stellen wir Ihnen das Heft 3/2011 - Institut für Religionspädagogik ...
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6 Themenschwerpunkt 7<br />
Schülerfeedbacks am Ende des Tages:<br />
Die zerbrochene Puppe eines jüdischen Kindes<br />
weist vor allem auf <strong>das</strong> Schicksal der Kinder hin.<br />
Als <strong>wir</strong> heraus kamen, empfing uns<br />
Eisregen – passend zur Situation des<br />
Augenblicks. Wir verließen <strong>das</strong> Lager<br />
durch <strong>das</strong> bekannte Tor. Das Wetter<br />
klarte auf und unter riesigen Wolkenbergen<br />
– sollte es ein Wink des Himmels<br />
sein – die Wolke als Symbol für<br />
den wegbegleitenden Gott – fuhren<br />
<strong>wir</strong> mit dem Bus zum noch größeren<br />
Lager Auschwitz – Birkenau.<br />
Auschwitz Birkenau<br />
Teil 2: Auschwitz II<br />
Unsere erste Station war am Eingangstor.<br />
Durch dieses Tor rollten die<br />
vollen Menschentransportzüge aus<br />
aller Herren Länder, um Menschen,<br />
vor allem Juden, zur Arbeit bis zur Erschöpfung<br />
oder bis zum Tod zu zwingen,<br />
oder sie gleich an der Rampe in<br />
der Mitte des Lagers in arbeitsfähig<br />
und arbeitsunfähig zu selektieren.<br />
Ein Originalgüterwaggon steht noch<br />
auf dem Seitengleis und soll an die<br />
deportierten Ungarnjuden erinnern.<br />
Erinnerungsfotos mahnen: Alles war<br />
real, ist passiert, hat eine eigene Geschichte<br />
der Täter und Opfer.<br />
Schülerinnen und Schüler <strong>stellen</strong> Erinnerungskerzen am Ende der Gleise der<br />
Rampe von Birkenau auf.<br />
Dieses Jahr kamen <strong>wir</strong> in eine restaurierte<br />
Baracke im Frauenlager. Backsteinhaus,<br />
Etagenbetten aus Stein,<br />
Holz und Stroh, offenes Gebälk mit<br />
Tonziegel und einige noch lesbare<br />
alte Sinnsprüche: „Verhalte dich ruhig!“<br />
– „Die Laus, dein größter Feind!“<br />
– Nein, sie hatten als Häftlinge keine<br />
Angst mehr gehabt vor Läusen, vor<br />
Schäferhunden. Sie hatten Angst,<br />
zitternde Angst, vor den Schergen,<br />
den Nazis, der Totenkopf SS und ihren<br />
Gehilfen. Als <strong>wir</strong> weiter gingen,<br />
kamen <strong>wir</strong> an zwei Teichen vorbei,<br />
in ihnen spiegelten sich der Himmel<br />
und die fast verborgene Sonne. Drei<br />
Mahnstelen erinnerten uns daran,<br />
<strong>das</strong>s hier die Asche der Verbrannten<br />
ausgestreut worden ist. Die andere<br />
Asche warf man in Flüsse, nutze<br />
sie als Dünger für die Felder oder<br />
als Streugut auf den Wegen im Winter.<br />
Traurig und mit feuchten Augen<br />
verweile ich, während die Schüler<br />
schon zu den Ruinen der alten Gaskammern<br />
und der Krematorien am<br />
Ende des Lagers weiter geführt werden.<br />
Diese Ascheteiche, diese beiden<br />
Massengräber gruben sich in mir als<br />
die wichtigsten Erfahrungsbildern ins<br />
Gedächtnis. Einige nennen Auschwitz<br />
„Der Vorhof zur Hölle“, andere<br />
„Die Residenz des Todes.“<br />
Am Ende der Gleise, an den Mahnstelen<br />
und Steinquadern, halten <strong>wir</strong><br />
eine ökumenische jüdisch christliche<br />
Andacht. Zum Gedenken an die Ermordeten,<br />
an die um die Fülle und<br />
Zukunft ihres Lebens Gebrachten,<br />
wurde <strong>das</strong> jüdische Gebet Sch̓ma<br />
Jisrael / „Höre, Israel, der Herr unser<br />
Gott, der Ewige, ist einzig!“ (<strong>das</strong> tägliche<br />
Morgen- und Abendgebet der<br />
Juden aus Dt 6,4-9) in Deutsch, Englisch,<br />
Französisch, Russisch gelesen.<br />
Leider hatten <strong>wir</strong> die polnische Version<br />
vergessen. Die Schüler legten kleine<br />
Steine zum Gedenken an die Toten<br />
am Ende der Geleise nieder – wo der<br />
Weg und die Geschichte für sie endete<br />
– und brachten pro Lerngruppe<br />
jeweils von einem Schüler und einer<br />
Schülerin ihre Grableuchten als Hoffnungslichter<br />
gegen die Dunkelheit<br />
der Menschheitsgeschichte ein.<br />
Nach dem Aufruf, in jedem Menschen<br />
ein Ebenbild Gottes zu sehen und<br />
ihm auch so zu begegnen und ihn zu<br />
behandeln, dem gemeinsamen Vaterunser,<br />
und dem Segen wurde der gemeinsame<br />
Abschied von diesem Ort<br />
und der Weg aus dem KZ besonders<br />
still und bewusst begangen.<br />
DVDs ausleihbar im IRUM<br />
Literatur und Medien-Empfehlung:<br />
