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Musiktheater seit 1990 - Schott Music

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Inhalt<br />

In der Nacht vom 24. auf den 25. September 1940. Walter Benjamin und Lisa Fittko sind auf<br />

der Flucht vor den Faschisten und erkunden einen Fluchtweg zur spanischen Grenze. Erschöpft<br />

von dem mühsamen Aufstieg in die Pyrenäen oberhalb von Port Bou will Lisa Benjamin zur Umkehr<br />

bewegen; doch er weigert sich. Als die Nacht hereinbricht, lässt sie ihn zurück – erst am<br />

nächsten Morgen will sie ihn weiterführen. Allein geblieben betäubt Benjamin seine existenzielle<br />

Furcht mit Morphiumtabletten.<br />

In einem Wachtraum verbringt er die letzte Nacht vor seinem Freitod. Bilder der Vergangenheit<br />

bedrängen ihn: seine Inhaftierung in Paris, die Evakuierung der Exilanten ins Lager. Und weiter<br />

reißt ihn der Strom der Erinnerung, zurück in Alpträume der Kindheit und Jugend, in die Zeit<br />

der 1930er-Jahre mit ihrem selbstvergessenen Tanz auf dem Vulkan. Benjamin erkennt, dass<br />

er fast immer nur Außen<strong>seit</strong>er gewesen ist. Zwei Engel, wie aus Paul Klees Bild entsprungen,<br />

stellen ihn vor die Wahl zwischen Leben und Tod. Der eine Engel verheißt ihm Freiheit und die<br />

Aussicht auf eine neue Existenz, von der ihn nur wenige Stunden trennen. Doch der andere Engel,<br />

Klees „Angelus Novus“, hat für Benjamin die größere Anziehungskraft. Der zerstörerischen<br />

Macht dieses Todesengels kann er sich nicht entziehen.<br />

Winterreise<br />

24.08.1994 Internationale Musikfestwochen Luzern<br />

Fremde, Kälte, Unbehaustheit. Benjamin als heillos Unangepasster, ewiger Außen<strong>seit</strong>er, aber auch<br />

als Verweigerer mit verstörend hellsichtigem Blick auf sich und seine Umwelt, der sein Fremdsein<br />

und seine Ausweglosigkeit nicht nur erleidet, sondern auch auskostet (Schubert: „Was vermeid ich<br />

denn die Wege, die die andern Wandrer gehen…“). [...] Der Kern des musikalischen Materials ist<br />

ein verändertes Motiv aus dem „Wegweiser“ (Lied 20 der Winterreise von Franz Schubert). Daraus<br />

entstehen die verschiedenen Ausdrucksbereiche: Verzweiflung, Angst, Aggression, Spott, aber auch<br />

Utopie der Geborgenheit, Todessehnsucht, Ruhe.<br />

(Ingomar Grünauer, Quelle: Hessisches Staatstheater Wiesbaden 1997)<br />

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