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Musiktheater seit 1990 - Schott Music

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Inhalt<br />

Wilfried Hiller schrieb über sein Werk: „Der Schimmelreiter ist der zweite Teil einer für mich<br />

sehr wichtigen Trilogie, die mit dem Rattenfänger begann und mit Eduard auf dem Seil endet. In<br />

allen drei Stücken gibt es eine Figur, die aus dem Osten kommt und die Handlung in Bewegung<br />

setzt; im Schimmelreiter ist es ein Fiedler aus der Slowakei, der Hauke Haien seinen Schimmel<br />

andreht. Ich habe beobachtet, wie durch die Öffnung des Ostens, gerade durch Komponisten<br />

aus Lettland, Litauen, Russland oder etwa Georgien Elemente in unsere mitteleuropäische<br />

Musik kommen, die nach 1945 bei uns verpönt waren: Das Gefühl, der Humor und ein ungebrochenes<br />

Verhältnis zur Melodie. Als ich mir die ersten Gedanken zum Schimmelreiter machte,<br />

hörte ich die Legende von der Entstehung der mongolischen Pferdekopfgeige. Mich faszinierte,<br />

wie ein mongolischer Reiter, dessen Pferd der Khan hatte töten lassen, weil er es nicht als Geschenk<br />

bekam, aus der Wirbelsäule des toten Tieres einen Stab, aus den Haaren Saiten und aus<br />

dem Schweif einen Bogen formte und versuchte, das klagende Wiehern des geliebten Tieres mit<br />

seinem neuen Instrument wiederzugeben. Als ich den ,Schimmelreiter‘ von Theodor Storm immer<br />

und immer wieder las und durch die Sekundärliteratur geradezu in die Szenen hineingezogen<br />

wurde, ging mir immer diese Pferdekopfgeige durch den Sinn mit ihren klagenden Trillern<br />

und Glissandi. Bald war klar, dass das zentrale Instrument des Schimmelreiters eine Geige sein<br />

musste, deren Gesang sich durch das ganze Stück zieht, es eröffnet und beschließt.” (Quelle:<br />

Bühnen der Landeshauptstadt Kiel 1998)<br />

Der Schimmelreiter<br />

21.06.1998 Bühnen der Landeshauptstadt Kiel<br />

In der Verkürzung auf knappe, filmschnittartig montierte Szenen werden die Motive konzentriert<br />

erkennbar. Aberglaube und Tradition bestimmen den Alltag des Dorfes im Nirgendwo, geistige<br />

und materielle Abhängigkeit die Beziehungen der wenigen handelnden Personen. Wilfried Hiller<br />

fand in diesem Stoff und seiner Reduzierung auf eine holzschnittartige szenische Faktur eine ideale<br />

Ausgangsbasis für kompositorische Arbeit. Sein Schimmelreiter ist ein sinnliches Kaleidoskop, das<br />

sich aus vielen Quellen zusammensetzt – Volkslied, Jazzrhythmik, Orgel- und Glockenklang als<br />

naturalistische Zeichen neben raffiniert ausgeklügelter Instrumentation.<br />

(Frankfurter Rundschau, 27.06.1998)<br />

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