Magdalena Niedzielska / Jan Szurmant: Krakau. Erlangen 2009<br />
Eugeniusz Duda: Das Jüdische Krakau. Stadtführer über jüdische Denkmäler und Gedenkstätten<br />
Adam Bujak / Teresa u. Henryk Swiebocki: Residenz des Todes. Krakau u2007<br />
DVDs: Schindlers Liste | Spielzeugland | Der letzte Zug | Der Pianist | Veilchenbonbons<br />
„Frauen leckten die tiefgefrorenen Fenster ab,<br />
um nicht zu verdursten. – Auf Bildern lachten<br />
SS Männer hämisch und erniedrigten die Juden<br />
– Inmitten des Leids und Verderbens wuchsen<br />
kleine Blümchen an den „Gleisen des Todes“.<br />
Auch nach Auschwitz gibt es Neues Leben! –<br />
Wir konnten zurück. Das Tor war offen. – Es<br />
frisst einen regelrecht auf.“<br />
Verena<br />
„Diese Führung brachte einige schreckliche<br />
Eindrücke mit sich, die ich mit Sicherheit<br />
nie vergessen werde Ich bin froh, <strong>das</strong>s ich<br />
die Möglichkeit hatte, diese Erfahrungen<br />
zu machen und bin mir sicher, <strong>das</strong>s mich<br />
dieses Erlebnis in meinem weiteren Leben<br />
prägen <strong>wir</strong>d!“<br />
Organisatorische Hinweise<br />
Die Studienfahrt war im Religionsunterricht<br />
langfristig im 9. und 10. Schuljahr<br />
vorbereitet worden. Die Schüler<br />
hatten sich mit den Themen: Juden<br />
und Judentum / Verhältnis zwischen<br />
Juden und Christen / Schindlers Liste<br />
/ Der letzte Zug / Spielzeugland / Die<br />
Würde des Menschen / Lernen aus einer<br />
unheilvollen Geschichte beschäftigt.<br />
Zu Gast im Unterricht war auch<br />
die Paderborner Diplom-Pädagogin<br />
Sara Kass mit ihrem Museumspädagogischen<br />
Koffer zum nationalsozialistischen<br />
Konzentrations- und Vernichtungslager<br />
Auschwitz-Birkenau.<br />
Der Koffer möchte an die Kinder erinnern,<br />
die nach Auschwitz deportiert<br />
wurden und heutigen Kindern und<br />
Jugendlichen den Zugang zu diesem<br />
Thema aus der Perspektive des eigenen<br />
Alters erschließen.<br />
Während und nach der Studienfahrt<br />
hatten die Schüler ihre Eindrücke und<br />
Erfahrungen in Erfahrungsberichten,<br />
Gedichten, Collagen, Plakaten, Objekten<br />
und Fotoalben verarbeitet.<br />
Diana<br />
An dieser Stelle möchte ich – auch im<br />
Namen meiner Kolleginnen und Kollegen<br />
– den Schülerinnen und Schülern<br />
danken für ihr Interesse, ihr Engagement<br />
während der Vorbereitung,<br />
Durchführung und Nachbereitung<br />
dieser Schülerfahrt. Zugleich möchte<br />
ich alle Kolleginnen und Kollegen<br />
ermutigen, sich mit ihren Schülerinnen<br />
und Schülern auch auf den Weg<br />
zu machen und eine Gedenkstätte<br />
zu besuchen und die Geschichte im<br />
Gedächtnis wach zu halten. Schon<br />
jetzt fragen die nachwachsenden<br />
10er Schüler nach, ob sie denn auch<br />
nach Krakau und Auschwitz fahren<br />
werden.<br />
Ab dem 1. Halbjahr 2012 (ab<br />
Mitte April) werden religionspädagogische<br />
Lehrerfortbildungsseminare<br />
zu dieser Thematik<br />
auf Ebene der 19 Dekanate als<br />
Nachmittagsveranstaltung angeboten.<br />
Dort kann dann ausführlicher<br />
berichtet werden.<br />
Eine Studienfahrt für Religionslehrer<br />
<strong>wir</strong>d in absehbarer Zeit<br />
„Jeder war von der enormen<br />
Größe des KZs und über die<br />
riesigen Opferzahlen überrascht,<br />
<strong>das</strong>s auf dieser riesigen Fläche<br />
überall Menschen waren und<br />
täglich so viele vergast wurden.<br />
Ich finde es ist ein Muss, an<br />
diesem Ort einmal gewesen zu<br />
sein und über diesen Ort<br />
nachzudenken.“<br />
Rene<br />
ebenfalls angeboten werden.<br />
Ermöglicht wurde diese Studienfahrt<br />
mit der großzügigen finanziellen Unterstützung<br />
durch die Stiftung „Erinnern<br />
ermöglichen“ in Düsseldorf, die<br />
allen Schülern aus NRW die Fahrt<br />
nach Auschwitz ermöglichen will, sowie<br />
durch <strong>das</strong> Schulreferat des Evangelischen<br />
Kirchenkreises Paderborn<br />
und die Schulabteilung des Erzbistums<br />
Paderborn.<br />
Eine umfangreiche Foto-DVD zur<br />
Fahrt kann zum Selbstkostenpreis<br />
von 7,50 Euro über den Autor bestellt<br />
werden.<br />
Anschrift des Autors:<br />
Alexander Schmidt<br />
Rektor i. K.<br />
IRUM Paderborn<br />
Am Stadelhof 10<br />
33098 Paderborn<br />
0 52 51 / 125-1418<br />
alexander.schmidt@erzbistum-paderborn.de