27.06.2014 Aufrufe

stellen wir Ihnen das Heft 3/4 - Institut für Religionspädagogik und ...

stellen wir Ihnen das Heft 3/4 - Institut für Religionspädagogik und ...

stellen wir Ihnen das Heft 3/4 - Institut für Religionspädagogik und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Schulinformationen Paderborn<br />

3./4.<br />

Nummer<br />

39.<br />

Jahrgang<br />

4. Quartal<br />

2009<br />

Schulinformationen Paderborn<br />

Liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen,<br />

die letzten arbeitsintensiven Wochen des<br />

(Schul-)Jahres liegen vor <strong>Ihnen</strong>, der 3. Adventssonntag<br />

„Gaudete“ hat uns schon den<br />

Blick auf Weihnachten eröffnet.<br />

Mit dem vorliegenden <strong>Heft</strong> widmen <strong>wir</strong> uns<br />

dem Thema der „Achtsamkeit“ <strong>und</strong> konkretisieren<br />

sie an drei Beispielen: Die Religionspädagogik<br />

der Verletzbarkeit führt uns<br />

in den Themenbereich des integrativen Religionsunterrichtes,<br />

<strong>das</strong> Projekt Compassion<br />

vertieft eine Haltung des Mitgefühls <strong>und</strong> der<br />

Solidarität <strong>und</strong> <strong>das</strong> 60jährige Jubiläum der<br />

Landvolkshochschule Hardehausen lenkt<br />

den Blick beispielhaft auf die religionspädagogische<br />

Notwendigkeit, unseren Glauben zu<br />

denken <strong>und</strong> seine Praxis zu erleben.<br />

In einem Interview unterstreicht unser Erzbischof<br />

Hans-Josef Becker die Bedeutung des<br />

Religionsunterrichtes. Weitere aktuelle Informationen<br />

<strong>und</strong> Hinweise r<strong>und</strong>en <strong>das</strong> <strong>Heft</strong> ab.<br />

<strong>Ihnen</strong> <strong>und</strong> Ihren Familien wünsche ich – gemeinsam<br />

mit allen Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />

Mitarbeitern der Hauptabteilung Schule <strong>und</strong><br />

Erziehung – ein gesegnetes Weihnachtsfest<br />

Ihr<br />

3 Religionspädagogik<br />

der Verletzbarkeit<br />

10 Compassion – <strong>das</strong> Programm<br />

des Christentums<br />

16 60 Jahre Landvolks hochschule<br />

Hardehausen –<br />

ein religionspädagogischer<br />

Glückwunsch<br />

26 Interview Erzbischof<br />

Becker: Gefahr eines<br />

Patchwork-Gottes<br />

28 Neuer Internetauftritt der<br />

Hauptabteilung Schule <strong>und</strong><br />

Erziehung<br />

29 Religionspädagogische<br />

Arbeitshilfen<br />

33 Am Gr<strong>und</strong>gesetz darf nicht<br />

gerüttelt werden<br />

Joachim Göbel, Domkapitular<br />

Leiter der Hauptabteilung<br />

Schule <strong>und</strong> Erziehung


Schulinformationen Paderborn<br />

Von Leben-stiftenden Kräften<br />

der Achtsamkeit in der<br />

religionspädagogischen Praxis –<br />

Für einander „verw<strong>und</strong>ete Heiler“ sein<br />

Eines Tages sagte ein Mann aus dem Volk<br />

zu Zen-Meister IKKYÛ:<br />

«Meister, wollt Ihr mir bitte einige Gr<strong>und</strong>regeln<br />

der höchsten Weisheit aufschreiben?»<br />

IKKYÛ griff sofort zum Pinsel <strong>und</strong> schrieb:<br />

«Aufmerksamkeit.»<br />

«Ist <strong>das</strong> alles?» fragte der Mann. «Wollt Ihr<br />

nicht noch etwas hinzufügen? »<br />

IKKYÛ schrieb daraufhin zweimal hintereinander:<br />

«Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit.»<br />

«Nun», meinte der Mann ziemlich gereizt,<br />

«ich sehe <strong>wir</strong>klich nicht viel Tiefes oder<br />

Geistreiches in dem, was Ihr gerade geschrieben<br />

habt.»<br />

Daraufhin schrieb IKKYÛ <strong>das</strong> gleiche Wort<br />

dreimal hintereinander: «Aufmerksamkeit.<br />

Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit.»<br />

Halb verärgert begehrte der Mann zu wissen:<br />

«Was bedeutet dieses Wort ,Aufmerksamkeit’<br />

überhaupt?»<br />

Und IKKYÛ antwortete sanft: «Aufmerksamkeit<br />

bedeutet Aufmerksamkeit.»<br />

Aufmerksam bzw. achtsam zu sein markiert im<br />

Buddhismus eine Haltung <strong>und</strong> einen Weg, Leben<br />

<strong>und</strong> Lernen gelingen zu lassen. Daher die<br />

nahezu beschwörende Wiederholung des Wortes<br />

„Aufmerksamkeit“ durch den Zen-Meister.<br />

Auch in den biblisch-christlichen Traditionen<br />

gibt es genügend Impulse, die uns Achtsamkeit<br />

in Erzählungen aufzeigen <strong>und</strong> anschaulich<br />

vermitteln wollen. So <strong>wir</strong>d in den drei<br />

Hauptartikeln dieses <strong>Heft</strong>es dieser Thematik<br />

in unterschiedlichen Facetten nachgegangen<br />

<strong>und</strong> durch religionspädagogische Überlegungen<br />

<strong>und</strong> Konsequenzen konkretisiert.<br />

Wir lernen <strong>das</strong> Konzept einer „Religionspädagogik<br />

der Verletzbarkeit“ (Bert Roebben)<br />

kennen. Aus der Orientierung an Sonder- <strong>und</strong><br />

Heilpädagogik, die mit Krisen <strong>und</strong> Behinderungen<br />

zu tun hat, werden Konsequenzen für<br />

die allgemeine Religionspädagogik gezogen.<br />

Auf diese Weise können Menschen für einander<br />

„verw<strong>und</strong>ete Heiler“ sein.<br />

Das Projekt „Compassion“ - Haltung des Mitgefühls<br />

<strong>und</strong> der Solidarität - (Lothar Kuld), in<br />

dem sich bereits viele Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

engagieren, <strong>wir</strong>d als „Mitgift des Christentums“<br />

vorgestellt. Eine theologische Untermauerung<br />

dieses Projektes mit der Geschichte<br />

vom achtsamen „Barmherzigen Samariter“ ist<br />

sicherlich für den Unterricht reizvoll.<br />

Ein herzlicher Glückwunsch gilt der Bildungsstätte<br />

Hardehausen, die 60 Jahre kraftvolle<br />

Bildungsarbeit – auch für die kirchliche Lehrerfortbildung<br />

- geleistet hat. In dem Festartikel<br />

(Gerhard Krombusch) <strong>wir</strong>d erörtert, mit welch<br />

hohem Maß an Achtsamkeit Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsschätze<br />

in ganzheitlicher Weise gepflegt,<br />

entwickelt oder neu gehoben wurden.<br />

Dr. Siegfried Meier,<br />

Leiter des Referates Religionspädagogik<br />

im <strong>Institut</strong> für Religionspädagogik <strong>und</strong><br />

Medienarbeit<br />

2


Religionspädagogik<br />

der Verletzbarkeit<br />

Anstöße zu einem angemesseneren Religionsunterricht für alle<br />

Prof. Dr. Bert Roebben, Technische Universität Dortm<strong>und</strong><br />

Die Sonder- oder Heilpädagogik ist wie eine<br />

‚Schule’ für die allgemeine Pädagogik bzw.<br />

Religionspädagogik. Sie lehrt uns, radikal integrativ<br />

zu arbeiten <strong>und</strong> niemanden aus dem<br />

Auge zu verlieren. Mit dem Terminus ‚integrativ’<br />

weise ich auf <strong>das</strong> prinzipielle Recht<br />

jedes Menschen – trotz seiner Herkunft <strong>und</strong><br />

Zukunft, seiner psychischen <strong>und</strong> mentalen<br />

Erscheinungsform – auf eine passende allgemeine<br />

Bildung <strong>und</strong> eine angemessene religiöse<br />

Bildung in Verb<strong>und</strong>enheit mit anderen hin.<br />

Zudem mache ich hiermit auf die Pflicht der<br />

Gesellschaft aufmerksam, dieses Basisrecht<br />

auf eine adäquate Weise anzupassen an die<br />

Organisation von Schulen <strong>und</strong> Bildungseinrichtungen,<br />

so <strong>das</strong>s Menschen in ihrer Einzigartigkeit<br />

<strong>und</strong> in Verb<strong>und</strong>enheit mit anderen<br />

lernen können, auch im religiösen Bereich.<br />

Die Kontingenz des Daseins <strong>und</strong> die verstärkte<br />

Wahrnehmung von Diversität (mit der damit<br />

verb<strong>und</strong>enen Versuchung zur Indifferenz<br />

einerseits <strong>und</strong> Fanatismus andererseits) machen<br />

uns heutzutage sensibel für Spiritualität.<br />

Ich sehe darin eine große Wohltat. Es besteht<br />

Sehnsucht nach ‚soul food’ <strong>und</strong> es ist Aufmerksamkeit<br />

für moralische, spirituelle <strong>und</strong> religiöse<br />

Diversität festzu<strong>stellen</strong>. Menschen begeben<br />

sich ruhelos auf die Suche nach Orten, um<br />

diese Gr<strong>und</strong>erfahrung miteinander zu teilen,<br />

inmitten einer Kultur, die durch postmoderne<br />

Gier gekennzeichnet ist. Menschen werden<br />

sich heute einer Erfahrung von „empfangener<br />

<strong>und</strong> geteilter Humanität“ bewusst, die darauf<br />

gründet, <strong>das</strong>s sie als Menschen in dem Schicksal<br />

übereinstimmen, <strong>das</strong>s sie tatsächlich verschieden<br />

sind <strong>und</strong> daher nicht indifferent, sondern<br />

„different“ miteinander umgehen müssen.<br />

Für viele ist genau diese Erfahrung ein<br />

neuer Quell von Spiritualität (Roebben 2009b,<br />

127-149).<br />

In diesem Beitrag beschreibe ich zunächst die<br />

vier zentralen Begriffe, womit <strong>wir</strong> in unserer<br />

Forschungsgruppe am <strong>Institut</strong> für Katholische<br />

Theologie an der TU Dortm<strong>und</strong> arbeiten: Integration,<br />

Verletzbarkeit, Religion <strong>und</strong> Religionspädagogik.<br />

Im zweiten Abschnitt nehme<br />

ich die Herausforderungen in den Blick, die<br />

die Sonderpädagogik für die allgemeine Religionspädagogik<br />

beinhaltet. Ich schließe mit<br />

einer Einladung an die Leserschaft.<br />

1. Vier Leitbegriffe<br />

Ich meine, <strong>das</strong>s die Lebenserfahrung geteilter<br />

Verletzbarkeit pädagogisch relevant ist <strong>und</strong><br />

in einem Lernprozess der geteilten Verletzbarkeit<br />

didaktisch verstärkt werden kann.<br />

Integrativer Religionsunterricht ist ein ausgezeichneter<br />

Ort, um diese Lebenserfahrung <strong>und</strong><br />

diesen Lernprozess systematisch mit einander<br />

zu verbinden <strong>und</strong> auf diese Weise zu mehr<br />

Humanität beizutragen. Ich skizziere nun die<br />

vier Begriffe, die als Gr<strong>und</strong>lage für die weitere<br />

Arbeit an unserem <strong>Institut</strong> dienen. !<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

3


Schulinformationen Paderborn<br />

!<br />

Integration<br />

Jedes Kind hat <strong>das</strong> Recht auf Leben <strong>und</strong> Überleben:<br />

auf Wasser <strong>und</strong> Nahrung, auf Sicherheit<br />

<strong>und</strong> Erwachsene, die sich um <strong>das</strong> Kind<br />

kümmern. Jedes Kind hat <strong>das</strong> Recht auf Erziehung<br />

<strong>und</strong> Bildung, auf Lesen, Schreiben<br />

<strong>und</strong> Rechnen, auf Informationen über die<br />

Welt, auf Sozialerziehung, auf Einführung in<br />

die Kultur, Kunst <strong>und</strong> Religion. Menschenkinder<br />

haben ein Recht auf <strong>das</strong> Lernen von<br />

„selbstverantwortlicher Selbstbestimmung“<br />

(Singularität) (Langeveld 1967, 74-76) innerhalb<br />

der konkreten Lebensgemeinschaft (Partikularität),<br />

in die sie hineingeboren sind <strong>und</strong><br />

von der sie sich emanzipieren sollen; <strong>und</strong> dies<br />

inmitten einer globalisierten Weltgemeinschaft<br />

(Universalität). Sie haben <strong>das</strong> Recht<br />

auf <strong>das</strong> Erk<strong>und</strong>en, Benennen, Entwickeln <strong>und</strong><br />

Finden einer eigenen Lebensbestimmung, inmitten<br />

einer Welt, in der auch andere diesem<br />

Recht nachstreben. Sie haben <strong>das</strong> Recht, ihr<br />

eigenes Lebensgeheimnis, die eigene narrative<br />

Identität zu erforschen <strong>und</strong> zu entwickeln.<br />

Dieses Recht ist ein Menschenrecht, es gehört<br />

zum Wesen des Menschen – zum Wesen eines<br />

jeden Menschen. Dieses Recht auf mich selbst<br />

ist unmittelbar verb<strong>und</strong>en mit dem Recht aller<br />

Menschen auf Lebensbestimmung. Humanität<br />

als Ziel pädagogischen Handelns (als<br />

Verdichtung des einmaligen Menschseins als<br />

Aufgabe für jeden Menschen) ist in der Voraussetzung<br />

begründet, <strong>das</strong>s jeder Mensch<br />

darauf ein Recht hat <strong>und</strong> somit ein Recht auf<br />

eine angemessene Lebensbegleitung (Humanität<br />

als Ausgangspunkt). Bildung muss eine<br />

integrative oder inklusive Einübung in Menschenwürde<br />

sein: Lernen, auf <strong>das</strong> unantastbare<br />

Geheimnis des eigenen Lebens zu hören<br />

<strong>und</strong> dies stets in der Gegenwart des Anderen.<br />

Verletzbarkeit<br />

Jeder Mensch hat <strong>das</strong> Recht auf die Entwicklung<br />

einer eigenen narrativen Identität. Jeder<br />

!<br />

4


Mensch darf Erzähler seiner eigenen Lebensgeschichte<br />

sein, wie verletzbar <strong>und</strong> vorläufig<br />

sie auch ist. Diese Erzählung ist einzigartig<br />

<strong>und</strong> gehört zum tiefsten Geheimnis des Menschen<br />

(in philosophischen Termini <strong>wir</strong>d hier<br />

von „Seele“ gesprochen; vgl. van Knippenberg<br />

1998). Diese Singularität ist mit der Universalität<br />

verb<strong>und</strong>en: Wir teilen <strong>das</strong> Menschsein<br />

auf Gr<strong>und</strong> dieser einzigartigen menschlichen<br />

Erfahrung miteinander. Jeder Mensch realisiert<br />

<strong>das</strong> allgemeine Menschsein auf seine eigene,<br />

einzigartige Weise. Verb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong><br />

Einzigartigkeit gehören radikal zusammen<br />

<strong>und</strong> genau darin liegt die Verletzbarkeit. Wir<br />

sind aufeinander angewiesen, einander ‚ausgeliefert’<br />

in der Suche unserer persönlichen<br />

Identität. Menschen können einander den Tod<br />

zufügen („homo homini lupus”). Menschen<br />

können sich unbarmherzig gegenüber dem<br />

Anderssein verhalten <strong>und</strong> gegenüber allem,<br />

was nicht dem Maßstab des eigenen oder „normalen”<br />

Lebens entspricht. Menschen können<br />

einander aber auch zum Wachsen verhelfen.<br />

Verletzbarkeit gehört prinzipiell zum Menschsein<br />

dazu: zum Faktum, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Leben irreversibel<br />

ist (vgl. Ferry 2008) <strong>und</strong> <strong>das</strong>s Menschen<br />

in der Verschiedenheit ihrer Lebensentwürfe<br />

(als Antwort auf diese Irreversibilität)<br />

zusammenleben müssen. Menschen können<br />

auf diese Art <strong>und</strong> Weise ein ‚wo<strong>und</strong>ed healer’<br />

für einander sein (vgl. Nouwen 1972).<br />

Religion<br />

Bis hierher habe ich noch keine religiösen Kategorien<br />

angewendet. Das Ideal einer integrativen<br />

Humanität <strong>und</strong> Pädagogik ist nämlich<br />

vollständig denkbar <strong>und</strong> realisierbar auf einer<br />

humanistischen Basis <strong>und</strong> braucht keine<br />

theologische Legitimierung. Erst als Theologe<br />

<strong>und</strong> Religionspädagoge mache ich die Verbindung<br />

mit der Religion bewusst. Eine institutionelle<br />

Religion wie <strong>das</strong> Christentum bietet<br />

ein inspirierendes <strong>und</strong> bilderreiches Konzept<br />

von Humanität, wobei der Mensch als Abbild<br />

Gottes gesehen <strong>wir</strong>d (Gottebenbild- !<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

5


Schulinformationen Paderborn<br />

! lichkeit) <strong>und</strong> ihm so dieselbe Ehre<br />

<strong>und</strong> Würde zukommt wie Gott. Religionen<br />

können einen wichtigen Input liefern für die<br />

Entwicklung einer menschlichen Gesellschaft.<br />

Sie bieten eine alternative Vorstellung für ein<br />

manchmal oberflächliches <strong>und</strong> ökonomisch<br />

verzerrtes Bild des Menschen in unserer Zeit,<br />

eines Menschen, der auf seine Kaufkraft reduziert<br />

<strong>wir</strong>d <strong>und</strong> seiner Kreativität <strong>und</strong> Schöpfungskraft<br />

beraubt <strong>wir</strong>d. Darüber hinaus<br />

sind Menschen empfänglich für Religion; ihre<br />

rudimentär vorhandenen Bedürfnisse nach<br />

Religiosität <strong>und</strong> ihre innere Sehnsucht nach<br />

einer ‚spiritual connection’ in unserer entwurzelten<br />

<strong>und</strong> seelenlosen Zeit verlangen nach<br />

Antworten. Der niederländische praktische<br />

Theologe Tjeu van Knippenberg spricht in diesem<br />

Zusammenhang von Spiritualität als ‚bezield<br />

verband’, als Beziehungsverb<strong>und</strong> – dem<br />

sinnvollen Horizont, auf dem die Lebensgeschichten<br />

von Menschen zu einem größeren<br />

Ganzen miteinander verb<strong>und</strong>en werden <strong>und</strong><br />

die individuellen Lebensläufe übersteigt. Das<br />

Christentum als Religion gibt auf eine besondere,<br />

aber nicht exklusive Weise diesem größeren<br />

Ganzen eine Bedeutung.<br />

Religionspädagogik<br />

Der vierte Begriff nimmt Bezug auf die Religionspädagogik<br />

als traditionellem Bestandteil<br />

der Praktischen Theologie. Diese Wissenschaft<br />

untersucht die pädagogischen Voraussetzungen,<br />

Chancen <strong>und</strong> Grenzen der religiösen<br />

Bildung in einer bestimmten Zeit <strong>und</strong> in<br />

einem bestimmten Lernfeld. Sie hilft Kindern,<br />

Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen, die Phänomene<br />

Religion <strong>und</strong> Kultur wahrzunehmen, zu<br />

interpretieren <strong>und</strong> selbständig mit ihnen umzugehen.<br />

In der Postmoderne entwickelt sich<br />

die wissenschaftliche Religionspädagogik meiner<br />

Ansicht nach in eine doppelte Richtung.<br />

Gemeint sind hiermit die Begriffsklärung <strong>und</strong><br />

die Umschreibung von Basiswissen über Religion<br />

in einem multikulturellen Zusammenleben<br />

einerseits <strong>und</strong> <strong>das</strong> Kennenlernen der<br />

ursprünglichen religiösen Erfahrung <strong>und</strong> Spiritualität<br />

andererseits. Objektivierte Religion<br />

(im institutionellen <strong>und</strong> materiellen Sinne<br />

als Gegenstand von Religionswissenschaften)<br />

<strong>und</strong> individualisierte Religiosität scheinen mir<br />

heute den Untersuchungsgegenstand der Religionspädagogik<br />

auszumachen. Die Brille, wodurch<br />

diese Phänomene betrachtet werden, ist<br />

die Bildung. Typische religionspädagogische<br />

Fragen untersuchen menschliche Lernprozesse:<br />

Wie Religion begriffen <strong>wir</strong>d, was die eigene<br />

Art von religiöser Rationalität ausmacht<br />

<strong>und</strong> wie Menschen sich ein persönliches, religiöses<br />

Sprachspiel in der Entwicklung ihrer<br />

narrativen Identität aneignen. Die Religionsdidaktik<br />

spezialisiert sich in Bezug auf diese<br />

Fragestellung im Bereich der Schule, bzw.<br />

Erwachsenenbildung, <strong>und</strong> untersucht, wie<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in der Schule <strong>und</strong> als<br />

Erwachsene in der Weiterbildung nicht nur etwas<br />

über Religion lernen, sondern auch religiöses<br />

Denken lernen im Bereich eines kommunikativen<br />

Prozesses (Roebben 2008).<br />

2. Herausforderung einer<br />

sonderpädagogisch orientierten<br />

Religionspädagogik<br />

„Sonderpädagogisch orientierte Religionspädagogik<br />

bedeutet, auf der Basis der allgemeinen<br />

Religionspädagogik, einen speziellen Anwendungsfall<br />

auf allgemein-menschliche Lebensfragen<br />

<strong>und</strong> deren Bewältigung innerhalb<br />

langwährender oder lebenslanger Krisen <strong>und</strong><br />

Behinderungen. Daraus ergibt sich zwischen<br />

beiden eine gr<strong>und</strong>legende Einheit <strong>und</strong> eine<br />

spezifische, jedoch graduelle Differenz <strong>und</strong><br />

Variation. Beide müssten als ein Bezugssystem<br />

gelten, in dem Theorie <strong>und</strong> Praxis, religiöse<br />

Erziehung/Bildung <strong>und</strong> deren praktische<br />

Konkretisierung in besonderen Anwendungsfeldern<br />

sich bedingen <strong>und</strong> einander voranbringen“<br />

(Albrecht 1988, 416). Ich möchte in diesem<br />

Beitrag drei Dimensionen benennen, die<br />

in der Sonderpädagogik maßgebend sind, die<br />

die allgemeine (Religions-)Pädagogik heute<br />

zum Nachdenken anregen können <strong>und</strong> die von<br />

eminenter Bedeutung bei einer weiteren Aus-<br />

6


arbeitung einer integrativen (Religions-)Pädagogik<br />

sein müssen. Verletzbarkeit im Kontext<br />

religiöser Bildung zwingt uns zu einer erneuten<br />

Reflexion über die Themen Erfahrungslernen,<br />

Subjektwerdung <strong>und</strong> Verlangsamung.<br />

Dies kann hier nur im Überblick erfolgen.<br />

Erfahrungslernen<br />

Zuerst zum Konzept des Erfahrungslernens.<br />

Jedes Lernen ist kontextualisiert <strong>und</strong> in einer<br />

bestimmten Körperlichkeit verankert, in<br />

einem persönlichen ‚sensorium’ des/der Lernenden.<br />

Ein Blinder lernt anders als ein Sehender.<br />

Ein Rollstuhlfahrer nimmt die Welt<br />

anders wahr als ein Fußgänger. Ein Mensch<br />

mit einer schwerst-mehrfachen Behinderung<br />

hat andere Impulse nötig als jemand, der ohne<br />

Behinderung durch <strong>das</strong> Leben geht. Wie<br />

Thomas von Aquin bereits im dreizehnten<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert sagte, muss sich <strong>das</strong> Lernen an<br />

die Lernmöglichkeiten des Menschen anpassen.<br />

Lernen durch Erfahrung – wörtlich durch<br />

„Hindurchfahren“ des konkreten Impulsfeldes<br />

der eigenen Existenz – ‚learning by doing’,<br />

durch Aneignung im Alltäglichen, ist von wesentlicher<br />

Bedeutung für die Entwicklung kognitiver,<br />

affektiver <strong>und</strong> sozialer Fähigkeiten.<br />

Auch im Bereich der religiösen Bildung ist<br />

dies von großer Bedeutung: Menschen mit<br />

einer Behinderung fordern uns auf, direkter<br />

<strong>und</strong> intensiver sinnvolle Erfahrungen machen<br />

zu können (Grümme 2006a). Menschen<br />

die blind sind, wollen vielleicht den Kölner<br />

Dom zum Beispiel fühlen <strong>und</strong> betasten können,<br />

schwerst-mehrfach behinderte Menschen<br />

wollen vielleicht ‚snoezeln’ oder mit musikalischen<br />

Impulsen erfahren, <strong>das</strong>s sie als Person<br />

akzeptiert sind. Menschen mit autistischer<br />

Spektrumsstörung wollen womöglich Gott innerhalb<br />

ihres eigenen Vorstellungsvermögens<br />

bildlich dar<strong>stellen</strong>. Performatives Lernen,<br />

rituelle Bildung, ganzheitliches Lernen <strong>und</strong><br />

soziales Lernen sind wichtige gegenwärtige<br />

Entwicklungen in der Religionspädagogik, die<br />

in diesem Kontext weiterer Reflexion bedürfen<br />

(Fischer 1988).<br />

Subjektwerdung<br />

Subjektwerdung ist ein zweiter bedenkenswerter<br />

Aspekt. Bildung zielt ab auf Selbstbildung<br />

– <strong>und</strong> Selbstbestimmung vollzieht sich<br />

in der Gegenwart des Anderen. Jede/r hat ein<br />

Recht auf eine eigene narrative Identität, eine<br />

eigene Lebensbestimmung <strong>und</strong> (aus religiöser<br />

Perspektive) eine eigene Einsicht in dem<br />

‚Großen Ganzen’, die er oder sie mit anderen<br />

teilt, mit der Welt, mit dem Transzendenten.<br />

Gute, <strong>das</strong> heißt hoffnungsvolle, religiöse Bildung<br />

bietet Chancen an, um <strong>das</strong> Verborgene<br />

zu erleben inmitten einer komplexen Welt mit<br />

unbestimmter Sinngebung einerseits <strong>und</strong> mit<br />

dezidiert religiöser Verschiedenheit andererseits.<br />

Helmut Peukert spricht in diesem Kontext<br />

über die Notwendigkeit eines neuen Lernens,<br />

<strong>das</strong> nicht länger kumulativ (Ansammeln<br />

von auswendig gelernten Sachkenntnissen),<br />

sondern transformativ ist, <strong>das</strong> Einsicht darstellt<br />

in Kenntnisse, die zur Lebensweisheit<br />

werden, die zu einem besseren Verstehen der<br />

eigenen Person in einem „intersubjektiv bestimmten”<br />

Lernkontext <strong>und</strong> der Gesellschaft<br />

beitragen (Peukert 2002). Subjektwerdung als<br />

Ankommen in der eigenen Lebensgeschichte<br />

ermöglicht es, sinnvoll mit anderen in den Dialog<br />

treten zu können.<br />

Verlangsamung<br />

Schließlich lässt die Heilpädagogik uns verweilen<br />

beim Phänomen der „Verlangsamung“.<br />

In unserer hektischen Zeit hat die Heilpädagogik<br />

uns eine vitale Botschaft von verletzbaren<br />

Menschen zu melden: „Nehmen Sie sich bitte<br />

Zeit, um meiner Geschichte zuzuhören – Geben<br />

Sie mir die Zeit, um <strong>das</strong> Chaos um mich<br />

herum in einen Kosmos zu verwandeln – Lehren<br />

Sie mich, Kontemplation <strong>und</strong> Betrachtung,<br />

um nicht hektisch <strong>und</strong> unüberlegt durch<br />

diese Welt zu gehen <strong>und</strong> die einströmenden<br />

Impulse zu verarbeiten – Geben Sie mir Zeit<br />

zum Wachsen, um unabhängig zu werden,<br />

um <strong>das</strong> einmalige Wesen zu werden, <strong>das</strong> in<br />

mir verborgen liegt, sich aber noch entwickeln<br />

muss.“ Ich plädiere hier für eine ra- !<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

