />
<strong>wir</strong> erleben, wie Loben, Danken, Bitten <strong>und</strong><br />
Klagen „geht“.<br />
Mehrfach im Jahr sind Eltern-Kind-Gruppen<br />
Gäste des Hauses. Ungezwungen haben sie<br />
Teil an der gr<strong>und</strong>legenden Ausrichtung aller<br />
Aktivitäten im Spielen <strong>und</strong> Lernen auf<br />
eine Mitte hin. Und sind es Lehrerinnen <strong>und</strong><br />
Lehrer oder Erzieherinnen <strong>und</strong> Erzieher, die<br />
sich zu Fortbildungszwecken in Hardehausen<br />
treffen, so sind sie eingeladen, (Gebets-)Erfahrungen<br />
zu machen, die sie in den von ihnen<br />
andernorts verantworteten religionspädagogischen<br />
Handlungsfeldern als „Inszenierung“<br />
von Religion einbringen können.<br />
Feiern in der Gegenwart Gottes<br />
Kenntnisse von <strong>und</strong> Erfahrungen mit den religiösen<br />
Traditionen, die sich in einer Vielfalt<br />
von liturgischen Formen, Riten, Symbolen <strong>und</strong><br />
Handlungsabläufen manifestiert haben, gehören<br />
zum Kern der Fähigkeiten, die uns erlauben,<br />
über die eigene Religion Auskunft zu<br />
geben. Im Streit um einen Religionsunterricht<br />
als „Religionsk<strong>und</strong>e“ oder als „konfessioneller<br />
Religionsunterricht“ spielt diese Erkenntnis<br />
eine wesentliche Rolle. Religion kann in ihrer<br />
Wirklichkeit nur in Ansätzen von außen<br />
verstanden werden. Religion <strong>und</strong> Glaube sind<br />
Phänomene, die von innen her entdeckt werden<br />
wollen. Die biblischen Texte sind Texte<br />
von Beteiligten bzw. von Begeisterten – von<br />
„innen heraus“ geschrieben. Wer sie in ihrer<br />
Lebens- <strong>und</strong> Glaubensrelevenanz verstehen<br />
will, begibt sich am besten in die Gemeinschaft<br />
der Glaubenden hinein, in die Gottes Offenbarung<br />
gelegt <strong>und</strong> aus der heraus Er sie ge-<br />
7<br />
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz: Bildungsstandards<br />
für den Katholischen Religionsunterricht<br />
im Primarbereich (2006), S. 19-21<br />
8<br />
vgl. <strong>das</strong> Meditationsbild von Klaus von der Flüe<br />
9<br />
Johann Baptist Metz: „Die kürzeste Definition von<br />
Religion: Unterbrechung.“<br />
20
Was eigentlich zur Selbstverständlichkeit<br />
in Schule <strong>und</strong> Gemeinde gehört, hat seit den<br />
80er Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts einen<br />
Namen: „Kirchenpädagogik“ oder präziser<br />
„Kirchenraumpädagogik“. „Sie entwickelt<br />
eigenständige methodisch-didaktische Konzepte,<br />
um Besucher von Kirchen an die technische,<br />
ästhetisch-künstlerische, symbolische<br />
<strong>und</strong> nicht zuletzt spirituelle Dimension heranzuführen.<br />
Sie zielt darauf, <strong>das</strong>s Menschen<br />
eigene Erfahrungen mit allen Sinnen machen<br />
von Raum <strong>und</strong> Bau der Kirche. … Besondere<br />
Dynamik besaß die Kirchenraumpädagogik im<br />
Osten Deutschlands, wo schon früher als im<br />
Westen erkannt wurde, <strong>das</strong>s Kirchengebäude<br />
für entkirchlichte Menschen eine Brücke<br />
zur Begegnung mit christlichen Inhalten <strong>und</strong><br />
christlicher Spiritualität sein können.“ 11 Der<br />
2000 gegründete „B<strong>und</strong>esverband Kirchenpädagogik<br />
e.V.“ formuliert auf seiner Homepage<br />
in acht Thesen die Aufgaben <strong>und</strong> Chancen<br />
einer Pädagogik, die die Kirchen-<br />
!<br />
sprochen hat. In den (liturgischen) Feiern des<br />
Glaubens verdichtet sich, was in Unterricht<br />
<strong>und</strong> Katechese befragt <strong>und</strong> gelernt wurde. Liturgie<br />
konkretisiert Religion in Gebet, Lied<br />
<strong>und</strong> Musik <strong>und</strong> nicht zuletzt durch körpersprachlichen<br />
Ausdruck – Gemeinschaft stiftend,<br />
zur Verehrung Gottes. Ein öffentlicher<br />
Charakter ist ihr zu Eigen: im griechischen<br />
Ursprung des Wortes ist ein „öffentlicher<br />
Dienst“ gemeint, der ursprünglich sowohl den<br />
Dienst der wohlhabenden Bürger an den Armen<br />
(Armenspeisung) wie auch die Pflege von<br />
Einrichtungen öffentlicher Unterhaltung umspannte.<br />
Spätestens seit dem 9. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
ist es üblich, den christlichen Gottesdienst als<br />
Liturgie zu kennzeichnen.<br />
Liturgie übersteigt gr<strong>und</strong>sätzlich den privaten<br />
Raum. Sie ist Feier <strong>und</strong> Lebensvollzug der<br />
Kirche.<br />
Im Gefolge der Diskussionen um die Verankerung<br />
des Religionsunterrichts an den Schulen<br />
unserer pluralen Gesellschaft wehrte sich die<br />
schulische Religionspädagogik heftig gegen<br />
Katechetisierung <strong>und</strong> Liturgisierung des Unterrichts.<br />
Liturgische Erziehung sollte sich in<br />
Familie <strong>und</strong> Gemeinde abspielen. Nur selten<br />
wurde z.B. über die Chance von Schulgottesdiensten<br />
im Zusammenspiel mit dem Religionsunterricht<br />
nachgedacht.<br />
2006 sehen die Deutschen Bischöfe angesichts<br />
der Ferne von katholischen Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schülern zur eigenen Religion den „Religionsunterricht<br />
vor neuen Herausforderungen“.<br />
„Zukünftig <strong>wir</strong>d der Religionsunterricht in der<br />
Schule sich drei Aufgaben mit noch größerem<br />
Nachdruck <strong>stellen</strong> müssen, nämlich<br />
– der Vermittlung von strukturiertem <strong>und</strong><br />
lebensbedeutsamen Gr<strong>und</strong>wissen über den<br />
Glauben der Kirche,<br />
– dem Vetrautmachen mit Formen gelebten<br />
Glaubens <strong>und</strong><br />
– der Förderung religiöser Dialog- <strong>und</strong> Urteilsfähigkeit.“<br />
10<br />
Wie in kaum einem anderen Feld der Religionspädagogik<br />
hängt <strong>das</strong> Gelingen von performativen<br />
Elementen, die liturgisch geprägt<br />
sind, von den Erlebnissen <strong>und</strong> Erfahrungen<br />
ab, die Erzieherinnen <strong>und</strong> Erzieher, Lehrerinnen<br />
<strong>und</strong> Lehrer in eigenen Lebenszusammenhängen<br />
machen durften.<br />
So ist es einsehbar, <strong>das</strong>s sich verschiedene<br />
kirchliche Fortbildungsträger mit ihren Gruppen<br />
gerne in Hardehausen „einmieten“ – eben<br />
auch wegen der selbstverständlichen Angeboten<br />
zur Teilnahme (zum „Ausprobieren“) an<br />
einer vielgestaltigen Liturgie.<br />
Orte des Glaubens entdecken<br />
10<br />
Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen,<br />
a.a.O., S. 18<br />
Kursive Hervorhebung durch den Autor<br />
Anmerkung: Schon die Würzburger Synode hatte<br />
1974 im Zielspektrum des Religionsunterrichts formuliert:<br />
„Er (der Religionsunterricht) macht vertraut<br />
mit der Wirklichkeit des Glaubens“. Die Notwendigkeit,<br />
den Religionsunterricht als Lernfach<br />
in der Schule argumentativ abzusichern <strong>und</strong> die<br />
noch recht breite Wirkung der Gemeindekatechese<br />
hatten aber dazu geführt, <strong>das</strong>s nur wenige Anstrengungen<br />
unternommen wurden, z.B. liturgische Elemente<br />
in den Unterricht zu integrieren.<br />
11<br />
„Kirchenraumpädagogik“: Wikipedia. Die freie<br />
Enzyklopädie (im Internet).<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
21
Schulinformationen Paderborn<br />
! raumerfahrung ins Zentrum stellt:<br />
Kirchenpädagogik bringt Mensch <strong>und</strong> Kirchenraum<br />
in Beziehung, bedeutet raum- <strong>und</strong> erfahrungsbezogenes<br />
Arbeiten, eröffnet Zugänge<br />
zu religiösen Erfahrungen, arbeitet in methodischer<br />
Vielfalt, braucht Zeit, <strong>wir</strong>kt nach außen,<br />
<strong>wir</strong>kt nach innen <strong>und</strong> ist eine langfristige<br />
Investition in die kommende Generation. „Kirchenpädagogik<br />
will Kirchenräume für Menschen<br />
öffnen <strong>und</strong> den Sinngehalt christlicher<br />
Kirchen mit Kopf, Herz <strong>und</strong> Hand erschließen<br />
<strong>und</strong> vermitteln, um so die Inhalte der christlichen<br />
Religion bekannt zu machen <strong>und</strong> einen<br />
Zugang zu spirituellen Dimensionen zu ermöglichen.<br />
- Kirchenpädagogik bedeutet raum<strong>und</strong><br />
erfahrungsbezogenes Arbeiten in methodischer<br />
Vielfalt. Kirchenpädagogik bringt den<br />
heutigen Menschen mit seinem existentiellen<br />
Horizont in Beziehung zum Kirchenraum in<br />
seiner gewachsenen Gestalt.“ 12<br />
Was inzwischen in religionspädagogischen <strong>Institut</strong>en<br />
<strong>und</strong> an Universitäten reflektiert <strong>und</strong><br />
praktisch erprobt <strong>wir</strong>d, ist seit sechzig Jahren<br />
fester Bestandteil des Programms der Landvolkshochschule.<br />
Ob bei Tagesexkursionen,<br />
bei Studienfahrten oder Wallfahrten – immer<br />
gibt es für den Besuch der Kirchen eine besondere<br />
Zeit. Dabei werden die Räume nicht wie<br />
Museen erschlossen. Bei Gottesdiensten erleben<br />
die Teilnehmer die eigentliche Zweckbestimmung<br />
der Kirchenräume: sie sind gestaltete<br />
Versammlungsräume von <strong>und</strong> für Menschen,<br />
die in ihrer Zeit ihren Glauben in Stein<br />
gehauen <strong>und</strong> ihrer religiösen Sehnsucht Raum<br />
gegeben haben <strong>und</strong> geben. In „Kirchenführungen“<br />
erschließt sich den Kursteilnehmern<br />
die Architektur von Kirchen als theologischer<br />
Bedeutungsträger. Mehr noch, sie erfahren,<br />
was der Theologe Fulbert Steffensky programmatisch<br />
zusammenfasst: „Der Raum baut an<br />
meiner Seele. Die Äußerlichkeit baut an meiner<br />
Innerlichkeit“ 13 .<br />
In der Regel nähert sich die Gruppe zu Fuß der<br />
Kirche. Es ist erhellend, den Standort des Kirchengebäudes<br />
im Zusammenspiel mit den anderen<br />
Gebäuden <strong>und</strong> in der topographischen<br />
Lage wahrzunehmen. Steigt man hinauf, so<br />
dürfen sich Glaubens-Bilder ein<strong>stellen</strong>: von<br />
der „Stadt auf dem Berg“ (Mt 5,14) oder dem<br />
„Berg Zion“, zu dem die Völker strömen, um<br />
am Ende der Tage dort „Schwerter zu Pflugscharen“<br />
zu schmieden <strong>und</strong> im Frieden Gottes<br />
zu leben (Micha 4, 1-3). Was bedeutet es, die<br />
Kirche in der Mitte der Stadt oder des Dorfes<br />
zu finden, <strong>und</strong> wovon erzählt die Kirche oder<br />
die Kapelle, wenn sie in die Stille eines Tales<br />
oder einfach „an den Weg“ gebaut wurde?<br />
Im Umschreiten des Gebäudes spürt man etwas<br />
von der Botschaft seines Gr<strong>und</strong>risses. Oft<br />
ist es <strong>das</strong> Kreuz, in dessen Form hinein sich<br />
der Leib Christi denken lässt – mit seinem<br />
„Haupt“ im Osten <strong>und</strong> den „Gliedern“, die die<br />
Gläubigen selbst sind (1 Kor 12).<br />
Der Baustil, besser: die architektonische<br />
Gr<strong>und</strong>gestalt, eröffnet eine bestimmte Glaubens-Perspektive<br />
auf den Dreieinen-Gott:<br />
Der Zentralbau vergegenwärtigt im Kreis<br />
den Glauben an die Vollendung, die im Reich<br />
Gottes auf Erden ihren Anfang genommen<br />
hat, die romanische Kirche will „Trutzburg“<br />
<strong>und</strong> „F<strong>und</strong>ament“ sein, <strong>das</strong> gotische Kirchengebäude<br />
lässt die „Kraft <strong>und</strong> die Herrlichkeit“<br />
Gottes erahnen, im goldenen Lichtspiel barocker<br />
Kirche spiegeln sich des Himmels Pracht<br />
<strong>und</strong> die Festfreude der Erlösten.<br />
Moderne Kirchen sind als gebaute Zelte oder<br />
Schiffe Sinnbilder für <strong>das</strong> wandernde Gottesvolk,<br />
dessen endgültig bergendes Haus „am<br />
Ziel der Zeiten“ 14 Gott selber bereit hält.<br />
Beim bewussten Eintritt in den Kirchenraum<br />
öffnet sich dem Besucher mitten in der Welt<br />
12<br />
Präambel der Satzung des B<strong>und</strong>esverbandes<br />
Kirchenpädagogik 2005 – vgl. Homepage: www.<br />
bvkirchenpaedagogik.de<br />
13<br />
Steffensky, Fulbert: Der Raum baut meine Seele.<br />
