Musiktheater seit 1990 - Schott Music
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Inhalt<br />
„Wie klingt ein ,Pückler’ musikalisch? Sehr kontrastreich. Zunächst temporeich, mit viel<br />
rhythmisierten Geräuschen und einer wild-absurden Mischung von Operettenhaft-Banalem<br />
und Schrill-Avantgardistischem. Dann sehr emotional, abgeklärt und transzendent. Nach<br />
dem Besuch im Branitzer Park war Bernd Matzkowski und mir nämlich klar, dass in Analogie<br />
zu Pücklers Aufteilung in einen Garten des Lebens (,Arkadien’) und einen Garten des Todes<br />
(,Elysium’) unsere Oper zwei kontrastierende Teile haben sollte: Im ersten Teil ist das pralle<br />
Leben zu hören, große Ensemblenummern und tänzerische Rhythmen dominieren, vom Walzer,<br />
Schnellpolka ,Tritsch Tratsch’ (für den Zeitungsklatsch der Leute), Karussellmusik, sorbischer<br />
Tanz für das Lausitzer Kolorit – natürlich alles in einer zeitlosen und modernen Stilisierung. Im<br />
zweiten Teil erlebt man – nach einer nochmaligen Steigerung des Vitalen durch orientalischen<br />
Zauber (Pückler war ja lange Jahre als schriller Paradiesvogel mit eigenem Harem (!) auch in<br />
Afrika und Arabien) – dann den Rückfall<br />
in Nachdenklichkeit und Einsamkeit des<br />
Abschieds. Seine Freunde und Frauen<br />
sterben, er sinniert über menschliche<br />
Existenz im Grundsätzlichen. Stille. Genau<br />
hier wird aus dem Grotesken, Absurden,<br />
Prometheisch-Lebensbejahenden des<br />
Beginns eine wirklich ,große Oper’: Zum<br />
Licht gehört der Schatten, zur Lebensbejahung<br />
gehört der bewusste Umgang mit<br />
dem Tod. Pücklers kurioses Testament<br />
führt dazu, dass die Oper trotz aller<br />
Stille und Tiefgang, in die sie mündete,<br />
mit einem grotesken Knaller aufhören<br />
kann: Sein letzter Wille verlangte die<br />
chemische Auflösung des Leichnams, sein<br />
Herz wurde spezialbehandelt – und dann<br />
alles in einem seltsamen Leichenzug (mit<br />
militärischem Pomp, mit Mohren und<br />
Zwergen) in den Grabhügel eingefahren.“<br />
(Enjott Schneider)<br />
Fürst Pückler<br />
Plakat der Uraufführung, Theater Görlitz<br />
Schneider und seine Autoren haben in den Szenen charakteristische Lebenssituationen Pücklers eingefangen.<br />
Pückler als ,erster Öko-Denker’, Pückler und die Gesellschaft, Pückler und die Frauen...<br />
Schneiders Musik schillert so vielgestaltig wie die Vorlage eines schillernden Lebens. Zwölfton,<br />
Volkslied, Operette, Cancan, Polka, Groteskes, Schauerromantik – der Komponist findet für jede<br />
Situation den effektvollen Ton. Ein avantgardistisches Klang-Raum-Theater ist dabei natürlich nicht<br />
entstanden, aber eine unterhaltsame Spieloper. Man sollte das nicht geringschätzen.<br />
(Opernwelt, 06/2006)<br />
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