7


Schulinformationen Paderborn<br />

! dikale Verlangsamung im gesamten<br />

Bildungsbereich <strong>und</strong> zugleich in der Gesellschaft<br />

(vgl. Grümme 2006b; Hilger 1994; Jäggle<br />

1999). Nicht nur Menschen mit einer Behinderung<br />

sind verletzbar, sondern auch die<br />

Jugendlichen, die die ‚rat race’ nicht mehr aushalten<br />

können <strong>und</strong> ‚so jung <strong>und</strong> schon am Ende’<br />

sind. Ich plädiere daher radikal für mehr<br />

Zeit miteinander in Kontaktst<strong>und</strong>en in der<br />

Schule <strong>und</strong> für eine Relativierung des Übermaßes<br />

der Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologie.<br />

Ich plädiere für ein leibhaftes<br />

Lernen durch Begegnungen <strong>und</strong> auch für eine<br />

Askese der Bildung, zum Beispiel durch Rückkehr<br />

zu einem ‚slow reading of classical texts’<br />

<strong>und</strong> durch ein intensives Lernen, <strong>das</strong> der Lebensgeschichte<br />

des Anderen (MitschülerIn,<br />

LehrerIn <strong>und</strong> große Traditionen) Aufmerksamkeit<br />

schenkt (Veling 2007). So bewegt die<br />

Bildung sich von ‚fast food‘ weg hin zu ‚slow<br />

food‘ oder ‚soul food‘. Als Theologe, begeistert<br />

von der Dynamik der Heilpädagogen <strong>und</strong> ihrem<br />

Werk im Kontext von Verletzbarkeit, meine<br />

ich, <strong>das</strong>s dieser prophetische Zwischenruf<br />

in der Religionspädagogik heute nicht fehlen<br />

darf.<br />

Zusammenfassung<br />

Die Gesellschaft bekommt die Schule, die sie<br />

verdient. „Integration ist eine Aufgabe nicht<br />

nur für eine Generation. Es geht bei der Integration<br />

von Menschen mit Behinderungen in<br />

die Gesellschaft auch um eine freiwillige Verlangsamung<br />

angesichts einer sich beschleunigenden<br />

industriellen, notwendigerweise auf<br />

Leistungen aufgebauten Welt, die sozial jedoch<br />

zentrifugal <strong>wir</strong>kt. Integration meint auch<br />

die Stärkung von sozialen Gegenkräften <strong>und</strong><br />

eine Solidarität von hoffentlich langer Wirkung“,<br />

so Andreas Möckel bereits 1992 (719).<br />

Viel <strong>und</strong> vielfältig sind in einer solchen gesellschaftlich<br />

geprägten Schule die Herausforderungen<br />

einer integrativen Religionspädagogik<br />

<strong>und</strong> Religionsdidaktik. Es möge zum Beispiel<br />

deutlich sein, <strong>das</strong>s die drei oben genannten<br />

Aspekte (Erfahrungslernen, Subjektivierung<br />

<strong>und</strong> Verlangsamung) einen enormen Einfluss<br />

auf unsere Überlegungen zu Korrelationsdidaktik,<br />

Elementarisierung, performativem<br />

Religionsunterricht, Konfessionalität <strong>und</strong> religiöser<br />

Verschiedenheit wie auf <strong>das</strong> Verhältnis<br />

von Religionsunterricht, Katechese <strong>und</strong> Seelsorge<br />

<strong>und</strong> auf Religionsunterricht als Ort der<br />

Theologie haben.<br />

Konkret möchte ich mich in den kommenden<br />

Jahren auf die Ausarbeitung dieser gr<strong>und</strong>legenden<br />

Fragen in Lehre <strong>und</strong> Forschung im<br />

Kontext eines neuen, international ausgerichteten<br />

<strong>Institut</strong>s für integrative Religionspädagogik<br />

an der Technischen Universität<br />

Dortm<strong>und</strong> konzentrieren. Das <strong>Institut</strong> heißt<br />

Inter-FIRE <strong>und</strong> steht für „Internationales Forum<br />

für Integrative Religiöse Erziehung“ (auf<br />

Englisch: „International Forum for Inclusive<br />

Religious Education“ – siehe http://inter-fire.<br />

blogspot.com). Ich bin weniger an Feuerlöschanlagen<br />

interessiert, sondern vielmehr an der<br />

„brennenden“ Interaktion zwischen Religion,<br />

Erziehung <strong>und</strong> dem Leben mit einer Behinderung.<br />

Nach meiner Überzeugung kann die<br />

Erziehung Feuer in Menschen entfachen <strong>und</strong><br />

die Möglichkeit eröffnen, persönliche Erfahrungen<br />

von Sehnsucht auszutauschen, welche<br />

jeder Mensch in seinem Leben erfährt, egal ob<br />

schwarz oder weiß, männlich oder weiblich,<br />

gläubig oder nicht gläubig, mit oder ohne Behinderung.<br />

Ich bin mir der Tatsache bewusst,<br />

<strong>das</strong>s im Bereich der integrativen Religionspädagogik<br />

eine starke internationale Diskursgemeinschaft<br />

fehlt. WissenschaftlerInnen <strong>und</strong><br />

reflektierende PraktikerInnen sind in der<br />

ganzen Welt verstreut <strong>und</strong> arbeiten unabhängig<br />

an dem Thema. Ich möchte diese Personen<br />

zusammenführen <strong>und</strong> voneinander in einer<br />

Art <strong>und</strong> Weise lernen, welche auch unsere<br />

akademische Leidenschaft „entflammt“.<br />

Mit dem Forum hoffen <strong>wir</strong> vier Ziele umzusetzen:<br />

die Durchführung von Forschungen auf<br />

der Mikro- <strong>und</strong> Meso-Ebene (Unterrichtsforschung<br />

<strong>und</strong> Schulentwicklungsforschung) bezüglich<br />

integrativer religiöser Erziehung, die<br />

8


Schaffung eines internationalen Netzwerkes<br />

von WissenschaftlerInnen, die Entwicklung<br />

einer internationalen Buchreihe zu dem Thema<br />

<strong>und</strong> schließlich die Inventarisierung von<br />

‚best practices’. Hoffentlich werden auch die<br />

nötigen finanziellen Mittel von Gesellschaft,<br />

Universität <strong>und</strong> Kirchen zur Verfügung gestellt,<br />

um die Forschung einer integrativen<br />

Religionspädagogik oder besser noch einer<br />

„Religionspädagogik der Verletzbarkeit“ substantiell<br />

zu ermöglichen.<br />

Anschrift:<br />

Prof. Dr. Bert Roebben<br />

Technische Universität Dortm<strong>und</strong><br />

Fakultät 14/ <strong>Institut</strong> für Katholische<br />

Theologie<br />

Emil-Figge-Str. 50<br />

44227 Dortm<strong>und</strong><br />

0231/ 755-2864<br />

roebben@fb14.uni-dortm<strong>und</strong>.de<br />

Literatur<br />

Albrecht, Wilhelm, Eine „besondere“ Religionspädagogik<br />

für die Sonderschulen?, in:<br />

Katechetische Blätter 113 (1988), 409-416.<br />

Ferry, Luc, Apprendre à vivre. Traité de<br />

philosophie à l’usage des jeunes générations,<br />

Paris 2008.<br />

Fischer, Dieter, Gleiche Inhalte für behinderte<br />

<strong>und</strong> nicht-behinderte Schüler, in: Katechetische<br />

Blätter 113 (1988), 402-408.<br />

Grümme, Bernhard, Hinwendung zur<br />

Wahrnehmung? Herausforderung Integration<br />

am Beispiel der Sonderschulpädagogik,<br />

in: Theologisch-praktische Quartalschrift<br />

154 (2006a), 55-64.<br />

Grümme, Bernhard, Religionsunterricht im<br />

Beschleunigungszwang. Beschleunigung<br />

der Lebenswelten als Herausforderung an<br />

eine erfahrungsbezogene Religionspädagogik,<br />

in: Trierer theologische Zeitschrift 115<br />

(2006b), 265-279.<br />

Hilger, Georg, Für eine Verlangsamung im<br />

Religionsunterricht, in: Katechetische Blätter<br />

119 (1994), 21-30.<br />

Jäggle, Martin, Langsam <strong>wir</strong>d es Zeit. Bemerkungen<br />

zu noch keinem Thema, in:<br />

Christlich-Pädagogische Blätter 112 (1999),<br />

164-165.<br />

Kollmann, Roland, Religion <strong>und</strong> Behinderung.<br />

Anstöße zur Profilierung des christlichen<br />

Menschenbildes, Neukirchen-Vluyn<br />

2007.<br />

Langeveld, Martinus, Beknopte theoretische<br />

pedagogiek, Groningen 111967, 74-<br />

76.<br />

Möckel, Andreas, Integration: Anliegen,<br />

Chancen, Schwierigkeiten, in: Katechetische<br />

Blätter 117 (1992), 714-719.<br />

Nouwen, Henri, The Wo<strong>und</strong>ed Healer. Ministry<br />

in Contemporary Society, New York<br />

1972.<br />

Peukert, Helmut, Reflexionen über die Zukunft<br />

religiöser Bildung, in: Religionspädagogische<br />

Beiträge (2002), H. 49, 49-66.<br />

Roebben, Bert, Narthikales religiöses Lernen.<br />

Neudefinition des Religionsunterrichts<br />

als Pilgerreise, in: Religionspädagogische<br />

Beiträge (2008), H. 60, 31-43.<br />

Roebben, Bert, Religion <strong>und</strong> Verletzbarkeit.<br />

Standort <strong>und</strong> Herausforderung einer<br />

integrativen Religionspädagogik, in: A. Wuckelt,<br />

A. Pithan <strong>und</strong> C. Beuers (Hg.), “Was<br />

mein Sehnen sucht…” – Spiritualität <strong>und</strong><br />

Alltag (Forum für Heil- <strong>und</strong> Religionspädagogik,<br />

Band 5), Münster, Comenius, 2009a,<br />

37-56.<br />

Roebben, Bert, Seeking Sense in the City.<br />

European Perspectives on Religious Education,<br />

Münster, Lit-Verlag, 2009b.<br />

Van Knippenberg, Tjeu, Tussen naam en<br />

identiteit. Ontwerp van een model voor geestelijke<br />

begeleiding, Kampen 1998.<br />

Veling, Terry, Listening to the ‘Voices of the<br />

Pages’ and ‘Combining the Letters’. Spiritual<br />

Practices of Reading and Writing, in: Religious<br />

Education 102 (2007), 206-222.<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

9


Schulinformationen Paderborn<br />

Compassion –<br />

<strong>das</strong> Programm des Christentums<br />

Warum sich einem anderen Menschen zuwenden? –<br />

Aus dem Erfahrungsbericht einer Schülerin<br />

Prof. Dr. Lothar Kuld, Pädagogische Hochschule Weingarten<br />

„Als ich verkündet bekam 1 , <strong>das</strong>s ich in die<br />

(Werkstätten für Behinderte) kam, war ich<br />

nicht so begeistert. ‚Behinderte, na toll’, habe<br />

ich gedacht <strong>und</strong> außerdem habe ich befürchtet,<br />

<strong>das</strong>s ich meine Arbeit nicht bewältigen<br />

kann, weil ich es dort psychisch nicht aushalte,”<br />

schreibt die Schülerin einer 11. Klasse,<br />

die im Rahmen des Compassion-Projekts<br />

ihrer Schule zwei Wochen lang mit geistig<br />

behinderten Jugendlichen zusammen war.<br />

Jetzt aber ”bin ich sehr froh, <strong>das</strong>s ich in (diesen<br />

Werkstätten) war. Ich habe gelernt, mit<br />

Behinderten umzugehen, ohne Mitleid zu haben.<br />

Sie sind glücklich mit ihrem Leben <strong>und</strong><br />

brauchen es nicht. Sie brauchen Hilfe <strong>und</strong><br />

Unterstützung, ein offenes Ohr, Verständnis,<br />

aber kein Mitleid. Ich glaube, ich habe jetzt<br />

auch etwas mehr Geduld. Wenn man h<strong>und</strong>ertmal<br />

ein<strong>und</strong><strong>das</strong>selbe erzählt bekommt, ist man<br />

nahe am Ausrasten; aber ich habe gemerkt,<br />

wie gut <strong>das</strong> Zuhören tut. Und die Behinderten<br />

sind auch nicht blöd. Sie sind langsam, haben<br />

eine schlechte Konzentration, oder sind unflexibel,<br />

aber sie haben Gefühle. Mehr vielleicht<br />

als jeder ‚normale’ Mensch. Dass die Martina<br />

aus meiner Gruppe geweint hat, weil ich nach<br />

zwei Wochen nicht mehr da bin. Wo passiert<br />

einem <strong>das</strong> sonst noch? Wo fragt einen jemand,<br />

ob man Schmerzen oder Angst hat, nur weil<br />

man gerade mal etwas müde ist? Der Michi<br />

hat’s getan.” (Vanessa)<br />

Das Sozial-Projekt, von dem die junge Frau<br />

erzählt, wurde von den Katholischen Freien<br />

Schulen in Deutschland entwickelt, ist inzwischen<br />

weit verbreitet <strong>und</strong> hat den Namen<br />

„Compassion”. Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

dieser Schulen gehen in der Regel zwei Wochen<br />

in eine soziale Einrichtung, um mit den<br />

Menschen dort zu kommunizieren <strong>und</strong> zu kooperieren.<br />

Die Praktika werden in der Schule<br />

vorbereitet <strong>und</strong> im Nachgang reflektiert.<br />

Die soeben zitierte Schülerin hat zwei Wochen<br />

Arbeit in den Behinderten-Werkstätten<br />

ihres Heimatortes hinter sich, als sie diesen<br />

Bericht schreibt. Für uns ist dieser Bericht<br />

sehr wertvoll. Er zeigt, wie ein junger Mensch<br />

lernt, ihm fremde <strong>und</strong> ihn wegen ihrer Fremdheit<br />

ängstigende Menschen zu verstehen <strong>und</strong><br />

schließlich sogar zu schätzen. Das ist ein großer<br />

Lernschritt.<br />

Theologie der Compassion<br />

Der Name Compassion ist Programm. Er ist<br />

im Deutschen so gut wie nicht übersetzbar.<br />

Worum es geht, ist die Haltung des Mitgefühls<br />

<strong>und</strong> der Solidarität mit jenen Menschen, die<br />

aus welchen Gründen auch immer auf die Hilfe<br />

1<br />

Vortrag auf der Diplomfeier der Katholischen<br />

Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Paderborn,<br />

am 18.7.2009<br />

10


anderer angewiesen sind. Dieses Engagement<br />

ist mit dem Wort Compassion gemeint, <strong>und</strong> es<br />

ist nach Johann Baptist Metz die Mitgift des<br />

Christentums für die entstehende Weltgemeinschaft,<br />

<strong>das</strong> Weltprogramm des Christentums.<br />

Die Mystik des Christentums sei eine Mystik<br />

der “Mitleidenschaft”, in der ich mich von der<br />

Not der anderen anrühren lasse <strong>und</strong> daraufhin<br />

mein Engagement entfalte. Der Imperativ des<br />

Christentums lautet nach Metz: Hinschauen,<br />

die Augen öffnen. “Im Entdecken, im Sehen<br />

von Menschen, die im alltäglichen Gesichtskreis<br />

unsichtbar bleiben, beginnt die Sichtbarkeit<br />

Gottes, öffnet sich seine Spur.” (Metz<br />

1997, S. 57) . Das Christentum lehre nicht eine<br />

Mystik der Innerlichkeit, sondern eine Mystik<br />

der Welt, sagt Metz. Der Blick gehe nicht nach<br />

innen, sondern nach außen. Und Jesu Blick<br />

habe primär nicht der Sünde, sondern dem<br />

Leid der Menschen gegolten.<br />

Der Samariter <strong>und</strong> die Krise des Helfens<br />

Als klassisches Beispiel christlicher Compassion<br />

gilt der barmherzige Samariter.<br />

„Er sah ihn (den Überfallenen) <strong>und</strong> wurde von<br />

Mitleid ergriffen (esplagchnisthe)“, heißt es<br />

bei Lukas 10,33 vom barmherzigen Samariter.<br />

Um zu verstehen, warum Jesus diese Geschichte,<br />

mit der er sich in <strong>das</strong> Menschheitsgedächtnis<br />

hineinerzählt hat, erzählt, müssen<br />

<strong>wir</strong> den Rahmen, <strong>das</strong> Vorgespräch genauer<br />

lesen:<br />

Und siehe, ein Gesetzesk<strong>und</strong>iger stand auf, um<br />

ihn auf die Probe zu <strong>stellen</strong>, <strong>und</strong> sagte: Lehrer,<br />

was muss ich tun, um ewiges Leben zu erben?<br />

Er aber sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben?<br />

Was liest du? Der antwortete <strong>und</strong><br />

sagte: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben<br />

aus deinem ganzen Herzen <strong>und</strong> mit deiner<br />

ganzen Seele <strong>und</strong> mit deiner ganzen Kraft <strong>und</strong><br />

mit deiner ganzen Einsicht, <strong>und</strong> deinen Nächsten<br />

wie dich selbst. Er aber sprach zu ihm:<br />

Richtig antwortetest du; tu dies, <strong>und</strong> du <strong>wir</strong>st<br />

leben. Der aber wollte sich rechtfertigen <strong>und</strong><br />

sprach zu Jesus: Und wer ist mein Nächster?<br />

Da sprach Jesus: Ein Mensch stieg hinab von<br />

Jerusalem nach Jericho <strong>und</strong> fiel unter die<br />

Räuber, die zogen ihn aus <strong>und</strong> versetzten ihm<br />

Schläge, gingen weg <strong>und</strong> ließen ihn halbtot<br />

liegen. Durch Zufall aber stieg ein Priester herab<br />

auf jenem Weg, er sah ihn <strong>und</strong> ging vorbei.<br />

Gleicherweise kam auch ein Levit an den<br />

Ort, er sah ihn <strong>und</strong> ging vorbei. Ein Samariter<br />

aber, der unterwegs war, kam zu ihm, er sah<br />

ihn <strong>und</strong> wurde von Mitleid ergriffen. Und er<br />

kam ihm nahe, verband seine W<strong>und</strong>en, goss<br />

Öl <strong>und</strong> Wein darauf, setzte ihn auf sein eigenes<br />

Lasttier, führte ihn in eine Herberge <strong>und</strong><br />

sorgte für ihn. Und am Tag darauf nahm er<br />

zwei Denare, gab sie dem Herbergs<strong>wir</strong>t <strong>und</strong><br />

sprach: Sorge für ihn, <strong>und</strong> was immer du dazu<br />

aufwendest, bei meinem Zurückkommen werde<br />

ich es dir zurückgeben. Wer von diesen dreien<br />

dünkt dir, dem unter die Räuber Gefallenen<br />

Nächster geworden zu sein? Der aber sprach:<br />

Der <strong>das</strong> Erbarmen mit ihm getan hat. Jesus<br />

sprach zu ihm: Geh, <strong>und</strong> tu es in gleicher Weise.<br />

(Lukas 10,25–37)<br />

Der Samariter handelt aus Mitleid. Er reflektiert<br />

nicht, ob seine Hilfe angemessen ist, er<br />

wägt nicht erst ab, handelt streng genommen<br />

also gar nicht ethisch, wenn ethisch Handeln<br />

heißt, aufgr<strong>und</strong> von Einsicht sich zu entscheiden<br />

<strong>und</strong> daraufhin selbst verantwortet <strong>und</strong><br />

bewusst zu handeln. Nein, der Samariter hilft<br />

aus einem Impuls heraus, ohne zu überlegen,<br />

was er von seiner Hilfeleistung hat. Er sieht<br />

hin <strong>und</strong> weiß. Die Geschichte hat insofern<br />

keine Moral <strong>und</strong> kein Ethos. Sie zeigt einfach<br />

etwas ganz Menschliches. Der Samariter reagiert<br />

als ein Mensch, der sich von Mitgefühl<br />

überwältigt einem ‚Halbtoten‘ nähert. Er reagiert<br />

mit unglaublicher Selbstverständlichkeit<br />

<strong>und</strong> tut, was getan werden muss, während die<br />

religiösen Führer in dieser Geschichte, Priester<br />

<strong>und</strong> Levit, kläglich versagen. Sie handeln<br />

vermutlich aus religiösen Motiven (Tote<br />

galten als unrein) <strong>und</strong> versagen deshalb. Der<br />

Samariter hat solche Motive nicht. Vielleicht<br />

ist er gerade deshalb in der Lage, <strong>das</strong> menschlich<br />

betrachtet Nächstliegende zu tun. Daraus<br />

folgt: Religion ist keine Garantie !<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

11


Schulinformationen Paderborn<br />

! dafür, <strong>das</strong>s ein Mensch Mitgefühl<br />

zeigt. Sie ist unter Umständen sogar ein Hindernis.<br />

Doch darin liegt gar nicht so sehr die<br />

Provokation dieser Erzählung.<br />

Die theologische Diskussion <strong>und</strong> Herausforderung<br />

steckt in der Rahmenhandlung zu<br />

dieser Geschichte. Sie nimmt ihren Anfang in<br />

einem Streitgespräch über die Frage, was ein<br />

Mensch tun müsse, um <strong>das</strong> „ewige Leben“ zu<br />

erlangen. Die Antwort der Schrift lautet: „Du<br />

sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem<br />

ganzen Herzen <strong>und</strong> mit deiner ganzen<br />

Seele <strong>und</strong> mit deiner ganzen Kraft <strong>und</strong> mit<br />

deinem ganzen Denken <strong>und</strong> deinen Nächsten<br />

wie dich selbst.“ (Lukas 10,27) Beide Gebote<br />

sind Zitate aus dem Ersten Testament: „Du<br />

sollst Jahwe, deinen Gott, lieben aus deinem<br />

ganzen Herzen <strong>und</strong> mit aller Kraft!“ (Deuteronomium<br />

6,5) <strong>und</strong>: „Räche dich nicht ... sondern<br />

liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ (Levitikus<br />

19,18)<br />

„Und wer ist mein Nächster?“, <strong>wir</strong>d Jesus gefragt.<br />

Daraufhin erzählt er <strong>das</strong> Gleichnis vom<br />

barmherzigen Samariter.<br />

Das Gleichnis hat eine lange Auslegungsgeschichte.<br />

Gerd Theißen 2 , dem ich nun folge, interpretiert<br />

es im Blick die gegenwärtige Krise<br />

des Helfens, die von drei Einwänden bestimmt<br />

ist: 1. Hilfe ist Selbstausbeutung. Der Helfer<br />

könne sich nicht richtig vom Hilfsbedürftigen<br />

abgrenzen, er habe eine Art Helfersyndrom. 2.<br />

Mitleid <strong>und</strong> Barmherzigkeit haben mit Macht<br />

zu tun. Der Helfer helfe nur sich selbst. 3.<br />

Hilfsbereitschaft ist letztlich egoistisch. Sie<br />

diene nur den eigenen Nachkommen oder soziobiologisch<br />

formuliert: dem Fortbestand der<br />

eigenen Gene.<br />

Es lohnt sich, mit diesen Argumenten <strong>das</strong><br />

Gleichnis vom barmherzigen Samariter zu<br />

lesen. Dann zeigt sich ein Modell mitleidigen<br />

Handelns, <strong>das</strong> vom Samariter zu tun verlangt,<br />

was er leisten kann, nicht mehr, nicht weniger.<br />

Er hat ganz offensichtlich kein Helfersyndrom<br />

<strong>und</strong> er beutet sich nicht aus. Er verabschiedet<br />

sich nämlich von dem Überfallenen,<br />

sobald er den zweiten Helfer, der den Verletzten<br />

übernimmt, gef<strong>und</strong>en hat. Die Zuwendung<br />

des Samariters bleibt also zeitlich begrenzt. Er<br />

kann sich offenbar gut lösen. Er bleibt nicht,<br />

bis er selbst nichts mehr hat, sondern setzt<br />

seinen Weg alsbald fort.<br />

Vielleicht aber genießt er die Macht, einen so<br />

hilflosen Menschen vor sich zu haben? Er ist<br />

der Starke, <strong>und</strong> dort ist der Schwache?<br />

Um hier weiterzukommen, müssen <strong>wir</strong> den<br />

Unterschied zwischen Barmherzigkeit <strong>und</strong><br />

Nächstenliebe im antiken Umfeld beachten. In<br />

der orientalischen Antike war Barmherzigkeit<br />

in der Tat ein Gnadenerweis der Mächtigen.<br />

So denkt auch die Bibel die Barmherzigkeit<br />

Gottes. Barmherzigkeit war ein Geschehen<br />

unter gr<strong>und</strong>sätzlich Ungleichen. Die Mächtigen<br />

<strong>und</strong> Reichen, die auf gesellschaftliches<br />

Ansehen Wert legten, rühmten sich ihrer<br />

Barmherzigkeit. Barmherzigkeit war eine<br />

Statusfrage <strong>und</strong> hatte ihren Platz in einer<br />

autoritären Gesellschaft mit ausgeprägten<br />

Standesunterschieden. Dagegen war (<strong>und</strong><br />

ist) die Nächstenliebe ein Konzept der Beziehung<br />

unter Gleichen. Es taucht ebenfalls in<br />

der (römischen) Antike schon auf <strong>und</strong> ist wie<br />

Fre<strong>und</strong>schaft nur unter Gleichgestellten <strong>und</strong><br />