Von der Bedeutung <strong>und</strong> Funktion von Kirchenräumen<br />
in unserer Zeit, in: Gustav-Adolf-Blatt<br />
1/2004 (gekürzte Wiedergabe des Vortrags „Der<br />
Seele Raum geben – Kirchen als Orte der Besinnung<br />
<strong>und</strong> Ermutigung" auf der 10. Synode der<br />
EKD, Leipzig Mai 2003)<br />
14<br />
vgl. <strong>das</strong> auf der Kirchenkonstitution (Lumen<br />
Gentium) des 2. Vatikanischen Konzils fußende<br />
Kirchenlied : Ein Haus voll Glorie schauet, GL<br />
639,5<br />
22
eine andere Welt. Die schwere Tür bildet die<br />
Zäsur. Hinter ihr darf der Gläubige Schutz<br />
erwarten. Der Duft des Weihrauchs <strong>und</strong> <strong>das</strong><br />
Licht der Kerzen schenken sinnenhaft <strong>das</strong><br />
Bewusstsein, einzutauchen in den Heiligen<br />
Raum.<br />
Dabei sind die o.g. Kirchenführungen <strong>und</strong><br />
-erk<strong>und</strong>ungen in den Programmen der LVHS<br />
Hardehausen unverkennbar über alle performativen<br />
Anstrengungen hinaus auf exklusive<br />
Zeit im Raum ausgerichtet: In Anbetung <strong>und</strong><br />
Meditation <strong>wir</strong>d <strong>das</strong> Wesen katholischer Kirchenräume<br />
erfahrbar.<br />
In der Spur des Glaubens „fahren“<br />
Eine uralte Ausdrucksform religiöser Sehnsucht<br />
ist <strong>das</strong> Wallfahren (mhd. “wallen“ = in<br />
eine bestimmte Richtung ziehen <strong>und</strong> „fahren“<br />
= unterwegs sein). Die religionspädagogische<br />
Praxis hat wahrgenommen, <strong>das</strong>s sich „Wallfahren“<br />
auch <strong>und</strong> gerade bei jungen Menschen<br />
steigernder Beliebtheit erfreut. Hape Kerkelings<br />
(HP) Bestseller „Ich bin dann mal weg“<br />
war auf dem Weg der Neuentdeckung einer alten<br />
„Performance“ von Religion sicher ein Meilenstein.<br />
Manche Beobachter des Pilgerwesens<br />
sprechen gar von einer „Zeit vor HP“ <strong>und</strong> einer<br />
Zeit „nach HP“. Vielleicht liegt der Erfolg des<br />
HP-Pilgerberichtes darin begründet, <strong>das</strong>s er<br />
weniger vom Ziel getrieben (wallfahren) als<br />
vom Pilgern (Erfahrungen auf dem Weg machen)<br />
berichtet. Wie auch immer: Wallfahren<br />
<strong>und</strong> Pilgern sind „in“.<br />
Einzelpersonen, privat organisierte Gruppen,<br />
Pfarrgemeinden <strong>und</strong> ganze Schulen 15 machen<br />
sich auf, um „mit den Füßen zu beten“. Im Gehen,<br />
im Fahren, im Beten <strong>und</strong> Singen <strong>und</strong> vor<br />
allem im Erleben von Gemeinschaft spüren<br />
sie Gottes Nähe – oder probieren zumindest<br />
aus, ob sie auf solchen Wegen sich selber (<strong>und</strong><br />
Gott?!) näher kommen können. Bei all dem<br />
hat <strong>das</strong> Pilgern (ggfls. die Pilgerreise) immer<br />
die Ausrichtung auf ein Ziel, auf die „Pilgerstätte“.<br />
Vielleicht ist bei dem Wunsch, einmal<br />
an solchen Orten zu sein, noch etwas vom dem<br />
lebendig, was tief in allen Religionen der Welt<br />
verankert ist: an bestimmten Orten ist <strong>das</strong><br />
Heilige in besonderer Weise nahe. Als erste<br />
christliche Pilgerin gilt die Kaiserin Helena,<br />
Mutter Konstantins, der 313 als römischer<br />
Kaiser im Edikt von Mailand die Religionsfreiheit<br />
im Reich <strong>und</strong> damit die öffentliche Ausübung<br />
des christlichen Glaubens garantierte.<br />
Helena zog ins Heilige Land, nach Jerusalem,<br />
Betlehem, Nazareth – <strong>und</strong> veranlasste Kirchenbauten<br />
an <strong>und</strong> über besonderen Orten, an<br />
denen Jesus lebte, starb <strong>und</strong> auferstand.<br />
Es ist also nicht von ungefähr, <strong>das</strong>s Heilig-<br />
Land-Pilger -<strong>und</strong> Studienreisen zum Kernbestand<br />
der Angebote der LVHS gehören. Neben<br />
den eigentlichen Adressaten der Landvolkshochschule<br />
hatten <strong>und</strong> haben so u.a. auch<br />
viele Religionslehrerinnen <strong>und</strong> Religionslehrer<br />
16 die Chance, nach Israel, Palästina, Ägypten,<br />
Jordanien, Syrien, in den Libanon, in die<br />
Türkei, … zu kommen – nicht als Touristen,<br />
sondern bewusst als Menschen, die sich auf<br />
den Weg machen, um neben allem (im Unterricht<br />
zu vermittelndem) Wissen eigene Erfahrungen<br />
mit der Tradition des Glaubens an<br />
herausragenden Orten der eigenen Religion zu<br />
machen.<br />
Träger von religionspädagogischer Fortbildung<br />
profitieren von den langjährigen Erfahrungen<br />
der LVHS in der Vorbereitung <strong>und</strong><br />
Durchführung o.g. Reisen, Fahrten, Wege.<br />
Das jeweilige Programm <strong>wir</strong>d in Kooperation<br />
der Verantwortlichen durch die Zuordnung<br />
von biblischen Texten, Bildern, von Gebeten,<br />
Meditationen <strong>und</strong> Liedern be-<br />
!<br />
15<br />
Beispiele: In 2004 machten sich 600 Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler der St. Ursula Realschule in Attendorn<br />
auf den historischen Jakobuspilgerweg nach<br />
Santiago de Compostela. In der Fastenzeit 2009<br />
waren 26 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aus drei<br />
kirchlichen Gymnasien im Kreis Olpe zusammen<br />
mit ihren Lehrern auf einem 60 km langen Pilgermarsch<br />
(Kirchheim bis Stuttgart) – <strong>das</strong> Hungertuch<br />
war immer dabei!<br />
16<br />
Alle zwei Jahre findet in Zusammenarbeit zwischen<br />
der LVHS Hardehausen <strong>und</strong> der HA Schule<br />
<strong>und</strong> Erziehung im Erzbischöflichen Generalvikariat<br />
Paderborn <strong>das</strong> „Jerusalemseminar“ im Hl.<br />
Land statt. Bislang haben schon mehr als 600 Religionspädagogen<br />
aus Schule <strong>und</strong> Gemeinde an<br />
dieser Pilger- <strong>und</strong> Studienfahrt teilgenommen.<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
23
Schulinformationen Paderborn<br />
! reichert. Sorgfältig <strong>wir</strong>d abgewogen,<br />
welche Strecken <strong>wir</strong>klich zu gehen sind <strong>und</strong><br />
wie die Danksagung (Eucharistie) am erreichten<br />
Ort gefeiert werden soll. Im Nachhinein<br />
sind es oft die Gottesdienste <strong>und</strong> Besinnungen<br />
am erreichten Ort, die im Langzeitgedächtnis<br />
abgespeichert werden. Die persönliche Emotionalisierung<br />
gerade der Gottesdienste hängt<br />
ab von den Motiven, mit denen man die Reise<br />
bzw. den Weg angetreten hat: persönliche Anliegen<br />
werden ergänzt durch die Wünsche <strong>und</strong><br />
Bitten, die Bekannte <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e mitgegeben<br />
haben auf den Weg. Das Mittelalter kannte<br />
den stellvertretenden Pilgerweg 17 . Vielleicht<br />
geschieht <strong>das</strong> heute nur selten. In dieser Spur<br />
liegt jedoch <strong>das</strong> „fürbittende Gebet“ auf dem<br />
Weg <strong>und</strong> am heiligen Ort. Die Offenheit <strong>und</strong><br />
gleichzeitige Dichte, mit denen die Sehnsüchte<br />
nach Heil(-ung) für andere <strong>und</strong> für sich selbst<br />
in den Bitten der Pilger ihre Sprache finden<br />
ist immer wieder im besten Sinn des Wortes<br />
anrührend. Und es tut gut zu erfahren, <strong>das</strong>s<br />
(eigene <strong>und</strong> fremde) Not in Gemeinschaft mitgetragen<br />
<strong>wir</strong>d.<br />
Wichtig bleibt, <strong>das</strong>s auch für diejenigen Kursteilnehmerinnen<br />
<strong>und</strong> -teilnehmer, die sich<br />
(noch) nicht in <strong>das</strong> Gebet einlassen können,<br />
ein Raum da ist. Unter religionspädagogischer<br />
Perspektive dürfen sie die fromme Praxis miterleben<br />
– <strong>und</strong> erproben, so weit sie es können<br />
<strong>und</strong> wollen.<br />
Wenn es nicht die Liturgie am er-fahrenen<br />
Ort ist, so sind es möglicherweise die Begegnungen<br />
mit den (fremden) Menschen am Ort.<br />
Häufig überrascht über die ungezwungene<br />
Fre<strong>und</strong>lichkeit, mit der den Wallfahrern <strong>und</strong><br />
Pilgern auch im Ausland begegnet <strong>wir</strong>d, erinnert<br />
man sich daran, <strong>das</strong>s in früheren Zeiten,<br />
in denen <strong>das</strong> Pilgern höchst mühsam <strong>und</strong> gefährlich<br />
war, die Pilgerbeherbergung als Werk<br />
der leiblichen Barmherzigkeit galt.<br />
rem Bischof verbinden. Auf gut vorbereiteten<br />
Wallfahrten <strong>wir</strong>d der Weg nach Paderborn<br />
zum Hohen Dom <strong>und</strong> dem Grab des Bistumspatrons<br />
Liborius führen. Diese Schulen <strong>und</strong><br />
alle Gruppen, die sich pilgernd auf den Weg<br />
machen, profitieren von Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern,<br />
von Leiterinnen <strong>und</strong> Leitern, die selber<br />
Er-fahrungen im „Beten mit den Füßen“ gemacht<br />
haben – vielleicht auf Einladung der<br />
LVHS Hardehausen.<br />
Was noch gesagt werden muss<br />
Das Hauptanliegen seit den Gründertagen<br />
der LVHS Hardehausen ist die Bildung von<br />
Menschen aus dem ländlichen Raum. Die<br />
Exzellenz dieser Arbeit hat Mitte 2009 dazu<br />
geführt, <strong>das</strong>s die Landvolkshochschule Anton<br />
Heinen seitens der Erzdiözese Paderborn<br />
offiziell zum landpastoralen Zentrum für <strong>das</strong><br />
gesamte Bistum erklärt wurde. Neben den<br />
Themenschwerpunkten aus Familie, Arbeit<br />
<strong>und</strong> Beruf, neben Politik <strong>und</strong> Agrar, neben<br />
Kunst <strong>und</strong> Erholung <strong>wir</strong>d die LVHS in Fortsetzung<br />
ihrer eigenen Tradition in Zukunft<br />
weiterhin <strong>und</strong> verstärkt theologischen <strong>und</strong><br />
spirituellen Fragen ihre besondere Aufmerksamkeit<br />
schenken. Das sie tragende christliche<br />
Welt- <strong>und</strong> Menschenbild <strong>und</strong> die sich<br />
daraus konsequent ergebende Verantwortung<br />
für Frieden, Gerechtigkeit <strong>und</strong> Bewahrung<br />
der Schöpfung generiert ein Programm, <strong>das</strong><br />
auch jene anspricht, die in kirchlichen <strong>Institut</strong>ionen<br />
– nicht nur im ländlichen Raum –<br />
<strong>und</strong> Verbänden Verantwortung tragen für die<br />
Weitergabe des Glaubens. Die Träger religionspädagogischer<br />
Aus-, Fort -<strong>und</strong> Weiterbildung<br />
sind gut beraten, in Kooperationsveranstaltungen<br />
mit der LVHS deren Beiträge vor<br />
allem hinsichtlich ihrer oben angesprochenen<br />
„Performance“ zu nutzen. An einem Lernort in<br />
Das Erzbistum Paderborn ist Träger von<br />
achtzehn Schulen. Jede Schule hat ihr eigenes<br />
katholisches Profil. Ab 2011 soll eine<br />
jährlich wiederkehrende Aktion die Schulen<br />
noch sinnenfälliger mit der Ortskirche <strong>und</strong> ih-<br />
17<br />
Im Mai 1036, kurz vor seinem Tod, weihte Bischof<br />
Meinwerk die Busdorfkirche zu Paderborn.<br />
Die Gr<strong>und</strong>maße des Gebäudes hatte Abt Wino<br />
von Helmershausen von einer für den Bischof<br />
1033 stellvertretend gemachten Pilgerreise aus<br />
Jerusalem (Grabeskirche) mitgebracht.<br />
24
klösterlicher Umgebung lassen sich in konzentrierender<br />
Stille Kompetenzen für die eigene<br />
Persönlichkeitsentwicklung genauso erarbeiten<br />
wie notwendige Fachkompetenzen für <strong>das</strong><br />
berufliche (religionspädagogische) Handeln.<br />
Wenn <strong>wir</strong> zu Beginn auf die Kompetenzorientierung<br />
in der aktuellen Bildungsdiskussion<br />
verwiesen haben, so dürfen <strong>wir</strong> jetzt fest<strong>stellen</strong>,<br />
<strong>das</strong>s sich der Kompetenzerwerb in Hardehausen<br />
in „Inszenierungen“ realisiert, die<br />
den ganzen Menschen ansprechen. Wer als<br />
Religionspädagogin bzw. -pädagoge in Hardehausen<br />
Angebote sucht, trifft dabei immer<br />
auf Gleichgesinnte. Im (beruflichen) Alltag hat<br />
<strong>das</strong> Nachdenken über den Glauben <strong>und</strong> die<br />
Erprobung seiner „Performance“ meist nicht<br />
den herausragenden Stellenwert; an manchen<br />
Schulen fühlen sich Religionslehrerinnen <strong>und</strong><br />
Religionslehrer gar als Exoten im Kollegium.<br />
Das ist ganz anders in Hardehausen, einem<br />
„Begegnungsort in den Wäldern“ – für alle, die<br />
sich danach sehnen, Religion zu lernen <strong>und</strong> zu<br />
erleben.<br />
Anschrift:<br />
Gerhard Krombusch<br />
Direktor des <strong>Institut</strong>s für<br />
Religionspädagogik <strong>und</strong> Medienarbeit<br />
im Erzbistum Paderborn<br />
Am Stadelhof 10<br />
33098 Paderborn<br />
05251/ 125-1320<br />
gerhard.krombusch@erzbistum-paderborn.de<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
25
Schulinformationen Paderborn<br />
Gefahr eines Patchwork-Gottes<br />
Religionsunterricht heute – Positionen von Schulbischof Hans-Josef Becker: „Erteile einem<br />
überkonfessionellen Religionsunterricht eine Absage“<br />
Quelle: Kirchenbote. Wochenzeitung für <strong>das</strong> Bistum Osnabrück (Ausgabe vom 23.8.2009)<br />
Gottesvorstellungen von Jugendlichen<br />
sind oft diffus. Erzbischof Hans-Josef<br />
Becker aus Paderborn spricht dabei<br />
von einem Patchwork-Gott. Hier seine<br />
Positionen im schriftlich geführten<br />
Interview.<br />
Schüler kennen kaum die Gr<strong>und</strong>lagen des<br />
Christentums. Brauchen <strong>wir</strong> einen stärker<br />
auf Wissensvermittlung ausgerichteten<br />
Religionsunterricht?<br />
Würde Religionsunterricht auf die<br />
Vermittlung religiösen Wissens verzichten,<br />
liefe er Gefahr, zu einer<br />
einseitig-subjektiven Meinungsdarbietung<br />
zu werden. Unterricht wäre<br />
dann nicht mehr argumentativ<br />
nachvollziehbar <strong>und</strong> bewertbar. Auch<br />
ich nehme wahr, <strong>das</strong>s viele Schüler<br />
Gottesvorstellungen entwickeln, die<br />
nur schwer oder gar nicht mit den<br />
biblischen Bildern eines personalen<br />
Gottes zu vereinbaren sind. Die Möglichkeit,<br />
mit vielen Facetten von Gottesvorstellungen<br />
spielen zu können,<br />
ist für heutige Schüler größer geworden<br />
als in früherer Zeit. Sie erleben<br />
medial am Computer oder in Filmwelten<br />
gottesähnliche Figuren oder<br />
Kräfte. Zudem treten fernöstliche<br />
Religionsrituale hinzu, so <strong>das</strong>s ein<br />
Patchwork-Gott entstehen kann. Religionslehrer<br />
haben daher die schwierige<br />
Aufgabe, <strong>das</strong> aspektreiche Sprechen<br />
vom Gott der Bibel mit Schülern<br />
zu erschließen <strong>und</strong> dabei gleichzeitig<br />
ihre eigenen Gottesvorstellungen –<br />
auch konfrontativ – mit ins Spiel zu<br />
bringen.<br />
Wie beurteilen Sie erlebnisorientierten<br />
Unterricht, etwa mit Pinsel <strong>und</strong> Farben<br />
<strong>das</strong> eigene Gottesbild oder Religionsverständnis<br />
ins Bild zu setzen?<br />
Gottesbilder entstehen immer durch<br />
ein Ineinandergreifen von Erfahrungen<br />
<strong>und</strong> neuem Erkennen. Das<br />
Erzbischof Hans-Josef Becker ist seit<br />
2006 Vorsitzender der Kommission<br />
VII (Erziehung <strong>und</strong> Schule) der Deutschen<br />
Bischofskonferenz.<br />
jeweilige Gottesbild ist dabei immer<br />
nur der Versuch, Gott selbst ein Stück<br />
näher zu kommen. So gesehen ist<br />
<strong>das</strong> Gottesbild nicht Gott selbst <strong>und</strong><br />
damit wandelbar. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />
können erlebnisorientierte<br />
Unterrichtsmethoden sogar Zugänge<br />
des Erkennens eröffnen, die sich einer<br />
analytischen Textarbeit entziehen. Allerdings<br />
ist die Lehrperson gehalten,<br />
auf die sinnvolle Einbindung erlebnisorientierter<br />
Methoden in einer Unterrichtsreihe<br />
zu achten.<br />
Vielerorts <strong>wir</strong>d stillschweigend überkonfessioneller<br />
Religionsunterricht erteilt. Ist<br />
<strong>das</strong> Verbot dieses Unterrichts noch zeitgemäß<br />
angesichts sinkender katholischer<br />
Schülerzahlen?<br />
Ich bin froh <strong>und</strong> dankbar, <strong>das</strong>s jeder<br />
Religionsgemeinschaft ein eigener<br />
Religionsunterricht durch <strong>das</strong> Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
zuerkannt <strong>wir</strong>d. So haben <strong>wir</strong><br />
26<br />
einen katholischen, evangelischen, syrisch-orthodoxen<br />
<strong>und</strong> einen jüdischen<br />
Religionsunterricht. In diesem Sinne<br />
ist es auch zu verstehen, <strong>das</strong>s von<br />
muslimischer Seite verstärkt versucht<br />
<strong>wir</strong>d, einen ebenfalls bekenntnisgeb<strong>und</strong>enen<br />
Religionsunterricht in der<br />
öffentlichen Schule erteilen zu dürfen.<br />
Diese Vielfalt religiöser Klänge betrachte<br />
ich auf jeden Fall als Bereicherung<br />
in der Schullandschaft. Einem<br />
überkonfessionellen Religionsunterricht<br />
erteile ich eine Absage. Was aber<br />
schon getan oder erprobt <strong>wir</strong>d, sind<br />
abgewandelte Formen bei bestimmten<br />
Schulformen oder in Regionen mit<br />
Diasporacharakter. Hier arbeiten die<br />
Kirchen zusammen an abgestimmten<br />
<strong>und</strong> oft mit Fortbildungen versehenen<br />
Kooperationsformen. Ich schließe<br />
nicht aus, <strong>das</strong>s weitere Kooperationsmodelle<br />
überdacht <strong>und</strong> praktiziert<br />
werden.<br />
Vielfach <strong>wir</strong>d beklagt, <strong>das</strong>s Religionsunterricht<br />
nur noch die Vermittlung von<br />
Fachwissen, nicht von Glauben ist. Wie<br />
sollten Lehrer <strong>das</strong> eigene Bekenntnis einbringen?<br />
Religionslehrer sind nicht nur Unterrichtende<br />
ihres Faches, sondern<br />
besitzen eine kirchliche Unterrichtserlaubnis<br />
oder eine Missio Canonica.<br />
Damit stehen Religionslehrer in<br />
einem Sendungsauftrag ihrer Kirche<br />
<strong>und</strong> mit ihrer Person für <strong>das</strong> ein, was<br />
sie im Religionsunterricht glaubensmäßig<br />
erschließen. Religionslehrer<br />
halten für jeden Schüler die Möglichkeit<br />
offen, selbst zum Glauben zu finden.<br />
Eine gezielte Missionierung von<br />
Schülern ist im Religionsunterricht<br />
nicht erlaubt. Je authentischer eine<br />
Lehrperson mit der christlichen Praxis<br />
verwurzelt ist, umso mehr <strong>wir</strong>d sie<br />
auch als Bekennende im Klassenraum<br />
erlebt. Die eigene christliche Position<br />
klar darzulegen <strong>und</strong> gleichzeitig die
Erzbischof Hans-Josef Becker im Gespräch mit Schülerinnen des Edith-Stein-Berufskollegs in Paderborn<br />
Schülermentalitäten ernst zu nehmen,<br />
ist die hohe Kunst der religionspädagogischen<br />
Schule.<br />
Wie ist es heute möglich, Schulgottesdienste<br />
mit Jugendlichen zu feiern, die<br />
keine Beziehung zur Kirche haben?<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
Ich würde mit kleinen vertrauten<br />
Gruppen versuchen, erste Schritte<br />
gottesdienstlicher Formen zu beschreiben,<br />
wie Meditationen, Impulse<br />
in den Tag, Frühschichten. Auch Bilder<br />
oder moderne Texte können im<br />
Zentrum einer geistlichen Sammlung<br />
stehen. Mit kurzen katechetischen<br />
Kommentaren könnte allmählich<br />
an einen Gottesdienst herangeführt<br />
werden. Bewährt hat es sich auch,<br />
für ein Wochenende mit Schülern<br />
wegzufahren <strong>und</strong> an einem anderen<br />
Ort Elemente des Gottesdienstes zu<br />
erarbeiten <strong>und</strong> am Ende gemeinsam<br />
zu feiern. Hierzu sind die Geistlichen<br />
<strong>und</strong> die Gemeindereferenten vor Ort<br />
anzusprechen <strong>und</strong> einzubinden. Zudem<br />
wäre es sinnvoll, im Bistum eine<br />
Fachstelle zu haben, die solche Initiativen<br />
unterstützt.<br />
Wie kann es gelingen, Schulgottesdienste<br />
<strong>und</strong> andere religiöse Angebote neu an<br />
Schulen zu etablieren?<br />
Schulgottesdienste sind rechtlich abgesichert<br />
<strong>und</strong> müssen nicht erst von<br />
staatlicher Seite erkämpft werden.<br />
Von dieser Warte aus betrachtet, empfehle<br />
ich den Fachkonferenzen Evangelische<br />
<strong>und</strong> Katholische Religionslehre,<br />
die Bedeutung <strong>und</strong> die Durchführung<br />
von Schulgottesdiensten wie<br />
auch anderer religiöser Angebote in<br />
<strong>das</strong> Schulprogramm aufzunehmen<br />
<strong>und</strong> offensiv zu vertreten. Vernetzungen<br />
mit den Geistlichen vor Ort<br />
über regelmäßige Treffen können<br />
hierbei sehr hilfreich sein.<br />
Wie kann Schule Kinder neu für den Religionsunterricht<br />
begeistern, wenn schon<br />
die Eltern keinen Glaubensbezug haben?<br />
27<br />
Untersuchungen <strong>und</strong> viele Gespräche<br />
mit Religionslehrern zeigen mir, <strong>das</strong>s<br />
ein Interesse von Kindern an religiösen<br />
Fragen nicht generell abhängt<br />
vom Glaubensbezug der Eltern. Wichtig<br />
scheint mir, <strong>das</strong> Wachhalten oder<br />
Neuentdecken einer Erzähltradition,<br />
die auch heute noch Kinder fesseln<br />
kann.<br />
Wie kann gelingende Elternarbeit aussehen?<br />
Eltern können zu Schulgottesdiensten<br />
eingeladen werden. Außerdem sollten<br />
Religionslehrer beim Elternabend ihr<br />
unterrichtliches Vorhaben vor<strong>stellen</strong>.<br />
Oft erfahren Eltern über <strong>das</strong>, was im<br />
Unterricht geschieht, nur zufällig. Eine<br />
weitere Möglichkeit sehe ich darin,<br />
Eltern stärker in Projekte einzubeziehen.<br />
Interview:<br />
Heike Sieg-Hövelmann <strong>und</strong><br />
Rainer Middelberg
Schulinformationen Paderborn<br />
Neuer Internetauftritt der Hauptabteilung<br />
Schule <strong>und</strong> Erziehung<br />
Endlich ist es soweit. Die Hauptabteilung<br />
Schule <strong>und</strong> Erziehung startet im<br />
Internet mit einer neuen Homepage.<br />
Vollständig in der Struktur überarbeitet,<br />
präsentiert sie sich nun in neuer<br />
moderner Farbgebung <strong>und</strong> orientiert<br />
sich mit der Homepage des IRUM<br />
(www.irum.de) an einem gemeinsamen<br />
Corporate Design. Der bisherige<br />
Web-Auftritt war im Design <strong>und</strong><br />
in der Struktur in die Jahre gekommen<br />
<strong>und</strong> konnte die neuen Strukturen<br />
<strong>und</strong> Aufgabenbereiche der Hauptabteilung<br />
Schule <strong>und</strong> Erziehung nur<br />
noch begrenzt abbilden.<br />
Vieles ist neu, Bewährtes wurde aber<br />
auch übernommen. Die obere Leiste<br />
gleicht einem Karteikartensystem<br />
<strong>und</strong> ermöglicht den Einstieg in die<br />
großen Themenbereiche <strong>und</strong> Angebote<br />
der Schulabteilung. Je nach gewählter<br />
Karteikarte blenden sich am linken<br />
Bildrand die Untermenüs ein, die <strong>das</strong><br />
Thema weiter entfalten. Durch diese<br />
übersichtliche Struktur verliert der<br />
Nutzer nie den Überblick <strong>und</strong> kann<br />
sich jederzeit bei Bedarf neu orientieren.<br />
Neu ist auch der Terminkalender in<br />
Form einer Monatsübersicht. Hier<br />
sind alle Veranstaltungen der Schulabteilung<br />
<strong>und</strong> des IRUM eingetragen.<br />
Durch einen Klick auf einen rot unterlegten<br />
Veranstaltungstag erhält der<br />
Interessierte schnell einen Überblick<br />
zur Veranstaltung.<br />
Wenn sie neugierig geworden sind,<br />
schauen Sie sich die Seite im Inter-<br />
net an. Sie erreichen Sie wie bisher<br />
unter www.schule<strong>und</strong>erziehung.de.<br />
Für Fragen <strong>und</strong> weitere Anregungen<br />
steht <strong>Ihnen</strong> der verantwortliche Redakteur,<br />
Christoph Quasten M. A.<br />
(05251/ 125-1910 oder christoph.quasten@erzbistum-paderborn.de)<br />
zur<br />
Verfügung.<br />
Vom Schal des Weihbischofs<br />
Über die Begegnung eines Gr<strong>und</strong>schülers mit Weihbischof König<br />
Im Rahmen ihrer Firm- <strong>und</strong> Visitationsreisen<br />
absolvieren unser Erzbischof<br />
<strong>und</strong> seine Weihbischöfe neben<br />