Gleichberechtigten denkbar. Nächstenliebe in<br />

dieser Bedeutung einer Beziehung zwischen<br />

Menschen, die sich als gleich <strong>und</strong> ebenbürtig<br />

erachten, ist symmetrisch. Nächstenliebe gibt<br />

es nur zwischen Menschen, die sich gegenseitig<br />

als gleichwertig akzeptieren. Der „Nächste“<br />

ist immer nur der, der mir gleich ist <strong>und</strong><br />

den ich als mir gleich akzeptiere. Der Nächste<br />

ist der mir gleiche Mensch. Wenn es am Ende<br />

der Zehn Gebote heißt: „Du sollst nicht begehren<br />

<strong>das</strong> Haus deines Nächsten. Du sollst nicht<br />

begehren <strong>das</strong> Weib deines Nächsten, noch<br />

seinen Knecht, noch seine Magd, noch sein<br />

Rind, noch seinen Esel, noch irgend etwas,<br />

was deinem Nächsten gehört.“ (Exodus 20,17),<br />

2<br />

Gerd Theißen, Die Bibel diakonisch lesen. Die Legitimitätskrise<br />

des Helfens <strong>und</strong> der barmherzige<br />

Samariter. In: Diakonie – biblische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

<strong>und</strong> Orientierungen, hrsg. v. G. Schäfer u. Th.<br />

Strohm, Heidelberg 1990, S. 376-401.<br />

12


dann ist mit dem ‚Nächsten‘ der vermögende<br />

Nachbar gemeint, nicht irgendein mittelloser<br />

<strong>und</strong> hilfsbedürftiger Mensch, Tagelöhner oder<br />

Sklave. Die Liebe zum Nächsten gibt es in der<br />

Antike nur unter Gleichen. Jedes Machtgefälle<br />

muss ausgeschlossen sein.<br />

Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter<br />

treffen zwei aus der Gesellschaft ausgeschlossene<br />

Menschen aufeinander. Der Überfallene<br />

ist ausgeschlossen aufgr<strong>und</strong> seines bösen Geschicks,<br />

der Samariter aufgr<strong>und</strong> seiner Außenseiterrolle<br />

auf jüdischem Gebiet. Zwischen<br />

beiden Menschen besteht in dieser Hinsicht<br />

Symmetrie, <strong>und</strong> sie begegnen sich auf dieser<br />

Ebene als gleiche. Ein Machtgefälle besteht<br />

kaum. Und einen Vorteil kann der Samariter<br />

aus seiner Hilfsbereitschaft auch nicht ziehen.<br />

Es ist sehr unwahrscheinlich, <strong>das</strong>s der Überfallene<br />

die gleichen Gene hat. Es ist unklar,<br />

ob der „halbtot“ daliegende Mann tatsächlich<br />

überlebt. Nicht abzusehen ist, ob der Überfallene<br />

dem Samariter mit gleichem vergelten<br />

kann. Das würde z.B. auch voraussetzen, <strong>das</strong>s<br />

zwischen beiden nun eine lange Beziehung<br />

entsteht. Der Samariter aber geht weiter,<br />

nachdem er erste Hilfe geleistet hat.<br />

Alle Erwägungen, ob der Samariter nicht<br />

doch nur an sich gedacht haben könnte, greifen<br />

bei dieser Geschichte also nicht. Und es<br />

kommt noch eine Schwierigkeit hinzu, die<br />

sich erst am Ende der Geschichte auflöst: Der<br />

Samariter ist nicht von vornherein „der Nächste“.<br />

Das <strong>wir</strong>d er erst durch die Frage <strong>und</strong><br />

den Kommentar, den Jesus seiner Geschichte<br />

anfügt. „Welcher von diesen dreien (Priester,<br />

Levit, Samariter) scheint dir der Nächste geworden<br />

zu sein, dem, welcher unter die Räuber<br />

fiel?“ (Lukas 10,36) Die Fragestellung ist<br />

entscheidend. Jesus fragt nicht: „Wer ist der<br />

Nächste gewesen?“, sondern: „Wer ist der<br />

Nächste geworden?“ Darum geht es: Wie <strong>wir</strong>d<br />

ein Mensch zum Nächsten? Im griechischen<br />

Text liegt hier ein kleines Wortspiel vor. Frei<br />

übersetzt fragt Jesus nämlich: „Welcher von<br />

diesen dreien scheint dir dem, welcher unter<br />

die Räuber fiel, nahe gekommen zu sein?“ Das<br />

ist offensichtlich <strong>und</strong> ganz handfest der Samariter.<br />

Der ‚Nächste‘ ist der, der sich auf <strong>das</strong><br />

Opfer zubewegt <strong>und</strong> ihm dadurch „der Nächste“<br />

<strong>wir</strong>d. Das erscheint banal, ist aber für <strong>das</strong><br />

Verständnis, wer im christlichen Verständnis<br />

einem Menschen der Nächste ist, entscheidend.<br />

Der Nächste ist nicht jener, der aufgr<strong>und</strong><br />

seines Status als Familienmitglied oder<br />

aufgr<strong>und</strong> der Rechtslage Anspruch auf Hilfe<br />

hat. Das macht ihn noch nicht zum Nächsten.<br />

Der Nächste ist der, den <strong>und</strong> dem <strong>wir</strong> uns<br />

zum Nächsten machen, dem <strong>wir</strong> uns nähern,<br />

um Hilfe leisten zu können. Dabei kommen<br />

<strong>wir</strong> ihm unwillkürlich ‚nahe‘. In christlichem<br />

Verständnis ist „Bruder“ <strong>und</strong> „Schwester“<br />

dann nicht nur der Mensch, mit dem ich genetisch<br />

verwandt bin, sondern prinzipiell jeder<br />

Mensch.<br />

Gehen <strong>wir</strong> nochmals an den Anfang der<br />

Geschichte. Für Priester, Levit <strong>und</strong> Samariter<br />

war der Überfallene „halbtot“. Die Frage,<br />

ob es sich lohnt, noch zu helfen, musste<br />

sich allen drei <strong>stellen</strong>. Wenn <strong>wir</strong> annehmen,<br />

<strong>das</strong>s der Überfallene Jude war (<strong>das</strong> <strong>wir</strong>d<br />

nicht ausdrücklich gesagt), müssten Priester<br />

<strong>und</strong> Levit ihm als einem Volksgenossen am<br />

nächsten stehen <strong>und</strong> am ehesten helfen. Sie<br />

geben ihn jedoch auf. Er ist aus ihrem Leben<br />

herausgefallen. Diesem Verlorenen, Aufgegebenen<br />

<strong>und</strong> Aussortierten wendet sich der<br />

Samariter zu. Der Verlorene, Aufgegebene,<br />

Aussortierte ist sein „Bruder“ <strong>und</strong> gehört<br />

zu jenen „gerings ten“, mit denen sich der<br />

Weltenrichter in der großen Gerichtsrede des<br />

Matthäusevangeliums selbst identifiziert.<br />

(Matthäus 25,31–46)<br />

Am Schluss des Samaritergleichnisses hat<br />

man fast vergessen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Gleichnis im Anschluss<br />

an die theologische Frage nach dem<br />

„ewigen Leben“ erzählt <strong>wir</strong>d. Das „ewige Leben“<br />

erlangt, wer <strong>das</strong> Doppelgebot der Liebe<br />

erfüllt, sagt der Gesetzeslehrer, <strong>und</strong> Jesus<br />

stimmt ihm ausdrücklich zu. Er sagt ihm: „Tu<br />

<strong>das</strong>, <strong>und</strong> du <strong>wir</strong>st leben.“ (Lukas 10,28) Was<br />

heißt hier „leben“? !<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

13


Schulinformationen Paderborn<br />

! Die christliche Rede vom jüngsten<br />

Gericht, vom Weltenrichter <strong>und</strong> ewigen Leben<br />

ist ein wenig aus der Mode gekommen. Man<br />

kann dieser Mythologie wenig abgewinnen.<br />

Kaum einer glaubt daran. Dennoch sollte man<br />

den Impuls, der in diesen Bildern vom Endgericht<br />

<strong>und</strong> in der Sehnsucht nach „ewigem<br />

Leben“ steckt, nicht vergessen. Endgericht<br />

meint, <strong>das</strong>s jedes Leben wichtig ist, keines<br />

verloren geht <strong>und</strong> gerade <strong>das</strong> übergangene,<br />

aufgegebene, aussortierte <strong>und</strong> weggeworfene<br />

Leben von Gott angeschaut <strong>wir</strong>d <strong>und</strong> vor Gott<br />

Wert hat. Ewiges Leben in diesem Sinne ist<br />

mehr als biologisches Leben. In biologischer<br />

Sicht unterliegt <strong>das</strong> Leben des Menschen der<br />

Selektion. Mit der modernen Reproduktionsmedizin<br />

beginnt der Mensch, die Selektion<br />

selbst in die Hand zu nehmen. Das beschädigte<br />

Leben, in <strong>das</strong> zu investieren unendliche<br />

Mühe kostet, <strong>wir</strong>d immer früher erkannt <strong>und</strong><br />

kann aussortiert werden. Um der biologisch<br />

<strong>und</strong> evolutionär notwendigen Auslese willen<br />

nimmt der Mensch den Tod in Kauf. Das ist<br />

<strong>das</strong> Leben. „Ewiges Leben“ beginnt, wenn die<br />

Selektion des verloren gegebenen Lebens aufhört.<br />

Der Imperativ des Samaritergleichnisses<br />

lautet: Rette <strong>das</strong> Verlorene! Der christlichen<br />

Nächstenliebe, schreibt Theißen, werden die<br />

Argumente für <strong>das</strong> Helfen schnell ausgehen,<br />

„solange man nur von einem Leben im biologischen<br />

Sinne spricht <strong>und</strong> Hilfe dadurch begründen<br />

will, was biologisch (<strong>und</strong> evolutionär)<br />

funktional ist“; <strong>und</strong> zwar „gerade dort, wo<br />

christliche Nächstenliebe immer ihre besondere<br />

Aufgabe gesehen hat: bei den zerstörten,<br />

zerrütteten, hilflosen Menschen, die oft nur<br />

noch ein Schatten ihrer selbst sind.“ 3<br />

Kirchengemeinden als Orte der<br />

Solidaritätsschöpfung<br />

Bleibt die Frage: Warum sich einem Menschen<br />

zuwenden? Wer geht denn hin zu den Behinderten<br />

<strong>und</strong> Alten <strong>und</strong> Obdachlosen? Die Kirchengemeinden<br />

sind es nicht per se. In einer<br />

US- amerikanischen Untersuchung (Wuthnow<br />

1997) wurde festgestellt, <strong>das</strong>s Mitglieder<br />

einer Kirchengemeinde immer dann bereit<br />

waren zu helfen, wenn der Pfarrer die Unterstützten<br />

als „würdig“ eingestuft hatte. Da fielen<br />

im abstinenten Amerika die Alkoholkranken<br />

leicht raus. Sie waren nach Auffassung<br />

der Kirchenbesucher an ihrer Sucht selber<br />

schuld. Religion (oder müsste ich sagen: bigotte<br />

Moral?) kann den Blick auf <strong>das</strong> Leid von<br />

Menschen also auch blockieren. Aber es gibt<br />

Gegenbeispiele <strong>und</strong> ganz andere Urteile über<br />

Kirchengemeinden. In unserer Untersuchung<br />

des Compassion-Projekts (Kuld/ Gönnheimer<br />

2000) schauten <strong>wir</strong> unter anderem auch nach,<br />

welche Jugendlichen sich denn für Behinderten-<br />

<strong>und</strong> Altenheime gemeldet hatten <strong>und</strong> welche<br />

dort dann tatsächlich tätig wurden. Das<br />

Ergebnis hat uns überrascht: Fast die Hälfte<br />

der kirchlich engagierten Jugendlichen ging in<br />

Einrichtungen für behinderte oder alte Menschen,<br />

obwohl diese Einrichtungen zu Beginn<br />

des Schuljahrs nicht ihre erste Option darstellten.<br />

Von den kirchlich distanzierten Jugendlichen<br />

gingen auch einige in Behinderteneinrichtungen<br />

<strong>und</strong> Altenheime, in der Regel auf<br />

Anregung der Lehrkräfte hin; aber als Option<br />

hatte kein einziger (!) der kirchendistanzierten<br />

sich für diese Einrichtungen eingetragen. Das<br />

heißt: Die kirchlichen Jugendlichen stellten<br />

sich der Herausforderung von als „schwierig“<br />

geltenden Einsatzbereichen eher als kirchendistanzierte.<br />

Dieses Ergebnis führte zu heftigen<br />

Diskussionen. Wie ist es zu erklären?<br />

Man kann darauf verweisen, <strong>das</strong>s kirchlich<br />

engagierte Jugendliche in der Regel sozial<br />

gut integrierte Jugendliche sind. Das stimmt<br />

durchaus. 94% der kirchlich engagierten Jugendlichen<br />

in unserer Untersuchung fühlen<br />

sich von ihren Eltern sehr positiv oder positiv<br />

unterstützt. Bei den kirchendistanzierten sagen<br />

<strong>das</strong> nur 74%. Die kirchlichen erleben auch<br />

eindeutig mehr, wie Erwachsene sich über die<br />

eigene Familie hinaus sozial engagieren <strong>und</strong><br />

<strong>das</strong> offensichtlich als lohnend <strong>und</strong> persönliche<br />

Bereicherung empfinden. Das kann man so<br />

zusammenfassen: Kirchliche Milieus scheinen<br />

3<br />

ebenda, S. 393.<br />

14


nach wie vor derart zu sein <strong>und</strong> zu <strong>wir</strong>ken,<br />

<strong>das</strong>s sie Haltungen von Prosozialität fördern<br />

<strong>und</strong> stärken, Haltungen also, von denen die<br />

Gesellschaft insgesamt lebt. Wer sie auflöst,<br />

muss wissen, was er in Kauf nimmt. Kirchengemeinden<br />

sind kein Luxus.<br />

Anschrift:<br />

Prof. Dr. Lothar Kuld<br />

Pädagogische Hochschule Weingarten<br />

Katholische Theologie/ Religionspädagogik<br />

Kirchplatz 2<br />

88250 Weingarten<br />

0751/ 501-8388<br />

kuld@ph-weingarten.de<br />

Literatur:<br />

Compassion. Weltprogramm des Christentums.<br />

Soziale Verantwortung lernen, hrsg.<br />

von J.B. Metz u.a. Freiburg: Herder 2000<br />

Kuld, L. / Gönnheimer, St.: Compassion.<br />

Sozialverpflichtetes Lernen <strong>und</strong> Handeln,<br />

Stuttgart: Kohlhammer 2000<br />

Kuld, L.: Compassion – Raus aus der Ego-<br />

Falle, Münsterschwarzach: Vier-Türme-<br />

Verlag 2003<br />

Metz, J.B.: Die Autorität der Leidenden.<br />

Compassion. Vorschlag zu einem Weltprogramm<br />

des Christentums, in: Süddeutsche<br />

Zeitung 24.12.1997, Nr. 296, S. 57<br />

Metz, J.B.: Memoria Passionis. Ein provozierendes<br />

Gedächtnis in pluralistischer Gesellschaft,<br />

Freiburg: Herder 2006, S. 158-<br />

193.<br />

Praxisbuch Compassion. – Soziales Lernen<br />

an Schulen. Unterrichtsmaterialien für die<br />

Sek<strong>und</strong>arstufen I <strong>und</strong> II, hg. von L. Kuld/<br />

St. Gönnheimer, Donauwörth: Auer 2004<br />

Theißen, G.: Die Bibel diakonisch lesen.<br />

Die Legitimitätskrise des Helfens <strong>und</strong> der<br />

barmherzige Samariter. In: Diakonie – biblische<br />

Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Orientierungen,<br />

hrsg. v. G. Schäfer u. Th. Strohm, Heidelberg<br />

1990, S. 376-401.<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

15


Schulinformationen Paderborn<br />

60<br />

!<br />

Jahre<br />

Landvolkshochschule Hardehausen –<br />

ein religionspädagogischer Glückwunsch<br />

Viele Veranstaltungen der Hauptabteilung Schule <strong>und</strong> Erziehung, vor allem die des IRuM, werden in Kooperation mit<br />

den Bildungshäusern in unserem Erzbistum durchgeführt. Über Jahre hat sich gerade bei mehrtägigen Seminaren vor<br />

allem die Zusammenarbeit mit der „Bildungsstätte St. Bonifatius“ in Elkeringhausen, dem „Liborianum“ in Paderborn,<br />

der Katholischen Akademie in Schwerte, der „Hegge“ in Willebadessen- Niesen, der „Kommende“ in Dortm<strong>und</strong> <strong>und</strong> mit<br />

dem „Jugendhaus“ in Hardehausen bewährt. Jedes dieser Häuser bereichert unsere Veranstaltungen mit einer ureigenen<br />

Atmosphäre. Zum 60. Geburtstag der Landvolkshochschule Anton Heinen in Hardehausen möchten <strong>wir</strong> exemplarisch <strong>und</strong><br />

stellvertretend für andere Katholische Bildungshäuser die impliziten religionspädagogischen Leistungen der Einrichtungen<br />

würdigen.<br />

Gerhard Krombusch, IRuM Paderborn<br />

Mehr als „reden über“!<br />

Von der Notwendigkeit einer religionspädagogischen<br />

Performance <strong>und</strong> den Selbstverständlichkeiten<br />

in der Katholischen Landvolkshochschule<br />

Hardehausen<br />

Vorbemerkung:<br />

„Religionspädagogik“ begrenzt ihren Gegenstand<br />

nicht allein auf den (schulischen) Religionsunterricht.<br />

Sie reflektiert <strong>und</strong> gestaltet religiöse<br />

Erziehung, religiöse Sozialisation <strong>und</strong><br />

religiöse Bildung sowohl im Bereich der schulisch-<br />

unterrichtlichen Fragestellungen wie in<br />

allen Bereichen des katechetischen Handelns,<br />

in denen es um ein Lernen zum gläubigen<br />

Christsein <strong>und</strong> um die notwendige Einübung<br />

in den Glauben geht.<br />

Auf diesem Hintergr<strong>und</strong> darf auch die Arbeit<br />

einer Katholischen Landvolkshochschule in<br />

die folgenden religionspädagogischen Überlegungen<br />

einbezogen werden – erst recht mit<br />

dem Blick auf <strong>das</strong> Programm der Landvolkshochschule<br />

Anton Heinen in Hardehausen<br />

(LVHS), in <strong>das</strong> kontinuierlich verschiedene<br />

Handlungsfelder der Religionspädagogik<br />

eingewoben sind. Dazu kommen die vielen<br />

Gastveranstaltungen (kirchlicher) Bildungsträger,<br />

die sich bei der Wahl des jeweiligen<br />

Ortes für ihre religionspädagogischen Seminare<br />

oft genug bewusst für Hardehausen entscheiden.<br />

Wenn in der thematischen Hinführung des<br />

ersten <strong>und</strong> zweiten Kapitels meiner Überlegungen<br />

dem katholischen Religionsunterricht<br />

als Ort religiösen Lernens eine besondere<br />

Aufmerksamkeit geschenkt <strong>wir</strong>d, so ist <strong>das</strong><br />

auch dem Leiter der LVHS, Prof. Dr. Konrad<br />

Schmidt, geschuldet, der über viele Jahre als<br />

Leiter der Abteilung Religionspädagogik im<br />

Erzbischöflichen Generalvikariat tätig war<br />

<strong>und</strong> bis heute als Hochschullehrer <strong>das</strong> Fach<br />

Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät<br />

Paderborn, der ältesten Hochschule<br />

Westfalens, vertritt.<br />

1. Auch Religion muss gelernt werden<br />

Kaum etwas <strong>wir</strong>d in der aktuellen Bildungslandschaft<br />

leidenschaftlicher diskutiert als<br />

die Fragen nach „Bildungsstandards“ <strong>und</strong> den<br />

sich daraus entwickelnden „Kompetenzanforderungen“<br />

bzw. „Kompetenzen“.<br />

Seit dem (deutschen) Pisa-Schock verändert<br />

sich die pädagogische Blickrichtung. Wir fragen<br />

nicht mehr primär nach dem Input, also<br />

danach, was <strong>wir</strong> im Unterricht durchnehmen,<br />

sondern unser Interesse gilt dem Output, also<br />

dem, was überprüfbar durch den Unterricht<br />

erreicht wurde. Das Ziel unterrichtlicher Prozesse<br />

liegt nicht (mehr) in der Anhäufung von<br />

16


„Stoffen“. Vielmehr geht es um Kompetenzen.<br />

„Kompetenzen“, so sagen Fachleute, sind „die<br />

bei Individuen verfügbaren kognitiven Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> Fertigkeiten, um bestimmte Probleme<br />

zu lösen sowie die damit verb<strong>und</strong>enen<br />

motivationalen … <strong>und</strong> sozialen Bereitschaften<br />

<strong>und</strong> Fähigkeiten, um Problemlösungen in variablen<br />

Situationen erfolgreich <strong>und</strong> verantwortungsvoll<br />

nutzen zu können.“ (Franz E.<br />

Weinert).<br />

Der Inhalt in einem Lernprozess spielt dabei<br />

eine eher „dienende“ Rolle; er <strong>wir</strong>d danach<br />

ausgewählt <strong>und</strong> bewertet, ob <strong>und</strong> wie er für<br />

<strong>das</strong> Erreichen einer bestimmten Kompetenz<br />

notwendig ist. Konkret: Es geht z.B. im Religionsunterricht<br />

weniger darum, bestimmte<br />

Gebete kennen zu lernen, als vielmehr um die<br />

Kompetenz, elementare Ausdrucksformen der<br />

Gottesbeziehung unterscheiden zu können:<br />

Loben, Danken, Bitten. (Lehrplan Kath. Religionslehre<br />

an Gr<strong>und</strong>schulen, NW, Kompetenzerwartungen<br />

Jahrgang 3 / 4) . Da Standards<br />

<strong>und</strong> Kompetenzen zwangläufig tendenziell kognitiv<br />

formuliert sind <strong>und</strong> immer einer Überprüfung<br />

standhalten müssen, um sich tatsächlich<br />

als solche zu erweisen, besteht die Gefahr,<br />

<strong>das</strong>s nur noch relevant ist, was operationalisierbar<br />

ist <strong>und</strong> sich messen lässt – in allen<br />

Schulformen!<br />

Wo aber, so dürfen <strong>wir</strong> fragen, haben die für<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche notwendigen Begegnungen<br />

<strong>und</strong> Erfahrungen mit der Praxis ihrer<br />

Religion ihren Spiel-raum? Wo hat <strong>das</strong><br />

Erleben von Religion seinen Platz, welchen<br />

Stellenwert räumen <strong>wir</strong> den Gestaltungs- <strong>und</strong><br />

Ausdrucksfähigkeiten von Menschen ein, die<br />

Religion lernen wollen?<br />

2. Religion muss gezeigt <strong>und</strong> erprobt werden<br />

Das Christentum ist für eine zunehmende<br />

Zahl von Kindern, Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen<br />

zu einer Fremdreligion geworden; sie<br />

verbinden keine oder kaum eigene Erfahrungen<br />

mit der Glaubenspraxis einer Konfession.<br />

Erfahrungen beruhen auf der Reflexion<br />

von konkreten ästhetischen (aisthesis = sinnliche)<br />

Wahrnehmungen <strong>und</strong> Erlebnissen –<br />

<strong>und</strong> diese lassen sich nicht „aus zweiter Hand“<br />

vermittelt ins religiöse Lernen einbringen.<br />

Suchende <strong>und</strong> Lernende müssen Chancen des<br />

eigenen Erlebens <strong>und</strong> des „Erprobens“ von Religion<br />

haben.<br />

Die Religionspädagogik sieht sich in Theorie<br />

<strong>und</strong> Praxis vor neuen Herausforderungen:<br />

Die Vermittlung des gelehrten Glaubens kann<br />

nicht ohne den Bezug zum gelebten Glauben<br />

gelingen. 1 Es gilt, bewährte <strong>und</strong> neue Wege<br />

(wieder) zu entdecken, auf denen Leben <strong>und</strong><br />

Glauben Gestalt annehmen. Sicher brauchen<br />

<strong>wir</strong> mehr als bisher „Inszenierungen“, die einladen,<br />

Religion <strong>und</strong> Glaube bewusst zu erleben<br />

– oder sollten <strong>wir</strong> doch besser von „erproben“<br />

sprechen?<br />

Rudolf Englert, Religionspädagoge an der<br />

Universität Duisburg, klagte 2002 einen veränderten<br />

Präsentationsmodus religiöser Ausdrucksformen<br />

ein: „Ohne <strong>das</strong>s damit ein neues<br />

religionspädagogisches Modewort kreiert werden<br />

soll, könnte man abgekürzt vielleicht auch<br />

von einem `performativen Religionsunterricht`<br />

sprechen.“ 2<br />

Englert beschreibt damit eine Art religionspädagogischer<br />

Neubesinnung auf eine notwendige<br />

Integration von „Formen“ <strong>und</strong> „Darstellungen“<br />

– per formam (lat.): durch die Form;<br />

to perform (engl.): ausführen, verrichten,<br />

durchführen, vollziehen - von Religion in religionspädagogische<br />

Vermittlungsprozesse. Er<br />

benutzt dabei einen Begriff aus der Sprachphilosophie<br />

(performance: „How to do things with<br />

words“ 3 ), mit dem der englische Phi- !<br />

1<br />

vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz:<br />

Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen<br />

(2005), S. 24<br />

2<br />

Englert, Rudolf: Religionsunterricht als Realisation.<br />

Einführung in <strong>das</strong> Thema dieses <strong>Heft</strong>es, in:<br />

Religionsunterricht an höheren Schulen 45 (2002),<br />

S.1<br />

3<br />

vgl. die posthume Veröffentlichung einer 1955 in<br />

Oxford gehaltenen Vorlesung: How to Do Things<br />

with Words 1961, dt. Zur Theorie der Sprechakte,<br />

Stuttgart 1972<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

17


Schulinformationen Paderborn<br />

!<br />

losoph John L. Austin in den 50er<br />

Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts die Einsicht<br />

beschrieb, <strong>das</strong>s eine Äußerung immer zugleich<br />

eine Handlung darstellt. Sprechakttheorien<br />

machen darauf aufmerksam, <strong>das</strong>s bei sprachlichen<br />

Handlungen bereits mit dem Verlauten<br />

eine Wirklichkeit einsetzt. Theaterinszenierungen<br />

sind auf diesem Hintergr<strong>und</strong> Verwandlungen<br />

von Texten in Sprechakte. Eine<br />

performative Religionspädagogik sucht also<br />

nach Möglichkeiten, religiöse Inhalte durch eine<br />

„Inszenierung“ in eine bestimmte Form zu<br />

bringen – <strong>und</strong> ist dabei zurückverwiesen auf<br />

die reichliche „Praxis des Glaubens“ an seinen<br />

unterschiedlichen Orten in Familie, Kirche,<br />

Schule <strong>und</strong> Gesellschaft.<br />

Im wertschätzenden Rückblick auf die argumentative<br />

Verankerung des Religionsunterrichts<br />

in den schulischen Fächerkanon<br />

(Würzburger Synode) <strong>und</strong> unter Anerkennung<br />

weitgehend kognitiv ausgerichteter neuer<br />

Bildungsstandards <strong>und</strong> Kompetenzbeschreibungen<br />

für den Religionsunterricht brauchen<br />

<strong>wir</strong> heute zur Sicherung der Nachhaltigkeit<br />

unserer religionspädagogischen Praxis die<br />

bewusste Einbeziehung von Partizipationsangeboten<br />

christlicher Traditionen – einladend,<br />

ohne Absicht zu vereinnahmen. Eine solche<br />

Erkenntnis / Forderung schließt eine neue<br />

Sicht auf kreative Formen der Zusammenarbeit<br />

zwischen dem Religionsunterricht <strong>und</strong><br />

kirchlichen (Bildungs-)Einrichtungen <strong>und</strong> Angeboten<br />

ein.<br />

3. Mehr als Reden über Religion –<br />

religionspädagogisch-performativ anregende<br />

Praxis in der Landvolkshochschule „Anton<br />

Heinen“<br />

Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit<br />

möchte ich mich im Folgenden von der Praxis<br />

der LVHS in Hardehausen anregen lassen,<br />

performative Elemente zu benennen, die als<br />

„Inszenierungen“ <strong>und</strong> einladende Angebote<br />

die religionspädagogische Praxis in Schule<br />

<strong>und</strong> Gemeinde bereichern können. Dabei profitiere<br />

ich zusammen mit unzähligen Kursteilnehmern<br />

der letzten 60 Jahre von dem<br />

In einander von Handlungsorientierung <strong>und</strong><br />

Reflexivität, <strong>das</strong> den (religions-)pädagogischen<br />

Alltag in Hardehausen charakterisiert.<br />

Zeit erleben <strong>und</strong> gestalten<br />

Eigentlich ist es an sich schon bemerkenswert,<br />

<strong>das</strong>s jemand bewusst seinen Alltag unterbricht,<br />

um in ein Bildungshaus zu fahren.<br />

Denn „eigentlich“ haben die meisten Zeitgenossen<br />

keine Zeit. In Zeiten von ständiger<br />

Beschleunigung <strong>und</strong> auf der Suche nach dem<br />

richtigen Zeitmanagement arbeiten nicht wenige<br />

schneller <strong>und</strong> immer mehr in der Hoffnung,<br />

irgendwo Zeit zu sparen oder einmal<br />

mehr Zeit zu haben. Gleichzeit lachen sie mit<br />

den Kindern über die grauen Männer von der<br />

Zeitsparkasse in Michael Endes Jugendbuch<br />

„Momo“. Beschäftigungen wie Lesen, Singen<br />

oder mit Fre<strong>und</strong>en zusammen sein empfinden<br />

sie als unnütz. „Niemand schien zu merken,<br />

<strong>das</strong>s der Mensch, in dem er Zeit sparte,<br />

in Wirklichkeit etwas anderes sparte. Keiner<br />

wollte wahrhaben, <strong>das</strong>s sein Leben immer<br />

ärmer, immer gleichförmiger <strong>und</strong> immer kälter<br />

wurde. … Zeit ist Leben. Und <strong>das</strong> Leben<br />

wohnt im Herzen.“ 4<br />

Für Hardehausen muss man sich Zeit nehmen,<br />

weil lohnende Erfahrungen warten. Sie / er<br />

„nimmt sich Zeit“, so sagen <strong>wir</strong> <strong>und</strong> betonen<br />

damit die bewusste Entscheidung für eine besondere<br />

Zeit. Welche Zeit? Da ist die messbare<br />

Zeit, kontrollierbar beim Tagungsbeginn- <strong>und</strong><br />

ihrem Ende. Da sind die Zeiten der einzelnen<br />

Programmpunkte, die Zeiten für Pausen <strong>und</strong><br />

Gottesdienste. Der Rektor des Hauses weiß<br />

solche Zeiten vorbildlich ins Bewusstsein zu<br />

heben: rechtzeitig vor dem Ende einer Einheit<br />

zieht er demonstrativ die goldene Taschenuhr<br />

– <strong>und</strong> lenkt den Teilnehmerblick auf die eigenen<br />

Uhren – „kommen <strong>wir</strong> zum Schluss…!“<br />

Neben der messbaren Zeit, die begleitet <strong>wir</strong>d<br />

vom Hell- <strong>und</strong> Dunkelrhythmus des Tages,<br />

4<br />

Ende, Michael: Momo, Stuttgart 1973, S.72<br />

18


gibt es die unterschiedlich erlebten <strong>und</strong> gefühlten<br />

Zeiten. Zeiten der Langeweile, der Angst,<br />

der Freude. Unser Streben gilt der erfüllten<br />

Zeit.Erfüllte Zeiten lassen Zeit vergessen. Wo<br />

Zeit vergessen <strong>wir</strong>d, sind <strong>wir</strong> den Engeln auf<br />

der Spur 5 <strong>und</strong> dürfen „Himmlisches“ erspüren.<br />

Meist verfliegen St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Tage der Arbeit<br />

<strong>und</strong> des Spiels in der Landvolkshochschule –<br />

so die nachträglichen Zeitbeschreibungen bei<br />

vielen Tagungsauswertungen. In Hardehausen<br />

gelingt es in diesem Sinn immer wieder in<br />

eine Spur zu kommen, die etwas vom Himmel<br />

erahnen lässt, in dem es (vielleicht?) keine<br />

Uhr mehr gibt.<br />

Jede Veranstaltung in Hardehausen ist eingeb<strong>und</strong>en<br />

in einen besonderen zeitlichen Rahmen.<br />

Auf den ersten Blick sind Essenszeiten<br />

die willkommenen Unterbrechungen der Arbeit<br />

<strong>und</strong> eben „feste“ Zeiten, die nicht nur der<br />

Sättigung dienen. Das Lied oder <strong>das</strong> gemeinsam<br />

gesprochene Gebet eröffnet die gemeinsame<br />

Mahlzeit – in Räumen des ehemaligen<br />

Zisterzienserklosters, die den Klang von Lied,<br />

Gebet <strong>und</strong> (frommem) Gespräch Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

lang geformt <strong>und</strong> gehütet haben. Kinder, Jugendliche<br />

<strong>und</strong> Erwachsene werden eingeladen,<br />

mitzusprechen oder mitzusingen. Der<br />

Wohlklang eines im meist stimmigen Akkord<br />

endenden Kanons lässt staunen, zu welch chorischem<br />

Können die eigene Gruppe fähig ist<br />

– <strong>und</strong> lässt erleben, <strong>das</strong>s eine gemeinsame Eröffnung<br />

<strong>und</strong> ein sich Ausrichten auf den Geber<br />

der Gaben eine Dimension verleiht, die über<br />

die Aufnahme von Nahrung hinausgeht. In<br />

Hardehausen können so auch Essenzeiten zu<br />

erfüllten Zeiten werden!<br />

Ganz- <strong>und</strong> mehrtägige Seminare sind wie<br />

selbstverständlich eingeb<strong>und</strong>en in eine Tagzeitenliturgie<br />

– ganz gleich, ob der gemeinsame<br />

Tagesanfang oder –ausklang im Forum<br />

des benachbarten Jugendhauses, im Meditationsraum<br />

der Landvolkshochschule oder in der<br />

Vorkapelle der Kirche gestaltet <strong>wir</strong>d. Immer<br />

legen die Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />

des Hauses Wert darauf, <strong>das</strong>s die Tagungsteilnehmer<br />

in die Feiern an den Gelenk<strong>stellen</strong> des<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

19<br />

Tages eingeb<strong>und</strong>en werden. Es ist kaum zu<br />

eruieren, wie häufig <strong>und</strong> intensiv Texte, Gebete,<br />

Lieder <strong>und</strong> andere Gestaltungselemente<br />

derart gestalteter Zeiten zu performativen<br />

Elementen religionspädagogischer Praxis in<br />

den dienstlichen oder privaten Handlungsfeldern<br />

der Kursteilnehmer werden.<br />

Die Landvolkshochschule bewahrt ein kulturelles<br />

Gedächtnis: die Strukturierung von Zeit<br />

als ein Wesensmerkmal des Christentums!<br />

Die Rhythmisierung des Tages, die auch durch<br />

den Klang der Glocke in der Michaelskapelle<br />

unterstützt <strong>wir</strong>d, ist eingeb<strong>und</strong>en in eine zeitliche<br />

Ordnung des Jahres <strong>und</strong> der Wochen.<br />

Jahreszeitliche Gestaltungselemente begrüßen<br />

Kursteilnehmerinnen <strong>und</strong> -teilnehmer<br />

schon im Eingangsbereich des Hauses. Kunstausstellungen<br />

auf den großen Fluren vor den<br />

Veranstaltungssälen sind häufig jahreszeitlich<br />

motiviert. Dem Kalenderjahr übergeordnet ist<br />

<strong>das</strong> Herrenjahr. Durch Bilder, vergrößerte<br />

Spruch- <strong>und</strong> Gebetstexte, durch die Kerze an<br />

rechter Stelle ist <strong>das</strong> Jahr der Kirche präsent<br />

– nicht aufdringlich, sondern eher selbstverständlich,<br />

birgt es doch einen unaufgebbaren<br />

Schatz unserer abendländischen Kultur.<br />

Und nicht zuletzt: Die in Hardehausen erlebbare<br />

Sonn- <strong>und</strong> Feiertagskultur darf sich gerne<br />

als Korrektiv zu gesellschaftlich belastenden<br />

Fehlentwicklungen verstehen.<br />

Die Mitte finden<br />

Religion hat eine Innen- <strong>und</strong> eine Außenseite.<br />

„Kinder lernen Religion von außen nach<br />

innen. Eine Welt aus Riten, Gerüchen, Stimmungen,<br />

Liedern <strong>und</strong> Gebeten verbindet sich<br />

zu einer Kosmologie des Glaubens noch vor jeder<br />

Reflexion. Der Fähigkeit zur Deutung von<br />

Symbolen geht die Befähigung zum Symbolhandeln<br />

voraus.“ 6 Der Passauer Professor für<br />

Religionspädagogik Hans Mendl beschreibt eine<br />

Erkenntnis, die in Hardehausen zur selbstverständlichen<br />

Praxis geworden ist. !<br />

5<br />

vgl. Berger, Peter L.: Auf den Spuren der Engel,<br />

Freiburg, 3.Aufl. 1996<br />

6<br />

Mendl, Hans: Religion erleben, München 2008, S.<br />

162


Schulinformationen Paderborn<br />

! Einsichten der Gestaltpädagogik<br />

folgend <strong>wir</strong>d in der Regel vor Tagungsbeginn<br />

der jeweilige Raum mit großer Sorgfalt hergerichtet.<br />

Falls es die Teilnehmerzahl zulässt,<br />

bekommt der Raum eine „gestaltete Mitte“.<br />

Das ist mehr als jahreszeitlicher Raumschmuck,<br />

wobei selbst eine solche Absicht<br />

schon wertzuschätzen ist, gehört es doch z.B.<br />

zu den Bildungsstandards des Religionsunterrichts<br />

in der Primarstufe, <strong>das</strong>s Kinder „über<br />

die Welt in ihrer Schönheit <strong>und</strong> Fremdheit<br />

staunen <strong>und</strong> dies zum Ausdruck bringen.“ 7<br />

Ungesagt werden Raum, Teilnehmer <strong>und</strong> anstehende<br />

Thematiken in der Mitte verankert.<br />

In der katholischen Landvolkshochschule lädt<br />

zumeist ein Lied oder ein Gebet ein, sich selbst<br />

in der Gemeinschaft – <strong>und</strong> in der Gemeinschaft<br />

vor Gott – wahrzunehmen. In Ausrichtung<br />

auf eine gestaltete Mitte bekommt <strong>das</strong><br />

Singen <strong>und</strong> Beten eine Richtung: es geht um<br />

die Mitte, sei es um die eigene Innenschau der<br />

Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer, für die sich<br />

in Zeiten der Ruhe <strong>und</strong> Stille im Haus <strong>und</strong><br />

auf dem Klostergelände unendliche Möglichkeiten<br />

auftun, oder sei es in den „Gesprächen<br />

zwischendurch“ oder in den gottesdienstlichen<br />

Angeboten der Bildungsstätte. Wir Christen<br />

stehen in der Gewissheit, „in der Mitte“ Gott<br />

zu finden, <strong>das</strong> „Du“, an dem <strong>wir</strong> uns wie an einer<br />

Radnabe 8 festmachen dürfen – <strong>das</strong> „Du“,<br />

<strong>das</strong> Halt, Verlässlichkeit <strong>und</strong> Zuversicht ausstrahlt,<br />

auch <strong>und</strong> gerade für solche Teilnehmerinnen<br />

<strong>und</strong> Teilnehmer, die bewusst in ein<br />

Tagungshaus „aufs Land“ gegangen sind, um<br />

zu „unterbrechen“ 9 , um auf <strong>das</strong> eigene Leben<br />

zu schauen <strong>und</strong> es vor Gott zur Sprache zu<br />

bringen.<br />

In Meditationsräumen, in Kapellen <strong>und</strong> nicht<br />

zuletzt in der Kirche des Tagungsortes Hardehausen<br />

hat <strong>das</strong> Gebet seine ureigenen Räume.<br />

Hier kann sich in der stillen Gegenwart der<br />

in früheren Zeiten am Ort betenden Mönche<br />

eine Orientierung auf <strong>das</strong> „Du“ ein<strong>stellen</strong>, die<br />

schon in den gestalteten (Unterrichts-)Räumen<br />

vorbereitet <strong>wir</strong>d.<br />

Meditative Elemente <strong>und</strong> Gebetserziehung<br />

sind unverzichtbare Kennzeichen religionspä-<br />

dagogischer Praxis. In Lehrplänen <strong>wir</strong>d von<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern die Kenntnis „elementarer<br />

Ausdrucksformen der Gottesbeziehung“<br />

eingefordert. In Hardehausen können<br />

<strong>wir</strong> erleben, wie Loben, Danken, Bitten <strong>und</strong><br />

Klagen „geht“.<br />

Mehrfach im Jahr sind Eltern-Kind-Gruppen<br />

Gäste des Hauses. Ungezwungen haben sie<br />

Teil an der gr<strong>und</strong>legenden Ausrichtung aller<br />

Aktivitäten im Spielen <strong>und</strong> Lernen auf<br />

eine Mitte hin. Und sind es Lehrerinnen <strong>und</strong><br />

Lehrer oder Erzieherinnen <strong>und</strong> Erzieher, die<br />

sich zu Fortbildungszwecken in Hardehausen<br />

treffen, so sind sie eingeladen, (Gebets-)Erfahrungen<br />

zu machen, die sie in den von ihnen<br />

andernorts verantworteten religionspädagogischen<br />

Handlungsfeldern als „Inszenierung“<br />

von Religion einbringen können.<br />

Feiern in der Gegenwart Gottes<br />

Kenntnisse von <strong>und</strong> Erfahrungen mit den religiösen<br />

Traditionen, die sich in einer Vielfalt<br />

von liturgischen Formen, Riten, Symbolen <strong>und</strong><br />

Handlungsabläufen manifestiert haben, gehören<br />

zum Kern der Fähigkeiten, die uns erlauben,<br />

über die eigene Religion Auskunft zu<br />

geben. Im Streit um einen Religionsunterricht<br />

als „Religionsk<strong>und</strong>e“ oder als „konfessioneller<br />

Religionsunterricht“ spielt diese Erkenntnis<br />

eine wesentliche Rolle. Religion kann in ihrer<br />

Wirklichkeit nur in Ansätzen von außen<br />

verstanden werden. Religion <strong>und</strong> Glaube sind<br />

Phänomene, die von innen her entdeckt werden<br />

wollen. Die biblischen Texte sind Texte<br />

von Beteiligten bzw. von Begeisterten – von<br />

„innen heraus“ geschrieben. Wer sie in ihrer<br />

Lebens- <strong>und</strong> Glaubensrelevenanz verstehen<br />

will, begibt sich am besten in die Gemeinschaft<br />

der Glaubenden hinein, in die Gottes Offenbarung<br />

gelegt <strong>und</strong> aus der heraus Er sie ge-<br />

7<br />

Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz: Bildungsstandards<br />

für den Katholischen Religionsunterricht<br />

im Primarbereich (2006), S. 19-21<br />

8<br />

vgl. <strong>das</strong> Meditationsbild von Klaus von der Flüe<br />

9<br />

Johann Baptist Metz: „Die kürzeste Definition von<br />

Religion: Unterbrechung.“<br />

20


Was eigentlich zur Selbstverständlichkeit<br />

in Schule <strong>und</strong> Gemeinde gehört, hat seit den<br />

80er Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts einen<br />

Namen: „Kirchenpädagogik“ oder präziser<br />

„Kirchenraumpädagogik“. „Sie entwickelt<br />

eigenständige methodisch-didaktische Konzepte,<br />

um Besucher von Kirchen an die technische,<br />

ästhetisch-künstlerische, symbolische<br />

<strong>und</strong> nicht zuletzt spirituelle Dimension heranzuführen.<br />

Sie zielt darauf, <strong>das</strong>s Menschen<br />

eigene Erfahrungen mit allen Sinnen machen<br />

von Raum <strong>und</strong> Bau der Kirche. … Besondere<br />

Dynamik besaß die Kirchenraumpädagogik im<br />

Osten Deutschlands, wo schon früher als im<br />

Westen erkannt wurde, <strong>das</strong>s Kirchengebäude<br />

für entkirchlichte Menschen eine Brücke<br />

zur Begegnung mit christlichen Inhalten <strong>und</strong><br />

christlicher Spiritualität sein können.“ 11 Der<br />

2000 gegründete „B<strong>und</strong>esverband Kirchenpädagogik<br />

e.V.“ formuliert auf seiner Homepage<br />

in acht Thesen die Aufgaben <strong>und</strong> Chancen<br />

einer Pädagogik, die die Kirchen-<br />

!<br />

sprochen hat. In den (liturgischen) Feiern des<br />

Glaubens verdichtet sich, was in Unterricht<br />

<strong>und</strong> Katechese befragt <strong>und</strong> gelernt wurde. Liturgie<br />

konkretisiert Religion in Gebet, Lied<br />

<strong>und</strong> Musik <strong>und</strong> nicht zuletzt durch körpersprachlichen<br />

Ausdruck – Gemeinschaft stiftend,<br />

zur Verehrung Gottes. Ein öffentlicher<br />

Charakter ist ihr zu Eigen: im griechischen<br />

Ursprung des Wortes ist ein „öffentlicher<br />

Dienst“ gemeint, der ursprünglich sowohl den<br />

Dienst der wohlhabenden Bürger an den Armen<br />

(Armenspeisung) wie auch die Pflege von<br />

Einrichtungen öffentlicher Unterhaltung umspannte.<br />

Spätestens seit dem 9. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

ist es üblich, den christlichen Gottesdienst als<br />

Liturgie zu kennzeichnen.<br />

Liturgie übersteigt gr<strong>und</strong>sätzlich den privaten<br />

Raum. Sie ist Feier <strong>und</strong> Lebensvollzug der<br />

Kirche.<br />

Im Gefolge der Diskussionen um die Verankerung<br />

des Religionsunterrichts an den Schulen<br />

unserer pluralen Gesellschaft wehrte sich die<br />

schulische Religionspädagogik heftig gegen<br />

Katechetisierung <strong>und</strong> Liturgisierung des Unterrichts.<br />

Liturgische Erziehung sollte sich in<br />

Familie <strong>und</strong> Gemeinde abspielen. Nur selten<br />

wurde z.B. über die Chance von Schulgottesdiensten<br />

im Zusammenspiel mit dem Religionsunterricht<br />

nachgedacht.<br />

2006 sehen die Deutschen Bischöfe angesichts<br />

der Ferne von katholischen Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schülern zur eigenen Religion den „Religionsunterricht<br />

vor neuen Herausforderungen“.<br />

„Zukünftig <strong>wir</strong>d der Religionsunterricht in der<br />

Schule sich drei Aufgaben mit noch größerem<br />

Nachdruck <strong>stellen</strong> müssen, nämlich<br />

– der Vermittlung von strukturiertem <strong>und</strong><br />

lebensbedeutsamen Gr<strong>und</strong>wissen über den<br />

Glauben der Kirche,<br />

– dem Vetrautmachen mit Formen gelebten<br />

Glaubens <strong>und</strong><br />

– der Förderung religiöser Dialog- <strong>und</strong> Urteilsfähigkeit.“<br />

10<br />

Wie in kaum einem anderen Feld der Religionspädagogik<br />

hängt <strong>das</strong> Gelingen von performativen<br />

Elementen, die liturgisch geprägt<br />

sind, von den Erlebnissen <strong>und</strong> Erfahrungen<br />

ab, die Erzieherinnen <strong>und</strong> Erzieher, Lehrerinnen<br />

<strong>und</strong> Lehrer in eigenen Lebenszusammenhängen<br />

machen durften.<br />

So ist es einsehbar, <strong>das</strong>s sich verschiedene<br />

kirchliche Fortbildungsträger mit ihren Gruppen<br />

gerne in Hardehausen „einmieten“ – eben<br />

auch wegen der selbstverständlichen Angeboten<br />

zur Teilnahme (zum „Ausprobieren“) an<br />

einer vielgestaltigen Liturgie.<br />

Orte des Glaubens entdecken<br />

10<br />

Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen,<br />

a.a.O., S. 18<br />

Kursive Hervorhebung durch den Autor<br />

Anmerkung: Schon die Würzburger Synode hatte<br />

1974 im Zielspektrum des Religionsunterrichts formuliert:<br />

„Er (der Religionsunterricht) macht vertraut<br />

mit der Wirklichkeit des Glaubens“. Die Notwendigkeit,<br />

den Religionsunterricht als Lernfach<br />

in der Schule argumentativ abzusichern <strong>und</strong> die<br />

noch recht breite Wirkung der Gemeindekatechese<br />

hatten aber dazu geführt, <strong>das</strong>s nur wenige Anstrengungen<br />

unternommen wurden, z.B. liturgische Elemente<br />

in den Unterricht zu integrieren.<br />

11<br />

„Kirchenraumpädagogik“: Wikipedia. Die freie<br />

Enzyklopädie (im Internet).<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

21


Schulinformationen Paderborn<br />

! raumerfahrung ins Zentrum stellt:<br />

Kirchenpädagogik bringt Mensch <strong>und</strong> Kirchenraum<br />

in Beziehung, bedeutet raum- <strong>und</strong> erfahrungsbezogenes<br />

Arbeiten, eröffnet Zugänge<br />

zu religiösen Erfahrungen, arbeitet in methodischer<br />

Vielfalt, braucht Zeit, <strong>wir</strong>kt nach außen,<br />

<strong>wir</strong>kt nach innen <strong>und</strong> ist eine langfristige<br />