den Firmfeiern <strong>und</strong> den Gesprächen<br />
mit den Gremien <strong>und</strong> den Hauptamtlichen<br />
in den einzelnen Gemeinden<br />
ein ambitioniertes Besuchsprogramm.<br />
Dazu gehört auch der Besuch in verschiedenden<br />
Schulen im jeweiligen<br />
Dekant. Von einer Katholischen<br />
Gr<strong>und</strong>schule in Arnsberg bekamen<br />
<strong>wir</strong> durch die Schulleiterin eine Rückmeldung<br />
zum Besuch von Weihbischof<br />
Matthias König. Die Originalität des<br />
Schülers ist in der Wiedergabe garantiert:<br />
Ein Erstklässler zu seiner Mutter:<br />
"Das war ein schöner Bischof. Er<br />
hatte sogar einen Schal um. Aber er<br />
wusste nicht, wie man ihn richtig bindet."<br />
Auf Nachfrage der Mutter, was<br />
er damit meine, gab der interessierte<br />
Schüler folgende Auskunft: "Er hatte<br />
den Schal nicht um den Hals.“<br />
28
Aktuelles <strong>und</strong> Hinweise<br />
Religionspädagogische Arbeitshilfen<br />
Auf folgende zwei Unterrichtshilfen für die Sek<strong>und</strong>arstufen I <strong>und</strong> II sowie für den persönlichen Gebrauch der<br />
Unterrichtenden weisen <strong>wir</strong> empfehlend hin. Sie sollen dazu beitragen, die Vermittlungsarbeit von Religionslehrerinnen<br />
<strong>und</strong> -lehrern zu unterstützen, anzuregen <strong>und</strong> inhaltlich mit neuen Perspektiven zu versehen.<br />
Im ersten Beitrag <strong>wir</strong>d <strong>das</strong> von Josef Epping konzipierte Arbeitsbuch für den Religionsunterricht "Von Anekdote<br />
bis W<strong>und</strong>ergeschichte" vorgestellt. Mit dieser Arbeitsgr<strong>und</strong>lage kann die hermeneutische Kompetenz der Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler systematisch geschult <strong>und</strong> erweitert werden. Religiöse Textgattungen erkennen, verstehen <strong>und</strong><br />
anwenden können, ist <strong>das</strong> Ziel dieses Buches.<br />
Aus der bereits bestehenden Reihe „EinFach Religion“ legt Dr. Volker Garske den Band „Die Tochter des Jairus<br />
<strong>und</strong> Der Jüngling von Nain“ vor. Aus der Gattung der Totenerweckungen <strong>wir</strong>d wie in den beiden Vorgängerbänden<br />
eine neutestamentliche W<strong>und</strong>ergeschichte für den Religionsunterricht aufbereitet. Hierbei handelt es sich um<br />
ein mögliches Unterrichtsmodell, <strong>das</strong> korrelativ ausgerichtet ist <strong>und</strong> mit geschlechtsspezifischen Glaubensangeboten<br />
an Jugendliche – damals wie heute – aufwartet.<br />
Die vielfältigen Weisen verstehen,<br />
wie Menschen von Gott sprechen<br />
Josef Epping<br />
Was Sprachformen für <strong>das</strong> Reden<br />
von Gott bedeuten<br />
Wenn Menschen von Gott reden,<br />
greifen sie auf sprachliche Formen<br />
zurück. Sie helfen (wie in unserer<br />
Kommunikation insgesamt), sich<br />
auszudrücken <strong>und</strong> verständliche<br />
Sätze zu „form“ulieren. Vor allem<br />
aus zwei Gründen sollte man sich<br />
mit ihnen auseinandersetzen:<br />
Der erste Gr<strong>und</strong> liegt in Gott selbst<br />
begründet. Wenn er sich den Menschen<br />
mitteilen will, geschieht <strong>das</strong><br />
in der Sprache der Menschen. Gott<br />
als die „Wirklichkeit, die unser Denken<br />
weit übersteigt“ (Gerwing, 1999,<br />
14), übersteigt aber jede menschliche<br />
Sprachform, <strong>und</strong> nur die Vielfalt<br />
der sprachlichen Zugänge kann<br />
ein wenig von seiner göttlichen Fülle<br />
widerspiegeln. Schon in der Bibel<br />
gibt es einen kaum übersehbaren<br />
Reichtum an sprachlichen Formen,<br />
betende, erzählende, poetische, lehrhafte,<br />
juristische, bekenntnishafte,<br />
... . Und <strong>das</strong> setzt sich in der Glaubensgeschichte<br />
fort. „Wenn die Verständigungsgemeinschaft<br />
[der Glaubenden]<br />
neue Erfahrungen macht<br />
<strong>und</strong> ausdrückt, wenn neue Probleme<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
geklärt <strong>und</strong> bearbeitet werden, <strong>wir</strong>d<br />
die Sprache fortwährend erprobt<br />
<strong>und</strong> erweitert“ (Niehl 2002, 230),<br />
auch <strong>das</strong> Sprechen vom Geheimnis<br />
Gottes erweitert sich so.<br />
Wenn man diese „Weisen von Gott<br />
zu sprechen“ nicht kennt, bleiben<br />
viele Einsichten des Glaubens unverständlich.<br />
Die christliche Religion<br />
ist darauf angewiesen, die<br />
Glaubenszeugen zu verstehen, die<br />
vor 2000 Jahren <strong>und</strong> in den vergangenen<br />
2000 Jahren gelebt haben.<br />
Die allerersten Glaubenszeugen<br />
haben Jesus persönlich erlebt <strong>und</strong><br />
Erfahrungen mit ihm gemacht, die<br />
richtunggebend für die folgenden<br />
Zeiten bleiben. Sie haben jüdisch<br />
gedacht <strong>und</strong> als Juden von Gott gesprochen,<br />
daher müssen <strong>wir</strong> auch<br />
die alttestamentlichen Sprachformen<br />
des Gottesglaubens verstehen.<br />
Die ersten Zeugen sind durch<br />
die Geschichte hindurch immer wieder<br />
neu interpretiert <strong>und</strong> verstanden<br />
worden; <strong>und</strong> so müssen <strong>wir</strong> uns<br />
auch die wichtigsten Formen aneignen,<br />
die hinzugekommen sind.<br />
Die „Weisen, von Gott zu sprechen“<br />
eröffnen Zugänge zur Welt des Glau-<br />
29<br />
bens, sie deuten ihn <strong>und</strong> geben ihm<br />
eine Ordnung, sie prägen <strong>und</strong> vertiefen<br />
ihn, sie bilden Gemeinschaft <strong>und</strong><br />
sie ermutigen zum Handeln. Wer in<br />
Religion unterrichtet sein will, muss<br />
solche Formen kennen <strong>und</strong> mit ihnen<br />
umgehen können.<br />
Ein Beispiel: Die Anekdote<br />
Als Beispiel stelle ich eine Textform<br />
vor, die nicht im Zentrum des Religionsunterrichts<br />
steht wie etwa die Parabel<br />
oder die W<strong>und</strong>ergeschichte, die<br />
aber doch gut erhellen kann, was mit<br />
hermeneutischer Kompetenz im Religionsunterricht<br />
gemeint ist. Der Text<br />
ist an Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler gerichtet<br />
<strong>und</strong> soll die selbstständige Erarbeitung<br />
der Gattung ermöglichen:<br />
Einleitung<br />
In der Anekdote trifft sich – früher<br />
wie heute – die Faszination durch<br />
große <strong>und</strong> bekannte Persönlichkeiten<br />
mit der menschlichen Freude<br />
am Erzählen <strong>und</strong> der Lust an einer<br />
guten Pointe.<br />
Die Faszination durch berühmte<br />
Persönlichkeiten kann ver- !
! schiedene Gründe <strong>und</strong> verschiedene<br />
Ausdrucksformen haben.<br />
Vielleicht verkörpern diese Menschen<br />
in ihrem Reichtum, ihrer<br />
Macht, ihrer Schönheit, ihrer Intelligenz<br />
oder ihrer überzeugenden<br />
Lebenshaltung unsere Wünsche <strong>und</strong><br />
Sehnsüchte, vielleicht schaudern<br />
<strong>wir</strong> aber auch über <strong>das</strong>, was sie in<br />
der Welt anrichten. Ihre besondere<br />
Ausstrahlung <strong>wir</strong>d auch „Charisma“<br />
genannt. Der Ausdruck spielt im<br />
Neuen Testament, in den Paulusbriefen,<br />
eine große<br />
Rolle <strong>und</strong> bedeutet<br />
dort eine von Gott<br />
geschenkte Begabung.<br />
Ganze Medien sparten<br />
sind darauf<br />
spezialisiert die<br />
heute berühmten<br />
Menschen zu beobachten<br />
<strong>und</strong> jede<br />
Kleinigkeit aus<br />
ihrem Leben weiterzugeben.<br />
Und so<br />
füllen sie Klatschspalten<br />
in den Zeitungen<br />
<strong>und</strong> Zeitschriften,<br />
manche<br />
Formen von Fernseh-<br />
<strong>und</strong> Radiosendungen <strong>und</strong> die<br />
einschlägigen Internetseiten.<br />
Gerade der Klatsch zeigt, <strong>das</strong>s <strong>wir</strong><br />
gerne etwas über die „Großen“ dieser<br />
Welt hören <strong>und</strong> weitererzählen. Eine<br />
besondere Befriedigung verschafft<br />
eine Geschichte, die in einer Pointe<br />
endet, also einer Zuspitzung, die eine<br />
überraschende Wendung bringt <strong>und</strong><br />
so eine überraschende Einsicht ermöglicht.<br />
Eine solche Geschichte ist<br />
die Anekdote. Jeder Schüler weiß sicher,<br />
wie gerne z.B. Anekdoten über<br />
Lehrer erzählt werden. Die Anekdote<br />
lässt sich so bestimmen (s. Kasten):<br />
Die Anekdote als Sprachform des<br />
Glaubens<br />
Im religiösen Bereich <strong>wir</strong>d die Erinnerung<br />
an große Persönlichkeiten<br />
(die in der katholischen Kirche<br />
Eine Anekdote ist eine kurze, meist witzige Geschichte zur scharfen,<br />
blitzlichtartigen Charakterisierung einer bekannten Persönlichkeit. Gegenstand<br />
der Anekdote können aber auch gesellschaftliche Gruppen,<br />
Charaktertypen [...] sein. (Schurf 2006, 108)<br />
oft <strong>das</strong> „Gütesiegel“ eines „Heiligen“<br />
bekommen) nicht wegen ihres<br />
Reichtums oder ihrer Schönheit<br />
wachgehalten, sondern wegen ihrer<br />
besonderen Beziehung zu Gott <strong>und</strong><br />
ihrer überzeugenden Lebensführung.<br />
Wenn sie die Leute faszinieren,<br />
dann <strong>wir</strong>d darin auch ein Gespür<br />
der Menschen für <strong>das</strong> <strong>wir</strong>klich<br />
Gültige erkennbar. Die Anekdote<br />
zeigt große Persönlichkeiten oft in<br />
Bedrängnis- <strong>und</strong> Entscheidungssituationen,<br />
in denen es <strong>wir</strong>klich „darauf<br />
ankommt“. Sie<br />
rea gieren „geistreich“,<br />
mit Schlagfertigkeit<br />
<strong>und</strong> Ideenreichtum.<br />
Das<br />
Wort „geist-reich“<br />
lässt sich hier auf<br />
den Geist Gottes<br />
beziehen, der auch<br />
Heiliger Geist genannt<br />
<strong>wir</strong>d. Ein<br />
Wort Jesu aus dem<br />
Markus evan ge li um<br />
sagt, wie Christen<br />
sich verhalten<br />
sollen, wenn sie<br />
angefragt <strong>und</strong> bedrängt<br />
werden:<br />
„Und wenn man<br />
euch abführt <strong>und</strong> vor Gericht stellt,<br />
dann macht euch nicht im Voraus<br />
Sorgen, was ihr sagen sollt; sondern<br />
was euch in jener St<strong>und</strong>e eingegeben<br />
<strong>wir</strong>d, <strong>das</strong> sagt! Denn nicht ihr<br />
werdet dann reden, sondern der Heilige<br />
Geist.“ (Mk 13,11).<br />
In der unerwarteten Pointe der<br />
Anekdote kann so etwas von Gott<br />
sichtbar werden, der ein Gott des<br />
Unerwarteten ist (vgl. Jes 55,8:<br />
„Meine Gedanken sind nicht eure<br />
Gedanken, <strong>und</strong> eure Wege sind nicht<br />
meine Wege.“). Die Anekdote zeigt<br />
dann, was man nicht wahrnehmen<br />
kann, wenn man in den gewohnten<br />
Denkbahnen bleibt. Oft ist es eine<br />
heitere Erkenntnis. Von Gott kann<br />
man also auch humorvoll <strong>und</strong> witzig<br />
sprechen – in der Anekdote zeigt der<br />
Geist Gottes sozusagen seine charmante<br />
Seite. Die Anekdote kann<br />
aber auch eine „kühne Steigerung“<br />
(ebda.) der menschlichen Möglichkeiten<br />
verdeutlichen oder eine Umwertung<br />
normaler menschlicher<br />
Vorstellungen, nach dem Wort von<br />
Paulus: „Das Törichte in der Welt<br />
hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden<br />
zu machen“ (1 Kor 1,27).<br />
Beispieltext<br />
Den französischen Ordensgründer<br />
Franz von Sales (1567-1622) fragte<br />
einmal ein Mann lauernd: „Was<br />
würden Sie tun, wenn ich Sie auf die<br />
rechte Wange schlage?“ Von Sales<br />
antwortete lächelnd: „Mein Fre<strong>und</strong>,<br />
ich weiß, was ich tun sollte, aber<br />
nicht, was ich tun würde.“ (Bearbeitet<br />
nach Laun)<br />
Erläuterung<br />
1. Merkmale<br />
• Kürze: Die Anekdote besteht nur<br />
aus einer denkbar knappen Einleitung,<br />
einer Frage <strong>und</strong> einer Antwort.<br />
Die Hauptfigur <strong>wir</strong>d mit wenigen<br />
Attributen vorgestellt – man<br />
kann den Text verstehen, ohne Näheres<br />
über die Person zu wissen. Der<br />
Gegenspieler ist irgendein beliebiger<br />
Mann; nur seine Frage ist wichtig,<br />
nicht seine Person. Er stellt sie „lauernd“;<br />
daran lässt sich erkennen,<br />
<strong>das</strong>s er den Heiligen in Bedrängnis<br />
bringen, ihm eine Falle <strong>stellen</strong> will<br />
(vgl. dazu ähnliche Situationen in<br />
den Evangelien: Mt 19,3; 22,15; Mk<br />
10,2; Lk 11,54.).<br />
• Pointe: Der Ausdruck „auf die<br />
rechte Wange schlagen“ verweist<br />
eindeutig auf einen berühmten <strong>und</strong><br />
umstrittenen Satz aus der Bergpredigt<br />
Jesu: „Wenn dich einer auf die<br />
rechte Wange schlägt, dann halt ihm<br />
auch die andere hin“ (Mt 5,39). In<br />
der Logik der Frage läge also – für<br />
einen gläubigen Christen – die Antwort:<br />
„Ich würde <strong>Ihnen</strong> auch die andere<br />
Wange hinhalten.“ Darin steckt<br />
etwas Bedrohliches: Niemand lässt<br />
sich gern schlagen. Die Unterscheidung<br />
zwischen dem, was man tun<br />
sollte (den Satz aus der Bergpredigt<br />
kennt von Sales natürlich) <strong>und</strong> der<br />
unkalkulierbaren spontanen Reaktion<br />
bereinigt die Situation auf überraschende<br />
Weise. Man kann darin<br />
sogar eine Warnung an den Frage-<br />
30
Aktuelles <strong>und</strong> Hinweise<br />
steller erkennen, es lieber nicht zu<br />
versuchen...<br />
• Charakterisierung: Der Heilige<br />
(v. Sales wurde 1665 von der katholischen<br />
Kirche heiliggesprochen)<br />
erscheint durch seine schlagfertige<br />
Antwort einerseits als überlegen,<br />
andererseits als sehr menschlich:<br />
Auch der überzeugte Christ kann<br />
sich nicht sicher sein, <strong>das</strong>s er in jeder<br />
Situation <strong>und</strong> sofort in der Lage<br />
ist zu tun, was den höchsten Anforderungen<br />
des Glaubens entspricht.<br />
Die überlegene Menschlichkeit des<br />
Heiligen <strong>wir</strong>d in der Anekdote verstärkt,<br />
indem er auf die Fangfrage<br />
nicht gereizt, sondern „lächelnd“<br />
antwortet <strong>und</strong> den Mann mit „mein<br />
Fre<strong>und</strong>“ anredet. So sorgt er in der<br />
angespannten Situation für eine<br />
menschenfre<strong>und</strong>liche „Deeskalation“.<br />
2. Die Anekdote als Sprachform<br />
des Glaubens<br />
Die Anekdote spricht nur indirekt<br />
von Gott. Ein (anerkannt) vorbildlicher<br />
Mensch lässt erkennen, wie<br />
er mit den Geboten Gottes umgeht.<br />
Er kennt sie, aber er kennt auch<br />
seine Grenzen. So erscheint er sehr<br />
menschlich <strong>und</strong> sympathisch.<br />
Er zeigt aber auch eine heitere Gelassenheit.<br />
Er ruht in sich <strong>und</strong> ist<br />
durch eine Fangfrage nicht so leicht<br />
aus der Ruhe zu bringen. Er kann<br />
spontan, „aus dem Bauch heraus“<br />
reagieren, <strong>das</strong> macht seine Überlegenheit<br />
in dieser Situation aus.<br />
Seine Antwort ist unerwartet <strong>und</strong><br />
„geist-reich“. Er spiegelt darin etwas<br />
von dem wider, was der christliche<br />
Glaube von Gott erkennt: Er<br />
ist überlegen <strong>und</strong> gleichzeitig menschenfre<strong>und</strong>lich.<br />
Wenn eine solche Anekdote überliefert<br />
<strong>wir</strong>d, dann bek<strong>und</strong>et sich darin,<br />
was dem christlichen Glaubensbewusstsein<br />
an Gott <strong>und</strong> seinen Heiligen<br />
wichtig ist.<br />
Zum Kompetenzbegriff gehört die<br />
Fähigkeit, <strong>das</strong> Gelernte auf neue Anwendungssituationen<br />
zu übertragen.<br />
Der Religionsunterricht sollte daher<br />
die Möglichkeit bieten, die Merkmale<br />
der Textformen an weiteren Beispielen<br />
zu entdecken <strong>und</strong> sich die neuen<br />
Texte übend zu erschließen (Beispiele<br />
dazu in Epping, 2009).<br />
Josef Epping: Von Anekdote bis<br />
W<strong>und</strong>ergeschichte. Textsorten verstehen.<br />
– München: Kösel, 2009. –<br />
240 S. ISBN 978-3-466-36813-6<br />
Totenerweckungen im Religionsunterricht –<br />
Didaktische Perspektiven zu den Erzählungen über die Tochter des Jairus (Mk 5, 21-24.35-43)<br />
<strong>und</strong> den Jüngling von Nain (Lk 7,11-17)<br />
1. Beide biblischen Texte thematisieren<br />
gemäß historisch-kritischer <strong>und</strong><br />
tiefenpsychologischer Interpretation<br />
allgemein den Ablöseprozess Jugendlicher<br />
von den Eltern <strong>und</strong> den<br />
Prozess des Reifens zur Unabhängigkeit.<br />
Als „antike Tragödien des<br />
Alltags“ (E. Drewermann) spiegeln<br />
sie damit gleichzeitig gr<strong>und</strong>sätzliche<br />
Probleme der heutigen Jugendlichen<br />
wider. Es handelt sich im Kontext<br />
dieser „Theologie der Beziehung“ (F.<br />
Bovon) bei der Tochter des Jairus<br />
um eine junge Frau an der Schwelle<br />
zum Erwachsenwerden, die einem<br />
Vaterkomplex verhaftet ist, <strong>und</strong> bei<br />
dem Jüngling von Nain um einen<br />
jungen Mann an der Schwelle zum<br />
Erwachsenwerden, der einem Mutterkomplex<br />
anhängt. Die historischkritische<br />
Exegese sieht in den Erzählungen<br />
Familienkonflikte gespiegelt,<br />
die besonders für jugendliche<br />
Christen der Urgemeinde verfasst<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
worden sind. Sie enthalten sicher<br />
auch eine eschatologische Dimension,<br />
<strong>das</strong> Auferstehungsmotiv dient<br />
jedoch wesentlich als Existenzial,<br />
als Bild für eine Lebensstrategie. Es<br />
gilt, aus dem Glauben an eine Auferstehung<br />
der Toten Kraft <strong>und</strong> Mut<br />
für eine heilsame <strong>und</strong> couragierte<br />
Bewältigung von Eltern-Kind-Konflikten<br />
zu ziehen.<br />
2. Die jeweiligen Protagonisten (die<br />
Tochter des Jairus/der junge Mann<br />
von Nain) können aufgr<strong>und</strong> der exegetisch<br />
eruierten aktuellen Thematik<br />
als geschlechtsspezifische<br />
Identifikationsfiguren für Mädchen<br />
<strong>und</strong> Jungen herangezogen werden.<br />
Es gilt dabei zu beachten, <strong>das</strong>s sich<br />
als thematischer Schwerpunkt für<br />
die Mädchen ein Vater-Tochter-<br />
Konflikt herauskristallisiert, der<br />
im Kern die weibliche Sexualangst<br />
impliziert. Demgegenüber erhellt<br />
31<br />
die Nain-Geschichte <strong>das</strong> jungentypische<br />
Problemfeld eines von der<br />
Mutter vereinnahmten Sohnes, der<br />
als Ersatzpartner <strong>und</strong> Vaterersatz<br />
im Familienverb<strong>und</strong> zu funktionieren<br />
hat.<br />
3. Die aktuelle Religionsdidaktik<br />
fordert einen kritischen Umgang<br />
mit derartigen, nach exegetischer<br />
Auslegung bereits biblisch belegten<br />
geschlechtstypischen Zuschreibungen.<br />
Konkret gilt es, die vordergründige<br />
Normalität gültiger Geschlechterstereotype<br />
zu hinterfragen.<br />
Mit der Exegese <strong>wir</strong>d man gerade<br />
in den Totenerweckungserzählungen<br />
akzeptable Möglichkeiten<br />
zur Hinterfragung der Geschlechterstereotypen<br />
finden können. Da es<br />
sich im Falle der Jairus-Geschichte<br />
um ein intimes Sexualproblem der<br />
Frau, im Falle des Jünglings von<br />
Nain um ein intimes männer- !
! spezifisches Problem handelt,<br />
ist es u. E. nur konsequent, diese geschlechtsspezifischen<br />
Aspekte in der<br />
Unterrichtsplanung zu berücksichtigen.<br />
Gegen gängige unterrichtsmethodische<br />
Überlegungen können<br />
daher diese (biblisch vermittelten)<br />
Geschlechterstereotypen ernster<br />
genommen <strong>und</strong> zum Ausgangspunkt<br />
der Unterrichtsorganisation<br />
gewählt werden. Die Mädchen sollen<br />
entsprechende Möglichkeiten<br />
erhalten, den frauenspezifischen<br />
Konflikt in einer reinen Mädchengruppe<br />
unbefangen zu erarbeiten<br />
<strong>und</strong> zu diskutieren; <strong>und</strong> die Jungen<br />
des Kurses sollen analog die Chance<br />
bekommen, <strong>das</strong> spezifische Mutter-<br />
Sohn-Problem unter sich frei zu besprechen.<br />
Es ist gemäß den neuesten<br />
Erfahrungen mit Geschlechtertrennung<br />
erwiesen, <strong>das</strong>s Mädchen<br />
im phasenweise getrennten Unterricht<br />
lebhafter <strong>und</strong> selbstbewusster<br />
auftreten.<br />
Der RU kann hier folglich exemplarisch<br />
realisieren, was in der Pädagogik<br />
im Rahmen der Debatte über<br />
eine „reflexive Koedukation“ <strong>und</strong><br />
<strong>das</strong> „Gender-Mainstreaming“ bezüglich<br />
einer „geschlechtergerechten<br />
Schule“ vorgeschlagen <strong>wir</strong>d, nämlich<br />
themenbezogen Mädchen <strong>und</strong><br />
Jungen phasenweise getrennt zu unterrichten,<br />
um auf der inhaltlichen<br />
Ebene die diversen Perspektiven<br />
<strong>und</strong> Rollen von Mädchen <strong>und</strong> Jungen<br />
zu beachten <strong>und</strong> zu reflektieren.<br />
Die zeitweilige Aufhebung des koedukativen<br />
Unterrichts zugunsten<br />
geschlechterhomogener Gruppen<br />
kann darüber hinaus bei Lehrperson<br />
<strong>und</strong> Schülern zu einer Reflexion der<br />
Methodik <strong>und</strong> Didaktik führen (etwa<br />
zu der die Frage, warum im RU<br />
die männlichen biblischen Figuren<br />
favorisiert werden, oder zu der<br />
möglichen Unbefangenheit in einer<br />
homogenen Gruppe). Das Konzept<br />
verspricht eine effektivere Entlarvung<br />
der Geschlechterstereotypen<br />
<strong>und</strong> eine stärkere <strong>und</strong> nachhaltigere<br />
Identifikation mit gleichaltrigen <strong>und</strong><br />
gleichgeschlechtlichen biblischen Figuren<br />
<strong>und</strong> den entsprechenden Erzählungen,<br />
was zugleich einer Marginalisierung<br />
der Frauenfiguren im<br />
RU entgegenarbeitet.<br />
4. Darüber hinaus nennt die existenzielle<br />
Auslegungsliteratur als legitime<br />
Transfermöglichkeiten alle Formen<br />
zwischenmenschlicher Beziehungen,<br />
in denen die geschilderten<br />
psychologischen Mechanismen<br />
greifen: Freiheitsbeschränkung<br />
bei<br />
gleichzeitig aufgebautem<br />
Erwartungsdruck.<br />
Was<br />
sich in den Eltern-<br />
Kind-Konflikten<br />
zeigt, gilt analog<br />
für Liebesbeziehungen.<br />
Der geliebte<br />
Mensch <strong>wir</strong>d zu<br />
einem Abbild unserer<br />
Vorstellungen<br />
mit entsprechenden<br />
Sanktionen, wie<br />
dies M. Frisch beispielhaft<br />
in seinem<br />
Roman „Stiller“ illustriert<br />
hat. Derartige<br />
Transferangebote werden in<br />
dem Band nicht unterschlagen, sind<br />
jedoch dem geschlechtsspezifischen<br />
Familienproblem nachgeordnet.<br />
5. Der Wandel des Mädchens zur<br />
Frau <strong>und</strong> des Jungen zum Mann<br />
<strong>wir</strong>d in den Totenerweckungserzählungen<br />
als ein „Sterben“ bzw.<br />
„Schlaf“ verstanden, dem <strong>das</strong> neue<br />
Leben mit einer neuen Identität<br />
folgt. Dieser poetisch ausgemalte<br />
einschneidende Schritt beim Übergang<br />
zum Erwachsenwerden ist, religionswissenschaftlich<br />
gesehen, im<br />
Judentum nicht singulär. Er begegnet<br />
ganz ähnlich im antiken Mythos,<br />
in der Weltliteratur, insbesondere<br />
in den Märchen <strong>und</strong> schließlich in<br />
den Initiationsriten der Stammeskulturen.<br />
Wie die beiden jugendlichen<br />
Figuren der ntl. Erzählungen<br />
gemäß den Deutungen der Exegese,<br />
so erleben auch heute noch Mädchen<br />
<strong>und</strong> Jungen die Initiation als<br />
Metamorphose des Gefühls, „lebendig<br />
begraben“ zu sein, zu einer von<br />
allen anerkannten Existenz. Was in<br />
den Initiationsriten als dramatische<br />
Inszenierung der Ablösung von der<br />
Kindheit vorgeführt <strong>wir</strong>d, findet<br />
sich poetisch verdichtet auch in vielen<br />
Mythen <strong>und</strong> Märchen. Gerade<br />
sie umschreiben den Prozess der<br />
32<br />
Emanzipation von den Eltern als ein<br />
„Getötet-Werden“, als einen Moment<br />
des „Todes“, der Ermattung oder des<br />
„Schlafes“, dem die Erlösung folgt.<br />
Diese Erlösung meint hier wie in<br />
den biblischen Erzählungen nicht<br />
den totalen Abbruch<br />
der Kommunikation<br />