Investition in die kommende Generation. „Kirchenpädagogik<br />

will Kirchenräume für Menschen<br />

öffnen <strong>und</strong> den Sinngehalt christlicher<br />

Kirchen mit Kopf, Herz <strong>und</strong> Hand erschließen<br />

<strong>und</strong> vermitteln, um so die Inhalte der christlichen<br />

Religion bekannt zu machen <strong>und</strong> einen<br />

Zugang zu spirituellen Dimensionen zu ermöglichen.<br />

- Kirchenpädagogik bedeutet raum<strong>und</strong><br />

erfahrungsbezogenes Arbeiten in methodischer<br />

Vielfalt. Kirchenpädagogik bringt den<br />

heutigen Menschen mit seinem existentiellen<br />

Horizont in Beziehung zum Kirchenraum in<br />

seiner gewachsenen Gestalt.“ 12<br />

Was inzwischen in religionspädagogischen <strong>Institut</strong>en<br />

<strong>und</strong> an Universitäten reflektiert <strong>und</strong><br />

praktisch erprobt <strong>wir</strong>d, ist seit sechzig Jahren<br />

fester Bestandteil des Programms der Landvolkshochschule.<br />

Ob bei Tagesexkursionen,<br />

bei Studienfahrten oder Wallfahrten – immer<br />

gibt es für den Besuch der Kirchen eine besondere<br />

Zeit. Dabei werden die Räume nicht wie<br />

Museen erschlossen. Bei Gottesdiensten erleben<br />

die Teilnehmer die eigentliche Zweckbestimmung<br />

der Kirchenräume: sie sind gestaltete<br />

Versammlungsräume von <strong>und</strong> für Menschen,<br />

die in ihrer Zeit ihren Glauben in Stein<br />

gehauen <strong>und</strong> ihrer religiösen Sehnsucht Raum<br />

gegeben haben <strong>und</strong> geben. In „Kirchenführungen“<br />

erschließt sich den Kursteilnehmern<br />

die Architektur von Kirchen als theologischer<br />

Bedeutungsträger. Mehr noch, sie erfahren,<br />

was der Theologe Fulbert Steffensky programmatisch<br />

zusammenfasst: „Der Raum baut an<br />

meiner Seele. Die Äußerlichkeit baut an meiner<br />

Innerlichkeit“ 13 .<br />

In der Regel nähert sich die Gruppe zu Fuß der<br />

Kirche. Es ist erhellend, den Standort des Kirchengebäudes<br />

im Zusammenspiel mit den anderen<br />

Gebäuden <strong>und</strong> in der topographischen<br />

Lage wahrzunehmen. Steigt man hinauf, so<br />

dürfen sich Glaubens-Bilder ein<strong>stellen</strong>: von<br />

der „Stadt auf dem Berg“ (Mt 5,14) oder dem<br />

„Berg Zion“, zu dem die Völker strömen, um<br />

am Ende der Tage dort „Schwerter zu Pflugscharen“<br />

zu schmieden <strong>und</strong> im Frieden Gottes<br />

zu leben (Micha 4, 1-3). Was bedeutet es, die<br />

Kirche in der Mitte der Stadt oder des Dorfes<br />

zu finden, <strong>und</strong> wovon erzählt die Kirche oder<br />

die Kapelle, wenn sie in die Stille eines Tales<br />

oder einfach „an den Weg“ gebaut wurde?<br />

Im Umschreiten des Gebäudes spürt man etwas<br />

von der Botschaft seines Gr<strong>und</strong>risses. Oft<br />

ist es <strong>das</strong> Kreuz, in dessen Form hinein sich<br />

der Leib Christi denken lässt – mit seinem<br />

„Haupt“ im Osten <strong>und</strong> den „Gliedern“, die die<br />

Gläubigen selbst sind (1 Kor 12).<br />

Der Baustil, besser: die architektonische<br />

Gr<strong>und</strong>gestalt, eröffnet eine bestimmte Glaubens-Perspektive<br />

auf den Dreieinen-Gott:<br />

Der Zentralbau vergegenwärtigt im Kreis<br />

den Glauben an die Vollendung, die im Reich<br />

Gottes auf Erden ihren Anfang genommen<br />

hat, die romanische Kirche will „Trutzburg“<br />

<strong>und</strong> „F<strong>und</strong>ament“ sein, <strong>das</strong> gotische Kirchengebäude<br />

lässt die „Kraft <strong>und</strong> die Herrlichkeit“<br />

Gottes erahnen, im goldenen Lichtspiel barocker<br />

Kirche spiegeln sich des Himmels Pracht<br />

<strong>und</strong> die Festfreude der Erlösten.<br />

Moderne Kirchen sind als gebaute Zelte oder<br />

Schiffe Sinnbilder für <strong>das</strong> wandernde Gottesvolk,<br />

dessen endgültig bergendes Haus „am<br />

Ziel der Zeiten“ 14 Gott selber bereit hält.<br />

Beim bewussten Eintritt in den Kirchenraum<br />

öffnet sich dem Besucher mitten in der Welt<br />

12<br />

Präambel der Satzung des B<strong>und</strong>esverbandes<br />

Kirchenpädagogik 2005 – vgl. Homepage: www.<br />

bvkirchenpaedagogik.de<br />

13<br />

Steffensky, Fulbert: Der Raum baut meine Seele.<br />

Von der Bedeutung <strong>und</strong> Funktion von Kirchenräumen<br />

in unserer Zeit, in: Gustav-Adolf-Blatt<br />

1/2004 (gekürzte Wiedergabe des Vortrags „Der<br />

Seele Raum geben – Kirchen als Orte der Besinnung<br />

<strong>und</strong> Ermutigung" auf der 10. Synode der<br />

EKD, Leipzig Mai 2003)<br />

14<br />

vgl. <strong>das</strong> auf der Kirchenkonstitution (Lumen<br />

Gentium) des 2. Vatikanischen Konzils fußende<br />

Kirchenlied : Ein Haus voll Glorie schauet, GL<br />

639,5<br />

22


eine andere Welt. Die schwere Tür bildet die<br />

Zäsur. Hinter ihr darf der Gläubige Schutz<br />

erwarten. Der Duft des Weihrauchs <strong>und</strong> <strong>das</strong><br />

Licht der Kerzen schenken sinnenhaft <strong>das</strong><br />

Bewusstsein, einzutauchen in den Heiligen<br />

Raum.<br />

Dabei sind die o.g. Kirchenführungen <strong>und</strong><br />

-erk<strong>und</strong>ungen in den Programmen der LVHS<br />

Hardehausen unverkennbar über alle performativen<br />

Anstrengungen hinaus auf exklusive<br />

Zeit im Raum ausgerichtet: In Anbetung <strong>und</strong><br />

Meditation <strong>wir</strong>d <strong>das</strong> Wesen katholischer Kirchenräume<br />

erfahrbar.<br />

In der Spur des Glaubens „fahren“<br />

Eine uralte Ausdrucksform religiöser Sehnsucht<br />

ist <strong>das</strong> Wallfahren (mhd. “wallen“ = in<br />

eine bestimmte Richtung ziehen <strong>und</strong> „fahren“<br />

= unterwegs sein). Die religionspädagogische<br />

Praxis hat wahrgenommen, <strong>das</strong>s sich „Wallfahren“<br />

auch <strong>und</strong> gerade bei jungen Menschen<br />

steigernder Beliebtheit erfreut. Hape Kerkelings<br />

(HP) Bestseller „Ich bin dann mal weg“<br />

war auf dem Weg der Neuentdeckung einer alten<br />

„Performance“ von Religion sicher ein Meilenstein.<br />

Manche Beobachter des Pilgerwesens<br />

sprechen gar von einer „Zeit vor HP“ <strong>und</strong> einer<br />

Zeit „nach HP“. Vielleicht liegt der Erfolg des<br />

HP-Pilgerberichtes darin begründet, <strong>das</strong>s er<br />

weniger vom Ziel getrieben (wallfahren) als<br />

vom Pilgern (Erfahrungen auf dem Weg machen)<br />

berichtet. Wie auch immer: Wallfahren<br />

<strong>und</strong> Pilgern sind „in“.<br />

Einzelpersonen, privat organisierte Gruppen,<br />

Pfarrgemeinden <strong>und</strong> ganze Schulen 15 machen<br />

sich auf, um „mit den Füßen zu beten“. Im Gehen,<br />

im Fahren, im Beten <strong>und</strong> Singen <strong>und</strong> vor<br />

allem im Erleben von Gemeinschaft spüren<br />

sie Gottes Nähe – oder probieren zumindest<br />

aus, ob sie auf solchen Wegen sich selber (<strong>und</strong><br />

Gott?!) näher kommen können. Bei all dem<br />

hat <strong>das</strong> Pilgern (ggfls. die Pilgerreise) immer<br />

die Ausrichtung auf ein Ziel, auf die „Pilgerstätte“.<br />

Vielleicht ist bei dem Wunsch, einmal<br />

an solchen Orten zu sein, noch etwas vom dem<br />

lebendig, was tief in allen Religionen der Welt<br />

verankert ist: an bestimmten Orten ist <strong>das</strong><br />

Heilige in besonderer Weise nahe. Als erste<br />

christliche Pilgerin gilt die Kaiserin Helena,<br />

Mutter Konstantins, der 313 als römischer<br />

Kaiser im Edikt von Mailand die Religionsfreiheit<br />

im Reich <strong>und</strong> damit die öffentliche Ausübung<br />

des christlichen Glaubens garantierte.<br />

Helena zog ins Heilige Land, nach Jerusalem,<br />

Betlehem, Nazareth – <strong>und</strong> veranlasste Kirchenbauten<br />

an <strong>und</strong> über besonderen Orten, an<br />

denen Jesus lebte, starb <strong>und</strong> auferstand.<br />

Es ist also nicht von ungefähr, <strong>das</strong>s Heilig-<br />

Land-Pilger -<strong>und</strong> Studienreisen zum Kernbestand<br />

der Angebote der LVHS gehören. Neben<br />

den eigentlichen Adressaten der Landvolkshochschule<br />

hatten <strong>und</strong> haben so u.a. auch<br />

viele Religionslehrerinnen <strong>und</strong> Religionslehrer<br />

16 die Chance, nach Israel, Palästina, Ägypten,<br />

Jordanien, Syrien, in den Libanon, in die<br />

Türkei, … zu kommen – nicht als Touristen,<br />

sondern bewusst als Menschen, die sich auf<br />

den Weg machen, um neben allem (im Unterricht<br />

zu vermittelndem) Wissen eigene Erfahrungen<br />

mit der Tradition des Glaubens an<br />

herausragenden Orten der eigenen Religion zu<br />

machen.<br />

Träger von religionspädagogischer Fortbildung<br />

profitieren von den langjährigen Erfahrungen<br />

der LVHS in der Vorbereitung <strong>und</strong><br />

Durchführung o.g. Reisen, Fahrten, Wege.<br />

Das jeweilige Programm <strong>wir</strong>d in Kooperation<br />

der Verantwortlichen durch die Zuordnung<br />

von biblischen Texten, Bildern, von Gebeten,<br />

Meditationen <strong>und</strong> Liedern be-<br />

!<br />

15<br />

Beispiele: In 2004 machten sich 600 Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler der St. Ursula Realschule in Attendorn<br />

auf den historischen Jakobuspilgerweg nach<br />

Santiago de Compostela. In der Fastenzeit 2009<br />

waren 26 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aus drei<br />

kirchlichen Gymnasien im Kreis Olpe zusammen<br />

mit ihren Lehrern auf einem 60 km langen Pilgermarsch<br />

(Kirchheim bis Stuttgart) – <strong>das</strong> Hungertuch<br />

war immer dabei!<br />

16<br />

Alle zwei Jahre findet in Zusammenarbeit zwischen<br />

der LVHS Hardehausen <strong>und</strong> der HA Schule<br />

<strong>und</strong> Erziehung im Erzbischöflichen Generalvikariat<br />

Paderborn <strong>das</strong> „Jerusalemseminar“ im Hl.<br />

Land statt. Bislang haben schon mehr als 600 Religionspädagogen<br />

aus Schule <strong>und</strong> Gemeinde an<br />

dieser Pilger- <strong>und</strong> Studienfahrt teilgenommen.<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

23


Schulinformationen Paderborn<br />

! reichert. Sorgfältig <strong>wir</strong>d abgewogen,<br />

welche Strecken <strong>wir</strong>klich zu gehen sind <strong>und</strong><br />

wie die Danksagung (Eucharistie) am erreichten<br />

Ort gefeiert werden soll. Im Nachhinein<br />

sind es oft die Gottesdienste <strong>und</strong> Besinnungen<br />

am erreichten Ort, die im Langzeitgedächtnis<br />

abgespeichert werden. Die persönliche Emotionalisierung<br />

gerade der Gottesdienste hängt<br />

ab von den Motiven, mit denen man die Reise<br />

bzw. den Weg angetreten hat: persönliche Anliegen<br />

werden ergänzt durch die Wünsche <strong>und</strong><br />

Bitten, die Bekannte <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e mitgegeben<br />

haben auf den Weg. Das Mittelalter kannte<br />

den stellvertretenden Pilgerweg 17 . Vielleicht<br />

geschieht <strong>das</strong> heute nur selten. In dieser Spur<br />

liegt jedoch <strong>das</strong> „fürbittende Gebet“ auf dem<br />

Weg <strong>und</strong> am heiligen Ort. Die Offenheit <strong>und</strong><br />

gleichzeitige Dichte, mit denen die Sehnsüchte<br />

nach Heil(-ung) für andere <strong>und</strong> für sich selbst<br />

in den Bitten der Pilger ihre Sprache finden<br />

ist immer wieder im besten Sinn des Wortes<br />

anrührend. Und es tut gut zu erfahren, <strong>das</strong>s<br />

(eigene <strong>und</strong> fremde) Not in Gemeinschaft mitgetragen<br />

<strong>wir</strong>d.<br />

Wichtig bleibt, <strong>das</strong>s auch für diejenigen Kursteilnehmerinnen<br />

<strong>und</strong> -teilnehmer, die sich<br />

(noch) nicht in <strong>das</strong> Gebet einlassen können,<br />

ein Raum da ist. Unter religionspädagogischer<br />

Perspektive dürfen sie die fromme Praxis miterleben<br />

– <strong>und</strong> erproben, so weit sie es können<br />

<strong>und</strong> wollen.<br />

Wenn es nicht die Liturgie am er-fahrenen<br />

Ort ist, so sind es möglicherweise die Begegnungen<br />

mit den (fremden) Menschen am Ort.<br />

Häufig überrascht über die ungezwungene<br />

Fre<strong>und</strong>lichkeit, mit der den Wallfahrern <strong>und</strong><br />

Pilgern auch im Ausland begegnet <strong>wir</strong>d, erinnert<br />

man sich daran, <strong>das</strong>s in früheren Zeiten,<br />

in denen <strong>das</strong> Pilgern höchst mühsam <strong>und</strong> gefährlich<br />

war, die Pilgerbeherbergung als Werk<br />

der leiblichen Barmherzigkeit galt.<br />

rem Bischof verbinden. Auf gut vorbereiteten<br />

Wallfahrten <strong>wir</strong>d der Weg nach Paderborn<br />

zum Hohen Dom <strong>und</strong> dem Grab des Bistumspatrons<br />

Liborius führen. Diese Schulen <strong>und</strong><br />

alle Gruppen, die sich pilgernd auf den Weg<br />

machen, profitieren von Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern,<br />

von Leiterinnen <strong>und</strong> Leitern, die selber<br />

Er-fahrungen im „Beten mit den Füßen“ gemacht<br />

haben – vielleicht auf Einladung der<br />

LVHS Hardehausen.<br />

Was noch gesagt werden muss<br />

Das Hauptanliegen seit den Gründertagen<br />

der LVHS Hardehausen ist die Bildung von<br />

Menschen aus dem ländlichen Raum. Die<br />

Exzellenz dieser Arbeit hat Mitte 2009 dazu<br />

geführt, <strong>das</strong>s die Landvolkshochschule Anton<br />

Heinen seitens der Erzdiözese Paderborn<br />

offiziell zum landpastoralen Zentrum für <strong>das</strong><br />

gesamte Bistum erklärt wurde. Neben den<br />

Themenschwerpunkten aus Familie, Arbeit<br />

<strong>und</strong> Beruf, neben Politik <strong>und</strong> Agrar, neben<br />

Kunst <strong>und</strong> Erholung <strong>wir</strong>d die LVHS in Fortsetzung<br />

ihrer eigenen Tradition in Zukunft<br />

weiterhin <strong>und</strong> verstärkt theologischen <strong>und</strong><br />

spirituellen Fragen ihre besondere Aufmerksamkeit<br />

schenken. Das sie tragende christliche<br />

Welt- <strong>und</strong> Menschenbild <strong>und</strong> die sich<br />

daraus konsequent ergebende Verantwortung<br />

für Frieden, Gerechtigkeit <strong>und</strong> Bewahrung<br />

der Schöpfung generiert ein Programm, <strong>das</strong><br />

auch jene anspricht, die in kirchlichen <strong>Institut</strong>ionen<br />

– nicht nur im ländlichen Raum –<br />

<strong>und</strong> Verbänden Verantwortung tragen für die<br />

Weitergabe des Glaubens. Die Träger religionspädagogischer<br />

Aus-, Fort -<strong>und</strong> Weiterbildung<br />

sind gut beraten, in Kooperationsveranstaltungen<br />

mit der LVHS deren Beiträge vor<br />

allem hinsichtlich ihrer oben angesprochenen<br />

„Performance“ zu nutzen. An einem Lernort in<br />

Das Erzbistum Paderborn ist Träger von<br />

achtzehn Schulen. Jede Schule hat ihr eigenes<br />

katholisches Profil. Ab 2011 soll eine<br />

jährlich wiederkehrende Aktion die Schulen<br />

noch sinnenfälliger mit der Ortskirche <strong>und</strong> ih-<br />

17<br />

Im Mai 1036, kurz vor seinem Tod, weihte Bischof<br />

Meinwerk die Busdorfkirche zu Paderborn.<br />

Die Gr<strong>und</strong>maße des Gebäudes hatte Abt Wino<br />

von Helmershausen von einer für den Bischof<br />

1033 stellvertretend gemachten Pilgerreise aus<br />

Jerusalem (Grabeskirche) mitgebracht.<br />

24


klösterlicher Umgebung lassen sich in konzentrierender<br />

Stille Kompetenzen für die eigene<br />

Persönlichkeitsentwicklung genauso erarbeiten<br />

wie notwendige Fachkompetenzen für <strong>das</strong><br />

berufliche (religionspädagogische) Handeln.<br />

Wenn <strong>wir</strong> zu Beginn auf die Kompetenzorientierung<br />

in der aktuellen Bildungsdiskussion<br />

verwiesen haben, so dürfen <strong>wir</strong> jetzt fest<strong>stellen</strong>,<br />

<strong>das</strong>s sich der Kompetenzerwerb in Hardehausen<br />

in „Inszenierungen“ realisiert, die<br />

den ganzen Menschen ansprechen. Wer als<br />

Religionspädagogin bzw. -pädagoge in Hardehausen<br />

Angebote sucht, trifft dabei immer<br />

auf Gleichgesinnte. Im (beruflichen) Alltag hat<br />

<strong>das</strong> Nachdenken über den Glauben <strong>und</strong> die<br />

Erprobung seiner „Performance“ meist nicht<br />

den herausragenden Stellenwert; an manchen<br />

Schulen fühlen sich Religionslehrerinnen <strong>und</strong><br />

Religionslehrer gar als Exoten im Kollegium.<br />

Das ist ganz anders in Hardehausen, einem<br />

„Begegnungsort in den Wäldern“ – für alle, die<br />

sich danach sehnen, Religion zu lernen <strong>und</strong> zu<br />

erleben.<br />

Anschrift:<br />

Gerhard Krombusch<br />

Direktor des <strong>Institut</strong>s für<br />

Religionspädagogik <strong>und</strong> Medienarbeit<br />

im Erzbistum Paderborn<br />

Am Stadelhof 10<br />

33098 Paderborn<br />

05251/ 125-1320<br />

gerhard.krombusch@erzbistum-paderborn.de<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

25


Schulinformationen Paderborn<br />

Gefahr eines Patchwork-Gottes<br />

Religionsunterricht heute – Positionen von Schulbischof Hans-Josef Becker: „Erteile einem<br />

überkonfessionellen Religionsunterricht eine Absage“<br />

Quelle: Kirchenbote. Wochenzeitung für <strong>das</strong> Bistum Osnabrück (Ausgabe vom 23.8.2009)<br />

Gottesvorstellungen von Jugendlichen<br />

sind oft diffus. Erzbischof Hans-Josef<br />

Becker aus Paderborn spricht dabei<br />

von einem Patchwork-Gott. Hier seine<br />

Positionen im schriftlich geführten<br />

Interview.<br />

Schüler kennen kaum die Gr<strong>und</strong>lagen des<br />

Christentums. Brauchen <strong>wir</strong> einen stärker<br />

auf Wissensvermittlung ausgerichteten<br />

Religionsunterricht?<br />

Würde Religionsunterricht auf die<br />

Vermittlung religiösen Wissens verzichten,<br />

liefe er Gefahr, zu einer<br />

einseitig-subjektiven Meinungsdarbietung<br />

zu werden. Unterricht wäre<br />

dann nicht mehr argumentativ<br />

nachvollziehbar <strong>und</strong> bewertbar. Auch<br />

ich nehme wahr, <strong>das</strong>s viele Schüler<br />

Gottesvorstellungen entwickeln, die<br />

nur schwer oder gar nicht mit den<br />

biblischen Bildern eines personalen<br />

Gottes zu vereinbaren sind. Die Möglichkeit,<br />

mit vielen Facetten von Gottesvorstellungen<br />

spielen zu können,<br />

ist für heutige Schüler größer geworden<br />

als in früherer Zeit. Sie erleben<br />

medial am Computer oder in Filmwelten<br />

gottesähnliche Figuren oder<br />

Kräfte. Zudem treten fernöstliche<br />

Religionsrituale hinzu, so <strong>das</strong>s ein<br />

Patchwork-Gott entstehen kann. Religionslehrer<br />

haben daher die schwierige<br />

Aufgabe, <strong>das</strong> aspektreiche Sprechen<br />

vom Gott der Bibel mit Schülern<br />

zu erschließen <strong>und</strong> dabei gleichzeitig<br />

ihre eigenen Gottesvorstellungen –<br />

auch konfrontativ – mit ins Spiel zu<br />

bringen.<br />

Wie beurteilen Sie erlebnisorientierten<br />

Unterricht, etwa mit Pinsel <strong>und</strong> Farben<br />

<strong>das</strong> eigene Gottesbild oder Religionsverständnis<br />

ins Bild zu setzen?<br />

Gottesbilder entstehen immer durch<br />

ein Ineinandergreifen von Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> neuem Erkennen. Das<br />

Erzbischof Hans-Josef Becker ist seit<br />

2006 Vorsitzender der Kommission<br />

VII (Erziehung <strong>und</strong> Schule) der Deutschen<br />

Bischofskonferenz.<br />

jeweilige Gottesbild ist dabei immer<br />

nur der Versuch, Gott selbst ein Stück<br />

näher zu kommen. So gesehen ist<br />

<strong>das</strong> Gottesbild nicht Gott selbst <strong>und</strong><br />

damit wandelbar. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

können erlebnisorientierte<br />

Unterrichtsmethoden sogar Zugänge<br />

des Erkennens eröffnen, die sich einer<br />

analytischen Textarbeit entziehen. Allerdings<br />

ist die Lehrperson gehalten,<br />

auf die sinnvolle Einbindung erlebnisorientierter<br />

Methoden in einer Unterrichtsreihe<br />

zu achten.<br />

Vielerorts <strong>wir</strong>d stillschweigend überkonfessioneller<br />

Religionsunterricht erteilt. Ist<br />

<strong>das</strong> Verbot dieses Unterrichts noch zeitgemäß<br />

angesichts sinkender katholischer<br />

Schülerzahlen?<br />

Ich bin froh <strong>und</strong> dankbar, <strong>das</strong>s jeder<br />

Religionsgemeinschaft ein eigener<br />

Religionsunterricht durch <strong>das</strong> Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

zuerkannt <strong>wir</strong>d. So haben <strong>wir</strong><br />

26<br />

einen katholischen, evangelischen, syrisch-orthodoxen<br />

<strong>und</strong> einen jüdischen<br />

Religionsunterricht. In diesem Sinne<br />

ist es auch zu verstehen, <strong>das</strong>s von<br />

muslimischer Seite verstärkt versucht<br />

<strong>wir</strong>d, einen ebenfalls bekenntnisgeb<strong>und</strong>enen<br />

Religionsunterricht in der<br />

öffentlichen Schule erteilen zu dürfen.<br />

Diese Vielfalt religiöser Klänge betrachte<br />

ich auf jeden Fall als Bereicherung<br />

in der Schullandschaft. Einem<br />

überkonfessionellen Religionsunterricht<br />

erteile ich eine Absage. Was aber<br />

schon getan oder erprobt <strong>wir</strong>d, sind<br />

abgewandelte Formen bei bestimmten<br />

Schulformen oder in Regionen mit<br />

Diasporacharakter. Hier arbeiten die<br />

Kirchen zusammen an abgestimmten<br />

<strong>und</strong> oft mit Fortbildungen versehenen<br />

Kooperationsformen. Ich schließe<br />

nicht aus, <strong>das</strong>s weitere Kooperationsmodelle<br />

überdacht <strong>und</strong> praktiziert<br />

werden.<br />

Vielfach <strong>wir</strong>d beklagt, <strong>das</strong>s Religionsunterricht<br />

nur noch die Vermittlung von<br />

Fachwissen, nicht von Glauben ist. Wie<br />

sollten Lehrer <strong>das</strong> eigene Bekenntnis einbringen?<br />

Religionslehrer sind nicht nur Unterrichtende<br />

ihres Faches, sondern<br />

besitzen eine kirchliche Unterrichtserlaubnis<br />

oder eine Missio Canonica.<br />

Damit stehen Religionslehrer in<br />

einem Sendungsauftrag ihrer Kirche<br />

<strong>und</strong> mit ihrer Person für <strong>das</strong> ein, was<br />

sie im Religionsunterricht glaubensmäßig<br />

erschließen. Religionslehrer<br />

halten für jeden Schüler die Möglichkeit<br />

offen, selbst zum Glauben zu finden.<br />

Eine gezielte Missionierung von<br />

Schülern ist im Religionsunterricht<br />

nicht erlaubt. Je authentischer eine<br />

Lehrperson mit der christlichen Praxis<br />

verwurzelt ist, umso mehr <strong>wir</strong>d sie<br />

auch als Bekennende im Klassenraum<br />

erlebt. Die eigene christliche Position<br />

klar darzulegen <strong>und</strong> gleichzeitig die


Erzbischof Hans-Josef Becker im Gespräch mit Schülerinnen des Edith-Stein-Berufskollegs in Paderborn<br />

Schülermentalitäten ernst zu nehmen,<br />

ist die hohe Kunst der religionspädagogischen<br />

Schule.<br />

Wie ist es heute möglich, Schulgottesdienste<br />

mit Jugendlichen zu feiern, die<br />

keine Beziehung zur Kirche haben?<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