mit den<br />
Eltern, sondern die<br />
Integration dessen,<br />
wovon man sich gelöst<br />
hat, in <strong>das</strong> neue<br />
eigene Lebenskonzept.<br />
Dieser Band<br />
<strong>wir</strong>d diese frappierenden<br />
Motivähnlichkeiten<br />
nicht<br />
einfach ausblenden;<br />
der Vergleich<br />
mit dem Märchen<br />
„Dornröschen“ von<br />
d e n G e b r ü d e r n<br />
Grimm soll die zentralen<br />
Motive der<br />
ntl. Totenerweckungen noch einmal<br />
verständlicher machen <strong>und</strong> die therapeutische,<br />
erlösende Funktion des<br />
Jesus von Nazareth im Rahmen einer<br />
„Theologie der Beziehung“ verdeutlichen.<br />
7. Es ist letztlich Ziel dieses Bandes,<br />
mit Hilfe der skizzierten didaktischen<br />
Perspektiven die Gr<strong>und</strong>aufgabe<br />
biblischen Unterrichts nach<br />
H.-K. Berg erfolgreich zu bearbeiten:<br />
„Im Religionsunterricht sind die biblischen<br />
Inhalte so auszuwählen<br />
<strong>und</strong> so auszulegen, <strong>das</strong>s junge Menschen<br />
ihre kritische <strong>und</strong> befreiende<br />
Dynamik <strong>und</strong> die in ihnen aufbewahrte<br />
Hoffnungskraft erkennen<br />
<strong>und</strong> annehmen können; junge Menschen<br />
sind zur kritischen Analyse<br />
ihres Lebens <strong>und</strong> ihrer Welt zu befähigen,<br />
damit sie die befreienden Impulse<br />
der biblischen Überlieferung<br />
als eine ihnen zugedachte Chance<br />
zur Veränderung erkennen <strong>und</strong> annehmen<br />
können.“<br />
Volker Garske, Ulrike Gers: Die<br />
Tochter des Jairus <strong>und</strong> Der Jüngling<br />
von Nain. – Paderborn, Schöningh,<br />
2009. – 89 S. (EinFach Religion: Interpretationen,<br />
Unterrichtsmodell) –<br />
ISBN 978-3-14-053602-8
Aktuelles <strong>und</strong> Hinweise<br />
Am Gr<strong>und</strong>gesetz darf nicht gerüttelt werden<br />
KED kritisiert Forderung nach Abschaffung des Religionsunterrichts<br />
im Programmentwurf der NRW-Linken<br />
Bonn, 12. Oktober 2009 – Als doppeltes<br />
Eigentor bezeichnet die B<strong>und</strong>esvorsitzende<br />
der Katholischen<br />
Elternschaft Deutschlands, Marie-<br />
Theres Kastner (MdL), die Forderungen<br />
der NRW-Linken im Entwurf<br />
für ihr Landtagswahlprogramm,<br />
zum einen den Religionsunterricht<br />
abzuschaffen <strong>und</strong> durch Ethikunterricht<br />
zu ersetzen <strong>und</strong> zum zweiten<br />
die Schulen in privater Trägerschaft<br />
nicht mehr zu finanzieren.<br />
„Damit verläßt die NRW-Linke den<br />
Boden der Verfassung der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland. Religionsunterricht<br />
als ordentliches Lehrfach ist in<br />
Artikel 7, Absatz 3 unseres Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />
garantiert. Damit <strong>wir</strong>d eine<br />
Bildungskultur festgeschrieben,<br />
die nicht nur ökonomischen Anforderungen<br />
folgt, sondern den hohen<br />
Stellenwert einer identitätsstiftenden<br />
wertegeb<strong>und</strong>enen Erziehung<br />
für die Entwicklung von Demokratiefähigkeit,<br />
Toleranz <strong>und</strong> Solidarität<br />
anerkennt.“<br />
Zur Forderung der NRW-Linken:<br />
„Keine Förderung der privaten<br />
Ersatzschulen für Kinder reicher<br />
Eltern durch Landesmittel“ sagt<br />
Kastner weiter: „Die Schulen in<br />
privater Trägerschaft in Nordrhein-Westfalen,<br />
wie zum Beispiel<br />
die katholischen Schulen, erfüllen<br />
verbindliche Standards <strong>und</strong> dürfen<br />
kein Schulgeld erheben. Damit stehen<br />
Sie allen Familien offen, egal<br />
wie finanzkräftig sie sind. Mit der<br />
Förderung privater Schulen aus<br />
Landesmitteln <strong>wir</strong>d Eltern mehr<br />
pädagogische Vielfalt im Bildungswesen<br />
geboten <strong>und</strong> sie werden in der<br />
Erreichung der Ziele staatlich beaufsichtigt.<br />
Die Kritik der NRW-Linken<br />
entbehrt daher jeglicher sachlichen<br />
Gr<strong>und</strong>lage.“<br />
Kastner resümiert: „Am Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
darf nicht gerüttelt werden <strong>und</strong><br />
politische Positionen müssen sachlich<br />
begründet sein. Mit ihrem Programmentwurf<br />
offenbart die NRW-<br />
Linke lediglich ihre fehlende Demokratiefähigkeit<br />
<strong>und</strong> verbaut sich<br />
jegliche Chance, als kompetenter<br />
Partner in der Politik ernst genommen<br />
zu werden. Man kann nur hoffen,<br />
<strong>das</strong>s der Entwurf nicht der Beschluss<br />
ist <strong>und</strong> <strong>das</strong>s Die Linken in<br />
anderen B<strong>und</strong>esländern in andere<br />
Richtungen denken.“<br />
Ausstellung im Wolfgang-Bonhage-Museum Korbach<br />
„Ihr Tod reißt nicht die geringste Lücke …“<br />
NS-„Euthanasie“ in Waldeck-Frankenberg<br />
Am 1. September 2009 war es<br />
70 Jahre her, <strong>das</strong>s Adolf Hitler<br />
mit dem sog. „Euthanasie“-Erlass<br />
die systematische Ermordung von<br />
Menschen, die als lebensunwert deklariert<br />
wurden, freigab. Zwischen<br />
200.000 <strong>und</strong> 300.000 psychisch<br />
kranke <strong>und</strong> geistig behinderte Menschen<br />
starben zwischen 1939 <strong>und</strong><br />
1945 in Gaskammern, durch tödliche<br />
Medikamentengaben oder<br />
Unterernährung. Darüber hinaus<br />
wurden etwa 400.000 Menschen<br />
zwangssterilisiert.<br />
Unter den Opfern der NS-<br />
„Euthanasie“ waren auch behinderte<br />
<strong>und</strong> kranke Menschen aus unserer<br />
Region - Menschen, die in Waldeck-Frankenberg<br />
geboren wurden,<br />
hier lebten oder die zwangsweise in<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
Fabriken <strong>und</strong> in der Land<strong>wir</strong>tschaft<br />
arbeiten mussten, Menschen, die systematisch<br />
erfasst <strong>und</strong> umgebracht<br />
wurden. Auf Initiative des Lebenshilfe-Werks<br />
Waldeck-Frankenberg<br />
hat eine Projektgruppe, in der auch<br />
der Landeswohlfahrtsverband, die<br />
Gedenkstätte Hadamar <strong>und</strong> der Internationale<br />
Suchdienst in Bad Arolsen<br />
vertreten waren, eine Ausstellung<br />
erarbeitet, die an diese Menschen,<br />
an die wohl am wenigsten<br />
bekannte Opfergruppe des Nationalsozialismus,<br />
erinnern möchte.<br />
Im Oktober 1939 autorisierte Adolf<br />
Hitler den Chef der Kanzlei des<br />
Führers Philipp Bouhler <strong>und</strong> seinen<br />
Begleitarzt Karl Brandt, die Ermordung<br />
behinderter Menschen vorzubereiten.<br />
Diese sog. Ermächtigung<br />
33<br />
Adolf Hitlers, für die es keine rechtliche<br />
Gr<strong>und</strong>lage gab <strong>und</strong> die Hitler<br />
auf den 1. September 1939, den Tag<br />
des Beginns des 2. Weltkrieges, zurückdatierte,<br />
reichte aus, eine Organisation<br />
einzurichten, die unter<br />
der Regie der Kanzlei des Führers<br />
<strong>und</strong> unter Mithilfe des Innenministeriums<br />
behinderte Menschen in<br />
Deutschland <strong>und</strong> Österreich systematisch<br />
ermordete. Nach der Adresse<br />
der Mordzentrale in der Tiergartenstraße<br />
4 in Berlin wurde diese<br />
Tötungsmaschinerie als Aktion „T 4“<br />
bezeichnet.<br />
Geistig oder körperlich behinderte<br />
Menschen, Menschen, deren Krankheiten<br />
man als vererbbar betrachtete,<br />
Kinder in Fürsorgeheimen,<br />
sog. „Asoziale“ <strong>und</strong> „Minder- !
! wertige“, Kriminelle <strong>und</strong> Alkoholabhängige,<br />
zudem Menschen<br />
jüdischer oder anderer „fremdrassiger“<br />
Herkunft passten nicht in<br />
<strong>das</strong> Idealbild, <strong>das</strong> die nationalsozialistische<br />
Propaganda vom „erbges<strong>und</strong>en<br />
deutschen Volkskörper“<br />
zeichnete. Diese Menschen wurden<br />
als Bedrohung für die „Volksges<strong>und</strong>heit“<br />
angesehen, sie sollten<br />
registriert, zwangssterilisiert<br />
<strong>und</strong> schließlich aus<br />
der Gesellschaft ausgesondert<br />
werden.<br />
Besonders Menschen,<br />
die in Heil- <strong>und</strong> Pflegeanstalten<br />
oder in Fürsorgeheimen<br />
lebten, galten<br />
der Propaganda <strong>und</strong> dem<br />
staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesen,<br />
<strong>das</strong> nach rassenhygienischen<br />
Vorstellungen<br />
umgeformt worden war,<br />
als „Ballastexistenzen“,<br />
die auf Kosten der Gemeinschaft<br />
lebten. Der<br />
erste Schritt zur Durchsetzung<br />
der nationalsozialistischen<br />
Ges<strong>und</strong>heits<strong>und</strong><br />
Rassenpolitik war<br />
<strong>das</strong> „Gesetz zur Verhütung<br />
erbkranken Nachwuchses“,<br />
in dessen Folge<br />
schätzungsweise 400.000<br />
angeblich „erbkranke“<br />
Menschen zwangssterilisiert<br />
wurden.<br />
Die ersten Opfer der NS-<br />
„Euthanasie“ waren geistig oder<br />
körperlich behinderte Neugeborene<br />
<strong>und</strong> Kinder. In über 20 sog. „Kinderfachabteilungen“<br />
ermordeten Ärzte<br />
<strong>und</strong> Pflegepersonal zwischen 1939<br />
<strong>und</strong> 1945 über 5.000 Mädchen <strong>und</strong><br />
Jungen, indem sie ihnen tödliche<br />
Medikamente verabreichten oder<br />
die Kinder verhungern ließen. Anfang<br />
1940 wurden die ersten Opfer<br />
der Erwachsenen- „Euthanasie“ in<br />
Brandenburg in Probevergasungen<br />
ermordet. Danach ließ die Mordzentrale<br />
der Aktion „T 4“ fünf weitere<br />
Gasmordanstalten in Deutschland<br />
<strong>und</strong> Österreich einrichten ließ. In<br />
diesen sechs Anstalten (Brandenburg<br />
an der Havel, Bernburg an<br />
der Saale, Sonnenstein/Pirna, Grafeneck<br />
in Württemberg, Hadamar<br />
bei Limburg <strong>und</strong> Hartheim/Linz)<br />
34<br />
Ein Ausschnitt der Ausstellung gewährt einen ersten Einblick in ihren Aufbau.<br />
wurden zwischen Januar 1940 <strong>und</strong><br />
August 1941 über 70.000 Menschen<br />
ermordet.<br />
Mit grauen Bussen oder mit der Eisenbahn<br />
wurden die Menschen aus<br />
den Heil- <strong>und</strong> Pflegeanstalten abgeholt<br />
<strong>und</strong> in die Tötungsanstalten<br />
gebracht. Zuvor hatte die „T 4“-Zentrale<br />
die Opfer mit Meldebögen erfassen<br />
lassen. Aufgr<strong>und</strong> einer in den<br />
Meldebögen attestierten „Arbeitsunfähigkeit“<br />
oder „Unheilbarkeit“<br />
entschieden sog. „Gutachter“, ausgewählte<br />
Ärzte im Auftrag von „T<br />
4“, über <strong>das</strong> Leben oder den Tod der<br />
Menschen, die sie nie gesehen hatten.<br />
Trotz aller Geheimhaltung <strong>und</strong> Täuschungsaktionen<br />
ließ sich <strong>das</strong> Morden<br />
in den Mordzentren nicht auf<br />
Dauer verheimlichen. Proteste von<br />
Angehörigen, Berichte von Anwohnern,<br />
aber auch öffentliche Kritik<br />
seitens der Kirchen <strong>und</strong> Nachfragen<br />
von Behörden <strong>und</strong> Gerichten<br />
führten dazu, <strong>das</strong>s Adolf Hitler im<br />
August 1941 die Gasmorde ein<strong>stellen</strong><br />
ließ. Jedoch bedeutete <strong>das</strong> Ende<br />
der Gasmordaktion nicht <strong>das</strong> Ende<br />
der NS-„Euthanasie“. Zwar wurden<br />
die Gaskammern in den Tötungsanstalten<br />
entfernt <strong>und</strong> die Öfen, in<br />
denen die Opfer verbrannt worden<br />
waren, abgerissen. Aber der Mord<br />
an den behinderten Menschen ging<br />
mit anderen, unauffälligeren Mitteln<br />
- durch Überdosen von Medikamenten<br />
<strong>und</strong> Mangelernährung – bis<br />
1945 unvermindert weiter.<br />
Die in den Gaskammern <strong>und</strong> Krematorien<br />
gewonnenen „Erfahrungen“<br />
nutzten die Nationalsozialisten für<br />
den Mord an den europäischen Juden:<br />
Das Personal der „T4“-Aktion<br />
kam seit 1941 in den Konzentrationslagern<br />
in den besetzten Gebieten<br />
des Ostens zum Einsatz. Es existiert<br />
somit in personeller wie in technischer<br />
Hinsicht eine Kontinuität<br />
zwischen dem Mord an den Behinderten<br />