Ich würde mit kleinen vertrauten<br />

Gruppen versuchen, erste Schritte<br />

gottesdienstlicher Formen zu beschreiben,<br />

wie Meditationen, Impulse<br />

in den Tag, Frühschichten. Auch Bilder<br />

oder moderne Texte können im<br />

Zentrum einer geistlichen Sammlung<br />

stehen. Mit kurzen katechetischen<br />

Kommentaren könnte allmählich<br />

an einen Gottesdienst herangeführt<br />

werden. Bewährt hat es sich auch,<br />

für ein Wochenende mit Schülern<br />

wegzufahren <strong>und</strong> an einem anderen<br />

Ort Elemente des Gottesdienstes zu<br />

erarbeiten <strong>und</strong> am Ende gemeinsam<br />

zu feiern. Hierzu sind die Geistlichen<br />

<strong>und</strong> die Gemeindereferenten vor Ort<br />

anzusprechen <strong>und</strong> einzubinden. Zudem<br />

wäre es sinnvoll, im Bistum eine<br />

Fachstelle zu haben, die solche Initiativen<br />

unterstützt.<br />

Wie kann es gelingen, Schulgottesdienste<br />

<strong>und</strong> andere religiöse Angebote neu an<br />

Schulen zu etablieren?<br />

Schulgottesdienste sind rechtlich abgesichert<br />

<strong>und</strong> müssen nicht erst von<br />

staatlicher Seite erkämpft werden.<br />

Von dieser Warte aus betrachtet, empfehle<br />

ich den Fachkonferenzen Evangelische<br />

<strong>und</strong> Katholische Religionslehre,<br />

die Bedeutung <strong>und</strong> die Durchführung<br />

von Schulgottesdiensten wie<br />

auch anderer religiöser Angebote in<br />

<strong>das</strong> Schulprogramm aufzunehmen<br />

<strong>und</strong> offensiv zu vertreten. Vernetzungen<br />

mit den Geistlichen vor Ort<br />

über regelmäßige Treffen können<br />

hierbei sehr hilfreich sein.<br />

Wie kann Schule Kinder neu für den Religionsunterricht<br />

begeistern, wenn schon<br />

die Eltern keinen Glaubensbezug haben?<br />

27<br />

Untersuchungen <strong>und</strong> viele Gespräche<br />

mit Religionslehrern zeigen mir, <strong>das</strong>s<br />

ein Interesse von Kindern an religiösen<br />

Fragen nicht generell abhängt<br />

vom Glaubensbezug der Eltern. Wichtig<br />

scheint mir, <strong>das</strong> Wachhalten oder<br />

Neuentdecken einer Erzähltradition,<br />

die auch heute noch Kinder fesseln<br />

kann.<br />

Wie kann gelingende Elternarbeit aussehen?<br />

Eltern können zu Schulgottesdiensten<br />

eingeladen werden. Außerdem sollten<br />

Religionslehrer beim Elternabend ihr<br />

unterrichtliches Vorhaben vor<strong>stellen</strong>.<br />

Oft erfahren Eltern über <strong>das</strong>, was im<br />

Unterricht geschieht, nur zufällig. Eine<br />

weitere Möglichkeit sehe ich darin,<br />

Eltern stärker in Projekte einzubeziehen.<br />

Interview:<br />

Heike Sieg-Hövelmann <strong>und</strong><br />

Rainer Middelberg


Schulinformationen Paderborn<br />

Neuer Internetauftritt der Hauptabteilung<br />

Schule <strong>und</strong> Erziehung<br />

Endlich ist es soweit. Die Hauptabteilung<br />

Schule <strong>und</strong> Erziehung startet im<br />

Internet mit einer neuen Homepage.<br />

Vollständig in der Struktur überarbeitet,<br />

präsentiert sie sich nun in neuer<br />

moderner Farbgebung <strong>und</strong> orientiert<br />

sich mit der Homepage des IRUM<br />

(www.irum.de) an einem gemeinsamen<br />

Corporate Design. Der bisherige<br />

Web-Auftritt war im Design <strong>und</strong><br />

in der Struktur in die Jahre gekommen<br />

<strong>und</strong> konnte die neuen Strukturen<br />

<strong>und</strong> Aufgabenbereiche der Hauptabteilung<br />

Schule <strong>und</strong> Erziehung nur<br />

noch begrenzt abbilden.<br />

Vieles ist neu, Bewährtes wurde aber<br />

auch übernommen. Die obere Leiste<br />

gleicht einem Karteikartensystem<br />

<strong>und</strong> ermöglicht den Einstieg in die<br />

großen Themenbereiche <strong>und</strong> Angebote<br />

der Schulabteilung. Je nach gewählter<br />

Karteikarte blenden sich am linken<br />

Bildrand die Untermenüs ein, die <strong>das</strong><br />

Thema weiter entfalten. Durch diese<br />

übersichtliche Struktur verliert der<br />

Nutzer nie den Überblick <strong>und</strong> kann<br />

sich jederzeit bei Bedarf neu orientieren.<br />

Neu ist auch der Terminkalender in<br />

Form einer Monatsübersicht. Hier<br />

sind alle Veranstaltungen der Schulabteilung<br />

<strong>und</strong> des IRUM eingetragen.<br />

Durch einen Klick auf einen rot unterlegten<br />

Veranstaltungstag erhält der<br />

Interessierte schnell einen Überblick<br />

zur Veranstaltung.<br />

Wenn sie neugierig geworden sind,<br />

schauen Sie sich die Seite im Inter-<br />

net an. Sie erreichen Sie wie bisher<br />

unter www.schule<strong>und</strong>erziehung.de.<br />

Für Fragen <strong>und</strong> weitere Anregungen<br />

steht <strong>Ihnen</strong> der verantwortliche Redakteur,<br />

Christoph Quasten M. A.<br />

(05251/ 125-1910 oder christoph.quasten@erzbistum-paderborn.de)<br />

zur<br />

Verfügung.<br />

Vom Schal des Weihbischofs<br />

Über die Begegnung eines Gr<strong>und</strong>schülers mit Weihbischof König<br />

Im Rahmen ihrer Firm- <strong>und</strong> Visitationsreisen<br />

absolvieren unser Erzbischof<br />

<strong>und</strong> seine Weihbischöfe neben<br />

den Firmfeiern <strong>und</strong> den Gesprächen<br />

mit den Gremien <strong>und</strong> den Hauptamtlichen<br />

in den einzelnen Gemeinden<br />

ein ambitioniertes Besuchsprogramm.<br />

Dazu gehört auch der Besuch in verschiedenden<br />

Schulen im jeweiligen<br />

Dekant. Von einer Katholischen<br />

Gr<strong>und</strong>schule in Arnsberg bekamen<br />

<strong>wir</strong> durch die Schulleiterin eine Rückmeldung<br />

zum Besuch von Weihbischof<br />

Matthias König. Die Originalität des<br />

Schülers ist in der Wiedergabe garantiert:<br />

Ein Erstklässler zu seiner Mutter:<br />

"Das war ein schöner Bischof. Er<br />

hatte sogar einen Schal um. Aber er<br />

wusste nicht, wie man ihn richtig bindet."<br />

Auf Nachfrage der Mutter, was<br />

er damit meine, gab der interessierte<br />

Schüler folgende Auskunft: "Er hatte<br />

den Schal nicht um den Hals.“<br />

28


Aktuelles <strong>und</strong> Hinweise<br />

Religionspädagogische Arbeitshilfen<br />

Auf folgende zwei Unterrichtshilfen für die Sek<strong>und</strong>arstufen I <strong>und</strong> II sowie für den persönlichen Gebrauch der<br />

Unterrichtenden weisen <strong>wir</strong> empfehlend hin. Sie sollen dazu beitragen, die Vermittlungsarbeit von Religionslehrerinnen<br />

<strong>und</strong> -lehrern zu unterstützen, anzuregen <strong>und</strong> inhaltlich mit neuen Perspektiven zu versehen.<br />

Im ersten Beitrag <strong>wir</strong>d <strong>das</strong> von Josef Epping konzipierte Arbeitsbuch für den Religionsunterricht "Von Anekdote<br />

bis W<strong>und</strong>ergeschichte" vorgestellt. Mit dieser Arbeitsgr<strong>und</strong>lage kann die hermeneutische Kompetenz der Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler systematisch geschult <strong>und</strong> erweitert werden. Religiöse Textgattungen erkennen, verstehen <strong>und</strong><br />

anwenden können, ist <strong>das</strong> Ziel dieses Buches.<br />

Aus der bereits bestehenden Reihe „EinFach Religion“ legt Dr. Volker Garske den Band „Die Tochter des Jairus<br />

<strong>und</strong> Der Jüngling von Nain“ vor. Aus der Gattung der Totenerweckungen <strong>wir</strong>d wie in den beiden Vorgängerbänden<br />

eine neutestamentliche W<strong>und</strong>ergeschichte für den Religionsunterricht aufbereitet. Hierbei handelt es sich um<br />

ein mögliches Unterrichtsmodell, <strong>das</strong> korrelativ ausgerichtet ist <strong>und</strong> mit geschlechtsspezifischen Glaubensangeboten<br />

an Jugendliche – damals wie heute – aufwartet.<br />

Die vielfältigen Weisen verstehen,<br />

wie Menschen von Gott sprechen<br />

Josef Epping<br />

Was Sprachformen für <strong>das</strong> Reden<br />

von Gott bedeuten<br />

Wenn Menschen von Gott reden,<br />

greifen sie auf sprachliche Formen<br />

zurück. Sie helfen (wie in unserer<br />

Kommunikation insgesamt), sich<br />

auszudrücken <strong>und</strong> verständliche<br />

Sätze zu „form“ulieren. Vor allem<br />

aus zwei Gründen sollte man sich<br />

mit ihnen auseinandersetzen:<br />

Der erste Gr<strong>und</strong> liegt in Gott selbst<br />

begründet. Wenn er sich den Menschen<br />

mitteilen will, geschieht <strong>das</strong><br />

in der Sprache der Menschen. Gott<br />

als die „Wirklichkeit, die unser Denken<br />

weit übersteigt“ (Gerwing, 1999,<br />

14), übersteigt aber jede menschliche<br />

Sprachform, <strong>und</strong> nur die Vielfalt<br />

der sprachlichen Zugänge kann<br />

ein wenig von seiner göttlichen Fülle<br />

widerspiegeln. Schon in der Bibel<br />

gibt es einen kaum übersehbaren<br />

Reichtum an sprachlichen Formen,<br />

betende, erzählende, poetische, lehrhafte,<br />

juristische, bekenntnishafte,<br />

... . Und <strong>das</strong> setzt sich in der Glaubensgeschichte<br />

fort. „Wenn die Verständigungsgemeinschaft<br />

[der Glaubenden]<br />

neue Erfahrungen macht<br />

<strong>und</strong> ausdrückt, wenn neue Probleme<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

geklärt <strong>und</strong> bearbeitet werden, <strong>wir</strong>d<br />

die Sprache fortwährend erprobt<br />

<strong>und</strong> erweitert“ (Niehl 2002, 230),<br />

auch <strong>das</strong> Sprechen vom Geheimnis<br />

Gottes erweitert sich so.<br />

Wenn man diese „Weisen von Gott<br />

zu sprechen“ nicht kennt, bleiben<br />

viele Einsichten des Glaubens unverständlich.<br />

Die christliche Religion<br />

ist darauf angewiesen, die<br />

Glaubenszeugen zu verstehen, die<br />

vor 2000 Jahren <strong>und</strong> in den vergangenen<br />

2000 Jahren gelebt haben.<br />

Die allerersten Glaubenszeugen<br />

haben Jesus persönlich erlebt <strong>und</strong><br />

Erfahrungen mit ihm gemacht, die<br />

richtunggebend für die folgenden<br />

Zeiten bleiben. Sie haben jüdisch<br />

gedacht <strong>und</strong> als Juden von Gott gesprochen,<br />

daher müssen <strong>wir</strong> auch<br />

die alttestamentlichen Sprachformen<br />

des Gottesglaubens verstehen.<br />

Die ersten Zeugen sind durch<br />

die Geschichte hindurch immer wieder<br />

neu interpretiert <strong>und</strong> verstanden<br />

worden; <strong>und</strong> so müssen <strong>wir</strong> uns<br />

auch die wichtigsten Formen aneignen,<br />

die hinzugekommen sind.<br />

Die „Weisen, von Gott zu sprechen“<br />

eröffnen Zugänge zur Welt des Glau-<br />

29<br />

bens, sie deuten ihn <strong>und</strong> geben ihm<br />

eine Ordnung, sie prägen <strong>und</strong> vertiefen<br />

ihn, sie bilden Gemeinschaft <strong>und</strong><br />

sie ermutigen zum Handeln. Wer in<br />

Religion unterrichtet sein will, muss<br />

solche Formen kennen <strong>und</strong> mit ihnen<br />

umgehen können.<br />

Ein Beispiel: Die Anekdote<br />

Als Beispiel stelle ich eine Textform<br />

vor, die nicht im Zentrum des Religionsunterrichts<br />

steht wie etwa die Parabel<br />

oder die W<strong>und</strong>ergeschichte, die<br />

aber doch gut erhellen kann, was mit<br />

hermeneutischer Kompetenz im Religionsunterricht<br />

gemeint ist. Der Text<br />

ist an Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler gerichtet<br />

<strong>und</strong> soll die selbstständige Erarbeitung<br />

der Gattung ermöglichen:<br />

Einleitung<br />

In der Anekdote trifft sich – früher<br />

wie heute – die Faszination durch<br />

große <strong>und</strong> bekannte Persönlichkeiten<br />

mit der menschlichen Freude<br />

am Erzählen <strong>und</strong> der Lust an einer<br />

guten Pointe.<br />

Die Faszination durch berühmte<br />

Persönlichkeiten kann ver- !


! schiedene Gründe <strong>und</strong> verschiedene<br />

Ausdrucksformen haben.<br />

Vielleicht verkörpern diese Menschen<br />

in ihrem Reichtum, ihrer<br />

Macht, ihrer Schönheit, ihrer Intelligenz<br />

oder ihrer überzeugenden<br />

Lebenshaltung unsere Wünsche <strong>und</strong><br />

Sehnsüchte, vielleicht schaudern<br />

<strong>wir</strong> aber auch über <strong>das</strong>, was sie in<br />

der Welt anrichten. Ihre besondere<br />

Ausstrahlung <strong>wir</strong>d auch „Charisma“<br />

genannt. Der Ausdruck spielt im<br />

Neuen Testament, in den Paulusbriefen,<br />

eine große<br />

Rolle <strong>und</strong> bedeutet<br />

dort eine von Gott<br />

geschenkte Begabung.<br />

Ganze Medien sparten<br />

sind darauf<br />

spezialisiert die<br />

heute berühmten<br />

Menschen zu beobachten<br />

<strong>und</strong> jede<br />

Kleinigkeit aus<br />

ihrem Leben weiterzugeben.<br />

Und so<br />

füllen sie Klatschspalten<br />

in den Zeitungen<br />

<strong>und</strong> Zeitschriften,<br />

manche<br />

Formen von Fernseh-<br />

<strong>und</strong> Radiosendungen <strong>und</strong> die<br />

einschlägigen Internetseiten.<br />

Gerade der Klatsch zeigt, <strong>das</strong>s <strong>wir</strong><br />

gerne etwas über die „Großen“ dieser<br />

Welt hören <strong>und</strong> weitererzählen. Eine<br />

besondere Befriedigung verschafft<br />

eine Geschichte, die in einer Pointe<br />

endet, also einer Zuspitzung, die eine<br />

überraschende Wendung bringt <strong>und</strong><br />

so eine überraschende Einsicht ermöglicht.<br />

Eine solche Geschichte ist<br />

die Anekdote. Jeder Schüler weiß sicher,<br />

wie gerne z.B. Anekdoten über<br />

Lehrer erzählt werden. Die Anekdote<br />

lässt sich so bestimmen (s. Kasten):<br />

Die Anekdote als Sprachform des<br />

Glaubens<br />

Im religiösen Bereich <strong>wir</strong>d die Erinnerung<br />

an große Persönlichkeiten<br />

(die in der katholischen Kirche<br />

Eine Anekdote ist eine kurze, meist witzige Geschichte zur scharfen,<br />

blitzlichtartigen Charakterisierung einer bekannten Persönlichkeit. Gegenstand<br />

der Anekdote können aber auch gesellschaftliche Gruppen,<br />

Charaktertypen [...] sein. (Schurf 2006, 108)<br />

oft <strong>das</strong> „Gütesiegel“ eines „Heiligen“<br />

bekommen) nicht wegen ihres<br />

Reichtums oder ihrer Schönheit<br />

wachgehalten, sondern wegen ihrer<br />

besonderen Beziehung zu Gott <strong>und</strong><br />

ihrer überzeugenden Lebensführung.<br />

Wenn sie die Leute faszinieren,<br />

dann <strong>wir</strong>d darin auch ein Gespür<br />

der Menschen für <strong>das</strong> <strong>wir</strong>klich<br />

Gültige erkennbar. Die Anekdote<br />

zeigt große Persönlichkeiten oft in<br />

Bedrängnis- <strong>und</strong> Entscheidungssituationen,<br />

in denen es <strong>wir</strong>klich „darauf<br />

ankommt“. Sie<br />

rea gieren „geistreich“,<br />

mit Schlagfertigkeit<br />

<strong>und</strong> Ideenreichtum.<br />

Das<br />

Wort „geist-reich“<br />

lässt sich hier auf<br />

den Geist Gottes<br />

beziehen, der auch<br />

Heiliger Geist genannt<br />

<strong>wir</strong>d. Ein<br />

Wort Jesu aus dem<br />

Markus evan ge li um<br />

sagt, wie Christen<br />

sich verhalten<br />

sollen, wenn sie<br />

angefragt <strong>und</strong> bedrängt<br />

werden:<br />

„Und wenn man<br />

euch abführt <strong>und</strong> vor Gericht stellt,<br />

dann macht euch nicht im Voraus<br />

Sorgen, was ihr sagen sollt; sondern<br />

was euch in jener St<strong>und</strong>e eingegeben<br />

<strong>wir</strong>d, <strong>das</strong> sagt! Denn nicht ihr<br />

werdet dann reden, sondern der Heilige<br />

Geist.“ (Mk 13,11).<br />

In der unerwarteten Pointe der<br />

Anekdote kann so etwas von Gott<br />

sichtbar werden, der ein Gott des<br />

Unerwarteten ist (vgl. Jes 55,8:<br />

„Meine Gedanken sind nicht eure<br />

Gedanken, <strong>und</strong> eure Wege sind nicht<br />

meine Wege.“). Die Anekdote zeigt<br />

dann, was man nicht wahrnehmen<br />

kann, wenn man in den gewohnten<br />

Denkbahnen bleibt. Oft ist es eine<br />

heitere Erkenntnis. Von Gott kann<br />

man also auch humorvoll <strong>und</strong> witzig<br />

sprechen – in der Anekdote zeigt der<br />

Geist Gottes sozusagen seine charmante<br />

Seite. Die Anekdote kann<br />

aber auch eine „kühne Steigerung“<br />

(ebda.) der menschlichen Möglichkeiten<br />

verdeutlichen oder eine Umwertung<br />

normaler menschlicher<br />

Vorstellungen, nach dem Wort von<br />

Paulus: „Das Törichte in der Welt<br />

hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden<br />

zu machen“ (1 Kor 1,27).<br />

Beispieltext<br />

Den französischen Ordensgründer<br />

Franz von Sales (1567-1622) fragte<br />

einmal ein Mann lauernd: „Was<br />

würden Sie tun, wenn ich Sie auf die<br />

rechte Wange schlage?“ Von Sales<br />

antwortete lächelnd: „Mein Fre<strong>und</strong>,<br />

ich weiß, was ich tun sollte, aber<br />

nicht, was ich tun würde.“ (Bearbeitet<br />

nach Laun)<br />

Erläuterung<br />

1. Merkmale<br />

• Kürze: Die Anekdote besteht nur<br />

aus einer denkbar knappen Einleitung,<br />

einer Frage <strong>und</strong> einer Antwort.<br />

Die Hauptfigur <strong>wir</strong>d mit wenigen<br />

Attributen vorgestellt – man<br />

kann den Text verstehen, ohne Näheres<br />

über die Person zu wissen. Der<br />

Gegenspieler ist irgendein beliebiger<br />

Mann; nur seine Frage ist wichtig,<br />

nicht seine Person. Er stellt sie „lauernd“;<br />

daran lässt sich erkennen,<br />

<strong>das</strong>s er den Heiligen in Bedrängnis<br />

bringen, ihm eine Falle <strong>stellen</strong> will<br />

(vgl. dazu ähnliche Situationen in<br />

den Evangelien: Mt 19,3; 22,15; Mk<br />

10,2; Lk 11,54.).<br />

• Pointe: Der Ausdruck „auf die<br />

rechte Wange schlagen“ verweist<br />

eindeutig auf einen berühmten <strong>und</strong><br />

umstrittenen Satz aus der Bergpredigt<br />

Jesu: „Wenn dich einer auf die<br />

rechte Wange schlägt, dann halt ihm<br />

auch die andere hin“ (Mt 5,39). In<br />

der Logik der Frage läge also – für<br />

einen gläubigen Christen – die Antwort:<br />

„Ich würde <strong>Ihnen</strong> auch die andere<br />

Wange hinhalten.“ Darin steckt<br />

etwas Bedrohliches: Niemand lässt<br />

sich gern schlagen. Die Unterscheidung<br />

zwischen dem, was man tun<br />

sollte (den Satz aus der Bergpredigt<br />

kennt von Sales natürlich) <strong>und</strong> der<br />

unkalkulierbaren spontanen Reaktion<br />

bereinigt die Situation auf überraschende<br />

Weise. Man kann darin<br />

sogar eine Warnung an den Frage-<br />

30


Aktuelles <strong>und</strong> Hinweise<br />

steller erkennen, es lieber nicht zu<br />

versuchen...<br />

• Charakterisierung: Der Heilige<br />

(v. Sales wurde 1665 von der katholischen<br />

Kirche heiliggesprochen)<br />

erscheint durch seine schlagfertige<br />

Antwort einerseits als überlegen,<br />

andererseits als sehr menschlich:<br />

Auch der überzeugte Christ kann<br />

sich nicht sicher sein, <strong>das</strong>s er in jeder<br />

Situation <strong>und</strong> sofort in der Lage<br />

ist zu tun, was den höchsten Anforderungen<br />

des Glaubens entspricht.<br />

Die überlegene Menschlichkeit des<br />

Heiligen <strong>wir</strong>d in der Anekdote verstärkt,<br />

indem er auf die Fangfrage<br />

nicht gereizt, sondern „lächelnd“<br />

antwortet <strong>und</strong> den Mann mit „mein<br />

Fre<strong>und</strong>“ anredet. So sorgt er in der<br />

angespannten Situation für eine<br />

menschenfre<strong>und</strong>liche „Deeskalation“.<br />

2. Die Anekdote als Sprachform<br />

des Glaubens<br />

Die Anekdote spricht nur indirekt<br />

von Gott. Ein (anerkannt) vorbildlicher<br />

Mensch lässt erkennen, wie<br />

er mit den Geboten Gottes umgeht.<br />

Er kennt sie, aber er kennt auch<br />

seine Grenzen. So erscheint er sehr<br />

menschlich <strong>und</strong> sympathisch.<br />

Er zeigt aber auch eine heitere Gelassenheit.<br />

Er ruht in sich <strong>und</strong> ist<br />

durch eine Fangfrage nicht so leicht<br />

aus der Ruhe zu bringen. Er kann<br />

spontan, „aus dem Bauch heraus“<br />

reagieren, <strong>das</strong> macht seine Überlegenheit<br />

in dieser Situation aus.<br />

Seine Antwort ist unerwartet <strong>und</strong><br />

„geist-reich“. Er spiegelt darin etwas<br />

von dem wider, was der christliche<br />

Glaube von Gott erkennt: Er<br />

ist überlegen <strong>und</strong> gleichzeitig menschenfre<strong>und</strong>lich.<br />

Wenn eine solche Anekdote überliefert<br />

<strong>wir</strong>d, dann bek<strong>und</strong>et sich darin,<br />

was dem christlichen Glaubensbewusstsein<br />

an Gott <strong>und</strong> seinen Heiligen<br />

wichtig ist.<br />

Zum Kompetenzbegriff gehört die<br />

Fähigkeit, <strong>das</strong> Gelernte auf neue Anwendungssituationen<br />

zu übertragen.<br />

Der Religionsunterricht sollte daher<br />

die Möglichkeit bieten, die Merkmale<br />

der Textformen an weiteren Beispielen<br />

zu entdecken <strong>und</strong> sich die neuen<br />

Texte übend zu erschließen (Beispiele<br />

dazu in Epping, 2009).<br />

Josef Epping: Von Anekdote bis<br />

W<strong>und</strong>ergeschichte. Textsorten verstehen.<br />

– München: Kösel, 2009. –<br />

240 S. ISBN 978-3-466-36813-6<br />

Totenerweckungen im Religionsunterricht –<br />

Didaktische Perspektiven zu den Erzählungen über die Tochter des Jairus (Mk 5, 21-24.35-43)<br />

<strong>und</strong> den Jüngling von Nain (Lk 7,11-17)<br />

1. Beide biblischen Texte thematisieren<br />

gemäß historisch-kritischer <strong>und</strong><br />

tiefenpsychologischer Interpretation<br />

allgemein den Ablöseprozess Jugendlicher<br />

von den Eltern <strong>und</strong> den<br />

Prozess des Reifens zur Unabhängigkeit.<br />

Als „antike Tragödien des<br />

Alltags“ (E. Drewermann) spiegeln<br />

sie damit gleichzeitig gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Probleme der heutigen Jugendlichen<br />

wider. Es handelt sich im Kontext<br />

dieser „Theologie der Beziehung“ (F.<br />

Bovon) bei der Tochter des Jairus<br />

um eine junge Frau an der Schwelle<br />

zum Erwachsenwerden, die einem<br />

Vaterkomplex verhaftet ist, <strong>und</strong> bei<br />

dem Jüngling von Nain um einen<br />

jungen Mann an der Schwelle zum<br />

Erwachsenwerden, der einem Mutterkomplex<br />

anhängt. Die historischkritische<br />

Exegese sieht in den Erzählungen<br />

Familienkonflikte gespiegelt,<br />

die besonders für jugendliche<br />

Christen der Urgemeinde verfasst<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

worden sind. Sie enthalten sicher<br />

auch eine eschatologische Dimension,<br />

<strong>das</strong> Auferstehungsmotiv dient<br />

jedoch wesentlich als Existenzial,<br />

als Bild für eine Lebensstrategie. Es<br />

gilt, aus dem Glauben an eine Auferstehung<br />

der Toten Kraft <strong>und</strong> Mut<br />

für eine heilsame <strong>und</strong> couragierte<br />

Bewältigung von Eltern-Kind-Konflikten<br />

zu ziehen.<br />

2. Die jeweiligen Protagonisten (die<br />

Tochter des Jairus/der junge Mann<br />

von Nain) können aufgr<strong>und</strong> der exegetisch<br />

eruierten aktuellen Thematik<br />

als geschlechtsspezifische<br />

Identifikationsfiguren für Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen herangezogen werden.<br />

Es gilt dabei zu beachten, <strong>das</strong>s sich<br />

als thematischer Schwerpunkt für<br />

die Mädchen ein Vater-Tochter-<br />

Konflikt herauskristallisiert, der<br />

im Kern die weibliche Sexualangst<br />

impliziert. Demgegenüber erhellt<br />

31<br />

die Nain-Geschichte <strong>das</strong> jungentypische<br />

Problemfeld eines von der<br />

Mutter vereinnahmten Sohnes, der<br />

als Ersatzpartner <strong>und</strong> Vaterersatz<br />

im Familienverb<strong>und</strong> zu funktionieren<br />

hat.<br />

3. Die aktuelle Religionsdidaktik<br />

fordert einen kritischen Umgang<br />

mit derartigen, nach exegetischer<br />

Auslegung bereits biblisch belegten<br />

geschlechtstypischen Zuschreibungen.<br />

Konkret gilt es, die vordergründige<br />

Normalität gültiger Geschlechterstereotype<br />

zu hinterfragen.<br />

Mit der Exegese <strong>wir</strong>d man gerade<br />

in den Totenerweckungserzählungen<br />

akzeptable Möglichkeiten<br />

zur Hinterfragung der Geschlechterstereotypen<br />

finden können. Da es<br />

sich im Falle der Jairus-Geschichte<br />

um ein intimes Sexualproblem der<br />

Frau, im Falle des Jünglings von<br />

Nain um ein intimes männer- !