<strong>und</strong> der „Endlösung der Judenfrage“.<br />
9.9.2009-25.4.2010<br />
Di- So 11-16.30 Uhr, für Schulklassen<br />
<strong>und</strong> Gruppen nach Vereinbarung<br />
auch außerhalb der Öffnungszeiten<br />
Wolfgang-Bonhage-MUSEUM KOR-<br />
BACH<br />
Kirchplatz 4<br />
34497 Korbach
Aktuelles <strong>und</strong> Hinweise<br />
Vom Sternsingen, dem Jahressegen <strong>und</strong> der<br />
Freude, Gutes zu tun<br />
– eine katholische Tradition in ökumenischer Offenheit –<br />
„Wir kommen daher aus dem Morgenland,<br />
<strong>wir</strong> kommen geführt von<br />
Gottes Hand, <strong>wir</strong> wünschen euch<br />
ein frohes Jahr: Caspar, Melchior<br />
<strong>und</strong> Balthasar.“ Mit solchen oder<br />
ähnlichen Liedern <strong>und</strong> Wünschen<br />
ziehen jährlich in den Tagen zwischen<br />
Weihnachten <strong>und</strong> dem 6. Januar<br />
(Epiphanias) tausende von<br />
Kindern meist im Alter von 8- 13<br />
Jahren von Haus zu Haus. Ihr Zeichen<br />
ist der mitgetragene achtstrahlige<br />
Stern, der zunächst den Bezug<br />
zum „Drei-Königs-Fest“ herstellt.<br />
Darüber hinaus ruft er die acht Seligpreisungen<br />
(Mt 5,2ff), die als Programm<br />
Jesu in besonderer Weise die<br />
Armut <strong>und</strong> die Not der Schwachen<br />
in den Blick nehmen, in Erinnerung.<br />
Verb<strong>und</strong>en mit dem Segenswunsch<br />
erbitten die Sternsinger Gaben für<br />
Projekte <strong>und</strong> Hilfsprogramme r<strong>und</strong><br />
um den Globus in den Bereichen Bildung,<br />
Evangelisierung, Ges<strong>und</strong>heit,<br />
Wasserversorgung, Ernährung usw.<br />
Durch Informationsmaterialien,<br />
Spiele <strong>und</strong> Aktionsvorschläge unterstützt,<br />
bereiten sich in den Pfarrgemeinden<br />
oder auch in Projekten<br />
des Religionsunterrichts pro Jahr<br />
b<strong>und</strong>esweit 500.000 Sternsinger auf<br />
einen wechselnden Länderschwerpunkt<br />
vor. Sie lernen die Lebenssituation<br />
Gleichaltriger kennen. Sympathie<br />
baut sich auf <strong>und</strong> führt zur<br />
Aktion.<br />
Es macht Spaß, sich in kleinen<br />
Gruppen in den kostbaren Gewändern<br />
der Weisen aus dem Morgenland<br />
von Haus zu Haus zu begeben,<br />
um den Segen der Weihnacht weiter<br />
zu tragen – angeschrieben als Jahressegen<br />
mit dem Kreidezeichen<br />
an die Wohnungstür: C+M+B 2010<br />
– Christus Mansionem Benedicat<br />
(Christus segne dieses Haus im neuen<br />
Jahr 2010). Auf die gesungenen<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
Lieder <strong>und</strong> den Segenswunsch (bene-dicere:<br />
gut sagen!) antworten die<br />
so an ihren Haustüren Beschenkten<br />
ihrerseits mit einer Spende für die<br />
„Eine-Welt-Arbeit“. Dass ab <strong>und</strong><br />
an ein kleiner „süßer Lohn“ für die<br />
Sternsinger dabei abfällt, braucht<br />
keine besondere Erklärung.<br />
Immer häufiger nehmen auch evangelische<br />
Kinder an der katholischen<br />
Aktion in ökumenischer Offenheit<br />
teil. Gemeinsam lassen sich Kinder<br />
– angeleitet von erwachsenen Begleitern<br />
– von der Freude der Magier<br />
angesichts des göttlichen Kindes<br />
in der Welt anrühren, gemeinsam<br />
tragen sie als Christen seine Licht-<br />
Botschaft zu den Menschen.<br />
Die Basis jedweder Ökumene ist<br />
die Hl. Schrift. In der Ur-k<strong>und</strong>e des<br />
Glaubens lesen <strong>wir</strong> im 2. Kapitel<br />
bei Matthäus wie die ferne Welt in<br />
Gestalt der „Maggoi“ einem Ankündigungsstern<br />
(„Ein Stern geht in<br />
35<br />
Jakob auf,…“; Num 24,17) folgt, um<br />
dem „neugeborenen König“ zu huldigen<br />
– <strong>und</strong> am Ende des Evangeliums<br />
spricht der Auferstandene seinen<br />
Auftrag: …geht zu allen Völkern<br />
(Mt 28, 19a). Es ist ein bemerkenswertes<br />
Einlösen des Missionsauftrages,<br />
wenn Kinder ihren Blick auf<br />
„die Völker“ weiten <strong>und</strong> die Not der<br />
„Kinder-Welt“ ihr Anliegen <strong>wir</strong>d.<br />
Mehr noch: Die christliche Ikonographie<br />
stellt zu allermeist die<br />
Weisen („drei“ – abgeleitet von den<br />
drei Geschenken: Gold – Zeichen<br />
für den neuen König, Weihrauch –<br />
Huldigung der göttlichen Person,<br />
Myrrhe – Salbe für den Menschen)<br />
in verschiedenen Lebensaltern <strong>und</strong><br />
Hautfarben dar. Aus diesen Gr<strong>und</strong>sätzen,<br />
die auf den angelsächsischen<br />
Mönch Beda Venerabilis (um 700)<br />
zurückgehen, entwickelt sich die Repräsentanz<br />
der „Könige“ für die drei<br />
Lebensalter <strong>und</strong> die drei Erdteile<br />
Europe, Asien, Afrika, also die Verkörperung<br />
der damals bekannten<br />
Welt. Die Sternsinger formieren sich<br />
in dieser Tradition zu Vertretern der<br />
Menschheit, die Grenzen überwinden<br />
<strong>und</strong> zu Friedensboten der Einen<br />
Welt werden.<br />
Wer sich beteiligen möchte kann<br />
sich an die katholischen Pfarrgemeinden<br />
vor Ort wenden. Darüber<br />
hinaus gibt der Internetauftritt<br />
www.sternsinger.de alle notwendigen<br />
Informationen <strong>und</strong> hilfreiche<br />
Anregungen.<br />
„Kinder finden neue Wege“ heißt <strong>das</strong><br />
Leitwort der 52. Aktion Dreikönigssingen<br />
2010. Das Beispielland des<br />
kommenden Dreikönigssingens, <strong>das</strong><br />
am 29. Dezember in Hamburg b<strong>und</strong>esweit<br />
eröffnet <strong>wir</strong>d, ist der Senegal.<br />
Gerhard Krombusch, IRUM
Religionspädagogen besuchen „Tiere der<br />
Bibel“ in Nadermanns Tierpark<br />
Neues ungewöhnliches religionspädagogisches Projekt<br />
Warum landete der Prophet Daniel<br />
eigentlich in einer Löwengrube? Und<br />
hätte Petrus seine Verfehlungen<br />
auch erkannt, wenn der Hahn ihm<br />
nicht sozusagen ins Gewissen gekräht<br />
hätte? Warum war es den<br />
Menschen in biblischen Zeiten eigentlich<br />
lieber, wenn der neue König<br />
auf einem Esel ritt <strong>und</strong> nicht auf<br />
einem Pferd? Um diese <strong>und</strong> ähnliche<br />
Fragen ging es in diesen Tagen bei<br />
einer „tierischen“ Fortbildung für<br />
Religionslehrer/innen <strong>und</strong> pastorale<br />
Mitarbeiter/innen in Nadermanns<br />
Tierpark in Delbrück.<br />
Gemeinsam mit dem IRuM führte<br />
<strong>das</strong> Bonifatiuswerk der deutschen<br />
Katholiken den Kurs „Tiere der Bibel“<br />
erstmalig durch. Der Kurs soll<br />
Kindern auf spielerische <strong>und</strong> spannende<br />
Weise große Themen der Bibel<br />
näherbringen.<br />
fast hautnah Bibeltiere erleben können<br />
<strong>und</strong> so auf eine beeindruckende<br />
Weise erfahren <strong>und</strong> neu entdecken,<br />
welche Ausstrahlung <strong>und</strong> Faszination<br />
von den Tieren ausgeht. Die Geschichte<br />
von „Daniel in der Löwengrube“<br />
vor dem Löwengehege zu hören<br />
– Auge in Auge mit den Löwen<br />
– spricht eine andere Sprache, als<br />
Teilnehmern bewusst, <strong>das</strong>s diese<br />
Tiere in der Bibel eine wichtige Rolle<br />
spielen. „Der Kurs versteht sich<br />
als Beitrag zu einer bodenständigen<br />
<strong>und</strong> missionarischen Theologie <strong>und</strong><br />
ist gerade auch für den Elementar<strong>und</strong><br />
Primarbereich konzipiert“, erläutert<br />
der Generalsekretär des Bonifatiuswerkes,<br />
Monsignore Austen,<br />
Der Prophet<br />
Daniel wurde<br />
vom König in<br />
die Löwengrube<br />
geworfen,<br />
wie <strong>das</strong><br />
Alte Testament<br />
berichtet. Die<br />
Löwen taten<br />
ihm auf w<strong>und</strong>ersame<br />
Weise<br />
nichts. Foto:<br />
Bonifatiuswerk<br />
„In Nadermanns Tierpark in Delbrück<br />
finden <strong>wir</strong> alles, was <strong>wir</strong><br />
für die praktische Umsetzung des<br />
Projektes brauchen“, so Matthias<br />
Micheel, Leiter der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe<br />
im Bonifatiuswerk in Paderborn<br />
<strong>und</strong> Initiator der Aktion.<br />
Und Lioba Kolbe vom Erzbistum Paderborn<br />
ergänzt: „Für Kinder ist die<br />
gepflegte Anlage optimal, da sie hier<br />
Marlies Nadermann stellt<br />
die Kamele des Tierparks<br />
vor. In der Bibel nennt<br />
Jesus persönlich <strong>das</strong><br />
Kamel: „Eher geht ein<br />
Kamel durch ein Nadelöhr,<br />
als <strong>das</strong>s ein Reicher<br />
in <strong>das</strong> Reich Gottes<br />
gelangt.“<br />
Foto: Bonifatiuswerk<br />
wenn ich diese Bibelstelle an Hand<br />
eines Bilderbuches mit Kindern lese.“<br />
Fachk<strong>und</strong>ig unterstützt wurden<br />
Kolbe <strong>und</strong> Micheel durch Marlies<br />
Nadermann, die Tochter des Tierparkchefs.<br />
Spätestens bei ihrer<br />
abendlichen Führung mit Fütterung<br />
der Löwen, Leoparden, Kamele <strong>und</strong><br />
Esel <strong>wir</strong>d den Teilnehmerinnen <strong>und</strong><br />
<strong>das</strong> gr<strong>und</strong>sätzliche Anliegen der Aktion,<br />
die im nächsten Jahr auf jeden<br />
Fall fortgeführt werden soll. Interessierte<br />
Schulklassen <strong>und</strong> Gruppen<br />
aus den Gemeinden - auch im Rahmen<br />
der Erstkommunionvorbereitung<br />
oder der Seelsorgest<strong>und</strong>e - an<br />
einer Themenführung können sich<br />
jederzeit bei Lioba Kolbe (IRuM) unter<br />
Telefon 0 52 51/1 25-14 99 oder<br />
unter E-Mail: lioba.kolbe@erzbistum-paderborn.de<br />
oder bei Matthias<br />
Micheel (Bonifatiuswerk) unter<br />
Telefon: 0 52 51/29 96-50 oder unter<br />
E-Mail: kinderhilfe@bonifatiuswerk.<br />
de melden.<br />
Am 19.04.2010 <strong>wir</strong>d diese Veranstaltung<br />
im Dortm<strong>und</strong>er Zoo wiederholt.<br />
Genaue Daten entnehmen sie bitte<br />
dem Fortbildungskalender 1/2010.<br />
36
Aktuelles <strong>und</strong> Hinweise<br />
Neue Medienkisten im Verleih<br />
Zu den attraktivsten Angeboten<br />
des IRUM für Kindergärten <strong>und</strong><br />
(Gr<strong>und</strong>-)Schulen gehören die Medienkisten.<br />
Zu bestimmten Themenbereichen<br />
stellt <strong>das</strong> IRUM in Paderborn<br />
vorkonfektionierte Bestände<br />
als transportable Mini-Bibliothek<br />
zur Verfügung.<br />
Die neuen Medienkisten beschäftigen<br />
sich mit den Themen Natur<br />
<strong>und</strong> Umwelt, Werte <strong>und</strong> Benehmen,<br />
Ostern sowie First Englisch. Erstmalig<br />
steht auch eine Kiste mit Wii-<br />
Spielen zur Verfügung. Unter www.<br />
irum.de/medienverleih erhalten Sie<br />
eine Übersicht aller vorhandenen<br />
Themenbereiche.<br />
Die Medienkisten enthalten neben<br />
Kindersachbüchern <strong>und</strong> -erzählungen<br />
auch Sachbücher für Erwachsene<br />
zur Themenvorbereitung <strong>und</strong><br />
sind teilweise ergänzt durch andere<br />
Medien wie CDs, CD-ROMs, DVDs,<br />
Spiele. Die Kisten werden ständig<br />
überarbeitet <strong>und</strong> mit neu erschienenen<br />
Medien ausgestattet.<br />
Erzieher <strong>und</strong> Erzieherinnen, Lehrer<br />
<strong>und</strong> Lehrerinnen <strong>und</strong> andere Multiplikatoren<br />
können diese „Kisten“ für<br />
Unterrichtsreihen, Vorlesest<strong>und</strong>en,<br />
Aktionstage, Lesenächte, zur Leseförderung,<br />
Projektwochen <strong>und</strong> ähnliches<br />
nutzen. Gerne <strong>stellen</strong> <strong>wir</strong> <strong>Ihnen</strong><br />
auch individuelle Medienkisten<br />
aus unserem Bibliotheksbestand<br />
nach Ihren Themenwünschen <strong>und</strong><br />
Altersangaben zusammen.<br />
Die Anmeldung <strong>und</strong> Ausleihe sind<br />
für Multiplikatoren kostenlos, die<br />
Ausleihfristen werden bei der Bestellung<br />
individuell vereinbart. Bitte<br />
melden Sie sich für die Themen<br />
frühzeitig an, da teilweise eine große<br />
Nachfrage besteht. Planen Sie also<br />
eine Vorlaufzeit von 4-5 Wochen für<br />
die Bearbeitung ein. Am einfachsten<br />
ist es, wenn Sie telefonisch Kontakt<br />
aufnehmen. Hier können Sie dann<br />