! spezifisches Problem handelt,<br />

ist es u. E. nur konsequent, diese geschlechtsspezifischen<br />

Aspekte in der<br />

Unterrichtsplanung zu berücksichtigen.<br />

Gegen gängige unterrichtsmethodische<br />

Überlegungen können<br />

daher diese (biblisch vermittelten)<br />

Geschlechterstereotypen ernster<br />

genommen <strong>und</strong> zum Ausgangspunkt<br />

der Unterrichtsorganisation<br />

gewählt werden. Die Mädchen sollen<br />

entsprechende Möglichkeiten<br />

erhalten, den frauenspezifischen<br />

Konflikt in einer reinen Mädchengruppe<br />

unbefangen zu erarbeiten<br />

<strong>und</strong> zu diskutieren; <strong>und</strong> die Jungen<br />

des Kurses sollen analog die Chance<br />

bekommen, <strong>das</strong> spezifische Mutter-<br />

Sohn-Problem unter sich frei zu besprechen.<br />

Es ist gemäß den neuesten<br />

Erfahrungen mit Geschlechtertrennung<br />

erwiesen, <strong>das</strong>s Mädchen<br />

im phasenweise getrennten Unterricht<br />

lebhafter <strong>und</strong> selbstbewusster<br />

auftreten.<br />

Der RU kann hier folglich exemplarisch<br />

realisieren, was in der Pädagogik<br />

im Rahmen der Debatte über<br />

eine „reflexive Koedukation“ <strong>und</strong><br />

<strong>das</strong> „Gender-Mainstreaming“ bezüglich<br />

einer „geschlechtergerechten<br />

Schule“ vorgeschlagen <strong>wir</strong>d, nämlich<br />

themenbezogen Mädchen <strong>und</strong><br />

Jungen phasenweise getrennt zu unterrichten,<br />

um auf der inhaltlichen<br />

Ebene die diversen Perspektiven<br />

<strong>und</strong> Rollen von Mädchen <strong>und</strong> Jungen<br />

zu beachten <strong>und</strong> zu reflektieren.<br />

Die zeitweilige Aufhebung des koedukativen<br />

Unterrichts zugunsten<br />

geschlechterhomogener Gruppen<br />

kann darüber hinaus bei Lehrperson<br />

<strong>und</strong> Schülern zu einer Reflexion der<br />

Methodik <strong>und</strong> Didaktik führen (etwa<br />

zu der die Frage, warum im RU<br />

die männlichen biblischen Figuren<br />

favorisiert werden, oder zu der<br />

möglichen Unbefangenheit in einer<br />

homogenen Gruppe). Das Konzept<br />

verspricht eine effektivere Entlarvung<br />

der Geschlechterstereotypen<br />

<strong>und</strong> eine stärkere <strong>und</strong> nachhaltigere<br />

Identifikation mit gleichaltrigen <strong>und</strong><br />

gleichgeschlechtlichen biblischen Figuren<br />

<strong>und</strong> den entsprechenden Erzählungen,<br />

was zugleich einer Marginalisierung<br />

der Frauenfiguren im<br />

RU entgegenarbeitet.<br />

4. Darüber hinaus nennt die existenzielle<br />

Auslegungsliteratur als legitime<br />

Transfermöglichkeiten alle Formen<br />

zwischenmenschlicher Beziehungen,<br />

in denen die geschilderten<br />

psychologischen Mechanismen<br />

greifen: Freiheitsbeschränkung<br />

bei<br />

gleichzeitig aufgebautem<br />

Erwartungsdruck.<br />

Was<br />

sich in den Eltern-<br />

Kind-Konflikten<br />

zeigt, gilt analog<br />

für Liebesbeziehungen.<br />

Der geliebte<br />

Mensch <strong>wir</strong>d zu<br />

einem Abbild unserer<br />

Vorstellungen<br />

mit entsprechenden<br />

Sanktionen, wie<br />

dies M. Frisch beispielhaft<br />

in seinem<br />

Roman „Stiller“ illustriert<br />

hat. Derartige<br />

Transferangebote werden in<br />

dem Band nicht unterschlagen, sind<br />

jedoch dem geschlechtsspezifischen<br />

Familienproblem nachgeordnet.<br />

5. Der Wandel des Mädchens zur<br />

Frau <strong>und</strong> des Jungen zum Mann<br />

<strong>wir</strong>d in den Totenerweckungserzählungen<br />

als ein „Sterben“ bzw.<br />

„Schlaf“ verstanden, dem <strong>das</strong> neue<br />

Leben mit einer neuen Identität<br />

folgt. Dieser poetisch ausgemalte<br />

einschneidende Schritt beim Übergang<br />

zum Erwachsenwerden ist, religionswissenschaftlich<br />

gesehen, im<br />

Judentum nicht singulär. Er begegnet<br />

ganz ähnlich im antiken Mythos,<br />

in der Weltliteratur, insbesondere<br />

in den Märchen <strong>und</strong> schließlich in<br />

den Initiationsriten der Stammeskulturen.<br />

Wie die beiden jugendlichen<br />

Figuren der ntl. Erzählungen<br />

gemäß den Deutungen der Exegese,<br />

so erleben auch heute noch Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen die Initiation als<br />

Metamorphose des Gefühls, „lebendig<br />

begraben“ zu sein, zu einer von<br />

allen anerkannten Existenz. Was in<br />

den Initiationsriten als dramatische<br />

Inszenierung der Ablösung von der<br />

Kindheit vorgeführt <strong>wir</strong>d, findet<br />

sich poetisch verdichtet auch in vielen<br />

Mythen <strong>und</strong> Märchen. Gerade<br />

sie umschreiben den Prozess der<br />

32<br />

Emanzipation von den Eltern als ein<br />

„Getötet-Werden“, als einen Moment<br />

des „Todes“, der Ermattung oder des<br />

„Schlafes“, dem die Erlösung folgt.<br />

Diese Erlösung meint hier wie in<br />

den biblischen Erzählungen nicht<br />

den totalen Abbruch<br />

der Kommunikation<br />

mit den<br />

Eltern, sondern die<br />

Integration dessen,<br />

wovon man sich gelöst<br />

hat, in <strong>das</strong> neue<br />

eigene Lebenskonzept.<br />

Dieser Band<br />

<strong>wir</strong>d diese frappierenden<br />

Motivähnlichkeiten<br />

nicht<br />

einfach ausblenden;<br />

der Vergleich<br />

mit dem Märchen<br />

„Dornröschen“ von<br />

d e n G e b r ü d e r n<br />

Grimm soll die zentralen<br />

Motive der<br />

ntl. Totenerweckungen noch einmal<br />

verständlicher machen <strong>und</strong> die therapeutische,<br />

erlösende Funktion des<br />

Jesus von Nazareth im Rahmen einer<br />

„Theologie der Beziehung“ verdeutlichen.<br />

7. Es ist letztlich Ziel dieses Bandes,<br />

mit Hilfe der skizzierten didaktischen<br />

Perspektiven die Gr<strong>und</strong>aufgabe<br />

biblischen Unterrichts nach<br />

H.-K. Berg erfolgreich zu bearbeiten:<br />

„Im Religionsunterricht sind die biblischen<br />

Inhalte so auszuwählen<br />

<strong>und</strong> so auszulegen, <strong>das</strong>s junge Menschen<br />

ihre kritische <strong>und</strong> befreiende<br />

Dynamik <strong>und</strong> die in ihnen aufbewahrte<br />

Hoffnungskraft erkennen<br />

<strong>und</strong> annehmen können; junge Menschen<br />

sind zur kritischen Analyse<br />

ihres Lebens <strong>und</strong> ihrer Welt zu befähigen,<br />

damit sie die befreienden Impulse<br />

der biblischen Überlieferung<br />

als eine ihnen zugedachte Chance<br />

zur Veränderung erkennen <strong>und</strong> annehmen<br />

können.“<br />

Volker Garske, Ulrike Gers: Die<br />

Tochter des Jairus <strong>und</strong> Der Jüngling<br />

von Nain. – Paderborn, Schöningh,<br />

2009. – 89 S. (EinFach Religion: Interpretationen,<br />

Unterrichtsmodell) –<br />

ISBN 978-3-14-053602-8


Aktuelles <strong>und</strong> Hinweise<br />

Am Gr<strong>und</strong>gesetz darf nicht gerüttelt werden<br />

KED kritisiert Forderung nach Abschaffung des Religionsunterrichts<br />

im Programmentwurf der NRW-Linken<br />

Bonn, 12. Oktober 2009 – Als doppeltes<br />

Eigentor bezeichnet die B<strong>und</strong>esvorsitzende<br />

der Katholischen<br />

Elternschaft Deutschlands, Marie-<br />

Theres Kastner (MdL), die Forderungen<br />

der NRW-Linken im Entwurf<br />

für ihr Landtagswahlprogramm,<br />

zum einen den Religionsunterricht<br />

abzuschaffen <strong>und</strong> durch Ethikunterricht<br />

zu ersetzen <strong>und</strong> zum zweiten<br />

die Schulen in privater Trägerschaft<br />

nicht mehr zu finanzieren.<br />

„Damit verläßt die NRW-Linke den<br />

Boden der Verfassung der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland. Religionsunterricht<br />

als ordentliches Lehrfach ist in<br />

Artikel 7, Absatz 3 unseres Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />

garantiert. Damit <strong>wir</strong>d eine<br />

Bildungskultur festgeschrieben,<br />

die nicht nur ökonomischen Anforderungen<br />

folgt, sondern den hohen<br />

Stellenwert einer identitätsstiftenden<br />

wertegeb<strong>und</strong>enen Erziehung<br />

für die Entwicklung von Demokratiefähigkeit,<br />

Toleranz <strong>und</strong> Solidarität<br />

anerkennt.“<br />

Zur Forderung der NRW-Linken:<br />

„Keine Förderung der privaten<br />

Ersatzschulen für Kinder reicher<br />

Eltern durch Landesmittel“ sagt<br />

Kastner weiter: „Die Schulen in<br />

privater Trägerschaft in Nordrhein-Westfalen,<br />

wie zum Beispiel<br />

die katholischen Schulen, erfüllen<br />

verbindliche Standards <strong>und</strong> dürfen<br />

kein Schulgeld erheben. Damit stehen<br />

Sie allen Familien offen, egal<br />

wie finanzkräftig sie sind. Mit der<br />

Förderung privater Schulen aus<br />

Landesmitteln <strong>wir</strong>d Eltern mehr<br />

pädagogische Vielfalt im Bildungswesen<br />

geboten <strong>und</strong> sie werden in der<br />

Erreichung der Ziele staatlich beaufsichtigt.<br />

Die Kritik der NRW-Linken<br />

entbehrt daher jeglicher sachlichen<br />

Gr<strong>und</strong>lage.“<br />

Kastner resümiert: „Am Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

darf nicht gerüttelt werden <strong>und</strong><br />

politische Positionen müssen sachlich<br />

begründet sein. Mit ihrem Programmentwurf<br />

offenbart die NRW-<br />

Linke lediglich ihre fehlende Demokratiefähigkeit<br />

<strong>und</strong> verbaut sich<br />

jegliche Chance, als kompetenter<br />

Partner in der Politik ernst genommen<br />

zu werden. Man kann nur hoffen,<br />

<strong>das</strong>s der Entwurf nicht der Beschluss<br />

ist <strong>und</strong> <strong>das</strong>s Die Linken in<br />

anderen B<strong>und</strong>esländern in andere<br />

Richtungen denken.“<br />

Ausstellung im Wolfgang-Bonhage-Museum Korbach<br />

„Ihr Tod reißt nicht die geringste Lücke …“<br />

NS-„Euthanasie“ in Waldeck-Frankenberg<br />

Am 1. September 2009 war es<br />

70 Jahre her, <strong>das</strong>s Adolf Hitler<br />

mit dem sog. „Euthanasie“-Erlass<br />

die systematische Ermordung von<br />

Menschen, die als lebensunwert deklariert<br />

wurden, freigab. Zwischen<br />

200.000 <strong>und</strong> 300.000 psychisch<br />

kranke <strong>und</strong> geistig behinderte Menschen<br />

starben zwischen 1939 <strong>und</strong><br />

1945 in Gaskammern, durch tödliche<br />

Medikamentengaben oder<br />

Unterernährung. Darüber hinaus<br />

wurden etwa 400.000 Menschen<br />

zwangssterilisiert.<br />

Unter den Opfern der NS-<br />

„Euthanasie“ waren auch behinderte<br />

<strong>und</strong> kranke Menschen aus unserer<br />

Region - Menschen, die in Waldeck-Frankenberg<br />

geboren wurden,<br />

hier lebten oder die zwangsweise in<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

Fabriken <strong>und</strong> in der Land<strong>wir</strong>tschaft<br />

arbeiten mussten, Menschen, die systematisch<br />

erfasst <strong>und</strong> umgebracht<br />

wurden. Auf Initiative des Lebenshilfe-Werks<br />

Waldeck-Frankenberg<br />

hat eine Projektgruppe, in der auch<br />

der Landeswohlfahrtsverband, die<br />

Gedenkstätte Hadamar <strong>und</strong> der Internationale<br />

Suchdienst in Bad Arolsen<br />

vertreten waren, eine Ausstellung<br />

erarbeitet, die an diese Menschen,<br />

an die wohl am wenigsten<br />

bekannte Opfergruppe des Nationalsozialismus,<br />

erinnern möchte.<br />

Im Oktober 1939 autorisierte Adolf<br />

Hitler den Chef der Kanzlei des<br />

Führers Philipp Bouhler <strong>und</strong> seinen<br />

Begleitarzt Karl Brandt, die Ermordung<br />

behinderter Menschen vorzubereiten.<br />

Diese sog. Ermächtigung<br />

33<br />

Adolf Hitlers, für die es keine rechtliche<br />

Gr<strong>und</strong>lage gab <strong>und</strong> die Hitler<br />

auf den 1. September 1939, den Tag<br />

des Beginns des 2. Weltkrieges, zurückdatierte,<br />

reichte aus, eine Organisation<br />

einzurichten, die unter<br />

der Regie der Kanzlei des Führers<br />

<strong>und</strong> unter Mithilfe des Innenministeriums<br />

behinderte Menschen in<br />

Deutschland <strong>und</strong> Österreich systematisch<br />

ermordete. Nach der Adresse<br />

der Mordzentrale in der Tiergartenstraße<br />

4 in Berlin wurde diese<br />

Tötungsmaschinerie als Aktion „T 4“<br />

bezeichnet.<br />

Geistig oder körperlich behinderte<br />

Menschen, Menschen, deren Krankheiten<br />

man als vererbbar betrachtete,<br />

Kinder in Fürsorgeheimen,<br />

sog. „Asoziale“ <strong>und</strong> „Minder- !


! wertige“, Kriminelle <strong>und</strong> Alkoholabhängige,<br />

zudem Menschen<br />

jüdischer oder anderer „fremdrassiger“<br />

Herkunft passten nicht in<br />

<strong>das</strong> Idealbild, <strong>das</strong> die nationalsozialistische<br />

Propaganda vom „erbges<strong>und</strong>en<br />

deutschen Volkskörper“<br />

zeichnete. Diese Menschen wurden<br />

als Bedrohung für die „Volksges<strong>und</strong>heit“<br />

angesehen, sie sollten<br />

registriert, zwangssterilisiert<br />

<strong>und</strong> schließlich aus<br />

der Gesellschaft ausgesondert<br />

werden.<br />

Besonders Menschen,<br />

die in Heil- <strong>und</strong> Pflegeanstalten<br />

oder in Fürsorgeheimen<br />

lebten, galten<br />

der Propaganda <strong>und</strong> dem<br />

staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesen,<br />

<strong>das</strong> nach rassenhygienischen<br />

Vorstellungen<br />

umgeformt worden war,<br />

als „Ballastexistenzen“,<br />

die auf Kosten der Gemeinschaft<br />

lebten. Der<br />

erste Schritt zur Durchsetzung<br />

der nationalsozialistischen<br />

Ges<strong>und</strong>heits<strong>und</strong><br />

Rassenpolitik war<br />

<strong>das</strong> „Gesetz zur Verhütung<br />

erbkranken Nachwuchses“,<br />

in dessen Folge<br />

schätzungsweise 400.000<br />

angeblich „erbkranke“<br />

Menschen zwangssterilisiert<br />

wurden.<br />

Die ersten Opfer der NS-<br />

„Euthanasie“ waren geistig oder<br />

körperlich behinderte Neugeborene<br />

<strong>und</strong> Kinder. In über 20 sog. „Kinderfachabteilungen“<br />

ermordeten Ärzte<br />

<strong>und</strong> Pflegepersonal zwischen 1939<br />

<strong>und</strong> 1945 über 5.000 Mädchen <strong>und</strong><br />

Jungen, indem sie ihnen tödliche<br />

Medikamente verabreichten oder<br />

die Kinder verhungern ließen. Anfang<br />

1940 wurden die ersten Opfer<br />

der Erwachsenen- „Euthanasie“ in<br />

Brandenburg in Probevergasungen<br />

ermordet. Danach ließ die Mordzentrale<br />

der Aktion „T 4“ fünf weitere<br />

Gasmordanstalten in Deutschland<br />

<strong>und</strong> Österreich einrichten ließ. In<br />

diesen sechs Anstalten (Brandenburg<br />

an der Havel, Bernburg an<br />

der Saale, Sonnenstein/Pirna, Grafeneck<br />

in Württemberg, Hadamar<br />

bei Limburg <strong>und</strong> Hartheim/Linz)<br />

34<br />

Ein Ausschnitt der Ausstellung gewährt einen ersten Einblick in ihren Aufbau.<br />

wurden zwischen Januar 1940 <strong>und</strong><br />

August 1941 über 70.000 Menschen<br />

ermordet.<br />

Mit grauen Bussen oder mit der Eisenbahn<br />

wurden die Menschen aus<br />

den Heil- <strong>und</strong> Pflegeanstalten abgeholt<br />

<strong>und</strong> in die Tötungsanstalten<br />

gebracht. Zuvor hatte die „T 4“-Zentrale<br />

die Opfer mit Meldebögen erfassen<br />

lassen. Aufgr<strong>und</strong> einer in den<br />

Meldebögen attestierten „Arbeitsunfähigkeit“<br />

oder „Unheilbarkeit“<br />

entschieden sog. „Gutachter“, ausgewählte<br />

Ärzte im Auftrag von „T<br />

4“, über <strong>das</strong> Leben oder den Tod der<br />

Menschen, die sie nie gesehen hatten.<br />

Trotz aller Geheimhaltung <strong>und</strong> Täuschungsaktionen<br />

ließ sich <strong>das</strong> Morden<br />

in den Mordzentren nicht auf<br />

Dauer verheimlichen. Proteste von<br />

Angehörigen, Berichte von Anwohnern,<br />

aber auch öffentliche Kritik<br />

seitens der Kirchen <strong>und</strong> Nachfragen<br />

von Behörden <strong>und</strong> Gerichten<br />

führten dazu, <strong>das</strong>s Adolf Hitler im<br />

August 1941 die Gasmorde ein<strong>stellen</strong><br />

ließ. Jedoch bedeutete <strong>das</strong> Ende<br />

der Gasmordaktion nicht <strong>das</strong> Ende<br />

der NS-„Euthanasie“. Zwar wurden<br />

die Gaskammern in den Tötungsanstalten<br />

entfernt <strong>und</strong> die Öfen, in<br />

denen die Opfer verbrannt worden<br />

waren, abgerissen. Aber der Mord<br />

an den behinderten Menschen ging<br />

mit anderen, unauffälligeren Mitteln<br />

- durch Überdosen von Medikamenten<br />

<strong>und</strong> Mangelernährung – bis<br />

1945 unvermindert weiter.<br />

Die in den Gaskammern <strong>und</strong> Krematorien<br />

gewonnenen „Erfahrungen“<br />

nutzten die Nationalsozialisten für<br />

den Mord an den europäischen Juden:<br />

Das Personal der „T4“-Aktion<br />

kam seit 1941 in den Konzentrationslagern<br />

in den besetzten Gebieten<br />

des Ostens zum Einsatz. Es existiert<br />

somit in personeller wie in technischer<br />

Hinsicht eine Kontinuität<br />

zwischen dem Mord an den Behinderten<br />

<strong>und</strong> der „Endlösung der Judenfrage“.<br />

9.9.2009-25.4.2010<br />

Di- So 11-16.30 Uhr, für Schulklassen<br />

<strong>und</strong> Gruppen nach Vereinbarung<br />

auch außerhalb der Öffnungszeiten<br />

Wolfgang-Bonhage-MUSEUM KOR-<br />

BACH<br />

Kirchplatz 4<br />

34497 Korbach


Aktuelles <strong>und</strong> Hinweise<br />

Vom Sternsingen, dem Jahressegen <strong>und</strong> der<br />

Freude, Gutes zu tun<br />

– eine katholische Tradition in ökumenischer Offenheit –<br />

„Wir kommen daher aus dem Morgenland,<br />

<strong>wir</strong> kommen geführt von<br />

Gottes Hand, <strong>wir</strong> wünschen euch<br />

ein frohes Jahr: Caspar, Melchior<br />

<strong>und</strong> Balthasar.“ Mit solchen oder<br />

ähnlichen Liedern <strong>und</strong> Wünschen<br />

ziehen jährlich in den Tagen zwischen<br />

Weihnachten <strong>und</strong> dem 6. Januar<br />

(Epiphanias) tausende von<br />

Kindern meist im Alter von 8- 13<br />

Jahren von Haus zu Haus. Ihr Zeichen<br />

ist der mitgetragene achtstrahlige<br />

Stern, der zunächst den Bezug<br />

zum „Drei-Königs-Fest“ herstellt.<br />

Darüber hinaus ruft er die acht Seligpreisungen<br />

(Mt 5,2ff), die als Programm<br />

Jesu in besonderer Weise die<br />

Armut <strong>und</strong> die Not der Schwachen<br />

in den Blick nehmen, in Erinnerung.<br />

Verb<strong>und</strong>en mit dem Segenswunsch<br />

erbitten die Sternsinger Gaben für<br />

Projekte <strong>und</strong> Hilfsprogramme r<strong>und</strong><br />

um den Globus in den Bereichen Bildung,<br />

Evangelisierung, Ges<strong>und</strong>heit,<br />

Wasserversorgung, Ernährung usw.<br />

Durch Informationsmaterialien,<br />

Spiele <strong>und</strong> Aktionsvorschläge unterstützt,<br />

bereiten sich in den Pfarrgemeinden<br />

oder auch in Projekten<br />

des Religionsunterrichts pro Jahr<br />

b<strong>und</strong>esweit 500.000 Sternsinger auf<br />

einen wechselnden Länderschwerpunkt<br />

vor. Sie lernen die Lebenssituation<br />

Gleichaltriger kennen. Sympathie<br />

baut sich auf <strong>und</strong> führt zur<br />

Aktion.<br />

Es macht Spaß, sich in kleinen<br />

Gruppen in den kostbaren Gewändern<br />

der Weisen aus dem Morgenland<br />

von Haus zu Haus zu begeben,<br />

um den Segen der Weihnacht weiter<br />

zu tragen – angeschrieben als Jahressegen<br />

mit dem Kreidezeichen<br />

an die Wohnungstür: C+M+B 2010<br />

– Christus Mansionem Benedicat<br />

(Christus segne dieses Haus im neuen<br />

Jahr 2010). Auf die gesungenen<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