Ihren Themenwunsch <strong>und</strong> Ihren<br />
Wunschtermin bekannt geben.<br />
Weitere Auskünfte <strong>und</strong> Bestellungen:<br />
Ursula Mertens<br />
<strong>Institut</strong> für Religionspädagogik <strong>und</strong> Medienarbeit<br />
Am Stadelhof 10<br />
33098 Paderborn<br />
05251/ 125-1919<br />
ursula.mertens@erzbistum-paderborn.de<br />
Neue Medienkisten<br />
„Wasser, Feuer, Erde, Luft“ – Die Elemente<br />
Geschichten, Lieder, Spielaktionen <strong>und</strong> Bücher<br />
für Kinder im Kindergarten <strong>und</strong> in der Gr<strong>und</strong>schule<br />
„Tiere – Fre<strong>und</strong>e für Kinder“<br />
Erzählende Kinderbücher, Bilderbücher, Kindersachbücher <strong>und</strong> Bücher<br />
für Eltern zum Thema Tiere zu Hause <strong>und</strong> Tiere der Welt<br />
„Gemeinsam sind <strong>wir</strong> mehr!“ – Sozialkompetenz, Werte<br />
<strong>und</strong> Benehmen<br />
Bücher für Kinder im Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule, aber vorwiegend<br />
Literatur für Erzieher / bzw. Lehrer zur Vorbereitung auf <strong>das</strong> Thema<br />
„First Englisch“ – 3 – Medienkiste für Kinder in der 3. / 4. Klasse<br />
Kinderbücher <strong>und</strong> Vorbereitungsliteratur für Gr<strong>und</strong>schullehrer<br />
„Ostern entgegen“<br />
Medien für Erzieher, Lehrer <strong>und</strong> Kinder<br />
„Wii – Spiele in Bewegung“<br />
Konsolenspiele für Vereine, Veranstaltungen, Familien, Senioren.<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
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Religionslehrerinnen <strong>und</strong> Religionslehrer sind herzlich willkommen:<br />
Kirche – Kunst – Verkündigung<br />
Zertifikationsausbildung zum/r Kirchenführer/in im Erzbistum Paderborn<br />
Der Kirchenraum <strong>wir</strong>d heute neu<br />
entdeckt als Versammlungsraum<br />
zur gottesdienstlichen Feier, als<br />
Schutzraum zur Einkehr <strong>und</strong> Besinnung,<br />
als Gegenstand kulturgeschichtlichen<br />
Interesses <strong>und</strong> als<br />
Lern- <strong>und</strong> Erfahrungsort. Diese<br />
Tendenzen bieten Chancen. Aber<br />
ohne Hinführung bleibt <strong>das</strong> Wahrgenommene<br />
unvertraut.<br />
Als Teilnehmer/innen am<br />
Zertifikatskurs<br />
• erweitern Sie ihr Wissen<br />
zur Kirchen- <strong>und</strong><br />
Kunstgeschichte, zu<br />
Kirchenräumen <strong>und</strong><br />
Liturgie, zu Ikonographie<br />
<strong>und</strong> Symbolsprache.<br />
• erhalten Sie Einblick<br />
in Aufbau <strong>und</strong> Gestaltung<br />
von Kirchenführungen<br />
für unterschiedliche<br />
Zielgruppen.<br />
• reflektieren Sie <strong>das</strong><br />
Erfahrene, um daraus<br />
Elemente für die eigene Kirchenführung<br />
zu nutzen.<br />
• lernen Sie Methoden kennen, ihre<br />
Kirchen interessant vorzu<strong>stellen</strong><br />
<strong>und</strong> unterschiedliche Zielgruppen<br />
anzusprechen.<br />
Sie besichtigen verschiedene Kirchen<br />
in Paderborn <strong>und</strong> erleben unterschiedliche<br />
Kirchenführungen.Sie<br />
erfahren auch Hilfen zur Organisation<br />
<strong>und</strong> zur Vernetzung<br />
von Kirchenführungen<br />
im Gemeinde- bzw. Pastoralverb<strong>und</strong>sangebot.<br />
Bei regelmäßiger <strong>und</strong><br />
erfolgreicher Teilnahme<br />
am Basiskurs erhalten<br />
Sie ein Zertifikat.<br />
Für ausgebildete Kirchenführer/innen<br />
wer den<br />
Fachtage zur Fortbildung<br />
<strong>und</strong> Vertiefung des eigenen<br />
Wissens <strong>und</strong> zum<br />
Erfahrungsaustausch angeboten.<br />
Termine<br />
Die Zertifikatsausbildung findet in 5<br />
Abschnitten statt.<br />
29./30.01.2010<br />
19./20.02.2010<br />
12./13.03.2010<br />
23./24.04.2010<br />
28./29.05.2010<br />
Die Kurseinheiten im Liborianum<br />
Paderborn beginnen freitags um<br />
14.30 Uhr <strong>und</strong> enden samstags um<br />
17.00 Uhr<br />
Anmeldeschluss: 19.01.2010<br />
Teilnehmerbeitrag für alle<br />
5 Wochenendveranstaltungen mit<br />
Übernachtung <strong>und</strong> Verpflegung:<br />
280 1<br />
Anmeldungen:<br />
Liborianum<br />
An den Kapuzinern 5-7<br />
33098 Paderborn<br />
Telefon: 05251/1214467<br />
Fax: 05251/1214555<br />
E-Mail: liborianum@erzbistumpaderborn.de<br />
Arbeitsforum für Religionspädagogik vom 23. bis 25. März 2010 in Donauwörth<br />
Standorte finden. Religionsunterricht in der<br />
pluralen Gesellschaft<br />
Dieses fünfte Arbeitsforum möchte<br />
unsere religiös <strong>und</strong> weltanschaulich<br />
plurale Gesellschaft in den Blick<br />
nehmen, um den Religionsunterricht<br />
im Spannungsfeld von Atheismus,<br />
Beliebigkeit <strong>und</strong> F<strong>und</strong>amentalismus<br />
besser positionieren zu können.<br />
An exemplarischen Bereichen<br />
<strong>und</strong> Konfliktfeldern soll im Rahmen<br />
verschiedener Arbeitskreise diese<br />
Standortfindung jeweils konkretisiert<br />
werden.<br />
Die Veranstaltung richtet sich an<br />
Referentinnen <strong>und</strong> Referenten in<br />
den Schulabteilungen <strong>und</strong> den religionspädagogischen<br />
<strong>Institut</strong>en der<br />
deutschen Diözesen, an Fachleiterinnen<br />
<strong>und</strong> Fachleiter an den Seminaren<br />
sowie an Lehrende an den religionspädagogischen<br />
Fachbereichen<br />
der Universitäten bzw. Hochschulen.<br />
Tagungsort ist die Pädagogische Stiftung<br />
Cassianeum in Donauwörth.<br />
Anmeldeschluss: 15. Februar 2010.<br />
Teilnahmekosten: 110,- Euro.<br />
38<br />
Nähere Informationen<br />
<strong>und</strong> Anmeldung:<br />
Pädagogische Stiftung Cassianeum<br />
Heilig-Kreuz-Str. 19;<br />
86 609 Donauwörth<br />
Tel.: 0906 / 70 55 40 - 60<br />
E-Mail:<br />
info@paedagogische-stiftungcassianeum.de<br />
Homepage:<br />
www.paedagogische-stiftungcassianeum.de
Aktuelles <strong>und</strong> Hinweise<br />
Heute Gemeindereferent/<br />
Gemeindereferentin werden ?! –<br />
In einer Zeit großer Umbrüche in<br />
unserer Gesellschaft <strong>wir</strong>d es für die<br />
Menschen immer wichtiger, sich auf<br />
<strong>das</strong> Tragende im Leben zu besinnen.<br />
Als Teil der Gesellschaft steht die<br />
Kirche mit den Menschen vor neuen<br />
Herausforderungen: Neu-Evangelisierung,<br />
Umstrukturierung, Globalisierung.<br />
Diese anzugehen ist reizvoll,<br />
<strong>und</strong> es bringt die Möglichkeit<br />
mit sich, bei den Veränderungsprozessen<br />
mitzu<strong>wir</strong>ken, Ideen zu entwerfen<br />
<strong>und</strong> so gemeinsam Visionen<br />
zu ver<strong>wir</strong>klichen.<br />
Diese Prozesse bedürfen qualifizierter<br />
Kräfte, die sich hauptberuflich<br />
in der Pastoral in den Gemeinden<br />
engagieren, um mit den Mitmenschen<br />
den Glauben zu leben <strong>und</strong><br />
zu teilen <strong>und</strong> somit Halt zu geben<br />
inmitten großer Veränderungen.<br />
Ein/e Gemeindereferent/in hat Freude<br />
am Leben <strong>und</strong> am Glauben <strong>und</strong><br />
engagiert sich in Gemeinden, Schulen,<br />
Kindergärten <strong>und</strong> Verbänden.<br />
Er/sie arbeitet mit Menschen unterschiedlichen<br />
Alters<br />
zusammen, so in<br />
der Erstkommunion-<br />
<strong>und</strong> Firmvorbereitung,<br />
in der<br />
Erwachsenenpastoral<br />
<strong>und</strong> in der<br />
Seniorenarbeit.<br />
Auch nimmt er/sie<br />
liturgische Aufgaben<br />
wahr <strong>und</strong> befähigt<br />
Ehrenamtliche,<br />
<strong>das</strong> Leben<br />
der Gemeinden aktiv<br />
mitzugestalten.<br />
Der Weg in den<br />
Beruf<br />
Der Bachelor Studiengang<br />
der Religionspädagogik<br />
an<br />
der Katholischen<br />
Infotag am 16.1.2010 im Pauluskolleg<br />
Hochschule NRW in Paderborn umfasst<br />
derzeit sechs Semester. Im Anschluss<br />
<strong>wir</strong>d unter Anleitung eines<br />
Mentors <strong>das</strong> Anerkennungsjahr absolviert,<br />
<strong>das</strong> mit der ersten Dienstprüfung<br />
abschließt. Dann erfolgen<br />
zwei Jahre Assistenzzeit, die mit<br />
der zweiten Dienstprüfung zu Ende<br />
geht. Darauf folgt die Übernahme<br />
in den unbefristeten Dienst als<br />
Gemeindereferent/in. Alle, die die<br />
Ausbildung erfolgreich durchlaufen,<br />
können sich auf einen sicheren Arbeitsplatz<br />
verlassen.<br />
Interesse am Beruf des/r<br />
Gemeindereferent/in?<br />
Kennen Sie Menschen, die <strong>Ihnen</strong> für<br />
diesen Beruf geeignet erscheinen?<br />
Dann bitten <strong>wir</strong> Sie, diese persönlich<br />
anzusprechen <strong>und</strong> sie zum K<strong>und</strong>schaftertag<br />
am Samstag, 16. Januar<br />
2010, von 10.00 bis 17.00 Uhr ins<br />
Pauluskolleg in Paderborn einzuladen.<br />
Es gibt Infos zu Studium <strong>und</strong> Beruf<br />
sowie die Möglichkeit<br />
zum Austausch mit<br />
Studierenden <strong>und</strong> eine<br />
Begegnung mit der<br />
Dekanin an der Katholischen<br />
Hochschule.<br />
Infos <strong>und</strong><br />
Anmeldungen:<br />
Benedetta Michelini<br />
Pauluskolleg<br />
Husener Str. 43<br />
33098 Paderborn<br />
05251/ 6999-138<br />
benedetta.michelini@<br />
erzbistum-paderborn.<br />
de.<br />
www.pauluskolleg.de<br />
<strong>und</strong> www.katho-nrw.<br />
de.<br />
21. Februar 2010:<br />
Tag der<br />
offenen Tür<br />
im Collegium<br />
Bernardinum<br />
Das Erzbischöfliche Internat für<br />
Jungen „Collegium Bernardinum“<br />
in Attendorn lädt alle interessierten<br />
Mütter, Väter <strong>und</strong> Schüler ein<br />
zum Tag der „Offenen Tür“ am<br />
Sonntag, 21. Februar 2009, von 11<br />
h bis 17 h.<br />
An diesem Tag stehen <strong>Ihnen</strong><br />
Schüler, Erzieher sowie Präses<br />
Bernhard Schröder für Gespräche,<br />
Informationen <strong>und</strong> Besichtigungsgänge<br />
zur Verfügung. Im Collegium<br />
Bernardinum werden Jungen<br />
ab Klasse 5 aufgenommen,<br />
die Gymnasium, Realschule <strong>und</strong><br />
Hauptschule besuchen. Die schulische<br />
Förderung ist ein besonderer<br />
Schwerpunkt des Internates,<br />
aber auch die religiöse Erziehung,<br />
die aktive Freizeitgestaltung,<br />
Spiel <strong>und</strong> Sport sowie ein umfangreiches<br />
Kulturprogramm gehören<br />
zum Programm des Konviktes.<br />
Die Schüler wohnen in fre<strong>und</strong>lich<br />
gestalteten Räumen; der Pensionspreis<br />
ist kostengünstig. Es bestehen<br />
gute Anbindungen (Autobahn,<br />
Eisenbahn). Das Collegium<br />
Bernardinum ist in Trägerschaft<br />
des Erzbistums Paderborn.<br />
Eltern, die Ausschau nach einem<br />
Internatsplatz für <strong>das</strong> neue Schuljahr<br />
halten, mögen sich rechtzeitig<br />
mit dem Collegium Bernardinum<br />
in Verbindung setzten.<br />
Anschrift:<br />
Collegium Bernardinum<br />
Nordwall 26<br />
57439 Attendorn<br />
Telefon: 02722/ 5 09 12<br />
E-Mail: info@collegium-bernardinum.de<br />
Internet:<br />
www.collegium-bernardinum.de<br />
S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />
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Schulinformationen Paderborn<br />
Postfach 1480 33044 Paderborn<br />
Postvertriebsstück Deutsche Post AG H 7739<br />
Entgelt bezahlt<br />
Herausgegeben <strong>und</strong> verlegt vom Erzbischöflichen<br />
Generalvikariat in Paderborn.<br />
Verantwortlich für den Inhalt: Domkapitular<br />
Joachim Göbel, Leiter der HA Schule<br />
<strong>und</strong> Erziehung. Redaktion: Christoph<br />
Quasten M.A., Tel. 0 52 51 / 1 25 19 10,<br />
E-Mail: christoph.quasten@erzbistumpaderborn.de<br />
Herstellung: Bonifatius Druck · Buch ·<br />
Verlag GmbH, Paderborn.<br />
Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe:<br />
15.8.2009. Erscheint vierteljährlich.<br />
Nach bestellungen: Marilies Risse, E-<br />
Mail: marilies.risse@erzbistum-paderborn.de<br />
Tel. 0 52 51 / 1 25 13 43, Fax<br />
0 52 51 / 1 25 19 29<br />
www.erzbistum-paderborn.de/schule<strong>und</strong>erziehung/