Lieder <strong>und</strong> den Segenswunsch (bene-dicere:<br />

gut sagen!) antworten die<br />

so an ihren Haustüren Beschenkten<br />

ihrerseits mit einer Spende für die<br />

„Eine-Welt-Arbeit“. Dass ab <strong>und</strong><br />

an ein kleiner „süßer Lohn“ für die<br />

Sternsinger dabei abfällt, braucht<br />

keine besondere Erklärung.<br />

Immer häufiger nehmen auch evangelische<br />

Kinder an der katholischen<br />

Aktion in ökumenischer Offenheit<br />

teil. Gemeinsam lassen sich Kinder<br />

– angeleitet von erwachsenen Begleitern<br />

– von der Freude der Magier<br />

angesichts des göttlichen Kindes<br />

in der Welt anrühren, gemeinsam<br />

tragen sie als Christen seine Licht-<br />

Botschaft zu den Menschen.<br />

Die Basis jedweder Ökumene ist<br />

die Hl. Schrift. In der Ur-k<strong>und</strong>e des<br />

Glaubens lesen <strong>wir</strong> im 2. Kapitel<br />

bei Matthäus wie die ferne Welt in<br />

Gestalt der „Maggoi“ einem Ankündigungsstern<br />

(„Ein Stern geht in<br />

35<br />

Jakob auf,…“; Num 24,17) folgt, um<br />

dem „neugeborenen König“ zu huldigen<br />

– <strong>und</strong> am Ende des Evangeliums<br />

spricht der Auferstandene seinen<br />

Auftrag: …geht zu allen Völkern<br />

(Mt 28, 19a). Es ist ein bemerkenswertes<br />

Einlösen des Missionsauftrages,<br />

wenn Kinder ihren Blick auf<br />

„die Völker“ weiten <strong>und</strong> die Not der<br />

„Kinder-Welt“ ihr Anliegen <strong>wir</strong>d.<br />

Mehr noch: Die christliche Ikonographie<br />

stellt zu allermeist die<br />

Weisen („drei“ – abgeleitet von den<br />

drei Geschenken: Gold – Zeichen<br />

für den neuen König, Weihrauch –<br />

Huldigung der göttlichen Person,<br />

Myrrhe – Salbe für den Menschen)<br />

in verschiedenen Lebensaltern <strong>und</strong><br />

Hautfarben dar. Aus diesen Gr<strong>und</strong>sätzen,<br />

die auf den angelsächsischen<br />

Mönch Beda Venerabilis (um 700)<br />

zurückgehen, entwickelt sich die Repräsentanz<br />

der „Könige“ für die drei<br />

Lebensalter <strong>und</strong> die drei Erdteile<br />

Europe, Asien, Afrika, also die Verkörperung<br />

der damals bekannten<br />

Welt. Die Sternsinger formieren sich<br />

in dieser Tradition zu Vertretern der<br />

Menschheit, die Grenzen überwinden<br />

<strong>und</strong> zu Friedensboten der Einen<br />

Welt werden.<br />

Wer sich beteiligen möchte kann<br />

sich an die katholischen Pfarrgemeinden<br />

vor Ort wenden. Darüber<br />

hinaus gibt der Internetauftritt<br />

www.sternsinger.de alle notwendigen<br />

Informationen <strong>und</strong> hilfreiche<br />

Anregungen.<br />

„Kinder finden neue Wege“ heißt <strong>das</strong><br />

Leitwort der 52. Aktion Dreikönigssingen<br />

2010. Das Beispielland des<br />

kommenden Dreikönigssingens, <strong>das</strong><br />

am 29. Dezember in Hamburg b<strong>und</strong>esweit<br />

eröffnet <strong>wir</strong>d, ist der Senegal.<br />

Gerhard Krombusch, IRUM


Religionspädagogen besuchen „Tiere der<br />

Bibel“ in Nadermanns Tierpark<br />

Neues ungewöhnliches religionspädagogisches Projekt<br />

Warum landete der Prophet Daniel<br />

eigentlich in einer Löwengrube? Und<br />

hätte Petrus seine Verfehlungen<br />

auch erkannt, wenn der Hahn ihm<br />

nicht sozusagen ins Gewissen gekräht<br />

hätte? Warum war es den<br />

Menschen in biblischen Zeiten eigentlich<br />

lieber, wenn der neue König<br />

auf einem Esel ritt <strong>und</strong> nicht auf<br />

einem Pferd? Um diese <strong>und</strong> ähnliche<br />

Fragen ging es in diesen Tagen bei<br />

einer „tierischen“ Fortbildung für<br />

Religionslehrer/innen <strong>und</strong> pastorale<br />

Mitarbeiter/innen in Nadermanns<br />

Tierpark in Delbrück.<br />

Gemeinsam mit dem IRuM führte<br />

<strong>das</strong> Bonifatiuswerk der deutschen<br />

Katholiken den Kurs „Tiere der Bibel“<br />

erstmalig durch. Der Kurs soll<br />

Kindern auf spielerische <strong>und</strong> spannende<br />

Weise große Themen der Bibel<br />

näherbringen.<br />

fast hautnah Bibeltiere erleben können<br />

<strong>und</strong> so auf eine beeindruckende<br />

Weise erfahren <strong>und</strong> neu entdecken,<br />

welche Ausstrahlung <strong>und</strong> Faszination<br />

von den Tieren ausgeht. Die Geschichte<br />

von „Daniel in der Löwengrube“<br />

vor dem Löwengehege zu hören<br />

– Auge in Auge mit den Löwen<br />

– spricht eine andere Sprache, als<br />

Teilnehmern bewusst, <strong>das</strong>s diese<br />

Tiere in der Bibel eine wichtige Rolle<br />

spielen. „Der Kurs versteht sich<br />

als Beitrag zu einer bodenständigen<br />

<strong>und</strong> missionarischen Theologie <strong>und</strong><br />

ist gerade auch für den Elementar<strong>und</strong><br />

Primarbereich konzipiert“, erläutert<br />

der Generalsekretär des Bonifatiuswerkes,<br />

Monsignore Austen,<br />

Der Prophet<br />

Daniel wurde<br />

vom König in<br />

die Löwengrube<br />

geworfen,<br />

wie <strong>das</strong><br />

Alte Testament<br />

berichtet. Die<br />

Löwen taten<br />

ihm auf w<strong>und</strong>ersame<br />

Weise<br />

nichts. Foto:<br />

Bonifatiuswerk<br />

„In Nadermanns Tierpark in Delbrück<br />

finden <strong>wir</strong> alles, was <strong>wir</strong><br />

für die praktische Umsetzung des<br />

Projektes brauchen“, so Matthias<br />

Micheel, Leiter der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe<br />

im Bonifatiuswerk in Paderborn<br />

<strong>und</strong> Initiator der Aktion.<br />

Und Lioba Kolbe vom Erzbistum Paderborn<br />

ergänzt: „Für Kinder ist die<br />

gepflegte Anlage optimal, da sie hier<br />

Marlies Nadermann stellt<br />

die Kamele des Tierparks<br />

vor. In der Bibel nennt<br />

Jesus persönlich <strong>das</strong><br />

Kamel: „Eher geht ein<br />

Kamel durch ein Nadelöhr,<br />

als <strong>das</strong>s ein Reicher<br />

in <strong>das</strong> Reich Gottes<br />

gelangt.“<br />

Foto: Bonifatiuswerk<br />

wenn ich diese Bibelstelle an Hand<br />

eines Bilderbuches mit Kindern lese.“<br />

Fachk<strong>und</strong>ig unterstützt wurden<br />

Kolbe <strong>und</strong> Micheel durch Marlies<br />

Nadermann, die Tochter des Tierparkchefs.<br />

Spätestens bei ihrer<br />

abendlichen Führung mit Fütterung<br />

der Löwen, Leoparden, Kamele <strong>und</strong><br />

Esel <strong>wir</strong>d den Teilnehmerinnen <strong>und</strong><br />

<strong>das</strong> gr<strong>und</strong>sätzliche Anliegen der Aktion,<br />

die im nächsten Jahr auf jeden<br />

Fall fortgeführt werden soll. Interessierte<br />

Schulklassen <strong>und</strong> Gruppen<br />

aus den Gemeinden - auch im Rahmen<br />

der Erstkommunionvorbereitung<br />

oder der Seelsorgest<strong>und</strong>e - an<br />

einer Themenführung können sich<br />

jederzeit bei Lioba Kolbe (IRuM) unter<br />

Telefon 0 52 51/1 25-14 99 oder<br />

unter E-Mail: lioba.kolbe@erzbistum-paderborn.de<br />

oder bei Matthias<br />

Micheel (Bonifatiuswerk) unter<br />

Telefon: 0 52 51/29 96-50 oder unter<br />

E-Mail: kinderhilfe@bonifatiuswerk.<br />

de melden.<br />

Am 19.04.2010 <strong>wir</strong>d diese Veranstaltung<br />

im Dortm<strong>und</strong>er Zoo wiederholt.<br />

Genaue Daten entnehmen sie bitte<br />

dem Fortbildungskalender 1/2010.<br />

36


Aktuelles <strong>und</strong> Hinweise<br />

Neue Medienkisten im Verleih<br />

Zu den attraktivsten Angeboten<br />

des IRUM für Kindergärten <strong>und</strong><br />

(Gr<strong>und</strong>-)Schulen gehören die Medienkisten.<br />

Zu bestimmten Themenbereichen<br />

stellt <strong>das</strong> IRUM in Paderborn<br />

vorkonfektionierte Bestände<br />

als transportable Mini-Bibliothek<br />

zur Verfügung.<br />

Die neuen Medienkisten beschäftigen<br />

sich mit den Themen Natur<br />

<strong>und</strong> Umwelt, Werte <strong>und</strong> Benehmen,<br />

Ostern sowie First Englisch. Erstmalig<br />

steht auch eine Kiste mit Wii-<br />

Spielen zur Verfügung. Unter www.<br />

irum.de/medienverleih erhalten Sie<br />

eine Übersicht aller vorhandenen<br />

Themenbereiche.<br />

Die Medienkisten enthalten neben<br />

Kindersachbüchern <strong>und</strong> -erzählungen<br />

auch Sachbücher für Erwachsene<br />

zur Themenvorbereitung <strong>und</strong><br />

sind teilweise ergänzt durch andere<br />

Medien wie CDs, CD-ROMs, DVDs,<br />

Spiele. Die Kisten werden ständig<br />

überarbeitet <strong>und</strong> mit neu erschienenen<br />

Medien ausgestattet.<br />

Erzieher <strong>und</strong> Erzieherinnen, Lehrer<br />

<strong>und</strong> Lehrerinnen <strong>und</strong> andere Multiplikatoren<br />

können diese „Kisten“ für<br />

Unterrichtsreihen, Vorlesest<strong>und</strong>en,<br />

Aktionstage, Lesenächte, zur Leseförderung,<br />

Projektwochen <strong>und</strong> ähnliches<br />

nutzen. Gerne <strong>stellen</strong> <strong>wir</strong> <strong>Ihnen</strong><br />

auch individuelle Medienkisten<br />

aus unserem Bibliotheksbestand<br />

nach Ihren Themenwünschen <strong>und</strong><br />

Altersangaben zusammen.<br />

Die Anmeldung <strong>und</strong> Ausleihe sind<br />

für Multiplikatoren kostenlos, die<br />

Ausleihfristen werden bei der Bestellung<br />

individuell vereinbart. Bitte<br />

melden Sie sich für die Themen<br />

frühzeitig an, da teilweise eine große<br />

Nachfrage besteht. Planen Sie also<br />

eine Vorlaufzeit von 4-5 Wochen für<br />

die Bearbeitung ein. Am einfachsten<br />

ist es, wenn Sie telefonisch Kontakt<br />

aufnehmen. Hier können Sie dann<br />

Ihren Themenwunsch <strong>und</strong> Ihren<br />

Wunschtermin bekannt geben.<br />

Weitere Auskünfte <strong>und</strong> Bestellungen:<br />

Ursula Mertens<br />

<strong>Institut</strong> für Religionspädagogik <strong>und</strong> Medienarbeit<br />

Am Stadelhof 10<br />

33098 Paderborn<br />

05251/ 125-1919<br />

ursula.mertens@erzbistum-paderborn.de<br />

Neue Medienkisten<br />

„Wasser, Feuer, Erde, Luft“ – Die Elemente<br />

Geschichten, Lieder, Spielaktionen <strong>und</strong> Bücher<br />

für Kinder im Kindergarten <strong>und</strong> in der Gr<strong>und</strong>schule<br />

„Tiere – Fre<strong>und</strong>e für Kinder“<br />

Erzählende Kinderbücher, Bilderbücher, Kindersachbücher <strong>und</strong> Bücher<br />

für Eltern zum Thema Tiere zu Hause <strong>und</strong> Tiere der Welt<br />

„Gemeinsam sind <strong>wir</strong> mehr!“ – Sozialkompetenz, Werte<br />

<strong>und</strong> Benehmen<br />

Bücher für Kinder im Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule, aber vorwiegend<br />

Literatur für Erzieher / bzw. Lehrer zur Vorbereitung auf <strong>das</strong> Thema<br />

„First Englisch“ – 3 – Medienkiste für Kinder in der 3. / 4. Klasse<br />

Kinderbücher <strong>und</strong> Vorbereitungsliteratur für Gr<strong>und</strong>schullehrer<br />

„Ostern entgegen“<br />

Medien für Erzieher, Lehrer <strong>und</strong> Kinder<br />

„Wii – Spiele in Bewegung“<br />

Konsolenspiele für Vereine, Veranstaltungen, Familien, Senioren.<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

37


Religionslehrerinnen <strong>und</strong> Religionslehrer sind herzlich willkommen:<br />

Kirche – Kunst – Verkündigung<br />

Zertifikationsausbildung zum/r Kirchenführer/in im Erzbistum Paderborn<br />

Der Kirchenraum <strong>wir</strong>d heute neu<br />

entdeckt als Versammlungsraum<br />

zur gottesdienstlichen Feier, als<br />

Schutzraum zur Einkehr <strong>und</strong> Besinnung,<br />

als Gegenstand kulturgeschichtlichen<br />

Interesses <strong>und</strong> als<br />

Lern- <strong>und</strong> Erfahrungsort. Diese<br />

Tendenzen bieten Chancen. Aber<br />

ohne Hinführung bleibt <strong>das</strong> Wahrgenommene<br />

unvertraut.<br />

Als Teilnehmer/innen am<br />

Zertifikatskurs<br />

• erweitern Sie ihr Wissen<br />

zur Kirchen- <strong>und</strong><br />

Kunstgeschichte, zu<br />

Kirchenräumen <strong>und</strong><br />

Liturgie, zu Ikonographie<br />

<strong>und</strong> Symbolsprache.<br />

• erhalten Sie Einblick<br />

in Aufbau <strong>und</strong> Gestaltung<br />

von Kirchenführungen<br />

für unterschiedliche<br />

Zielgruppen.<br />

• reflektieren Sie <strong>das</strong><br />

Erfahrene, um daraus<br />

Elemente für die eigene Kirchenführung<br />

zu nutzen.<br />

• lernen Sie Methoden kennen, ihre<br />

Kirchen interessant vorzu<strong>stellen</strong><br />

<strong>und</strong> unterschiedliche Zielgruppen<br />

anzusprechen.<br />

Sie besichtigen verschiedene Kirchen<br />

in Paderborn <strong>und</strong> erleben unterschiedliche<br />

Kirchenführungen.Sie<br />

erfahren auch Hilfen zur Organisation<br />

<strong>und</strong> zur Vernetzung<br />

von Kirchenführungen<br />

im Gemeinde- bzw. Pastoralverb<strong>und</strong>sangebot.<br />

Bei regelmäßiger <strong>und</strong><br />

erfolgreicher Teilnahme<br />

am Basiskurs erhalten<br />

Sie ein Zertifikat.<br />

Für ausgebildete Kirchenführer/innen<br />

wer den<br />

Fachtage zur Fortbildung<br />

<strong>und</strong> Vertiefung des eigenen<br />

Wissens <strong>und</strong> zum<br />

Erfahrungsaustausch angeboten.<br />

Termine<br />

Die Zertifikatsausbildung findet in 5<br />

Abschnitten statt.<br />

29./30.01.2010<br />

19./20.02.2010<br />

12./13.03.2010<br />

23./24.04.2010<br />

28./29.05.2010<br />

Die Kurseinheiten im Liborianum<br />

Paderborn beginnen freitags um<br />

14.30 Uhr <strong>und</strong> enden samstags um<br />

17.00 Uhr<br />

Anmeldeschluss: 19.01.2010<br />

Teilnehmerbeitrag für alle<br />

5 Wochenendveranstaltungen mit<br />

Übernachtung <strong>und</strong> Verpflegung:<br />

280 1<br />

Anmeldungen:<br />

Liborianum<br />

An den Kapuzinern 5-7<br />

33098 Paderborn<br />

Telefon: 05251/1214467<br />

Fax: 05251/1214555<br />

E-Mail: liborianum@erzbistumpaderborn.de<br />

Arbeitsforum für Religionspädagogik vom 23. bis 25. März 2010 in Donauwörth<br />

Standorte finden. Religionsunterricht in der<br />

pluralen Gesellschaft<br />

Dieses fünfte Arbeitsforum möchte<br />

unsere religiös <strong>und</strong> weltanschaulich<br />

plurale Gesellschaft in den Blick<br />

nehmen, um den Religionsunterricht<br />

im Spannungsfeld von Atheismus,<br />

Beliebigkeit <strong>und</strong> F<strong>und</strong>amentalismus<br />

besser positionieren zu können.<br />

An exemplarischen Bereichen<br />

<strong>und</strong> Konfliktfeldern soll im Rahmen<br />

verschiedener Arbeitskreise diese<br />

Standortfindung jeweils konkretisiert<br />

werden.<br />

Die Veranstaltung richtet sich an<br />

Referentinnen <strong>und</strong> Referenten in<br />

den Schulabteilungen <strong>und</strong> den religionspädagogischen<br />

<strong>Institut</strong>en der<br />

deutschen Diözesen, an Fachleiterinnen<br />

<strong>und</strong> Fachleiter an den Seminaren<br />

sowie an Lehrende an den religionspädagogischen<br />

Fachbereichen<br />

der Universitäten bzw. Hochschulen.<br />

Tagungsort ist die Pädagogische Stiftung<br />

Cassianeum in Donauwörth.<br />

Anmeldeschluss: 15. Februar 2010.<br />

Teilnahmekosten: 110,- Euro.<br />

38<br />

Nähere Informationen<br />

<strong>und</strong> Anmeldung:<br />

Pädagogische Stiftung Cassianeum<br />

Heilig-Kreuz-Str. 19;<br />

86 609 Donauwörth<br />

Tel.: 0906 / 70 55 40 - 60<br />

E-Mail:<br />

info@paedagogische-stiftungcassianeum.de<br />

Homepage:<br />

www.paedagogische-stiftungcassianeum.de


Aktuelles <strong>und</strong> Hinweise<br />

Heute Gemeindereferent/<br />

Gemeindereferentin werden ?! –<br />

In einer Zeit großer Umbrüche in<br />

unserer Gesellschaft <strong>wir</strong>d es für die<br />

Menschen immer wichtiger, sich auf<br />

<strong>das</strong> Tragende im Leben zu besinnen.<br />

Als Teil der Gesellschaft steht die<br />

Kirche mit den Menschen vor neuen<br />

Herausforderungen: Neu-Evangelisierung,<br />

Umstrukturierung, Globalisierung.<br />

Diese anzugehen ist reizvoll,<br />

<strong>und</strong> es bringt die Möglichkeit<br />

mit sich, bei den Veränderungsprozessen<br />

mitzu<strong>wir</strong>ken, Ideen zu entwerfen<br />

<strong>und</strong> so gemeinsam Visionen<br />

zu ver<strong>wir</strong>klichen.<br />

Diese Prozesse bedürfen qualifizierter<br />

Kräfte, die sich hauptberuflich<br />

in der Pastoral in den Gemeinden<br />

engagieren, um mit den Mitmenschen<br />

den Glauben zu leben <strong>und</strong><br />

zu teilen <strong>und</strong> somit Halt zu geben<br />

inmitten großer Veränderungen.<br />

Ein/e Gemeindereferent/in hat Freude<br />

am Leben <strong>und</strong> am Glauben <strong>und</strong><br />

engagiert sich in Gemeinden, Schulen,<br />

Kindergärten <strong>und</strong> Verbänden.<br />

Er/sie arbeitet mit Menschen unterschiedlichen<br />

Alters<br />

zusammen, so in<br />

der Erstkommunion-<br />

<strong>und</strong> Firmvorbereitung,<br />

in der<br />

Erwachsenenpastoral<br />

<strong>und</strong> in der<br />

Seniorenarbeit.<br />

Auch nimmt er/sie<br />

liturgische Aufgaben<br />

wahr <strong>und</strong> befähigt<br />

Ehrenamtliche,<br />

<strong>das</strong> Leben<br />

der Gemeinden aktiv<br />

mitzugestalten.<br />

Der Weg in den<br />

Beruf<br />

Der Bachelor Studiengang<br />

der Religionspädagogik<br />

an<br />

der Katholischen<br />

Infotag am 16.1.2010 im Pauluskolleg<br />

Hochschule NRW in Paderborn umfasst<br />

derzeit sechs Semester. Im Anschluss<br />

<strong>wir</strong>d unter Anleitung eines<br />

Mentors <strong>das</strong> Anerkennungsjahr absolviert,<br />

<strong>das</strong> mit der ersten Dienstprüfung<br />

abschließt. Dann erfolgen<br />

zwei Jahre Assistenzzeit, die mit<br />

der zweiten Dienstprüfung zu Ende<br />

geht. Darauf folgt die Übernahme<br />

in den unbefristeten Dienst als<br />

Gemeindereferent/in. Alle, die die<br />

Ausbildung erfolgreich durchlaufen,<br />

können sich auf einen sicheren Arbeitsplatz<br />

verlassen.<br />

Interesse am Beruf des/r<br />

Gemeindereferent/in?<br />

Kennen Sie Menschen, die <strong>Ihnen</strong> für<br />

diesen Beruf geeignet erscheinen?<br />

Dann bitten <strong>wir</strong> Sie, diese persönlich<br />

anzusprechen <strong>und</strong> sie zum K<strong>und</strong>schaftertag<br />

am Samstag, 16. Januar<br />

2010, von 10.00 bis 17.00 Uhr ins<br />

Pauluskolleg in Paderborn einzuladen.<br />

Es gibt Infos zu Studium <strong>und</strong> Beruf<br />

sowie die Möglichkeit<br />

zum Austausch mit<br />

Studierenden <strong>und</strong> eine<br />

Begegnung mit der<br />

Dekanin an der Katholischen<br />

Hochschule.<br />

Infos <strong>und</strong><br />

Anmeldungen:<br />

Benedetta Michelini<br />

Pauluskolleg<br />

Husener Str. 43<br />

33098 Paderborn<br />

05251/ 6999-138<br />

benedetta.michelini@<br />

erzbistum-paderborn.<br />

de.<br />

www.pauluskolleg.de<br />

<strong>und</strong> www.katho-nrw.<br />

de.<br />

21. Februar 2010:<br />

Tag der<br />

offenen Tür<br />

im Collegium<br />

Bernardinum<br />

Das Erzbischöfliche Internat für<br />

Jungen „Collegium Bernardinum“<br />

in Attendorn lädt alle interessierten<br />

Mütter, Väter <strong>und</strong> Schüler ein<br />

zum Tag der „Offenen Tür“ am<br />

Sonntag, 21. Februar 2009, von 11<br />

h bis 17 h.<br />

An diesem Tag stehen <strong>Ihnen</strong><br />

Schüler, Erzieher sowie Präses<br />

Bernhard Schröder für Gespräche,<br />

Informationen <strong>und</strong> Besichtigungsgänge<br />

zur Verfügung. Im Collegium<br />

Bernardinum werden Jungen<br />

ab Klasse 5 aufgenommen,<br />

die Gymnasium, Realschule <strong>und</strong><br />

Hauptschule besuchen. Die schulische<br />

Förderung ist ein besonderer<br />

Schwerpunkt des Internates,<br />

aber auch die religiöse Erziehung,<br />

die aktive Freizeitgestaltung,<br />

Spiel <strong>und</strong> Sport sowie ein umfangreiches<br />

Kulturprogramm gehören<br />

zum Programm des Konviktes.<br />

Die Schüler wohnen in fre<strong>und</strong>lich<br />

gestalteten Räumen; der Pensionspreis<br />

ist kostengünstig. Es bestehen<br />

gute Anbindungen (Autobahn,<br />

Eisenbahn). Das Collegium<br />

Bernardinum ist in Trägerschaft<br />

des Erzbistums Paderborn.<br />

Eltern, die Ausschau nach einem<br />

Internatsplatz für <strong>das</strong> neue Schuljahr<br />

halten, mögen sich rechtzeitig<br />

mit dem Collegium Bernardinum<br />

in Verbindung setzten.<br />

Anschrift:<br />

Collegium Bernardinum<br />

Nordwall 26<br />

57439 Attendorn<br />

Telefon: 02722/ 5 09 12<br />

E-Mail: info@collegium-bernardinum.de<br />

Internet:<br />

www.collegium-bernardinum.de<br />

S c h u l i n f o r m a t i o n e n P a d e r b o r n 3 / 0 9<br />

39


Schulinformationen Paderborn<br />

Postfach 1480 33044 Paderborn<br />

Postvertriebsstück Deutsche Post AG H 7739<br />

Entgelt bezahlt<br />

Herausgegeben <strong>und</strong> verlegt vom Erzbischöflichen<br />

Generalvikariat in Paderborn.<br />

Verantwortlich für den Inhalt: Domkapitular<br />

Joachim Göbel, Leiter der HA Schule<br />

<strong>und</strong> Erziehung. Redaktion: Christoph<br />

Quasten M.A., Tel. 0 52 51 / 1 25 ­ 19 10,<br />

E-Mail: christoph.quasten@erzbistumpaderborn.de<br />

Herstellung: Bonifatius Druck · Buch ·<br />

Verlag GmbH, Paderborn.<br />

Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe:<br />

15.8.2009. Erscheint vierteljährlich.<br />

Nach bestellungen: Marilies Risse, E-<br />

Mail: marilies.risse@erzbistum-paderborn.de<br />

Tel. 0 52 51 / 1 25 ­ 13 43, Fax<br />

0 52 51 / 1 25 ­ 19 29<br />

www.erzbistum-paderborn.de/schule<strong>und</strong>erziehung/

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!